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Die Jagd auf Flußpferde

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Textdaten
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Autor: Johann Maria Hildebrandt
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Titel: Die Jagd auf Flußpferde
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 698–701
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die Jagd auf Flußpferde.

Reise-Erinnerungen aus Ostafrika von J. M. Hildebrandt.[1]

Das amphibiale Leben und Treiben der Flußpferde auf dem großartigen Hintergrunde der afrikanischen Natur zu schildern, will ich mir für einen spätern Gartenlauben-Artikel versparen und heute nur den Fang lebender Hippopotamen mit allen damit verbundenen Abenteuern und Hindernissen beschreiben.

Es ist einleuchtend, daß unter diesen letzteren diejenigen, welche das Terrain und die ungeheure Kraft der Kolosse bieten, nicht die geringsten sind. Ich will übrigens keine historische Dissertation verfassen, in die wohl gar Nimrod, „der gewaltige Jäger vor dem Herrn“, hineingezogen, in der aber jedenfalls der alten Aegypter, welche Griechen und Römer mit diesen Bestien versehen haben, gedacht werden müßte, auch nicht des Näheren beschreiben, wie in verschiedenen Gebieten Afrikas den Ungeheuern mit Harpunen und Geschossen nachgestellt wird, um Fleisch, Zähne und die Haut, aus der die berühmte Triebfeder orientalischer Sclavenarbeit, der „Kurbatsch“ (Peitsche) verfertigt wird, zu erlangen, sondern mich speciell an das Sansibargebiet Ost-Afrikas halten. Dort langte im Februar vorigen Jahres Herr Dietrich Hagenbeck, Sohn des bedeutenden Thierhändlers in Hamburg, an, um auf junge Flußpferde zu fahnden. (Vergl. Seite 754 der Gartenlaube von 1873.) Er war mit allem Fangmaterial prächtig ausgerüstet, miethete eine Barke der Eingeborenen, nahm schwarze Diener in Sold und begab sich sofort zur Festlandküste und an die Arbeit. Er versuchte zuerst durch die Eingeborenen Fallgruben auswerfen zu lassen, aber die Neger Ost-Afrikas sind das Abbild ihrer Heimath, üppig und deshalb faul und wenig geneigt, mehr zu erwerben, als sie zur Füllung ihres Magens von Tag zu Tag bedürfen, wozu drei bis vier Pfennige ausreichen. Außerdem eignen sich die Ueberschwemmungsgebiete ostafrikanischer Flüsse, der Aufenthalt der Thiere, schlecht zum Fallgrubensenken, da bereits bei einem Meter Tiefe das Grundwasser beginnt, man also statt Fallen ihnen sehr willkommene Badewannen herstellte.

Hagenbeck blieb während der ganzen Regenzeit auf der Jagd und machte Strapazen durch, denen eine weniger zähe Natur zehnmal erlegen wäre. Ich traf ihn im Juni 1873 in der Stadt Sansibar, woselbst ich vom Somâli-Lande über Aden eben angelangt war. Er bereitete sich gerade zu einer neuen Tour vor, und da meine Reise-Effecten noch nicht angelangt waren, ich also meine eigenen Arbeiten noch nicht beginnen konnte, so schloß ich mich ihm an, um auch einmal eine „Prise“ höherer Jagd zu nehmen.

Wir begaben uns vorerst nach Bagamoojo, um die katholischen Missionare zu besuchen, die jeden Reisenden obwohl ihnen oft bitter gelohnt wurde, z. B. durch die humbugreichen Erzählungen des Amerikaners Stanley, auf’s Freundlichste an ihrem bescheidenen Tisch Platz nehmen lassen und ihm mit Rath und That beistehen. Dann fuhren wir mit der Barke in den Kingani,[2] den wir, so hoch es das seichte Wasser erlaubte, aufwärts ruderten; denn der vielen Krümmungen wegen war es nicht möglich zu segeln. Hier, inmitten urwüchsiger Wildniß, warfen wir Anker und lagen, theils zu Fuß, theils in dem bereits oben gedachten europäischen Ruderboote, der Jagd auf die Unthiere und den Versuchen, junge zu fangen, ob. Zuerst probirten wir dies mit großen Netzen, die aus fingerdicken Stricken filirt waren. Aber die Alten gingen hindurch wie Hummeln durch Spinnengewebe und die Jungen folgten hinterdrein. Nachdem wir das Netz wieder geflickt, begaben wir uns mit ihm eines Tages, mit sechszig schweren Patronen versehen, abermals auf den Weg und faßten frei und angesichts einer Heerde von neun Alten und mehreren Jungen Posto. In einer muldenartigen Senkung des Flußbettes, welche zu beiden Seiten durch Bänke eingeschlossen war, trieben die Thiere ihr Wesen. Ohne weitere Kriegserklärung oder Aufforderung zur Capitulation begannen wir ein mörderisches Kreuzfeuer auf die Alten. Wir hatten nämlich vor, diese sämmtlich zu tödten und dann mit dem Netze auf die Jungen loszugehen. Sobald eines der unter dem Wasser sich verbergenden Thiere aus Luftmangel auf eine Secunde den Kopf zeigen mußte, sauste eine oder fuhren zwei Kugeln aus unseren Geschossen, oft zwar vorbei oder nur die Schädelhaut durchfurchend, oft aber auch, um an den Schläfen oder in den Hinterkopf einzudringen. Wie riesige Fische spattelten dann die Ungethüme, sanken, wenn verendet, unter und erschienen erst, wenn der Körper sich mit Gas gefüllt (nach einer halben bis einer Stunde), meist die Beine nach oben, an der Oberfläche, wenn nicht der Cadaver im Astwerke auf der Flußsohle hängen geblieben und dann verloren gegangen war.

Bis spät Nachmittags hatten wir die acht weiblichen gemordet, nur der Bulle wollte nicht sterben, sondern erschien immer und immer wieder, Blut schnaubend – denn er hatte

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Letztes Zusammensein Tommondos mit seiner Mutter.
Originalzeichnung von H. Leutemann.

[700] neben andern Wunden auch eine Kugel durch die Nase erhalten. – Die Patronen waren verschossen; die Sonne neigte sich dem Untergange, und unser Domicil, die Barke, war noch weit entfernt. So sahen wir uns denn genöthigt, „Endschaft zu machen des grausigen Spiels“ und den Schlußact auf den folgenden Tag zu verschieben. Als wir aber des andern Morgens an den Richtplatz zurückgekehrt, fanden wir ihn vom Vater und allen seinen Sprößlingen verlassen. Nur die mächtigen Leichname der Mütter lagen noch im Wasser und hatten sich, wie gestrandete Schiffe, an Bänke festgefahren.

Für diesen Tag war also die Aussicht auf Fang vorbei, und um nun nicht mit leeren Händen zur Barke zurückkehren zu müssen, beschlossen wir, aus zweien der Thiere Skelete zu präpariren, eines für Hagenbeck, das andere für mich. Es war übrigens durchaus keine feine anatomische Operation, sondern vielmehr die höhere Schlächterei; auch mußten wir statt des chirurgischen Bestecks ganz respectable Messer anwenden, um die zwei Zoll dicke Haut und die gewaltigen Muskelmassen loszutrennen; unsere und des Dieners vereinte Kraft reichte kaum aus, um den inhaltschweren Magen aus seiner Höhlung herauszuheben. Das mir zugefallene Skelet befindet sich jetzt im Berliner zoologischen Cabinet.

Das Fleisch konnten wir nicht benutzen, denn, da in der Nacht die Cadaver vom Mond beschienen gewesen, so hatten sie zu sehr haut goût bekommen. Der Tropenmond hat nämlich neben allerlei andern noch wenig untersuchten und noch weniger erkannten Kräften, mit denen er z. B. „Mondstich“ verursacht, auch die Eigenschaft, schnelle Verwesung herbeizuführen. Das Fleisch, besonders jüngerer Thiere, ist übrigens gut zu essen und man gewöhnt sich bald an den anfangs anwidernden leichten Moschusgeschmack desselben. Hippopotamuszunge kam fast täglich auf unsern Tisch. Die Mohammedaner sind im Zweifel, ob das Thier unrein ist oder gegessen werden darf; da es Borsten trägt, so ist es allerdings nicht recht koscher, in dem Grasfressen jedoch läßt sich schon ein Grund für seine unschuldige Natur finden. Dieses Fleisch kam übrigens dennoch nicht um, denn es hatte sich eine große, gar „gemischte Gesellschaft“ zur Tafel geladen. Auf allen Bäumen der Nachbarschaft saßen zu Hunderten Aasgeier, weißbrüstige Raben und andere beschwingte Unholde, die mit vorgestreckten Hälsen allen unseren Bewegungen folgten und kaum erwarten konnten, bis wir die Wahlstatt verlassen. Dicht bei uns im Wasser – es war nämlich unmöglich gewesen, die kolossalen Leiber auf’s Trockene zu ziehen – krochen scheußliche Krokodile, gierig mit ihrer furchtbar bewehrten spitzen Schnauze nach den Fleischfetzen schnappend, die ihnen Hagenbeck, als wären sie alte Bekannte aus einem zoologischen Garten, ab und zu hinwarf. Zwei unserer Schwarzen schlugen übrigens, um die Bestien im Zaume zu halten, mit großen Zweigen in’s Wasser, sattsam dazu schreiend, während wir und die andern abfleischten. Nachmittags waren die beiden Knochengerüste vom Fleische entblößt und zum Trocknen an ein galgenähnliches Gestell aufgehißt. Als es gedunkelt, brachten uns Hyänen und Schakale eine liebliche Dankserenade. Uebrigens hatte die ganze „Aasbande“ viele Tage und Nächte lang zu fressen, denn die acht Cadaver repräsentirten doch mindestens ein Gewicht von fünfzigtausend Pfund. Meilenweit trieb der Wind den Geruch über Berg und Thal.

Nachdem also unsere Versuche, im Netze ein junges Flußpferd zu fangen, mißlungen, griffen wir zur Harpune, ließen uns im Boote zwischen die schwimmenden Heerden treiben, die uns dann gewöhnlich nicht sehr freundschaftlich willkommen hießen, und warfen nach den sich Zeigenden. Die mitgebrachten Eisen erwiesen sich jedoch als unpraktisch, indem sich entweder ihre Spitzen an dem derben Hautpanzer umbogen, durch dessen Elasticität abbrachen oder, wenn sie selbst an weicheren Körperstellen eingedrungen, bald wieder ausrissen.

Es würde zu weit führen, wollte ich alle die ferneren Begegnungen, die wir mit den Hippopotamen gehabt, und die andern vielartigen Versuche, junger Thiere habhaft zu werden, erzählen. Alles blieb ohne Erfolg. Nur einmal hatten wir das „glückliche Malheur“ – wie sich Hagenbeck in einem Briefe an den Bruder (vergleiche Gartenlaube 1873, Seite 754) ausdrückte – ein Kiboko zu fangen, welches aber, wie dort zu lesen, bald darauf starb. Wir begaben uns später zum Wami-Flusse; es wollte uns aber dort ebenfalls nicht gelingen, und so sahen wir uns denn endlich gezwungen, zur Stadt Sansibar zurückzukehren; Hagenbeck, um sich zur Abreise in andere Jagdgebiete vorzubereiten, ich, um meinen Arbeiten nachzugehen. Da erfaßte das Fieber, dieser furchtbare Wütherich, meinen Freund und raffte ihn hinweg. Acht Tage lang und bis eine halbe Stunde vor seinem Tode saß ich an seinem Schmerzenslager; da brach auch ich zusammen. Lange dauerte es, bis ich soweit genesen, daß ich wieder reisen konnte.

Monate später, im April dieses Jahres, gelang es einem der katholischen Missionäre, ein junges Flußpferd zu erhaschen, und zwar ging dies so zu. Der Commandeur eines der englischen Kriegsschiffe – welche nun schon seit einigen Jahren die ostafrikanischen Gewässer heimsuchen, um Sclaven zu „befreien“, für welchen menschenfreundlichen Act die englische Regierung fünf Pfund Sterling per Kopf an die Mannschaft zahlt und die also beglückten Creaturen in die Zuckerplantagen Indiens und Natals versendet, damit sie dort bei den edlen britischen Pflanzern das „Arbeiten“ lernen – besuchte auf einer Razzia Bagamoojo und unternahm, um etwas „Sport“ zu haben, von einem der freundlichen Missionäre geführt und begleitet, einen Ausflug zum nahen Kingani-Delta. Er trug ein „Sniderrifle“; der Bruder war mit einem Militärstutzen, dem Geschenk eines österreichischen Kriegsschiffes, bewaffnet. Bald war der Uferwald erreicht. Herangezogen durch Flußpferdgebrüll schlichen sie dem Wasser zu. Sie gewahrten am gegenüberliegenden Ufer Mama Kiboko, die, ihr erst wenige Tage zählendes Junges auf Kopf und Hals tragend, eben den Fluthen zustieg. Der Missionär winkte dem Commandeur, er möge zuerst feuern – „mußte ich doch dem Gaste die Vorhand lassen,“ sagte er später zu mir – der Schuß krachte; die Kugel flog zu hoch und in den Schlamm. Aber Bruder Oskar hatte auch angelegt – hin sauste das Blei der Mutter durch’s Auge in’s Hirn; furchtbares Todeszucken rüttelte den gewaltigen Körper, das kläglich schreiende Junge in den zähen Schlamm schleudernd. (Hierzu das Bild!) Dann stürzte die Mutter zusammen. Der Commandeur, der keine – Zeit hatte, die Jagd fortzusetzen, trat den Rückzug nach Bagamoojo und zu seinem Schiffe an, während der Bruder verblieb, mitleidig zum kleinen, im Morast klebenden Flußpferdchen hinüber blickend, das er zur Waise gemacht, und welches er aufzufüttern beschloß. Den Fluß an dieser Stelle zu durchschwimmen, wäre der vielen Krokodile wegen eine Gottesversuchung gewesen; daher schritt und watete er über eine Stunde weit den Flußlauf aufwärts, wo eine ihm bekannte Fähre war. Aber der alte Baumkahn, der wohl schon manche Karawane Mann nach Mann übergesetzt, hatte seine Christophoro-Pflicht vollendet und lag bodenlos am Ufer. Unverzagt ging der Missionär zurück, überzeugte sich, daß der Kleine noch munter schreiend im Schlamme saß, und eilte dann stromabwärts in ein weitentferntes Negerdorf. Dort miethete er ein Boot, fuhr zu seinem Pflegling, „wickelte" ihn in sein Gewand, setzte zum Bogamoojo-Ufer über, ließ ihn dort zurück, bis er eine Negerbettstelle (Kitanda) und Träger geholt, legte die theure Last darauf und langte spät Abends auf der Missionsstation an.

Tommondo nahm zu an Alter, Fett und Vertrauen zu den Menschen. Es war ein gar possirliches Thier, und Keiner konnte sich des Lächelns erwehren, wenn es mit stets düster ernstem Gesichte, den schwarzen runden Bauch auf den kurzen „Paddenbeinchen“ schaukelnd, hinter seinem Pflegevater herwatschelte. Setzte sich dieser, so nahm es an seinen Füßen Platz und schlief, in Sicherheit gewiegt, sofort ein. Man hatte ihm ein Wasserbassin angewiesen, worin es häufig badete und spielte. Ein alter, tauber und zahnloser Newfoundländer, dem die Mission das Gnadenbrod gab, war sein steter Begleiter. Am komischsten nahm es sich jedoch aus, wenn Tommondo gefüttert wurde. Aus Allem, was zu einem guten Eierkuchenteig gehört, Mehl, Eier, Salz und Milch, wozu noch etwas Zucker und viel Wasser gesetzt, wurde eine dünne Suppe angerührt, diese in eine starke Champagnerflasche gefüllt und dem Thier in’s stets bereite Mäulchen gehalten. Es legte die breite Zunge dicht um den Flaschenhals und hinein lief die köstliche Brühe wie durch einen Trichter in den Schlund; eine zweite, dritte und oft noch vierte Flasche folgte; dann legte es sich hin und hielt, wohlgefällig schnarchend, eine lange Verdauungssiesta.

[701] Als ich das Thier in Bagamoojo sah, tauchte in mir sofort der Gedanke auf, daß es für mich ein sehr amüsanter Reisebegleiter sein würde. Ich mußte nämlich, um meine durch fast dreijähriges Afrikareisen geschwächte Gesundheit zu restauriren, das heißt meinen Körper einmal wieder „durchfrieren“ zu lassen, andrerseits auch, um mich zu ferneren Reisen neu auszurüsten, zur Heimath zurückkehren. Ich conferirte darüber mit Dr. Bodinus in Berlin; das „Geschäft“ war denn auch bald (per Telegraph) abgemacht und eine große ausgepolsterte Kiste zusammen gezimmert, in der es, durch häufige Seebäder erfrischt, sein Amphibienleben ungestört fortsetzen konnte.

Am 1. August ließ ich meinen Reise-Compagnon sammt seiner „Cabine“ an Bord des englischen Postschiffes hissen, kletterte selbst nach, und fort ging es durch die mächtigen Wellen des indischen Oceans unserer ersten Station, Aden, zu. Ich will nicht versuchen, die fashionable Langeweile, die ich an Bord dieses Postdampfers auszustehen das Vergnügen hatte, zu beschreiben, auch nicht des schlechten Essens und noch erbärmlicheren Tranks gedenken. Beides wurde aber auf Silber und in Krystall servirt, weshalb denn auch vierunddreißig Thaler pro Tag der Reise nicht theuer genannt werden darf; dieses Alles hat ja der brillante Pinsel meines Namensvetters Hildebrandt in seiner von Kossack herausgegebenen „Reise um die Welt“ dem geistigen Auge des Lesers in classischer Weise vorgeführt. In Aden angelangt, mußte ich einige Tage warten, da sich kein passender Anschluß nach Europa fand. Ich ließ Tommondo aus dem engen Verließ heraus und wusch ihn fein säuberlich. Er begleitete mich bei Nachbarbesuchen zu den Freunden, die ich vom früheren Aufenthalte her in Aden diesem „Eastern Strong- und Coalhold“, hatte. Da langte plötzlich in der Nacht eine officiöse Depesche an, daß Aden wahrscheinlich in einigen Tagen als „Pesthafen“ erklärt werden würde und allen von dort kommenden Schiffen in Suez die Segnungen einer zwanzigtägigen Quarantaine zu Theil werden sollten. Das Glück wollte, daß in derselben Nacht ein italienisches Postschiff für Genua einlief. Ich packte nun sofort meine Effecten und Tommondo ein, begab mich an Bord und fuhr ab.

Wir sollten, da der Cours durch Bab el Mandeb ging, bald merken, daß wir den „Wärme-Aequator“ passirten, denn das rothe Meer, mein alter Bekannter von meinen arabischen und abessinischen Reisen her, war noch ebenso heißblütig wie früher und machte seinem Namen, den es wohl daher erhalten, weil man darin krebsroth schwitzt, alle Ehre. Durch den Suezcanal in’s Mittelmeer fahrend und an Messina, Napoli und Livorno (das „Leghorn“ der Engländer) haltend, ging es nach Genova, „la superba“. Hatte ich bis jetzt nur freudige Stunden mit Tommondo erlebt, so begannen nun die trüben. Das italienische Bahnpersonal erklärte nämlich das Thierchen für eine „bestia feroce“; ich müßte mir also einen officiellen Schein ausfertigen lassen, und auch dann könnte das Ungethüm nur in einem verschlossenen Viehwagen per Güterzug spedirt werden. Ich ging von Beamten zu Beamten – überall dieselbe Antwort, denn Jeder griff von seinem Regal ein Buch herunter, das Adreßbuch sämmtlicher Einwohner der Arche Noah nebst Stand und Charakter, und zeigte mir auf Seite so und so, daß das Flußpferd zu den reißenden, die öffentliche Sicherheit gefährdenden Bestien gehöre. Schließlich ging ich zum Director und erlangte, wohl nur dadurch, daß ich durchblicken ließ, ich würde die ganze Mordgeschichte von der zahnlosen „bestia feroce“, die mit einer Flasche gefüttert wird, irgend einen italienischen Kladderadatsch übergeben, die endliche Erlaubniß, den Eilzug benutzen zu dürfen. Der das Billet für Tommondo ausfertigende Bahnbeamte kam mit den verschiedenen „Po’s“ nicht recht in’s Klare und machte zwei zu viel. – Armes, verkanntes Thier!

Ueber Verona und den Brennerpaß ging’s der alten Römerstraße entlang. Ich erzählte dort Tommondo von seinen Urvettern, den Elephanten, die der Kanibal Hannibal hier herüber geschafft. Tommondo guckte aus seinem durch warmes Wasser geheizten Kasten aufmerksam hinauf zu den Gletschern – es war das erste Eis, welches er sah. Weiter ging es über Innsbruck nach München. Während für meine Person Bier in Hülle und Fülle vorhanden, dem ich denn auch „nach so vielen Leiden“ tüchtig zusprach, war es desto schwieriger, für mein Amphib hinreichend Wasser zu erlangen; es schien, als wenn durch ein Wunder in Baiern alles Wasser in Bier verwandelt wäre. Aber durch die auch in Europa allgewaltig wirkende Macht des „Bakschisch“ – ich theilte von Genua bis Berlin über siebenzig Thaler Trinkgeld unter das oft wechselnde Bahnpersonal aus – gelang es mir dennoch, auch Tommondo befriedigen zu können.

Den 4. September, nachdem die Reise also einen Monat und drei Tage gedauert, langten wir früh Morgens in Berlin an, und ich beförderte den Kasten, in dem Tommondo gesund und – wie gewöhnlich – hungrig saß, auf einem federnden Karren, dicht verhangen, damit kein Menschenauflauf entstehe, zum zoologischen Garten. Aber das Auge des Neuigkeitskrämers durchdringt den dichtesten Schleier; denn in der Abendnummer einer Berliner Zeitung war zu lesen: „Das Nilpferd ist da!! Heute Morgen langte es auf dem Anhalter Bahnhofe endlich an, von seinem Wärter, einem Aegypter begleitet.“ Punkt!

Tommondo blieb fast einen Monat lang gesund und vergnügt; dann siechte es an einer Leberverhärtung hin und starb.[3]

Jetzt weilt es wohl in den Schattengefilden seiner Ahnen; es wird die Mutter wieder gefunden haben, die es in Schlamm einwiegt und zu köstlichen Reisweide führt.


  1. Wir verdanken den obigen überaus interessanten Artikel dem als Afrika-Reisenden bekannten Herrn Professor der Botanik Hildebrandt, demselben, der gelegentlich des Transports des Hippopotamus nach Berlin jüngst oft genannt wurde.
    D. Red.
  2. Kingani heißt eigentlich „Mündung“ eines jeden Flusses, wird aber auf den Karten und in dem Sprachgebrauche für den ganzen Fluß, der nördlich Bagamoojos in’s Meer fließt, benutzt. Dieser heißt in der Landessprache Rusu oder Lusu (R und L vermag die Negerzunge nicht leicht zu sondern), das heißt „Fluß“ par excellence, wie auch Rusidschi (Lusidschi) „Fluß“ bedeutet. Niassa und Niangça heißt „See“; man dürfte also, um Pleonasmen zu vermeiden, nicht eigentlich Niassa-See, also „See-See“ sagen.
  3. Berliner Blätter berichten über das Ende des Tommondo Folgendes: So lange das junge Thier am Leben war, war sein Gesundheitszustand schwankend, einmal vortrefflich, das andere Mal sehr bedenklich. Dr. Bodinus reiste nach der Antwerpener Thier-Auction über Amsterdam und hatte dort Gelegenheit, sich über die Größenverhältnisse der jungen Nilpferde zu unterrichten, indem das dortige Nilpferdpaar schon viermal Junge zur Welt brachte, von denen übrigens nur eins am Leben blieb. Danach erschien das hiesige junge Nilpferd für ein angebliches Alter von sechs Monaten auffallend klein. Nimmt man den Befund der Obduction hinzu, der Knoten in Lunge und Leber aufwies, so ist man wohl zu dem Schlusse berechtigt, daß das nunmehr verendete Thier durch innere Krankheit an seiner vollen Entwickelung gehindert und darum so klein war. Obgleich der Gesundheitszustand des Thieres immer wechselnd war, so trat dieser Wechsel doch vor dem Verenden desselben besonders auffällig auf. Am Donnerstag Morgen fand es der Wärter so schwach, daß es kaum gehen konnte; es wurde zuvörderst in sein Bassin von zwanzig Grad Wärme gebracht; hier erholte es sich rasch und als der Wärter es rief, kam es ohne weitere Zeichen von Schwäche heran, nahm mit dem besten Appetite seine Nahrung zu sich und befand sich den ganzen Tag über ganz wohl. Nichtsdestoweniger ließ Dr. Bodinus einen Wächter die Nacht über bei dem Thiere Wache halten. Es schlief, in Decken gehüllt, einen anscheinend behaglichen Schlaf, legte sich gegen dreieinhalb Uhr Morgens auf die Seite und rührte nach einigen Minuten kein Glied mehr. Als der Wächter bei ihm eintrat, war das kleine Tommondo todt.
    D. Red.