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Scheidungsurkunde, jüdisch

2021, Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht

Das Lexikon für Kirchen- und Religionsrecht (LKRR) erscheint in vier Bänden, print und online in deutscher Sprache, und bietet in über 2,600 Lemmata bzw. Stichworte zuverlässige und prägnante Informationen zu den grundlegenden Fragen des internen Rechts von Kirchen und Religionsgemeinschaften und des Religionsrechts. Der Eintrag "Scheidungsurkunde, jüdisch" stammt von Walter Homolka.

Quellen

Scheidungsurkunde -Jüdisch

Das rechtlich zentrale Element der →Scheidung besteht darin, dass der Mann der Frau eine S. überreicht. Die Bibel kennt dieses Dokument als sefer kriut (Dtn 24, 1 u. 3) u. das rabb. Recht bez. es als get. Diese Bez. hat sich heute allg. durchgesetzt. Das Wort bedeutet urspr. einfach Dokument u. ist ein Kürzel für get kriut (S.) od. get naschim (Frauendokument).

Im Altertum war der Wortlaut des Dokuments zunächst sehr einfach. Der wesentliche Satz lautete: "Du bist frei, einen anderen Mann zu heiraten" (Mischna Gittin 9, 3). Die Papyri von Elephantine belegen jedoch, dass es bereits in vortalmudischer Zeit im jüd. Ehevertrag feste Formeln für den Scheidungsfall gab. Im Papyrus G von Assuan heißt es: "Morgen oder an einem anderen Tag wird Mibtachja in der Gemeinde aufstehen und sagen: ich hasse meinen Mann As-Hor, und so soll sie den Preis des Hasses [d. i. die Scheidung] voll auf die Waage geben und As-Hor fünf Schekel und 2 d in Silber zuwägen und alles, was sie mitgebracht hat bis zum letzten Zwirn, kann sie mitnehmen und sie kann gehen, wohin sie will, ohne Streit und Wort. Morgen oder an einem anderen Tag wird As-Hor in der Gemeinde aufstehen und sagen: ich hasse mein Weib Mibtachja, soll er ihren Brautpreis verlieren und sie kann alles, was sie mitgebracht hat, mitnehmen bis zum letzten Zwirn an einem Tag mit einer Hand und sie kann gehen, wohin sie will, ohne Streit und Wort" (Blau, 1911, 20).

Später, bes. an den rabb. Akademien Babyloniens, wurde der Text dann detailliert ausgearbeitet. Maimonides gibt den folgenden Wortlaut wieder:

"Am … Tag der Woche …, dem … Tag des Monats …, im Jahre … nach Erschaffung der Welt, unserer Zeitrechnung, in der Stadt X am Strom Y (oder an dem Gewässer Y). Ich N., Sohn des N., mit dem Zunamen N., der ich mich heute in der Stadt X befinde, welche liegt am Strome Y, habe eingewilligt, aus freiem Willen und ohne Zwang, dich zu entlassen, loszulösen und zu scheiden, dich, mein Weib N., Tochter des N., das sich heute in der Stadt X am Strome Y befindet. Du bist bisher mein Weib gewesen, jetzt aber sei losgelöst, entlassen und geschieden von mir, sodass dir erlaubt sei, über dich künftighin selbst zu verfügen und jeden Mann, den du willst, zu heiraten. Und niemand soll dich hieran hindern, und du seiest von nun an für alle Zukunft erlaubt für jedermann. So erhältst du von mir den Scheidebrief, die Urkunde der Entlassung und den get der Loslösung nach dem Gesetze Moses und Israels. / Unterschriften: N. N., Sohn des N. N., Zeuge / N. N., Sohn des N. N., Zeuge." (Mischne Tora Gerushin 14, 12;Amram, 1975, 157-158).

Dieses Dokument muss nach ganz genauen Regeln von einem Schreiber (sofer) ausgefertigt sein, der auf ausdrückliche Veranlassung des Ehemannes handelt. Jeder Jude kann als Schreiber fungieren, aber nur ein qualifizierter sofer kennt die genauen Regeln so gut, dass Fehler vermieden werden können. Die Schreibutensilien (Pergament od. gutes Papier, Gänsekiel, dokumentenechte Tinte) müssen durch den Mann erworben worden u. damit sein Eigentum sein (Schulchan Aruch, Even ha-Ezer, 123-125). Den get müssen zwei →Zeugen bestätigen (bT Kiddushin 13a; Schulchan Aruch, Even ha-Ezer, 154). Die Zeugen müssen männliche, religiös observante Erwachsene sein, dürfen weder miteinander verwandt sein noch m. einer der beiden Scheidungsparteien, es dürfen keinerlei Interessenskollisionen bestehen (Schulchan Aruch, Even ha-Ezer, 130, 1). Bevor der get geschrieben wird, muss der Mann das Sündenbekenntnis (widdui) sprechen, um sich den Ernst der Angelegenheit zu vergegenwärtigen.