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ADB:Pisendel, Johann Georg

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Artikel „Pisendel, Johann Georg“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 182–184, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pisendel,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 21:11 Uhr UTC)
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Pisendel: Johann Georg P., berühmter deutscher Violinspieler, ward am 26. December 1687 zu Karlsburg geboren, wo sein Vater, Simon P., von dem er den ersten Musikunterricht erhielt, Cantor war. Schon 1696 konnte er sich vor dem Markgrafen von Ansbach mit einer italienischen Motette hören lassen, worauf er 1696 als Sopranist in die damals vortreffliche Ansbacher Capelle trat und ein Schüler des Capellmeisters Pistocchi in der Composition und des Concertmeisters Torelli im Violinspiel wurde. Nachdem er sechs Jahre als Sopranist, fünf Jahre als Violinist in der Capelle gedient hatte, kam er 1709 nach Leipzig, um (nach vorherigem fleißigen Besuche des Ansbacher Gymnasiums) dem Willen des Vaters gemäß dort zu studiren. P. scheint sich jedoch bald ganz der Musik gewidmet zu haben, da er in Leipzig 1710 und 1711 während einer Reise Melchior Hofmann’s nach England dessen Stellen versah, also die Musiken in der neuen Kirche und im Collegio musico, sowie die Opernaufführungen leitete. Gegen Ende des Jahres 1711 erhielt er auf die Empfehlungen Volumier’s, der ihn in Leipzig im Collegio musico hatte spielen hören, mit 400 Thlr. Gehalt einen Ruf in die königl. kurfürstl. Capelle, den er auch annahm. Im J. 1712 traf er in Dresden ein und erhielt seinen Platz im Orchester neben dem Concertmeister, was zu jener Zeit eine große Auszeichnung war. Im J. 1714 wurde er mit dem Capellmeister Schmidt, dem Concertmeister Volumier, dem Organist Petzold und dem Oboisten Richter nach Paris geschickt, theils um sich mit diesen dem Gefolge des dort weilenden Kurprinzen von Sachsen anzuschließen, theils um sich weiter zu vervollkommnen. Nach seiner Rückkehr (1715) ging P. in demselben Jahre mit noch einigen Collegen auf Allerhöchsten Befehl nach Berlin, wo sich gerade der sächsische Feldmarschall Graf von Flemming befand. Bei einem von diesem gegebenen Feste dirigirte er die Musik, ließ sich auch bei einem vom sächsischen Gesandten Grafen v. Manteufel [183] gegebenen Gastmahle vor Friedrich Wilhelm I. hören. 1716 reiste er mit Richter, Petzold und Joh. Dismas Zelenka abermals auf Befehl des Königs nach Venedig, wo sich damals der Kurprinz Friedrich August aufhielt und leitete dort, während fast neun Monaten (April bis December) dessen Kammermusik, während er bei dem berühmten Geiger Ant. Vivaldi Unterricht nahm, dem er überhaupt in vertrautem, freundschaftlichem Verhältnisse näher getreten zu sein scheint, da dieser mehrere Concerte und Solo’s für ihn schrieb, welche noch in der königl. Musikaliensammlung in Dresden als Autographa mit der Bezeichnung: „Fatto per Mrs. Pisendel del Ant. Vivaldi“ vorhanden sind. Von Venedig ging er im Sommer 1717 nach Neapel und Rom, wo er sich, sowie in anderen Städten Italiens, mit vielem Beifall hören ließ. In Rom nahm er noch bei dem berühmten Ant. Montanari Unterricht, in Florenz lernte er Martino Bitti kennen. Im September 1717 nach Dresden zurückgekehrt, ward er 1718 mit noch 11 andern Collegen abermals dem Gefolge des Kurprinzen zugetheilt, der diesmal von Italien aus zur Brautschau nach Wien reiste, und dirigirte dort wiederum dessen Kammermusik. Von 1719–1728 blieb er ununterbrochen in Dresden. In letzterem Jahre mußte er in Gesellschaft seiner Collegen, Buffardin, Quantz und Weiß den König nach Berlin begleiten, wo er und seine Genossen mannigfach gefeiert wurden. Nach Volumier’s Tode (1728) versah P. dessen Dienst, erhielt jedoch erst durch Rescript d. d. Dresden, 1. October 1731 Titel und Rang eines Concertmeisters. Er war seinem Vorgänger schon in den letzten Jahren ein gefährlicher Nebenbuhler geworden. Nach Quantz hatte dieser die „französische egale Art des Vortrages“ im Orchester eingeführt, P. jedoch einen mehr „gemischten Geschmack“ (italienisch und französisch) zur Geltung zu bringen gesucht. Im J. 1744 reiste Letzterer noch einmal nach Berlin, um dort seine alten Freunde (namentlich Quantz) zu sehen und einige Opern zu hören; er wurde von Friedrich dem Großen, den er das Jahr darauf als Sieger in Dresden begrüßen sollte, mit Ehren überhäuft. Der Meister starb unverheirathet zu Dresden am 25. November 1755. – P. war der erste deutsche Geiger, welcher die große italienische Schule vollständig in sich auffaßte, ohne dadurch die Vortheile der französischen Art aufzugeben, und so derjenige, welcher für die Ausbildung des Violinspieles im deutschen Vaterlande von hoher Wichtigkeit wurde. Mitten im bewegten Treiben des Dresdner Musiklebens stehend, ward es ihm möglich, eine Menge junger Talente mit seinem Rathe zu unterstützen und so direct und indirect als epochemachend für sein Instrument aufzutreten. Sind diese Verdienste bisher historisch nicht genug gewürdigt worden, so mag dies am bescheidenen Sinne des vortrefflichen Künstlers gelegen haben, der stets alle Reclame verschmäht zu haben scheint und deshalb der Nachwelt ziemlich unbekannt geblieben ist. Quantz, welcher mit ihm in vertrauter Freundschaft lebte, nennt ihn „einen ebenso großen Violinisten als würdigen Concertmeister, und ebenso braven Tonkünstler, als rechtschaffenen Mann“. Ein Zeitgenosse sagt: „Wer seine Musik aufführen hörte, der wurde durch lauter Empfindung überzeugt, daß dieselbe die Beredsamkeit gewisser Instrumente durch die Lust ihres Meisters sey.“ Namentlich soll er vortrefflich im Vortrage überhaupt, insbesondere aber in dem des Adagio gewesen sein. Quantz gesteht, daß er nicht nur hierin, sondern auch „in dem, was das Ausnehmen der Sätze und die Aufführung der Musik überhaupt betrifft“, von P. „das meiste profitirt“ habe. Beide bildeten sich vorzugsweise durch das oftmalige aufmerksame Hören guter Sänger. P. soll stets unzufrieden mit seinen Leistungen gewesen sein, weshalb er sich auch nicht entschließen konnte, Compositionen herauszugeben. Er hatte theoretischen Unterricht bei Heinichen gehabt, der jedoch zu frühzeitig unterbrochen worden war. In der Musikaliensammlung des Königs [184] von Sachsen werden von ihm folgende Compositionen aufbewahrt: 8 Conccrte für Violine mit Orchesterbegleitung; 2 Concerte für Violine, Oboe, Flöte und Fagott mit Bratsche und Baß; 3 Concerte für 2 Oboen mit Begleitung der Streichinstrumente; 2 Sonaten für Violine, Oboe, Viola und Baß; 2 Soli für Violine und Baß; 1 Sinfonie für Violine, Viola, Oboen, Hörner, Fagott und Baß.

Hiller (Lebensbeschr. S. 182 flg.) schildert P. als musterhaften Menschen, ohne Falsch, wohlthätig und von strenger Redlichkeit. Für seine Frömmigkeit und Gelehrsamkeit spricht der Umstand, daß er täglich früh und Abends eine Stunde lang die Bibel in beiden Grundsprachen las. Er war ein wahrer und thätiger Freund, der auch jungen talentvollen Künstlern stets und in jeder Hinsicht seine Unterstützung zukommen ließ; es sind hier hauptsächlich die beiden Graun, Quantz, Franz Benda und Lindner zu nennen, die ihm als Lehrer und Freund Vieles verdankten. P. ward von seinen Zeitgenossen, von seinem Könige hoch geschätzt. Welche Theilnahme sein Tod erweckte, beweist ein rührendes Gedicht, welches Telemann verfaßte und das später in den „wöchentlichen Nachrichten und Anmerkungen die Musik betr.“, Jahrgang 1767, 293 abgedruckt wurde. Telemann scheint überhaupt mit P. eng befreundet gewesen zu sein. Die königl. sächs. Musikaliensammlung besitzt mehrere Autographa des berühmten Mannes mit der Bezeichnung „par moi Telemann“, darunter ein Violinconcert, componirt im September 1719 für P. Hiller schließt unsers Meisters biographische Skizze mit den Worten: „So starb ein Mann, der sowohl in Ansehung seiner musikalischen Wissenschaften, als in Betrachtung seines Charakters und seines Herzens, ein Muster eines rechtschaffenen Tonkünstlers bleiben wird.“ P. spielte auch die Viola pomposa, ein Instrument, welches meist zum Accompagniren gebraucht wurde. Dasselbe war wie ein Violoncell gestimmt, hatte aber in der Höhe eine Saite mehr, war etwas größer als eine Bratsche und ward mit einem Bande so befestigt, daß man es vor der Brust und auf dem Arme halten konnte. Der ehemalige Geigenmacher in Leipzig, Hofmann, verfertigte solche Instrumente nach Angabe Joh. Seb. Bach’s.