Kalenderreform des Gaius Iulius Caesar

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Iulius Caesar

Die Kalenderreform des Gaius Iulius Caesar, die mit der Einführung des julianischen Kalenders im Jahr 45 v. Chr. vollzogen wurde, stellte nach der im Zuge der Zwölftafelgesetze um 450 v. Chr. beschlossenen Umstellung des römischen Kalenders von einem reinen Mondkalender auf einen gebundenen Mondkalender erneut eine tiefgreifende Änderung dar. Kernpunkt der Julianischen Reform war der Wechsel vom gebundenen Mondkalender auf einen Sonnenkalender.

Nachdem die einschneidenden Maßnahmen zur Zeit Cäsars in der täglichen Praxis fast gänzlich unbeachtet geblieben waren, wurde dessen Kalender in der Folgezeit nicht nur im Römischen Reich in vollem Umfang akzeptiert, sondern später auch in anderen Reichen und Ländern übernommen.

Einzelheiten der Kalenderreform

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Die ersten Anzeichen für eine geplante Kalenderreform sind nach dem Tod von Pompeius fassbar, der als Gegenspieler Caesars nach seiner Niederlage in der Schlacht von Pharsalos nach Ägypten floh und dort (nach dem vorjulianischen Kalender) am 28. September 48 v. Chr. (706 a. u. c.[1]) im Auftrag der Vormünder des Königs Ptolemaios XIII. ermordet wurde. Caesar folgte Pompeius nach Ägypten und könnte in Alexandria im Umfeld spät-hellenistischer Gelehrter auf Verbesserungsmöglichkeiten des bisherigen römischen Kalendersystems hingewiesen worden sein.

Nach seiner Rückkehr im Oktober 47 v. Chr.[2] stand als nächster wichtiger Punkt die Aussicht auf eine dritte Amtszeit als Konsul im Mittelpunkt. Da zeitgenössische Quellen für die Hintergründe der Kalenderreform im politischen Bereich vollständig fehlen, kann Caesars Motivation diesbezüglich in Verbindung mit anderen Quellen nur interpretiert werden.

Die Ausarbeitung der Kalenderreform übergab Caesar einem Ausschuss, der größtenteils aus nicht-römischen Fachleuten bestand und von Sosigenes aus Alexandria geleitet wurde. Cassius Dio berichtet, dass Caesar die vierjährige Schaltregel zuvor in Alexandria kennengelernt habe.[3] Hinweise auf eine Beteiligung des von Caesar dominierten Pontifikalkollegiums liegen nicht vor. Der Senat erhielt zwar eine Benachrichtigung, nahm jedoch an der Beschlussfassung nicht teil. Die Anordnung der Kalenderreform geschah auf mündlichem Weg, wobei das zugehörige schriftliche Edikt erst nach Caesars Tod in der zweiten Hälfte des Jahres 44 v. Chr. folgte, als die Kalender-Reform schon über eineinhalb Jahre in Kraft war. Ebenfalls größtenteils mündlich sollte später die Verbreitung der Schaltregel weitergegeben werden; eine breit angelegte Verschriftlichung auf Dokumenten und Bekanntgabe in der Öffentlichkeit unterblieb.[4]

Caesars neue Schaltregel

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Im Zentrum stand Caesars Entschluss, die Exaktheit des Sonnenjahres für den bürgerlichen Kalender als Maß zugrundezulegen.[5] Es wird angenommen, dass als „natürliches“ Neujahr eines Sonnenjahres der erste Neumond nach der Wintersonnenwende galt.[6] Von dort ausgehend sollte ein Normaljahr um 10 Tage verlängert werden und war dann genau so lang, wie ein ägyptisches Verwaltungsjahr. Wie zur Zeit von Pharao Ptolemaios III.[7] sollte „quarto quoque anno“ ‚in jedem vierten Jahr‘[8] im Februarius ein Zusatztag eingefügt werden. Der bisherige Schaltmonat Mensis intercalaris hingegen war dann ersatzlos zu streichen. Damit sollte die durchschnittliche Jahreslänge nun 365,25 Tage betragen.

Caesars neue Tagesverteilung

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Tagesaufteilung auf die Monate im Normaljahr[9]
Monat alter römischer
Lunisolarkalender
Julianischer
Kalender
Ianuarius 29 31
Februarius 28 28
Martius 31 31
Aprilis 29 30
Maius 31 31
Iunius 29 30
Quintilis 31 31
August 29 31
September 29 30
October 31 31
November 29 30
December 29 31
Summe 355 Tage 365 Tage

Das Normaljahr des römischen Lunisolarkalenders umfasste 355 Tage. Mit der Abschaffung des Mensis Intercalaris mussten die fehlenden 10 bis 11 Tage zur Anpassung an das Sonnenjahr in die alten Strukturen eingefügt werden. Caesar musste bei der Tageverteilung die Interessen der politischen und religiösen Strömungen möglichst weitreichend berücksichtigen. Dabei ging er sehr behutsam vor. Die inneren Strukturen der alten Monate wurden ebenso wenig verändert wie die bestehenden Monate mit 31 Tagen und der 28-tägige Februarius. Um den Kultcharakter des letzten Monatstages als Abschluss nicht zu verändern, verfügte Caesar den Einschub der zusätzlichen ein oder zwei Tage nach dem vorletzten Tag, so dass sich auf der Festtagsebene nur unwesentliche Änderungen ergaben.[10] Ein erklärtes Ziel war unter anderem, die Jahrpunkte, also die Äquinoktien und Sonnenwenden weiterhin auf den jeweils achten Tag vor den Kalenden zu setzen.[11]

Aus den Aufzeichnungen des Macrobius sind die von der Änderung betroffenen Tage bekannt:

«Dies autem decem, quos ab eo additos diximus, hac ordinatione distribuit: in Ianuarium et Sextilem et Decembrem binos dies inseruit, in Aprilem autem Iunium Septembrem Novembrem singulos: sed neque mensi Februario addidit diem, ne deum inferum religio inmutaretur, et Martio Maio Quintili Octobri servavit pristinum statum, quod satis pleno erant numero, id est dierum singulorum tricenorumque.»

„Die zehn Tage aber, die er, wie gesagt, anfügte, verteilte er wie folgt: in den Januar, den Sextilis und den Dezember fügte er je zwei Tage ein, in den April aber, den Juni, den September und den November je einen; dem Monat Februar fügte er jedoch keinen Tag an, damit sich an den religiösen Pflichten gegenüber den Göttern der Unterwelt nichts änderte; dem März, dem Mai, dem Juli und dem Oktober beließ er den alten Zustand, weil sie eine genügend große Anzahl hatten, also je 31 Tage dauerten.“

Macrobius, Saturnalien 1, 14, 7[12]

Die erstmals von Johannes de Sacrobosco ohne Angabe von Quellen geäußerte Vermutung, der Monat August habe erst seit Kaiser Augustus 31 Tage (wie der Juli), während der Februar zunächst 29 bzw. 30 Tage gehabt habe, konnte aufgrund der obigen Textstelle von Macrobius und noch wesentlich älterer Textstellen widerlegt werden.[13]

Die Einführung des neuen Kalenders

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Die Reformen wurden im Jahr 708 a. u. c. beschlossen. Ein Mensis intercalaris war für dieses Jahr von den Pontifices bereits am Ende des Februarius eingefügt worden und hatte die Kalenden des Martius um 23 Tage nach hinten verschoben. Eine Kalenderkommission errechnete 67 weitere Schalttage, die dann auf zwei überlange Schaltmonate zwischen October und November verteilt wurden.[14] Das derart überlange Jahr wurde als „Verworrenes Jahr“ (lateinisch annus confusionis ultimus}) bekannt. Mit seinen 445 Tagen war es nun 90 Tage länger als ein Normaljahr von bis dahin 355 Tagen.

Caesars Schaltregel wurde jedoch nach seinem Tod von der für die Schaltung zuständigen Priesterschaft in traditioneller Weise nach dem Prinzip der „Inklusivzählung“ ausgelegt.[15] Das führte dann zu einer Dreijahres-Schaltung. Dies ist vermutlich das älteste bekannte Beispiel eines Zaunpfahlfehlers. Von Macrobius ist hierzu überliefert:

«Et error huc usque stare potuisset, ni sacerdotes sibi errorem novum ex ipsa emendatione fecissent. Nam cum oporteret diem qui ex quadrantibus confit quarto quoque anno confecto antequam quintus inciperet intercalare, illi quarto non peracto sed incipiente intercalabant. Hic error sex et triginta annis permansit, quibus annis intercalati sunt dies duodecim cum debuerint intercalari novem.»

„Und der Irrtum hätte damit sein Ende haben können, hätten nicht die Priester sich gerade aus der Korrektur einen neuen Fehler geschaffen. Denn während der [Schalt-]Tag, der sich aus den [vier] Vierteltagen bildet, jeweils nach Beendigung von vier Jahren, also ehe das fünfte [Jahr] beginnt, hätte eingeschoben werden sollen, nahmen jene die Schaltung nicht nach Beendigung des vierten Jahres, sondern bei dessen Beginn vor. Dieser Irrtum hielt 36 Jahre an, in denen 12 Tage eingeschaltet wurden, während es nur 9 hätten sein dürfen.“

Macrobius: Saturnalien 1, 14, 13–14a.[16]

Anschaulich bedeutete die Inklusivzählung, dass im Schaltjahr die Zählung des neuen Schaltjahreszyklus wieder mit eins begonnen wurde. Das vierte Jahr im Zyklus war folglich das dritte Jahr nach dem vorherigen Schaltjahr. Die Intention von Caesars Schaltregel war natürlich, dass das vierte Jahr nach dem vorherigen Schaltjahr gemeint sein musste. Diese Intention hätte eigentlich allen Beteiligten klar sein müssen. Dennoch hielt die Priesterschaft an dem traditionellen Verständnis der Schaltungs-Anweisung fest.

Eine entsprechende Korrektur wurde dann von Augustus vorgenommen. Nach einem Schaltjahr im 18. Regierungsjahr (745 a. u. c., bzw. 9 v. Chr.) verfügte er in seinem 19. Regierungsjahr eine korrekte 4-jährige Schaltung unter Auslassung der Schaltung in den folgenden 12 Jahren. Seit dem darauf folgenden 31. Jahr seiner Regentschaft (5 n. Chr.) entspricht der Kalender dem unseren. Und es ist keineswegs selbstverständlich, dass unser Kalender erst ab 1582 nach gregorianischen Regeln schaltet. Dass eine weitere Anpassung des Kalenders an die Länge des Sonnenjahres erfolgen sollte, war spätestens im 2. Jahrhundert erkannt worden, möglicherweise aber bereits vor dieser Korrektur.[17]

In wie weit es für das Jahr der Einführung des Kalenders (710 a. u. c.) gelungen war, die Jahrpunkte auf die dafür vorgesehenen Kalendertage fallen zu lassen, oder das erste Kalenderjahr nach der neuen Ordnung am Tag nach dem ersten Neumond nach der Wintersonnenwende zu beginnen, ist nicht gesichert, da widersprüchliche Angaben darüber überliefert sind, ob beispielsweise das Jahr 710 (45 v. Chr.) selbst ein Schaltjahr war.[8] Da das vorhergehende, „verworrene“ Jahr einen regulär eingeschalteten Mensis Intercalaris hatte, war es bereits Schaltjahr in einer vierjährigen Periode. Das Jahr 710 war das Folgejahr. Auch deshalb wird eine erste Schaltung in 710 für unwahrscheinlich gehalten. Es wird daher davon ausgegangen, dass die erste planmäßige Schaltung nach der Kalenderreform erst nach Caesars Tod (also nach dem 15. März 44 v. Chr.) erfolgte.[18]

Für die erste Schaltung im Sinne der Kalenderreform liegen keine verfügbaren zeitgenössischen Quellen vor. Zu den wertvollsten Quellen gehört Macrobius, dessen Überlieferung für den Kalender Caesars auf Suetons Schrift de anno Romanorum fußt.[19] Sueton seinerseits lebte ein Jahrhundert vor Cassius Dio, am Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. Ihm lagen damals wohl zeitnahe Quellen vor. Als historisch „wertlos“ sind die Aussagen des Chronographen von 354 anzusehen, der seine Schlussfolgerungen mit den Zeitangaben der varronischen Ära verband und ab Beginn des julianischen Kalenders von fehlerfreien Schaltungen ausging. Die von ihm in Rückwärtsrechnung getroffene Entscheidung, dass 45 v. Chr. das erste Schaltjahr darstellte, lässt vermuten, dass die historischen Quellen von Sueton und Dio in diesem Zusammenhang bei ihm keine Berücksichtigung fanden, was seine Nichtkenntnis über die bis Augustus durchgeführten fehlerhaften Schaltungen erklären würde.

  • Wilhelm Drumann, Paul Groebe: Der römische Kalender in den Jahren 64–43 v. Chr. In: Wilhelm Drumann, Paul Groebe: Geschichte Roms in seinem Übergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung, oder: Pompejus, Caesar, Cicero und ihre Zeitgenossen. Bd. 3: Domitii – Julii. Gebrüder Bornträger, Leipzig 1906.
  • Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 103–131 (Digitalisat).
  • Anja Wolkenhauer: Sonne und Mond, Kalender und Uhr. Studien zur Darstellung und poetischen Reflexion der Zeitordnung in der römischen Literatur, Berlin 2011 (besonders zur Umsetzung der Reform und der zeitgenössischen Reaktion).
  • Theodor Mommsen: Chronica minora saec. IV, V, VI, VII. 3 Bände. Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1892–1898. Nachdruck Monumenta Germaniae Historica, München 1981.
  • Jörg Rüpke: Zeit und Fest: Eine Kulturgeschichte des Kalenders. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54218-2.
  • Jörg Rüpke: Kalender und Öffentlichkeit: Die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom. De Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-014514-6.
  • Ekkehart Syska: Studien zur Theologie im ersten Buch der Saturnalien des Ambrosius Theodosius Macrobius. Teubner, Stuttgart 1993, ISBN 3-519-07493-1.
  • Cassius Dio Cocceianus: Römische Geschichte. Band 43. J.B. Metzler, 1832 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  1. Datum des römischen Kalenders.
  2. Mitte Oktober 47 v. Chr. begann das Jahr 708 a. u. c.
  3. Cassius Dio, Römische Geschichte 43,26.
  4. Jörg Rüpke: Kalender und Öffentlichkeit: Die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom. De Gruyter, Berlin 1995, S. 585–587.
  5. Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 128.
  6. Bereits im klassischen Altertum Ägyptens hatte ein Monat mit Sonnenaufgang nach Neumond begonnen. (Vgl. Ägyptischer Kalender)
  7. Eigentlich war in Ägypten jedes Jahr ein Schaltjahr mit 12 Monaten zu je 30 Tagen und stets genau 5 Interkalationstagen. Per Erlass in seinem Kanopus-Dekret 238 v. Chr. wurden unter Ptolemaios III. diese sogenannten Epagomenen in 4-jährigem Zyklus um jeweils einen 6. Tag verlängert. Diese Schaltregel wurde nach Ptolemaios' Tod wieder verworfen.
  8. a b Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 120.
  9. Macrobius: Saturnalien 1, 14, 7.
  10. Jörg Rüpke: Zeit und Fest: Eine Kulturgeschichte des Kalenders. C. H. Beck, München 2006, S. 33.
  11. Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 123.
  12. Bayer 2002 – Karl Bayer: Antike Zeitmessung. Die Kalenderreform des Caius Iulius Caesar.. In: Markwart Herzog (Hrsg.): Der Streit um die Zeit: Zeitmessung - Kalenderreform - Gegenzeit - Endzeit (= Irseer Dialoge, Band 5). W. Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-016971-8 (ungült.). (online unter schwabenakademie.de, PDF, abgerufen am 17.11.2024). S. 52.
  13. Sacha Stern: Calendars in Antiquity. Oxford University Press, 2012. Anmerkung 155 auf S. 212.
  14. Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 118.
  15. Die römisch-rechtliche Berechnung einer nach Tagen bestimmten Frist bezog den Tag des die Frist auslösenden Ereignisses als ersten Tag der Frist ein. Diese Berechnungs-Vorschrift wurde vermutlich sinngemäß auf die Bestimmung der Schaltjahre angewendet.
  16. Bayer 2002, S. 59 f.
  17. Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 129 (Anm. 135).
  18. Jörg Rüpke: Kalender und Öffentlichkeit: Die Geschichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom. De Gruyter, Berlin 1995,, S. 382.
  19. Jürgen Malitz: Die Kalenderreform Caesars. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Spätzeit. In: Ancient Society. Band 18, 1987, S. 117 f.