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Methodische Schlussfolgerungen aus
der Theorie
Die Implikationen aus den vorhergehenden Theoriekapiteln für den sich daraus
ergebenden Aufbau und das sich daraus ergebende Vorgehen der vorliegenden
Arbeit werden im Folgenden dargestellt. Aufbau und Vorgehen werden detailliert
beschrieben und mittels einer graphischen Darstellung unterstützt.
Wohnungsnot ist seit jeher verknüpft mit Ausgrenzungen und Abwertungen
(Abschnitt 3.6 Das Hilfesystem für Wohnungsnot). Stigmatisierung und NichtTeilhabe sind Kennzeichen von Wohnungsnot (Abschnitt 3.8.2 Die Bedeutung von
Stigmatisierung für Menschen in Wohnungsnot). Wie die Stigmatisierungsprozesse
jedoch aussehen und welche Konsequenzen diese für die Teilhabesituation von
Menschen in Wohnungsnot haben, ist bisher nicht erforscht (Dittmann & Drilling,
2018, S. 290). Die vorliegende Arbeit mit ihrer Multi-Methoden-Untersuchung
(siehe Abschnitt 6.1 Methodischer Aufbau der Untersuchung) fokussiert diese
Stigmatisierungsprozesse und deren Konsequenzen für die Teilhabesituation von
Menschen in Wohnungsnot. Die Untersuchung ist in Umfang und Ausrichtung
erstmalig.
Die Ungleichheitslage der Wohnungsnot entsteht im, respektive besteht aus
dem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und individuellen Ursachen, Lebenslagen und Bedarfen (Abschnitt 3.5.1 Verständnis
von Wohnungsnot). Das Nicht-Erfüllen der meritokratischen Leistungsnorm führt
dabei dazu, dass Menschen in Wohnungsnot am Rande der Gesellschaft leben,
von Teilhabe maximal ausgeschlossen sind und in erheblichem Maße stigmatisiert
werden (siehe Abschnitt 3.8 Stigmatisierung und Wohnungsnot).
Die Möglichkeit, Ungleichheitslagen umfassend zu analysieren, liefert die
von Winker und Degele (2009) entworfene Intersektionale Mehrebenenanalyse.
Intersektionalität versteht die soziale Wirklichkeit als bestehend aus verschiedenen Ungleichheitskategorien die miteinander verwoben sind und gleichzeitig
zusammenwirken (Abschnitt 2.1.1 Begriffsursprung und Begriffsbestimmung).
© Der/die Autor(en) 2023
J. A. Finzi, Wohnungsnot, Geschlecht und Gesundheit,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-41145-9_6
131
132
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Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
Dieses Verständnis der sozialen Wirklichkeit ist das Fundament ihrer Mehrebenenanalyse. Darauf aufbauend identifizieren sie drei Ebenen, welche eine
umfassende Analyse einschließen muss: Strukturebene, Nromenebene und Identitätsebene (siehe Abbildung 6.1 und Abschnitt 2.1.3 Auswahl der Ebenen). Die
Strukturebene umfasst dabei, nach Winker und Degele (2009, S. 18–19), gesellschaftliche Sozialstrukturen sowie Organisationen und Institutionen und wird
dementsprechend von beiden auf der Makro- und Mesoebene verortet. Diese
Ebene befasst sich mit Debatten um Macht- und Ungleichheitsverhältnisse und
fokussiert Ungleichheitsrelationen von verschiedenen Kategorien, wie beispielsweise Geschlecht (Winker & Degele, 2009, S. 19). Auf der Identitätsebene
werden Prozesse der Identitätsbildung dargestellt. Winker und Degele (2009,
S. 18) verorten diese auf der Mikroebene. Die dritte Ebene, die Normenebene,
liegt quer zu den beiden anderen Ebenen und verbindet diese beiden individuellen
und kollektiven Deutungsmuster über die Bestimmtheit von Normen und Werten
(Winker & Degele, 2009, S. 20).
Abbildung 6.1 Graphische Darstellung der drei Ebenen der Intersektionalen Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele (2009) und deren Vorschlag zur jeweiligen Kategorienbildung sowie Benennung der vier für Wohnungsnot als relevant herausgestellten Kategorien
Zusätzlich definieren sie die Auswahl der zu untersuchenden Kategorien. Hier
stellen sie schlüssig dar, dass auf der Strukturebene vier deduktive Kategorien – ‚Rasse‘, Klasse, Geschlecht und Körper– zur Analyse von Ungleichheiten
6
Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
133
herangezogen und für die Untersuchung der Identitätsebene und Normenebene induktive Kategorien im Untersuchungsgegenstand gebildet werden müssen
(siehe Abschnitt 2.1.4 Auswahl der Kategorien). Die Adaption der vier Kategorien von Winker und Degeles Intersektionaler Mehrebenenanalyse ergibt vier
Kategorien, die für Wohnungsnot eine elementare Bedeutung einnehmen: Herkunft, Armut, Geschlecht und Gesundheit (Abschnitt 2.4 Intersektionalität als
Analyseinstrument). Armut und Herkunft sind dabei zwei Kategorien, die der
Wohnungsnot inhärent sind. Geschlecht und Gesundheit haben eine entscheidende
Rolle für die unterschiedlichen Ursachen, Lebenslagen und Bedarfe von Wohnungsnot und können daher als bedeutende Ungleichheitskategorien identifiziert
werden (Kapitel 4 Geschlecht als Kategorie im Kontext Wohnungsnot und Kapitel 5 Gesundheit als Kategorie im Kontext Wohnungsnot). Beide haben eine große
Bedeutung für geschlechtsspezifische Stigmatisierungsprozesse und der daraus
folgenden Teilhabesituation.
Intersektionalität und Stigmatisierung sind über deren jeweilige Konstitution
über eine Abweichung von ‚der‘ Norm eng miteinander verbunden. Auch Wohnungsnot konstituiert sich über eine solche Abweichung von Normen. Außerdem
sind sie, nach Winker und Degeles Intersektionaler Mehrebenenanalyse, unabdingbar für die Analyse von strukturellen Ungleichheiten. Die übergeordnete
Fragestellung der vorliegenden Arbeit wird der Verbindung von Wohnungsnot, Intersektionalität und Stigmatisierung sowie der besonderen Bedeutung der
Kategorien Geschlecht und Gesundheit in diesem Kontext gerecht:
Welche Rolle spielen die Kategorien Geschlecht und Gesundheit für Stigmatisierung
und Teilhabe im Kontext von Wohnungsnot?
Um diese Frage umfassend beantworten zu können und die Ungleichheitslagen von Wohnungsnot zu erfassen, liegt die Benutzung der Intersektionalen
Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele auf der Hand. Die Intersektionale
Mehrebenenanalyse liefert dementsprechend ein Analyserahmen für die vorliegende Untersuchung (Abschnitt 2.4 Intersektionalität als Analyseinstrument),
wobei sie auch als theoretisch-methodologischer Bezugsrahmen (Abschnitt 2.3
Intersektionalität als theoretischer Bezugsrahmen der Arbeit) fungiert. Darüber
hinaus kann die Intersektionale Mehrebenenanalyse auch als Ordnungsrahmen für
das komplexe und heterogene Phänomen der Wohnungsnot herangezogen werden
(siehe Abschnitt 2.5 Intersektionalität als Ordnungsrahmen für Wohnungsnot).
134
6
Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
Um dieses dreifache Potential der Analyse von Winker und Degele jedoch
ausschöpfen zu können, muss ihr Analysevorschlag an zwei Stellen adaptiert werden. Zum einen wird durch die bereits erwähnte Adaption der Begrifflichkeiten
der Bezug zur Intersektionalität noch deutlicher herausgestellt.
Zum anderen liegt der Fokus der Analyse, im Gegensatz zum Vorschlag von
Winker und Degele, nicht auf der Identitätsebene, sondern auf der Strukturebene
(Abschnitt 2.4 Intersektionalität als Analyseinstrument). Dieser strukturelle Fokus
ist begründet (1.) in der gerechtfertigten Kritik einer zu großen Problemindividualisierung von Wohnungsnot, die sich in verschiedenen und inzwischen zumeist
überwundenen Erklärungsansätzen für Wohnungsnot darstellt (Abschnitt 3.5
Erklärungsansätze von Wohnungsnot), aber auch in einer zu großen Problemindividualisierung von Intersektionalität und der Intersektionalen Mehrebenenanalyse,
denen vorgeworfen wird, die bedeutende gesellschaftliche Perspektive zu wenig
zu beachten (Davis, 2010, S. 55; Walgenbach, 2012). Des Weiteren liegt (2.) der
Fokus vieler Forschungsarbeiten im Kontext von Wohnungsnot auf der Identitätsebene. Ethnographische Studien und qualitative Interviewstudien liefern zwar
einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Wohnungsnot, strukturelle und
gesellschaftliche Bedingungen von Wohnungsnot – die als Hauptursachen von
Wohnungsnot anerkannt sind (Specht, 2017a, S. 29–31; Wolf, 2016, S. 15) –
werden dabei jedoch häufig zu wenig beachtet (Abschnitt 3.2 Forschungsstand
und Forschungsbedarf ). Schließlich befasst sich (3.) auch die Stigma-Forschung
hauptsächlich mit einem spezifischen stigmatisierten Status homogener Gruppen,
wie beispielsweise psychische Krankheiten (Hatzenbuehler et al., 2013, S. 813).
Die Stigma-Forschung verortet sich somit zumeist auf der Identitätsebene, wobei
die Analyse der Stigmatisierung strukturelle und gesellschaftliche Rahmenbedingungen außen vorlässt (Abschnitt 3.8 Stigmatisierung und Wohnungsnot).
Die Funktion der Intersektionalen Mehrebeneanalyse als theoretischer und
methodologischer Bezugsrahmen sowie als Ordnungsrahmen von Wohnungsnot
wird in den Abschnitten 2.2 Intersektionalität als theoretischer Bezugsrahmen
der Arbeit und Abschnitt 2.4 Intersektionalität als Ordnungsrahmen ausführlich
dargestellt. Folgend wird abgebildet, wie die übergeordnete Fragestellung vor
dem Hintergrund der Intersektionalen Mehrebenenanalyse als Analyserahmen
beantwortet werden kann.
Um eine umfassende Untersuchung zu gewährleisten, ist eine MultiMethoden-Untersuchung konzipiert worden (Abschnitt 6.1 Methodischer Aufbau
der Untersuchung). Stigmatisierung als ein Bestandteil von Wohnungsnot, eng
verbunden mit Intersektionalität und darüber hinaus bedeutend für die Teilhabesituation, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Pryor und Reeder (2011,
S. 791) identifizieren vier Manifestationen von Stigmatisierung, die einen guten
6
Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
135
Überblick über die verschiedenen Formen von Stigmatisierung darstellen (siehe
Abbildung 6.2). Diese verschiedenen Manifestationen von Stigmatisierung können den verschiedenen Ebenen von Winker und Degeles (2009) Intersektionaler
Mehrebenenanalyse zugeordnet werden (siehe Abbildung 6.3).
Abbildung 6.2 Modell der vier Manifestationen von Stigmatisierung nach Pryor und Reeder (2011, S. 791)
Aufgrund der Berücksichtigung von gesellschaftlichen Sozialstrukturen sowie
von Organisationen und Institutionen auf der Strukturebene (Winker & Degele,
2009, S. 18) werden die Strukturelle Stigmatisierung und die Öffentliche Stigmatisierung auf dieser soziologischen Makro- und Mesoebene verortet. Wohingegen
die Selbststigmatisierung und die Stigmatisierung durch Verbindung aufgrund
deren Bedeutung für betroffene Individuen zur Identitätsebene zugeordnet werden. Normen und Werte verbinden, im Verständnis von Winker und Degele,
über individuelle und kollektive Deutungsmuster und Kategorien die Strukturebene und die Identitätsebene. Die Normenebene liegt gewissermaßen quer zu
den beiden anderen Ebenen. Auch im Kontext von Stigmatisierung spielen Normen und Werte respektive spielt die Abweichung von diesen eine zentrale Rolle.
Eine antizipierte Andersartigkeit, also die Abweichung von einer Norm, führt
zur Stigmatisierung dieser Abweichung (Goffman, 1972, S. 13–14). Zu diesen Normen gehören beispielsweise das Prinzip der Heteronormativität (siehe
Kapitel 2 Theoretischer Bezugsrahmen: Intersektionalität, Abschnitt 3.8 Stigmatisierung und Kapitel 4 Geschlecht als Kategorie im Kontext Wohnungsnot), das
Postulat der Meritokratie (siehe Kapitel 2 Theoretischer Bezugsrahmen: Intersektionalität, Kapitel 3 Wohnungsnot und Abschnitt 3.8.2 Die Bedeutung von
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6
Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
Stigmatisierung für Menschen in Wohnungsnot) und die Hegemoniale Männlichkeit (siehe das Unterkapitel Hegemoniale Männlichkeit des Abschnitten 4.2.3
Geschlecht und Gewalt). Als Grundlage von Stigmatisierungsprozessen kann demnach keine der vier Formen von Stigmatisierung auf der Normenebene verortet
werden. Der Vorschlag von Winker und Degele, die Normenebene quer zu den
beiden anderen Ebenen zu sehen, der diese miteinander verbindet, kann auch auf
die Manifestation von Stigmatisierung übertragen werden.
Abbildung 6.3 Adaption und Verknüpfung der Intersektionalen Mehrebenenanalyse nach
Winker und Degele (2009) mit den vier Manifestationen von Stigmatisierung nach Pryor und
Reeder (2011)
Da der Fokus der vorliegenden Arbeit auf der Strukturebene liegt, müssen
primär die Strukturelle Stigmatisierung und die Öffentliche Stigmatisierung untersucht werden. Demzufolge werden zwei Zugänge zum Untersuchungsgegenstand
realisiert, die zum einen die Öffentliche Stigmatisierung und zum anderen die
Strukturelle Stigmatisierung von Wohnungsnot untersuchen. Die konkrete methodische Umsetzung dieser zwei Zugänge sowie der Aufbau und Zusammenhang
6.1 Methodischer Aufbau der Untersuchungen
137
der für diese Umsetzung notwendigen realisierten Studien erfolgt im nächsten
Abschnitt 6.1 Methodischer Aufbau der Untersuchung.
6.1
Methodischer Aufbau der Untersuchungen
Die Untersuchung der zwei Manifestationen von Stigmatisierung – Öffentliche und Strukturelle Stigmatisierung – ist insgesamt als Multi-MethodenUntersuchung konzipiert (Hussy et al., 2013, S. 291). Vier einzelne Studien
liefern erstmalig ein umfassendes Bild der Stigmatisierung von Wohnungsnot
(siehe Abbildung 6.4). Der Hauptfokus liegt dabei auf der Strukturebene (siehe
das vorhergige Kapitel). Die Studien ermöglichen jedoch auch einen Einblick
in die auf der Identitätsebene verorteten Manifestationen von Stigmatisierung –
Selbststigmatisierung und Stigmatisierung durch Verbindung. Im Folgenden wird
der Zusammenhang und Aufbau der vier Studien sowie die konkrete methodische
Umsetzung dargestellt.
Abbildung 6.4 Graphische Übersicht der vier Studien der vorliegenden Multi-MethodenUntersuchung und deren Verortung auf den unterschiedlichen Ebenen der Intersektionalen
Mehrebenenanalyse nach Winker und Degele (2009). Die dunkel grau hinterlegten Kästchen
visualisieren dabei die untersuchten Kategorien und deren Konzeptionierung. Gestrichelte
Linien symbolisieren Kategorien, welche nicht im Fokus der jeweiligen Studie stehen
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6
Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
Der Zugang zur Untersuchung der Öffentlichen Stigmatisierung erfolgt über
die gesellschaftliche Zustimmung zu negativen Vorurteilen und Abwertungen
gegenüber Menschen in Wohnungsnot. Als Zugang zur Untersuchung der Strukturellen Stigmatisierung dient das Hilfesystem der Wohnungslosenhilfe. Der erste
Zugang besteht dabei aus einer Studie. Über den zweiten Zugang werden drei
Studien realisiert. Alle vier Studien stellen aufgrund der Verortung auf der Strukturebene die deduktiven Kategorien in das Zentrum der Analysen. Im Kontext
von Wohnungsnot sind das die als relevant identifizierten Ungleichheitskategorien
Geschlecht und Gesundheit.
Im ersten Zugang wird eine klassische, randomisierte und kontrollierte Studien durchgeführt (siehe Abschnitt 7.2 Vorgehen). Mittels eines Experiments
erfolgt die Überprüfung der, vorab als relevant identifizierten, Kategorien hinsichtlich ihrer Ungleichheitsdisposition (siehe Abschnitt 2.4 Intersektionalität als
Analyseinstrument und die verschiedenen Unterkapitel des Kapitels 3 Wohnungsnot). Ziel ist es, zu untersuchen, welchen Einfluss die Kategorien Geschlecht,
Gesundheit und Herkunft auf die Stigmatisierung von Menschen in Wohnungsnot
haben (siehe Abschnitt 7.1 Ziel). So wird beispielsweise die Hypothese untersucht, Frauen in Wohnungsnot seien einer größeren Öffentlichen Stigmatisierung
ausgesetzt als Männer in Wohnungsnot (siehe das Unterkapitel Hypothesen des
Abschnitten 7.2.2 Instrument).
Im zweiten Zugang wird sowohl analysiert, ob die identifizierten Ungleichheitsdispositionen der Öffentlichen Stigmatisierung bestätigt werden können,
als auch, ob das Hilfesystem weiteren Ungleichheiten entlang der Kategorien
Geschlecht und Gesundheit produziert (siehe Kapitel 8 Zugang 2: Strukturelle
Stigmatisierung). Dem Hilfesystem wird dabei eine entscheidende Rolle zur Verbesserung der Teilhabesituation von Menschen in Wohnungsnot zugeschrieben.
Die im Fokus der Arbeit stehende Wiedereingliederungsmaßnahmen auf der
gesetzlichen Grundlage der §§ 67–69 des SGB XII (R. Lutz & Simon, 2017,
S. 97), die persönliche sozialarbeiterischer Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten beinhalten, haben das Ziel, die Teilhabe am Leben
der Gemeinschaft zu ermöglichen, zu erhalten oder zu verbessern (R. Lutz &
Simon, 2017, S. 92–94). Demnach können die Untersuchungsergebnisse der
Strukturellen Stigmatisierung Hinweise auf die Teilhabesituation von Menschen
in Wohnungsnot liefern.
Der zweite Zugang ist insgesamt als Mehrphasen-Mixed-MethodsUntersuchung (Schreier & Odağ, 2017, S. 13) konzipiert. Drei verschiedene
Studien ermöglichen dabei einen umfassenden Blick auf das Hilfesystem und
mögliche Strukturelle Stigmatisierungen sowie ferner die Untersuchung der
Selbststigmatisierung von Menschen in Wohnungsnot und der Stigmatisierung
6.1 Methodischer Aufbau der Untersuchungen
139
durch Verbindung. Die konkrete Umsetzung erfolgt dabei mittels einer Dokumentenanalyse, die als sequenziell-explorative Mixed-Methods-Untersuchung
konzipiert ist (Schreier & Odağ, 2017, S. 13) und der Auswertung von
leitfadengestützten Interviews.
Die sequenziell-explorative Mixed-Methods-Untersuchung der Dokumentenanalyse besteht aus einer qualitativen Dokumentenanalyse zur Generierung eines
Codebuchs und einer anschließenden quantitativen Dokumentenanalyse, in der
dieses Codebuch Anwendung mittels deskriptiver und inferenzstatistischer Analysen findet (siehe auch Abschnitten 8.3.2 Vorgehen). Untersuchungsgegenstand
dieser Dokumentenanalysen sind Hilfepläne. Hilfepläne sind sowohl die Grundlage der Hilfegewährung als auch ein Instrument zur Qualitätssicherung (siehe
Unterkapitel Datenerhebung ds Abschnitten 8.3.2 Vorgehen). In einer ersten
Untersuchung werden mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse induktiv Sinnstrukturen erfasst, die hauptsächlich in den Zusammenhang mit den Ungleichheitskategorien Geschlecht und Gesundheit gebracht werden können. Das Produkt
dieser qualitativen Inhaltsanalyse ist ein Codebuch, mit welchem der Zusammenhang von Geschlecht und Gesundheit mit der Teilhabe und Stigmatisierung
im Hilfesystem quantitativ untersucht wird. Weitere Strukturmerkmale, die in
diese Untersuchung einbezogen werden, sind die Herkunft, das Alter und die
Unterbringungsform.
Die Leitfadeninterviews werden mit Personen aus dem Hilfesystem geführt,
um die Daten aus der Dokumentenanalyse zu kontextualisieren (siehe
Abschnitt 8.4.2 Vorgehen und dessen Unterkapitel Datenerhebung). Die deduktiv
vorgegebenen Kategorien werden bei der Analyse jedoch um induktiv gebildete
Kategorien ergänzt. Anhand dieser induktiven Kategorien auf der Identitätsebene
kann sowohl die Selbststigmatisierung von Menschen in Wohnungsnot als auch
die Stigmatisierung durch Verbindung von Menschen, die mit Menschen in Wohnungsnot verbunden sind, untersucht werden (siehe das Unterkapitel Methode
des Abschnitten 8.4.2 Vorgehen). Die Interviews ermöglichen somit, dass die
konzipierte Multi-Methoden-Untersuchung die Stigmatisierung und Teilhabe von
Wohnungsnot sowohl auf der Strukturebene als auch auf der Identitätsebene
erfasst und somit ein umfassendes Bild der Stigmatisierung und Teilhabe von
Wohnungsnot erstellt (siehe Abschnitt 8.4 Leitfadeninterviews).
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Methodische Schlussfolgerungen aus der Theorie
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