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Deutsch als Fremd- und Fachsprache in Australien und Neuseeland

2024, Handbuch Deutsch als Fach- und Fremdsprache. Ein aktuelles Handbuch zeitgenössischer Forschung

https://doi.org/10.1515/9783110690279-060

Das vorliegende Kapitel widmet sich dem Lehren und Lernen des Deutschen als Fremd- und Fachsprache (DaFF) in Australien und Neuseeland. Vor dem Hintergrund sprachpolitischer, geopolitischer, sozioökonomischer und einwanderungsbedingter Einflussfaktoren, die das Fremdsprachenlernen in der maritimen Pazifikregion wesentlich mitbestimmen, wird der gegenwärtige Diskussions- und Entwicklungsstand zu DaFF überblicksartig nachgezeichnet. Die institutionellen und curricularen Rahmenbedingungen des DaF-Unterrichts im Kontext von Schule, Hochschule und Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie gegenwärtige Herausforderungen in diesen Bereichen bilden die Schwerpunkte der Betrachtungen. Weiterhin wird auf aktuelle Tendenzen im Bereich Deutsch als Fachsprache im Rahmen des Studiengangs German (Studies) eingegangen. Abschließende Beobachtungen und Überlegungen zur künftigen Entwicklung von DaFF in Australien und Neuseeland runden den Beitrag ab.

Handbuch Deutsch als Fachund Fremdsprache Ein aktuelles Handbuch zeitgenössischer Forschung Herausgegeben von Michael Szurawitzki und Patrick Wolf-Farré Die frei zugängliche Open-Access-Publikation des vorliegenden Titels wurde mit Mitteln des Publikationsfonds der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen, des Karl. J. R. Arndt Publication Fund der Society for German-American Studies, des Open-Access-Publikationsfonds der Universitätsund Landesbibliothek Sachsen-Anhalt (Halle/Saale) sowie der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien ermöglicht. ISBN 978-3-11-069025-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-069027-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-069029-3 DOI https://doi.org/10.1515/9783110690279 Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. Weitere Informationen finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0. Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz für die Weiterverwendung gelten nicht für Inhalte (z. B. Grafiken, Abbildungen, Fotos, Auszüge usw.), die nicht Teil der Open-Access-Publikation sind. Diese erfordern ggf. die Einholung einer weiteren Genehmigung des Rechteinhabers. Die Verpflichtung zur Recherche und Klärung liegt allein bei der Partei, die das Material weiterverwendet. Library of Congress Control Number: 2023949893 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024 bei den Autorinnen und Autoren, Zusammenstellung © 2024 Michael Szurawitzki und Patrick Wolf-Farré, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston. Dieses Buch ist als Open-Access-Publikation verfügbar über www.degruyter.com. Einbandabbildung: vitacopS / iStock / Getty Images Plus Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com Vorwort Der Bereich Deutsch als Fremdsprache richtet seine Aufmerksamkeit neben sprachdidaktischen und kulturwissenschaftlichen Gesichtspunkten spätestens seit dem Millenniumswechsel in einem immer stärkeren Maße auf die berufliche Kommunikation in Handwerk und Technik, Bildung und Wissenschaft sowie Politik und Institutionen. Die Themenbereiche sind dabei ausgesprochen vielfältig und werden immer tiefer wie breiter wissenschaftlich bearbeitet. Deutsch als Fremdsprache ist inzwischen ein eigenes, mitunter gar nicht einmal mehr so kleines akademisches Fach. Vor diesem Hintergrund sind zwei Maßnahmen von größerer Bedeutung geworden: Zum einen wurde es erforderlich, ein eigenes Publikationsforum für Einzelschriften und Sammelbände einzurichten, in dem Arbeiten zu Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Fachsprache erscheinen und somit einmal mehr zur Konstituierung eines spezifischen Forschungskontextes und Forschungskotextes beitragen. Zum anderen ist die Zeit inzwischen reif für ein umfangreiches Handbuch – ein Handbuch, in welchem die wesentlichen Strömungen und wichtigsten Ergebnisse aus beiden Bereichen zusammengeführt und aufeinander bezogen werden und das somit als ein echtes Referenzwerk dient. Das vorliegende Handbuch „Deutsch als Fach- und Fremdsprache“ erfüllt diesen Anspruch in besonderem Maße: In rund sechzig Beiträgen meist namhafter Autorinnen und Autoren werden mit theoretischen Aspekten, historischer Dimension, allgemeinen sprachlichen Charakteristika, didaktischen Perspektiven, Textsorten und Kommunikationsformen, fachlichen Disziplinen sowie internationalen Perspektiven sieben Schwerpunkte ausgemacht und beleuchtet. Das Handbuch spiegelt den aktuellen Stand der Forschung wider und kann gleichermaßen als Ausgangs- und Bezugspunkt für weitere wissenschaftliche Arbeiten wie auch als Werk zur Orientierung und zum Nachschlagen in Lehre und Studium dienen. Das Handbuch „Deutsch als Fach- und Fremdsprache“ war ursprünglich als Eröffnungsband für die gleichnamige Reihe vorgesehen, die von uns vor Kurzem beim Verlag de Gruyter gegründet wurde. Nachdem sich indessen beide Projekte verselbständigt haben, erscheint es nun bei de Gruyter Reference. Als Herausgeber der Reihe „Deutsch als Fremd- und Fachsprache“ freuen wir uns über das Erscheinen des Handbuches unter dem gleichen Namen, danken seinen beiden Herausgebern, Michael Szurawitzki und Patrick Wolf-Farré, für die unermüdliche Arbeit an diesem schönen und wichtigen Projekt und wünschen dem Werk ein breites Lesepublikum sowie eine gute Aufnahme und einen großen Erfolg. Erfurt und Berlin, im Frühjahr 2023 Csaba Földes und Thorsten Roelcke Open Access. © 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter. lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110690279-202 Dieses Werk ist Inhalt Vorwort Einleitung V 1 Theoretische Aspekte Christiane Andersen Wissenschaftliche Denkstile im Deutschen als Fach- und Fremdsprache Thorsten Roelcke Binnen- und mehrsprachliche Fachsprachengliederungen Karolina Suchowolec Fachkommunikative Modelle Peter Ernst Fachkommunikative Pragmatik Thorsten Roelcke Fachkommunikative Effizienz 7 23 39 55 69 Historische Dimension Kerstin Roth Geschichte des Deutschen als Fach- und Fremdsprache I: Mittelalter 81 Sebastian Seyferth Geschichte des Deutschen als Fach- und Fremdsprache II: Von der Frühen Neuzeit 97 bis 1900 Jörg Roche Deutsch als Fach- und Fremdsprache im 20. Jahrhundert Nikolas Koch und Claudia Maria Riehl Deutsch als Fach- und Fremdsprache: Aktuelle Tendenzen 113 127 VIII Inhalt Allgemeine sprachliche Charakteristika Klaus-Dirk Schmitz Grundlagen der Terminologiearbeit 151 Erwin Tschirner Lexik des Deutschen als Fach- und Fremdsprache 173 Lesław Cirko Morphologie des Deutschen als Fach- und Fremdsprache Mikaela Petkova-Kessanlis Stilistik des Deutschen als Fach- und Fremdsprache 187 201 Wilhelm Grießhaber Profilanalyse 217 Steffen Pappert Textualität 233 Susanne J. Jekat Barrierefreie Kommunikation 249 Roger Fornoff Fachsprachliche Kommunikation im Kontext von Migration Didaktische Perspektiven Birgitta Meex Technikkommunikation und Didaktik im Deutschen Cordula Meißner Fachsprachliche Textroutinen im Deutschen 305 Inger Petersen Fachsprachliche Schreibkompetenz im Bereich DaFF Gabriele Kniffka 333 Scaffolding 285 319 265 IX Inhalt Bettina M. Bock Das Spannungsfeld „Leichte Sprache“ – Fachsprache Michael Schart CLIL – fach- und sprachintegrierter Unterricht 349 367 Anja Binanzer, Heidi Seifert und Verena Wecker Bildungssprache – Eine Bestandsaufnahme empirischer Zugänge 379 und Evidenzen Uwe Koreik Fachsprachen und Landeskunde 405 Ksenia Masalon und Hülya Yildirim Testen und Prüfen im Bereich Deutsch als Fach- und Fremdsprache 421 Fachsprachliche Textsorten und Kommunikationsformen auf Deutsch Winfried Thielmann Schriftliche und mündliche Wissenschaftskommunikation im Kontext von Deutsch 441 als Fach- und Fremdsprache Ines-A. Busch-Lauer Das Abstract im Kontext von Deutsch als Fach- und Fremdsprache 463 Birgit Huemer Die Hausarbeit im Kontext von Deutsch als Fach- und Fremdsprache 479 Matthias Meiler Wissenschaftliche Blogs im Kontext von Deutsch als Fach493 und Fremdsprache Arne Krause Die Vorlesung im Kontext von Deutsch als Fach- und Fremdsprache Lisa Rhein und Ute Henning Die Präsentation im Kontext von Deutsch als Fach- und Fremdsprache Karl-Hubert Kiefer Werkstattgespräche und Deutsch als Fach- und Fremdsprache 539 509 523 X Inhalt Manuel Wille Populärwissenschaftliche Vermittlungstexte Annely Rothkegel Technische Kommunikation 547 563 Hartwig Kalverkämper Fachsprachliche Gebrauchstexte 579 Almut Schön Zur Arzt-Patienten-Kommunikation als Experten-Laien-Kommunikation im Kontext 611 von Deutsch als Fach- und Fremdsprache Paweł Szerszeń, Przemysław Wolski und Christian Efing Deutsch als Fach- und Fremdsprache in digitalen Technologien Jörg Roche Berufssprache Deutsch 627 645 Hartwig Kalverkämper Deutsch als fachbezogene Fremdsprache (DaFF) für das Fernstudium 661 Disziplinen Winfried Thielmann Deutsch als Fach- und Fremdsprache in den Natur685 und Technikwissenschaften Eglė Kontutytė Deutsch als Fach- und Fremdsprache in den Sozial- und 701 Geisteswissenschaften Jan Engberg und Almut Meyer Deutsch als Fach- und Fremdsprache in den Rechtswissenschaften Internationale Perspektiven Magnus P. Ängsal Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Nordeuropa 737 719 Inhalt Liubov Patrukhina und Sabine Diao-Klaeger Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Frankreich 753 und der frankophonen Welt Gabriella Carobbio und Tiziana Roncoroni Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Italien Lesław Cirko Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Polen 779 795 Csaba Földes Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Ungarn 807 Lyubov Nefedova Deutsch als Fach- und Fremdsprache in der Russischen Föderation Ernest W. B. Hess-Lüttich Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Nordafrika 841 Jean-Claude Bationo Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Subsahara-Afrika 859 Marianne Zappen-Thomson Deutsch als Fach- und Fremdsprache im südlichen Afrika 881 Vibha Surana Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Indien 895 Michael Szurawitzki, Yuan Li und Di Pan Deutsch als Fach- und Fremdsprache in China 911 Hideaki Takahashi Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Japan 933 Per Urlaub, John Benjamin und Alexander Lorenz Deutsch als Fach- und Fremdsprache in den USA 949 Karen Pupp Spinassé Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Brasilien 965 Patrick Wolf-Farré Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Lateinamerika 973 823 XI XII Inhalt Tristan Lay und Diana Feick Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Australien und Neuseeland Sachregister 1003 987 Tristan Lay und Diana Feick Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Australien und Neuseeland Zusammenfassung: Das vorliegende Kapitel widmet sich dem Lehren und Lernen des Deutschen als Fremd- und Fachsprache (DaFF) in Australien und Neuseeland. Vor dem Hintergrund sprachpolitischer, geopolitischer, sozioökonomischer und einwanderungsbedingter Einflussfaktoren, die das Fremdsprachenlernen in der maritimen Pazifikregion wesentlich mitbestimmen, wird der gegenwärtige Diskussions- und Entwicklungsstand zu DaFF überblicksartig nachgezeichnet. Die institutionellen und curricularen Rahmenbedingungen des DaF-Unterrichts im Kontext von Schule, Hochschule und Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie gegenwärtige Herausforderungen in diesen Bereichen bilden die Schwerpunkte der Betrachtungen. Weiterhin wird auf aktuelle Tendenzen im Bereich Deutsch als Fachsprache im Rahmen des Studiengangs German (Studies) eingegangen. Abschließende Beobachtungen und Überlegungen zur künftigen Entwicklung von DaFF in Australien und Neuseeland runden den Beitrag ab. Schlagwörter: Australien, Neuseeland, Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Fachsprache, German (Studies) 1 2 3 4 5 Situation des Deutschen in Australien und Neuseeland Deutsch als Fremdsprache im Bildungssektor Deutsch als Fachsprache Ausblick: Herausforderungen, Chancen und Perspektiven Literatur 1 Situation des Deutschen in Australien und Neuseeland Australien und Neuseeland gehören zu den traditionellen Einwanderungsländern Ozeaniens, sodass die deutsche Sprache in dieser Region auf eine mehr als hundertachtzigjährige Geschichte zurückblickt. Die Pazifik-Region ist zudem durch die deutsche Kolonialzeit von 1884–1914 u. a. im heutigen Papua-Neuguinea, Teilen Mikronesiens und Samoa geprägt (McBryde 1993). Im Zuge der europäischen Einwanderung des 19. und 20. Jahrhunderts kamen auch Zuwanderer aus dem deutschsprachigen Raum nach Australien und Neuseeland, die nicht nur zu einer veränderten demografischen Struktur beitrugen, sondern über mehrere Generationen hinweg die ethnolinguistische Sprach- und Kulturlandschaft beider Länder bereicherten. Auch wenn in Australien Einwanderungen in andere Bundesstaaten erfolgten (z. B. Queensland, Victoria und New South Wales), gehört South Open Access. © 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter. lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. https://doi.org/10.1515/9783110690279-060 Dieses Werk ist 988 Tristan Lay und Diana Feick Australia zum wichtigsten Standort und Zeugnis deutscher Emigrationsgeschichte. Hierhin emigrierten 1838 knapp 600 fromme Lutheraner (und kulturelle Mediatoren), um ihren Glauben weiter leben zu können. In Neuseeland stellten deutsche Einwanderer die größte europäische Gruppe nach den Briten dar (Bade 1993), wobei Siedlungen wie das deutschböhmische Puhoi noch heute von großem Interesse für die historische Sprachkontaktforschung sind (Heimrath 2021, Wildfeuer 2021). Im multiethnischen Australasien des 21. Jahrhunderts verliert die deutsche Sprache jedoch sukzessive an Boden. Dies ist zum einen dem anglophonen „monolingual mindset“ (Clyne 2005) geschuldet, indem die Nationalsprache (und internationale Verkehrssprache) Englisch nicht nur weite Teile des öffentlichen Lebens dominiert, sondern auch die Einstellungen zu Mehrsprachigkeit grundsätzlich beeinflusst. Ähnlich wie in anderen (traditionell) anglophonen Ländern des Commonwealth, ist sowohl das gesellschaftliche als auch das individuelle Interesse an Fremd- und Zweitspracherwerb eher schwach ausgeprägt (Lanvers et al. 2021). Selbst wenn heutzutage das Lehren und Lernen fremder Sprachen in Australasien im Wesentlichen positiv bewertet wird, reichen in der Gesamtwahrnehmung vieler Australier und Neuseeländer Englischkenntnisse nicht nur für die alltägliche, sondern auch für die internationale Kommunikation völlig aus – oder zumindest entsteht der Eindruck, dass nationale Interessen, die Fremdsprachenkenntnisse erfordern, durch (neu zugewanderte) Personen mit Migrationshintergrund abgedeckt und bedient werden können. Bildungsreformen im Schul- und Hochschulsektor trugen und tragen zum einen dazu bei, das Lehren und Lernen fremder Sprachen zu schwächen (vgl. dazu East 2021, Mason/Hajek 2021, Schmidt 2015). Zum anderen legen aktuelle Entwicklungen nahe, dass der Gebrauch insbesondere asiatischer, arabischer, indischer und pazifischer Sprachen im familiären Kontext kontinuierlich zunimmt 1 und damit auch Auswirkungen auf die Präsenz des Deutschen als Erstsprache (L1) hat: Während in Australien bei der Volkszählung 2011 das Deutsche in der Familie mit 80.366 Sprechern noch zu den wichtigsten Herkunftssprachen gehörte, wird die deutsche Sprache im Zensus 2016 nicht mehr in den Top 10 aufgeführt, obwohl die Abnahme über den Fünfjahreszeitraum „nur“ minus 1018 betrug (2011: 80.371; 2016: 79.353). Die Verdrängung des Deutschen aus deutschaustralischen/neuseeländischen Haushalten führt häufig zu einem Sprachenwechsel zugunsten des Englischen (Hunt/Davis 2019, Wohlfahrt 2017). Einen ähnlichen Abwärtstrend verzeichnet das Deutsche in Neuseeland (Zensus 1996: Platz 4, 2013: Platz 6, 2018: Platz 7), wobei es dennoch stabil zu den zehn meistgesprochenen nicht offiziellen Sprachen zählt und in absoluten Sprecherzahlen gemessen kontinuierlich steigt (1996: 30.501; 2013: 36.645; 2018: 41.844; Buckingham 2021). Neben der Schul- und Bildungspolitik (vgl. Abschnitt 2) spielen regionale und wirtschaftliche Interessen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Pazifikregion, 1 Vgl. für Australien https://profile.id.com.au/australia/language#:~:text=Overall%2C​%20​72.​0​%25​%20​of​ %20​the​%20​popu​la​tion,using%20this%20language%20at%20home (letzter Zugriff 12. 02. 2024), für Neuseeland Buckingham 2021. Deutsch als Fach- und Fremdsprache in Australien und Neuseeland 989 die durch die mächtige Präsenz Großchinas (Festlandchina, Hongkong, Macau, Taiwan, Singapur) maßgeblich beeinflusst wird. Der asiatische Handelsmarkt im Allgemeinen und die bilateralen Handelsbeziehungen zwischen Australien/Neuseeland und der Volksrepublik im Besonderen sind von immenser Bedeutung, sodass Fremdsprachenlernen hier stets im Kontext von geopolitischen, hochschulpolitischen, sozioökonomischen aber auch einwanderungsbedingten Faktoren betrachtet werden muss. Mit dem gegenwärtigen sprachpolitischen Trend zur Förderung von Asia Literate Schooling in the Asian Century (so der Titel des von Christine Halse 2015 herausgegebenen Sammelbands), das offiziell in Form von White Papers (z. B. Australia in the Asian Century, White Paper 2012) als Instrument der regierungsamtlichen australischen Öffentlichkeitsarbeit disseminiert wird, wächst innerhalb der Bevölkerung nicht nur das Bewusstsein eines unabdingbaren Wissens und einer Basiskompetenz in Asia literate als Schlüsselqualifikation, sondern auch die ohnehin schon sehr starke Konkurrenz des Deutschen zu ostasiatischen Sprachen, wie Hochchinesisch (Mandarin), Japanisch oder Koreanisch. Deren Sprecher sind in den Großstädten nicht nur in aktiven Diasporagemeinden organisiert, auch ihre Herkunftssprachen sind in der Sprachlandschaft (linguistic landscape) des öffentlichen Raums, innerhalb studentischer Vereinigungen oder in der australischen/neuseeländischen Populärkultur präsenter als europäische Sprachen (vgl. Chik et al. 2019). Fremdsprachenlernende vieler asiatischer Sprachen haben vor Ort die Möglichkeit, mit Gleichaltrigen nicht nur Freundschaften, sondern bei Bedarf auch Lernpartnerschaften zu schließen, um Fremdsprachenkenntnisse im gesellschaftlichen Miteinander mit Peers zu erweitern. Diesen Motivationsschub bietet das Deutsche kaum, deren Sprecher im Vergleich über eine relativ schwach ausgeprägte Gruppenidentität und -sichtbarkeit verfügen (vgl. BönischBrednich 2002; Hunt/Davis 2019, 167), insgesamt eher unauffällig in der Öffentlichkeit 2 auftreten und so Kontaktmöglichkeiten für potenzielle und interessierte Fremdsprachenlernende erschwert werden. Nicht minder wichtig ist in unserem Zusammenhang, dass das Reisen in die jeweiligen asiatischen „Nachbarländer“ weniger umständlich und mit weitaus niedrigeren Kosten verbunden ist. Die Nutzung des Deutschen als Fremdsprache vor Ort ist im australisch-neuseeländischen Kontext hingegen (fast) ausschließlich auf institutionelle Zusammenhänge (z. B. Bildungseinrichtungen oder Firmen mit Deutschbezug) begrenzt. Dennoch existieren im Zeitalter der Digitalisierung mediale und technologische Alternativen (z. B. die australische öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft Special Broadcasting Service (SBS) mit ihrem umfangreichen deutschsprachigen Angebot in der Sektion SBS German), die nicht nur das Eintauchen und Vertiefen in die deutsche Sprache, Kultur und Geschichte erleichtern, sondern auch die Kommunika- 2 Eine bemerkenswerte Ausnahme hinsichtlich der Sichtbarkeit des Deutschen bildet die Textsorte der Sticker in der städtischen Sprachlandschaft, für die Brown/de Pont (2021) einen höheren Anteil deutschsprachiger als nichtenglischsprachiger Aufkleber im öffentlichen Raum von Aucklands Zentrum dokumentierten. 990 Tristan Lay und Diana Feick tion mit Sprechern aus DACHL-Ländern ermöglichen (z. B. Feick/Knorr 2021). Eine synchrone Kommunikation in der Fremdsprache Deutsch wird jedoch durch die extremen Zeitzonenunterschiede beider Hemisphären sowie bisweilen voneinander abweichenden Schul- bzw. Semesterferien zusätzlich erschwert. Andere Sprachen als Englisch (Languages Other Than English, LOTE) werden in Australien und Neuseeland prototypisch in unterschiedliche Rubriken kategorisiert, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen in der Nomenklatur kommt: – Strategic languages (oder: languages of national importance for tourism and trade) aus dem europäischen oder asiatischen Kulturraum mit einer genuin strategischen Ausrichtung (dazu gehören v. a. Mandarin, Japanisch, Koreanisch, Indonesisch), – academic oder international languages aus dem europäischen Kulturraum, die als Bildungssprachen wahrgenommen werden z. B. Französisch, Deutsch oder Spanisch, sowie – community/heritage languages, die vornehmlich in Familien und Gemeinschaften gesprochen und zusätzlich in indigene Sprachen (Australian indigenous languages, Te Reo Māori) und Migrantensprachen (immigrant origin community languages) untergliedert werden (z. B. Samoanisch, Hindi, Italienisch, Neugriechisch, Kantonesisch, Vietnamesisch usw.). Angesichts der bestehenden definitorischen Begriffsunschärfe lässt sich die deutsche Sprache je nach Kontext und sprachpolitischer Zielsetzung sowohl in academic/international als auch in community/heritage languages verorten. Somit besitzt das Deutsche in der Region nicht nur als Fremd-, sondern auch als Herkunftssprache eine gewisse Relevanz. Als Gemeinschaftssprache wird es vereinzelt durch eigene Schulen (nur in Australien, so z. B. in Adelaide: The School for the German Language), deutschsprachige Spiel- und Krabbelgruppen, lokale Vereine oder kulturelle Zentren gefördert. Im formalen Bildungskontext vermischt sich die formale Trennung in Deutsch als Herkunfts- und Bildungssprache jedoch wieder (v. a. in Neuseeland), da Personen mit Deutsch als Herkunftssprache z. T. aus Mangel an zielgruppenspezifischen Alternativen meist in für Fremdsprachenlernende konzipierte Bildungsangebote integriert werden (z. B. durch die Te Kura Distance School in Neuseeland) (s. Abschnitt 2.1). 2 Deutsch als Fremdsprache im Bildungssektor Aktuelle Zahlen, die die Ständige Arbeitsgruppe Deutsch als Fremdsprache (StADaF)/ Netzwerk Deutsch/Auswärtiges Amt 3 im Fünfjahresrhythmus für den DaF-Kontext erhebt, lassen eine rückläufige Entwicklung der Lernerzahlen in der Region erkennen 3 StADaF 2003 (Erhebung: 2000); StADaF 2006 (Erhebung 2005); Netzwerk Deutsch 2010; Netzwerk Deutsch 2015; Auswärtiges Amt 2020.