Johanniskirche (Leipzig)
Die Johanniskirche war eine evangelisch-lutherische Kirche in der Leipziger Ostvorstadt. Sie befand sich auf dem Johannisplatz, östlich der Innenstadt. Sie brannte im Zweiten Weltkrieg aus. Die Ruine des Kirchenschiffs wurde 1949 abgetragen, der Turm 1963 gesprengt. Auf dem zu ihr gehörenden Friedhof wurde Johann Sebastian Bach 1750 begraben.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Kirche St. Johannis wurde sie im 14. Jahrhundert als Nachfolgerin einer älteren Kapelle des Spitals zu St. Johannis des Täufers vor dem Grimmaischen Tor erbaut, im Schmalkaldischen Krieg 1547 teilweise zerstört, dann abgebrochen und 1582–1584 neu errichtet. Das Gotteshaus erhielt 1742 eine 22-registrige Orgel von Johann Scheibe, welche von Johann Sebastian Bach und Zacharias Hildebrandt abgenommen wurde. Scheibe baute Pfeifen aus der zwei Jahre davor demontierten Schwalbennestorgel der Thomaskirche in diese Orgel ein.[1] Erst 1746–1749 entstand der Kirchturm im Stil des Barock.
Während und nach der Völkerschlacht diente die Kirche bis 1814 als Lazarett. 1894–1897 wurde sie, mit Ausnahme des Turmes, abgetragen. Die bis dahin mehrmals umgebaute Scheibe-Orgel wurde vor dem Abriss demontiert und eingelagert.[1] An Stelle des alten Kirchenschiffs entstand ein Gebäude nach Plänen von Hugo Licht im Stil des Neobarock. Bachs Grab lag, den damaligen Quellen zufolge, „sechs Schritte geradeaus von der Thüre an der Südseite der Kirche“.[2] Die mutmaßlichen Gebeine Johann Sebastian Bachs, die beim Abbruch der Südwand des Kirchenschiffs am 22. Oktober 1894 exhumiert worden waren, und die Gebeine Christian Fürchtegott Gellerts wurden am 16. Juli 1900[3] in Sarkophagen in einer Gruft unter dem Altar der Kirche beigesetzt.
Nachdem die Kirche beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 auf Leipzig ausbrannte, ließ die Stadtverwaltung die Ruine des Kirchenschiffs 1949 abreißen und die Trümmer beseitigen. Dabei zeigte sich, dass die Särge Bachs und Gellerts unbeschädigt waren. Die mutmaßlichen Gebeine Bachs wurden am 28. Juli 1949, der Überlieferung nach mit einem Handkarren[4], in die Thomaskirche, die Gebeine Gellerts in die Paulinerkirche überführt. Nach anderen Angaben wurden die Steinsärge im Zuge der Trümmerberäumung erst im Herbst 1949 freigelegt, von einem aufmerksamen Maurer vor der Entsorgung auf der Schuttdeponie gerettet[5] und Bachs mutmaßliche Gebeine von diesem zur Thomaskirche gebracht. Die Kanzel der Kirche kam in das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig.
Der gemauerte Teil des Turms der Kirche war erhalten geblieben und wurde 1956 teilsaniert. Trotz eines Gestaltungswettbewerbs zur Erhaltung des Turms und vielfachen Engagements aus der Bürgerschaft und des Denkmalschutzes beschloss auf Initiative der SED die Stadt 1963 die Beseitigung des Turms, der am 9. Mai 1963 gesprengt wurde.
Die Johannisgemeinde, die nun ohne eigene Kirche war, wurde in die Nikolaigemeinde integriert.[6]
Nach der deutschen Wiedervereinigung und der Neubildung des Freistaats Sachsen gründete sich im Jahr 2003, vierzig Jahre nach der Sprengung, der Bürgerverein Johanniskirchturm e. V. mit dem Ziel, den Kirchturm an seinem historischen Standort wiederaufzubauen. Zunächst symbolisch wurde am 4. Dezember 2013 auf dem Johannisplatz ein Holzkreuz zur Erinnerung an die Bombennacht und an die Sprengung des Kirchturms errichtet.[7]
Im November 2014 wurde die Gruft freigelegt, untersucht und provisorisch wieder abgedeckt.[8] Zwei große Gellert-Figuren aus Marmor von einem Epitaph, das einst im südlichen Altarraum der Johanniskirche stand, sind erhalten geblieben und sollen restauriert werden.[9]
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Johanniskirche auf einem Stich um 1700
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1887, vor dem Umbau durch Hugo Licht
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Nach dem Bombenangriff
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Erhaltener Turm 1951
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Kanzel im Stadtgeschichtlichen Museum
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Erinnerungskreuz
von 2013
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Cornelius Gurlitt: Johanniskirche nebst Johanneskirchhof. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 17. Heft: Stadt Leipzig (I. Theil). C. C. Meinhold, Dresden 1895, S. 151., abgerufen am 24. Februar 2021.
- Werner Marx: Der Johanniskirchturm in Leipzig – Die Geschichte seiner Zerstörung. Sax-Verlag, Beucha 2006, ISBN 978-3-86729-000-5.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Johanniskirche im Leipzig-Lexikon
- Webauftritt des Bürgervereins Johanniskirchturm mit historischem Bildmaterial
- Holger Zürch: Verlorene Kirche in Leipzig: die Johanniskirche. In: Leipziger Internet Zeitung.
Koordinaten: 51° 20′ 16″ N, 12° 23′ 11,2″ O
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Johanniskirche. Abgerufen am 24. Oktober 2020.
- ↑ Ein Genie - zu 70 Prozent - DER SPIEGEL 8/2008. Abgerufen am 24. Dezember 2020.
- ↑ Johanniskirchturm e. V. Leipzig. Abgerufen am 23. Oktober 2020.
- ↑ Bayerischer Rundfunk: Was heute geschah – 28. Juli 1949: Bachs Gebeine werden in die Thomaskirche überführt | BR-Klassik. 27. Juli 2020, abgerufen am 23. Oktober 2020.
- ↑ http://www.johanniskirchturm.de/material/rundblick/rundblick_13.pdf
- ↑ Johanniskirche. Abgerufen am 25. Dezember 2020.
- ↑ Johanniskirchturm-Rundblick Dezember 2013
- ↑ Johanniskirchturm e. V. Leipzig. Abgerufen am 24. Oktober 2020 (Siehe auch "Leipziger Volkszeitung" vom 7. November 2014).
- ↑ Johanniskirchturm e. V. Leipzig. Abgerufen am 24. Oktober 2020 (Siehe auch "Leipziger Volkszeitung" vom 17. Dezember 2014).