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Olaf Kragebeen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Olaf Kragebeen
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 96–98
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[96]
Olaf Kragebeen.[1]


Olaf Kragebeen blickt auf Land und See:
„Stawanger-Fjord liegt noch in Schnee,
Schnee die Felsen und Schnee die Bucht,
Und doch ist der Winter schon auf der Flucht,

5
Von Westen weht’s, – einen Frühlingston

Ich fühl ihn in Luft und Sonne schon,
Und das Meer ein Spiegel … Steig’ ich zu Schiff?
Ueberrasch’ ich den Feind auf Kongens-Kliff?
Ihr, meine Räthe zu Land und See,

10
Schreibt Euren Rath mir in den Schnee,

Laßt mich Eure Zeichen erspähn,
Ihr, meine Weisen, ihr meine Krähn.

Und kaum gerufen, so sind sie da,
Setzen sich um ihn, fern und nah,

15
Aber was er auch lockend thu,

Keine, keine hüpft auf ihn zu,
Wenden sich all’, ihrer Füße Spur,
Abgewandt, rückwärts führt sie nur,
Rückwärts hüpfen sie Schritt um Schritt:

20
„Krähen, nehmt ihr das Glück mir mit?“


Und als er so sprach, und als er so sann,
Erik Jarl, sein Freund, tritt an ihn heran,
„König Olaf, der Däne spielt um sein Glück,
Im Oeresund hielt’s ihn nicht länger zurück,

25
Aus der Kjöge Bucht, aus dem Wassersack,

Ist er hinaus in’s Skager-Rack,
Hundert Schiffe führt er, zehnhundert an Bord –
Auf Olaf, auf, aus Stawanger-Fjord.“

[97]
Und der König steigt hinab an das Meer,
30
Seine Krähen kreischen um ihn her,

Er hört nicht mehr ihr schrill Geschrei,
„Erik Jarl“ so spricht er „Du bist mit dabei,
Du folgst. Ich führe den ersten Stoß,
Und wankt der Däne, so brichst Du los,

35
Ihr letztes Schiff, es muß in den Grund,

Nichts darf heim in den Oeresund.“

Sprach es. Und als den Feind er sah,
In goldener Rüstung stand er da;
Zu Füßen ihm, des Reiches Stolz,

40
Lag der Runenbogen aus Eschenholz,

Der stärkste Bogen in Norderland,
Keiner spannt ihn, nur Olafs Hand.

Und in des Feindes gedoppelte Reihn,
Olaf Kragebeen fährt jetzt mitten hinein,

45
Erik Jarl, wohl folgt er, – doch nicht zum Stoß,

Zum vernichtenden, löst er von Olaf sich los,
Neben dem Feinde legt er bei:
Das also, Krähen, war euer Geschrei.
Verrath und durch ihn! Aber sei’s … Wohlan,

50
Der Däne galt nichts, jetzt erst hebt’s an,

Norweg gegen Norweg. Erik Jarl, wirf gut,
Laß sehn, wer die besten Würfe thut.“

Und er nahm den Bogen, als wär es ein Spiel,
Auf seine Rüstung die Sonne fiel,

55
Er spannte den Bogen mit aller Kraft,

Klirrend zerbrach der Eschenschaft,
Und hüben und drüben klang es zugleich:
„Zerbrochen der Bogen, zerbrochen das Reich.“

[98]
Olaf Kragebeen aber, des Schiffes Mast,
60
Hält sein Arm nicht länger umfaßt,

Er schreitet bis zu des Schiffes Bug,
Statt der Krähen umschwirrt ihn ein Möwenzug,
Immer dichter flattert es um ihn her,
„Weiße Wogenkinder, Euch sendet das Meer,

65
Es ruft mich, – mein Glück einst, nun mein Grab.“

Und in goldener Rüstung stieg er hinab.

Anmerkungen (Wikisource)