Wladimir Ledóchowski
Wladimir Graf Ledóchowski SJ (* 7. Oktober 1866 in Loosdorf bei St. Pölten; † 13. Dezember 1942 in Rom) war ein polnischer Adliger und der 26. Generalobere der Societas Jesu.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wladimir Ledóchowski stammte aus einem alten polnischen sowie österreichischen Adelsgeschlecht. Er war eines von neun Kindern des Grafen Antoni Halka Ledóchowski und der Schweizer Gräfin Joséphine geb. Salis-Zizers. Er wurde in einem von seinem Vater erbauten Herrenhaus in Loosdorf bei St. Pölten in Niederösterreich geboren.[1] Er war der Bruder der seligen Ordensgründerin Gräfin Maria Teresia Ledóchowska und der heiligen Ordensgründerin Gräfin Ursula Ledóchowska und ein Neffe zweiten Grades[2] des Kardinals Mieczyslaw Halka Ledóchowski.
In den Jahren 1877 bis 1884 war Ledóchowski Schüler am Theresianum in Wien und arbeitete gleichzeitig als Page am kaiserlichen Hof. Nach dem Erhalt der Matura (Abitur) studierte er 1884/1885 Jura, ebenfalls in Wien. Im selben Jahr noch wechselte er auf das Priesterseminar nach Tarnów. Zwischen 1886 und 1889 studierte Ledóchowski Philosophie am Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom und an der Päpstlichen Universität Gregoriana Katholische Theologie. Sein Studium schloss er mit einer Promotion zum Dr. phil. ab. 1889 trat er in den Jesuitenorden ein und machte das Noviziat in Stara Wieś (Brzozów). 1894 empfing er das Sakrament der Priesterweihe. 1900 wurde er zum Rektor des Jesuitenkollegs in Krakau berufen. 1901 avancierte er zum Vizeprovinzial der galizischen Provinzen, im Folgejahr wurde er zum Provinzial dieser Gebiete befördert. Dieses Amt hatte er bis 1906 inne. Am 8. September 1906 berief ihn der neu gewählte General des Ordens Franz Xaver Wernz zum Ordenssekretär ins Mutterhaus des Ordens nach Rom.
Als am 19. August 1914 Wernz starb, wählte die Generalkongregation des Ordens Ledóchowski zum 26. General des Ordens. Er trat sein Amt 1915 an. Durch den Kriegseintritt Italiens 1915 bedingt, lagerte er die Verwaltung des Ordens kurzerhand nach Zizers bei Chur in der Schweiz aus. Nachdem der Vatikan 1917 ein überarbeitetes Kirchenrecht veröffentlicht hatte, ließ Ledóchowski 1923 das Eigenrecht des Jesuitenordens daran angleichen. 1938 bestimmte er Pater Maurice Schurmans zum Generalvikar. Im Alter von 76 Jahren starb Graf Wladimir Ledóchowski am 13. Dezember 1942 in Rom. Sein Nachfolger wurde Jean Baptiste Janssens.
Zeit des Nationalsozialismus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]David Kertzers Buch Der erste Stellvertreter – Papst Pius XI. und der geheime Pakt mit dem Faschismus[3] beschreibt starke antisemitische und profaschistische Tendenzen Ledóchowskis. Er schreibt, dass Ledóchowski im Vatikan Antisemitismus verbreitet habe und den Vatikan mit den rassistischen und expansionistischen Ambitionen von Deutschland und Italien ausrichten habe wollen.
Kertzer beschreibt, dass es Beweise gebe, dass Ledóchowski 1937/38 persönlich interveniert habe, um eine Enzyklika gegen Rassismus, die vom amerikanischen Jesuiten John La Farge vorbereitet wurde, zu verwässern. Interviews mit Zeitzeugen und in den 60er und 70er Jahren entdeckte Entwürfe des Dokuments scheinen zu bestätigen, dass Ledóchowski nur widerwillig Publikationen, die das nationalsozialistische Regime in Deutschland kritisierten, herausgab.[4]
Kertzer schreibt: „Ledóchowski sah die Juden als Feinde der Kirche und der europäischen Zivilisation und er würde alles tun, was er konnte um den Papst davon abzuhalten, die antisemitische Welle, die über Europa schwappte, abzubremsen.“[3]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Hans Wolter: Ledóchowski, Wladimir Graf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 14, Duncker & Humblot, Berlin 1985, ISBN 3-428-00195-8, S. 46 f. (Digitalisat).
- Wilhelm Patin: Beiträge zur Geschichte der deutsch-vatikanischen Beziehungen in den letzten Jahrzehnten (= Quellen und Darstellungen zur politischen Kirche. Sonderband. A). Nordland-Verlag, Berlin 1942
- Pinsker: Ledóchowski, P. Wladimir Gf.. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1972, S. 88 f. (Direktlinks auf S. 88, S. 89).
- Hartmut Lohmann: Wladimir Ledóchowski. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 4, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-038-7, Sp. 1341–1343 .
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Valeria Bielak, "The servant of God – Mary Theresa Countess Ledóchowska", 2nd ed., revised and amplified the author, published by the Sodality of St. Peter Claver, Saint Paul, Minnesota, 1944, p. 4
- ↑ Geneanet / Robert Baranowski: Stammbaum Ledóchowski
- ↑ a b David I. Kertzer: The Pope and Mussolini. The secret history of Pius XI and the rise of fascism in Europe. Corby, ISBN 978-0-19-102528-0.
- ↑ The Hidden Encyclical of Pius XI. Washington Post, abgerufen am 28. September 2020.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Franz Xaver Wernz | Generaloberer der Gesellschaft Jesu 1915–1942 | Jean Baptiste Janssens |
Personendaten | |
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NAME | Ledóchowski, Wladimir |
ALTERNATIVNAMEN | Graf Ledóchowski, Wladimir SJ |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Adeliger und Generaloberer der Societas Jesu (Jesuiten) |
GEBURTSDATUM | 7. Oktober 1866 |
GEBURTSORT | Loosdorf |
STERBEDATUM | 13. Dezember 1942 |
STERBEORT | Rom |