164
Anhang 1:
Von Salomo bis zum Exodus: Das chronologische Gerüst
Peter vAN der veeN
A.1 Von Ahab bis zu Salomo
Die große Mehrheit der Bibelhistoriker in der
angelsächsischen und israelischen Fachwelt
datiert den Amtsantritt König Salomos auf
ungefähr 970 v. Chr. Dieses Datum finden wir
z. B. in den Standardwerken von Edwin thiele
und Gershon gAlil.1 Im Gegensatz dazu vertreten einige evangelikale Bibelkundler wie
Floyd JoNes, Christine tetley und Roger liebi 2
die Auffassung, Salomo hätte seine Herrschaft
deutlich früher (z. B. bei JoNes 1015 und bei liebi
1016 v. Chr.3) angetreten.4 Die Reichsteilung in
Nord- und Südreich nach Salomos Tod soll
bereits 981 (tetley) bzw. 976/975 v. Chr. (JoNes
und liebi) erfolgt sein. Das konventionelle Datum dafür ist 931/930 v. Chr.5 Anders als JoNes,
geht Roger liebi von einer deutlich längeren
Richterzeit aus und folgert entsprechend, dass
der Auszug aus Ägypten bereits 1606 v. Chr.
stattgefunden hätte.6
Warum wir die „lange Chronologie“ (wie
sie im deutschsprachigen Raum derzeit von
liebi vertreten wird) nicht für tragfähig halten,
soll im Folgenden skizziert werden, wobei
es im ersten Teil primär um die Chronologie
der frühen Königszeit gehen soll. Im zweiten,
nachfolgenden Teil soll auf die Datierung der
Frühzeit Israels (Auszug, Landnahme und
Richterzeit) eingegangen werden.
Ein Grundansatz der oben genannten Autoren scheint zu sein, dass sie die chronologischen
Angaben im Alten Testament höher gewichten
als die bekannten Querverbindungen zwischen
Israel und seinen Nachbarstaaten (vor allem
Assyrien und Babylon), die aus sekundären
Quellen zu erschließen sind. Zur Begründung
betonen sie, dass die diskutierten Belege aus
späten Kopien des 7. Jhs. v. Chr. stammen und
deshalb für den Zeitraum, den sie beschreiben,
nur schwer überprüfbar sind. Hingegen sei
der biblische Text als Heilige Schrift göttlich
inspiriert.
Was ist dazu zu sagen? Obwohl auch wir
die biblischen Schilderungen als zuverlässig
erachten und ihnen Priorität einräumen, halten
wir den Verzicht auf bzw. die prinzipielle Abwertung anderer Quellen für wissenschaftlich
nicht tragbar. Zum einen muss fairerweise
betont werden, dass auch die Redaktion der
Königsbücher spät ist, und dass der dafür verantwortlich Zeichnende (gemäß der jüdischen
Überlieferung könnte es der Prophet Jeremia
gewesen sein) im späten 7. und 6. Jh. v. Chr.
lebte.7 Zum anderen ist es schlicht eine Tatsache, dass die Angaben der Regierungslängen
der Könige Israels und Judas in den uns
vorliegenden Bibelhandschriften des Masoretentextes und der griechischen Übersetzung,
der Septuaginta (vor allem in der Variante
des sog. „Old Greek Text“) inhaltlich teilweise stark voneinander abweichen, und dass
sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen einige
nicht mehr lösbare Widersprüche eingestellt
haben (vgl. dazu vor allem infra Anm. 5). Ist
der biblische Text wirklich so über alle Kritik
erhaben, dass für die Chronologiebildung auf
außerbiblische Querverbindungen prinzipiell
verzichtet werden kann, so stellt sich offenbar
bereits zu Beginn die Frage, von welchem
Text bzw. von welcher Textüberlieferung wir
eigentlich reden.
Aus diesen Gründen kann nach unserer
Überzeugung – da befinden wir uns völlig im
Einklang mit der Mehrheit der Bibelkundler
– auf die Querverbindungen nicht verzichtet
werden. Allerdings sind auch diese nicht einfach
als gegeben hinzunehmen, sondern kritisch zu
hinterfragen. Das wollen wir im Folgenden
tun. Ungeachtet einer großen Anzahl von Einzelfragen werden wir dabei zu dem Ergebnis
kommen, dass der existierende, von thiele und
gAlil vorgegebene chronologische Rahmen,
weitgehend tragfähig ist.
Die chronologischen Querverbindungen
zwischen Israel und Assyrien stammen aus
165
dem 9. und 8. Jh. v. Chr., und zwar primär aus
zeitgenössischen Annalen, die anhand einer
gut fundierten neuassyrischen Chronologie
verifiziert werden können. Letztere konnte
mit Hilfe einer nahezu lückenlosen, bis auf das
Jahr genauen Liste von Namen rekonstruiert
werden. Diese Liste (es existieren mehrere
Textfassungen von sog. “Eponymlisten und
Eponymchroniken” aus dem 7. Jh. v. Chr.)
dokumentiert zwischen 910-649 v. Chr. die
Namen und Ereignisse unterschiedlicher
Personen (Könige und Beamte) nach einem
klar strukturierten Schema. Beispielsweise
amtierte jeder König als Namensgeber in
seinem ersten oder zweiten Regierungsjahr,
während regelmäßig Generäle der Armee im
2. oder 3., Mundschenke im 3. oder 4., ... oder
Gouverneure der Stadt Guzan (Tell Halaf in
Nordsyrien) im 17. Jahr seiner Herrschaft
amtierten.8 Mit Hilfe dieser Liste kann aufs
Jahr genau rekonstruiert werden, bis wann bei-
Abb. 1: Kurch-Monolit des Assyrerkönigs Salmanassar III. Die Stele erwähnt seinen Feldzug aus dem
Jahre 853 v. Chr., als er bei Qarqar in Syrien auf Ahab
von Israel und seinen Verbündeten traf. (Photo P. van
der veen, mit freundlicher Genehmigung der British
Museum Trustees in London)
spielsweise König Ahab regiert haben muss. Die
sog. Kurch-Stele (heute im Britischen Museum
in London) berichtet, dass Ahab, „der Israelit“,
im 6. Regierungsjahr König Salmanassars III.
zusammen mit 11 levantinischen Verbündeten
bei Qarqar in Nordsyrien gegen die Assyrer
in den Krieg zog. Übertragen auf unseren
heutigen (gregorianischen) Kalender und mit
Hilfe der oben genannten Eponymliste ist es
möglich, das 6. Regierungsjahr Salmanassars
auf 853 v. Chr. festzulegen (Abb. 1).9 Damals
amtierte der Turtan Dajan-Aschur als Eponymhalter.10 Im Gegensatz dazu datiert liebi
das letzte Regierungsjahr Ahabs auf 897 v. Chr,
also 40+ Jahre früher!
Ein weiteres Beispiel: Aus den assyrischen
Annalen wissen wir, dass der einige Jahre nach
Ahab herrschende König Jehu von Israel im
18. Regierungsjahr Salmanassars III. (als Adadremanni Eponymhalter war) an Assyrien Tribut
zahlte.11 Umgerechnet auf den heutigen Kalender wäre dies im Jahr 841 v. Chr. gewesen. Die
neuassyrische Chronologie ist astronomisch
fixiert. Anhand astronomischer Retrokalkulationen von Mond- und Sonnenfinsternissen (die
heute sehr präzise über Computerprogramme
wie Redshift Astronomy Software berechnet
werden können) lassen sich die chronologischen Angaben der neuassyrischen Könige
bis aufs Jahr genau verifizieren. Ein wichtiger
Fixpunkt ist die Sonnenfinsternis aus dem Jahre
763 v. Chr., die in den Eponymlisten (belegt in
den kritischen Textfassungen Cb1 und Cb2) im
9. Regierungsjahr des Königs Assurdan III. mit
dem Vermerk überliefert wurde, dass sie sich
„im Monat Siwan“ (d. h. von Mitte Mai bis Mitte
Juni) ereignet habe, als Bursagille, Gouverneur
von Guzan, als Eponymhalter amtierte, und
als „in der Residenz ein Aufstand“ ausbrach.12
Auch mit weiteren Querverbindungen, beispielsweise mit der phönizischen Stadt Tyrus,
setzen sich die oben genannten Autoren, wenn
überhaupt, nur oberflächlich auseinander. So
erwähnen beispielsweise die assyrischen Annalen einen König „Balimanzer“ von Tyrus, der
ebenfalls 841 v. Chr. an Assyrien Tribut zahlte.13
Dieser König ist als „Balezeros“ (d. h. Bacalezer)
aus den sog. Königsannalen von Tyrus bei
Menander von Ephesus aus dem frühen
2. Jh. v. Chr. bekannt, sein Name wurde uns
durch Josephus FlAvius überliefert.14 Bacalezer
166
war der Sohn des aus der Bibel bekannten
Königs Iṭṭobacal, „des Sidoniers“ (1. Könige
16,31).15 Auch wenn man die chronologischen
Angaben bei Josephus zweifellos kritisch zu beurteilen hat, scheinen sie den oben dargestellten
chronologischen Rahmen doch im Allgemeinen
zu bestätigen.16 Mit Hilfe von Königsnamen und
Regierungslängen aus den tyrischen Königsannalen soll der aus der Bibel bekannte Hīrōm, ein
Zeitgenosse Davids und Salomos, ungeachtet
abweichender Regierungslängen zwischen den
Textvarianten 155 Jahre und 8 Monate vor der
Gründung Karthagos (im 7. Jahr des Pygmalion, des Königs von Tyros = 825 v. Chr.17) seine
Herrschaft angetreten haben.18 Wenn diese Angabe stimmt (die Zahl basiert auf Textvariante
„B“), wurde Hīrōm im Jahre 980 v. Chr. König.
Zudem berichtet Josephus, dass der Baubeginn
des salomonischen Tempels in Hīrōms 11. oder
12. Regierungsjahr stattfand, also im Jahre
969/968 v. Chr.19 Das Alte Testament informiert
uns zudem in 1. Könige 6,1 darüber, dass der
Bau im 4. Regierungsjahr Salomos begann.
Dies würde bedeuten, dass sich das 11. bzw.
12. Regierungsjahr Hīrōms und das 4. Jahr
Salomos überschnitten hätten.20
Indem die Vertreter der „langen“ Chronologie die Regierungszeiten der Könige Israels und
Judas für gewöhnlich einfach addieren und sogar Zwischenzeiten interpolieren (um die Zeitspanne bis zum Fall Samarias 722/721 v. Chr.
zu überbrücken), werden Koregentschaften,
die bei thiele und gAlil an mehreren Stellen
eine wichtige Rolle spielen21, weitgehend ausgeschlossen.
Nimmt man die sekundären Quellen
ernst, so trat Salomo seine Herrschaft um 970
(genauer im Jahre 972) v. Chr. an und nicht
bereits vor 1000 v. Chr. Die Reichsteilung erfolgte etwa 30-40 Jahre später 22, also erst um
942/941 (gemäß dem „Old Greek Text“) oder
um 930 v. Chr. (gemäß dem Masoretentext).23
2. Von Salomo zurück bis zum Auszug aus
Ägypten
Nach 1. Könige 6,1 soll Israel 480 Jahre vor
dem 4. Regierungsjahr Salomos aus Ägypten ausgezogen sein. Der Exodus muss also
gemäß der oben beschriebenen Berechnung
um 1450/1449 v. Chr. stattgefunden haben.
Manche Bibelkundler, u. a. Roger liebi, datieren das Ereignis jedoch deutlich früher,
da, so ihre Argumentation, die zwischen
Auszug/Landnahme und Königszeit liegende Richterzeit sonst zu kurz bemessen wäre.
Sie argumentieren, dass man einen deutlich
größeren Zeitraum herausbekäme, wenn man
alle chronologischen Angaben im Buch der
Richter (und zwar sowohl die Zeitspannen,
während derer Israel von seinen Nachbarn
unterdrückt war, als auch solche, zu denen
die Richter im Amt waren) zusammenzählte.
Dabei legen sie die Annahmen zugrunde, dass
jeweils nur ein Richter/Befreier zur selben Zeit
über ganz Israel geherrscht hat, und dass die
jeweilige Bedrängnis stets alle Stämme betraf.
Die Vertreter der Spätdatierung des Exodus
sehen sich im Gegensatz dazu gezwungen,
fast über die ganze Periode regional mehrere
Richter gleichzeitig anzunehmen. Das Richterbuch und 1. Samuel 1-12 (vermutlich mit
Ausnahme von Richter Kap. 3-5, s. u.) stützt
das jedoch nicht. Vielmehr gewinnt man tatsächlich den Eindruck, dass Israel in der Regel
jeweils von nur einem Richter geführt wurde.
Wenn nicht ausdrücklich betont wird, dass
sie auch anschließend als Richter amtierten,
trifft das jedoch nicht gleichermaßen auf alle
militärischen Befreier („Retter“) zu. Ein klares
Beispiel dafür ist Samgar (Richter 4), von dem
lediglich gesagt wird, dass er 600 Philister
tötete und Israel befreite. Ähnlich wie liebi
ging auch der jüdische Historiker Josephus
FlAvius von einer deutlich längeren Periode
der Richterzeit aus. Seiner Meinung nach
dauerte die gesamte Periode zwischen dem
Auszug und dem 4. Regierungsjahr Salomos
über 600 Jahre.24 liebi schließt sich dem an und
datiert den Exodus somit auf das Jahr 1606 und
die Landnahme entsprechend auf 1566 v. Chr.,
also fast 160 Jahre früher als im vorliegenden
Buch postuliert. Vom Richterbuch selbst wird
eine so lange Zeitspanne jedoch nicht gestützt.25
Ganz im Gegenteil: Kapitel 11,26 gibt uns einen
wichtigen Hinweis, wenn es vermerkt, wie lang
die Periode zwischen dem Richtertum Jeftas
und der Landnahme war, nämlich 300 Jahre:
„Während Israel in Heschbon wohnte und
in seinen Tochterstädten und in Aroer und
167
in seinen Tochterstädten und in all den
Städten, die längs des Arnon <liegen>,
dreihundert Jahre lang – warum habt
ihr <sie uns> denn nicht in jener Zeit
entrissen?“
Natürlich hilft uns diese Zeitspanne nur
dann weiter, wenn wir wissen, wann Jefta
gelebt hat. Dazu müssen wir die Zeitspannen der Richterzeit in einen chronologischen
Rahmen einfügen, der mit den Angaben aus
1. Könige 6,1 und Richter 11,26 kompatibel ist.
Darum soll es im folgenden Abschnitt gehen,
wobei vorauszuschicken ist, dass eine solche
chronologische Konstruktion eine Arbeitshypothese bleiben muss, da unser Wissen über
diese „Zwischenzeit“ der Geschichte Israels
äußerst begrenzt ist.
Der chronologische Rahmen
Vor dem Amtsantritt Salomos (der nach der
Berechnung oben um 972 v. Chr. König wurde),
soll sein Vater David etwa 40½ Jahre regiert
haben, und zwar 7½ Jahre in Hebron und
33 Jahre in Jerusalem (2. Samuel 2,11; 5,4-5).
Die Regierungslänge Ischboschets (Ischbaal)
dauerte dagegen nur 2 Jahre (2. Samuel 2,8-10).
Beide Herrscher traten nach dessen Tod die
Nachfolge Sauls an (2. Sam. 2,1-11). Noch
während David in Hebron regierte, wurde Ischboschet von seinen eigenen Offizieren getötet
(Kap. 4,5-7), woraufhin die Herrschaft über
ganz Israel David übertragen wurde. Zwar
ist die genaue Zeitspanne zwischen dem Tod
Sauls und der Krönung der beiden Thronprätendenten unbekannt, es ist aber anzunehmen, dass
es sich allenfalls um wenige Wochen gehandelt
hat. Vor den Ereignissen lag die Regentschaft
Sauls. Was wissen wir über deren Länge? Nach
Apostelgeschichte 13,21 (Predigt des Paulus in
Antiochia) regierte Saul, wie später David und
Salomo, 40 Jahre. Der Masoretentext in 1. Samuel 13,1 überliefert dem entgegen eine Zahl
von lediglich 2 Jahren. Allerdings fehlt diese
Angabe in allen griechischen Handschriften.
Unglücklicherweise ist die Passage lückenhaft
und es scheint so, dass Sauls Alter zur Zeit seiner
Thronbesteigung irgendwann beim Kopieren
der biblischen Handschriften verloren ging,
weswegen der Text nur lückenhaft erhalten ist.
Dennoch lässt die Formel „Saul war ... Jahre,
als er König wurde; und er regierte 2 Jahre über
Israel“ erahnen, dass wir es hier vermutlich mit
einer sehr alten Information zu tun haben, die
auf eine antike Eintragung in den Königsannalen zurückgehen könnte.26 Auch wenn das Gros
der Bibelkundler diese Zahl für zu niedrig hält,
scheint sie mit den 480 Jahren in 1. Könige 6,1
durchaus kompatibel zu sein, so dass man zumindest davon ausgehen muss, dass man sie im
alten Israel wenigstens zeitweise akzeptiert hat.
Ausgehend vom Jahr 1 Salomos, 972
v. Chr., erhielten wir somit ein Datum von
1015/1014 v. Chr. für das erste Regentschaftsjahr Saul s. Obwohl Samuel erst während Sauls
Regierung starb, markieren diese Jahre das
Ende der Richterzeit, die sich damit zwischen
ca. 1410/1409 und 1015/1014 v. Chr. erstreckt
haben müsste. Da Jefta sein Amt 300 Jahre nach
der Landnahme ausübte, müssen wir seine
sechsjährige Amtszeit als Richter deshalb ca.
100 Jahre vor Saul ansetzen. Wie im Folgenden
gezeigt werden soll, lassen sich die unabhängigen Angaben im Richterbuch im Rahmen einer
355-jährigen Richterzeit (= 395-40 Jahre für die
Generation Josuas nach der Landnahme) gut
erklären, auch wenn die Rekonstruktion, wie
oben erwähnt, eine Arbeitshypothese bleiben
muss.
1410-1322 v. Chr.: von der Landnahme bis
zum Tode Otniels
Josua soll nach einer fast dreißigjährigen Periode nach Eroberung und Landverteilung
im Alter von 110 Jahren gestorben sein (Josua 24,29). Ausgehend von einer Landnahme
um 1410 v. Chr., muss Josuas Tod ungefähr
auf das Jahr 1380 v. Chr. datiert werden.27
Nach einer Zeitspanne von weiteren 10 Jahren, während der weitere Zeitgenossen Josuas
starben (Richter 2,10), rebellierte Israel gegen
Jahwe und wurde daraufhin 8 Jahre lang von
Kuschan-Rischataim von Aram-Naharaim
unterdrückt (Richter 3,7-11). Obschon es sich
bei diesem Gewaltherrscher um einen aus dem
nordwestmesopotamischen Raum stammenden Großkönig zu handeln scheint, gelingt es
nicht, ihn mit einem bekannten Monarchen
168
aus dieser Region zu identifizieren; vielleicht
deshalb, weil sein eigentlicher Name durch ein
Namensspiel (der Name bedeutet auf Hebräisch
soviel wie „der doppeltböse Kuschiter“ oder
„der doppeltböse Kuschan“) fast unkenntlich
gemacht wurde. Israels Unterdrückung wurde
von Kalebs Neffen Otniel aus Juda beendet, der
bereits im Buch Josua unter den Teilnehmern an
der Landnahme erwähnt wird (Josua 15,13-19).
Otniel starb offenbar gegen Ende der darauffolgenden 40-jährigen Ruhezeit, ca. 1322 v. Chr.
1322-1225 v. Chr.: von der Unterdrückung
durch Moab bis zum Ende des Richteramts
unter Debora und Barak
Offenbar markierte der Tod Otniels einen neuen
Wendepunkt, zu dem das Volk erneut abtrünnig
wurde. Daraufhin soll es 18 Jahre lang von den
Moabitern und ihren Verbündeten unterdrückt
worden sein, bis Israels zweiter Richter, Ehud
aus Benjamin, die Stämme wieder von der
Fremdherrschaft befreite. Die darauffolgende
Ruhezeit soll nicht weniger als 80 Jahre gedauert
haben (Richter 3,12-30). Dies ist bei weitem die
längste Ruheperiode der gesamten Richterzeit,
da vergleichbare Phasen sonst mit 40 Jahren
gerade einmal halb so lang währten. An diesem
Punkt ist der Fortgang der Geschichte im Richterbuch unklar. Der nächste Retter, Schamgar,
trat unbestimmt im Anschluss an Ehud auf,
was bedeuten kann, dass er entweder bereits
während Ehuds späterer Amtsausübung aktiv
wurde, oder dass sein Auftreten später – lange
nach Ehud – begann. Ähnlich wie später Simson
soll er 600 Philister mit einem einzigen Viehtreiberstock getötet haben (Richter 3,31). Es gibt
keine Aussage darüber, wie lange die durch ihn
bewirkte Befreiung andauerte. Auch scheint
er nicht das Amt des Richters innegehabt zu
haben.28 Der Text wechselt im Anschluss an sein
Auftreten in Kapitel 4,1 zurück zu Ehud und
erwähnt erst jetzt dessen Tod. Nach erneutem
Ungehorsam des Volkes wird berichtet, dass
nach Ehuds Tod der Norden Israels durch Jabin von Hazor und dessen Hauptmann Sisera
20 Jahre lang unterdrückt wurde (Richter 4,1-3).
Die Frage, ob Ehud erst nach den 80 Jahren oder
bereits während dieser sehr langen Periode
starb, lässt der Text offen. Es kann nicht ausge-
schlossen werden, dass das Südland auch nach
Ehuds Tod von weiteren Angriffen verschont
blieb. Auch wenn es nur eine Vermutung ist,
könnten die Unterdrückung im Norden und das
anschließende Richteramt unter Debora und
Barak chronologisch mit der zweiten Hälfte der
80-jährigen Ruhe im Süden überlappt haben.
Die Ruhezeit im Norden dauerte nämlich „nur“
40 Jahre an (Kap. 5,31b). Eine solche Erklärung
stünde in jedem Fall im Einklang mit dem
chronologischen Gesamtgerüst der Periode.
Deutlich überschaubarer ist die Beschreibung
der Periode nach Debora und Barak, deren
chronologische Angaben sich ebenfalls gut ins
Gesamtschema einfügen (vgl. Tafel 1).
1225-1177 v. Chr.: von der Unterdrückung
durch Midian bis zum Tode Gideons
Im Anschluss an die 80 Jahre Ruhezeit im
Süden und die 40 Jahre Ruhezeit im Norden
wurde das zentrale Hügelland über 7 Jahre
lang von den Midianitern unterdrückt, bis
es unter Gideon die Freiheit zurückerlangte
(Richter 6,1-2). Die neuerliche Ruhezeit währte
40 Jahre (Kap. 8,28). Gideon wäre somit um
1177 v. Chr. verstorben.
1177-1174 v. Chr.: die Königsherrschaft
Abimeleks von Sichem
Auf die Richterzeit Gideons folgte die Schreckensherrschaft seines Sohnes Abimelek, der
als erster König Israels (also noch vor Saul) drei
Jahre lang in Sichem regierte.
1174-1129 v. Chr.: die Richter Tola und Jair
Nach Abimelek wurde Israel von zwei Richtern
geführt, die ihr Amt insgesamt 45 Jahre lang
innehatten (Kap. 10,1–5).
1129-1105 v. Chr.: von der Unterdrückung
durch Ammon bis zum Tode Jeftas
Nach Jair wurde das Volk 18 Jahre lang von den
Ammonitern unterdrückt, bis es Jefta aus deren
169
Hand befreite und danach selbst sechs Jahre lang
das Amt des Richters ausübte. Seine Amtszeit
muss somit um 1105 v. Chr. zu Ende gegangen
sein. Wenn diese Rekonstruktion zutrifft, ist
Jefta tatsächlich um 1111/1110 v. Chr., also
ziemlich exakt 300 Jahre nach der Landnahme
im Jahre 1410 v. Chr., Richter geworden.
1105-1015 v. Chr.: von der Unterdrückung
durch die Philister bis zur Krönung Sauls
Auf Jefta folgten die Richter Ibzan aus Bethlehem, Elon aus Zebulon und Abdon aus Piraton
während einer Gesamtperiode von nur 25 Jahren (Kap. 12,8-15), also bis ins Jahr 1080 v. Chr.
Diese Periode dürfte mit der Priesterschaft
Elis in Silo (1. Samuel 1-4) überlappt haben.
Nach Abdon wurde Israel 40 Jahre lang von
den Philistern unterdrückt, eine Periode, die
sich mit den Schicksalsjahren Elis und seiner
Söhne deckt (1. Samuel 4,1-22). Beide Richter,
Simson und Samuel, kämpften gegen die Philister. Während Simsons Amtszeit am Ende
wegen seines eigenen Ungehorsams scheiterte,
war Samuels Amtszeit offenbar von Erfolgen
gegen die Philister gekrönt (1. Samuel 7,14).
Es scheint so, dass erst unter seiner Führung
die 40-jährige Unterdrückung ein Ende fand
(1. Samuel 7,12-13). Das wäre um 1040 v. Chr.
gewesen. Ähnlich deutet auch JoNes die Situation.29 Samuel scheint nach der Schlacht bei
Eben-Ezer noch 25 Jahre lang das Richteramt
ausgeübt zu haben, bis das Volk einen König
verlangte. Saul muss somit um 1015 v. Chr.
König von Israel geworden sein (1. Samuel 8),
was tatsächlich auf eine Gesamtlänge seiner
Regierung von nur 2 Jahren schließen lässt.
Auch Saul sollte den Kampf gegen die Philister
aufnehmen, dabei jedoch scheitern.
Eine zusammenfassende Darstellung des
chronologischen Gerüsts der Richterzeit findet
sich in Tafel 1.
Tafel 1: Der chronologische Rahmen vom Auszug aus Ägypten bis zum 4. Regierungsjahr Salomos nach
1. Könige 6,1 und Richter 11,26.
v. Chr.
1450-1410
1410-1380
1380-1370
1370-1362
1362-1322
1322-1304
1304-1224
1282-1262
1262-1224
1224-1217
1217-1177
1177-1174
1174-1151
1151-1129
1129-1111
1111-1105
1105-1098
1098-1088
1088-1080
1080-1060
1060-1014
1015-1013
1013-1011?
1013-972
972-942/32
Retter/Richter
Weitere
Führungsgestalten
Unterdrückung
Mose
Josua
Aram: 8 Jahre
Othniel
Ehud
Samgar
Debora/Barak
Gideon
Tola
Jair
Jefta
Ibzan
Elon
Abdon
Simson
Samuel
Moab: 18 Jahre
Jabin: 20 Jahre
Midian: 7 Jahre
Abimelek
Ammon: 20 Jahre
Eli (bis 1060)
Saul
Ischbaal
David
Salomo
Philister: 40 Jahre
(2 x 20 Jahre)
Friedenszeit
Interregnum
40 Jahre
80 Jahre (2 x 40)
40 Jahre
40 Jahre
6 Jahre
(ca. 25 Jahre)
170
Quellen und Anmerkungen zum Anhang
1
2
3
4
5
E. thiele, 1983. The Mysterious Numbers of the
Hebrew Kings, Grand Rapids MI und G. gAlil, 1996.
The Chronology of the Kings of Israel and Judah,
Leiden. Hinsichtlich einer allgemeinen Einleitung
zur Chronologie des Alten und Neuen Testaments:
P.G. vAN der veeN, 2003. Chronologie. In: O. betZ et
al. (Hrsg.), Calwer Bibellexikon, Band 1, Stuttgart,
S. 222-224.
F.N. JoNes, 1993. The Chronology of the Old Testament, Green Forest AR; M.C. tetley, 2005. The
Reconstructed Chronology of the Divided Kingdom,
Winona Lake IN. Für liebis Chronologie, s. https://
www.rogerliebi.ch/content/biblische-chronologieund-heilsgeschichte.
Da tetley sich lediglich mit den getrennten Königreichen Israel und Juda befasst hat, kann man nur
mutmaßen, wann sie Jahr 1 von Salomo datiert. Sie
legt die Reichstrennung in das Jahr 981 v. Chr., was
bei einer 40-jährigen Regentschaft Salomos bedeuten
würde, dass er um 1020 v. Chr. den Thron bestiegen
hätte. Dazu tetley [2], S. 182.
Für eine weniger drastische Verlängerung, siehe J.
oNstott, 2014. YHWH Exists, Band 1, Baton Rouge
LA, Kapitel 9.
Das bedeutet allerdings nicht, dass die von thiele
und gAlil favorisierte Jahreszahl 931/930 v. Chr. für
die Reichsteilung in Stein gemeißelt wäre. In der
deutschsprachigen Literatur wird oft ein geringfügig späteres Datum – 927/926 v. Chr. – favorisiert:
A. JepseN und R. hANhArt, 1964. Untersuchungen zur
israelitisch-jüdischen Chronologie, Berlin, S. 42-43.
Andererseits wäre auch eine etwas höhere Jahreszahl
möglich. Basierend auf höheren Regierungslängen
im „Old Greek Text“ könnte die Reichsteilung bereits
um 942/941, spätestens aber um 937 v. Chr., erfolgt
sein. So hätte Jerobeam I. (von Israel) anstatt 22 in
Wirklichkeit 24 Jahre, Abijam (von Juda) anstatt 3
ganze 6 Jahre und Zimri (von Israel) anstelle von
7 Tagen 7 Jahre regiert. Auch die Synchronisierung
zwischen den beiden Königreichen weicht im altgriechischen Text in der relevanten Periode vom
Masoretentext deutlich ab. So wurde Asa (von
Juda) nicht im 20. Regierungsjahr Jerobeams I. König, sondern erst in dessen 24. Regierungsjahr. Die
Vorstellung, nur der Masoretentext sei maßgeblich,
wäre freilich zu einfach. James sheNkel hat richtig
festgestellt, dass die genannten Unterschiede bereits
früh existiert haben dürften: „… it is now evident
that the Old Greek chronology, far from being an
artificial contrivance of late scribal activity, was the
earliest chronology of the Greek textual tradition
and was already present in the Hebrew Vorlage of
the earliest translation of the Books of Kings.“ J.D.
sheNkel, 1968. Chronology and Recensional Development in the Greek Text of Kings, Cambridge M,
S. 110. Hinsichtlich einer umfassenden Besprechung
der Quellen, s. J. hughes, 1990. Secret of the Times:
6
7
8
Myth and History in Biblical Chronology. Journal
for the Study of the Old Testament Supplement
Series (JSOTSup) 66, Sheffield, hinsichtlich einer
Übersetzung der relevanten Passagen in den altgriechischen Handschriften vgl. A. pietersMA und
B.G. wright (Hrsg.), 2007. A New English Translation
of the Septuagint: A New Translation of the Greek
into Contemporary English: An Essential Resource
for Biblical Studies, Oxford, S. 297-318.
Um dieses frühe Datum zu erreichen, setzt er allein
für die Richterzeit fast 500 Jahre an. Dabei interpretiert er die Angabe in 1. Könige 6,1 (dass die Periode
zwischen dem 4. Regierungsjahr Salomos und dem
Auszug aus Ägypten „nur“ 480 Jahre gedauert habe)
künstlich um, indem er argumentiert, dass bei den
480 Jahren die verlorene Zeit der Gewaltherrschaft
bewusst ausgelassen wurde. Diese Behauptung ist
exegetisch nicht nachvollziehbar. JoNes dagegen datiert den Auszug auf 1491 v. Chr. und akzeptiert die
480 Jahre als legitimes Abstandsdatum. Bezüglich
der 480 Jahre vgl. auch R. youNg, 2003. When Did
Solomon Die? Journal of the Evangelical Theological
Society (JETS) 46:4, S. 599-603; zudem P. vAN der veeN,
2013. Begründung eines Aufenthalts der Israeliten
in Ägypten von nur 215 Jahren. In: P. vAN der veeN
und U. Zerbst, Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren
der Erzväter und des frühen Israel, Holzgerlingen,
S. 253-258.
Dazu beispielsweise H. sChMidt, 2000. Das erste Buch
der Könige. Wuppertaler Studienbibel. Wuppertal,
S. 48.
A. MillArd, 20142 (Nachdruck). The Eponyms of
the Assyrian Empire 910-612 B.C. State Archives
of Assyria Studies (SAAS) 2. Winona Lake, S. 6-11;
vAN der veeN und Zerbst [6], S. 52. Dies bedeutet
nicht, dass alle Ungereimtheiten in der Eponymliste geklärt wären. Versuche, größere Lücken im
relevanten Abschnitt nachzuweisen, sind jedoch
bisher gescheitert. So hat tetley zwar aufzeigen
können, dass es einige Unregelmäßigkeiten während der Regentschaft Adadniraris III. gibt, ihre
These, dass hier 22 Eponyme (und somit 22 Jahre)
fehlen würden, konnte sie jedoch nicht erhärten.
tetley [2], S. 137-176. Newgrosh betont, dass es
schwer zu erklären ist, wieso diese Namen in allen
uns vorliegenden Textvarianten fehlen sollten:
B. Newgrosh, 2007. Chronology at the Crossroads:
The Late Bronze Age in Western Asia, Leicester,
S. 155. Ähnlich dazu auch J.A. briNkMAN, 1978.
A Further Note on the Date of the Battle of Qarqar
and Neo-Assyrian Chronology. Journal of Cuneiform Studies (JCS) 30:3, S. 173-175; B. kolberg, 2010.
Redating the Hebrew Kings, Brisbane, E-Book, S. 267.
Ungeachtet all dessen darf man die noch verbleibenden Ungereimtheiten in den Textvarianten der
Eponymliste nicht einfach außer Acht lassen, wie
John briNkMAN, 1999, zurecht in seiner Rezension
zu MillArds Buch betont: Journal of Near Eastern
Studies (JNES) 58, S. 53-54. Auch kolberg verweist
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auf einen Bruch in der Liste zwischen 770 und
769 v. Chr. („an unexpected break in the office-bearer
titles“), was auch immer dies für die neuassyrische
Chronologie bedeuten mag. Dazu kolberg [8], S. 268.
Zu den Synchronismen zwischen Israel/Juda und
Assyrien, s. a. vAN der veeN [1], S. 223. Wegen der
Erwähnung eines zusätzlichen Eponymhalters
(„Balatu“) für das Jahr 787 v. Chr. in der kritischen
Textfassung Ca3 (dieser Eponymhalter kommt jedoch nicht in allen Vorlagen vor), könnte sich das
6. Jahr Salmanassars III. u. U. auf 854 v. Chr. nach
oben verschieben (auch so bei thiele [1], S. 72-76),
eine Überlegung, die jedoch von den meisten Assyriologen heute nicht mehr favorisiert wird. Dazu
spezifisch: briNkMAN, 1978 [8], S. 175; kolberg [8],
S. 16, 266-287.
J. pritChArd, 1969. Ancient Near Eastern Texts,
Princeton, S. 279.
Ibid., S. 280.
MillArd [8], S. 2, 58. Bruno kolberg betont zudem,
dass das Datum der Sonnenfinsternis von weiteren Chroniken, wie der Babylonischen Chronik
(BM 92502), der Babylonischen Königsliste (pritChArd [10], S. 272) und der sog. Esarhaddon-Chronik
(BM 25091), untermauert wird. Dazu kolberg [8],
S. 27.
Vgl. J. kAh-JiN kuAN, 1995. Neo-Assyrian Historical
Inscriptions and Syria-Palestine, Hongkong, S. 61-62.
Contra Apion 1.116-119, 121-125, 156-158; Altertümer 8.144-149, 324; 9.284-287. Josephus verweist
zudem auf einen gewissen dios, der sich bereits vor
ihm auf die Liste bezogen habe, vgl. Altertümer
8.147. Dazu auch D. MeNdels, 1987. The Land of Israel
As a Political Concept in Hasmonean Literature,
Tübingen, S. 136.
Hinsichtlich einer kritischen Beurteilung vgl.
A. greeN, 1983. David’s Relations with Hiram:
Biblical and Josephan Evidence for Tyrian Chronology. In: C.L. Meyers und M. o’CoNNor (Hrsg.),
The Word of the Lord Shall Go Forth: Essays in
Honor of David Noel Freedman in Celebration of
His Sixtieth Birthday, Winona Lake IN, S. 373-397;
N. kokkiNos, 2013. The Tyrian Annals and Ancient
Greek Chronography. Scripta Classica Israelica (SCI)
32, S. 21-66. kokkiNos behauptet, dass Menander seine Informationen vom früheren Autor hieroNyMus
(„dem Ägypter“) übernommen habe, der die Königsannalen von Tyros im 6. Jh. v. Chr. ins Griechische
übersetzt haben soll. Für eine detaillierte Besprechung der abweichenden Regierungslängen in den
verschiedenen Handschriften der Königsannalen
von Tyros, s. kolberg [8], S. 338-351, hinsichtlich
einer kritischen Beurteilung der relevanten Quellen
bei Josephus, vgl. vor allem J. dAChhorN, 2008. Die
von Josephus in C 1:113-115.117-125 und 156-158
zitierten Quellen zur phönizischen Geschichte,
Anhang III. In: F. siegert (Hrsg.), Flavius Josephus:
Über die Ursprünglichkeit des Judentums – Contra
Apionem, Band 2, Göttingen, S. 49-57.
16
Mehrere Punkte sprechen für die Authentizität
der Liste, z. B. die phönizischen Wiedergaben der
Königsnamen in gräzisierter Form. Wichtiger noch
erscheint das Vorkommen mehrerer Königsnamen
aus Menanders Liste in zeitgenössischen Quellen.
Ein Beispiel ist Ελυλαιος von Tyros [Altertümer
9.283-287], der als ILu-li-i von Tyros und Sidon [ca.
725-695 v. Chr.] in den assyrischen Annalen des
Sanherib vorkommt (pritChArd [10], S. 287). Zudem
soll erneut auf Βαλεζερος [846-841 v. Chr.] verwiesen werden, der als IBa-li-ma-AN-zēr [Baalmazzer]
in den Annalen Salmanassars III. auftaucht. Auch
andere Könige in der Liste, z. B. aus der Zeit der
babylonischen Herrschaft, sind aus zeitgenössischen
Quellen bekannt (vgl. Contra Apion 1.21). Zudem ist
Πυγμαλιων [831-785 v. Chr.] zu erwähnen, der mit
seinem vollen Namen pygmlyn auf einem Goldmedaillon aus Karthago und unter seinem Kurznamen
pmy auf dem Norastein aus Zypern um 800 v. Chr.
belegt ist. Ausgehend von einer niedrigeren Datierung der Eisenzeitfunde, dürften auch weitere
Monarchen auf frühalphabetischen Pfeilspitzen
aus dem Libanon belegt sein: Αστρατος als cštrt,
Αβδαστρατος als cbdy, und vielleicht noch Sicherbas
(bekannt aus der Aeneis des vergil und vermutlich
aus dem älteren Werk des tiMAeus). Letzterer, der
als reicher Patrizier, Hohepriester des Herakles
(Melqart) und Ehemann der Dido (Elissa), der
Schwester Pygmalions und Tochter des Ματγηνος
(= König Mattan I. von Tyros) in die Geschichte
einging, dürfte auf den Pfeilspitzen in der Gestalt
des „Zakarbacal von Amurru“ wie auch in der
ägyptischen Erzählung des Wenamun (aus der 21.
oder frühen 22. Dynastie) wiederzuerkennen sein.
Zudem ist zu überlegen, ob nicht auch der Usurpator
Φελλης in der Gestalt des in jüngster Zeit emendierten Namens Pilles. bacal auf dem Sarg Aḥīrōms aus
Byblos belegt sein könnte; dazu: F.M. Cross, 1972.
The Nora Inscription. Orientalia 41, S. 457- 468; Ph.
sChMitZ, 2008. Deity and Royalty in Dedicatory
Formulae: The Ekron Store-Jar Inscription Viewed
in the Light of Judges 7:18, 20 and the Inscribed Gold
Medallion from the Douïmès Necropolis at Carthage
(KAI 73). Maarav 15:2, S. 165-173; P.G. vAN der veeN,
2015. Early Iron Age Epigraphy and Chronological
Revision: A Summary Article. In: P. JAMes und P.G.
vAN der veeN (Hrsg.), Solomon and Shishak: Current
Perspectives from Archaeology, Epigraphy, History
and Chronology. Proceedings of the Third BICANE
Colloquium Held at Sidney Sussex College, Cambridge 26-27 March, 2011, BAR International Series
2732, Oxford, S. 190-198. Zum Namen Sicherbas
als Zakarbaal, s. D. hoyos. The Carthaginians,
E-Book, S. 23. Zum Namen Pilleṣbacal, s. R.G. lehMANN, 2015. Wer war Aḥīrōms Sohn (KAI 1:1): eine
kalligraphisch-prosopographische Annäherung an
eine epigraphisch offene Frage. In: V. goliNets et
al. (Hrsg.), Neue Beiträge zur Semitistik: Fünftes
Treffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der
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Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom
15.-17. Februar 2012 an der Universität Basel. Alter
Orient und Altes Testament (AOAT) 425, Münster,
S. 163–180. Hinsichtlich einer Liste von Belegen in
zeitgenössischen Quellen, s. Ph. J. boyes, 2012. „The
King of the Sidonians”: Phoenician Ideologies and
the Myth of the Kingdom of Tyre-Sidon. Bulletin of
the American Schools of Oriental Research (BASOR)
365, S. 33-44.
Die meisten Wissenschaftler datieren jedoch das
7. Regierungsjahr Pygmalions auf 814 v. Chr.,
wodurch sich das Datum des Tempelbaus um
weitere 11 Jahre nach unten verschieben würde.
kokkiNos datiert die Gründung Karthagos sogar
auf 808/807 v. Chr. Dazu kokkiNos [15], S. 60. Auch
wenn er dafür textliche Belege gefunden haben mag,
weicht seine Chronologie nach unserer Ansicht zu
stark von der biblischen Chronologie ab, um sie
akzeptieren zu können. Nach kokkiNos‘ Chronologie
soll Salomo erst um 945 v. Chr. König geworden
sein, was deutlich zu spät ist. Eine detaillierte
Besprechung seiner Chronologie würde an dieser
Stelle jedoch zu weit führen.
Contra Apion 1.18.
Contra Apion 1.109.
Zudem beschreibt CleMeNs voN AlexANdrieN im
späten 2. Jh. n. Chr., dass Hīrōm, nach der Ankunft
des Menelaos (König von Sparta und Bruder des
Agamemnon zur Zeit des trojanischen Krieges)
in Phönizien, seine Tochter mit Salomo verheiratete (Stromateis 1.21). Nach kokkiNos soll bereits
hekAtAios voN Milet im späten 6. Jh. v. Chr. die
Geschichte gekannt haben, so dass die Überlieferung sehr alt sein dürfte. Vgl. kokkiNos [15], S. 45,
53. Nach MANethos Aegyptiaca (in Num Euseb.
835 überliefert) soll Menelaos auf der Suche nach
seiner Gattin Helena danach weiter nach Ägypten
gezogen sein, wo er auf König Thuoris traf (d. i.
die Pharaonin Tawosret der späten 19. Dynastie).
Obwohl etliche Geschichtsschreiber während der
hellenistischen Zeit ähnlich wie auch heute ein
deutlich früheres Datum für den Fall Trojas ansetzen, gab es offensichtlich bereits um die Mitte des
1. Jts. v. Chr. Vertreter einer ca. 200 Jahre kürzeren
(„revidierten“) Chronologie, nach der sich der Fall
Trojas während der Regierung Hīrōms (Salomos,
und der Tawosrets) im 10. Jh. v. Chr. ereignet hätte.
Dass Erinnerungen an den trojanischen Krieg in
den eisenzeitlichen Städten der Levante tatsächlich
wachgehalten wurden, wird durch eine in phönizischer und hethitischer Sprache verfasste Inschrift
aus Karatepe in der Südost-Türkei bestätigt. Sie
nennt einen gewissen mpš als Dynastienbegründer
des kilikischen Adana. Dieser Mopsos wurde in den
Sagen als Feind Trojas aus Achaia geschildert, der
Städte in Kilikien gründete. Dazu M.C. Astour, 1967.
Hellenosemitica, Leiden, S. 53-69. Ebenfalls dazu: D.
siMoN, 2015. Where Did the Kings of Danuna of EA
151 Rule? In: J. Myrářová et al. (Hrsg.), There and
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Back Again: The Crossroads II. Proceedings of an
International Conference Held in Prague, September
15-18, 2014, Prague, S. 391- 408. Der Autor möchte
sich bei Peter JAMes für diesen hilfreichen Hinweis
bedanken.
Zu den Koregentschaften, s. auch youNg [6],
S. 596-599. tetley ist sicherlich zuzustimmen, dass
einige Koregentschaften bei thiele und gAlil nicht
unbedingt der historischen Wirklichkeit entsprechen
müssen, da sie lediglich ein Produkt der abweichenden Angaben in den vorliegenden Handschriften
sind (vgl. z. B. die Angaben zum Amtsantritt König
Omris im Masoretentext von 1. Könige 16,15-28
und in den abweichenden altgriechischen Handschriften). tetley [2], S. 108. Jede chronologische
Konstruktion kann somit nur eine Arbeitshypothese
bleiben, die anhand unabhängiger Angaben aus den
sekundären Quellen auf ihre Richtigkeit überprüft
werden muss.
Nach 1. Könige 11,42 regierte Salomo, wie bereits
sein Vater David, 40 Jahre lang über das ungeteilte
Königreich Israel. Diese Zahl ist jedoch möglicherweise als „runde Zahl“ zu verstehen. Anders als
bei David (von dem spezifisch gesagt wird, dass
er 7,5 Jahre in Hebron und 33 Jahre in Jerusalem
regierte, 2. Samuel 5,4-5) existieren keine biblischen
Belegstellen, die präzisieren, wie lange Salomo
genau regiert hat. Auf der Basis der uns zur Verfügung stehenden Angaben zu seinen politischen
Errungenschaften und seinen Bauunternehmungen
aus dem 1. Königsbuch kann lediglich gefolgert
werden, dass seine Regentschaft mindestens 30 Jahre
gedauert haben muss.
Die Datierung der Reichsteilung wird oft mit einem
weiteren Synchronismus in Verbindung gebracht,
nämlich dem des Pharaos Schischak, der nach
1. Könige 14,25 im 5. Regierungsjahr Rehabeams
Tempel- und Palastschätze plünderte und seinem
Reich nach 2. Chronik 12,1-9 die Festungen Judas
einverleibte. Dieser König wird üblicherweise mit
dem Begründer der libyschen 22. Dynastie, Schoschenk I. (ca. 946-925 v. Chr.), gleichgesetzt. Der von
ihm nach Palästina geführte Feldzug (dargestellt
auf dem Bubastidenportal in Karnak) wird von
vielen Ägyptologen in dessen 21. Regierungsjahr
verortet, das damit wie das 5. Regierungsjahr Rehabeams auf ca. 925 v. Chr. datiert. Wie an anderer
Stelle dargelegt, ist die Datierung Schoschenks
aus ägyptischen Quellen und Synchronismen
jedoch keineswegs gesichert: P. JAMes und P.G. vAN
der veeN, 2015. When did Shoshenq I Campaign
in Palestine? In: JAMes und vAN der veeN [16],
s. 127-136. Im gleichen Band, s. a.: R. Morkot und
P. JAMes. From Shoshenq V back to Shoshenq I: DeadReckoning the Start of the 22nd Dynasty, S. 20-41
und A. thiJs. From the Lunar Eclipse of Takeloth
II back to Shoshenq I and Shishak, S. 42-60. Wie
immer man Schoschenk I. ansetzt, seine Datierung
in die 2. Hälfte des 10. Jh. v. Chr. basiert nicht auf
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ägyptischen Angaben, sondern auf dem biblischen
Datum für Schischak! Alternativ setzen die meisten
Vertreter des sog. BICANE-Forums den biblischen
Schischak mit Ramses III. gleich, der in seinem 12.
Regierungsjahr einen Feldzug nach Palästina leitete. Beispielsweise: J. biMsoN, 2015. Ramesses III as
Biblical Shishak? Some Notes on the Archaeological
Evidence. In JAMes und vAN der veeN [16], S. 98-116
und P. JAMes, im Druck. The Levantine War-Records
of Ramesses III: Changing Attitudes, Past, Present
and Future. Antiguo Oriente.
W. whistoN, 1981. Josephus – Complete Works,
Grand Rapids MI, S. 684.
JoNes [2], S. 85-87.
Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden,
dass sich die zweijährige Herrschaft Sauls lediglich
auf die Periode nach Samuels Tod bezieht, als Saul
ohne Samuels Rat auskommen musste. Da Sauls
Herrschaft sich schließlich als unwürdig erwies,
könnte die Gesamtlänge seiner Regierung bewusst
„gekürzt“ worden sein, indem man die Zeit vor
Samuels Tod der Richterzeit zuschlug, weil Samuel
im Gegensatz zu Saul der einzig Würdige, von Gott
„Erbetene“ (hebr. š’wl) war (1. Samuel 1,20). Auch
dies muss natürlich eine Vermutung bleiben.
Nach Josua 14,7 u. 10 war Kaleb 40 Jahre alt, als
Mose Josua und Kaleb – etwa zwei Jahre nach dem
Auszug (vgl. 4. Mose 10,11) – ins Land schickte, um
es zu erkunden. Später wird gesagt, dass er 85 Jahre
alt war, als das Land verteilt wurde (Josua 14,10).
Es wird oft angenommen, dass Josua und Kaleb
etwa gleich alt gewesen sein müssen. Da die gesamte Wüstenzeit etwa 40 Jahre angedauert hat
(5. Mose 1,3), scheint die Eroberungsperiode ca.
5 Jahre umfasst zu haben. Nach Seder olAM soll
Josua 28 Jahre nach dem Abschluss der Eroberung
Kanaans gestorben sein, vgl. JoNes [2], S. 90. Dies
28
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ist jedoch eine Vermutung. Dagegen wird von
manchen Bibelkundlern behauptet, Josua wäre
zur Zeit der Landnahme nur 60 Jahre alt gewesen,
weshalb das Datum seines Todes 20 Jahre später
gewesen wäre. Diese Überlegung stützt sich vor
allem auf den Gedanken, dass Josua entsprechend
den Texten ein junger Mann war, als er Mose am
Berg Horeb begleitete (2. Mose 33,11). Beispielsweise E.A. sChAtZ, 2013. The Length of the Rule
of Joshua and the Periods of Subjugation in the
Book of Judges. Jewish Bible Quarterly (JBQ) 41:1,
S. 33-34. Die Wiedergabe des Textes ist jedoch
unsicher, da der hebräische Begriff n‘r eine Reihe
weiterer Bedeutungen hat, wie aus etlichen altorientalischen (u. a. auch hebräischen) Inschriften
abgeleitet werden kann. Er bezieht sich längst nicht
immer auf das Alter einer Person, sondern wird
davon unabhängig auch für die gesellschaftliche
Stellung verwendet, z. B. für die eines „Verwalters“, „Edelknechts“ oder „Schildknappen“. Dazu
N.S. Fox, 2000. In the Service of the King: Officialdom
in Ancient Israel and Judah, Cincinatti, S. 182-191.
Dass der Begriff auch für „Elitesoldaten“ gebraucht
wurde, wird u. a. aus den Inschriften Ramses II.
deutlich, wo ihm „Nearin“ als erfahrene Krieger bei
Kadesch zur Seite standen. Dazu gArdiNer: A. gArdiNer, 1975. The Kadesh Inscriptions of Ramesses
II, Oxford, S. 37. Die Bedeutung eines „Verwalters“
einerseits und eines „Elitekämpfers“ andererseits
passt gut zur Stellung Josuas als erfahrener Soldat
bereits kurz nach dem Auszug (2. Mose 17,8-16)
und als rechte Hand Moses. Ähnlich könnte auch
der Hinweis auf Josua in 4. Mose 11,28 zu verstehen
sein, wo hebr. bah.ūr auch mit „Gewählter“ oder
„Krieger“ übersetzt werden kann.
whistoN [24], S. 684.
JoNes [2], S. 82-85.