Das Blei und seine gefährlichen Wirkungen. I
Schon in den ältesten Zeiten kannte man die höchst gefährliche Krankheit, die bei solchen Menschen auftritt, welche sich fortwährend mit der Bearbeitung und Verwendung des Bleies und dessen Verbindungen beschäftigen. Diese Krankheit nannte man wegen der sie begleitenden heftigen Leibschmerzen die Bleikolik oder auch, da sie insbesondere die mit Bleifarben sich beschäftigenden Maler und Anstreicher befällt, die Malerkrankheit. (Davon später).
Die Ursachen dieser Krankheit sind zweierlei Art: für’s erste wird sie veranlaßt durch das stetige Einathmen einer mit den Dämpfen und den staubigen Theilen des Bleies verunreinigten atmosphärischen Luft, wie sie in den Werkstätten, wo Blei verschmolzen oder sonst verarbeitet wird, immer enthalten ist; für’s andere kann sie aber dadurch hervorgerufen werden, daß die Arbeiter in solchen Werkstätten eine Verunreinigung der freiliegenden Körpertheile mit dem Staub des Bleies u. s. w. nicht füglich vermeiden können, wodurch theils eine Aufsaugung nach den innern Körpertheilen veranlaßt, theils aber auch durch die Hände eine Verunreinigung der davon befaßten Speisen verursacht wird.
Ganz ähnlich den Erscheinungen der Bleikolik, welche nur durch eine gänzliche Unterlassung der Arbeiten mit Blei oder dessen Verbindungen und durch eine zweckentsprechende ärztliche Behandlung, aber auch dann nicht immer mit sicherem Erfolg, geheilt werden kann, sind diejenigen Zufälle, welche im menschlichen Organismus nach einem wirklichen, absichtlichen oder zufälligen Genuß von Bleiverbindungen auftreten, und nicht selten den Charakter einer wirklichen Vergiftung annehmen. Derartige, das Leben gefährdende Vergiftungen sind aber ziemlich häufig, da leider im häuslichen wie im gewerblichen Leben die Verwendung des Bleies in verschiedenen Formen und zu verschiedenen Zwecken eine sehr häufige ist, trotzdem daß seit vielen Jahren auf die Schädlichkeit dieser Verwendungsarten hinreichend durch Sachverständige aufmerksam gemacht und selbst auch durch behördliche Verordnungen dagegen eingeschritten werden ist. Es sind nur kaum zehn Jahre verflossen, daß in einer Weinbau treibenden Gegend an der Elbe die absichtliche oder zufällige Vermischung des Weins mit Blei mehrere Opfer forderte, und es ist daher gewiß gerechtfertigt, in diesen viel gelesenen, weit verbreiteten Blättern die Gefahren, welche durch die Benutzung des Bleies und seiner Verbindungen veranlaßt werden, offen darzulegen.
Das Blei ist in seinem reinen metallischen Zustand wie jedes andere Metall für die menschliche Gesundheit als unschädlich zu betrachten, und würde wegen der Billigkeit und wegen der Leichtigkeit, mit der man es in die verschiedenartigsten Formen bringen kann, ein sehr brauchbares Material zur Verfertigung der verschiedenen Geräthschaften für den häuslichen und gewerblichen Bedarf sein. Diese Verwendung ist aber sehr beschränkt und zwar deshalb, weil das Blei in einem sehr hohen Grad die Eigenschaft besitzt, den Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft und selbst auch aus verschiedenen Sauerstoffverbindungen anzuziehen und damit eine Verbindung zu bilden, die in Flüssigkeiten von saurer, basischer oder salzartiger Natur mehr oder weniger leicht löslich ist und diese, wenn sie als Nahrungs- oder Heilmittel benutzt werden, zu rasch wirkenden oder schleichenden Giften macht.
Jedermann kennt wohl die Eigenschaft des metallischen Bleis, daß es zwar beim Schaben mit einem Messer auf der bloßgelegten Stelle einen starken Metallglanz zeigt, aber auch sehr bald wieder mit verschiedenen Farben und fast pfauenschweifartig anläuft und sich später mit einer schwarzgrauen, leicht abfärbenden Decke überzieht. Diese Umänderung des metallglänzenden Bleis ist bedingt durch den in der atmosphärischen Luft enthaltenen Sauerstoff und die Bildung einer besonderen Sauerstoffverbindung, die eben als Decke ein Schutzmittel gegen die tiefer eingreifende Wirkung des Sauerstoffes auf das darunter befindliche metallische Blei ist. Bringt man nun gar das Blei an der atmosphärischen Luft zum Schmelzen, so wird die Einwirkung des Sauerstoffes noch verstärkt; es bildet sich auf dem schmelzenden Blei rasch eine graue, zum Theil pulverige Decke, die sich so oft erneuert, als sie beseitigt wird, bis sämmtliches Blei darin verwandelt ist. Erhitzt man nun diese Decke an der Luft stärker, so geht sie nach und nach in ein gelbes Pulver über, das eine Verbindung von Blei mit Sauerstoff in unveränderlichen Gewichtsverhältnissen ist und gelbes Bleioxyd oder, da es beim Abtreiben des Silbers oder Goldes vom Kupfer durch Blei als Nebenproduct auftritt, Silberglätte oder Goldglätte genannt wird. Dieses gelbe Bleioxyd kann unter gewissen Umständen aus der atmosphärischen Luft noch eine bestimmte Quantität Sauerstoff aufnehmen und sich in mehr oder minder intensiv feuerrothes Pulver verwandeln, was rothes Bleioxyd, im gemeinen Leben aber Mennige genannt wird.
Das gelbe Bleioxyd ist es namentlich, das im gelösten Zustand die giftigen Wirkungen äußert. Es bildet sich dasselbe aber nicht allein beim Erhitzen des metallischen Bleis an der atmosphärischen Luft, sondern auch, wenn dieses Metall mit sauren, basischen oder salzigen Flüssigkeiten in Berührung steht, wo es dann entweder als solches oder in einer anderen Verbindungsweise gelöst wird. Seine Bildung wird dann entweder durch den Sauerstoff der mit dem Blei in Verbindung stehenden atmosphärischen Luft oder dadurch veranlaßt, daß irgend ein Bestandtheil der Flüssigkeit Sauerstoff abgibt. Ja selbst das Wasser veranlaßt die Bildung des Bleioxydes, indem jenes stets etwas Sauerstoff mechanisch gelöst enthält, der von dem damit in Berührung stehenden Blei aufgenommen wird. Ganz insbesondere ist aber hervorzuheben, daß eben durch die Gegenwart von sauren, basischen oder alkalischen Flüssigkeiten die Anziehung des Sauerstoffes aus der atmosphärischen Luft durch das Blei begünstigt wird, indem jeder Antheil des entstehenden Bleioxydes von der Flüssigkeit gelöst und so stets die metallische Oberfläche des Bleis blosgelegt und für weitere Aufnahme von Sauerstoff empfänglich gemacht wird. Auf diese Weise kann selbst anscheinend reines Wasser in Berührung mit Blei so viel von diesem aufnehmen, daß es sehr giftige Eigenschaften erhält; es tritt hierbei die eigenthümliche Erscheinung auf, daß das reinste auf unserer Erde vorkommende Wasser, das Regen- und Schneewasser, auf das Blei lösend wirkt, während die meisten Arten des gewöhnlichen Quellwassers nichts davon zu lösen vermögen.
Erscheint es daher gefahrlos, die Leitungsröhren der Aufbewahrungsgefäße von Blei anzufertigen, was wir jedoch nicht im geringsten empfehlen wollen, so sind derartige Gegenstände für Regen- und Schneewasser gänzlich unzulässig, wenn das Wasser [81] darin längere Zeit aufbewahrt und zum Trinken, zur Bereitung von Speisen und dergleichen verwendet werden soll. Diese Unlöslichkeit des Blei’s in den meisten Quellwässern und seine Löslichkeit in reinem Wasser läßt sich in folgender Weise erklären: das Schnee- oder Regenwasser enthält neben mechanisch verdichtetem Sauerstoff auch Kohlensäure; durch ersteren wird die Bildung von Bleioxyd bedingt, das sich mit der Kohlensäure verbindet; diese entstandene Verbindung ist zwar in reinem Wasser unlöslich, aber nicht in solchem, das Kohlensäure enthält; ist diese auch aus dem Wasser gänzlich von dem Bleioxyd angezogen worden, so ist sie doch stets in der mit dem Wasser in Berührung stehenden atmosphärischen Luft enthalten, woraus sie fortwährend von jenem angezogen wird und so die Lösung des kohlensauren Bleioxydes veranlaßt. Da nun aber mit der Lösung des kohlensauren Bleioxydes immer neue Oberflächen des metallischen Blei’s bloßgelegt werden, so können auch fortwährend Sauerstoff und Kohlensäure, – die stetig von dem Wasser aus der atmosphärischen Luft angezogen werden – darauf einwirken und neue Lösung verursachen. Der bekannte Toxikolog Orfila erzählt einen Fall, wo aus sechs Trachten Wasser, die zwei Monate lang (an der atmosphärischen Luft) in einer Bleiwanne standen, vier Loth kohlensaures Bleioxyd erhalten wurden.
Die gewöhnlichen Quellwasser enthalten hingegen meist Schwefelsäure mit Basen (mit Kalk zu Gyps) verbunden; sie veranlassen zwar auch wegen ihres mechanisch verdichteten Sauerstoffes an dem mit ihnen in Berührung stehenden Blei die Bildung von Bleioxyd; dieser zieht aber sogleich die Schwefelsäure zu einer in Wasser unlöslichen Verbindung an, welche das Blei so dicht überzieht, daß keine weitere Einwirkung des in dem Wasser oder in der atmosphärischen Luft enthaltenen Sauerstoffes auf das Metall stattfinden kann.
Bei der Zubereitung unserer Nahrungsmittel kommen fast stets Kochsalz, in vielen Fällen Säuren, wie namentlich im Essig und in den verschiedenen säuerlichen oder sauer werdenden Pflanzensäften, und nur mitunter basische Körper, nämlich das Ammoniak bei der Käsebereitung oder bei der Zurichtung des im ersten Stadium der Fäulniß übergehenden Fleisches, in’s Spiel. Wir dürfen dabei in keinem Falle Gefäße von Blei (oder solche, die mit einer bleihaltigen Glasur überzogen sind) in Anwendung bringen, denn bei der größten Sorgfalt und Reinlichkeit kann es nicht vermieden werden, daß Blei gelöst und das Nahrungsmittel in ein schneller oder langsamer wirkendes Gift verwandelt wird. Ist aber schon die Zubereitung der Nahrungsmittel in Bleigefäßen sehr gefahrdrohend, so ist es noch mehr die längere Aufbewahrung derselben in solchen Gefäßen und es bietet oft dem Chemiker nur geringe Schwierigkeiten, aus nicht großen Quantitäten solcher zubereiteten oder aufbewahrten Nahrungsmittel durch geeignete Mittel und Wege das aufgenommene Blei selbst in metallischer Beschaffenheit auszuscheiden. Ja selbst beim Aufbewahren trockener oder halb trockener organischer Substanzen in Blei, wie z. B. des Thee’s oder Schnupftabacks in Bleifolie, wird das Metall nach und nach angegriffen und zwischen jene übergeführt. Besonders aber wirken noch die fettigen Körper, nämlich die Oel-, Fett- und Talgarten auf das Blei ein und lösen dasselbe schon bei gewöhnlicher, noch mehr aber bei erhöhter Temperatur in bedeutender Menge, indem jene unter dem Einflusse des atmosphärischen Sauerstoffes in besondere Säuren übergehen, die die Lösung des Blei’s ungemein begünstigen. Benutzen wir auch mitunter das Blei, um fette Oele zu bleichen, so dürfen wir doch die zum Verspeisen dienenden Oele niemals in bleiernen Gefäßen aufbewahren, noch weniger aber in solchen erhitzen, denn die entstehenden Verbindungen zwischen den Fettsäuren und dem Bleioxyd sind in dem noch vorhandenen unveränderten Oel oder Fett ungemein leicht löslich und machen dieses zu einem wahren Gift.
Ist es auch bei gewerblichen Beschäftigungen mitunter nicht zweckdienlich, Gefäße von Blei durch solche aus anderen Materialien zu ersetzen, so müssen doch in den Haushaltungen alle Koch-, Speise- und Trankgeschirre, so wie überhaupt alle Geschirre, wie Gemäße, Trichter, Hähne u. s. w., aus Blei verfertigt, gänzlich verbannt sein. Ja selbst solche Gegenstände von Blei, die nur oft durch die Hände gehen, können bei nicht gehöriger Reinlichkeit nachtheilige Einwirkungen auf den menschlichen Organismus ausüben, indem durch den an den Händen haftenden Bleiüberzug andere Gegenstände und selbst Speisen leicht verunreinigt werden. Wir müssen in dieser Beziehung insbesondere vor den aus Blei oder bleireichen Legirungen verfertigten Spielwerkzeugen für Kinder warnen, indem diese beim öfteren Antasten die Finger mit einem dünnen Bleiüberzug verunreinigen, wodurch diese beim Einbringen in den Mund, was bei den Kindern doch sehr häufig der Fall ist, den Bleiüberzug an die Zunge abgeben und theils durch die Aufsaugung, theils durch die Lösung und das Eindringen in den Magen nachtheilige Folgen verursachen müssen. Die Soldatenspielzeuge von Blei und die kleinen bleiernen Küchengeräthschaften für Kinderküchen mögen nicht selten die Ursache von dem oft ganz unerklärlichen Hinsiechen der Kinder sein.
Wie in allen anderen Fällen, so wird auch beim Blei seine Empfänglichkeit für den Sauerstoff und die Löslichkeit in gewissen Flüssigkeiten durch die Vermehrung seiner Oberfläche, d. h. durch seine geringere oder größere Zertheilung erhöht. Eine lothschwere Bleikugel hat nicht so viel Oberfläche, als ein Loth Bleischrot und dieses nicht so viel, wie eine gleiche Gewichtsmasse Bleipulver, weshalb dieses weit leichter von dem Sauerstoff angegriffen wird, als das Bleischrot und dieses wiederum leichter, als die Bleikugel. Sind die lösenden Flüssigkeiten in hinreichender Menge vorhanden, so verschwindet das Bleipulver ziemlich rasch, das Bleischrot weit später und die Bleikugel erst nach sehr langer Zeit. Dieses müssen wir bei einigen häuslichen Beschäftigungen noch ganz insbesondere beachten. So findet sich in vielen Haushaltungen, Wirthschaften und Weinhandlungen der Gebrauch, das Bleischrot beim Reinigen der Flaschen als reibendes Hülfsmittel zu verwenden. Dieser Gebrauch ist nur dann ohne Gefahr, wenn die Innenfläche der Flaschen ganz eben ist und keine Stellen hat, wo sich Schrotkörner entweder wegen Verengerung absetzen oder wegen Glasblasen abreiben können. Gewöhnlich haben aber die Glasflaschen, namentlich die sogenannten Weinflaschen, am Boden eine durch das Eindrücken desselben veranlaßte Verengerung, in welche sich beim Schütteln derselben mit Wasser und Bleischrot letzteres oft so fest einsetzt, daß es beim Umstürzen der Flaschen nicht herausfällt. Wird den so behandelten Flaschen nicht die gehörige Aufmerksamkeit gewidmet und irgend eine säuerliche Flüssigkeit, wie Wein, Bier, kohlensäurehaltiges künstliches oder natürliches Mineralwasser, Essig u. s. w. darauf gefüllt, so wird jedes sitzengebliebene Bleischrot davon nach und nach angegriffen und selbst gänzlich aufgelöst, dadurch aber die darin befindliche Flüssigkeit zu einem schwächeren oder stärkeren Gifte gemacht. Wir haben selbst Gelegenheit gehabt, einen aus dem Handel auf Flaschen bezogenen Wein schon durch den Geschmack so bleihaltig zu finden, daß er Widerwillen erregte, erhielten bei der chemischen Untersuchung die Gewißheit von gelöstem Blei und fanden bei der Beaugenscheinigung der Flasche eine Partie Schrotblei so fest am Boden derselben eingezwängt, daß sie nur beim Zerbrechen herausgenommen werden konnte und sich allseitig angefressen zeigte. Wir glauben auch, daß der von vornherein angedeutete Fall des Sterbens mehrerer Personen nach dem Genuß von Wein nicht durch eine absichtliche Behandlung desselben mit Blei – wie leider früherhin häufig der Fall war – sondern durch eine solche Reinigung der zu seiner Aufbewahrung dienenden Flaschen veranlaßt worden ist, und können diese Ansicht um so mehr hegen, als nicht sämmtliche Genossen des betreffenden Gastmahles durch Weinvergiftung zu leiden hatten.
Ist aber schon die Reinigung der Glasflaschen durch Bleischrot sehr gefahrdrohend, so ist es noch vielmehr die der irdenen Flaschen, da hier selbst die größte Aufmerksamkeit in Betreff der Beseitigung des Bleischrotes nutzlos ist. Die irdenen Flaschen haben nämlich eine so rauhe Innenfläche, daß sich das darin mit Wasser in Bewegung gesetzte Bleischrot abreiben muß und eine so behandelte irdene Flasche zeigt beim Zerbrechen die Innenfläche der Bruchstücke wie mit Graphit (Ofenschwärze) überzogen. Das so abgeriebene Blei bietet nun den auf solche Flaschen zu füllenden Flüssigkeiten eine sehr große Oberfläche dar und wird deshalb um so rascher gelöst; schon nach kurzer Zeit weiß dann der Chemiker in den Flüssigkeiten, wenn sie nicht bereits den eigenthümlichen Geschmack der gelösten Bleiverbindungen in auffallendem Maße besitzen, das Blei bestimmt nachzuweisen und das Innere der Flaschen erscheint bald frei von dem Bleiüberzug. Bei Flaschen aus Glas, die blasige Stellen besitzen, findet beim Reinigen mit Bleischrot eine ähnliche Erscheinung, wenn auch nicht so verbreitet, statt; die blasigen Stellen werden nämlich durch die Gewalt des in Bewegung gesetzten Bleischrotes nach innen hin zerdrückt und es treten [82] nun scharfe Stellen hervor, an welchen sich das Metall abreibt und dann leicht durch Flüssigkeiten gelöst wird.
Ist aber die Anwendung des Bleischrotes zum Reinigen der Flaschen schon wegen einer möglichen Lösung von Blei in den in jenen aufzubewahrenden Flüssigkeiten ganz unzulässig, so wird es dieses dadurch noch mehr, daß durchgehends das Blei, das auf Schrot verarbeitet werden soll, zur Erzielung eines gewissen Härtegrades mit Arsen – bis zu 10% – verschmolzen wird. Löst sich auch dieses in den das Blei zerstörenden Flüssigkeiten nicht eher, als bis das Blei selbst sämmtlich gelöst ist, so wird es doch bei einer nur theilweisen Lösung des Blei’s von so höchst feinpulveriger Beschaffenheit abgeschieden, daß es beim Ausgießen der Flüssigkeiten mit herausgeschlemmt und – wenn diese ein Getränk ist – mit genossen wird; durch die Bestandtheile des Magensaftes kommt es aber leicht in Lösung und veranlaßt die Erscheinungen und Zufälle einer Arsenikvergiftung in geringerem oder höherem Grade. Wird aber das Bleischrot gänzlich von der damit in Berührung stehenden Flüssigkeit gelöst, so äußert diese auf das abgeschiedene Arsen dieselbe Veränderung wie auf das Blei; es zieht entweder freien oder gebundenen Sauerstoff an und verwandelt sich in eine Säure, die in der chemischen Sprache Arseniksäure, im gemeinen Leben aber weißer Arsenik genannt wird, als eins der heftigsten Gifte bekannt ist und von der Flüssigkeit gelöst wird.
Alle diese Thatsachen thun hinreichend dar, wie höchst gefahrdrohend die Verwendung des Bleischrotes zum Reinigen der Flaschen ist und jeder sorgsame Haus- und Familienvorstand wird dadurch dahin geführt werden, diese Reinigungsmethode durch eine andere gefahrlose zu ersetzen, in welcher Beziehung wir hier nur auf ein bereits in manchen Haushaltungen, Wirthschaften und Weinhandlungen gebräuchliches Verfahren aufmerksam machen und dieses, da es weit sicherer, viel billiger und ohne Gefahr ist, empfehlen werden.
Man bediene sich nämlich beim Flaschenreinigen zum Abreiben der fester sitzenden Theile einer hinreichend langen Kette von schwachem Eisendraht, welche an dem einen Ende mit einem so weiten Ringe versehen ist, daß dieser außerhalb der Flaschenöffnung gehalten wird. Die Kette im Inneren der Flasche mit Wasser in Bewegung gesetzt, reißt alsbald alle Unreinigkeiten ab.
Das Fleisch des durch den Schuß erlegten Wildes muß jedes Mal von der Hausfrau oder der die Küche verwaltenden Persönlichkeit genau untersucht und von dem darin befindlichen Blei, es mag dieses in Kugelform, in gehacktem Zustande oder als Schrot vorhanden sein, sorgfältigst befreit und die um das aufgefundene Blei befindlichen Stellen herausgeschnitten werden. Man darf diese Vorsichtsmaßregel besonders dann nicht versäumen, wenn das Wildfleisch mit Essig oder saurer Milch zugerichtet oder, wie es einige Feinschmecker am liebsten haben, zuvor der beginnenden Fäulniß ausgesetzt wird. Die Säure des Essigs oder die Milchsäure der sauren Milch wirken sehr energisch auf das Blei ein und können so das Fleisch, wenn es Bleistücke enthält, stellenweise in ein sehr heftiges Gift verwandeln. Dasselbe gilt für das ohne Essig oder saure Milch zubereitete Wildfleisch, wenn es in die Fäulniß getreten ist, denn nichts Anderes ist der Zustand, bei welchem das Fleisch besonders während des Bratens den eigenthümlichen, nur Feinschmeckern beliebten haut goût besitzt. Die Fäulniß thierischer Körper ist aber stets mit der Bildung von Ammoniak verbunden, das die Verbindung des im Fleische befindlichen Blei’s mit Sauerstoff und dadurch seine Löslichkeit begünstigt. Aus dem oben über das Reinigen der Flaschen Gesagten geht aber schon hinreichend hervor, daß auch hier Bleischrot weit gefährlicher ist, als kugelförmiges oder gehacktes Blei, indem zugleich bei jenem das Arsen gelöst wird.
Der früherhin stets vorkommende und selbst durch besondere Landesgesetze geregelte Gebrauch, Blei in bestimmten Verhältnissen zu dem Zinn, das für Küchen-, Speise- und Trinkgeschirre, überhaupt zur Anfertigung der verschiedenartigsten Geräthschaften benutzt wird, zu setzen, ist ebenfalls ein die Gesundheit gefährdender Gebrauch, aber nicht des Blei’s wegen, sondern deshalb, weil das Zinn durch die Mischung in verschiedenen Flüssigkeiten löslich wird, was es in reinem Zustande nicht sein würde. Wenn in bleihaltigen Zinngefäßen Kochsalzwasser oder Essig längere Zeit stehen bleibt oder gar darin erhitzt wird, so lösen sich merkliche Quantitäten von Zinn auf und diese Flüssigkeiten verursachen dann beim Genuß mehr oder minder üble Folgen, indem die Zinnverbindungen ebenfalls zu den Giften gehören. Da nun aber da, wo Gerätschaften von Zinn für den Küchen- und Hausgebrauch beliebt sind, die Einwirkung genannter Flüssigkeiten nicht vermieden werden kann, so muß darauf gesehen werden, daß solche Geschirre aus dem reinsten Zinn oder, wie man in der neueren Zeit mit Vortheil gethan hat, aus einem solchen verfertigt sind, welches durch einen kleinen Zusatz von Stahl in seiner Härte und in seinem Glanz erhöht ist, ohne dadurch in Kochsalzwasser oder Essig löslich zu werden.