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Von Salomo bis zum Exodus: Das chronologische Gerüst

2018, (Anhang I aus U. Zerbst & P. van der Veen, Keine Posaunen vor Jericho?

In this article the author explains how the number of 480 years in 1 Kings 6:1 can be used to establish the date of the Israelite Exodus from Egypt. While the approximated dates for Solomon in the 10th century BC are firmly based on solid synchronisms between Assyria and the Hebrew Bible during the 9th to 7th centuries BC, a date for the Exodus during the 15th century is considered to be a good foundation for further calculations related to the earliest history of the Israelite people. The author also seeks to explain the apparent discrepancy between the durations given in the Book of Judges with Judges 11:26, where it is claimed that by the time of Jephtah Israel had been in the Land since three centuries.

164 Anhang 1: Von Salomo bis zum Exodus: Das chronologische Gerüst Peter vAN der veeN A.1 Von Ahab bis zu Salomo Die große Mehrheit der Bibelhistoriker in der angelsächsischen und israelischen Fachwelt datiert den Amtsantritt König Salomos auf ungefähr 970 v. Chr. Dieses Datum finden wir z. B. in den Standardwerken von Edwin thiele und Gershon gAlil.1 Im Gegensatz dazu vertreten einige evangelikale Bibelkundler wie Floyd JoNes, Christine tetley und Roger liebi 2 die Auffassung, Salomo hätte seine Herrschaft deutlich früher (z. B. bei JoNes 1015 und bei liebi 1016 v. Chr.3) angetreten.4 Die Reichsteilung in Nord- und Südreich nach Salomos Tod soll bereits 981 (tetley) bzw. 976/975 v. Chr. (JoNes und liebi) erfolgt sein. Das konventionelle Datum dafür ist 931/930 v. Chr.5 Anders als JoNes, geht Roger liebi von einer deutlich längeren Richterzeit aus und folgert entsprechend, dass der Auszug aus Ägypten bereits 1606 v. Chr. stattgefunden hätte.6 Warum wir die „lange Chronologie“ (wie sie im deutschsprachigen Raum derzeit von liebi vertreten wird) nicht für tragfähig halten, soll im Folgenden skizziert werden, wobei es im ersten Teil primär um die Chronologie der frühen Königszeit gehen soll. Im zweiten, nachfolgenden Teil soll auf die Datierung der Frühzeit Israels (Auszug, Landnahme und Richterzeit) eingegangen werden. Ein Grundansatz der oben genannten Autoren scheint zu sein, dass sie die chronologischen Angaben im Alten Testament höher gewichten als die bekannten Querverbindungen zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten (vor allem Assyrien und Babylon), die aus sekundären Quellen zu erschließen sind. Zur Begründung betonen sie, dass die diskutierten Belege aus späten Kopien des 7. Jhs. v. Chr. stammen und deshalb für den Zeitraum, den sie beschreiben, nur schwer überprüfbar sind. Hingegen sei der biblische Text als Heilige Schrift göttlich inspiriert. Was ist dazu zu sagen? Obwohl auch wir die biblischen Schilderungen als zuverlässig erachten und ihnen Priorität einräumen, halten wir den Verzicht auf bzw. die prinzipielle Abwertung anderer Quellen für wissenschaftlich nicht tragbar. Zum einen muss fairerweise betont werden, dass auch die Redaktion der Königsbücher spät ist, und dass der dafür verantwortlich Zeichnende (gemäß der jüdischen Überlieferung könnte es der Prophet Jeremia gewesen sein) im späten 7. und 6. Jh. v. Chr. lebte.7 Zum anderen ist es schlicht eine Tatsache, dass die Angaben der Regierungslängen der Könige Israels und Judas in den uns vorliegenden Bibelhandschriften des Masoretentextes und der griechischen Übersetzung, der Septuaginta (vor allem in der Variante des sog. „Old Greek Text“) inhaltlich teilweise stark voneinander abweichen, und dass sich im Laufe der Zeit zwischen ihnen einige nicht mehr lösbare Widersprüche eingestellt haben (vgl. dazu vor allem infra Anm. 5). Ist der biblische Text wirklich so über alle Kritik erhaben, dass für die Chronologiebildung auf außerbiblische Querverbindungen prinzipiell verzichtet werden kann, so stellt sich offenbar bereits zu Beginn die Frage, von welchem Text bzw. von welcher Textüberlieferung wir eigentlich reden. Aus diesen Gründen kann nach unserer Überzeugung – da befinden wir uns völlig im Einklang mit der Mehrheit der Bibelkundler – auf die Querverbindungen nicht verzichtet werden. Allerdings sind auch diese nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern kritisch zu hinterfragen. Das wollen wir im Folgenden tun. Ungeachtet einer großen Anzahl von Einzelfragen werden wir dabei zu dem Ergebnis kommen, dass der existierende, von thiele und gAlil vorgegebene chronologische Rahmen, weitgehend tragfähig ist. Die chronologischen Querverbindungen zwischen Israel und Assyrien stammen aus 165 dem 9. und 8. Jh. v. Chr., und zwar primär aus zeitgenössischen Annalen, die anhand einer gut fundierten neuassyrischen Chronologie verifiziert werden können. Letztere konnte mit Hilfe einer nahezu lückenlosen, bis auf das Jahr genauen Liste von Namen rekonstruiert werden. Diese Liste (es existieren mehrere Textfassungen von sog. “Eponymlisten und Eponymchroniken” aus dem 7. Jh. v. Chr.) dokumentiert zwischen 910-649 v. Chr. die Namen und Ereignisse unterschiedlicher Personen (Könige und Beamte) nach einem klar strukturierten Schema. Beispielsweise amtierte jeder König als Namensgeber in seinem ersten oder zweiten Regierungsjahr, während regelmäßig Generäle der Armee im 2. oder 3., Mundschenke im 3. oder 4., ... oder Gouverneure der Stadt Guzan (Tell Halaf in Nordsyrien) im 17. Jahr seiner Herrschaft amtierten.8 Mit Hilfe dieser Liste kann aufs Jahr genau rekonstruiert werden, bis wann bei- Abb. 1: Kurch-Monolit des Assyrerkönigs Salmanassar III. Die Stele erwähnt seinen Feldzug aus dem Jahre 853 v. Chr., als er bei Qarqar in Syrien auf Ahab von Israel und seinen Verbündeten traf. (Photo P. van der veen, mit freundlicher Genehmigung der British Museum Trustees in London) spielsweise König Ahab regiert haben muss. Die sog. Kurch-Stele (heute im Britischen Museum in London) berichtet, dass Ahab, „der Israelit“, im 6. Regierungsjahr König Salmanassars III. zusammen mit 11 levantinischen Verbündeten bei Qarqar in Nordsyrien gegen die Assyrer in den Krieg zog. Übertragen auf unseren heutigen (gregorianischen) Kalender und mit Hilfe der oben genannten Eponymliste ist es möglich, das 6. Regierungsjahr Salmanassars auf 853 v. Chr. festzulegen (Abb. 1).9 Damals amtierte der Turtan Dajan-Aschur als Eponymhalter.10 Im Gegensatz dazu datiert liebi das letzte Regierungsjahr Ahabs auf 897 v. Chr, also 40+ Jahre früher! Ein weiteres Beispiel: Aus den assyrischen Annalen wissen wir, dass der einige Jahre nach Ahab herrschende König Jehu von Israel im 18. Regierungsjahr Salmanassars III. (als Adadremanni Eponymhalter war) an Assyrien Tribut zahlte.11 Umgerechnet auf den heutigen Kalender wäre dies im Jahr 841 v. Chr. gewesen. Die neuassyrische Chronologie ist astronomisch fixiert. Anhand astronomischer Retrokalkulationen von Mond- und Sonnenfinsternissen (die heute sehr präzise über Computerprogramme wie Redshift Astronomy Software berechnet werden können) lassen sich die chronologischen Angaben der neuassyrischen Könige bis aufs Jahr genau verifizieren. Ein wichtiger Fixpunkt ist die Sonnenfinsternis aus dem Jahre 763 v. Chr., die in den Eponymlisten (belegt in den kritischen Textfassungen Cb1 und Cb2) im 9. Regierungsjahr des Königs Assurdan III. mit dem Vermerk überliefert wurde, dass sie sich „im Monat Siwan“ (d. h. von Mitte Mai bis Mitte Juni) ereignet habe, als Bursagille, Gouverneur von Guzan, als Eponymhalter amtierte, und als „in der Residenz ein Aufstand“ ausbrach.12 Auch mit weiteren Querverbindungen, beispielsweise mit der phönizischen Stadt Tyrus, setzen sich die oben genannten Autoren, wenn überhaupt, nur oberflächlich auseinander. So erwähnen beispielsweise die assyrischen Annalen einen König „Balimanzer“ von Tyrus, der ebenfalls 841 v. Chr. an Assyrien Tribut zahlte.13 Dieser König ist als „Balezeros“ (d. h. Bacalezer) aus den sog. Königsannalen von Tyrus bei Menander von Ephesus aus dem frühen 2. Jh. v. Chr. bekannt, sein Name wurde uns durch Josephus FlAvius überliefert.14 Bacalezer 166 war der Sohn des aus der Bibel bekannten Königs Iṭṭobacal, „des Sidoniers“ (1. Könige 16,31).15 Auch wenn man die chronologischen Angaben bei Josephus zweifellos kritisch zu beurteilen hat, scheinen sie den oben dargestellten chronologischen Rahmen doch im Allgemeinen zu bestätigen.16 Mit Hilfe von Königsnamen und Regierungslängen aus den tyrischen Königsannalen soll der aus der Bibel bekannte Hīrōm, ein Zeitgenosse Davids und Salomos, ungeachtet abweichender Regierungslängen zwischen den Textvarianten 155 Jahre und 8 Monate vor der Gründung Karthagos (im 7. Jahr des Pygmalion, des Königs von Tyros = 825 v. Chr.17) seine Herrschaft angetreten haben.18 Wenn diese Angabe stimmt (die Zahl basiert auf Textvariante „B“), wurde Hīrōm im Jahre 980 v. Chr. König. Zudem berichtet Josephus, dass der Baubeginn des salomonischen Tempels in Hīrōms 11. oder 12. Regierungsjahr stattfand, also im Jahre 969/968 v. Chr.19 Das Alte Testament informiert uns zudem in 1. Könige 6,1 darüber, dass der Bau im 4. Regierungsjahr Salomos begann. Dies würde bedeuten, dass sich das 11. bzw. 12. Regierungsjahr Hīrōms und das 4. Jahr Salomos überschnitten hätten.20 Indem die Vertreter der „langen“ Chronologie die Regierungszeiten der Könige Israels und Judas für gewöhnlich einfach addieren und sogar Zwischenzeiten interpolieren (um die Zeitspanne bis zum Fall Samarias 722/721 v. Chr. zu überbrücken), werden Koregentschaften, die bei thiele und gAlil an mehreren Stellen eine wichtige Rolle spielen21, weitgehend ausgeschlossen. Nimmt man die sekundären Quellen ernst, so trat Salomo seine Herrschaft um 970 (genauer im Jahre 972) v. Chr. an und nicht bereits vor 1000 v. Chr. Die Reichsteilung erfolgte etwa 30-40 Jahre später 22, also erst um 942/941 (gemäß dem „Old Greek Text“) oder um 930 v. Chr. (gemäß dem Masoretentext).23 2. Von Salomo zurück bis zum Auszug aus Ägypten Nach 1. Könige 6,1 soll Israel 480 Jahre vor dem 4. Regierungsjahr Salomos aus Ägypten ausgezogen sein. Der Exodus muss also gemäß der oben beschriebenen Berechnung um 1450/1449 v. Chr. stattgefunden haben. Manche Bibelkundler, u. a. Roger liebi, datieren das Ereignis jedoch deutlich früher, da, so ihre Argumentation, die zwischen Auszug/Landnahme und Königszeit liegende Richterzeit sonst zu kurz bemessen wäre. Sie argumentieren, dass man einen deutlich größeren Zeitraum herausbekäme, wenn man alle chronologischen Angaben im Buch der Richter (und zwar sowohl die Zeitspannen, während derer Israel von seinen Nachbarn unterdrückt war, als auch solche, zu denen die Richter im Amt waren) zusammenzählte. Dabei legen sie die Annahmen zugrunde, dass jeweils nur ein Richter/Befreier zur selben Zeit über ganz Israel geherrscht hat, und dass die jeweilige Bedrängnis stets alle Stämme betraf. Die Vertreter der Spätdatierung des Exodus sehen sich im Gegensatz dazu gezwungen, fast über die ganze Periode regional mehrere Richter gleichzeitig anzunehmen. Das Richterbuch und 1. Samuel 1-12 (vermutlich mit Ausnahme von Richter Kap. 3-5, s. u.) stützt das jedoch nicht. Vielmehr gewinnt man tatsächlich den Eindruck, dass Israel in der Regel jeweils von nur einem Richter geführt wurde. Wenn nicht ausdrücklich betont wird, dass sie auch anschließend als Richter amtierten, trifft das jedoch nicht gleichermaßen auf alle militärischen Befreier („Retter“) zu. Ein klares Beispiel dafür ist Samgar (Richter 4), von dem lediglich gesagt wird, dass er 600 Philister tötete und Israel befreite. Ähnlich wie liebi ging auch der jüdische Historiker Josephus FlAvius von einer deutlich längeren Periode der Richterzeit aus. Seiner Meinung nach dauerte die gesamte Periode zwischen dem Auszug und dem 4. Regierungsjahr Salomos über 600 Jahre.24 liebi schließt sich dem an und datiert den Exodus somit auf das Jahr 1606 und die Landnahme entsprechend auf 1566 v. Chr., also fast 160 Jahre früher als im vorliegenden Buch postuliert. Vom Richterbuch selbst wird eine so lange Zeitspanne jedoch nicht gestützt.25 Ganz im Gegenteil: Kapitel 11,26 gibt uns einen wichtigen Hinweis, wenn es vermerkt, wie lang die Periode zwischen dem Richtertum Jeftas und der Landnahme war, nämlich 300 Jahre: „Während Israel in Heschbon wohnte und in seinen Tochterstädten und in Aroer und 167 in seinen Tochterstädten und in all den Städten, die längs des Arnon <liegen>, dreihundert Jahre lang – warum habt ihr <sie uns> denn nicht in jener Zeit entrissen?“ Natürlich hilft uns diese Zeitspanne nur dann weiter, wenn wir wissen, wann Jefta gelebt hat. Dazu müssen wir die Zeitspannen der Richterzeit in einen chronologischen Rahmen einfügen, der mit den Angaben aus 1. Könige 6,1 und Richter 11,26 kompatibel ist. Darum soll es im folgenden Abschnitt gehen, wobei vorauszuschicken ist, dass eine solche chronologische Konstruktion eine Arbeitshypothese bleiben muss, da unser Wissen über diese „Zwischenzeit“ der Geschichte Israels äußerst begrenzt ist. Der chronologische Rahmen Vor dem Amtsantritt Salomos (der nach der Berechnung oben um 972 v. Chr. König wurde), soll sein Vater David etwa 40½ Jahre regiert haben, und zwar 7½ Jahre in Hebron und 33 Jahre in Jerusalem (2. Samuel 2,11; 5,4-5). Die Regierungslänge Ischboschets (Ischbaal) dauerte dagegen nur 2 Jahre (2. Samuel 2,8-10). Beide Herrscher traten nach dessen Tod die Nachfolge Sauls an (2. Sam. 2,1-11). Noch während David in Hebron regierte, wurde Ischboschet von seinen eigenen Offizieren getötet (Kap. 4,5-7), woraufhin die Herrschaft über ganz Israel David übertragen wurde. Zwar ist die genaue Zeitspanne zwischen dem Tod Sauls und der Krönung der beiden Thronprätendenten unbekannt, es ist aber anzunehmen, dass es sich allenfalls um wenige Wochen gehandelt hat. Vor den Ereignissen lag die Regentschaft Sauls. Was wissen wir über deren Länge? Nach Apostelgeschichte 13,21 (Predigt des Paulus in Antiochia) regierte Saul, wie später David und Salomo, 40 Jahre. Der Masoretentext in 1. Samuel 13,1 überliefert dem entgegen eine Zahl von lediglich 2 Jahren. Allerdings fehlt diese Angabe in allen griechischen Handschriften. Unglücklicherweise ist die Passage lückenhaft und es scheint so, dass Sauls Alter zur Zeit seiner Thronbesteigung irgendwann beim Kopieren der biblischen Handschriften verloren ging, weswegen der Text nur lückenhaft erhalten ist. Dennoch lässt die Formel „Saul war ... Jahre, als er König wurde; und er regierte 2 Jahre über Israel“ erahnen, dass wir es hier vermutlich mit einer sehr alten Information zu tun haben, die auf eine antike Eintragung in den Königsannalen zurückgehen könnte.26 Auch wenn das Gros der Bibelkundler diese Zahl für zu niedrig hält, scheint sie mit den 480 Jahren in 1. Könige 6,1 durchaus kompatibel zu sein, so dass man zumindest davon ausgehen muss, dass man sie im alten Israel wenigstens zeitweise akzeptiert hat. Ausgehend vom Jahr 1 Salomos, 972 v. Chr., erhielten wir somit ein Datum von 1015/1014 v. Chr. für das erste Regentschaftsjahr Saul s. Obwohl Samuel erst während Sauls Regierung starb, markieren diese Jahre das Ende der Richterzeit, die sich damit zwischen ca. 1410/1409 und 1015/1014 v. Chr. erstreckt haben müsste. Da Jefta sein Amt 300 Jahre nach der Landnahme ausübte, müssen wir seine sechsjährige Amtszeit als Richter deshalb ca. 100 Jahre vor Saul ansetzen. Wie im Folgenden gezeigt werden soll, lassen sich die unabhängigen Angaben im Richterbuch im Rahmen einer 355-jährigen Richterzeit (= 395-40 Jahre für die Generation Josuas nach der Landnahme) gut erklären, auch wenn die Rekonstruktion, wie oben erwähnt, eine Arbeitshypothese bleiben muss. 1410-1322 v. Chr.: von der Landnahme bis zum Tode Otniels Josua soll nach einer fast dreißigjährigen Periode nach Eroberung und Landverteilung im Alter von 110 Jahren gestorben sein (Josua 24,29). Ausgehend von einer Landnahme um 1410 v. Chr., muss Josuas Tod ungefähr auf das Jahr 1380 v. Chr. datiert werden.27 Nach einer Zeitspanne von weiteren 10 Jahren, während der weitere Zeitgenossen Josuas starben (Richter 2,10), rebellierte Israel gegen Jahwe und wurde daraufhin 8 Jahre lang von Kuschan-Rischataim von Aram-Naharaim unterdrückt (Richter 3,7-11). Obschon es sich bei diesem Gewaltherrscher um einen aus dem nordwestmesopotamischen Raum stammenden Großkönig zu handeln scheint, gelingt es nicht, ihn mit einem bekannten Monarchen 168 aus dieser Region zu identifizieren; vielleicht deshalb, weil sein eigentlicher Name durch ein Namensspiel (der Name bedeutet auf Hebräisch soviel wie „der doppeltböse Kuschiter“ oder „der doppeltböse Kuschan“) fast unkenntlich gemacht wurde. Israels Unterdrückung wurde von Kalebs Neffen Otniel aus Juda beendet, der bereits im Buch Josua unter den Teilnehmern an der Landnahme erwähnt wird (Josua 15,13-19). Otniel starb offenbar gegen Ende der darauffolgenden 40-jährigen Ruhezeit, ca. 1322 v. Chr. 1322-1225 v. Chr.: von der Unterdrückung durch Moab bis zum Ende des Richteramts unter Debora und Barak Offenbar markierte der Tod Otniels einen neuen Wendepunkt, zu dem das Volk erneut abtrünnig wurde. Daraufhin soll es 18 Jahre lang von den Moabitern und ihren Verbündeten unterdrückt worden sein, bis Israels zweiter Richter, Ehud aus Benjamin, die Stämme wieder von der Fremdherrschaft befreite. Die darauffolgende Ruhezeit soll nicht weniger als 80 Jahre gedauert haben (Richter 3,12-30). Dies ist bei weitem die längste Ruheperiode der gesamten Richterzeit, da vergleichbare Phasen sonst mit 40 Jahren gerade einmal halb so lang währten. An diesem Punkt ist der Fortgang der Geschichte im Richterbuch unklar. Der nächste Retter, Schamgar, trat unbestimmt im Anschluss an Ehud auf, was bedeuten kann, dass er entweder bereits während Ehuds späterer Amtsausübung aktiv wurde, oder dass sein Auftreten später – lange nach Ehud – begann. Ähnlich wie später Simson soll er 600 Philister mit einem einzigen Viehtreiberstock getötet haben (Richter 3,31). Es gibt keine Aussage darüber, wie lange die durch ihn bewirkte Befreiung andauerte. Auch scheint er nicht das Amt des Richters innegehabt zu haben.28 Der Text wechselt im Anschluss an sein Auftreten in Kapitel 4,1 zurück zu Ehud und erwähnt erst jetzt dessen Tod. Nach erneutem Ungehorsam des Volkes wird berichtet, dass nach Ehuds Tod der Norden Israels durch Jabin von Hazor und dessen Hauptmann Sisera 20 Jahre lang unterdrückt wurde (Richter 4,1-3). Die Frage, ob Ehud erst nach den 80 Jahren oder bereits während dieser sehr langen Periode starb, lässt der Text offen. Es kann nicht ausge- schlossen werden, dass das Südland auch nach Ehuds Tod von weiteren Angriffen verschont blieb. Auch wenn es nur eine Vermutung ist, könnten die Unterdrückung im Norden und das anschließende Richteramt unter Debora und Barak chronologisch mit der zweiten Hälfte der 80-jährigen Ruhe im Süden überlappt haben. Die Ruhezeit im Norden dauerte nämlich „nur“ 40 Jahre an (Kap. 5,31b). Eine solche Erklärung stünde in jedem Fall im Einklang mit dem chronologischen Gesamtgerüst der Periode. Deutlich überschaubarer ist die Beschreibung der Periode nach Debora und Barak, deren chronologische Angaben sich ebenfalls gut ins Gesamtschema einfügen (vgl. Tafel 1). 1225-1177 v. Chr.: von der Unterdrückung durch Midian bis zum Tode Gideons Im Anschluss an die 80 Jahre Ruhezeit im Süden und die 40 Jahre Ruhezeit im Norden wurde das zentrale Hügelland über 7 Jahre lang von den Midianitern unterdrückt, bis es unter Gideon die Freiheit zurückerlangte (Richter 6,1-2). Die neuerliche Ruhezeit währte 40 Jahre (Kap. 8,28). Gideon wäre somit um 1177 v. Chr. verstorben. 1177-1174 v. Chr.: die Königsherrschaft Abimeleks von Sichem Auf die Richterzeit Gideons folgte die Schreckensherrschaft seines Sohnes Abimelek, der als erster König Israels (also noch vor Saul) drei Jahre lang in Sichem regierte. 1174-1129 v. Chr.: die Richter Tola und Jair Nach Abimelek wurde Israel von zwei Richtern geführt, die ihr Amt insgesamt 45 Jahre lang innehatten (Kap. 10,1–5). 1129-1105 v. Chr.: von der Unterdrückung durch Ammon bis zum Tode Jeftas Nach Jair wurde das Volk 18 Jahre lang von den Ammonitern unterdrückt, bis es Jefta aus deren 169 Hand befreite und danach selbst sechs Jahre lang das Amt des Richters ausübte. Seine Amtszeit muss somit um 1105 v. Chr. zu Ende gegangen sein. Wenn diese Rekonstruktion zutrifft, ist Jefta tatsächlich um 1111/1110 v. Chr., also ziemlich exakt 300 Jahre nach der Landnahme im Jahre 1410 v. Chr., Richter geworden. 1105-1015 v. Chr.: von der Unterdrückung durch die Philister bis zur Krönung Sauls Auf Jefta folgten die Richter Ibzan aus Bethlehem, Elon aus Zebulon und Abdon aus Piraton während einer Gesamtperiode von nur 25 Jahren (Kap. 12,8-15), also bis ins Jahr 1080 v. Chr. Diese Periode dürfte mit der Priesterschaft Elis in Silo (1. Samuel 1-4) überlappt haben. Nach Abdon wurde Israel 40 Jahre lang von den Philistern unterdrückt, eine Periode, die sich mit den Schicksalsjahren Elis und seiner Söhne deckt (1. Samuel 4,1-22). Beide Richter, Simson und Samuel, kämpften gegen die Philister. Während Simsons Amtszeit am Ende wegen seines eigenen Ungehorsams scheiterte, war Samuels Amtszeit offenbar von Erfolgen gegen die Philister gekrönt (1. Samuel 7,14). Es scheint so, dass erst unter seiner Führung die 40-jährige Unterdrückung ein Ende fand (1. Samuel 7,12-13). Das wäre um 1040 v. Chr. gewesen. Ähnlich deutet auch JoNes die Situation.29 Samuel scheint nach der Schlacht bei Eben-Ezer noch 25 Jahre lang das Richteramt ausgeübt zu haben, bis das Volk einen König verlangte. Saul muss somit um 1015 v. Chr. König von Israel geworden sein (1. Samuel 8), was tatsächlich auf eine Gesamtlänge seiner Regierung von nur 2 Jahren schließen lässt. Auch Saul sollte den Kampf gegen die Philister aufnehmen, dabei jedoch scheitern. Eine zusammenfassende Darstellung des chronologischen Gerüsts der Richterzeit findet sich in Tafel 1. Tafel 1: Der chronologische Rahmen vom Auszug aus Ägypten bis zum 4. Regierungsjahr Salomos nach 1. Könige 6,1 und Richter 11,26. v. Chr. 1450-1410 1410-1380 1380-1370 1370-1362 1362-1322 1322-1304 1304-1224 1282-1262 1262-1224 1224-1217 1217-1177 1177-1174 1174-1151 1151-1129 1129-1111 1111-1105 1105-1098 1098-1088 1088-1080 1080-1060 1060-1014 1015-1013 1013-1011? 1013-972 972-942/32 Retter/Richter Weitere Führungsgestalten Unterdrückung Mose Josua Aram: 8 Jahre Othniel Ehud Samgar Debora/Barak Gideon Tola Jair Jefta Ibzan Elon Abdon Simson Samuel Moab: 18 Jahre Jabin: 20 Jahre Midian: 7 Jahre Abimelek Ammon: 20 Jahre Eli (bis 1060) Saul Ischbaal David Salomo Philister: 40 Jahre (2 x 20 Jahre) Friedenszeit Interregnum 40 Jahre 80 Jahre (2 x 40) 40 Jahre 40 Jahre 6 Jahre (ca. 25 Jahre) 170 Quellen und Anmerkungen zum Anhang 1 2 3 4 5 E. thiele, 1983. The Mysterious Numbers of the Hebrew Kings, Grand Rapids MI und G. gAlil, 1996. The Chronology of the Kings of Israel and Judah, Leiden. Hinsichtlich einer allgemeinen Einleitung zur Chronologie des Alten und Neuen Testaments: P.G. vAN der veeN, 2003. Chronologie. In: O. betZ et al. (Hrsg.), Calwer Bibellexikon, Band 1, Stuttgart, S. 222-224. F.N. JoNes, 1993. The Chronology of the Old Testament, Green Forest AR; M.C. tetley, 2005. The Reconstructed Chronology of the Divided Kingdom, Winona Lake IN. Für liebis Chronologie, s. https:// www.rogerliebi.ch/content/biblische-chronologieund-heilsgeschichte. Da tetley sich lediglich mit den getrennten Königreichen Israel und Juda befasst hat, kann man nur mutmaßen, wann sie Jahr 1 von Salomo datiert. Sie legt die Reichstrennung in das Jahr 981 v. Chr., was bei einer 40-jährigen Regentschaft Salomos bedeuten würde, dass er um 1020 v. Chr. den Thron bestiegen hätte. Dazu tetley [2], S. 182. Für eine weniger drastische Verlängerung, siehe J. oNstott, 2014. YHWH Exists, Band 1, Baton Rouge LA, Kapitel 9. Das bedeutet allerdings nicht, dass die von thiele und gAlil favorisierte Jahreszahl 931/930 v. Chr. für die Reichsteilung in Stein gemeißelt wäre. In der deutschsprachigen Literatur wird oft ein geringfügig späteres Datum – 927/926 v. Chr. – favorisiert: A. JepseN und R. hANhArt, 1964. Untersuchungen zur israelitisch-jüdischen Chronologie, Berlin, S. 42-43. Andererseits wäre auch eine etwas höhere Jahreszahl möglich. Basierend auf höheren Regierungslängen im „Old Greek Text“ könnte die Reichsteilung bereits um 942/941, spätestens aber um 937 v. Chr., erfolgt sein. So hätte Jerobeam I. (von Israel) anstatt 22 in Wirklichkeit 24 Jahre, Abijam (von Juda) anstatt 3 ganze 6 Jahre und Zimri (von Israel) anstelle von 7 Tagen 7 Jahre regiert. Auch die Synchronisierung zwischen den beiden Königreichen weicht im altgriechischen Text in der relevanten Periode vom Masoretentext deutlich ab. So wurde Asa (von Juda) nicht im 20. Regierungsjahr Jerobeams I. König, sondern erst in dessen 24. Regierungsjahr. Die Vorstellung, nur der Masoretentext sei maßgeblich, wäre freilich zu einfach. James sheNkel hat richtig festgestellt, dass die genannten Unterschiede bereits früh existiert haben dürften: „… it is now evident that the Old Greek chronology, far from being an artificial contrivance of late scribal activity, was the earliest chronology of the Greek textual tradition and was already present in the Hebrew Vorlage of the earliest translation of the Books of Kings.“ J.D. sheNkel, 1968. Chronology and Recensional Development in the Greek Text of Kings, Cambridge M, S. 110. Hinsichtlich einer umfassenden Besprechung der Quellen, s. J. hughes, 1990. Secret of the Times: 6 7 8 Myth and History in Biblical Chronology. Journal for the Study of the Old Testament Supplement Series (JSOTSup) 66, Sheffield, hinsichtlich einer Übersetzung der relevanten Passagen in den altgriechischen Handschriften vgl. A. pietersMA und B.G. wright (Hrsg.), 2007. A New English Translation of the Septuagint: A New Translation of the Greek into Contemporary English: An Essential Resource for Biblical Studies, Oxford, S. 297-318. Um dieses frühe Datum zu erreichen, setzt er allein für die Richterzeit fast 500 Jahre an. Dabei interpretiert er die Angabe in 1. Könige 6,1 (dass die Periode zwischen dem 4. Regierungsjahr Salomos und dem Auszug aus Ägypten „nur“ 480 Jahre gedauert habe) künstlich um, indem er argumentiert, dass bei den 480 Jahren die verlorene Zeit der Gewaltherrschaft bewusst ausgelassen wurde. Diese Behauptung ist exegetisch nicht nachvollziehbar. JoNes dagegen datiert den Auszug auf 1491 v. Chr. und akzeptiert die 480 Jahre als legitimes Abstandsdatum. Bezüglich der 480 Jahre vgl. auch R. youNg, 2003. When Did Solomon Die? Journal of the Evangelical Theological Society (JETS) 46:4, S. 599-603; zudem P. vAN der veeN, 2013. Begründung eines Aufenthalts der Israeliten in Ägypten von nur 215 Jahren. In: P. vAN der veeN und U. Zerbst, Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren der Erzväter und des frühen Israel, Holzgerlingen, S. 253-258. Dazu beispielsweise H. sChMidt, 2000. Das erste Buch der Könige. Wuppertaler Studienbibel. Wuppertal, S. 48. A. MillArd, 20142 (Nachdruck). The Eponyms of the Assyrian Empire 910-612 B.C. State Archives of Assyria Studies (SAAS) 2. Winona Lake, S. 6-11; vAN der veeN und Zerbst [6], S. 52. Dies bedeutet nicht, dass alle Ungereimtheiten in der Eponymliste geklärt wären. Versuche, größere Lücken im relevanten Abschnitt nachzuweisen, sind jedoch bisher gescheitert. So hat tetley zwar aufzeigen können, dass es einige Unregelmäßigkeiten während der Regentschaft Adadniraris III. gibt, ihre These, dass hier 22 Eponyme (und somit 22 Jahre) fehlen würden, konnte sie jedoch nicht erhärten. tetley [2], S. 137-176. Newgrosh betont, dass es schwer zu erklären ist, wieso diese Namen in allen uns vorliegenden Textvarianten fehlen sollten: B. Newgrosh, 2007. Chronology at the Crossroads: The Late Bronze Age in Western Asia, Leicester, S. 155. Ähnlich dazu auch J.A. briNkMAN, 1978. A Further Note on the Date of the Battle of Qarqar and Neo-Assyrian Chronology. Journal of Cuneiform Studies (JCS) 30:3, S. 173-175; B. kolberg, 2010. Redating the Hebrew Kings, Brisbane, E-Book, S. 267. Ungeachtet all dessen darf man die noch verbleibenden Ungereimtheiten in den Textvarianten der Eponymliste nicht einfach außer Acht lassen, wie John briNkMAN, 1999, zurecht in seiner Rezension zu MillArds Buch betont: Journal of Near Eastern Studies (JNES) 58, S. 53-54. Auch kolberg verweist 171 9 10 11 12 13 14 15 auf einen Bruch in der Liste zwischen 770 und 769 v. Chr. („an unexpected break in the office-bearer titles“), was auch immer dies für die neuassyrische Chronologie bedeuten mag. Dazu kolberg [8], S. 268. Zu den Synchronismen zwischen Israel/Juda und Assyrien, s. a. vAN der veeN [1], S. 223. Wegen der Erwähnung eines zusätzlichen Eponymhalters („Balatu“) für das Jahr 787 v. Chr. in der kritischen Textfassung Ca3 (dieser Eponymhalter kommt jedoch nicht in allen Vorlagen vor), könnte sich das 6. Jahr Salmanassars III. u. U. auf 854 v. Chr. nach oben verschieben (auch so bei thiele [1], S. 72-76), eine Überlegung, die jedoch von den meisten Assyriologen heute nicht mehr favorisiert wird. Dazu spezifisch: briNkMAN, 1978 [8], S. 175; kolberg [8], S. 16, 266-287. J. pritChArd, 1969. Ancient Near Eastern Texts, Princeton, S. 279. Ibid., S. 280. MillArd [8], S. 2, 58. Bruno kolberg betont zudem, dass das Datum der Sonnenfinsternis von weiteren Chroniken, wie der Babylonischen Chronik (BM 92502), der Babylonischen Königsliste (pritChArd [10], S. 272) und der sog. Esarhaddon-Chronik (BM 25091), untermauert wird. Dazu kolberg [8], S. 27. Vgl. J. kAh-JiN kuAN, 1995. Neo-Assyrian Historical Inscriptions and Syria-Palestine, Hongkong, S. 61-62. Contra Apion 1.116-119, 121-125, 156-158; Altertümer 8.144-149, 324; 9.284-287. Josephus verweist zudem auf einen gewissen dios, der sich bereits vor ihm auf die Liste bezogen habe, vgl. Altertümer 8.147. Dazu auch D. MeNdels, 1987. The Land of Israel As a Political Concept in Hasmonean Literature, Tübingen, S. 136. Hinsichtlich einer kritischen Beurteilung vgl. A. greeN, 1983. David’s Relations with Hiram: Biblical and Josephan Evidence for Tyrian Chronology. In: C.L. Meyers und M. o’CoNNor (Hrsg.), The Word of the Lord Shall Go Forth: Essays in Honor of David Noel Freedman in Celebration of His Sixtieth Birthday, Winona Lake IN, S. 373-397; N. kokkiNos, 2013. The Tyrian Annals and Ancient Greek Chronography. Scripta Classica Israelica (SCI) 32, S. 21-66. kokkiNos behauptet, dass Menander seine Informationen vom früheren Autor hieroNyMus („dem Ägypter“) übernommen habe, der die Königsannalen von Tyros im 6. Jh. v. Chr. ins Griechische übersetzt haben soll. Für eine detaillierte Besprechung der abweichenden Regierungslängen in den verschiedenen Handschriften der Königsannalen von Tyros, s. kolberg [8], S. 338-351, hinsichtlich einer kritischen Beurteilung der relevanten Quellen bei Josephus, vgl. vor allem J. dAChhorN, 2008. Die von Josephus in C 1:113-115.117-125 und 156-158 zitierten Quellen zur phönizischen Geschichte, Anhang III. In: F. siegert (Hrsg.), Flavius Josephus: Über die Ursprünglichkeit des Judentums – Contra Apionem, Band 2, Göttingen, S. 49-57. 16 Mehrere Punkte sprechen für die Authentizität der Liste, z. B. die phönizischen Wiedergaben der Königsnamen in gräzisierter Form. Wichtiger noch erscheint das Vorkommen mehrerer Königsnamen aus Menanders Liste in zeitgenössischen Quellen. Ein Beispiel ist Ελυλαιος von Tyros [Altertümer 9.283-287], der als ILu-li-i von Tyros und Sidon [ca. 725-695 v. Chr.] in den assyrischen Annalen des Sanherib vorkommt (pritChArd [10], S. 287). Zudem soll erneut auf Βαλεζερος [846-841 v. Chr.] verwiesen werden, der als IBa-li-ma-AN-zēr [Baalmazzer] in den Annalen Salmanassars III. auftaucht. Auch andere Könige in der Liste, z. B. aus der Zeit der babylonischen Herrschaft, sind aus zeitgenössischen Quellen bekannt (vgl. Contra Apion 1.21). Zudem ist Πυγμαλιων [831-785 v. Chr.] zu erwähnen, der mit seinem vollen Namen pygmlyn auf einem Goldmedaillon aus Karthago und unter seinem Kurznamen pmy auf dem Norastein aus Zypern um 800 v. Chr. belegt ist. Ausgehend von einer niedrigeren Datierung der Eisenzeitfunde, dürften auch weitere Monarchen auf frühalphabetischen Pfeilspitzen aus dem Libanon belegt sein: Αστρατος als cštrt, Αβδαστρατος als cbdy, und vielleicht noch Sicherbas (bekannt aus der Aeneis des vergil und vermutlich aus dem älteren Werk des tiMAeus). Letzterer, der als reicher Patrizier, Hohepriester des Herakles (Melqart) und Ehemann der Dido (Elissa), der Schwester Pygmalions und Tochter des Ματγηνος (= König Mattan I. von Tyros) in die Geschichte einging, dürfte auf den Pfeilspitzen in der Gestalt des „Zakarbacal von Amurru“ wie auch in der ägyptischen Erzählung des Wenamun (aus der 21. oder frühen 22. Dynastie) wiederzuerkennen sein. Zudem ist zu überlegen, ob nicht auch der Usurpator Φελλης in der Gestalt des in jüngster Zeit emendierten Namens Pilles. bacal auf dem Sarg Aḥīrōms aus Byblos belegt sein könnte; dazu: F.M. Cross, 1972. The Nora Inscription. Orientalia 41, S. 457- 468; Ph. sChMitZ, 2008. Deity and Royalty in Dedicatory Formulae: The Ekron Store-Jar Inscription Viewed in the Light of Judges 7:18, 20 and the Inscribed Gold Medallion from the Douïmès Necropolis at Carthage (KAI 73). Maarav 15:2, S. 165-173; P.G. vAN der veeN, 2015. Early Iron Age Epigraphy and Chronological Revision: A Summary Article. In: P. JAMes und P.G. vAN der veeN (Hrsg.), Solomon and Shishak: Current Perspectives from Archaeology, Epigraphy, History and Chronology. Proceedings of the Third BICANE Colloquium Held at Sidney Sussex College, Cambridge 26-27 March, 2011, BAR International Series 2732, Oxford, S. 190-198. Zum Namen Sicherbas als Zakarbaal, s. D. hoyos. The Carthaginians, E-Book, S. 23. Zum Namen Pilleṣbacal, s. R.G. lehMANN, 2015. Wer war Aḥīrōms Sohn (KAI 1:1): eine kalligraphisch-prosopographische Annäherung an eine epigraphisch offene Frage. In: V. goliNets et al. (Hrsg.), Neue Beiträge zur Semitistik: Fünftes Treffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der 172 17 18 19 20 Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 15.-17. Februar 2012 an der Universität Basel. Alter Orient und Altes Testament (AOAT) 425, Münster, S. 163–180. Hinsichtlich einer Liste von Belegen in zeitgenössischen Quellen, s. Ph. J. boyes, 2012. „The King of the Sidonians”: Phoenician Ideologies and the Myth of the Kingdom of Tyre-Sidon. Bulletin of the American Schools of Oriental Research (BASOR) 365, S. 33-44. Die meisten Wissenschaftler datieren jedoch das 7. Regierungsjahr Pygmalions auf 814 v. Chr., wodurch sich das Datum des Tempelbaus um weitere 11 Jahre nach unten verschieben würde. kokkiNos datiert die Gründung Karthagos sogar auf 808/807 v. Chr. Dazu kokkiNos [15], S. 60. Auch wenn er dafür textliche Belege gefunden haben mag, weicht seine Chronologie nach unserer Ansicht zu stark von der biblischen Chronologie ab, um sie akzeptieren zu können. Nach kokkiNos‘ Chronologie soll Salomo erst um 945 v. Chr. König geworden sein, was deutlich zu spät ist. Eine detaillierte Besprechung seiner Chronologie würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen. Contra Apion 1.18. Contra Apion 1.109. Zudem beschreibt CleMeNs voN AlexANdrieN im späten 2. Jh. n. Chr., dass Hīrōm, nach der Ankunft des Menelaos (König von Sparta und Bruder des Agamemnon zur Zeit des trojanischen Krieges) in Phönizien, seine Tochter mit Salomo verheiratete (Stromateis 1.21). Nach kokkiNos soll bereits hekAtAios voN Milet im späten 6. Jh. v. Chr. die Geschichte gekannt haben, so dass die Überlieferung sehr alt sein dürfte. Vgl. kokkiNos [15], S. 45, 53. Nach MANethos Aegyptiaca (in Num Euseb. 835 überliefert) soll Menelaos auf der Suche nach seiner Gattin Helena danach weiter nach Ägypten gezogen sein, wo er auf König Thuoris traf (d. i. die Pharaonin Tawosret der späten 19. Dynastie). Obwohl etliche Geschichtsschreiber während der hellenistischen Zeit ähnlich wie auch heute ein deutlich früheres Datum für den Fall Trojas ansetzen, gab es offensichtlich bereits um die Mitte des 1. Jts. v. Chr. Vertreter einer ca. 200 Jahre kürzeren („revidierten“) Chronologie, nach der sich der Fall Trojas während der Regierung Hīrōms (Salomos, und der Tawosrets) im 10. Jh. v. Chr. ereignet hätte. Dass Erinnerungen an den trojanischen Krieg in den eisenzeitlichen Städten der Levante tatsächlich wachgehalten wurden, wird durch eine in phönizischer und hethitischer Sprache verfasste Inschrift aus Karatepe in der Südost-Türkei bestätigt. Sie nennt einen gewissen mpš als Dynastienbegründer des kilikischen Adana. Dieser Mopsos wurde in den Sagen als Feind Trojas aus Achaia geschildert, der Städte in Kilikien gründete. Dazu M.C. Astour, 1967. Hellenosemitica, Leiden, S. 53-69. Ebenfalls dazu: D. siMoN, 2015. Where Did the Kings of Danuna of EA 151 Rule? In: J. Myrářová et al. (Hrsg.), There and 21 22 23 Back Again: The Crossroads II. Proceedings of an International Conference Held in Prague, September 15-18, 2014, Prague, S. 391- 408. Der Autor möchte sich bei Peter JAMes für diesen hilfreichen Hinweis bedanken. Zu den Koregentschaften, s. auch youNg [6], S. 596-599. tetley ist sicherlich zuzustimmen, dass einige Koregentschaften bei thiele und gAlil nicht unbedingt der historischen Wirklichkeit entsprechen müssen, da sie lediglich ein Produkt der abweichenden Angaben in den vorliegenden Handschriften sind (vgl. z. B. die Angaben zum Amtsantritt König Omris im Masoretentext von 1. Könige 16,15-28 und in den abweichenden altgriechischen Handschriften). tetley [2], S. 108. Jede chronologische Konstruktion kann somit nur eine Arbeitshypothese bleiben, die anhand unabhängiger Angaben aus den sekundären Quellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden muss. Nach 1. Könige 11,42 regierte Salomo, wie bereits sein Vater David, 40 Jahre lang über das ungeteilte Königreich Israel. Diese Zahl ist jedoch möglicherweise als „runde Zahl“ zu verstehen. Anders als bei David (von dem spezifisch gesagt wird, dass er 7,5 Jahre in Hebron und 33 Jahre in Jerusalem regierte, 2. Samuel 5,4-5) existieren keine biblischen Belegstellen, die präzisieren, wie lange Salomo genau regiert hat. Auf der Basis der uns zur Verfügung stehenden Angaben zu seinen politischen Errungenschaften und seinen Bauunternehmungen aus dem 1. Königsbuch kann lediglich gefolgert werden, dass seine Regentschaft mindestens 30 Jahre gedauert haben muss. Die Datierung der Reichsteilung wird oft mit einem weiteren Synchronismus in Verbindung gebracht, nämlich dem des Pharaos Schischak, der nach 1. Könige 14,25 im 5. Regierungsjahr Rehabeams Tempel- und Palastschätze plünderte und seinem Reich nach 2. Chronik 12,1-9 die Festungen Judas einverleibte. Dieser König wird üblicherweise mit dem Begründer der libyschen 22. Dynastie, Schoschenk I. (ca. 946-925 v. Chr.), gleichgesetzt. Der von ihm nach Palästina geführte Feldzug (dargestellt auf dem Bubastidenportal in Karnak) wird von vielen Ägyptologen in dessen 21. Regierungsjahr verortet, das damit wie das 5. Regierungsjahr Rehabeams auf ca. 925 v. Chr. datiert. Wie an anderer Stelle dargelegt, ist die Datierung Schoschenks aus ägyptischen Quellen und Synchronismen jedoch keineswegs gesichert: P. JAMes und P.G. vAN der veeN, 2015. When did Shoshenq I Campaign in Palestine? In: JAMes und vAN der veeN [16], s. 127-136. Im gleichen Band, s. a.: R. Morkot und P. JAMes. From Shoshenq V back to Shoshenq I: DeadReckoning the Start of the 22nd Dynasty, S. 20-41 und A. thiJs. From the Lunar Eclipse of Takeloth II back to Shoshenq I and Shishak, S. 42-60. Wie immer man Schoschenk I. ansetzt, seine Datierung in die 2. Hälfte des 10. Jh. v. Chr. basiert nicht auf 173 24 25 26 27 ägyptischen Angaben, sondern auf dem biblischen Datum für Schischak! Alternativ setzen die meisten Vertreter des sog. BICANE-Forums den biblischen Schischak mit Ramses III. gleich, der in seinem 12. Regierungsjahr einen Feldzug nach Palästina leitete. Beispielsweise: J. biMsoN, 2015. Ramesses III as Biblical Shishak? Some Notes on the Archaeological Evidence. In JAMes und vAN der veeN [16], S. 98-116 und P. JAMes, im Druck. The Levantine War-Records of Ramesses III: Changing Attitudes, Past, Present and Future. Antiguo Oriente. W. whistoN, 1981. Josephus – Complete Works, Grand Rapids MI, S. 684. JoNes [2], S. 85-87. Es kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich die zweijährige Herrschaft Sauls lediglich auf die Periode nach Samuels Tod bezieht, als Saul ohne Samuels Rat auskommen musste. Da Sauls Herrschaft sich schließlich als unwürdig erwies, könnte die Gesamtlänge seiner Regierung bewusst „gekürzt“ worden sein, indem man die Zeit vor Samuels Tod der Richterzeit zuschlug, weil Samuel im Gegensatz zu Saul der einzig Würdige, von Gott „Erbetene“ (hebr. š’wl) war (1. Samuel 1,20). Auch dies muss natürlich eine Vermutung bleiben. Nach Josua 14,7 u. 10 war Kaleb 40 Jahre alt, als Mose Josua und Kaleb – etwa zwei Jahre nach dem Auszug (vgl. 4. Mose 10,11) – ins Land schickte, um es zu erkunden. Später wird gesagt, dass er 85 Jahre alt war, als das Land verteilt wurde (Josua 14,10). Es wird oft angenommen, dass Josua und Kaleb etwa gleich alt gewesen sein müssen. Da die gesamte Wüstenzeit etwa 40 Jahre angedauert hat (5. Mose 1,3), scheint die Eroberungsperiode ca. 5 Jahre umfasst zu haben. Nach Seder olAM soll Josua 28 Jahre nach dem Abschluss der Eroberung Kanaans gestorben sein, vgl. JoNes [2], S. 90. Dies 28 29 ist jedoch eine Vermutung. Dagegen wird von manchen Bibelkundlern behauptet, Josua wäre zur Zeit der Landnahme nur 60 Jahre alt gewesen, weshalb das Datum seines Todes 20 Jahre später gewesen wäre. Diese Überlegung stützt sich vor allem auf den Gedanken, dass Josua entsprechend den Texten ein junger Mann war, als er Mose am Berg Horeb begleitete (2. Mose 33,11). Beispielsweise E.A. sChAtZ, 2013. The Length of the Rule of Joshua and the Periods of Subjugation in the Book of Judges. Jewish Bible Quarterly (JBQ) 41:1, S. 33-34. Die Wiedergabe des Textes ist jedoch unsicher, da der hebräische Begriff n‘r eine Reihe weiterer Bedeutungen hat, wie aus etlichen altorientalischen (u. a. auch hebräischen) Inschriften abgeleitet werden kann. Er bezieht sich längst nicht immer auf das Alter einer Person, sondern wird davon unabhängig auch für die gesellschaftliche Stellung verwendet, z. B. für die eines „Verwalters“, „Edelknechts“ oder „Schildknappen“. Dazu N.S. Fox, 2000. In the Service of the King: Officialdom in Ancient Israel and Judah, Cincinatti, S. 182-191. Dass der Begriff auch für „Elitesoldaten“ gebraucht wurde, wird u. a. aus den Inschriften Ramses II. deutlich, wo ihm „Nearin“ als erfahrene Krieger bei Kadesch zur Seite standen. Dazu gArdiNer: A. gArdiNer, 1975. The Kadesh Inscriptions of Ramesses II, Oxford, S. 37. Die Bedeutung eines „Verwalters“ einerseits und eines „Elitekämpfers“ andererseits passt gut zur Stellung Josuas als erfahrener Soldat bereits kurz nach dem Auszug (2. Mose 17,8-16) und als rechte Hand Moses. Ähnlich könnte auch der Hinweis auf Josua in 4. Mose 11,28 zu verstehen sein, wo hebr. bah.ūr auch mit „Gewählter“ oder „Krieger“ übersetzt werden kann. whistoN [24], S. 684. JoNes [2], S. 82-85.