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Kriminelles Verhalten in unterschiedlichen Räumen der Stadt

Moderne Ansätze der Kriminologie rücken den Ort eines Verbrechens in den Fokus ihrer Untersuchung. Entsprechende kriminalpräventive Maßnahmen betreffen daher vor allem die Situation in der sich eine kriminelle Handlung ereignet. Primäre und Tertiäre Prävention, die bei potentiellen Tätern ansetzen, thematisieren diese kriminologischen Theorien hingegen nicht. Das Wissen über die Beziehung zwischen Raum und Kriminalität liefert neue Ansatzpunkte für die situative Kriminalprävention. Ersetzen kann sie täterorientierte Prävention allerdings nicht. Jede Deliktform bedarf einer spezifischen Form der Prävention. Diese Arbeit tut drei Dinge: Erstens entwirft sie ein theoretisches Konzept wie man sowohl den städtischen Raum als auch Merkmale des Individuums in ein umfassendes Handlungskonzept einbeziehen kann (Teil A). Zweitens gibt sie einen Überblick über die verschiedenen Theorien der environmental criminology (Teil B) und drittens warden die Ergebnisse einer qualitativen und einer quantitativen kriminalgeografischen Untersuchung vorgestellt, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden (Teil C). Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass Ladendiebstahl anhand von Täterdispositionen allein nur unzureichend erklärt werden kann, während Gelegenheitsstrukturen des Raumes vor allem auf Jugendliche eine enorme Wirkung auszuüben scheinen. Eine gänzlich andere Wirkungsweise des städtischen Raumes auf kriminelles Verhalten existiert für den Diebstahl aus Kraftfahrzeugen: In der qualitativen Untersuchung zweier besonders deliktbelasteter Räume (hot spots) in der Stadt Trier zeigte sich, dass Raummerkmale, die die informelle soziale Kontrolle in bestimmten Settings unterbindet, dieses Delikt begünstigen. Diese Räume entfalten durch ihre bauliche Struktur kriminogenes Potential.

Andreas Armborst Hellkamp 69 20255 Hamburg E-Mail: andreas.armborst@studium.uni-hamburg.de Trier, den 05.07.2006 Kriminelles Verhalten in unterschiedlichen Räumen der Stadt Diplomarbeit im Fachbereich IV der Universität Trier Vorgelegt von Andreas Armborst Gutachter Prof. Dr. Dr. h.c. Bernd Hamm Abstract Moderne Ansätze der Kriminologie rücken den Ort eines Verbrechens in den Fokus ihrer Untersuchung. Entsprechende kriminalpräventive Maßnahmen betreffen daher vor allem die Situation in der sich eine kriminelle Handlung ereignet. Primäre und Tertiäre Prävention, die bei potentiellen Tätern ansetzen, thematisieren diese kriminologischen Theorien hingegen nicht. Das Wissen über die Beziehung zwischen Raum und Kriminalität liefert neue Ansatzpunkte für die situative Kriminalprävention. Ersetzen kann sie täterorientierte Prävention allerdings nicht. Jede Deliktform bedarf einer spezifischen Form der Prävention. Diese Arbeit tut drei Dinge: Erstens entwirft sie ein theoretisches Konzept wie man sowohl den städtischen Raum als auch Merkmale des Individuums in ein umfassendes Handlungskonzept einbeziehen kann (Teil A). Zweitens gibt sie einen Überblick über die verschiedenen Theorien der environmental criminology (Teil B) und drittens werden die Ergebnisse einer qualitativen und einer quantitativen kriminalgeografischen Untersuchung vorgestellt, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurden (Teil C). Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen, dass Ladendiebstahl anhand von Täterdispositionen allein nur unzureichend erklärt werden kann, während Gelegenheitsstrukturen des Raumes vor allem auf Jugendliche eine enorme Wirkung auszuüben scheinen. Eine gänzlich andere Wirkungsweise des städtischen Raumes auf kriminelles Verhalten existiert für den Diebstahl aus Kraftfahrzeugen: In der qualitativen Untersuchung zweier besonders deliktbelasteter Räume (hot spots) in der Stadt Trier zeigte sich, dass Raummerkmale, die die informelle soziale Kontrolle in bestimmten Settings unterbindet, dieses Delikt begünstigen. Diese Räume entfalten durch ihre bauliche Struktur kriminogenes Potential. Contemporary approaches in Criminology focus their analysis on the place of a criminal event. Therefore corresponding crime prevention affects the situation in which the criminal activity takes place. Primary and tertiary crime prevention, which addresses the potential offender, is not subject to these criminological theories. Knowledge about the relation between spatial and environmental characteristics and crime enable new opportunities for situational crime prevention. However it can not replace prevention which addresses the offenders. Every single delict requires its specific type of prevention. This thesis does three things: First a theoretical concept which integrates the urban environment as well as individual differences in a comprehensive concept of human behavior is delineated (part A). Second a synopsis of the different theories in environmental criminology is given (part B) and third the results of a qualitative and a quantitative study in the geography of crime, which was conducted within the scope of this thesis, are presented (part C). The results show that shop lifting is insufficiently explained by dispositions of the offender while opportunity structures of the urban environment seem to have a tremendous effect especially on juveniles. An entirely different effect of the urban environment was found for auto burglary: The qualitative analysis of two crime hot spots in the city of Trier showed, that characteristics of the build environment, which inhibit informal social control in these Settings, support the criminal event and therefore can be said to be criminogenic. 2 Inhaltsverzeichnis ABBILDUNGSVERZEICHNIS .......................................................................................................................... 5 TABELLENVERZEICHNIS ............................................................................................................................... 5 EINLEITUNG ....................................................................................................................................................... 6 A 1. Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund SITUATION, KONTEXT UND BACKCLOTH ...................................................................................... 9 1.1 1.2 1.3 2. DIE SITUATION IN DER SOZIALPSYCHOLOGIE: ................................................................................ 10 DIE SITUATION IN DER ENVIRONMENTAL PSYCHOLOGY: KONTEXT ................................................ 11 BACKCLOTH: DIE SITUATION VON KRIMINELLEN HANDLUNGEN: ................................................... 13 VERHALTESRELEVANTE SITUATIONSMERKMALE .................................................................. 15 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6. 2.7. B SOZIALER EINFLUSS.......................................................................................................................... 16 KULTURELLER EINFLUSS.................................................................................................................. 19 TEMPORALER EINFLUSS ................................................................................................................... 21 PHYSIKALISCHER EINFLUSS: DIE RAUMKOMPONENTE .................................................................. 21 PERZEPTION UND INDIVIDUELLE UNTERSCHIEDE ........................................................................... 26 CHANNEL FACTORS: KLEINE URSACHE – GROßE WIRKUNG .......................................................... 28 SITUATIONSMERKMALE FÜR KRIMINELLES VERHALTEN: KRIMINOGENE FAKTOREN.................... 30 Kriminalgeografische Theorien und Studien 3 RAUM UND KRIMINALITÄT ............................................................................................................... 32 4 SOZIALRÄUMLICHE ERKLÄRUNGSANSÄTZE ............................................................................. 33 5 TATORIENTIERTE ERKLÄRUNGSANSÄTZE ................................................................................. 36 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.5.1 DEFENSIBLE SPACE ........................................................................................................................... 36 ROUTINE ACTIVITY ........................................................................................................................... 37 RATIONAL CHOICE ............................................................................................................................ 38 SITUATIONAL CRIME PREVENTION:................................................................................................. 39 CRIME PATTERN THEORY ................................................................................................................ 41 Der Einfluss städtischer Umwelt auf räumliche Muster im kriminellen Verhalten einzelner Täter: ............................................................................................................................................ 42 5.5.2 Der Einfluss städtischer Umwelt auf aggregierte Kriminalitätsmuster: Nodes, edges, paths, crime attractors & crime generators und juxtaposition von Raumtypen ................................... 45 6 STUDIEN DER ENVIRONMENTAL CRIMINOLOGY IN AUSGEWÄHLTEN RAUMTYPEN.. 48 6.1 6.2 6.3 C UMFELD VON KONSUMORTEN .......................................................................................................... 48 EINRICHTUNGEN DES ÖFFENTLICHEN PERSONENNAHVERKEHRS (ÖPNV) ................................... 50 PARKANLAGEN UND DIEBSTAHL AUS KRAFTFAHRZEUGEN ............................................................ 51 Methode und Resultate der Untersuchung 7 VORBEMERKUNG.................................................................................................................................. 54 8 DIE DUISBURGER SCHÜLERBEFRAGUNG..................................................................................... 54 8.1 8.2 8.3 METHODE DER UNTERSUCHUNG ...................................................................................................... 55 HYPOTHESEN, DATENANALYSE UND ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG ....................................... 55 FAZIT ................................................................................................................................................. 64 3 9. KLEINRÄUMIGE UNTERSUCHUNG DELIKTBELASTETER SETTINGS (HOT SPOTS) IN DER STADT TRIER................................................................................................................................. 65 9.1 METHODE DER UNTERSUCHUNG ...................................................................................................... 65 9.2 ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG ................................................................................................... 69 9.2.1 Gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen .......................... 69 9.2.2 Ladendiebstahl ............................................................................................................................. 74 9.2.3 Besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kraftfahrzeugen .................................................. 77 LITERATUR....................................................................................................................................................... 90 ANHANG............................................................................................................................................................. 97 4 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Schaubild zur Konzeptualisierung der Arbeit .............................................. 29 Tatortgeografie ............................................................................................. 43 Prävalenz Ladendiebstahl nach Stadtteilen .................................................. 56 Baublock, Baublockseiten und Adressen ..................................................... 67 Anzahl der begangenen Delikte von gefährlicher und schwerer Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen nach Baublöcken......... 71 Anzahl der begangenen Delikte von Ladendiebstahl nach Baublöcken ...... 72 Anzahl der begangenen Delikte von besonders schweren Fällen des Diebstahls aus Kfz nach Baublöcken ........................................................... 73 Crime attractor. Luftbildaufnahme des Baublocks Loebstraße, Dasbachstraße, Rudolf-Diesel-Straße .......................................................... 79 Ansicht 1 mit Blick nach Osten. .................................................................. 80 Ansicht 2 mit Blick nach Südosten .............................................................. 80 Ansicht 3 mit Blick nach Norden................................................................. 81 Crime attractor. Luftbildaufnahme zweier deliktbelasteter Baublöcke im Innenstadtbereich. ........................................................................................ 82 Innenansicht Setting 1: Tiefgarage .............................................................. 83 Ansicht Setting 1: Zufahrt Tiegarage........................................................... 83 Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Südwesten ....................................... 85 Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Nordwesten ..................................... 85 Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Osten .............................................. 86 Innenansicht Setting 3 mit Blick auf das leerstehende Gebäude am nordöstlichen Rand....................................................................................... 87 Innenansicht des Gebäudes an der Westgrenze des Settings ....................... 87 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Settings öffentlicher Räume ................................................................................ 24 Theoretische Perspektiven zur Erklärung von Kiminalität in räumlichen Aggregaten .......................................................................................................... 33 Tabelle 3: Routine activity und rational choice: Vergleich und Gegenüberstellung beider Ansätze ................................................................................................................ 39 Tabelle 4: 25 Ansätze der situativen Kriminalprävention ................................................... 40 Tabelle 5: Absolute und relative Häufigkeiten der Variable ‚low-risk’............................... 57 Tabelle 6: Items des Indices ‚Gewaltorientierung’ .............................................................. 59 Tabelle 7: Wertebereiche und Häufigkeiten des Indices ‚Gewaltorientierung’ .................. 60 Tabelle 8: Hypothese der Untersuchung .............................................................................. 60 Tabelle 9: Täteranteile aus beiden Gruppen und ihr Verhältnis........................................... 63 Tabelle 10: Auszug aus dem polizeilichen Datenmaterial ..................................................... 66 5 Einleitung Einleitung Die Ursachen für Kriminalität sind so vielseitig wie die Ursachen für gesetzeskonforme Verhaltensweisen. Das ist alleine deshalb schon so, weil ein und dieselbe Handlung beides sein kann: kriminell und gesetzeskonform, je nachdem in welchem Gesetzesraum man sich befindet, und dieser unterscheidet sich nicht nur geografisch, sondern auch zeitlich. Eine einzelne Theorie, die Kriminalität als Summe aller kriminellen Verhaltensweisen erklären will, stößt schnell an ihre Grenzen, weil die Bandbreite dieser Verhaltensweisen so groß ist. Man müsste schon sehr weit ausholen, um in einer Theorie Erklärungen für einerseits Steuerbetrug und andererseits Serienmord zu vereinen. Das einzige, was beide Verhaltensweisen verbindet ist, dass sie als kriminell etikettiert sind. Eine deliktspezifische Ätiologie devianten Verhaltens stellt dabei keinesfalls die Ergebnisse der großen kriminalsoziologischen Theorien in Zweifel: So kann sicherlich davon ausgegangen werden, dass unter bestimmten sozialstrukturellen Bedingungen, wie z.B. Anomie (Merton 1938), Kriminalität per se besser gedeiht als unter wünschenswerteren gesellschaftlichen Ausgangslagen. Aber eben darin besteht der Unterscheid zwischen Kriminalität und kriminellen Handeln: Kriminalität, als ein Zustand in der Gesellschaft, hat andere Gründe als die, die zur Begehung einer konkreten Tat führen und trotzdem hängt beides zusammen. Ein holistischer Erklärungsansatz für kriminelles Handeln, muss daher alle denkbaren Einflüsse, sowohl auf Interaktionsebene (Mikro Level) als auch auf Sozialstruktur-Ebene (Makro Level), berücksichtigen1. Viele der jüngeren Ansätze, die aus der 200–jährigen Entwicklung der Kriminologie und der Kriminalsoziologie hervorgegangen sind2, vereinen Ideen aus unterschiedlichen Theorien, sowohl auf dem Mikro als auch auf dem Makro Level, um kriminelle Handlungen zu erklären. Ein deliktspezifischer Ansatz bringt eine weitere Notwendigkeit mit sich: Die Suche nach Ursachen für bestimmte Delikte kann nicht ausschließlich bei den Tätern ansetzen, sondern die Umstände der Tat selbst müssen berücksichtigt werden. Diese Arbeit greift tatorientierte Ansätze auf, um den Einfluss von verschiedenen Räumen der Stadt auf ganz bestimmte kriminelle Handlungen detailliert zu beschreiben und zu erklären. Der Raum mit seiner physikalischen Ausstattung ist allerdings nur eines von vielen Merkmalen der Tatsituation. In einer bestimmten Situation sind Raum, Zeit, anwesende Personen, kulturelle Gegebenheiten 1 Brantingham & Brantingham machen auf die Notwendigkeit aufmerksam, Kriminalität erstens tatorientiert und zweitens als eine Form des Verhaltens zu betrachten: „Since the early 1970’s, an alternative theoretical movement has focused on criminal events. Aimed explicitly at development of conceptual frameworks for explaining crimes and criminal behavior that cross disciplinary boundaries, this theoretical movement has accepted the need to explain crimes at etiologically complex patterns of behavior“ (1993a:260). 2 Zur geschichtlichen Entwicklung der Disziplin vgl. Eifler (2002). 6 Einleitung und eben auch: Eigenschaften des Handelnden selbst, ein zusammenhängendes Gefüge, welches das menschliche Verhalten bestimmt. Aber selbst wenn man versucht die Ursachen eines bestimmten Delikts zu identifizieren, wird man schnell auf eine Fülle von unterschiedlichen Einflussfaktoren stoßen. Da eine direkte Kausalität (Einfluss A determiniert Handlung B) im Falle von menschlichem Verhalten ausgeschlossen werden kann (mit der Ausnahme von Reflexen), ist die Zahl der indirekten Einflussfaktoren prinzipiell unbegrenzt und vielfach schwer nachvollziehbar. Das Ziel einer deliktspezifischen Ätiologie sollte daher neben einer möglichst vollständigen Erklärung von Ursache-Wirkung Zusammenhängen, die Antwort auf die Frage nach der Wirkungsweise einer Ursache sein (Beschreibung), und damit verbunden: die Frage nach der Relevanz einer Ursache für eine bestimmte Handlung. Der Grad der Relevanz lässt sich theoretisch auf einem Kontinuum von „nahezu keine Relevanz“ bis „nahezu determinierend“ unterscheiden. So spielt etwa bei einem Gewaltdelikt das Frühstück eine unbedeutende- aber auf verschachtelten Wegen eben doch eine Rolle, während elterliche Misshandlung ein sehr aussagekräftiger Prädiktor für Gewaltbereitschaft ist, ohne diese dabei zu determinieren (vgl. z.B. Strauss et al 1997; Pfeifer, Wetzels 1997). Welche Relevanz dem städtischen Raum (als die physischen Gegebenheiten einer Situation) bei der Genese von bestimmten kriminellen Verhaltensweisen zukommt, soll in dieser Arbeit geklärt werden. Spielt er überhaupt eine aktive Rolle oder ist städtischer, öffentlicher Raum lediglich teilnahmsloser Behälter und Schauplatz von kriminellen Handlungen? Entgegen einiger Auffassungen, die bestreiten, dass der Raum selbst kriminogenes Potential hat3, wird hier argumentiert und dargelegt, dass der städtische Raum selber „Generator“4, und nicht nur Rezeptor von kriminellen Handlungen sein kann. Allerdings trifft dies nur für die Kombination von bestimmten Raumtypen mit bestimmten Delikttypen zu. Für manche Delikte versagen kriminalgeografische Erklärungen. Ebenso scheinen bestimmte Raumtypen keinerlei Einfluss auf kriminelles Verhalten auszuüben. Kombinationen von Raumtypen und Delikten, die kriminalgeografische Erklärungen nahe legen, sollen im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls identifiziert werden. Wie ist diese Arbeit aufgebaut? Eingangs wird die anhaltende Diskussion in der Sozialpsychologie über die Bedeutung der Situation (entgegen der Bedeutung von Dispositionen und Charaktereigenschaften) für menschliches Verhalten aufgegriffen. Anhand des Situationsbegriffs aus der environmental psychology wird dieser diffuse Begriff für eine wissen- 3 So stempelt Belina (2000:143) kriminalgeografische Konzepte als „kriminologische Varianten des Raumfetischismus“ ab. 4 Braningham, Paul, Brantingham, Patricia: (1995): Criminality of place. crime generators and crime attractors. In: European Journal on criminal policy and research. 3 (1995) 5-26. 7 Einleitung schaftliche Untersuchung greifbar gemacht. In Kapitel 2 wird die Wirkungsweise der einzelnen Situationskomponenten (soziale, kulturelle, temporale, physikalische/räumliche und individuelle) auf menschliches Verhalten anhand unterschiedlicher Theorien erläutert. Die Kapitel 3 bis 6 widmen sich der physikalischen/räumlichen Situationskomponente. In den Kapiteln 7 bis 9 wird die empirische Untersuchung dieser Arbeit und deren Ergebnisse beschrieben. 8 A A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund 1. Situation, Kontext und backcloth Situation, Kontext und backcloth sind Bezeichnungen unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen für das Gefüge, in dem sich menschliches Verhalten manifestiert. Hinter all diesen Begriffen verbirgt sich die Auffassung, dass dieses Gefüge Einfluss auf die, in ihm vorkommenden, Handlungen5 hat. Die diesen Begriffen zu Grunde liegenden Konzepte unterscheiden sich allerdings inhaltlich voneinander. Während die Sozialpsychologie Situationen vor allem hinsichtlich ihres sozialen Einflusses (durch andere Menschen) untersucht, beinhalten die Begriffe Kontext und backcloth weitere situative Dimensionen die Verhalten beeinflussen, wie etwa kulturelle, individuelle oder zeitliche. Jede Situation6 ist mit all ihren Merkmalen an einen bestimmten Ort mit seiner materiellen Ausstattung gebunden und enthält demnach auch eine physikalische Komponente. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit eben dieser physikalischen Komponente von Situationen, und untersucht, welche Rolle die Orte von Situationen (beschränkt auf den städtischen öffentlichen Raum) für kriminelles Verhalten spielen. Allerdings ist die Art und Weise, wie unterschiedliche Räume der Stadt sich auf unser Verhalten auswirken, komplex. Keineswegs determiniert eine physikalische Gegebenheit irgendein Tun, wie es der architektonische Determinismus behauptet (Bell et al. 2001:273). Vielmehr wirkt sie in Interaktion mit den anderen, nicht-materiellen Gegebenheiten der konkreten Situation. Die Summe aller situativen Einflüsse stellt die objektive Ausgangssituation einer Handlung dar (im Folgenden wird eine spezifische Kombination von Situationsmerkmalen als Situationskonfiguration bezeichnet). Allerdings sind die individuellen Unterschiede der Situationsteilnehmer selber Teil der Situation. Jede Situation wird daher in einem subjektiven Prozess wahrgenommen und konstruiert, woraufhin die entsprechende Verhaltensweise folgt. Bevor wir uns der Untersuchung der physikalischen Komponente von Situationen widmen, wird auf die unterschiedlichen Situationsbegriffe Situation, Kontext und backcloth eingegangen, weil sie verschiedene Situationsdimensionen in unterschiedlichem Maße berücksichtigen. Anschließend wird auf den individuellen Konstruktionsprozess einge- 5 „Die Grenze zwischen […] sinn-, zweck- und zielorientierten Handeln, und dem bloß reaktiven Verhalten ist fließend“ (Hillmann 1994:318). Beide Begriffe werden in dieser Arbeit undifferenziert verwendet. 6 Im Folgenden wird Situation als Oberbegriff für das jeweilige soziale, zeitliche, physische, psychische und kulturelle Gefüge, in dem sich Verhalten manifestiert, verwendet. Situation (im Sozialpsychologischem Sinne), Kontext (Im Sinne der environmental psychology) und backcloth (Im Sinne der environmental criminology) sind allesamt ähnliche oder synonyme Begriffe. 9 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund gangen, der erklärt, warum sich unterschiedliche Menschen in - ansonsten identischen Situationen - unterschiedlich verhalten. 1.1 Die Situation in der Sozialpsychologie: Der Gegenpol zur deterministischen Denkweise der „Architektur Behavioristen“ ist die Vorstellung, dass Persönlichkeitsmerkmale (traits), unabhängig von der jeweiligen Situation, Kontrolle über unser Handeln ausüben. Zahllose Befunde sozialpsychologischer Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Variationen in der Situation wesentlich mehr Erklärungskraft zur Vorhersage von Verhaltensweisen haben als unterschiedliche Ausprägungen von trait Dimensionen7. Dies scheint insbesondere für formale, öffentliche und neue Situationen zuzutreffen, während in informellen, privaten und vertrauten Situationen Persönlichkeitseigenschaften als Verhaltensprädiktor an Gewicht gewinnen (Buss 1989:1381). Die statistische Vorhersagbarkeit von Verhalten in neuen Situationen, unter Berücksichtigung von individuellen Charakterdispositionen (z.B. Extrovertiertheit, Offenheit…), scheint viel geringer zu sein als in der Psychologie gemeinhin angenommen wurde. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Sozialpsychologen Lee Ross und Richard Nisbett eingangs ihres Buches „The person and the situation“ (Ross, Nisbett 1991). Situationsübergreifende Konsistenz von Verhalten bestimmter Personen sei, so die Autoren, eher die Seltenheit statt der Regel. Aber scheinbar haben Menschen die intuitive Neigung bestimmtes Verhalten der Persönlichkeit und nicht der jeweiligen Situation zuzuschreiben. Diese Tendenz wird auch als fundamental attribution error (Ross 1977) bezeichnet. Beobachten wir z.B. eine Person dabei, wie sie einem Bettler8 Geld gibt, so unterstellen wir ihr meist generelle Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Altruismus. Untersuchungen aber haben gezeigt, dass Launen und Stimmungen (und solche psychologische Zustände sind eben Teil der Situation, wie später noch näher erläutert wird) einen starken Effekt auf Hilfsbereitschaft ausüben (vgl. z.B. Isen et al. 1976). Unsere intuitive Unterstellung kann daher gründlich daneben liegen: Die vermeintlich großzügige und hilfsbreite Person ist unter Umständen ein Geizhals der einen guten Tag hat. Eine fehlerhafte Schlussfolgerung ist immer dann wahrscheinlich, wenn Handlung und Charaktereigenschaft der handelnden Person inkonsistent sind, wobei die Situation ausschlaggebend für die beobachtete Handlung ist. Und genau das ist in den meisten inkonsistenten Situationen der Fall. Scheinbar sind die Freiheitsgrade unserer Handlungen, nicht so groß, wie wir es annehmen, auch wenn wir das Diktat der Situation nicht unbedingt als solches empfinden. Sozialpsychologische 7 Zur Personen-Situationen Debatte vgl. z.B. Kenrick, Funder 1988:23-34. Im Folgenden wird, dem üblichen Sprachgebrauch entsprechend, die männliche Form verwendet. Dabei sind stets auch die weiblichen Personen der entsprechenden Bezeichnung gemeint. 8 10 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Experimente haben jedoch immer wieder gezeigt, dass kleine Manipulationen der Situation einen enormen Effekt auf das Verhalten von Menschen haben, und sogar einstellungsdiskrepante Handlungen auslösen können (vgl. z.B. Milgram 1963). Ein sFlches Bespiel einstellungsdiskrepanten Verhaltens wird in der Analyse der Duisburger Schülerbefragung behandelt (Kapitel 9). Dort wird belegt, dass Schüler, die Ladendiebstahl grundsätzlich ablehnen und auch ansonsten keinerlei kriminelle Dispositionen haben, diesen dennoch gelegentlich begehen. Es ist daher zu vermuten, dass situative Einflüsse Ladendiebstahl begünstigen und ihn sogar auslösen können. Die grundsätzliche Dominanz der Situation über unsere Charakterdispositionen und die Tatsache, dass situative Faktoren in ihrer Bedeutung von Menschen häufig unterschätzt werden, führen also zum fundamental attribution error9. An die Erkenntnis der systematisch unterschätzten „power of the situation“ (Ross, Nisbett 1991:27ff) soll nun angeknüpft werden. Eine ähnliche Debatte wurde bereits innerhalb der kriminologischen Disziplinen geführt, bei der gezeigt wurde, dass nicht nur täterorientierte Ansätze, sondern auch tatorientierte und situative Theorien eine Erklärung für kriminelles Verhalten liefern können (z.B. Clarke, Felson 1993). In der Sozialpsychologie wird der Begriff Situation allerdings hauptsächlich auf den sozialen Einfluss anwesender Personen reduziert. Situationen haben jedoch noch ein viel größeres Erklärungspotential für menschliches Verhalten, wenn man noch weitere Situationsdimensionen berücksichtigt. Aus diesem Grund wird nun der Begriff Kontext, wie er in der environmental psychology verwendet wird, vorgestellt, da er weitere Situationsmerkmale einbezieht. 1.2 Die Situation in der environmental psychology: Kontext Environmental psychology10 ist eine interdisziplinär ausgerichtete Teildisziplin der Psychologie. Ihr Untersuchungsgegenstand ist die Wechselbeziehung zwischen dem Mensch und seiner Umwelt. Hinter dem Begriff Kontext verbirgt sich ein Modell, das den eher diffusen Begriff Umwelt konzeptualisieren, und so für wissenschaftliche Untersuchungen zugänglich machen soll. Mit dem Konzept von Kontext wird dabei sichergestellt, dass eine Beziehung zwi9 Zwei Anmerkungen zum fundamental attribution error: Die Tendenz spezifisches Verhalten auf Charaktereigenschaften zurückzuführen scheint das Resultat eines spontanen, automatischen Verarbeitungsprozesses zu sein. Erst ein bewusstes Nachdenken über beobachtetes Verhalten, zu dem es in der Regel nicht kommt, zieht situative Einflüsse in Betracht (vgl. Taylor et al. 2003:51f). Zweitens haben interkulturelle Untersuchungen gezeigt, dass der fundamental attribution error vor allem in westlichen Nationen aufzutreten scheint, während in anderen Kulturkreisen bei der Attributierung von Verhalten der Situation wesentlich mehr Bedeutung zugemessen wird (ebd.) 10 Die Disziplin wird im deutschsprachigen Raum als Umweltpsychologie oder ökologische Psychologie bezeichnet, findet dort aber weit weniger Beachtung als in Kanada und in den USA. Daher wird im Folgenden der englischsprachige Begriff ‚environmental psychology’ beibehalten 11 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund schen einem Umwelteinfluss (z.B. Lärm) und seiner Folge (z.B. Stress) immer in ihrer Wechselbeziehung mit anderen Umweltfaktoren (z.B. Temperatur) gesehen wird. In diesem Zusammenhang werden solche intervenierenden Einflüsse auch als „contextual modeators“ (Stokols 1987:47) bezeichnet. Eine der jüngsten und elaboriertesten Konzeptionen von Kontext stammt von Clitheroe (Clitheroe et al. 1998:103). Zwei dem Konzept zugrunde liegenden Annahmen lauten: „ all behavior occurs within a context that has the potential to affect it; a description of a given context ideally should include all those factors that might in some way affect the behaviour of an individual or group in that context” Aus diesen Annahmen wird bereits deutlich, dass es in der environmental psychology um mehr als nur den sozialen Einfluss anwesender Personen geht. Allerdings unterscheidet sich der Begriff Kontext nicht nur in der Anzahl der Einflussfaktoren von dem Begriff Situation im sozialpsychologischen Sinne. Der grundlegende Unterschied ist nach Clitheroe Folgender: Während der Begriff Situation eine zeitlich-räumlich begrenzte Interaktion zwischen Mensch und Umwelt mit all ihren potentiellen Einflussgrößen bezeichnet, bezieht sich der Begriff Kontext auf eine ganz bestimmte Konfiguration dieser Einflussgrößen (Clitheroe et al. 1998:105): „Context is used here to refer to a specific set of personal, physical and social aspect of environments, behaviour Settings and/or situations selected for considerations by a researcher or designer. […] These aspects can be generally referred to as contextual factors…” Aus der prinzipiell unendlichen Anzahl verschiedener Situationskonfigurationen11 sollen also vom Forscher diejenigen ausgewählt werden, die als Erklärungsgröße für das zu untersuchende Verhalten vermutet werden. Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis kommen auch Wappner und Demick in ihrem Aufsatz zur Konzeptualisierung von Umwelt (Wapner, Demick 2002:4): „…we have used the term context to connote the specific situation (overt and covert events and processes) in which the individual finds himself of herself” Ein „spezifischer Kontext“ (Wapner, Demick 2002:8) wird in diesem Ansatz als die Kombination der jeweiligen Ausprägungen von physischen, soziokulturellen und psychologischen 11 Eine Situationskonfiguration soll verstanden werden als eine ganz bestimmte Kombination von contextual factors, und deren Ausprägungen. Der Begriff ist also gleichbedeutend mit Kontext. 12 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Merkmalen a) der Umwelt und b) der Person in dieser Umwelt begriffen. Auch hier ließe sich wieder der Begriff Situationskonfiguration (als Synonym für Kontext) anbringen. Entscheidend bei diesem Ansatz ist, dass es sich um ein dynamisches Modell handelt. Kontext bzw. Situationen entstehen nicht unabhängig von der Person, sondern erst durch diese. Zwischen Person und Umwelt besteht ein interaktionistisches Verhältnis; beide zusammen bilden die Untersuchungseinheit. Als Ergebnis ihrer konzeptionellen Arbeit fassen Clitheroe und seine Kollegen schließlich die folgenden Erfordernisse für eine systematische Untersuchung von Umwelt-Verhalten-Beziehungen zusammen, die spezifiziert werden müssen (Clitheore et al. 1998:111): Auslöser (prompt) für Verhalten in der entsprechenden Situation Das zu untersuchende Verhalten Individuelle Faktoren der Person(en), deren Handlung untersucht wird Soziale Faktoren der Situation Physikalische Faktoren der Situation Zeitspanne der Mensch-Situation Interaktion Ergebnisse des Interaktionsprozesses (intendierte oder nicht intendierte Handlung, mögliche Rückkopplungen durch die Handlung, abgeschlossene Handlung oder Übergangshandlung) Diese hilfreiche Systematisierung von Situation und Umwelt gibt allerdings noch keine Antwort darauf, welche Faktoren für welche Handlung eine Rolle spielen. Diese Frage muss der Forscher selbst in konkreten Untersuchungen beantworten. Die hier vorgestellten Ideen sollen dabei als konzeptionelle Grundlage dienen. Ein Begriff, der sich an dem hier vorgestellten Konzept orientiert, den Untersuchungsschwerpunkt allerdings auf kriminelle Verhaltensweisen beschränkt, ist der Begriff backcloth aus der environmental criminology. 1.3 Backcloth: die Situation von kriminellen Handlungen: Die environmental criminology ist ein junger, interdisziplinärer Zweig der Kriminologie. Wie schon die sozialökologischen Ansätze der Chicago school (vgl. Burges 1916, Park et al. 1925, Shaw 1929) versuchen ihre Vertreter Fragen zur Geografie von Kriminalität zu beantworten. Das Feld hat sich jedoch seit den klassischen Beiträgen der Chicago school stark gewandelt. Brantingham und Brantingham bezeichnen die environmental criminology als die dritte „Welle von Untersuchungen zur Kriminalgeografie“ (1981:9), dessen Anfang die Beiträge von C.R. Jeffery (crime prevention through environmental design 1971) und Oscar Newman (defensible space 1972) darstellen. Im Prinzip unterscheidet sich die environmental criminology 13 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund von der environmental psychology nur in zwei Dingen: Erstens beschränkt sich der Untersuchungsgegenstand auf kriminelles Verhalten und zweitens wird dieses üblicherweise nur im Zusammenhang mit städtischer Umwelt analysiert. Zentral bei dieser Disziplin ist aber auch die Annahme, dass menschliches Handeln situationsabhängig ist, und dass eine Situation (bzw. Kontext, bzw. backcloth) durch all die Faktoren definiert ist, die die Handlung beeinflussen - inklusive den Eigenschaften des Handelnden selbst12. Die entsprechende Erläuterung des Begriffs backcloth (zu Deutsch: Hintergrund) erinnert daher nicht zufällig an die Definition von Kontext bei Wappner und Demick (a.a.O.): „The term environmental backcloth is used within environmental criminology to attach a label to the uncountable elements that surround and are part of an individual and that may be influenced by or influence his or her criminal behaviour” (Brantingham, Brantingham 1993b:6) Die Feststellung, dass „unzählbare Elemente“ Einfluss auf (kriminelles) Verhalten ausüben, ist zwar richtig, wirft aber Probleme bei dessen wissenschaftlicher Analyse auf. Aus diesem Grund schlagen Brantingham & Brantingham zu Analysezwecken einen „working backcloth“ (ebd. S.7) vor, der die unzähligen Einflüsse in fünf Dimensionen systematisiert: Eine soziale, eine kulturelle, eine legale, eine räumliche und eine zeitliche Dimension. Diese Dimensionen sind aber tatsächlich als eine Einheit zu begreifen und bilden - eben durch ihre Verflechtung den environmental backcloth oder die Situation. Viele in der environmental criminology vorliegenden Studien beschäftigen sich mit der räumlichen Komponente des backcloth, und somit mit den physikalischen Gegebenheiten einer Situation13. Übereinstimmende Befunde dieser Untersuchungen sind, dass bestimmte physikalische Merkmale des Raumes kriminalitätsfördernde oder sogar kriminalitätsgenerierende Eigenschaften haben. Situationen können durch ihre räumlichen Merkmale dahingehend beeinflusst werden, dass bestimmte kriminelle Handlungen in ihnen wahrscheinlicher werden. Sind solche Merkmale fortwährend zugegen, so konzentrieren sich bestimmte Verbrechen in diesem Raum; es bilden sich so genannte hot spots. In Kapitel 8 werden die verschiedenen Ansätze der environmental criminology ausführlich behandelt. Diese Arbeit untersucht solche räumlichen Situationsmerkmale, die einen kriminogenen Einfluss ausüben. Diese können aber, wie die Konzepte von Kontext und backcloth zei12 Diese Formulierung lässt den Verdacht einer tautologischen Erklärung aufkommen. Die Begriffe Situation, Kontext und backcloth sollen jedoch gar nichts erklären, sondern lediglich eine neue Perspektive für die komplexen Einflüsse menschlichen Handelns geben: „Research using the idea of the backcloth is a different way of thinking about problems“ (Brantingham & Brantingham 1993:7) 13 Vgl. z.B.: Beavon, D.J., et al. (1994); Hull, B.R. et al. (2001); Blöbaum, A., Hunecke, M. (2005), 14 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund gen, nicht isoliert von anderen Situationsmerkmalen betrachtet werden. Situation soll hier als das Gefüge verstanden werden, in dem sich menschliches Verhalten abspielt (synonym mit dem Begriff environmental backcloth). Eine Situationskonfiguration ist eine bestimmte Situation (also eine spezifische Kombination situativer Einflussfaktoren und deren ganz bestimmte Ausprägungen), und wird synonym mit dem Begriff Kontext verwendet. Den oben vorgestellten Konzepten entsprechend, werden in dieser Arbeit die prinzipiell unendlich vielen situativen Einflussfaktoren kategorisiert. Demnach bestehen in einer Situation soziale, kulturelle, physische und zeitliche Einflüsse auf das menschliche Handeln, die in ihrer Bedeutung abhängig sind von den individuellen Unterschieden der Situationsteilnehmer (psychische und individuelle Einflussfaktoren der Situation)14. Umwelt und Individuum stehen in einem interagierenden Verhältnis und auch die anderen Situationsfaktoren sind untereinander wechselseitig voneinander abhängig. Die auf diese Weise objektivierbare Situation wird allerdings durch Perzeption der Situationsteilnehmer individuell konstruiert. Erst nach dieser subjektiven Interpretation der Lage münden die Situationseinflüsse in eine bestimmte Handlung, deren Folgen intendiert oder nicht intendiert sein mögen. Die verschiedenen Einflussfaktoren werden im folgenden Kapitel dargestellt, und anhand verschiedener sozialwissenschaftlicher Theorien zu einem umfassenden Handlungskonzept integriert. Der Beschreibung der objektiven Situationsmerkmale folgt eine Darstellung des subjektiven Perzeptionsprozesses. Dabei wird erst einmal nicht zwischen konformen und abweichenden Handlungen unterschieden, da hier angenommen wird, dass beide Verhaltensweisen gleichermaßen in einem solchen Prozess „entstehen“. Hierzu Brantingham & Brantingham (1993:6):”… to understand crime we must understand the complexity of crime as a type of behaviour.” 2. Verhaltesrelevante Situationsmerkmale In diesem Kapitel soll ein Überblick über die komplexe Wirkungsweise von Beziehungen zwischen Umwelt und Verhalten gegeben werden. Dabei wird angenommen, dass abweichendes Verhalten im Prinzip durch die gleichen Wirkungsweisen erklärt werden kann, wie andere Handlungen. Damit wird der Untersuchungsgegenstand (kriminelle Handlungen in Form von bestimmten Delikten) zugänglich für soziologische sowie sozial- und umweltpsychologische Handlungstheorien. Verschiedene solcher Theorien werden in diesem Kapitel zu einem 14 Hamm (1996:258) vertritt eine sehr ähnliche Auffassung von Situation: „Wie sich Menschen im Räumen verhalten, hängt entscheidend davon ab, wie sie Situationen definieren und welche Verhaltensregel ihnen dadurch nahe gelegt werden. Situationen sind durch mindestens drei Merkmalsbündel charakterisierbar: Die Merkmale der anwesenden Personen,… die Ausstattung des Raumes mit Sachen und die Merkmale der Zeit“. 15 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Handlungsmodell integriert. Diese Konzeptualisierung ähnelt dem „electic model“ bei Bell et al. (2003:131ff). Die hier behandelten Einflussgrößen, die in einer Situation Einfluss auf menschliches Verhalten ausüben (soziale, kulturelle, physische, temporale und psychologische) werden aus analytischen Gründen getrennt. In Wirklichkeit bilden sie eine Einheit, die sich allerdings wissenschaftlichen Ansätzen entziehen würde. Jede dieser Situationsdimensionen ist wiederum ein Faktorenbündel, welches unterschiedliche Arten von Einflüssen enthält. So kann sozialer Einfluss beispielsweise in direktem physischem Zwang oder aber in Konformitätsdruck bestehen. Kultureller Einfluss kann sowohl durch allgemeine Wertvorstellungen als durch konkrete Gesetze wirken. Anhand dieser Konzeptualisierung können jeweils für bestimmte Handlungen Situationskonfigurationen identifiziert werden, die diese bestmöglich erklären. Abbildung 1 am Ende des Kapitels veranschaulicht diesen Gedanken. 2.1 Sozialer Einfluss Die soziale Dimension einer Situation, sprich die anwesenden Personen und ihre Beziehungen zueinander, wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Handlungen der Anwesenden aus. Ein völliges Ignorieren von Personen um deren Anwesenheit man weiß, ist unmöglich. Interaktion findet statt, und findet auch dann statt, wenn man sie bewusst vermeiden will. Unser Verhalten unterscheidet sich demnach alleine schon nach den Handlungen auf der „Hinterbühne“ (Goffman 1969) (Wenn wir alleine sind, oder uns zumindest in der Privatsphäre befinden) und denen auf der „Vorderbühne“, also in der Öffentlichkeit. Wie bereits erwähnt, begünstigen neue und formelle Situationen (die vor allem auf der Vorderbühne gegeben sind) situative Verhaltenseinflüsse, während charakterlichen Dispositionen eher weniger Bedeutung zukommt. Warum aber verhalten sich Menschen auf der Vorderbühne tendenziell konform und warum fällt es ihnen so schwer, sich in neuen und formellen Situationen abweichend (im positiven wie im negativen Sinne15) und unkonventionell zu verhalten? Zwei Umstände verleihen dem sozialen Einfluss ihre Stärke: „informative und normative Aspekte“ (Ross, Nisbett 1991:44): Andere Leute stellen die zentrale Informationsquelle über adäquates Verhalten dar, besonders dann, wenn wir nicht schlüssig sind wie wir uns Verhalten sollen. Unter Anderem lernen, und entwickeln sich Menschen durch Beobachtung und Nachahmung und sind in 15 Häufig lassen sich Leute im Falle von massenhaften Gesetzesübertretungen „mitreißen“, anstatt sich in einer solchen Situation abweichend zu verhalten. Ein besonders spektakulärer Fall ereignete sich während der Plünderungen in New Orleans nach dem Hurrikane Katrina. Vier Polizisten wurden angeschuldigt, sich an den Plünderungen beteiligt zu haben. Das entsprechende Video des Fernsehsenders NBC zeigt zwei der beteiligten Polizisten in Uniform, wie sie inmitten der Plünderung eines Wall-Marts ebenfalls einen Einkaufswagen mit Waren füllen.(Siehe: http://www.msnbc.msn.com/id/11920811/ und http://www.cnn.com/2005/US/09/29/nopd.looting/) 16 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund der Regel damit erfolgreich. Es gibt daher einen guten Grund dies in einer gegebenen Situation auch zu tun, selbst wenn die Handlungen der Anderen nicht nachvollzogen werden können16. Anwesende einer bestimmten Situation haben üblicherweise eine normative Basis, die den reibungslosen Ablauf ihrer Tätigkeiten sicherstellt (z.B. Anstehen in einer Warteschlange). Abweichende Handlungen behindern diesen Ablauf und werden folglich sanktioniert (und sei es nur mit strafenden Blicken). Bewusste Zuwiderhandlungen werden daher sorgfältig mit den Konsequenzen abgewogen, da Menschen auch kleine Sanktionen, z.B. in Form von Spott oder Ärger, meiden (Janes, Olson 2000) und üblicherweise ein „Verlangen“ danach haben von anderen „gemocht zu werden“ (Taylor et al. 2003:210). Die Folge des situativen Einflusses, der durch anwesende Personen ausgeübt wird, besteht also hauptsächlich darin, sich so zu verhalten, wie es Andere tun, bzw. wie Andere es von einem erwarten. Dies ist sicherlich nicht weiter überraschend, aber die Tendenz sich in seinem Verhalten dem seiner Mitmenschen anzupassen kann auch Probleme bereiten. So kommt es z.B. bei Notlagen von Personen häufig zu einer kollektiven Fehleinschätzung der Situation. Dieser Effekt wird als inhibition of bystander intervention oder bystander effect (Darley, Latente 1968) bezeichnet. Hilfeleistung wird demnach vor allem durch die Anwesenheit Anderer unterbunden, da die Verantwortung in einer Notsituation verteilt wird (warum sollte gerade ich helfen?). Darüber hinaus setzt anfängliches Zweifeln über den Bedarf von Hilfe einen Teufelskreis der Untätigkeit in Gang: Da wir unschlüssig darüber sind, ob unsere Hilfe benötigt wird oder nicht, orientieren wir uns an dem Verhalten der Anderen, die üblicherweise eine verlässliche Informationsquelle darstellen. Da aber auch die Anderen diese Zweifel abwarten lässt, entsteht eine Situation die anzeigt: Es gibt gar keinen Bedarf für Hilfe. Während sozialer Einfluss üblicherweise das soziale Miteinander gewährleistet, kann er in bestimmten Situationen, wie im Falle des bystander effects, also auch einen unerwünschten Effekt haben. Große Ansammlungen von Menschen gewähren Anonymität, was in dem Moment zum Problem werden kann, in dem eine Menschenmasse außer Kontrolle gerät. In diesem Falle neigen einige Menschen dazu, sich besonders hemmungslos zu verhalten, und es entwickelt sich eine nahezu unkontrollierbare Gruppendynamik. Dieses Phänomen lässt sich bei massenhaften Gewaltausbrüchen, Plünderungen und Vandalismus beobachten, und wird Deindividuation genannt (Postmes, Spears 1998). Aber auch ohne die Anonymität, die eine 16 Man Stelle sich z.B. folgendes Experiment vor: Inmitten einer gut besuchten Vorlesung, verlassen plötzlich alle Studenten (die in das Experiment eingeweiht sind) bis auf einen (ein ahnungsloser Experimentteilnehmer) scheinbar grundlos den Hörsaal, während der Professor mit der Vorlesung fortfährt. Der ahnungslose Teilnehmer müsste in dieser Situation schon ein gehöriges Maß an Überwindungskraft aufbringen um sich nicht beeinflussen zu lassen und in der Vorlesung zu verweilen. 17 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund große Gruppe gewährt, kann ihr Einfluss zuweilen kriminalitätsbegünstigend wirken. Gerade Jugendliche orientieren sich in vielerlei Hinsicht an ihrer peer group, und insbesondere an Freunden und ihrer Clique - auch dann, wenn ihre Gruppennorm von der gesellschaftlichen Norm abweichen mag. Viele Delikte werden von Jugendlichen vor allem in Gruppen begangen (Lösel 1999). Die Anwesenheit Gleichaltriger scheint, wenn die Gruppennormen entsprechend ausgeprägt sind, kriminalitätsfördernden Einfluss auszuüben (es handelt sich dann um den normativen Aspekt des sozialen Einflusses). Es kann vermutet werden, dass dies besonders für Jugendliche gilt, deren Clique ihre einzige Prestigequelle darstellt. Wenn die Clique die letzte Quelle für Anerkennung in einer ansonsten perspektivlosen Umwelt ist, stehen die Jugendlichen unter besonders hohem Konformitätsdruck und müssen um ihr Prestige mitunter buchstäblich kämpfen. Die soziale Dimension einer Situation ist also ein wichtiger verhaltensregulierender Faktor. Für manche Delikte (wie z.B. Körperverletzung und Sachbeschädigung) mag sie eine entscheidende Erklärungsgröße sein. Jedoch wirkt sozialer Einfluss immer in Kombination mit den anderen Gegebenheiten der Situation. Eine Gruppe gewaltbereiter Jugendlicher wird untätig bleiben, wenn sie kein geeignetes Zielobjekt für ihre Aggression findet. Bestimmte Räume wie z.B. Schulen halten Zielobjekte für Vandalismus und Gewalt dauerhaft bereit. In ihnen verdichten sich kriminalitätsbegünstigende Faktoren (Anwesenheit bestimmter jugendlicher Cliquen, Zielobjekte), woraufhin es zu einer Konzentration bestimmter Verhaltensweisen in eben diesen Räumen kommen kann. Sozialer Einfluss muss allerdings keinesfalls unmittelbar und direkt wirken. Wie die Theorie der differenziellen Kontakte (Sutherland 1973) beschreibt, bestimmen Dauer, Priorität und Intensität der Kontakte von Kindern und Jugendlichen die Übernahme von Einstellungen17 und das Erlernen von (kriminellen) Verhaltensweisen. Entsprechende Kontakte zu schlechten Vorbildern erhöhen demnach das Risiko zu einem späteren Zeitpunkt kriminell zu werden. In einer bestimmten Situation wird der vorhergegangene soziale Einfluss dann in Form von individuellen Dispositionen (Einstellungen, Erfahrungen, Erlerntem) wirksam, und kann in Kombination mit anderen situativen Einflussfaktoren in einer kriminellen Handlung resultieren. Die Überlegungen von Sutherland sind konsistent mit den Ansätzen der Theorie des sozialen Lernens (Bandura 1977). Demnach werden durch Imitation von Vorbildern nicht bloß konforme Verhaltensweisen erlernt. Der Lerneffekt für aggressives Verhalten wurde experimentell bestätigt: „A main mechansim that determines human aggressive behavior is past learning“ (Miles, Carey 1997). In einer klassischen Studie von Bandura et al. (1961) 17 Für das sozialpsychologische Dreikomponentenmodell von Einstellungen (attiudes) vgl. Eagly, Chaiken 1993. 18 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund zeigten Kinder, die vorher aggressive Verhaltensweisen von Erwachsenen beobachtet hatten, ihrerseits mehr Aggression als Kinder, die nicht-aggressives Verhalten von Erwachsenen beobachtet hatten. Die aggressiven Vorbilder hatten einen umso größeren Einfluss auf das Verhalten der Kinder, wenn sie belohnt wurden, vom gleichen Geschlecht wie das Kind waren, und/oder eine affektive Bindung zu dem Kind hatten (Bandura et al. 1963). Festzuhalten bleibt, dass die Wirkungsweise sozialen Einflusses vielseitig ist. Sie kann unterschieden werden, in einen unmittelbaren Einfluss Anwesender (informative und normative Einflüsse, Machtverhältnisse), und einem zeitlich verlagerten Einfluss, der durch die differenziellen Kontakte und durch soziales Lernen im Laufe der Sozialisation wirkt. Dieser indirekte Einfluss wird in einer bestimmten Situation durch entsprechende individuelle Unterschiede in Einstellungen, Erfahrungen und Kognitionen moderiert. 2.2 Kultureller Einfluss Die Situationseinflüsse, die hier unter kulturellen Einfluss subsumiert werden, sind ebenso facettenreich wie soziale Einflüsse. Zum einem lassen sich direkt verhaltensstrukturierende Einflüsse wie Werte, Normen und Gesetze nennen. Ihre Gültigkeit ist abhängig von der Situation, d.h. manche Vorschriften, Verbote und Regeln gelten nur an festgelegten Orten, zu festgelegten Zeiten und für bestimmte Personen. Da das bestehende Recht selbst bestimmte Handlungen als kriminell definiert, kann es an dieser Stelle nicht weiter als ein verhaltensrelevanter Einflussfaktor behandelt werden - es wäre tautologisch festzustellen, dass ein typisches Situationsmerkmal von Ladendiebstahl der Verstoß gegen geltendes Recht ist. Will man in einem anderen Zusammenhang von kulturellen Einflüssen für menschliches Verhalten sprechen, kann auf die „kulturelle Struktur“ aus der Anomietheorie Mertons verwiesen werden (Merton 1957). Die gerade genannten Werte, Normen und Gesetze sind ein Teil dieser Struktur. Sie schreiben vor auf welche Art und Weise die kulturell festgelegten Ziele und Ideale (z.B. Wohlstand und Reichtum) erreicht werden dürfen. Diese kulturspezifischen Ziele und Ideale sind ein Situationsmerkmal welche bestimmte (kriminelle) Verhaltensweisen wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich macht. Kulturelle Einflüsse bestehen in einer gegebenen Situation unbewusst und hintergründig; sie sind gelernt und verinnerlicht und betreffen Vorstellungen, wie die von Ästhetik, Menschenbild, Religion und anderen Weltanschauungen sowie Wirtschaftsorganisation und den Grad gesellschaftlicher Differenzierung. Dadurch lässt sich dann beispielsweise erklären, warum die Zahl der Fälle von Großviehdiebstahl in der BRD mit einer pro Kopf Quote von 0,000006 im Jahr 2004 (Bundeskriminalamt 2005:36) vermutlich niedriger ausfällt als bei manchen Nomadenvölkern. 19 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Wenn man, wie Hamm (1996:254ff), Situation als einen Kommunikationsprozess be- greift, dann besteht der verhaltensrelevante Einfluss von Räumen in der kulturell festgelegten Bedeutung der Dinge und Gegenstände im Raum (also der physikalischen Merkmale der Situation). Nach dieser Auffassung wird davon ausgegangen, dass jeder vom Menschen erschaffene Gegenstand eine „Gebrauchsanweisung“ (ebd. S. 253) für seine Verwendung kommuniziert. Der Gegenstand ist ein Symbol mit einer bestimmten Bedeutung (Semantik), wodurch er bestimmte Verhaltensweisen nahe legt und andere ausschließt (Pragmatik). Darüber hinaus ist die Bedeutung der Symbole abhängig von ihrer Kombination mit anderen Symbolen (Syntax): Die Kombination der beiden Symbole „Messer“ und „Kochmütze“ vermittelt eine andere Botschaft als die beiden Symbole „Messer“ und „Strumpfmaske“. Eine solche Semiotik des Raumes wird auch der „pattern language“ (Alexander et al. 1977) zu Grunde gelegt. Diese umfasst 253 verschiedene architektonische Raumzeichen, wie Bänke, Türen, Alleen usw., die die Funktion von Raum beschreiben. Allerdings setzt ein solches „lexikalisches Inventar von Raumzeichen“ (Hamm 1996:253) ein gemeinsames Verständnis dessen voraus, was die Zeichen bedeuten. Nur wer den Code für die Bedeutung eines Zeichens durch Sozialisation erlernt hat, wird wissen wozu eine Rolltreppe gut ist. Hamm versteht Kultur als „die Summe der Codes, die allen Menschen einer Gesellschaft gemeinsam sind“ (ebd. S. 276) und eben durch diese Codes entfaltet Kultur in einer ganz bestimmten Situation ihren Einfluss auf menschliches Verhalten. Der Code dient der Übersetzung des Symbols zum richtigen Umgang mit dem Gegenstand. Allerdings können Subkulturen in einer Gesellschaft abweichende Codes definieren, und ein Raumzeichen mit einer anderen Bedeutung belegen. In diesem Zusammenhang kann man analog zur sozialen Distanz auch von einer „Code Distanz“ (ebd. S.268) sprechen: Je größer die sozialen Unterschiede (z.B. Unterschiede im sozialökonomischen Status) zweier Personen, desto eher unterscheidet sich die Bedeutung der räumlichen Symbole für diese Personen. Auf Grund solcher Code Distanzen kann es zu Verhalten in öffentlichen Räumen kommen, das von bestimmten Mitgliedern der Gesellschaft als abweichend definiert wird: Für ein älteres Ehepaar ist eine Parkbank ein Ort der Erholung; für jugendliche Skater stellt sie das Inventar für bestimmte Kunststücke dar. Die Vorstellung von Codes, die Menschen erlernen, und die ihnen dann bei der richtigen Verwendung der Dinge helfen, haben große Ähnlichkeit mit dem Konzepten von Schema, script und template, die später erläutert werden. Die kulturellen Einflüsse, auch wenn sie hier gesondert behandelt werden, sind zwingend an andere Situationsmerkmale gebunden. Sie existieren nicht losgelöst, sondern benötigen einen Träger oder ein „Substrat“ (ebd. S.253). Die kulturell festgelegte Bedeutung eines 20 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Gegenstandes kann eben nur durch den Gegenstand selber eine Wirkung entfalten und ist daher streng genommen ein physikalischer Einflussfaktor. Ähnlich ist es bei dem Einfluss kulturspezifischer Ziele aus der Anomietheorie Mertons: Sie werden erst in Form von Einstellungen und Affekten des Handelnden wirksam, und müssen daher vom Individuum in die Situation mitgebracht werden. Dies ist auch wieder ein Beleg dafür, dass die unterschiedlichen Einflussfaktoren der Situation, die hier analytisch getrennt werden, als ein zusammenhängender Komplex existieren. 2.3 Temporaler Einfluss (Kriminelle) Handlungen konzentrieren sich nicht nur räumlich sondern auch zeitlich. Zeit ist dabei ein situatives Merkmal, dessen Einfluss durch die anderen Situationsdimensionen moderiert wird: Nicht die Uhrzeit, der Wochentag oder die Jahreszeit an sich sind der Grund für eine zeitliche und räumliche Konzentration bestimmter Tätigkeiten, sondern die Tatsache, dass andere Einflüsse mit der Zeit variieren. In einem bestimmten Raum ändern sich die verschiedenen situativen Einflüsse ständig. Sie sind zu bestimmten Zeiten dann so ausgeprägt, dass kriminelle Handlungen dadurch wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich werden. Die meisten Einbrüche in Privatwohnungen in Mehrfamilienhäuser unter der Woche ereignen sich z.B. tagsüber zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr (Fischer, Köhler 2003) ganz einfach weil die sozialen Einflüsse (geringes Risiko jemanden in der Wohnung anzutreffen) zu dieser Zeit günstig sind. Zudem kann sich mit dem Zeitverlauf an einem bestimmten Ort Das verändern, was dort als erlaubt oder verboten gilt. So existieren beispielsweise Ladenschlussgesetze, die den Verkauf ab einer bestimmten Uhrzeit untersagen; Das Jugendschutzgesetz untersagt es Minderjährigen sich zu bestimmten Zeiten an bestimmten öffentlichen Orten aufzuhalten, und das Mietrecht verbietet ruhestörende Handlungen (Rasenmähen, Bohren…) zu bestimmten Nachtzeiten. Im Zusammenhang mit der Analyse von Serienstraftaten macht Rossmo (2000:103) auf die Bedeutung der zeitlichen Komponente von Situationen aufmerksam: „The observation indicate the importance of a temporal dimension in the analysis of spatial crime patterns“. 2.4 Physikalischer Einfluss: Die Raumkomponente Dem Handlungsmodell, das in diesem Kapitel entworfen wird, fehlt nun noch die räumliche sowie die individuelle Situationskomponente. Alle fünf Situationskomponenten bilden die objektiven Bedingungen einer Situation, die wiederum durch den subjektiven Perzeptionsprozess individuell unterschiedlich konstruiert werden. Dieser Abschnitt diskutiert übersichtsar21 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund tig die Wirkungsmechanismen von Raum und Verhalten, um sie in das Handlungsmodell zu integrieren. Teil B dieser Arbeit beschäftigt sich dann ausführlicher und fokussierter mit Beziehungen zwischen städtischer Umwelt und kriminellen Verhalten. Jede Situation ist zwangsläufig an einen bestimmten Ort gebunden. Unter der Raumkomponente der Situation wird die materielle oder physische Ausstattung dieses Ortes verstanden18. Theoretisch lassen sich zwei Ansätze von Raum-Verhalten-Analysen unterscheiden. Theorien der behavioral geography erklären auf der Makro-Ebene wie sich kollektive Verhaltensmuster abhängig von Raummerkmalen in der Stadt verteilen. Die environmental psychology setzt eher mikro-analytisch an, und erklärt Wirkungsweisen von Raummerkmalen auf individuelles Verhalten. Die behavioral geography befasst sich also mit aggregierten Raumeffekten wie Segregation und weiteren „Wechselbeziehungen zwischen den Strukturen des Sozialraums und jenen des physischen Raums19“ (Bourdieu 1997). Auch wenn diese Arbeit vornehmlich auf die Situationsaspekte krimineller Handlungen abzielt (wie dies auch die environmental psychology tut), werden auch solche Strukturbedingungen nicht außer Acht gelassen. Oft liefern sie Erklärungen für Effekte, die sich auf der Mikroebene nicht fassen lassen. Wie bereits angesprochen vermengt sich der Einfluss, den die materielle Ausstattung des Raumes auf Verhalten ausübt insbesondere mit sozialen und kulturellen Einflüssen. Meist sind die Dinge im städtischen Raum, die sich auf unser Verhalten auswirken, nur Träger von sozialen und kulturellen Einflüssen. Eine direkte Beziehung zwischen dem physikalischen Merkmal und dem Verhalten besteht dabei oft gar nicht. So ist der Effekt, den eine Ampel auf Verhalten ausübt nur zu verstehen, wenn der kulturelle Hintergrund bekannt ist. Selbst eine Mauer oder ein Zaun würde wahrscheinlich weniger Menschen davon abhalten das Hindernis zu überwinden, wenn nicht gleichzeitig die Botschaft kommunizieren würde: „Das Betreten dieses Gebietes ist unerwünscht“. Zu diesem kombinierten Effekt von Raummerkmalen äußert sich Bell (2001:373) wie folgt: Architectural determinism holds that the built environment directly shapes the behavior of the people within it. In its most extreme form, the physical environment is seen as the only – or at least primary – cause of behavior. It has become clear however, that such a 18 Andere Physikalische Einflüsse, wie Temperatur, Geräusche und weitere nicht materielle Bedingungen beeinflussen natürlich ebenfalls menschliches Verhalten, können hier aber nicht weiter berücksichtig werden. Für eine Übersicht entsprechender Studien vgl.: Bell et al. S.137-166 und 167-203. Dort finden sich auch Ergebnisse unterschiedlicher Studien, die den Zusammenhang von Lufttemperatur und Gewalt untersucht haben. 19 Ganz ähnlich wie in der Raumanalyse von Hamm (1996) geht auch Bordieu von einem räumlichen Kommunikationsprozess aus, wenn er von einer „regelrechten Symbolik der feinen Unterschiede“ (Bordieu 1997:162) im Raum spricht. 22 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund view is too simplistic to adequately account for the effects of design. […], this view exaggerates the importance of the physical environment by underestimating the importance of social and cultural factors. Herbert Schubert macht ebenfalls auf diese einseitige Sicht des architektonischen und planerischen Raumverständnisses aufmerksam und entwirft in seinem Buch „Städtischer Raum und Verhalten“ eine integrierte Theorie des öffentlichen Raumes (2001:12): In den Planungswissenschaften hat sich der relationale Ansatz, nach dem Raum und Materie eine Einheit bilden, noch nicht sehr verbreiten können. Stattdessen herrscht ein Dualismus des Rumbegriffs vor. Der Raum wird in zwei verschiedene Typen gespalten: in den physikalischen Raum und in die soziale Raumnutzung. Indem die Planungswissenschaften den ersten Typ als das Praxisfeld ihrer Gestaltungsaufgaben definieren und den zweiten Typ den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften überlassen, wird eine unüberwindbare Barriere errichtet, den öffentlichen Raum wirklichkeitsgerecht zu fassen. Anhand seiner Theorie, die die rein physikalische Raumvorstellung um die soziale Komponente erweitert, entwirft Schubert eine Typologie öffentlicher Stadträume. Anhand dieser Typologie lässt sich nahezu jeder städtische Ort einem der 12 Raumtypen zuordnen, sofern es sich nicht um privaten Raum handelt. Die Raumtypen sind in Tabelle 1 aufgeführt. Unterscheidungskriterium der verschiedenen Raumtypen ist offensichtlich ihre Funktion und, davon abhängig, die Verhaltensweisen, die wir in diesen Räumen erwarten können. Die Typen sind dabei nicht wechselseitig exklusiv. So kann z.B. das Umfeld von Konsumorten gleichzeitig in lokalen Mittelpunkten liegen20. Ein vergleichbarer Ansatz, wie der der unterschiedlichen Settings öffentlicher Räume bei Schubert, findet sich in der ökologischen Psychologie Roger Barkers (vgl. z.B.: Barker 1968, Schoggen 1989). Die in der Tabelle unter „Beispiele“ aufgeführten Orte erinnern stark an die behavior Settings aus der Ökologischen Psychologie. Auch die Theorie Barkers beschäftigt sich mit Raum-Verhalten Beziehungen, und integriert soziale und kulturelle Aspekte in die Raumanalyse. Nach seinem Ansatz sind feststehende Verhaltensmuster typischerweise an ganz bestimmte physikalische Milieus (den behavior Settings) gebunden. Ein Raum mit vielen Stühlen, Tischen, einer Tafel und einem Overheadprojektor führt in der Regel zu ganz bestimmte Verhaltensweisen wie Aufzeigen, Vortragen von Referaten oder Diskutieren. Allerdings kann sich das Programm des Settings 20 Reutlinger (2003) erläutert, wie die Gestaltung der westlichen Großstädte auf die Bedürfnisse der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausgelegt ist. Demnach bieten die öffentlichen Räume unserer Städte kaum mehr Möglichkeiten für Handlungen, die nicht in irgendeiner Weise Formen von Konsum oder Produktion sind. Nicht konsumtives Verhalten würde zunehmend von den Besitzern und Betreibern dieser Räume als abweichend definiert und nicht geduldet. 23 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund auch ändern, wenn etwa in dem Seminarraum ein Geburtstag gefeiert wird. Den Einfluss, den der Raum auf seine Nutzer ausübt, ist also unter anderem abhängig von der sozialen Situationskomponente. Im Unterschied zu Schuberts Settings öffentlicher Räume, sind behavior Settings detailliertere Raumausschnitte. Barker bezeichnet sie auch als die grundlegenden „environmental units“ (Barker 1968:13) für die Analyse menschlichen Verhaltens. Für die Konzeption der empirischen Untersuchung in Kapitel 9 wird auf die behavior Settings und auf die Raumtypen Schuberts zurückgegriffen, da sie einen Ansatzpunkt zur Operationalisierung städtischen Raumes liefern. Tabelle 1: Settings öffentlicher Räume (Schubert 2001:60) Setting Verteilungspolitische Bereitstellung Von Räumen für Öffentlichkeit Religiöse und ethische Orte Pattern Beispiele Öffentliche Infrastruktur Freizeitheim, Bürgerhaus, Bibliothek, Museum, Theater Schwimmbad, Sportplatz, Spielplatz, Stadtteilpark, naturnahe Erholungsgebiete Auffallende oder formal abweichende Bauwerke Kirche, Mahnmal, Friedhof Lokale Räume des Wohnumfeldes Nahbereiche der Wohnstandorte Hausnahe Spielplätze, Bänke, Sitzgruppen, kleine Plätze, kleine grüne Verweilzonen Halböffentliche Übergangsbereiche Verbindung privat/öffentlich Balkone, Terrassen, Wintergärten, Eingangsbereiche, Zufahrten, Werbeplakate Reservierte Verkehrflächen Fahrwege Ränder von Verkehrwegen Straßenrand, Kommunikationsinseln Mobile Verkehrsräume Serielle Sitzordnung Ringstraße, Hauptstraße, Wohngebietsstraße, Bahnstraße, Radwege Bürgersteig, Fußwege, Arkaden, Promenaden, Alleebäume, Straßengraben, wegnahe Grünstreifen; Bahndämme, Bahnhöfe, Airport, ÖPNV Haltestellen, Telefonzellen, Tankstelle, Straßenkioske, Imbissstände, Stadtinformationssäulen Innenräume von öffentlichen Verkehrmitteln: Eisenbahn Stadtbahn, U-Bahn, Bus; Fahrstuhl/Lift, Rolltreppen Umfeld von Konsumorten Markt, Erlebnis, Dienstleistung Konsumorientierte Erlebnissorte: Markthallen, Einkaufszentren, Freiluftmärkte, Passagen, Sportarenen, Volksfestplätze; Dienstleistunksorte: Restaurants, Straßencafes, Bars/Clubs, Warteräume Öffentlich zugängliche Orte für private Tätigkeiten Orte der außerhäuslichen Eigenarbeit Waschsalons, Autowaschstraßen, Recyclinghöfe, Treffpunkte von Autobastlern, Lokale Mittelpunkte Zentrum, Aktivitätsknoten Innenstadt, zentrale Plätze, zentrale Promenaden Aufgegebene Flächen Brachen Industrie-, Militär- und Verkehrbrachen Forum, runder Tisch Vereine, Bürgerinitiativen, Versammlungen, Vereinsräume, Treffpunkte, öffentliche Kreise Internet Lokale Chatrooms, Stadtinformationssystem Informelle Mittelpunkte von sozialen Beziehungsnetzen Virtuelle Stadtöffentlichkeit 24 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Ganz bestimmte physikalische Raummerkmale spielen bei der Orientierung im städtischen Raum eine Rolle, obwohl ihnen keine soziale oder kulturelle Bedeutung zu diesem Zweck anhaftet. Kevin Lynch identifizierte in seiner Studie über kognitive Bilder von Städten, den so genannten kognitiven Landkarten (Lynch 1960), fünf solcher Raumelemente: Paths (Straßen und Wege), edges (Ränder, die nicht ohne weiteres überwunden werden können wie z.B. Fassaden, Ufer, Bahnlinien, Mauern…), nodes (Knotenpunkte von Straßen und Wegen), districts (Räume mit einem besonderem Charakteristikum wie Parks, Einkaufspassagen, distinktive Stadtteile…) und landmarks (auffällige Referenzpunkte wie Kirchen, Türme, Denkmäler…). Eng verbunden mit der Beschaffenheit und der Struktur dieser Elemente ist das, was Lynch als die Lesbarkeit des städtischen Raumes bezeichnet. Gärling et al. (1986) nennen drei Eigenschaften von Raummerkmalen, die die Lesbarkeit des Raumes beeinflussen: Der Grad der Differenzierung: Je stärker sich ein Raummerkmal z.B. in Form, Farbe, Größe…, von seiner Umgebung abhebt desto leichter wird es behalten und damit Bestandteil der kognitiven Landkarte; Der Grad visueller Zugänglichkeit: Je besser ein Merkmal von verschiedenen Richtungen aus gesehen werden kann, desto leichter wird es behalten; und schließlich die Komplexität des räumlichen Layouts: Je mehr relevante Informationen ein Raum beinhaltet, desto schwieriger fällt die Navigation und die mentale Erstellung kognitiver Landkarten. Das Konzept des „action plan“21 (Gärling et al. 1984) schafft eine Verbindung zwischen kognitiven Abbild einer Stadt und dem tatsächlichen Aufenthalt in den Räumen der Stadt. Aktionsraum und kognitive Landkarten bedingen sich gegenseitig: Einerseits werden Teile kognitiver Landkarten gerade von den Gebieten gebildet, in denen Menschen viele ihrer Tätigkeiten verrichten. Umgekehrt bleiben Tätigkeiten aber auch meist auf die Gebiete beschränkt, von denen eine kognitive Karte existiert, auch dann, wenn uns unsere Routineaktivitäten (z.B. Arbeit) eigentlich nicht dazu zwingen. Zahlreiche Studien belegen, dass sich die mentalen Landkarten von Individuen in Abhängigkeit von verschiedenen sozialen Merkmalen hinsichtlich Komplexität und Ausdehnung unterscheiden (vgl. z.B. Knox 2000:297). Die Art und Weise wie Menschen ihre mentalen Landkarten konstruieren, scheint allerdings überwiegend unabhängig von individuellen Unterschieden zu funktionieren. Lynchs Konzept wird von der crime pattern theory aufgegriffen (Kapitel 5.5), da es ebenfalls Erklärungen für die unterschiedliche Verteilung von Kriminalitätsphänomenen in der Stadt liefern kann. 21 Verwandte Begriffe sind ‚awareness space’ und ‚activity space’, wobei awareness space Gebiete bezeichnet, deren Existenz bekannt ist (die demnach auch Teil der kognitiven Landkarte sind), während Aktionsraum die Orte bezeichnet, in denen regelmäßig Tätigkeiten verrichtet werden. (vgl. z.B. Knox et al. 2000:347; Hamm 1996:252) 25 A 2.5 Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Perzeption und Individuelle Unterschiede Zu den objektiven Merkmalen einer Situation gehören neben den sozialen, kulturellen, temporalen und physischen Einflüssen auch noch psychologische Einflüsse und individuelle Unterschiede. Das Individuum ist eines der konstitutiven Elemente der Situation, wird aber gleichzeitig durch sie beeinflusst: Mensch und Umwelt stehen in einem Wechselverhältnis und beeinflussen sich gegenseitig. Die vielen verschiedenen Ausprägungen der fünf Situationskomponenten sind die „Zutaten“ für die Situation, so wie sie objektiv begreifbar ist. Dieser objektive Komplex wird allerdings erst durch den Prozess der Wahrnehmung einer Person handlungsrelevant. Individuelle Unterschiede sind dabei die Ursache dafür, dass Menschen die ansonsten gleichen Situationsbedingungen unterschiedlich wahrnehmen und auffassen, 22 und entsprechend ihrer Wahrnehmung unterschiedlich reagieren. Einige dieser individuellen Unterschiede wurden bereits angesprochen: So wird sozialer Einfluss häufig erst zeitlich verlagert wirksam. Das Individuum muss dann diesen sozialen Einfluss, z.B. in Form von bestimmten Sozialisationsinhalten, in die Situation mitbringen. Weitere Unterschiede im subjektiven Konstruktionsprozess von Situationen können in der besagten Code Distanz zwischen Menschen begründet liegen. Besonders handlungsrelevante individuelle Unterschiede sind konkrete Absichten und Einstellungen. Ein guter Teil unserer Handlungen ist geplant und intendiert, und wir lassen uns üblicherweise nicht so leicht von unseren Absichten abbringen. Wenn also jemand plant z.B. ein Mobiltelefon zu klauen, dann mag es Umstände geben, die ihn oder sie davon abhalten - die grundsätzliche Bereitschaft aber besteht. Wie eine Handlungsintention entsteht erklärt die theory of reasoned action (Ajzen, Fishbein 1975,1980) und die theory of planned behavior (Ajzen, Madden 1986): Demnach werden die erwarteten Folgen einer Handlung zusammen mit der Wahrscheinlichkeit für deren Erfolg abgewogen, mit dem Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Mitmenschen sowie der Motivation den Erwartungen der Mitmenschen gefügig zu sein. Nach dieser Theorie bedingen also die individuelle Ansicht (zu der auch die wahrgenommene Kontrolle über die Folgen der Handlung gehört) und normative Aspekte eine Handlung. Weitere situative Faktoren bezieht das Modell nicht explizit mit ein. Eine bestimmte Absicht selektiert natürlich das, was wir wahrnehmen: Während mehrere Menschen an einem offenen Autofenster vorbei gehen, ohne das Mobiltelefon auf dem Sitz zu 22 Diese Überlegung entspricht der klassischen Sichtweise menschlicher Umweltperzeption, nach der Wahrnehmung ein interpretativer Prozess ist. Einer anderen Auffassung nach sind Umwelteinflüsse weit weniger personenabhängig und direkter. Gibsons Theorie zur Perzeption der Affordanz (1979) geht von einer solchen objektiven Umweltvorstellung aus. 26 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund bemerken, nimmt der motivierte Täter diese Gelegenheit wahr und entfernt die Beute aus dem Auto. Gelegenheiten werden also selektiv wahrgenommen23. Einstellungen funktionieren in ähnlicher Weise, da sie neben einer kognitiven- und einer affektiven- auch eine Handlungskomponente haben (vgl. Eagly, Chaiken 1993:10). Demnach kann z.B. eine Handlungskomponente der Einstellung eines Menschen gegenüber seinen ausländischen Mitbürgern, „Provokation“ lauten. Aber auch hier gilt wieder, was in Kapitel 1.1 über Disposition und Situation gesagt wurde: Die Situation hat das letzte Wort bei Handlungsentscheidungen, aber entsprechende Einstellungen können gewisses Verhalten wahrscheinlicher werden lassen. In jedem Fall sind Einstellungen wichtige individuelle Merkmale einer Situation. Eine Person bringt also ein ganzes Bündel unterschiedlicher Dispositionen mit in die Situation. Dazu gehört auch der psychologische Grad der Erregung (arousal), der sich der Situation ständig anpasst. Gemessen wird der Grad der Erregung durch physiologische Merkmale wie Herzfrequenz, Blutdruck, Atmungsrate, Adrenalinausstoß usw. (vgl. Bell 2001:103). Die Situation beeinflusst den Grad unserer Erregung, und Erregung beeinflusst wiederum unser Verhalten wie z.B. im Falle von Aggression: „… if aggression is the response most likely to occur in a particular situation, then heightened arousal will facilitate aggression“ (Bell 2001:104). Eine erregte oder gestresste Person kann eine Situation anders wahrnehmen, und anders reagieren als nicht erregte Personen. Die Quelle der Erregung muss dabei nicht unmittelbar in der Situation zugegen sein. Ihre Wirkung auf Verhalten kann auch zeitlich und räumlich versetzt wirksam werden. Der Interpretationsprozess einer Situation verläuft häufig unterbewusst und automatisch, weil unsere begrenzte Aufmerksamkeit es nicht erlaubt ständig bewusst über Situationen, in denen wir uns befinden, nachzudenken. Ermöglicht wird diese automatische Situationsinterpretation durch bestimmte Wissensstrukturen, die von Ross und Nisbett als „Werkzeuge des Perzeptionsprozesses“ (Ross, Nisbett 1991:75) bezeichnet werden. Scripts (Abelson 1981) sind erlernte Verhaltenssequenzen, die in bestimmten Situationen geradezu automatisch ablaufen. Auslöser solcher Verhaltenssequenzen können, weil sie erlernt sind, individuell unterschiedlich sein. Schemata (z.B. Taylor et al. 2003:80), Heuristiken (Tversky, Kahnemann 1974) und templates (Brantinghamm, Brantingham 1978) sind weitere Mechanismen, die uns helfen Situationsmerkmale schnell und ohne großen kognitiven Aufwand einzuschät- 23 Gelegenheiten für kriminelle Handlungen werden durch crime templates (Brantingham, Brantingham 1993a:12) erkannt und ausgenutzt (siehe Kapitel 5.5.1). Kapitel 6.3 erläutert crime templates von Tätern, die Gegenstände aus Kraftfahrzeugen klauen. 27 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund zen. Ähnlich funktionieren die besagten Codes, die physikalischen Raummerkmalen eine kulturell festgelegte Anweisung über deren korrekte Nutzung verleihen. Für das hier hergeleitete Handlungsmodell lässt sich festhalten, dass individuelle Unterschiede zu unterschiedlichen Interpretationen der ansonsten gleichen Situation führen. Diese Unterschiede können das Geschlecht, Erfahrungen, Sozialisation, Stress und Erregung, Kognition, Lebensstile und damit verbunden bestimmte Einstellungen und Intentionen betreffen. 2.6. Channel Factors: Kleine Ursache – große Wirkung Kurt Lewin, der sich eingehend mit dem Verhältnis von Situation und Verhalten auseinandergesetzt hat, stellte fest, dass die Manipulationen kleiner Details einer Situation Einfluss auf das Verhalten einer Vielzahl von Menschen ausüben können. Solche handlungsrelevanten Details einer Situation werden channel factors genannt, da sie den Weg für einen angestauten Handlungsdruck eröffnen. Wird ein solcher Kanal geöffnet, fördert die Situation eine bestimmte Handlung, die ansonsten nicht ausgeführt werden würde. Ist ein Kanal geschlossen, so werden auch die Handlungen, die ansonsten geradezu automatisch geschehen, unterbunden. Charakteristisch für channel factors ist, dass ihre Wirkung größer ist als intuitiv angenommen. Ein wirkungsvoller channel factor übt auf die Situationsteilnehmer einen großen Handlungsdruck aus24, indem die kognitive oder affektive Komponente einer Einstellung (Eagly, Chaiken 1993) geformt wird (input channel) und gleichzeitig die Möglichkeit für eben diese einstellungskonforme Handlung eröffnet und erleichtert bzw. verschlossen wird (output channel). Chanel factors sind durch eine Reihe von Untersuchungen identifiziert worden (vgl. z.B. Levanal et al. 1965). Wegen ihres großen situativen Einflusses werden sie zur gezielten Verhaltensmanipulation nutzbar gemacht. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen: Viele Menschen sind sicherlich der Meinung, dass man beobachteten Vandalismus in öffentlichen Verkehrsmitteln dem Betreiber mitteilen sollte. Die affektive Komponente der Einstellung (nämlich Abneigung gegen Vandalismus) hat somit die richtige Ausprägung. Trotzdem werden die Wenigsten auch wirklich entsprechende Fälle melden, weil es an einem entsprechenden output channel mangelt, der die konkrete Handlung katalysieren kann. Mit dem Gefühl eigentlich etwas tun zu müssen gehen Zeugen von Vandalismus dann ihren gewohnten Tätigkeiten nach, weil es an einer entsprechenden unkomplizierten Handlungsoption mangelt. Sind allerdings im Innenraum des Verkehrsmittels Installationen gegeben, die ein direktes Handeln ermöglichen (wie etwa Plakate „Bitte melden sie Fälle von Vandalismus umgehend unter der 24 und das schließt das Unterlassen einer Handlung mit ein, da eben auch das Unterlassen einer Handlung eine Handlung ist. Vgl. Hillmann (1994:318) 28 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund folgenden Nummer…“, oder Gegensprechanlagen), so steigt die Chance, dass Personen auch tatsächlich ihrer Einstellung gemäß handeln. Ross und Nisbett beschreiben channel factors wie folgt (1991:46): „When we find an apparently small situational circumstance producing a big behavioral effect, we are justified in suspecting we have identified a channel factor, that is, a stimulus or a response pathway that servers to elicit or sustain behavioral intentions with particular intensity or stability”. Bei einer Raum-Verhalten Analyse sollte also immer auf mögliche channel factors geachtet werden. Verschlossene channel factors sind zu vermuten, wenn Handlungsintentionen bei den Situationsteilnehmern vorliegen, die jedoch nicht umgesetzt werden. Ein channel factor kann in allen möglichen Merkmalen einer Situation bestehen, so z.B. auch im sozialen Einfluss. Allerdings ist nicht jeder situative Einfluss ein channel factor. Entscheidend für sie ist das Prinzip von „scheinbar kleiner Ursache und großer Wirkung“. Abbildung 1 fasst noch einmal das hier vorgestellte Konzept zusammen25. Situationsmerkmale Umwelt: Handlung Individuum: Perzeption/Konstruktion Kulturelle Dimension Soziale Dimension ● ● ● ● ● Werte, Normen Gesetzeslage Codes (Semiotik) Weltanschauung ● ● Sozialer Einfluss (Informative und normative Aspekte) Informelle und formelle soziale Kontrolle Soziales Lernen Individuelle Dimension ● ● ● ● ● ● Wird erst Handlungswirksam durch... ● ● Bedingen sich gegenseitig (Sozialraum) ● ● ● ● Wird erst Handlungswirksam durch... Physikalische Dimension (Raum) Stadtmorphologie: Nodes, Edges, Paths, districts landmarks ● Bebauung ● Funktion d. Raums (Raumtypen) ● Behavior Settings (z.B. Telefonzellen, Spielplätze...) ● Symbole (z.B. Ampeln, Schilder) ● ● Codes: Denotation & Konotation Cognitive Maps & Aktionsraum Sozioökonomischer Status Arousal/Erregung Stress Kognition Einstellungen Scripts, models, templates Sozialisation Intention Erfahrungen Bedürftnisse ● konform/kriminell ? Intendiertes Ergebnis? Anschlußhandlung nach feedback? ● Temporale Dimension ● Rhytmen & Routinen (z.B. Öffnungszeiten) channel factors katalysieren einstellungskonformes Verhalten feedback Objektive Situationskonfiguration Abbildung 1: 25 Subjektiv wahrgenommene Situation Schaubild zur Konzeptualisierung der Arbeit. Quelle: Autor Das Konzept ähnelt dem ‚electic modell’ von Bell et al (2003:131) integriert aber zum Teil andere Theorien. 29 A 2.7. Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund Situationsmerkmale für kriminelles Verhalten: Kriminogene Faktoren Das in diesem Kapitel dargestellte Handlungsmodell dient auch zur Erklärung krimineller Verhaltensweisen. Genau wie jede andere Handlung, ist auch eine kriminelle Handlung in eine Situation eingebettet, in der soziale, kulturelle, temporale, physische und individuelle Einflusse wirken. Da mit dem vorgestellten Modell der konzeptionelle Rahmen für eine allgemeine Verhaltensanalyse geschaffen ist, kann nun nach den spezifischen Bedingungen für bestimmte kriminelle Handlungen gefragt werden. Dabei interessiert vor allem, ob bestimmte Situationskonfigurationen, d.h. spezifische Bündel von Situationsmerkmalen, im Zusammenhang mit bestimmten kriminellen Handlungen stehen, und natürlich: Wie solche Situationskonfigurationen beschaffen sind. Dazu müssen diejenigen Situationskomponenten identifiziert werden, die eine kriminelle Handlung begünstigen und wahrscheinlich machen. Solche Situationskomponenten werden auch als kriminogene Faktoren bezeichnet (im Folgenden auch Kriminalitätsvoraussetzungen). Kriminogene Faktoren sind also situative Merkmale (soziale, physische, psychische, soziale…), die erfüllt sein müssen, damit es zur kriminellen Handlung kommen kann. (Diese Voraussetzungen sind, wie bereits angesprochen, natürlich individuell verschieden, weshalb Eigenschaften des Handelnden selbst Teil der Bedingung sein können). Das Zutreffen einer einzelnen Kriminalitätsvoraussetzung ist eine nötige, aber nicht hinreichende Bedingung für das Auftreten der kriminellen Handlung. Nur in einer ganz bestimmten Konstellation der verschiedenen Bedingungen wird die Handlung (in Form eines bestimmten Delikts) tatsächlich ausgelöst (begangen). Bestimmte Räume stellen, durch ihre physikalische Ausstattung, kriminogene Faktoren fortwährend bereit: Geschäftsräume erfüllen durch ihre Warenbestände eine der vielen situativen Voraussetzungen für Diebstahl. Bars und Diskotheken sind gekennzeichnet durch zwei mögliche Bedingungen für Körperverletzungsdelikte „anwesende Menschen“ und „Alkoholausschank“ (einige Menschen neigen lediglich unter Alkoholeinfluss zu Gewalt. Für sie ist der Ausschank von Alkohol eine nötige Voraussetzung für eine gewaltsame Auseinandersetzung). Eine Kriminalitätsvoraussetzung kann auch die Abwesenheit von etwas darstellen, so etwa die Abwesenheit einer Überwachungskamera oder anderer Personen. Situationen können von einem bestimmten kriminogenen Faktor dominiert werden, d.h. ein Situationsmerkmal hat einen besonders hohen kriminalitätsfördernden Einfluss - möglicherweise auch unabhängig von anderen Situationsfaktoren. Häufig stellen Gelegenheiten ein erklärungsstarkes Situationsmerkmal dar. Erklärungsstarke kriminogene Faktoren sind dadurch charakterisiert, dass sie trotz Variation der anderen Situationsmerkmale immer eine kriminelle Handlung auslösen, oder anders ausgedrückt: Eine große Anzahl verschiedener Situationskonfigu30 A Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund rationen führt bei einem konstanten erklärungsstarken Faktor jedes Mal zur gleichen Handlung. Diese Voraussetzungen können Merkmale der verschiedenen Situationsdimensionen betreffen. Ein einfaches Beispiel soll diesen Gedanken verdeutlichen: Entzugserscheinungen eines Drogenabhängigen sind eine individuelle Kriminalitätsvoraussetzung dafür, dass unter einer ganzen Reihe möglicher Umstände etwas geklaut oder sogar geraubt wird. Die Tatsache, dass viele Delikte im Stadtgebiet konzentriert auftreten, kann demnach zwei Gründe haben: Erstens ist es denkbar, dass sich in diesen Räumen besonders viele Personen mit kriminellen Dispositionen aufhalten. Durch sie werden die Kriminalitätsvoraussetzungen in den Raum mitgebracht. Zweitens kann der Raum selber Kriminalitätsvoraussetzungen bereitstellen, die überwiegend unabhängig von den anwesenden Personen zur Begehung von kriminellen Handlungen beitragen. Natürlich kann auch Beides zutreffen: Weil der Raum bestimmte Gelegenheiten bietet, wird er von Leuten mit kriminellen Absichten aufgesucht. Brantingham & Brantingham (1995) unterscheidet in diesem Sinne auch zwischen crime attractors und crime generators (siehe Kapitel 5.5.2). Diese Arbeit untersucht diejenigen räumlichen Merkmale, also physikalische kriminogene Faktoren, die zu einer Konzentration krimineller Handlungen im städtischen Raum führen, sei es nun als crime attractor oder crime generator. Eine unabdingbare Voraussetzung für Verbrechen, nämlich das Zielobjekt selbst, fällt somit genau in den Bereich der physikalischen Merkmale, wenn man der hier gewählten Konzeptionalisierung folgt. In diesem Sinne wäre eine Erklärung tautologisch: Wenn das Zielobjekt als Teil der Raumkomponente von Situationen aufgefasst wird, dann überrascht es wenig zu erfahren, dass der Raum eine wichtige Rolle bei kriminellen Handlungen spielt. Hier soll allerdings gezeigt werden, dass auch andere Raummerkmale als das Zielobjekt selbst, kriminelles Verhalten beeinflussen können, bzw. dass bestimmte Raummerkmale in Kombination mit dem Zielobjekt kriminogene Wirkung entfalten. In Kapitel 9 werden anhand von mikroanalytischen Untersuchungen deliktbelasteter Räume, spezifische Kombinationen von physikalischen Kriminalitätsvoraussetzungen für bestimmte Deliktformen identifiziert. Das folgende Teil (B) fasst die Theorien und Ergebnisse einschlägiger Untersuchungen der environmental criminology zusammen. In entsprechenden Studien wurden bereits eine Reihe von physikalischen Raummerkmalen mit vermeintlich kriminogenem Potential identifiziert. 31 B Kriminalgeografische Theorien und Studien B Kriminalgeografische Theorien und Studien 3 Raum und Kriminalität Im vorhergehenden Kapitel wurden verschiedene Handlungstheorien mit überwiegend kleiner oder mittlerer Reichweite behandelt und in ein umfassendes Handlungskonzept integriert. Das so erarbeitete Konzept entspricht in etwa Ansätzen aus der environmental psychology, die ebenfalls die Situation mit ihren verschiedenen Dimensionen einer Umwelt-Verhalten Analyse zu Grunde legen. Jede Situation ist zwangsläufig an einen Raum gebunden, in der sie stattfindet. Der Untersuchungsschwerpunkt dieser Arbeit liegt auf genau jenen physikalischen Situationsmerkmalen als Erklärungsgröße für bestimmte kriminelle Handlungen. Aus den oben dargestellten Überlegungen sollte deutlich geworden sein, dass der Raum eine aktive Rolle bei der Entstehung von kriminellen Verhalten spielt und nicht nur passiver Empfänger krimineller Handlungen ist. Dabei gilt es allerdings zwischen eher raumabhängigen und eher raumunabhängigen Delikten zu unterscheiden. Es liegt in der Natur der Sache, dass einige Delikte direkt vom Raum abhängen, in dem sie geschehen. Ein Ladendiebstahl etwa kann nur in einem Geschäft begangen werden. Für manche Handlungen aber sind die Zusammenhänge weniger offensichtlich und weniger intuitiv. Schließlich gibt es auch Delikte, die sich einer raumbezogenen Erklärung nahezu gänzlich entziehen. Das Verhältnis von Raum und Kriminalität wird in den Sozialwissenschaften schon lange behandelt. Die Kriminalgeografie beschäftigt sich nach Kaiser mit der „Analyse der Beziehung zwischen Kriminalität und Raum“ (Kaiser 1996). Kriminalgeografische Theorien lassen sich anhand zweier wesentlicher Merkmale unterscheiden (vgl. Belina 2000): 1. Zum Einem wird der Raum mal als Explanandum, mal als Explanans behandelt. Das heißt im ersten Fall wird Kriminalität mit Raum-externen Faktoren begründet und gezeigt weshalb Kriminalität dort geschieht, wo sie geschieht (individualistische Perspektive). Im zweiten Fall wird dem Raum selber kriminogenes Potential zugeschrieben. Er wird also als kriminalitätsauslösend oder sogar als kriminalitätsgenerierend aufgefasst (sozialökologische Perspektive). 2. Zum Anderen unterscheiden sich kriminalgeografische Theorien hinsichtlich ihrer Erklärung, die einerseits täterorientiert und andererseits tatorientiert ausfallen kann. Die Unterscheidung nach diesen beiden Dimensionen führt zu vier Perspektiven von kriminalgeografischen Theorien die sich in der folgenden Matrix zusammenfassen lassen: 32 B Tabelle 2: Kriminalgeografische Theorien und Studien „Theoretische Perspektiven zur Erklärung von Kriminalität in räumlichen Aggregaten“ (Belina 2000:133) Erklärung der Kriminalität Erklärung der räumlichen Verteilung Individualistische Perspektive: Raum als Explanandum Sozialökologische Perspektive: Raum als Explanans Täterorientierte Ansätze: Räumliche Verteilung von Personen mit kriminellen Dispositionen Personen werden durch Migration und Segregation unterschiedlich verteilt Merkmale von sozialräumlichen Aggregaten beeinflussen die Entstehung krimineller Persönlichkeitsmerkmale Tatorientierte Ansätze: Räumliche Verteilung von kriminellen Akten Kriminelle Akte ereignen sich, wo Personen mit kriminellen Dispositionen mit potentiellen Opfern zusammenfallen Merkmale von situativen (räumlichen) Kontexten beeinflussen die Wahrscheinlichkeit von kriminellen Akten Nach der sozialökologischen Perspektive kann der Raum also auf zweierlei Wegen Kriminalität begünstigen und generieren (Raum als Explanans): Indirekt durch seine Sozialisationswirkung (täterorientierte Ansätze) und direkt durch die Bereitstellung konkreter kriminogener Faktoren (tatorientierte Ansätze). Täterorientierte Ansätze, die Raum als Explanandum begreifen, werden im Rahmen dieser Arbeit nicht behandelt. 4 Sozialräumliche Erklärungsansätze Sozialräumliche Ansätze gehen davon aus, dass der Raum einen negativen Einfluss auf die Sozialisation seiner Einwohner ausüben kann, und somit zur Entstehung von Kriminalität beiträgt. Dieser Einfluss geht von einem kombinierten Effekt sozialer und physikalischer Raummerkmale aus: Demnach haben architektonische Monotonie und mangelnde Spiel- und Freizeiteinrichtungen die Folge, dass Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung gehemmt werden (vgl. z.B. Görlitz et al. 1993). Außerdem führt eine eintönige Bebauung zu Langeweile, die ebenfalls als Wegbereiter für Delinquenz angesehen werden kann. Die sozialen Raummerkmale, die kriminalitätsgenerierend wirken, wurden als erstes von Shaw und McKay (1942) untersucht. Die Forscher entdeckten, dass in den so genannten „transition zones“ amerikanischer Städte ein hohes Maß an Kriminalität herrschte. An der Tatsache, dass diese Gebiete problematisch sind, hat sich bis heute nichts geändert; lediglich der Name dieser Gebiete hat eine Entwicklung durchlaufen. „Quartiere mit besonderem Erneuerungsbedarf“, „Problembehaftete Quartiere“ oder „benachteiligte Wohnquartiere“ sind neuere Synonyme für den 33 B Kriminalgeografische Theorien und Studien Begriff „soziale Brennpunkte“, welche vom deutschen Städtetag (1987:15) wie folgt definiert werden: „Wohngebiete, in denen Faktoren, die die Lebensbedingungen ihrer Bewohner und insbesondere die Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen negativ bestimmen, gehäuft auftreten“ Die Merkmale dieser Räume fasst Richter (2001), ähnlich wie Shaw und McKay wie folgt zusammen: Niedriges Durchschnittseinkommen, hoher Anteil von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern Hohe Kriminalitätsbelastung Hoher Migrantenanteil, hoher Anteil allein erziehender Eltern und instabiler Familien Hoher Anteil von Hauptschülern, hohe Schulabbrecherquote Heruntergekommene Wohnungen und Häuser. Funktionsarmut des Wohnumfeldes (fehlende Infrastruktureinrichtungen wie Freizeiteinrichtungen und Weiterbildungsmöglichkeiten) Es ist die Kombination dieser, zum Einen sozialstruktureller und zum Anderen raum- und baustruktureller Merkmale, die für eine Benachteiligung der dort lebenden Menschen verantwortlich ist. Von der Benachteiligung zur Delinquenz ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Häußermann (2001) begründet diesen Schritt mit Segregation, sowie mit Sozialisations- und Lerntheorien. „Anpassungsdruck ‚nach unten’“ (ebd. S.47) meint demnach, dass Jugendliche benachteiligter Wohngebiete durch die „differentiellen Kontakte“ (Sutherland 1973) mit schlechten Vorbildern abweichende Normvorstellungen und Lebensstile entwickeln. Einen empirischen Beleg für den negativen Sozialisationseinfluss bestimmter Räume liefert Freshee (1979). Als Ergebnis seiner Untersuchung hält er fest: „Tatsächlich ist die Eindeutigkeit bemerkenswert, mit der der Einfluss des Wohnbereiches sichtbar wird, wenn man die Delinquenzbelastung von Angehörigen derselben Schicht in verschiedenen Wohnbereichen vergleicht, in denen diese Schicht zum einem dominiert, zum anderen nur schwach vertreten ist.“26 (ebd. S. 347) Der Sozialraum (also die physikalische und die soziale Raumkomponente) in dem Kinder und Jugendliche aufwachsen, kann also dafür verantwortlich sein, dass sie gewisse kriminelle Neigungen entwickeln. In der konkreten Situation, in der es zu einer kriminellen Handlung kommt, hat das Individuum also kriminogene Faktoren mitgebracht (in Form von Einstellun26 Der Zusammenhang zwischen Wohnbereich und Delinquenz hielt einer Kontrolle nach Schichtzugehörigkeit Stand. Freshees Studie zeigte, dass Angehörige höherer Schichten in benachteiligten Wohnquartieren, im Vergleich zu Angehörigen höherer Schichten in anderen Wohngebieten, größere Chancen hatten delinquent zu werden. Der gleiche Raumeffekt zeigte sich für Jugendliche mit niedrigem sozialökonomischen Status: In problematischen Wohngebieten wiesen die Jugendlichen aus der Stichprobe der Untersuchung eine höhere Delinquenzrate auf, als Jugendliche der gleichen Schicht in besseren Wohnquartieren. 34 B Kriminalgeografische Theorien und Studien gen, abweichenden Normvorstellungen und anderen Sozialisationsinhalten). Für die Verteilung von Kriminalität im Raum bedeutet das, dass diejenigen Räume risikobelastet sind, in denen sich Menschen mit kriminellen Dispositionen häufig aufhalten. Wie bereits schon erwähnt, wirkt das kriminogene Potential des Raumes bei täterorientierten Ansätzen indirekt und zeitlich versetzt. Die Matrix in Tabelle 2 stellt die Theorien der Kriminalgeografie bezüglich ihrer Ausrichtung (dispositiv bzw. situativ, und Raum als Explanans bzw. Raum als Explanandum) als wechselseitig exklusiv dar. Viele Theorien entsprechen auch tatsächlich jeweils einem dieser vier Ansätze. Andere hingegen sind Mischformen, die verschiedene Ansätze kombinieren. Die design-disadvantagement theory von Coleman (1989) z.B. ist eine Kombination von Dispositions- und Situationsansatz (entspricht den beiden rechten Feldern in Tabelle 2). Die Baumerkmale des Wohnumfeldes werden nach Coleman einerseits durch ihre Sozialisationswirkung als Vermittler krimineller Dispositionen (z.B. durch die Funktionsarmut des Raumes) und andererseits als unmittelbar Deliktbegünstigend (z.B. durch sichtbehindernde Bebauung) angesehen. Als Ergebnis einer entsprechenden empirischen Studie in England wurde der „disadvantagement index“ (Coleman 1985) erstellt, der unterschiedliche kriminogene Raummerkmale zusammenfasst, die einerseits für eine ungünstige Sozialisation und andererseits für Schaffung von Gelegenheiten verantwortlich gemacht wurden. Häuserblocks, die einen hohen Indexwert erreichten, beinhalten entsprechend viele ungünstige Raummerkmale. Dieser Index stellte sich als äußerst guter Prädiktor für die Kriminalitätsbelastung von 729 untersuchten Häuserblöcken heraus. Das oben entworfene Handlungsmodell erlangt seinen kriminalgeografischen Bezug erst durch die Einbindung der Raumkomponente als Teil der Situationskonfiguration. Da es aber auch den Handelnden selbst (mit all seinen Dispositionen) als aktive Komponente der Situation begreift, stellt es ebenfalls eine Mischform zwischen täter- und tatorientierten Ansätzen dar. Allerdings wird die individuelle Situationskomponente in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt, auch wenn es das Modell grundsätzlich zuließe. Die Trennung der Situation in unterschiedliche Dimensionen ist ja gerade aus diesem Grunde vorgenommen worden, um die Komplexität der Ursachen für kriminelles Verhalten zu reduzieren und so einer wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich zu machen. Hier interessieren vor allem die Räume, in denen eine kriminelle Handlung stattfindet, die also Bestandteil der unmittelbaren Situation sind. Dieses Vorgehen entspricht einem tatorientierten Ansatz, der den Raum als Explanans auffasst (Das Feld unten rechts in Tabelle 2 also). Die Beiträge aus der 35 B Kriminalgeografische Theorien und Studien environmental criminology entsprechen überwiegend ebenfalls diesem Ansatz. Dadurch unterscheiden sie sich auch grundlegend von den Arbeiten der Chicago school, wie Rossmo anmerkt (2000:111): „Their research is distinguished from the earlier ecological work of the Chicago School by this concern with the environment and by a change in focus from offender to criminal event” Im folgenden Abschnitt soll eine Übersicht über die Theorien und Untersuchungen der environmental criminology gegeben werden. Auf ihnen baut die empirische Untersuchung in Teil C der Arbeit auf. 5 Tatorientierte Erklärungsansätze Bevor einige interessante Ergebnisse aus der Fülle von kriminalgeografischen Untersuchungen vorgestellt werden, sollen in aller Kürze die wichtigsten theoretischen Ansätze der environmental criminology zusammengefasst werden. Die Arbeiten von Jacobs (1961) und Jeffrey (1971) können als Wegbereiter der environmental criminology angesehen werden, auch wenn es die Disziplin unter diesem Namen erst seit den 80er Jahren gibt. Ihre Beiträge gaben den Anstoß, physikalische Merkmale der städtischen Umwelt in die wissenschaftliche Analyse von Kriminalitätsphänomenen einzubeziehen. Den ersten einflussreichen Klassiker allerdings stellt Oscar Newmans defensible space Ansatz (1972) dar. 5.1 Defensible space Newman gilt als der Begründer der crime prevention through environmental designBewegung (CPTED), nach deren Auffassung kriminalitätsbegünstigende Faktoren in der architektonischen Bauweise von Gebäuden und Freiflächen liegen. Durch entsprechende bauliche Maßnahmen ließe sich Kriminalität verhindern. Ausgangspunkt der Theorie war die Beobachtung, dass in Hochhäusern mit zehn oder mehr Stockwerken in amerikanischen Städten sowie in deren Umgebung, ein erhöhtes Kriminalitätsaufkommen herrschte. Als Erklärung führte Newman die Anonymität und, damit verbunden, die mangelnde soziale Kontrolle durch die Bewohner an. Seine Forderungen waren daher, erstens halbprivate bzw. halböffentliche Räume zu schaffen, die leicht einsehbar sind. So sollen z.B. alle Außenräume eines Hauses von Innen heraus durch Fenster einsehbar sein, um tote Winkel um die Häuser herum zu vermeiden. Zweitens sollen durch bauliche Maßnahmen halböffentliche sowie halbprivate Räu36 B Kriminalgeografische Theorien und Studien me (Eingangsbereiche, Aufzüge, Treppenhäuser…) als solche kenntlich gemacht werden, um dadurch das Territorialverhalten der Bewohner zu aktivieren (daher: defensible space). Kurz: Die soziale Kontrolle soll in diesen Räumen reaktiviert werden. Ferner sollen bauliche Maßnahmen den Eindruck von Einfachbauweisen und damit einhergehend, eine Stigmatisierung der Bewohner verhindern. Newmans Überlegungen blieben, vor allem wegen methodischer Schwächen nicht unkritisiert. Eine Studie des BKA, die Ende der 70 Jahre durchgeführt wurde, um zu überprüfen, ob der defensible space Ansatz und seine kriminalpräventiven Implikationen auch auf Deutschland übertragbar sind, stellte fest: „Zwischen Baustruktur und Kriminalität besteht kein Zusammenhang in der Weise, dass eine spezifische Bauform – Hochhaus oder Mehrfamilienhaus, jeweils mit oder ohne Defensible Space Merkmal – die Höhe der Kriminalität in und um das Wohngebäude unmittelbar und allein beeinflusst“ (Rolinski 1980:136) 5.2 Routine Activity Die routine activity theory von Cohen and Felson (1979) ist eine Theorie, die die Situation in der es zu einer kriminellen Handlung kommt, in den Mittelpunkt rückt. Dispositions- und Motivationsansätze, aus den herkömmlichen kriminologischen Theorien, werden in dieser Theorie ganz bewusst ausgeblendet. Cohen und Felson geht es um eine konsequente „Depersonalisierung und eine Depsychologisierung“ (Clarke, Felson 1993:3) in ihrem Ansatz. Informationen zu Tätern oder Opfern werden als „distracting information“ (ebd.) abgetan. Ähnlich wie bei der oben genannten Idee von einer bestimmten Situationskonfiguration, die gegeben sein muss damit es zu einer kriminellen Handlung kommt, sprechen die Autoren von der „crime chemistry“ (1998:4): „… to learn about a crime’s chemistry one must first find who and what must be present, and who or what must be absent, for the crime to occur.“ (Rossmo 2000:113). Auf die Frage des „wer“ und „was“ gibt der routine activity Ansatz die schlichte Antwort: „a likely offender, a suitable target and the absence of a capable guardian“ (ebd. S.2). Zur crime chemistry gehören aber auch die Eigenschaften, die ein geeignetes Ziel ausmachen und die durch das Akronym VIVA beschrieben werden. Sie betreffen den Wert des Zielobjektes (value), die Beweglichkeit oder Handlichkeit der Beute (inertia), sowie deren Sichtbarkeit und Zugänglichkeit (visibility und access). An der Stelle im Raum, an der die VIVA Bedingungen erfüllt sind, kommt es zu einer kriminellen Handlung, wenn ein motivierter Täter anwesend, und ein Wächter - dies kann ein Nachbar, ein Arbeitskollege, ein Passant, Wachpersonal… sein - abwesend ist. Diese Bedingungen treffen gehäuft zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten zu, weshalb unter anderem die Routineaktivitäten der Menschen 37 B Kriminalgeografische Theorien und Studien in einer Stadt für die spezifische Verteilung bestimmter Delikte verantwortlich sind. Die entsprechenden empirischen Untersuchungen zu der routine activity theory untersuchen auf makroanalytischer Ebene die Veränderungen der Bedingungen für ganz bestimmte Verbrechen. Die Ergebnisse stützen die Theorie: Technische Innovationen, die kleine und teure Geräte hervorbringen (z.B. Mobiltelefone), können entsprechende Diebstahldelikte wahrscheinlicher werden lassen; Verändertes Freizeitverhalten von Familien (hin zu außerhäuslichen Aktivitäten) und die Zunahme erwerbstätiger Frauen werden in einem Zusammenhang mit steigenden Wohnungseinbrüchen in den 60er und 70er für die USA und Westeuropa gesehen, weil Häuser und Wohnungen im zunehmenden Maße unbeaufsichtigt waren (vgl. Clarke, Felson 1998:5f). Eine Theorie, die der routine activity theory sehr nahe steht, ist der rational choice Ansatz der Kriminologie. Die grundsätzliche Verwandtschaft beider Überlegungen führte dazu, dass die Schöpfer beider Theorien einen gemeinsamen Band herausbrachten (Clarke, Felson 1993). 5.3 Rational choice Clark und Cornish (1986) begründen ihren kriminologischen rational choice Ansatz27 auf der Beobachtung, dass bestimmte Variationen in der Situation häufig eine kriminalpräventive Wirkung haben. Während die routine activity theory ein Ansatz auf der Makroebene ist, behandelt ihre Theorie individuelle Entscheidungsstrukturen. Da kriminelles Verhalten als zweckmäßig und bedürfnisbefriedigend aufgefasst wird, ist der Ansatz deliktspezifisch: Unterschiedlichen Delikten gingen jeweils spezifische Entscheidungsmuster voraus, beispielsweise in Abhängigkeit von der Stäke des Bedürfnisses, oder abhängig von delikttypischen Situation. Prinzipiell sind zwei Arten von Entscheidungen zu trennen: Erstens diejenigen, die das „criminal involvement“ betreffen und zweitens, diejenigen die das „criminal event“ betreffen. Criminal involvement meint Überlegungen wie die grundlegende Bereitschaft ein Delikt zu begehen oder die Entscheidung eine „kriminelle Karriere“ zu beenden. Entscheidung die das criminal event direkt betreffen sind hingegen intuitiver, und beziehen meist nur Informationen in die Überlegung ein, die unmittelbar in der Situation gegeben sind. Scheinbar mangelnde Rationalität liegt oft in Informations- und Zeitrestriktionen begründet. Rationale Entscheidungen müssen also keine wohlüberlegten Entscheidungen sein. Für viele Täter (z.B. Drogenabhängige) beträgt der Zeithorizont, der ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, oft 27 Der rational choice Ansatz, so wie ihn Clarke und Cornish vorlegten, ist eine grundlegende Abwandlung des rational choice Ansatzes den der Ökonom Becker (1968) seiner Erklärung für kriminelles Verhalten zu Grunde legte, und auf den hier auch nicht näher eingegangen werden soll. 38 B Kriminalgeografische Theorien und Studien nur wenige Stunden. Innerhalb dieser Stunden sind verschiedene Formen der Beschaffungskriminalität eine rationale und vorhersehbare Entscheidung, selbst wenn das Risiko der Überführung immens hoch ist. „This decision process may not always involve conscious and explicit sequential decision making, but does result, in almost all cases, in rationally predictable actions” (Brantingham, Brantingham 1993a:261). Der rational choice Ansatz ähnelt der routine activity theory in vielen Beziehungen. Allerdings bezieht er das Individuum als eine Komponente der Tat bei der Erklärung von kriminellen Verhalten mit ein. Entscheidungen sind nicht nur von Umwelteinflüssen abhängig, sondern auch von individuellen Unterschieden. Die Übersicht in Tabelle 3 fasst noch einmal die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Ansätze zusammen. Tabelle 3: Routine activity und rational choice: Vergleich und Gegenüberstellung beider Ansätze (Clarke, Felson 1993:9) Organizing perspective Explanatory focus: a. Criminal events b. Criminal disposition Level of explanation Causal theory Situational focus Crime specific Rational offender Policy orientation Disciplinary parentage 5.4 Routine Activity Rational Choice Yes Yes Yes No Macro Yes Yes Yes Implicit Implicit Geography, demography, Human ecology Yes Yes Micro No Yes Yes Explicit Explicit Psychology, economics, sociology of deviance, environmental criminology Situational Crime Prevention: Aus dem rational choice Ansatz und aus der routine activity theory leiten sich explizit bzw. implizit Techniken zur Kriminalprävention ab, die als situational crime prevention (Clarke 1992) bezeichnet werden. Demnach soll eine Situation hinsichtlich Kosten, Nutzen und Gelegenheit so permanent und systematisch verändert werden, dass eine Straftat schwieriger, weniger ertragreich und risikoreicher wird (Clarke 1995:4). In einer Erweiterung des Ansatzes wurden noch zwei weitere risikolindernde Situationsmerkmale aufgenommen: Situationen die weniger provokativ sind, und Situationen, die weniger Ausreden für einen eventuellen Verstoß zulassen, seien demnach weniger anfällig für kriminelles Verhalten (vgl. Clarke, Cornish 39 B Kriminalgeografische Theorien und Studien 2003). Wie eine Situation so gestaltet werden kann, dass sie schwieriger, weniger ertragreich, risikoreicher und weniger provokativ ist, sowie mögliche Ausreden für abweichendes Verhalten unterbindet verraten die „25 gelegenheitsreduzierenden Techniken der situational crime prevention“ die in der folgenden Tabelle zusammengefasst sind: Tabelle 4: 25 Techniken der situativen Kriminalprävention (Clark, Cornish 2003:90) Reduce the Rewards Reduce Provocations Increase the Effort Increase the Risk Remove Excuses 1. Target harden Steering column lock and immobilisers Anti-robbery screens Tamper-proof packaging 6. Extended guardianship Take routine precautions: go out in group at night, leave signs of occupancy, carry phone “Cocoon” neighbourhood watch 11. Control targets Off street parking Gender-neutral phones directories Unmarked bullion trucks 16. Reduce frustrations and stress Efficient queues and polite service Expanded seating Soothing music/muted lights 21. Set rules Rental agreements Harassment codes Hotel registration 2. Control Access to facilities Entry phones Electronic card access Baggage screening 7. Assist natural surveillance Improved street lighting Defensible space design 12. Remove targets Remove car radio Women’s refuges Pre-paid cards for cell phones 17. avoid disputes Separate enclosures for rival soccer fans Reduce crowding in pubs Fixed cab fares 22. Post instructions “No Parking” “Private Property” Extinguish camp fires 3. Screen exits Ticket needed for exit Export documents Electronic merchandise tags 8. Reduce Anonymity Taxi driver IDs “How is my driving” decals School uniforms 13. Identify property Property marking Vehicle licensing and parts marking Cattle branding 18. Reduce emotional arousal Controls on violent pornography Enforce good behaviour on soccer field Prohibit racial slurs 23. Alert conscience Roadside speed display boards Signature for custom declarations “Shoplifting is stealing” 4. Deflect offender Street closures Separate bathrooms for women 9. Utilize place managers CCTV for double deck busses Two clerks for convenience stores Reward vigilance 14. Disrupt markets Monitor pawn shops Controls on classifies ads License street vendors 19. Neutralize peer pressure “idiots drink and drive” “It’s OK to say no” Disperse troublemakers at school 24. Assist compliance Easy library check out Public lavatories Litter bins 5. Control tool/weapons “Smart” guns Disabling stolen cell phones Restrict spry paint sales to juveniles 10. Strengthen formal surveillance Red light cameras Burglar alarms Security guards 15. Deny benefits Ink merchandise tags Graffiti cleaning Speed humps 20. discourage imitation Rapid repair of vandalism V-chips in TVs Censor detail on modus operandi 25. Control drugs and alcohol Breathalyzers in pubs Server intervention Alcohol free events Da die zugrunde liegenden Theorien deliktspezifisch argumentieren, wirken auch die Präventionstechniken jeweils nur für ganz bestimmte Delikte. Die 25 Techniken in der Tabelle dienen also nur als Anhaltspunkte bei der Konzeptualisierung von Präventionsmaßnahmen. Ein Ladendieb z.B. wird sich auch nicht durch ein Schild „Diebstahl verboten“ abhalten lassen, vielleicht aber durch ein Schild „wir bringen jeden Diebstahl zur Anzeige“ (Erhöhung des Risikos), vorausgesetzt er begeht das Delikt nicht gerade wegen des Nervenkitzels. Beide bisher vorgestellten Theorien erklären kriminelles Verhalten durch die Gelegenheitsstruktur. Der rational choice Ansatz fragt nach Bedingungen, die die individuellen Entscheidungsgrundlagen der Täter beeinflussen. Der routine activity Ansatz geht implizit 40 B Kriminalgeografische Theorien und Studien ebenfalls von diesem Gedanken aus, untersucht aber wie sich diese Bedingungen makrostrukturell verändern. Auch die crime pattern theory setzt bei Gelegenheitsstrukturen und Entscheidungssequenzen an und bezieht sich auf die beiden vorangegangenen Theorien. Allerdings wird in diesem Ansatz der räumlichen Verteilung von Verbrechen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 5.5 Crime Pattern Theory Ähnlich wie die Vorstellung von einer bestimmten Situationskonfiguration oder von der „chemistry of crime“, die die erklärenden Merkmale einer kriminellen Handlung zusammenfassen, argumentieren auch die Schöpfer der crime pattern theory, Patricia und Paul Brantingham (1993a:265f): “Crime is the product of varying initial conditions under which the decision processes leading to criminal events unfold. The likelihood of a criminal event transpiring depends on the backcloth28, the site, the situation, an individual’s criminal readiness, routine activity patterns and the distribution of targets. None of these elements can, independently, be expected to explain criminal events. They must be considered conjointly with special emphasis on how they shape choices.” Die Bedingungen für ein bestimmtes Verbrechen sind nicht zufällig vor dem backcloth verteilt, sondern ergeben spezifische „Muster“; oder anders ausgedrückt: Die Bedingungen für ein bestimmtes Verbrechen sind keine zufälligen Situationskonfigurationen. Vielmehr seien bestimmte Deliktformen an charakteristische Situationen, und damit auch an bestimmte Orte gebunden. Für eine einzelne Person ergeben sich durch ihre Routineaktivitäten (Aufenthalt zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten) Regelmäßigkeiten im backcloth. Durch diese Routineaktivitäten kommen also viele, prinzipiell mögliche Situationen gar nicht erst zustande, während sich andere häufen. Davon ausgehend erklärt die pattern theory, wie es zur räumlichen Verteilung von Kriminalitätsphänomenen kommt. Dabei setzt sie zum Einen auf der individuellen Ebene an, und erläutert das Suchverhalten von Tätern nach deren Zielen. Zum Anderen werden auf der Makroebene Orte untersucht, die besonders vielen Menschen Gelegenheiten für kriminelle Handlungen bieten, und die daher stark deliktbelastet sind. 28 Der Begriff backcloth ist gleichbedeutend mit dem hier verwendeten Begriff der Situation (vgl. Kapitel 1.3). 41 B Kriminalgeografische Theorien und Studien 5.5.1 Der Einfluss städtischer Umwelt auf räumliche Muster im kriminellen Verhalten einzelner Täter29: Um zu zeigen, wie sich die städtische Umwelt auf das kriminelle Verhalten einzelner Individuen auswirkt, muss man unterscheiden, ob ein Delikt vor seiner Begehung geplant war oder ob es kurzfristig aus opportuner Erwägung erfolgt ist. Ein geplantes Delikt setzt nämlich einen Suchprozess für das Ziel voraus, und dieser Suchprozess wird durch die städtische Umwelt geschärft. Die Suche nach einem Ziel für eine kriminelle Handlung verläuft dabei ähnlich wie die Suche nach jedem anderen Ziel: „It appears that people may search for a crime site and situation in a manner similar to the way we search for a gasoline station.“ (Brantingham, Brantingham 1993a:9). Der Täter bedient sich dabei der kognitiven Landkarten, die seinen awareness space repräsentieren (vgl. Kapitel 2.4). Erkundung neuer Gebiete auf der Suche nach Zielen erfolgt meist nicht. Wie bereits erwähnt, sind Knotenpunkte und Wege Bestandteile mentaler Landkarten. Die Suche nach einer geeigneten Situation erfolgt innerhalb des Aktionsraumes entlang dieser Wege und ihre Knotenpunkte. Bestimmte Delikte, wie etwa Raubüberfälle, werden vorzugsweise an den Rändern von Knotenpunkten begangen (edge effect). Gebiete (districts) und landmarks scheinen bei der Suche nach Zielobjekten keine besondere Rolle zu spielen. Neben diesen Raummerkmalen bezieht ein Täter natürlich auch die Funktion des Raumes in seine Überlegung mit ein. Der wichtigste und bekannteste Aktionsraum für eine Person ist üblicherweise ihr Wohnort. Die meisten Verbrechen werden daher in der Nähe der Wohnorte der Täter begangen. Journey-to-crime research befasst sich mit der Suche des Täters nach seinen Zielen und Opfern. Die entsprechenden Studien stellen übereinstimmend fest, dass die Anzahl der Delikte in Abhängigkeit von der Distanz zum Wohnort durch eine Pareto Funktion, der so genannten distance-decay-function (z.B. Brantingham, Brantingham 1981:33), am besten beschrieben werden kann. In direkter Umgebung des Wohnortes, in der „buffer zone“ oder der „safety zone“ (Rossmo 2000:120), begehen Täter üblicherweise weniger Delikte30, während sich die Anzahl begangener Delikte in zwei bis drei Kilometern Abstand vom Wohnsitz häufen. Danach nimmt deren Häufigkeit stetig ab. Die Delikte verteilen sich dabei nicht notwendigerweise in konzentrischer Form um den Wohnsitz, sondern mit einer Tendenz in eine bestimmte Richtung (etwa entlang häufig genutzter Wege). Auch ist zu vermuten, dass dieser Zusammenhang eher durch die ökologische Distanz 29 Vgl. Brantingham, Brantingham 1993a. Die Vorstellung der „buffer zone“ scheint insbesondere für Raubdelikte und Diebstahldelikte, sowie für Serienmord und Serienvergewaltigung zuzutreffen. In dieser Zone ist das wahrgenommene Risiko der Entdeckung und der Identifikation wahrscheinlich höher, als in sicherem Abstand von zu Hause. Jugendliche Straftäter begehen ihre Taten üblicherweise näher an ihrem Wohnsitz, als Erwachsene, da ihr Aktionsraum i.d.R. kleiner ist. Für einige Delikte, wie etwa häusliche Gewalt, hat das Modell natürlich keine Gültigkeit (vgl. Rossmo 2000:120). 30 42 B Kriminalgeografische Theorien und Studien – d.h. durch ein „Zeit-Kosten-Maß der Erreichbarkeit“ (Hamm 1996:185) - als durch die Luftliniendistanz zustande kommt. Distance decay wurde für die Tatorte einer ganzen Reihe verschiedener Delikte nachgewiesen wie Raubüberfälle, Einbrüche verschiedener Art, Serienmord, Vergewaltigung von Fremden, Brandstiftung und andere31. Die Methode des geographic profiling macht sich diese und weitere Erkenntnisse der journey-to-crime Studien und der environmental criminology bei der Ermittlung von Serientaten (Vor allem Mord und Vergewaltigung) zu Nutze; denn häufig erlauben Muster in der räumlichen Verteilung von Verbrechen, Rückschlüsse auf den Wohnort des Täters. Auch für andere Aktionsräume (Arbeitsstelle, der Wohnort eines Freundes, Freizeiteinrichtungen, Wege zwischen diesen Orten …) zeigen sich ähnliche Suchmuster, die allerdings bisher weniger ausführlich belegt sind (Brantingham, Brantingham 1981:37). Abbildung 2 zeigt eine mögliche Tatortverteilung in Abhängigkeit von Aktionsräumen, Wegen und Knotenpunkten. Abbildung 2: Tatortgeografie. Quelle: Rossmo 2000:119 Eine andere Erklärung für den Einfluss städtischer Umwelt auf kriminelles Verhalten ergibt sich bei Straftaten, die nicht vom Täter geplant sind, und denen folglich auch keine Suche vorangeht. Hier spielt vor allem die Gelegenheitsstruktur des Raumes eine wichtige Rolle. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Mindestmaß an Motivation und Bereitschaft auf Seiten des Täters vorhanden ist, diese Gelegenheiten auszunutzen. Eine Antwort auf die Frage des Ursprungs dieser Motivation gibt der crime pattern Ansatz nicht. Stattdessen verweist er 31 Eine Übersicht von 81 journey-to-crime Studien findet sich bei Rossmo 2000:105ff. 43 B Kriminalgeografische Theorien und Studien auf andere Theorien, ohne diese explizit zu benennen: „The sources of motivation are diverse. Different etiological models or theories may appropriately be invoked to explain the motivation of different individuals or groups“32(Rossmo 2000:117). Welche Situation von einer motivierten Person, dann als Gelegenheit wahrgenommen wird, unterscheidet sich von Täter zu Täter, weil erstens die Intensität der Motivation variieren kann und zweitens, weil Täter unterschiedliche crime templates haben (Brantingham, Brantingham 1993a:12). Ein template ist eine Art script (Abelson 1981) oder Schema (z.B. Taylor et al. 2003:80), das spezifische Merkmalsbündel einer Situation umfasst, und so hilft diese schnell hinsichtlich der Handlungsoptionen zu bewerten. Diese Merkmalsbündel, und die dazugehörigen opportunen Reaktionen, müssen vorher durch Erfahrung gelernt werden. Crime templates helfen dem Täter dabei günstige Situationen schneller und leichter zu bemerken und auszunutzen. Eine Person mit entsprechend vielen und ausgebildeten crime templates wird also eine Situation eher als Gelegenheit auffassen als Personen ohne die entsprechenden crime templates. Viele physikalische Situationsmerkmale oder bestimmte Kombinationen von Situationsmerkmalen sind ein besonders gängiger Bestandteil von crime templates und steigern folglich das Risiko, das es in solchen Situation zu einer kriminellen Handlung kommt; insbesondere dann, wenn sich diese Situationen innerhalb des Aktionsraumes vieler Menschen ereignen. Gelegenheiten, die durch solche kognitiven Erkennunkstrukturen identifiziert werden, können zufällige Taten auslösen. Sie können aber auch während eines Suchprozesses vorgefunden werden33. Versierte Einbrecher z.B. entwickeln hochkomplexe crime templates, die ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Objekt helfen. Anhand einer Vielzahl von Anzeichen erkennen sie, ob z.B. jemand zu Hause ist oder nicht, wie lange sie benötigen das Schloss der Eingangstüre zu knacken, und ob geeignete Objekte im Haus zu vermuten sind. Diese Informationen, für die nur sie ein Auge haben, helfen Einbrechern bei der Suche nach geeigneten Zielen. Viele Straftaten sind typische Gelegenheitsdelikte (z.B. Ladendiebstahl), deren Begehung spontan geschieht, während andere Delikte der sorgfältigen Planung und Suche bedürfen. In beiden Fällen sind physikalische Raummerkmale bei der Entscheidung der Täter von Bedeutung. Brantingham & Brantingham sprechen in Anlehnung an die behavior Settings 32 Einige denkbare Ansätze für Motivation oder andere individuelle Voraussetzungen für kriminelle Handlungen wurden im Kapitel 2.5 vorgestellt. 33 Allerdings kann der Suchprozess ungeplant beginnen, wie sich in einer Befragung verurteilter Einbrecher zeigt. Damit verwischt die Unterscheidung in geplante und ungeplante Delikte. „But how do offenders come to be watching those places to begin with? Do they purposely seek them out? Or do they simply stumble on them in the course of their daily rounds? For most of the offenders in our sample who typically watched dwellings before breaking in to them, the answer seemed to fall somewhere between these two extremes. The subject usually did not go out with the specific intention of looking for potential targets. Nor did they generally just happen upon places when locating prospective burglary sites […]. Rather they were continually “half looking” for targets… “I might go to the neighborhood park or something and then I might say, “Well, I’ll go home this way today. Then while I’m walkin’ up the street I just be lookin’, checkin’ it out.” (Wright, Decker 1996:42f) 44 B Kriminalgeografische Theorien und Studien (Barker 1968) auch von criminal behavior Settings, wenn ein Raum delikttypische Gelegenheiten enthält. In diesen Räumen werde dem Nutzer nicht nur konformes Verhalten nahe gelegt, sondern eben auch bestimmte Formen abweichenden Verhaltens. Entsprechend gibt es auch kriminelles Verhalten das in bestimmten Settings nicht erwartbar ist. „Theft from an automobile parked in a public parking garage is normal. When the theft involves vandalism and destruction of the vehicle without any apparent reason, the crime becomes abnormal for that Setting.” (ebd. S.9) 5.5.2 Der Einfluss städtischer Umwelt auf aggregierte Kriminalitätsmuster: Nodes, edges, paths34, crime attractors & crime generators und juxtaposition von Raumtypen Der makroanalytische Bezug der crime pattern theory untersucht räumliche Muster von massenhaften Kriminalitätsphänomenen. Relativ wenige Orte in der Stadt sind für einen großen Anteil des gesamten Kriminalitätsaufkommens verantwortlich35. Eine aufwendige Untersuchung von Lawrence Sherman und seinen Kollegen (1993) zeigt dies. Die Forscher untersuchten in Mineapolis die Adressen von 323.979 Anrufen, die im Laufe eines Jahres bei der Polizei eingingen. Die Hälfte der Anrufe kam aus lediglich 3.3% der Orte (Die Stichprobe umfasste 115.000 adressierbare Häuser und Kreuzungen im Stadtgebiet). Eine Berechnung für die zufällige Verteilung der Anrufe ergab eine 8% Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Ort einen Anruf hervorbringt. Tatsächlich aber wiesen 45.561 Plätze gar keine Anrufe auf, während von 3.841 Häusern oder Kreuzungen aus mehr als 15 Anrufe getätigt wurden. Ein Ort, von dem aus bereits drei Anrufe bei der Polizei eingingen, hatte eine mehr als 50% Wahrscheinlichkeit im Laufe des Jahres erneut Austragungsort einer kriminellen Handlung zu werden. Sherman folgerte daraus in einer seiner späteren Arbeiten (1995:36): „If future crime is six times more predictable by the address of the occurrence than by the identity of the offender, why aren’t we doing more about it?” Für fast alle Deliktformen lassen sich solche hot spots identifizieren (Brantingham, Brantingham 1993a:16) und häufig liegen die betreffenden Orte an besonders betriebsamen „Aktivitätsknoten“ (ebd.) wie etwa Bereiche der Innenstadt oder Knotenpunkte von Öffentlichen Personennahverkehr. Daher überrascht es zunächst wenig, dass die Gebiete, in denen sich viele Menschen aufhalten auch stärker kriminalitätsbelastet sind. Aber nicht alle Aktivitätsknoten 34 Vgl. Brantingham, Brantingham 1993a Orte mit erhöhtem Kriminalitätsaufkommen werden in der Kriminalgeografie als hot spots bezeichnet (vgl. Tylor et al. 1998:3). 35 45 B Kriminalgeografische Theorien und Studien sind hot spots, und nicht alle hot spots liegen an Aktivitätsknoten. Typischerweise liegen Aktivitätsknoten im awareness space besonders vieler Menschen. Befinden sich nun an einem Aktivitätsknoten Situationen, die für einige Menschen eine Gelegenheit für kriminelle Handlungen darstellen (die also ihren crime templates entsprechen), dann ist dieser Ort auch entsprechend risikobelastet. Die gleiche Risikobelastung findet sich an stark frequentierten Straßen und Wege, in deren unmittelbarer Nähe Gelegenheiten bestehen. „Both individual and aggregate crime patterns cluster around offender and victim nodes and along the principal pathways between them. […] Paths determine where people search for criminal targets and where people are victimized. Because paths are so important, street networks, traffic and transit patterns strongly influence the distribution of crimes“ (Brantingham, Brantingham 1995:10f). Gewisse Eigenschaften von Straßen und Wegen tragen zur Entstehung von hot spots bei. Zahlreiche Studien belegen dies: Häuser entlang von Straßen im Gittermuster werden von Einbrechern gegenüber Häusern in einem organischen Straßenlayout bevorzugt (Brantingham 1975), vermutlich weil der Raum besser „lesbar“ ist, und damit eher Bestandteil einer kognitiven Karte wird. Cromwell et al. (1990, 1991) fanden heraus, dass 39% der viktimisierten Häuser ihrer Stichprobe an Kreuzungen lagen. Der Grund hierfür mag - gemäß der VIVA Bedingungen - aus einer Kombination von besserer Zugänglichkeit und Fluchtmöglichkeit sowie besserer Auffindbarkeit liegen (vgl. Rossmo 2000:124). Unabhängig davon, ob hot spots an Knotenpunkten oder entlang von Wegen liegen, müssen zwei Typen unterschieden werden: Hot spots, die von Tätern gezielt aufgesucht werden um die ortsspezifischen Gelegenheit für die Begehung eines Deliktes auszunutzen, werden als crime attractors (Brantingham, Brantingham 1995) bezeichnet. Hot spots, in denen nicht intendierte - oder zumindest nicht geplante - Delikte begangen werden, heißen crime generators (ebd.). Typische crime attractors sind z.B. schlecht bewachte Parkplätze und Parkhäuser (für Diebstähle von und aus Autos, sowie Raubüberfälle), Bahnhofsvorplätze und bestimmte Parkanlagen (für Drogenhandel) oder Trödelmärkte (für Hehlerei). Crime generators sind z.B. Einkaufspassagen (Ladendiebstahl) oder Sportarenen und Diskotheken (Schlägereien, Vandalismus) (ebd.). Natürlich kann es auch passieren, dass ein Täter einen crime generator ganz gezielt zur Begehung eines Deliktes aufsucht (z.B. ein Hooligan in einem Fußballstadion, oder ein geplanter Ladendiebstahl in einer Passage). Tendenziell lässt sich allerdings die Unterscheidung zwischen Orten gezielter krimineller Aktivität und kriminalitätsgenerierenden Orten, in denen Gelegenheitsdelikte begangen werden, aufrechterhalten. Relevant ist 46 B Kriminalgeografische Theorien und Studien diese Unterscheidung nicht nur für das Verständnis von räumlicher Kriminalitätsverteilung, sondern auch bei der Kriminalprävention: Während situative Veränderungen in crime generators tatsächlich das Ausmaß der kriminellen Handlung verringern können, kommt bei es bei Präventionsmaßnahmen an crime attractors häufig nur zu Verlagerungseffekten. Die kriminogene Wirkung bestimmter Aktivitätsknoten scheint sich häufig erst durch das Nebeneinander bestimmter Raumtypen zu entfalten. Dabei lässt ein ungünstiges Nebeneinander (juxtaposition) bestimmter Raumtypen typische crime generators entstehen (Brantingham, Brantingham 1995:18). So kann vermutet werden, dass malls und Einkaufspassagen in der Nähe von Schulen ein gesteigertes Risiko für Ladendiebstahl aufweisen. Brantingham sieht das Nebeneinander von Aktivitätsknoten wie großen Einkaufszentren und Einfamilien Appartements als problematisch an, weil die Wohnungen üblicherweise tagsüber nicht bewohnt werden und sich so Gelegenheiten für Einbruch bieten: „The concentration of apartments near malls places the most ‚at-risk’ type of housing in an ‚at-risk’ location.“ (Brantingham, Brantingham 1990:178). Ähnlich identifiziert eine Studie von Liggett et al. (2004) das Nebeneinander von Bushaltestellen und Einrichtungen in denen Schecks eingelöst werden können („check-cashing-establishments“) als besonders zuträglich für Raubüberfälle. Schließlich ist noch auf ein letztes Raummerkmal hinzuweisen, das für die geografische Verdichtung von kriminellen Handlungen wichtig erscheint. Unter dem edge effect (Brantingham, Brantingham 1993b:17) versteht man die Tendenz, dass sich viele Delikte an physikalischen oder perzeptorischen Rändern von Räumen ereignen. Solche Ränder sind, neben nodes, paths, landmarks und districts, charakteristische Merkmale mentaler Landkarten. Ränder in unseren mentalen Landkarten bilden sich vor allem um abgrenzbare Gebiete (districts und cluster wie etwa Gebiete mit bestimmter Raumnutzung) oder an Orten, an denen konkrete physikalische Grenzen wie Flüsse, Eisenbahnschienen oder Autobahnen verlaufen. Besonders die Ränder von Aktivitätsknoten weisen den edge effect auf. Dieser besteht allerdings nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich. Raubüberfälle ereignen sich häufig an den Rändern von großen Parkplätzen eine halbe Stunde nach Ladenschluss (Wilcox 1973). Eine Raumanalyse von hot spots (Einbrüche) in Newcastle-under-Lyme stellte fest, dass die meisten Häuser an Rändern von Flächen wie Spielplätzen, Garagenanlagen und stillgelegten Bahngleisen, Ziel von Einbrechern wurden (Evans, Oulds 1984). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die crime pattern theory Elemente der routine activity theory und der rational choice theory verbindet, wobei sie insbesondere die physikalischen Raummerkmale der Stadt für die Erklärung der Verteilung von Kriminalität berücksich47 B Kriminalgeografische Theorien und Studien tigt. Insgesamt haben die drei hier vorgestellten Ansätze, die allesamt der environmental criminology zugehörig sind, eine ganze Reihe interessanter Studien hervorgebracht, von denen einige im Folgenden kurz vorgestellt werden. 6 Studien der environmental criminology in ausgewählten Raumtypen Die Studien der environmental criminology lassen sich danach unterscheiden, ob ein konkreter hot spot, oder aber ob ein bestimmter Raumtyp untersucht wird. „Hot spot reseach“ (Taylor 1998:6) ist üblicherweise interventionsorientiert, so dass die Studien zum Teil unter quasiexperimentellen Bedingungen durchgeführt werden. Das heißt, dass in den hot spots Situationsmerkmale identifiziert werden, die bestimmte Delikte zu begünstigen scheinen. Nach der Intervention wird dann überprüft, ob ein Rückgang der Kriminalität erfolgt ist. Die meisten hot-spot Untersuchungen in den USA betreffen Drogendelikte und konzentrieren sich auf Parks der Drogenszene oder das Umfeld von Häusern in denen Crack produziert und verkauft wird (crack houses) (vgl. z.B. Block, 1995; Sherman, Rogan 1995; Green 1996; Eck, Wartell 1998). Der Sinn dieser Art von Untersuchungen, die häufig eher eine Evaluation von repressiven Polizeimaßnahmen darstellt, wird mitunter angezweifelt: „We know more about reducing disorder than about reducing crime“ (Taylor 1998:9). Auf mögliche Verlagerungseffekte als Folge solcher Maßnahmen verweist Green (1995). Andere, weniger interventionsorientierte Studien vergleichen die Raummerkmale von hot spots mit nicht belasteten Räumen des gleichen Typs, um so Aufschluss über risikomindernde und risikoerhöhende Faktoren zu erhalten. Einige dieser Studien werden nun kurz vorgestellt. Dieser Überblick dient auch dazu Raummerkmale zu identifizieren, für die bereits ein - wie auch immer gearteter Zusammenhang - mit kriminellen Verhalten festgestellt werden konnte. Diese Raummerkmale werden bei der qualitativen Untersuchung der deliktbelasteten Räume in Kapitel 9 dann berücksichtigt. 6.1 Umfeld von Konsumorten Eine der wenigen deutschsprachigen Untersuchungen, die sowohl delikt- als auch raumtypenspezifisch ansetzt, ist die Arbeit von Freshee (1979). Unter anderem wurde eine Kieler Einkaufspassage untersucht, in der es häufig zu Ladendiebstählen kam. Die Studie enthält sowohl 48 B Kriminalgeografische Theorien und Studien Daten zu Delikten aus dem Hellfeld als auch aus dem Dunkelfeld36. Freshee fasst die Passage - wenngleich nicht explizit - als einen crime generator auf und bezeichnet die „Kriminalitätshäufung als zwangsläufige Begleiterscheinung funktionaler Konzentration“ (ebd. S.188): „Die großen Fallzahlen zentraler Stadtkriminalität sind nur zum Teil von Tätern verursacht, die die Innenstadt wegen der Gelegenheitsdichte […] zur gezielten Begehung bestimmter Straftaten aufsuchen. […]. Das statistische Bild ist vielmehr Ausdruck einer Massenkriminalität, die vorwiegend bei Gelegenheit eines zu ganz anderen (legitimen) Zwecken vorgenommenen Innenstadtbesuches von prinzipiell willkommenem Publikum getragen wird. (ebd. S. 189). Besonders dem Umfeld von Konsumorten spricht Freshee eine enorme kriminogene Wirkung zu, die zusätzlich noch durch Einrichtungsgegenstände im Raum wie z.B. Sitzgelegenheiten verstärkt wird, und die er folgendermaßen zusammenfasst: „Der Holstentörn am Südende der Fußgängerzone, in dessen Verlauf eine Passage durch ein Kaufhaus hindurchführt, ist zugleich das Musterbeispiel eines geglückten Versuches, den Einflussbereich eines Warenhauses zur Promenade für Publikum zu machen, das überhaupt keine gezielte Kaufabsicht hat. Die geschickte Synthese von Unverbindlichkeit und Einbeziehung durch die zu beiden Seiten sich öffnenden Verkaufsräume, locker verbunden durch in der Passage aufgestellte mobile Stände erweckt Unsicherheit, ob man sich noch auf öffentlicher Verkehrfläche oder schon in privaten Geschäftsraum befindet. Eine Lichtplastik, kleine Gastronomie, Minutenservice und Kinderstube verdichten die ambivalente Atmosphäre. Der vor allem in der phänomenologischen Literatur zu Ladendiebstahl vielfach kritisierte Widerspruch, der darin liegt, einerseits psychologische Mechanismen zur Verkaufsförderung auszunutzen, ohne gleichzeitig die Kehrseite ihrer funktionalen Zwangsläufigkeit zu akzeptieren, wird hier schon außerhalb des Geschäftes wirksam, von wo Passanten durch gezielte Einflussnahme in den eigentlichen Herrschaftsbereich hereingezogen werden. Da es darum geht, Menschen anzuziehen, die nicht schon von sich aus in Kaufabsicht erscheinen, ist die Fremdbeeinflussung bei denjenigen am erfolgsreichsten, die sich ohne jede eigene Zielgerichtetheit in die Einwirkungssphäre begeben. Und das ist gerade bei herumbummelnden Jugendlichen der Fall, wenn sich in der Nähe […] Bereiche finden, in denen sie sich unverbindlich aufhalten dürfen“ (ebd. S.191) 36 Als Hellfeld bezeichnet man die Summe der Delikte, die durch eine Anzeige polizeilich registriert sind, während das Dunkelfeld die Summe aller tatsächlich begangenen Delikte umfasst. Dieses kann durch entsprechende sozialwissenschaftliche Untersuchungsmethoden (z.B. Täter- und Opferbefragung) zum Teil erleuchtet werden (vgl. BKA 2005:8). 49 B Kriminalgeografische Theorien und Studien Zu dem gleichen, aber etwas kürzer formulierten Ergebnis kommt eine Studie die den kriminogenen Einfluss von Einkaufszentren in den USA untersucht: “… Juveniles spend hours in malls. There the opportunities for theft are endless. The desire for thrill is great. Shoplifting is not an unexpected behavior.” (Brantingham, Brantingham 1993b:22) Für Einkaufspassagen wurden, neben dem nahe liegenden Zusammenhang mit Ladendiebstahl, auch noch weitere typische Delikte identifiziert wie Einbruch, Raub, Vandalismus, Graffiti und störende Verhaltensweisen. Das Ausmaß dieser Delikte ist abhängig von der Größe und der Funktionsvielfalt der Einkaufsznetren sowie vom Innendesign, von der Position in der Stadt und im Verkehrssystem. Einkaufszentren am Rande der Stadt, die außerhalb des awareness space potentieller Täter liegen, erfahren weniger Kriminalität. Unbequeme Sitzgelegenheiten, die die Leute in Bewegung halten sollen, sind ein Schutzfaktor für unerwünschtes Verhalten und Ladendiebstahl. Eine komplexe und verwinkelte Anordnung der Wege auf mehreren Ebenen verhindert Ballungen der Besucher, während bei linearen Grundrissen eher Ansammlungen entstehen. Zerstreuung der Besucher führt dazu, dass das Herumlungern von Obdachlosen und Jugendlichen (dem so genannten loitering) von den Gästen mit Kaufabsichten weniger als Störung empfunden wird (vgl. Brantingham, Brantingham 1990). 6.2 Einrichtungen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) Einen Untersuchungskomplex innerhalb der Kriminalgeografie bilden Studien, die die verschiedenen Einrichtungen des ÖPNV betreffen (vgl. z.B. Brantingham 1991, Block 1996, Loukaitou-Sideris 1999, Liggett 2001, Liggett 2004, Newton 2004). Dabei handelt es sich nach Schuberts Typologie öffentlicher Räume also um die „Ränder von Verkehrswegen“ (Haltestellen von Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen) und den „Mobilen Verkehrsräumen“37. Um die deliktspezifische Wirkung von Einrichtungen des ÖPNV zu untersuchen unterscheiden Brantingham & Brantingham grundsätzlich zwischen: „Crime on the transit system, crime against the transit system, crime near the transit system, and crime distributed by transit system“ (1991:91). Für die jeweiligen Deliktformen bieten sich demnach unterschiedliche Erklärungen zu der kriminogenen Wirkung dieser Einrichtungen an. Überfälle, Raub, Taschendiebstahl und Körperverletzung (crime on the transit system) entstünden dadurch, dass der ÖPNV besonders viktimisierungsgefährdete Gruppen (z.B. Jugendliche und junge 37 Newton (2004) unterscheidet in diesem Sinne zwischen ‚static’ und ‚non-static crime events’, die im Kontext von ÖPNV geschehen. 50 B Kriminalgeografische Theorien und Studien männliche Singles) in Verbindung mit potentiellen Tätern bringt. In den mobilen Innenräumen, sowie an den Haltestellen und auf den Fußwegen zwischen Haltestellen und Ziel bieten sich Gelegenheiten für entsprechende Delikte. In diesem Sinne sind Einrichtungen des ÖPNV crime generators für bestimmte Delikte, und crime attractors für andere (z.B. Taschendiebstahl). Delikte gegen Einrichtungen des ÖPNV (vor allem Vandalismus und Schwarzfahren) werden, ähnlich wie Ladendiebstahl, als normale Begleiterscheinungen des Geschäfts aufgefasst. Schließlich gibt es Anzeichen dafür, dass der ÖPNV die Muster der Kriminalitätsverteilung in einer Stadt beeinflusst. Entsprechende Schlüsse zogen die Forscher aus der Beobachtung, das um einige neu eröffnete Haltestellen des „Skytrain“ in Vancouver, Einbruchs- und Sachbeschädigungsdelikte rapide zunahmen (ebd. S.94). Eine Studie, die das Kriminalitätsaufkommen von 19.650 Bushaltestellen in Los Angeles ermittelte, und belastete Haltestellen qualitativ untersucht, stellt folgende Raumeffekte fest (Loukaitou-Sideris 1999): Die Position der Einrichtung innerhalb der Stadt ist von Bedeutung, da sich mit ihr sowohl das Volumen der Nutzer als auch deren sozialökonomische Merkmale verändern. Delikte wie etwa Taschendiebstahl werden mit steigender Dichte der Nutzer wahrscheinlicher, während andere Delikte (z.B. Raubüberfälle) eher durch Abwesenheit einer großen Menge von Personen begünstigt werden. Physikalische Raummerkmale, insbesondere jene, die die Einsehbarkeit der Settings betreffen (wie z.B. Beleuchtung) begünstigen bzw. erschweren bestimmte Delikte. Die Funktion anliegender Räume und Settings: Einige Kombinationen von Settings und Raumtypen wirken kriminogen. Gerade funktionslose Räume (wie etwa leerstehende Häuser, oder brachliegende Grundstücke) werden im Zusammenhang mit höherer Deliktbelastung der anliegenden Haltestellen gesehen. Die Befunde der Studien zeigen, dass der ÖPNV bei der Entstehung und Verteilung von Kriminalität im städtischen Raum eine bedeutende Rolle spielt. Haltestellen und mobile Verkehrsräume treten dabei sowohl als crime attractor (z.B. für Taschendiebe) als auch als crime generator (z.B. wenn durch den ÖPNV bestimmte Risikogruppen zusammengeführt werden) auf. 6.3 Parkanlagen und Diebstahl aus Kraftfahrzeugen Parks wurden in einer Studie von Hull et al. (2001) vor allem in ihrem Zusammenhang mit Diebstahl aus Kraftfahrzeugen untersucht. Auf der theoretischen Grundlage der environmen51 B Kriminalgeografische Theorien und Studien tal criminology untersuchen die Forscher den Einfluss verschiedener Raummerkmale von Parks und deren Parkplätzen auf das Verhalten von Tätern. Ausgangslage der Untersuchung war die Feststellung, dass einige Parkplätze um einen großen Park in Washington DC besonders deliktbelastet waren. Einer der zentralen Befunde, die aus der qualitativen Untersuchung der entsprechenden Settings gezogen werden, besteht in der Formulierung eines crime templates oder Täterscripts, d.h. einem Schema, nach dem die meisten Täter vorgehen. Dieses script umfasst sieben, klar trennbare Schritte der Täter auf dem Weg zum Diebstahl aus einem Kfz: Select act: Vor allem Autos von Touristen stellen wegen der möglichen Beute, ein gängiges Ziel der Diebe dar. Sie beobachten wo die Touristen ggf. Wertgegenstände im Wagen verstauen, und in welche Richtung sie sich vom Wagen fortbewegen. Für die unbemerkte Beobachtung bieten sich dem Täter zwei Strategien: Einerseits kann der Täter aus einem Versteck beobachten. Verschiedene Raummerkmale können als ein solches Versteck dienen, aus denen man das Setting gut beobachten kann. Existieren keine physikalischen Versteckmöglichkeiten, verbergen viele Täter ihre Absicht mit Hilfe von Raumfunktionen. So wurde beispielshalber ein am Parkplatz liegender Imbisstand von einigen Tätern genutzt, um eine legitime Tätigkeit vorzutäuschen. Sitzgelegenheiten bieten ähnliche Möglichkeiten zur unauffälligen Beobachtung. Approach act: Bietet das Setting keine Gelegenheit einen Wagen unbeobachtet zu untersuchen und sich ihm zu nähern (etwa durch verdeckt liegende Stellplätze) bedienen sich die Täter unterschiedlicher Strategien, um unauffällig den Wagen zu überprüfen (Ein Blick ins Innere, Überprüfen, ob der Wagen abgeschlossen ist…). Manch einer bindet sich den Schuh, andere lassen etwas zu Boden fallen. Perpetrate act: Je nach Situation folgt die kriminelle Handlung dem approach act. Dazu kann der Wagen mit Hilfe von Werkzeug aufgebrochen werden, oder eine Scheibe wird mit Hilfe eines Gegenstandes oder eines Handschuhs eingeschlagen. Der Modus operandi ist abhängig von entsprechenden Kenntnissen des Täters (Umgang mit dem Werkzeug), von dem Maß an Lärmentwicklung, dass Aufmerksamkeit erregen würde, und von der vom Täter geahnten Zeit, die ihm bleibt möglichst unerkannt zu flüchten. Escape act: Bei der Flucht kommt es dem Täter darauf an, möglichst schnell einen Ort zu finden an dem er die Beute untersuchen kann. Solange er das Gestohlene als offensichtliche Beute bei sich trägt, ist das Risiko der Entdeckung nicht gebannt. Einige Täter bedienen sich eines eigenen Kfz, andere nutzen Fußwege oder ÖPNV um das Setting zu verlassen. Einige Täter begehen sogar mehrere Diebstähle, bevor sie das Setting verlassen. 52 B Kriminalgeografische Theorien und Studien Examine act: Das Untersuchen der Beute ist ein auffälliges Verfahren, bei dem der Täter unbeobachtet sein muss. In der Studie wurden Orte wie öffentliche Toiletten, Straßenunterführungen oder dichte Gebüsche als relevante Raummerkmale identifiziert. An diesen Orten fand die Polizei häufig für den Täter nutzlose Beute. Discard act: Von ungewollter Beute trennen sich die Täter üblicherweise während der Flucht oder während der Untersuchung. Einige Täter geben den Opfern dabei die Möglichkeit ihr Eigentum zurück zu bekommen, indem sie nutzlose Beute offensichtlich platzieren. Einige Täter entsorgen sie in Mülleimern oder werfen sie in Hecken und Büsche. Cash act: Besteht die Beute nicht in Bargeld, versuchen Täter die gestohlenen Gegenstände üblicherweise zu verkaufen. Nähere Details zu diesem letzten Bestandteil des scripts konnte die Untersuchung allerdings nicht benennen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass vor allem Raummerkmale, die die soziale Kontrolle beeinträchtigen oder unterbinden, Diebstahl aus Kfz begünstigen. Dieser Befund bestätigt sich auch in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit, bei der hot spots von Diebstahl aus Kfz untersucht wurden. 53 C Methode und Resultate der Untersuchung C Methode und Resultate der Untersuchung 7 Vorbemerkung Die bisherigen Ausführungen schildern, auf welche Art und Weise sich öffentlicher städtischer Raum auf die Verteilung und die Entstehung krimineller Handlungen auswirkt. Auf diesen theoretischen und empirischen Befunden aufbauend, werden nun zwei eigene Untersuchungen vorgestellt. Beide Untersuchungen sind voneinander zu trennen, da sie sowohl mit unterschiedlichen Methoden als auch in verschiedenen Städten durchgeführt wurden. Die jeweiligen Befunde liefern allerdings ein einhelliges Bild, das konsistent mit den Ergebnissen der Kriminalgeografie bzw. der environmental criminology ist. Durch die erste Auswertung kann belegt werden, dass rein täterorientierte kriminologische Erklärungen zumindest für Ladendiebstahl zu kurz greifen und über ergänzende Erklärungsgrößen nachgedacht werden muss. Um dies zu zeigen, wurden die Ergebnisse einer Dunkelfeldbefragung Duisburger Schüler quantitativ analysiert. In der zweiten Untersuchung wurden deliktbelastete Räume (hot spots) anhand polizeilicher Statistiken erst identifiziert und dann mit qualitativen Methoden analysiert. Auch deren Ergebnissen zeigen, dass einige Delikte, und besonders deren räumliche Verteilung, allein durch täterorientierte Erklärungen nur unzureichend erleuchtet werden können. 8 Die Duisburger Schülerbefragung Der folgenden Auswertungen liegen die Daten einer Duisburger Schülerbefragung aus dem Jahre 2004 zu Grunde. Sie entstammen einem laufenden Forschungsprojekt mit dem Titel „Jugendkriminalität in der modernen Stadt“ das von der Universität Trier und dem Institut für Kriminalwissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter Leitung von Prof. Dr. Jost Reinecke und Prof. Dr. Klaus Boers durchgeführt wird. Eines der Ziele der Studie ist es, einen Überblick über das Dunkelfeld von Jugendkriminalität zu bekommen. Dazu wurden sowohl Fragen zur Viktimisierung als auch zur selbstberichteten Delinquenz gestellt. Anhand der selbstberichteten Delinquenz wurden die Prävalenzraten (Anzahl der verschiedenen Täter für ein bestimmtes Delikt) und die Inzidenzraten (Gesamtanzahl der begangenen Delikte) von 20 verschiedenen Delikten ermittelt. Daneben wurden eine ganze Reihe anderer Bereiche behandelt (Familiensituation, Lebens- und Freizeitstile, Schule, Sozialraum, verschiedene Einstellungen, Cliquenzugehörigkeit und viele mehr) auf die hier nicht näher 54 C Methode und Resultate der Untersuchung eingegangen wird38. Stattdessen soll die vorliegende Auswertung anhand dieses Datenmaterials zeigen, dass die Erklärungen der klassischen täterorientierten Ansätze für einige Deliktformen zu kurz greifen, weil sie situative Einflüsse außer Acht lassen. Eine dieser Deliktformen ist, wie in Kapitel 7.1 gezeigt wurde, Ladendiebstahl, an dessen Beispiel der kriminogene Einfluss städtischer Umwelt nun belegt werden soll. 8.1 Methode der Untersuchung Die Befragung ist als eine Paneluntersuchung angelegt, bei der Kohorten (in Form von Jahrgangsstufen) über einen Zeitraum von sechs Jahren (2002 – 2007, beginnend 2002 mit der Jahrgangsstufe 7) untersucht werden. In der hier vorliegenden Untersuchung wird jedoch nur die Befragung 2004 ausgewertet. Insgesamt nahmen in diesem Jahr 3.406 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9 an dieser Befragung teil. Jugendliche aller gängigen Schulformen (Sonder-, Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien) sind in die Untersuchung einbezogen. Insgesamt gibt es auf dem Stadtgebiet Duisburg 56 Schulen mit einer 9. Jahrgangsstufe. Das entspricht einer Grundgesamtheit von 5.209 Schülern der 9. Klasse im Schuljahr 2001/200239 (Wittenberg 2004). Davon gelang es dem Projektteam 40 Schulen zur Mitarbeit an der Studie zu überzeugen, an denen die Rücklaufquote der verwertbaren Fragebögen rund 85% betrug, so dass schließlich 3.406 Jugendliche an der Befragung 2004 teilnahmen. Für weitere Ausführungen zur Methode der Untersuchung (Pretest, Beschreibung der Feldphase, Rücklauf, Datenkontrolle und -bereinigung, Gewichtung…) sei an dieser Stelle auf die entsprechenden Methodenberichte verwiesen (Brondies 2004a,b). 8.2 Hypothesen, Datenanalyse und Ergebnisse der Untersuchung Anhand der Ergebnisse der Studien zum Ladendiebstahl wurde gezeigt, dass das Umfeld von Konsumorten besonders auf Jugendliche eine kriminogene Wirkung ausüben kann. Das vorliegende Datenmaterial gibt zunächst keine Auskunft darüber, in welchem Raumtyp, oder in welchem Setting ein Delikt begangen wurde. Lediglich nach dem Stadtteil, in dem der Jugendliche die Tat begangen hat, ist im Fragebogen gefragt. Daher wird hier die Annahme getroffen, dass sich die Delikte eben in diesen Raumtypen (Einkaufscenter, Passage, Innenstadtbereich) ereignen. Zwei Umstände stützen diese Annahme: Erstens ist Ladendiebstahl zwangsläufig an ein Geschäft gebunden, und zweitens begeht ein großer Anteil der Jugendlichen ihre Tat im Innenstadtgebiet (Dellviertel und Altstadt) in denen die entsprechenden 38 Für eine Zusammenfassung einiger Ergebnisse vgl.: Informationen zur 3. Schülerbefragung in Duisburg 2004 unter: http://www.uni-muenster.de/Jura.krim/Abt_IV/aktuell/schuelerinfo_du_2004.pdf 39 Für das Untersuchungsjahr 2004 ergeben sich leichte Unterschiede. 55 C Methode und Resultate der Untersuchung Räume vorzufinden sind (siehe Abbildung 3). Insgesamt gibt ein Drittel (34,1%, das entspricht 1162) der Jugendlichen an, schon einmal Ladendiebstahl begangen zu haben40. Von den 1162 „Ladendieben“ machen 459 Angaben zum Tatort. Daraus ergibt sich, dass 355 Schüler das Delikt in Duisburg begangen haben, und davon wiederum 73 im Dellviertel oder in der Altstadt, in denen es entsprechende Einkaufsstraßen und Passagen gibt. Aber auch in einigen anderen Stadtteilen, in denen viele der Schüler als Ladendiebe aktiv sind, gibt es entsprechende Räume. Abbildung 3 zeigt die Anzahl der Täter in den verschiednen Stadtteilen. 40 Abbildung 3: Prävalenz Ladendiebstahl nach Stadtteilen. N=355 Quelle: Autor Lesebeispiel: 21 oder mehr der 355 Schüler der Befragung, haben ihren letzten Ladendiebstahl im Dellviertel begangen. Für den genauen Wortlaut dieser und anderer Fragen siehe „Auszug aus dem Fragebogen ‚Duisburger Schülerbefragung 2004’“ im Anhang. 56 C Methode und Resultate der Untersuchung Jugendliche mit niedrigem Risiko für Delinquenz: Nun interessiert, wer die Täter sind. Handelt es sich ausschließlich um auch ansonsten auffällige Jugendliche, oder begehen auch „ganz normale“ Schüler Ladendiebstahl? Täterorientierte Ansätze argumentieren, dass vor allem drei Dinge zu Ladendiebstahl von Jugendlichen führen (vgl. Reinecke 200341): 1. Eine eigene positive Einstellung gegenüber Ladendiebstahl; 2. Eine positive Einstellung gegenüber Ladendiebstahl der Personen aus dem persönlichen Umfeld (z.B. Eltern und peers); und 3. Die eigene Absicht und der Vorsatz Ladendiebstahl zu begehen. Hier soll nicht bestritten werden, dass Jugendliche, die diese Merkmale erfüllen, auch häufig Ladendiebstahl begehen. Allerdings wird behauptet, dass diese Erklärungen weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Begehen eines Ladendiebstahls darstellen. Neben diesen drei ladendiebstahlspezifischen Prädiktoren sind in der Literatur weitere Risikofaktoren identifiziert worden, die im Zusammenhang mit allgemeiner Delinquenz stehen. Um zu zeigen, dass der Raumtyp „Umfeld von Konsumorten“ durch seine verkaufsfördernde Gestaltung kriminogenes Potential hat, wurde mittels der Statistiksoftware SPSS eine Variable mit zwei Ausprägungen gebildet: Diese Variable unterscheidet zwischen Jugendlichen mit einer äußerst niedrigen Risikorate für Delinquenz (low-risk-Gruppe), und einer Kontrollgruppe. Dazu wurden verschiedene Prädiktoren für kriminelles Verhalten herangezogen, und für die Jugendlichen der low-risk-Gruppe ausgeschlossen. Die gewählten Prädiktoren gelten in der Literatur gemeinhin als delinquenzfördernd, weshalb Schüler mit einem oder mehr solcher Risiko-Indikatoren nicht zu dieser Gruppe gehören, sondern in die Kontrollgruppe fallen. Auf diese Weise soll der kriminogene Einfluss, der von dem besagten Raumtyp ausgeht, möglichst weit isoliert werden. Es sei darauf hingewiesen, das eine solche Reduktion von Einflussmöglichkeiten nie vollständig sein kann, solange man keine Experimentbedingungen schafft. Tabelle 5 zeigt die Häufigkeitsverteilung beider Gruppen. Tabelle 5: Gültig Absolute und relative Häufigkeitsverteilung der Variable ‚low risk’ low risk Kontrollgruppe Gesamt Häufigkeit 430 2976 3406 Gültige Prozente 12,6 87,4 100,0 Kumulierte Prozente 12,6 100,0 41 Reinecke legt seiner Erklärung für Ladendiebstahlsdelikte von Jugendlichen die theory of reasoned action und die theory of planned behavior zu Grunde, die im Kapitel 2.5 behandelt wurden. Die Ursachen für die kriminelle Handlung werden also auf der Täterseite gesucht. 57 C Methode und Resultate der Untersuchung Insgesamt fallen 430 Jugendliche, das ist ungefähr jeder Achte oder 12,6% aller befragten Schüler, in die low-risk-Gruppe. Diese Jugendlichen haben gemeinsam, dass42: … ihre Eltern nicht geschieden sind … sie von ihren Eltern nicht misshandelt wurden (nicht geprügelt, nicht mit der Faust geschlagen oder getreten und nicht mit einem Gegenstand verletzt wurden) … sie nicht oder selten die Schule schwänzen (in dem letzten halben Jahr nicht mehr als sechs Stunden) … ihr Notendurchschnitt besser als 3,0 ist … sie üblicherweise nicht unbeaufsichtigt zu Hause sind (etwa nach der Schule, weil beide Eltern berufstätig sind) …ihre Eltern keine deviante Normorientierung haben (Die Eltern finden es „eher schlimm“ oder „sehr schlimm“, wenn ihr Kind eine CD im Laden klaut, jemandem mit der Faust ins Gesicht schlägt, Marihuana oder Haschisch raucht, in einem Kiosk einbricht, ein Auto knackt, ein Fahrrad klaut, Drogen verkauft, von anderen Geld erpresst, oder illegal sprayt) … sie eine ablehnende Haltung gegenüber Ladendiebstahl haben (Ich finde… „Im Laden eine CD für 15 € klauen“…sehr schlimm oder eher schlimm) …sie nicht in einer gewaltorientierten Clique sind43. (nicht oder kaum gewaltorientiert vgl. Index Gewaltorientierung auf S. 60) … ihre Familie nicht arm ist (ein Wert von vier oder höher musste auf der zehn-stufigen Wohlstandstreppe angegeben werden). … sie im Monat mehr als 40 Euro zur Verfügung haben. (Damit soll ausgeschlossen werde, dass Jugendliche aus finanziellen Motiven heraus Ladendiebstahl begehen. Der Median der Antwortausprägungen der entsprechenden Frage („Wie viel Geld steht Dir durchschnittlich im Monat zur Verfügung?“) liegt zwischen 40 und 50 Euro, so dass Jugendliche der low-risk-Gruppe mehr Geld zur Verfügung haben als etwa die Hälfte ihrer Mitschüler.) Der genaue Wortlaut der entsprechenden Items ist im Anhang aufgeführt. Nur wenn alle diese Bedingungen auf einen Schüler zutrafen, wurde er oder sie der low-risk-Gruppe zugeordnet. Dies ist eine sehr restriktive Bedingung, die sicherstellen soll, dass Jugendliche der low-risk- 42 Diese Aufstellung soll nicht implizieren, dass Jugendliche, die diese Kriterien nicht erfüllen delinquent sind. Allerdings korrelieren diese Merkmale mit den in der Befragung ermittelten Deliktformen. 43 Schüler die keiner Clique angehören (Filterfrage), und deshalb die Fragen zu ihrer Clique auch nicht beantwortet haben, müssen die Frage: „Ich finde… jemanden angreifen und mit der Faust ins Gesicht schlagen“ mit „sehr schlimm“, „eher schlimm“ oder „weder noch“ beantwortet haben, um der low risk Gruppe zugerechnet zu werden. 58 C Methode und Resultate der Untersuchung Gruppe keinerlei oder sehr wenig kriminelle Disposition haben, sie aber trotzdem Ladendiebstahl begehen. Alle Befragten, die nicht dieser Gruppe angehören, bilden die Vergleichs- oder Kontrollgruppe44. Sie weisen mindestens einen der oben genannten Risikofaktoren auf, woraus allerdings nicht geschlossen werden kann, dass sie besonders risikobelastet sind. Vielmehr handelt es sich mehrheitlich um ‚ganz normale’ Jugendliche (es sei noch mal darauf hingewiesen, dass die low-risk-Gruppe eine außergewöhnliche Minderheit der Jugendlichen darstellt). Allerdings fallen in die Kontrollgruppe auch Jugendliche, die man als stark risikobelastet einstufen würde (bei denen also mehrere der genannten Prädiktoren zutreffen). Eines der Ausschlusskriterien, nämlich die Gewaltorientierung der Clique, wurde im Fragebogen nicht direkt abgefragt, sondern musste in zwei Schritten ermittelt werden: Auf der Grundlage einer Faktorenanalyse über die Items zur Clique des Befragten wurde daher eine entsprechende Variable (Index) gebildet (die zu Grunde liegenden Items und die Resultate der Faktorenanalyse befinden sich im Anhang). SPSS identifizierte drei Faktoren, unter denen inhaltlich konsistente Gruppenaktivitäten zusammengefasst werden können. Der Faktor „Gewaltorientierung“ erklärt 34% der Gesamtvarianz dieser Itembatterie. Alle Variablen mit Ladungswerten größer 0,5 wurden dem entsprechenden Faktor zugeordnet45. Die Variablen des Faktors „Gewaltorientierung“ sind in Tabelle 6 aufgeführt. Sie dienen als Komponenten für einen Index, der den Grad der Gewaltorientierung widerspiegeln soll. Tabelle 6: Items des Indices „Gewaltorientierung“. Wie genau stimmen die folgenden Aussagen für deine Clique? stimmt nicht stimmt stimmt stimmt stimmt wenig teilweise ziemlich genau Es gibt andere Gruppen, die mit uns richtig verfeindet sind. Um unsere Interessen durchzusetzen, wenden wir auch Gewalt an. Wir prügeln uns mit anderen Gruppen. Wenn wir zusammen auftauchen, haben andere richtig Respekt. Um Spaß zu haben, tun wir auch schon mal etwas Verbotenes. Die Ergebnisse der Faktorenanalyse stellen sicher, dass die zu Grunde liegenden Items auch empirisch, und nicht bloß theoretisch, zusammenhängen. Tabelle 7 lässt sich entnehmen, dass der Wertebereich für die fünf Items zwischen 5 und 25 liegt. Anhand der Antwortausprägungen der fünf Items eines Befragten, wurde der Grad der Gewaltbereitschaft seiner oder ihrer Clique festgelegt. Der gebildete Index hat vier Ausprägungen: 44 Befrage, die eines oder mehr der Items nicht beantwortet haben, die der Operationalisierung der low-riskGruppe dienen, wurden der Kontrollgruppe zugerechnet. 45 Alle verwendeten Variablen haben measure of sampling adequacy Werte (MSA) > 0.7 und sind damit für die Faktorenanalyse geeignet (vgl. Anhang 1). 59 C Methode und Resultate der Untersuchung Tabelle 7: Wertebereiche und Häufigkeiten des Indices Gewaltorientierung Nicht Gewaltorientiert 5-9 Anteil der Befragten, die Mitglieder einer Clique sind (N= 256046) 55,9% (1431) Wenig Gewaltorientiert 10-14 26,5% (678) Einigermaßen Gewaltorientiert 15-19 11,2% (287) Ausprägung Wertebereich Stark Gewaltorientiert 20-25 6,4% (164) Lesebeispiel: Die Clique von 55,9% aller Befragten, die einer Clique angehören, ist als „nicht gewaltorientiert“ einzustufen (Indexwert 5-9). Eine einigermaßen und starke Gewaltorientierung der Freundesclique wurde für die Gruppe der low-risk Jugendlichen ausgeschlossen, da deviante Normvorstellungen der peer group gemeinhin als äußerst starker Prädiktor für Delinquenz angesehen werden. Das bestätigt sich auch in dieser Untersuchung: Für Sachbeschädigung etwa beträgt der Zusammenhang zwischen Gewaltorientierung der Freundesclique und Prävalenz von Sachbeschädigung 0.328 (Cramer’s V und Phi, signifikant auf dem 99% Level): 42% aller Mitglieder stark gewaltorientierter Gruppen haben schon mindestens einmal etwas mutwillig zerstört oder beschädigt, während dies nur für 7,8% der Mitglieder nicht gewaltorientierter Gruppen zutrifft. Ähnliche Werte zeigen sich auch bei den anderen Delikten. Lediglich für den Ladendiebstahl fällt der Unterschied erwartungsgemäß kleiner aus. Nachdem die Herleitung für die Gruppe der low-risk -Jugendlichen beschrieben wurde, wird nun die Hypothese formuliert. Sie soll ein Indiz dafür sein, dass das Umfeld von Konsumorten kriminogenen Einfluss auf Jugendliche ausübt, der zusätzlich zu den täterorientierten Erklärungsgrößen für Ladendiebstahl wirkt. Tabelle 8: Hypothese der Untersuchung Hypothese: a) Die Prävalenzrate der low-risk-Gruppe ist für alle Delikte signifikant niedriger als die der Kontrollgruppe. b) Für Ladendiebstahl ist der Unterschied zwischen der Prävalenzrate der low-riskGruppe und der Prävalenzrate von der Kontrollgruppe kleiner als bei allen anderen Delikten. Um die beiden Teilhypothesen zu testen, wurde geprüft, ob die Gruppe der low-riskJugendlichen tatsächlich über weniger begangene Delikte berichtet (Lebensprävalenz für alle 46 Die fehlenden Werte kommen dadurch zustande, weil 846 Befragte eine oder mehr der zu Grunde liegenden Fragen nicht beantwortet hat. 60 C Methode und Resultate der Untersuchung im Fragebogen abgefragten Delikte, außer Computerkriminalität)47. Ein Vergleich der beiden Populationen ergibt folgendes Ergebnis: Diagramm 1: Vergleich low-risk-Gruppe mit Kontrollgruppe hinsichtlich Lebensprävalenz verschiedener Delikte (N= 3329). 100% 90% 80% 70% 60% 66,9% (1982) 50% 40% 52,9% (227) 30% 20% 10% 0% low risk Lesebeispiel: Kontrollgruppe 66,9% aller Jugendlichen der Kontrollgruppe (das entspricht 1982 Schülern) haben mindestens eines der im Fragebogen aufgeführten Delikte schon einmal begangen. Während jeder Zweite (52,9%) Jugendliche aus der low-risk-Gruppe mindestens eines der im Fragebogen aufgeführten Delikte schon einmal begangen hat, sind es in der Kontrollpopulation zwei Drittel (67%) also rund 14% mehr. Der Unterschied ist signifikant auf dem 99% Level und es besteht ein schwacher Zusammenhang (Cramer’s V = 0,097). Damit trifft die Hypothese (a) zu: Jugendliche der low-risk-Gruppe neigen weniger zur Delinquenz als Jugendliche der Kontrollgruppe. Der Unterschied ist allerdings schwächer als zu erwarten war. Welche Delikte werden nun von den Jugendlichen der low-risk-Gruppe begangen? Der Hypothese zufolge begehen sie keine Delikte im nennenswerten Umfang, außer Ladendiebstahl. Die folgende Übersicht zeigt, dass Ladendiebstahl in der Tat das einzige Delikt ist, welches überproportional häufig von Jugendlichen der low-risk-Gruppe begangen wird. 47 Alle abgefragten Deliktformen wurden zu einer Variable zusammengefasst, die Auskunft darüber gibt, ob der Befragte jemals eines der 20 abgefragten Delikte schon einmal begangen hat. Für 65% der Befragten trifft dies zu. 61 C Methode und Resultate der Untersuchung Diagramm 2: Anteile der Täter aus low-risk- und Kontrollgruppe für verschiedene Delikte N(low-risk)=227; N(kontroll)=1982. Raub (Abzug) Kontrollgruppe Low-Risk Drogenverkauf Fahrraddiebstahl Graffiti Sachbeschädigung Körperverletzung o. W. Ladendiebstahl 0% Lesebeispiel: 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 36% aller Jugendlichen der Kontrollgruppe, die jemals ein Delikt begangen haben, haben auch schon einmal Ladendiebstahl begangen, im Vergleich zu 21% dieser Jugendlichen aus der low-risk-Gruppe. Für alle Delikte liegen die Anteile der Täter aus der Kontrollgruppe über denen der low risk Gruppe. Das bedeutet Jugendliche aus der low-risk-Gruppe beteiligen sich wie erwartet unterdurchschnittlich an kriminellen Handlungen. Das gilt auch für den Ladendiebstahl. Entscheidend im Sinne der Hypothese ist jedoch das Verhältnis zwischen den Anteilen beider Gruppen, oder anders ausgedrückt: Die relative Diskrepanz zwischen den beiden Gruppen für die einzelnen Delikte ist von Bedeutung. Die relativen Unterschiede sind in Tabelle 9 dargestellt. So kommen auf jeden Jugendlichen aus der low-risk-Gruppe, der einen Ladendiebstahl begangen hat, 1,8 Jugendliche der Kontrollgruppe (Ratio 1:1,8). Sechs mal so viele Jugendliche der Kontrollgruppe (nämlich 8,9% im Vergleich zu 1,2%) geben an, schon mindestens einmal Drogen verkauft zu haben. Damit liegt die Ratio für Drogenverkauf bei 1:6. Bei Fahrraddiebstahl ist die Rate 1:3. Für alle Delikte fällt der Unterschied zwischen low-risk- und Kontrollgruppe deutlich größer aus als bei Ladendiebstahl, weshalb Hypothese (b) nicht falsifiziert werden kann: Der Unterschied zwischen den Prävalenzrateraten beider Gruppen ist für Ladendiebstahl am geringsten. Das heißt, dass die oben aufgeführten Risikofaktoren für Ladendiebstahl das geringste Erklärungspotential haben, während sie mit anderen Deliktformen stärker korrelieren. 62 C Tabelle 9: Methode und Resultate der Untersuchung Täteranteile aus beiden Gruppen und deren Verhältnis. N(low-risk)= 227; N(kontroll) = 1982 Delikttyp Low-Risk Kontrollgruppe Ratio Sachbeschädigung 6,5% 25,3% 1:3,9 Körperverletzung ohne Waffe 11,4% 37,7% 1:3,3 Drogenverkauf 1,2% 8,9% 1:7,4 Fahrraddiebstahl 2,3% 9,2% 1:4 Graffiti 5,8% 15,4% 1:2,7 Raub (Abzug) 0,7% 5,8% 1:8,3 Ladendiebstahl 20,8% 36,6% 1:1,8 Lesebeispiel: 6,5% aller Jugendlichen der low-risk-Gruppe haben, im Vergleich zu 25,3% der Kontrollgruppe, schon einmal Sachbeschädigung begangen. Ein weiteres Indiz dafür, dass Ladendiebstahl ein Gelegenheitsdelikt ist, findet sich in den Antworten zum Schuldbewusstsein der Befragten nach dem Begehen der Tat. Die Frage, ob der Schüler nachdem er das letzte Mal Ladendiebstahl begangen hat, das Gefühl hatte, etwas Unrechtes zu tun, beantworten über die Hälfte der Jugendlichen (49,8%) der Kontrollgruppe mit ja. Dieser Wert ist mit Abstand der höchste zu allen deliktspezifischen Fragen zum Schuldbewusstsein. Selbst bei einem vergleichsweise schweren Delikt wie Körperverletzung, sowohl mit als auch ohne Waffe, bereuen nur 14% (bzw. 13% bei KV ohne Waffe) ihr Vergehen. Für die low-risk-Gruppe fällt dieser Effekt noch deutlicher aus: Dreiviertel (74,2%) der Jugendlichen dieser Gruppe, die Ladendiebstahl begangen haben, gaben an, nach der letzten Tat das Gefühl gehabt zu haben, etwas Unrechtes zu tun. Ein Wert, der bei keinem anderen Delikt auch nur annähernd so groß ausfiel (siehe Diagramm 3). Diese Feststellung ist erstaunlich, da man erwarten würde, dass sich Schuldgefühle bei den befragten Jugendlichen eher bei schweren Delikten wie z.B. Körperverletzung einstellen. Allerdings stützt diese Tatsache die These, derzufolge Ladendiebstahl eher durch den Raum als durch Täterdispositionen erklärt werden kann. Im Sinne der Überlegung, dass das Umfeld von Konsumorten kriminogenes Potential hat, lassen sich aber noch weitere Sachverhalte anführen. Jugendliche der low-risk-Gruppe begehen neben Ladendiebstahl kaum Delikte, die in irgendeiner Weise der Beschaffung von Gütern dienen (etwa Hehlerei, Automatenaufbruch, Fahrraddiebstahl, sonstiger Diebstahl usw.). Das lässt vermuten, dass die Beute beim Ladendiebstahl gar nicht das Motiv ist. Der Jugendliche könnte es vermutlich auch kaufen. Auch Gruppendruck (normative Aspekte) als Motiv scheidet aus, denn Jugendliche aus der low-risk-Gruppe sind nicht Mitglieder einer Clique, die „schon mal etwas Verbotenes tut um Spaß zu haben“. Die meisten der Jugendlichen der low-risk-Gruppe (74,1%) begingen im dem Zeitraum von einem Jahr vor der Erhebung nicht mehr als drei Mal Ladendiebstahl, während dieser Wert bei der Kontrollgruppe bei 47,7% 63 C Methode und Resultate der Untersuchung liegt. Die Inzidenzraten zu Ladendiebstahl sind also in der low-risk-Gruppe vergleichsweise niedrig. Das deutet darauf hin, dass der Einfluss des Raumes es nicht vermag auf Dauer Jugendliche zu Handlungen entgegen ihrer eigentlichen (normkonformen) Einstellung zu verleiten. Vielmehr scheint es als verfestige der gelegentliche Normbruch die Selbstkontrolle der Jugendlichen, so dass sie förmlich resistent gegen den kriminogenen Einfluss ihrer städtischen Umwelt werden. Diagramm3: Unrechtsbewusstsein Jugendlicher aus der low-risk-Gruppe nach der Tat (Hattest Du das Gefühl etwas Unrechtes zu tun?). Nur Zustimmung. N variiert nach Deliktform. Graffiti Sachbeschädigung Körperverletzung o.W. Ladendiebstahl 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Lesebeispiel: 74% aller Täter (Ladendiebstahl) geben an nach der Tat das Gefühl gehabt zu haben etwas Unrechtes zu tun, im Vergleich zu 41% aller Täter (Körperverletzung ohne Waffe). 8.3 Fazit Viele Jugendliche mögen ein klares Motiv für Ladendiebstahl haben und diesen im Vorfeld planen. Allerdings deutet hier alles daraufhin, dass das Umfeld von Konsumorten ein typischer crime generator und kein crime attractor ist. Zwar kann durch die vorhergehende Analyse nicht zweifelsfrei bewiesen werden, dass tatsächlich die physikalischen Raummerkmale Ladendiebstahl begünstigen (denn theoretisch können auch andere Ursachen verantwortlich sein, die hier nicht kontrolliert wurden), aber es ist wahrscheinlich. Bemerkenswert ist, dass fast jeder zweite Jugendliche (45%), der eine ablehnende Haltung gegenüber Ladendiebstahl hat48, diesen dennoch schon einmal begangen hat, denn einstellungsdiskrepantes Verhalten, für das es keine äußeren Zwänge gibt, ist eher die Ausnahme als die Regel. 48 Die entsprechende Frage, mit der die Einstellung gemessen wurde liest sich wie folgt: „Nicht alle strafbaren Handlungen werden als gleich schlimm empfunden; einige werden auch als eher harmlos angesehen. Wie ist es bei dir? Ich finde… im Laden eine CD für etwa 15 € klauen… völlig harmlos, eher harmlos, weder noch, eher schlimm, sehr schlimm.“ Die Ausprägungen „eher schlimm“ und „sehr schlimm“ wurden als ablehnende Haltung aufgefasst. 64 C Methode und Resultate der Untersuchung In diesem quantitativen Teil der Untersuchung ging es ausschließlich um Jugendliche der 9. Jahrgangsstufe. Da es sich bei Ladendiebstahl um eine typische Form von alterspezifischer Delinquenz handelt, können keine Rückschlüsse auf andere Altergruppen gezogen werden. Umgekehrt ist anzunehmen, dass einige schwerwiegenderen Delikte (Raub, Diebstahl unter erschwerenden Umständen…) in anderen Altergruppen andere Verteilungen aufweisen. 9. Kleinräumige Untersuchung deliktbelasteter Settings (hot spots) in der Stadt Trier Bei der Duisburger Schülerbefragung handelt es sich um eine Dunkelfelderhebung, die annäherungsweise das tatsächliche Ausmaß an Kriminalität abbildet. Dieser Teil der Untersuchung dagegen basiert auf Hellfelddaten, die oftmals nur einen geringen Teil des tatsächlichen Kriminalitätsaufkommens widerspiegelt, weil nur diejenigen Fälle in die Statistik einfließen, die zur Anzeige gebracht werden. Das Anzeigeverhalten von Leuten hängt allerdings von vielen Faktoren ab wie beispielsweise von Merkmalen des Täters und des potentiellen Anzeigers, von Aufklärungsquoten, von bestimmten Meinungslagen in der Bevölkerung usw. Unter diesem Vorbehalt wurden anhand von Daten, die die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeiten erhebt, kriminalitätsbelastete Räume in Trier identifiziert und daraufhin qualitativ untersucht. Die Fragestellung dieser Untersuchung lautet: Wie verteilen sich die Häufigkeiten der drei untersuchten Delikte49 im Stadtgebiet Trier? Sind die Tatorte der Delikte räumlich konzentriert? Durch welche Raummerkmale kann die Konzentration dieser Delikte an manchen Orten erklärt werden? Anhand einer geostatistischen Auswertung wurde die erste Frage beantwortet (s. Abbildungen 10-12). Zur Beantwortung der zweiten Frage wurde eine qualitative, kriminalgeografische Untersuchung in den hot spots durchgeführt. 9.1 Methode der Untersuchung Die Untersuchung wurde, entsprechend den oben formulierten Fragen, in folgenden vier Schritten im Zeitraum von Januar bis Juni 2006 vollzogen: 1. Präzise Identifikation der hot spots 2. Theoriegeleitete Betrachtung der hot spots 3. Qualitative Erhebung in den hot spots 4. Datenauswertung 49 1. Besonders schwere Fälle von Diebstahl aus Kfz; 2. Gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen; 3. Ladendiebstahl. 65 C Methode und Resultate der Untersuchung Präzise Identifikation der hot spots: Die erste Überlegung bei der Untersuchung muss die Auswahl der Deliktformen betreffen, für die hot spots identifiziert werden sollen. Die Liste verschiedener Delikte ist allerdings lang. Während das Strafgesetzbuch in 30 Abschnitten mit insgesamt 279 Paragraphen in Handlungen unterteilt, die Straftatbestände erfüllen, sind in der darauf basierenden polizeilichen Statistik insgesamt 1.644 verschiedene Delikte abgeleitet. Für die Untersuchung kamen allerdings nur Delikte in Frage, die eine kriminalgeografische Erklärung nahe legen. Ferner sollen nur solche Straftaten untersucht werden, die sich ausschließlich im öffentlichen oder halböffentlichen Raum ereignen50. Diese beiden Bedingungen werden von den folgenden drei Delikten erfüllt, die daher in die Untersuchung einbezogen wurden: 1. Besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kfz (inklusive des Unterschlüssels 45050151) 2. Gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen 3. Ladendiebstahl (inklusive des Unterschlüssels 32600352) Entsprechendes Datenmaterial wurde für das Trierer Stadtgebiet (Zuständigkeitsgebiet der Polizeiinspektionen) für das Jahr 2005 beschafft. Um die Delikte geografisch verorten zu können war es nötig, die Tatortadressen zu wissen. Aus den polizeilichen Systemen GEOPOLIS-K können die entsprechenden Informationen bezogen werden. Beim rheinlandpfälzischen Ministerium des Inneren und für Sport wurde dazu eine entsprechende Anfrage eingereicht, weil die Dienststellen aus Datenschutzgründen nicht befugt sind, das Material herauszugeben. Die Auswahl der Daten erfolgte in mehreren Treffen mit Beamten des Polizeipräsidiums Trier. Die jeweiligen Datensätze für alle drei Delikte liegen in digitaler Form vor. Die Tabelle 10 zeigt einen Auszug aus den entsprechenden Datensätzen. Tabelle 10: Auszug aus dem polizeilichen Datenmaterial Deliktschlüssel Tatzeit Wochentag Straße 222110 09.04.2005 23:40 Sa XXXXXXXXXXXX 222110 07.07.2005 03:00 Do XXXXXXXX Hausnummer 20 27 PLZ 54296 54294 Zur Identifizierung von hot spots ist es notwendig die einzelnen Delikte in Beziehung mit abgrenzbaren Raumeinheiten zu bringen. Eine geeignete Raumeinheit, die eine solche Zuordnung ermöglicht, stellen die so genannten Baublöcke dar. Zu einem Baublock gehören alle Gebäude, die nicht durch Straßen oder Wege geteilt werden. In der kleinräumigen Gliederung einer Stadt sind deren Baublöcke festgehalten und mit einer Nummer bezeichnet. Jeder 50 So konnte das Delikt „vorsätzliche Körperverletzung“ nicht in die Untersuchung einbezogen werden, weil aus der Statistik nicht ersichtlich wird, ob die Straftat im öffentlichen oder privaten Raum begangen wurde. 51 Besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kfz von unbaren Zahlungsmitteln 52 Diebstahl geringwertiger Sachen (Ladendiebstahl) 66 C Methode und Resultate der Untersuchung Baublock ist durch seine genau adressierbaren Baublockseiten festgelegt, was die Zuordnung eines Deliktes zu einem Baublock ermöglicht. Abbildung 4 verdeutlicht die räumlich/statistische Gliederung. Mit Hilfe der kleinräumigen Gliederung war es möglich das Kriminalitätsaufkommen in kleinen Raumeinheiten übersichtlich für das ganze Stadtgebiet darzustellen. Das entsprechende statistische und kartografische Material wurde vom Stadtvermessungsamt Trier bereitgestellt. Abbildung 4: Baublock, Baublockseiten und Adressen. Ein hypothetisches Beispiel. Quelle: Amt für Stadtentwicklung und Statistik Heidelberg 1999 Das Kriminalitätsaufkommen für die drei Delikte in allen 1182 Baublöcken wurde so ermittelt. Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 10-12 dargestellt. Fälle, bei denen keine Hausnummer angegeben war, wurden nur dann in die Statistik zur räumlichen Deliktverteilung aufgenommen, wenn sich nur zwei mögliche Baublöcke aus dem Straßennamen ableiten ließen. Die ist in der Regel bei kurzen Straßen der Fall, die nicht durch andere Straßen unterbrochen werden. Zu solchen Straßen gehören dann meist genau zwei Baublöcke zu jeweils beiden Seiten der Straße. In diesen Fällen erfolgte die Zuteilung zufällig. Auf diese Weise konnten einige zusätzliche Fälle für die Statistik nutzbar gemacht werden, die aufgrund der fehlenden Hausnummer eigentlich nicht zuzuordnen waren. Methodisch stellt diese Vorgehensweise der Datenbereinigung kein Problem dar, weil sich zwei der drei Delikte (Diebstahl aus Kfz und Körperverletzung auf Straßen Wegen und Plätzen) ohnehin meist nicht innerhalb der Baublöcke ereignen, sondern in den Straßen und Wegen zwischen ihnen. Fälle ohne Angabe der Hausnummer die theoretisch mehr als zwei Baublöcken zuzuordnen wären, wurden als fehlend definiert. Theoriegeleitete Betrachtung der hot spots: Der erste Analyseschritt der Arbeit bestand darin, die identifizierten hot spots anhand kriminalgeografischer Erkenntnisse zu bewerten. Anhand der digitalen Stadtkarte und Luftbildaufnahmen wurde nach offensichtlichen Zusammenhängen gesucht, die das erhöhte Kriminali67 C Methode und Resultate der Untersuchung tätsaufkommen erklären könnten. Für einige hot spots ergeben sich typische Kriminalitätsmuster (z.B. hohe Inzidenzraten für Ladendiebstahl in großen Warenhäusern im Innenstadtbereich), so dass sich bestimmen lässt, ob es sich eher um einen crime attractor oder einen crime generator handelt. In Räumen, in denen sich die Kriminalitätsverteilung weniger offensichtlich begründen ließ, erfolgte eine qualitative Untersuchung der Räume anhand von Bildanalyse und strukturierter Beobachtung. Qualitative Erhebung in den hot spots: Einige auffällige Baublöcke wurden einer qualitativen Analyse unterzogen. Zu diesem Zweck wurde ein entsprechendes Instrument für eine strukturierte Beobachtung und Bilddokumentation entworfen und eingesetzt (siehe Anhang 4). Anhand des Beobachtungsbogens und dem beigefügten Auszug aus der Stadtkarte (siehe Anhang 5) kann die An- bzw. Abwesenheit bestimmter Raummerkmale festgehalten werden, die als kriminalitätsbegünstigend gelten. Bei diesem Teil der Untersuchung geht es eher um eine qualitative Beschreibung dieser Räume als um eine statistische Erhebung. Die Räume wurden anhand der folgenden Leitfragen untersucht: Welche Raumtypen und welche behavior Settings befinden sich in den Gebieten? Wie hoch ist die Verkehrpermeabilität des Raumes? Welche Raummerkmale könnten das erhöhte Kriminalitätsaufkommen erklären? Wie sind einzelne Settings hinsichtlich der Möglichkeit zur informellen sozialen Kontrolle beschaffen? Ist das Erhebungsgebiet eher ein crime attractor oder ein crime generator? Datenauswertung: Die anhand der Beobachtung und der Bilddokumentation gesammelten Daten wurden im letzten Schritt der Untersuchung ausgewertet. Das Bildmaterial wurde anhand qualitativer Analysemethoden (vgl. Prosser, Schwartz 1998) untersucht. Die der Analyse zu Grunde liegende Theorie ist die environmental criminology. Durch das Bildmaterial sollen deliktbelastete Settings qualitativ statt statistisch beschrieben werden, da dies oftmals ein leichteres Verständnis der vorliegenden Zusammenhänge zulässt. Oder wie Prosser (1998:334) es ausdrückt: „… photographs may not provide us with unbiased, objective documentation of the social and material world, but they can show characteristic attributes of people, objects and events that often elude even the most skilled wordsmiths. Through our use of photo- 68 C Methode und Resultate der Untersuchung graphs we can discover and demonstrate the relationship that may be subtle or easily overlooked” Das Datenmaterial aus der strukturierten Beobachtung (ausgefüllte Beobachtungsbögen, und Feldnotizen) wurde ebenfalls anhand qualitativer Analysemethoden (vgl. Lofland, Lofland 1994) und der Software MaxQDA ausgewertet. Wiederum war das Ziel der Auswertung die Räume unter den oben genannten Fragestellungen zu beschreiben. 9.2 Ergebnisse der Untersuchung Jenseits von Vergleichbarkeit und Repräsentativität geht es bei dieser Untersuchung vor allem um eine Darstellung der räumlichen Verteilung der drei Delikte (gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen; besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kfz; und Ladendiebstahl) sowie einer Beschreibung deren hot spots unter den oben genannten kriminalgeografischen Fragestellungen. Dadurch soll überprüft werden, ob sich die Ergebnisse und Befunde der environmental criminology in dieser Untersuchung bestätigen lassen. Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse der Untersuchung sind daher nur eingeschränkt mit anderen Städten vergleichbar. So ist etwa ein Vergleich der Delikthäufigkeiten nicht zulässig, solange nicht die pro Kopf Rate des entsprechenden Delikts ermittelt wird. Auch die qualitativen Befunde sind im statistischen Sinne sicherlich nicht repräsentativ für andere Städte. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Raummerkmale, die den hier untersuchten Settings ihr kriminogenes Potential verleihen, auch an anderen Orten zu ähnlichen Problemenlagen führen dürften. 9.2.1 Gefährliche und schwere Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen Im Berichtszeitraum 2005 wurden in Trier insgesamt 105 Anzeigen wegen gefährlicher und schwerer Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen53 erstattet. Nur 65 davon konnten aufgrund genauer Tatortangaben in die Statistik einfließen. Abbildung 5 zeigt deren Verteilung im Stadtgebiet. Daraus wird ersichtlich, dass sich die verbliebenen 65 Fälle recht gleichmäßig im Stadtgebiet verteilen. Insgesamt brachten 43 Baublöcke mindestens ein Delikt hervor. Diese Baublöcke sind dispers über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Hot spots gibt es keine. Der Baublock, der im Laufe eines Jahres die meisten Anzeigen (drei Stück) hervorbrachte liegt gegenüber des Ein- und Ausgangsbereichs des Moselstadions. 53 Der Straftatbestand für dieses Delikt ist beispielsweise erfüllt, wenn eine Waffe verwendet wurde (gefährliche KV), oder aber schwere Körperliche Dauerschäden als Folge eintreten (schwere KV). 69 C Methode und Resultate der Untersuchung Sportstadien gelten in der Literatur als crime generator für Körperverletzungsdelikte, da sich durch die Vielzahl anwesender Personen in Kombination mit Alkoholkonsum häufig Konflikte ergeben. Aufgrund der niedrigen Fallzahlen und fehlender hot spots wird dieses Delikt nicht näher untersucht. Gänzlich andere Ergebnisse hätten sich jedoch für vorsätzliche leichte Körperverletzung ergeben. Diese Fälle wurden jedoch nicht in die Untersuchung aufgenommen, weil aus der Statistik nicht ersichtlich wird, ob sich die Tat im Gebäude oder in der Öffentlichkeit ereignet hat. Somit wären viele Fälle von häuslicher Gewalt in die Statistik eingeflossen, die nicht Gegenstand dieser Untersuchung sind, weil hier der öffentliche städtische Raum behandelt wird. Jedoch zeigen die 685 Fälle von vorsätzlicher leichter Körperverletzung klare Ballungstendenzen, meist in Baublöcken mit Kneipen, Bars und Diskotheken. So brachte beispielsweise der Domfreihof, an dem eine große Diskothek liegt, 27 Anzeigen im Jahr 2005 hervor, das entspricht immerhin 4% aller Anzeigen wegen vorsätzlicher leichter Körperverletzung. 70 C Abbildung 5: Methode und Resultate der Untersuchung Anzahl der begangenen Delikte von gefährlicher und schwerer Körperverletzung auf Straßen, Wegen und Plätzen nach Baublöcken. N= 65. Quelle: Autor. Kartengrundlage: Kleinräumige Gliederung der Stadt Trier, Stadtvermessungsamt Trier 71 C Methode und Resultate der Untersuchung Abbildung 6: 72 Anzahl der begangenen Delikte von Ladendiebstahl nach Baublöcken. N= 1052. Quelle: Autor. Kartengrundlage: Kleinräumige Gliederung der Stadt Trier, Stadtvermessungsamt Trier C Abbildung 7: Methode und Resultate der Untersuchung Anzahl der begangenen Delikte von besonders schweren Fällen des Diebstahls aus Kfz nach Baublöcken. N= 211. Quelle: Autor. Kartengrundlage: Kleinräumige Gliederung der Stadt Trier, Stadtvermessungsamt Trier 73 C Methode und Resultate der Untersuchung 9.2.2 Ladendiebstahl Für den Ladendiebstahl treten erwartungsgemäß sehr starke Ballungstendenzen bei gleichzeitig geringer Streuung auf (siehe Abbildung 6). Von den 1126 Fällen, die 2005 zur Anzeige gebracht wurden, konnten 1052 einer genauen Adresse zugeordnet werden. In 49 von 1182 verschiedenen Baublöcken ereignete sich mindestens ein Ladendiebstahl. Zwei Baublöcke fallen durch ihre besonders hohe Deliktbelastung (> 100 Fälle/Jahr) auf: Dabei handelt es sich zum Einen um das Alleencenter, einer Einkaufspassage in der Innenstadt mit einem großen Supermarkt, einer Geschäftskette für Unterhaltungselektronik, einem fast food-Restaurant sowie Cafes und weiteren Geschäften (östlich des Hauptmarktes). Dieser Baublock ist für ca. 27% (289 Fälle) aller Anzeigen im Stadtgebiet verantwortlich. Der andere Baublock (nördlich vom Hauptmarkt. Hier steht ein großes Warenhaus), von dem mehr als 100 Fälle/Jahr gemeldet wurden, liegt in der Fußgängerzone. Von hier stammt etwa jede 10. Anzeige aus dem Stadtgebiet Trier. Die anderen hot spots für Ladendiebstahl (51 bis 100 Fälle/Jahr) liegen ebenfalls in der Fußgängerzone. Lediglich ein Baublock, auf dem sich ein großer Supermarkt befindet, ist aus dem Stadtkern ausgelagert. Die Konzentration von Ladendiebstahl vor allem auf große Geschäfte ist offensichtlich. Allerdings muss angemerkt werden, dass die Hellfeldrate ein verzerrtes Bild des tatsächlichen Ausmaßes von Ladendiebstahl widerspiegelt: Vermutlich sind die größeren Geschäfte und Warenhäuser in der Hellfeldstatistik überrepräsentiert. Das liegt zum Einen daran, dass Diebstahl in großen Warenhäusern häufiger bemerkt wird als in kleineren Läden und Geschäften, da dort entsprechende Überwachungstechniken (Kameras, alarmauslösende Sender an den Waren usw.) und Ladendetektive eingesetzt werden. Zum anderen werden bemerkte Fälle häufig routinemäßig zur Anzeige gebracht, während in kleineren Geschäften eher von einer Anzeige abgesehen wird. Trotz dieser Relativierung ist das Aufkommen von Ladendiebstahl an einigen wenigen Orten in der Stadt Trier als hoch einzustufen. Der auffälligste Baublock wird nun unter kriminalgeografischen Gesichtspunkten kurz beschrieben. Hot spot 1: Allencenter: Das Alleencenter ist ein typisches Beispiel für einen crime generator. Dieser Raum erlangt sein kriminogenes Potential durch die kombinierte Wirkung folgender Raummerkmale: Nodes und paths: Die Einkaufspassage liegt direkt an einem Hauptverkehrsweg (Ostallee) und einem Knotenpunkt (Hauptbahnhof). Dazu ist der Weg durch die Einkaufspassage die kürzeste Fußwegverbindung zwischen Bahnhof und Innenstadtbereich (Hauptmarkt). Direkt vor dem Alleencenter befindet sich eine stark frequentierte Bushaltestelle. Dadurch 74 C Methode und Resultate der Untersuchung liegt das Allencenter nicht nur innerhalb des awareness space einer großen Anzahl von Menschen (sowohl Einwohner der Stadt als auch zugreisende Pendler und Touristen), sondern auch innerhalb deren Aktivitätsraumes. Die Gelegenheitsstrukturen dieses Raumes können also auf eine große Anzahl von Menschen wirken. Raumnutzung und Raumtypen: In einem direkt anliegenden Baublock befinden sich zwei Gymnasien; eines mit rund 1.000-, das andere mit rund 1.100 Schülern54. Ladendiebstahl, als eine adoleszenzspezifische Form von Delinquenz, ist ein erwartbares Verhalten von Schülern55. Damit liegt der Routineknotenpunkt einer Risikogruppe (Jugendliche) direkt neben einem Raumtyp (Umfeld von Konsumorten), der deliktspezifische Gelegenheiten für eben diese Risikogruppe bietet. Für bus- und zugreisende Schüler ist der Weg durch das Alleencenter außerdem die kürzeste Verbindung zum Hauptbahnhof, an dem auch der Busbahnhof liegt. Das bei vielen Schülern beliebte fast food Restaurant lässt viele der Jugendlichen zudem in diesem Raum verweilen. Abbildung 8 zeigt die beiden Baublöcke, durch deren Nebeneinander besonders günstige Voraussetzungen für Ladendiebstahl geschaffen sind. Die gestrichelte Linie zeigt den Fußweg der meisten Schüler des Gymnasiums, die über den Hauptbahnhof zur Schule und nach Hause reisen. Die hier formulierten Ergebnisse sind konsistent mit den Erkenntnissen der environmental criminology. Sicherlich kann man nicht behaupten, dass alle oder auch nur die Mehrheit der Ladendiebstähle im Allencenter durch Schüler des anliegenden Schulzentrums begangen werden. Allerdings ist es hoch wahrscheinlich, dass durch das Nebeneinander dieses crime generators und zweier großer Schulen (mit insgesamt über 2.000 Schülern) nicht intendierte kriminelle Handlungen begünstigt werden, was die überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsbelastung in diesem Baublock (27% aller in Trier zur Anzeige gebrachten Ladendiebstähle stammen von hier) wenigstens zum Teil erklären würde. 54 Die Schülerzahlen wurden in den Sekretariaten der beiden Schulen (Auguste-Viktoria-Gymnasium und MaxPlanck-Gymnasium) erfragt. 55 In der Duisburger Schülerbefragung gab ein Drittel der 3400 befragten Schüler an, schon einmal etwas aus einem Kaufhaus geklaut zu haben. Unterscheidet man dabei nach Schulform, liegt dieser Wert auch für Gymnasiasten bei einem Drittel. 75 C Methode und Resultate der Untersuchung 76 Abbildung 8: Crime generator. Luftbildaufnahme des Alleencenters; Fußweg Schule – Bahnhof. Quellengrundlage: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformationen RLP. C 9.2.3 Methode und Resultate der Untersuchung Besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kraftfahrzeugen Das Verteilungsmuster der Diebstähle aus Kfz auf dem Stadtgebiet Trier zeigt wiederum deutliche Unterschiede zu den Mustern der beiden anderen Delikte (siehe Abbildung 7). An einigen Stellen treten Ballungseffekte auf, während sich insgesamt die Delikte recht gleichmäßig auf das Stadtgebiet verteilen (Ballungstendenzen bei starker Streuung). Insgesamt wurden im Jahre 2005 im Stadtgebiet Trier 282 Anzeigen erstattet. Davon konnten 211 für die Identifizierung von hot spots nutzbar gemacht werden. 119 Baublöcke bringen mindestens eine entsprechende Anzeige hervor. Damit ist der Diebstahl aus Kfz von allen hier behandelten Delikten auf die meisten Baublöcke verteilt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die entsprechenden Zielobjekte nahezu überall auffindbar sind, während nicht jeder Baublock etwa ein Geschäft (für Ladendiebstahl) enthält. Für sechs Baublöcke ergeben sich nennenswerte Ballungstendenzen (Anzahl der Delikte > 5/Jahr). Der Baublock mit den meisten gemeldeten Delikten ist für ca. 5% aller 211 Anzeigen verantwortlich. Das entspricht 11 Anzeigen. Zur Identifikation der hot spots, wurde die Häufigkeitsverteilung der belasteten Baublöcke in Beziehung zu der Anzahl der unterschiedlichen Tatzeiten gesetzt, denn in einigen der Baublöcke gab es Serientaten, die innerhalb eines Tages durch einen einzigen Täter begangen wurden. Solche, mehr oder weniger zufälligen Häufungen, wurden nicht näher untersucht. Hier interessieren vor allem die Orte, an denen viele Autos an vielen unterschiedlichen Tagen, und daher vielleicht auch von unterschiedlichen Tätern, aufgebrochen werden. Orte also bei denen vermutet werden kann, dass deren räumliche Beschaffenheit dieses Delikt begünstigt. Neben den beiden Baublöcken mit mehr als 10 Fällen/Jahr, auf die im Folgenden ausführlich eingegangen wird, fallen noch vier weitere Räume auf, in denen es zu einer vergleichsweise hohen Konzentration von Delikten kommt (6-10 Fälle/Jahr und mehr). Dies ist erstens das Parkplatzgelände der Universität Trier (Im Westen der Stadt). Hier wurden 2005 acht Autos an vier verschiedenen Tagen aufgebrochen. Man kann also kaum von einem belasteten Raum sprechen. Auf dem Baublock an der Metternichstraße/Thyrsusstraße (Trier Nord) wurden an acht verschiedenen Tagen Autos aufgebrochen und Gegenstände daraus entwendet. Das Gebiet kann also als mäßig belastet eingestuft werden. Allerdings ergeben sich keine eindeutigen Befunde über die Ursachen der dortigen Konzentration. Die Landnutzung im Block ist gemischt: Gewerbe (Großhandel) und Wohnraum. Außerdem befindet sich dort auch ein Grundstück des Raumtyps „Brache“. Zu einer Seite liegt das Gebiet an einer Bahnstrecke. In einigen Settings innerhalb des Blocks sind Gelegenheiten für den Aufbruch von Autos günstig, jedoch parken dort in der Regel nur sehr vereinzelt Kfz. Die Baublöcke an der Berufsbildenden Schule (im Innenstadtbereich westlich des Hauptmarktes) und an der Ruwererstraße (im Nordosten) mit jeweils 6-10 Fällen/Jahr werden den beiden nun beschriebenen hot spots zugeteilt. 77 C Methode und Resultate der Untersuchung Hot spot 2: Autohaus an der Loebstraße: Das relativ hohe Deliktaufkommen an dem Baublock an der Ruwererstraße kann durch eine Diebstahlserie erklärt werden, bei der bei einem Gebrauchtwagenhändler an einem Tag fünf Autos aufgebrochen wurden. Daneben wurde an einem anderen Tag ein weiteres Autohaus in diesem Baublock Ziel für einen Diebstahl aus einem Kfz. Auch in dem nahe gelegenen Baublock an der Loebstraße wurden Autos auf dem Grundstück eines Automobilverkäufers aufgebrochen und Teile von ihnen entwendet (11 Delikte an 10 verschiedenen Tagen). Beide Baublöcke liegen in einem Gewerbegebiet, das weit aus dem Zentrum der Stadt ausgelagert ist. Damit fällt dieses Gebiet nicht in den Aktivitätsraum einer großen Anzahl von Menschen wie es beim Alleencenter der Fall ist. Der nodes- und path-Effekt tritt hier also nicht ein. Ferner ist auch nicht zu vermuten, dass die Diebstähle aus Kfz als Gelegenheitsdelikte begangen wurden. Vielmehr scheint es, als seien Autohäuser und Gebrauchtwarenhändler, die einen Teil der Kfz auf offenen Stellflächen parken, ein crime attractor. Das heißt, diese Räume werden von Tätern gezielt aufgesucht, weil sie erstens die entsprechenden Zielobjekte bereitstellen und zweitens ein günstiges, räumliches Umfeld für die Tat darstellen. Eine Befragung des Kundendienstleiters eines der Autohäuser und eine Begehung der entsprechenden Stellplätze bestätigen die Vermutung: Die Diebstähle geschehen nachts auf dem Parkgelände des Autohauses. Geklaut werden Teile der Kfz wie z.B. Autoradios oder Airbags. Der Raum bietet überaus günstige Gelegenheit, um ungestört die entsprechenden Tätigkeiten zu verrichten, die unter Umständen einige Zeit in Anspruch nehmen. Der kriminogene Einfluss dieses Raumes ist vor allem dadurch zu begründen, dass eine Vielzahl von Zielobjekten zur Verfügung steht wobei gleichzeitig keine Möglichkeit zur sozialen Kontrolle besteht. Folgende Raummerkmale wurden durch die Untersuchung des Baublocks als hemmende Faktoren für soziale Kontrolle identifiziert: Der Baublock liegt in einem Gewerbegebiet, in dem sich nachts kaum Menschen aufhalten. Der Parkplatz ist von drei Gebäudeteilen umgeben, so dass er von der vorbeiführenden Straße aus nicht einsehbar ist. Zu einer Seite liegt der Parkplatz an einem brachliegenden Grundstück. Es führt kein Fußweg durch das Setting oder daran vorbei. Es gibt keine Beleuchtung in dem Setting. Der Parkplatz ist von keinem Wohnhausfenster oder Balkon aus einsehbar. Ein Teil des Settings ist von Bäumen und hohen Sträuchern umgeben. 78 C Methode und Resultate der Untersuchung Der gesamte Baublock ist von drei funktionsarmen Baublöcken umgeben: An der Nordseite befindet sich ein Autobahnzubringer, der an das Moselufer grenzt; an der Südseite befindet sich eine Konversionsfläche der französischen Armee und eine Bahnlinie; zur Westseite liegt ein Park. Abbildung 9: Crime attractor. Luftbildaufnahme des Baublocks Loebstraße, Dasbachstraße, Rudolf-DieselStraße. Abgrenzung des untersuchten Settings. Quellengrundlage: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformationen RLP. Zur Veranschaulichung dieser Merkmale dienen die Abbildungen 9-12. Sie zeigen den gesamten Baublock und ein besonders deliktbelastetes Setting sowie Ansichten innerhalb des Settings. Die Bilder zeigen die in der Luftbildaufnahme mit den Ziffern 1-3 bezeichneten Ansichten. Durch die Kombination der beschriebenen Situationsmerkmale ist ein ideales Umfeld für die Begehung des Deliktes geschaffen, welches zum Teil nur unter relativ großen Zeitaufwand durchgeführt werden kann. Mittlerweile hat die Geschäftsleitung des Autohauses reagiert und eine private Sicherheitsfirma mit der Aufsicht des Parkplatzes bei Nacht beauf- 79 C Methode und Resultate der Untersuchung tragt. Im Jahr 2006 kam es daher nach Auskunft des befragten Mitarbeiters bisher zu keinem neuen Fall. Im gesamten Gewerbegebiet ist eine Vielzahl von Autohäusern und Gebrauchtwagenhändler ansässig, von denen noch einige andere Anzeigen wegen schweren Diebstahls aus Kfz stammen. Der hohe Anteil an diesem Delikt in den beiden Baublöcken kann also durch die Anwesenheit dieses crime attractors, und den dortigen Raummerkmalen erklärt werden. Abbildung 10: Ansicht 1 mit Blick nach Osten. Abbildung 11: Ansicht 2 mit Blick nach Südosten. 80 C Methode und Resultate der Untersuchung Abbildung 12: Ansicht 3 mit Blick nach Norden. Hot spot 3: Parkplätze an der Berufsbildenden Schule im Innenstadtbereich: Auf den beiden Baublöcken, an denen die Berufsbildende Schule (BBS) liegt, wurden zusammen 18 schwere Diebstähle aus Kfz an 15 verschiedenen Tagen zur Anzeige gebracht. Das sind sicherlich immer noch keine alarmierenden Zahlen, aber eine auffällige Konzentration, wenn man bedenkt, dass viele Baublöcke nur ein Delikt hervorbringen und kaum einer mehr als fünf. Die beiden Baublöcke liegen am nord-westlichen Rand des Innenstadtgebiets, das vom Alleenring (Nordallee, Ostallee, Südallee und Kranenufer/Katharinenufer) umgeben ist. Durch das Gebiet führt keine Hauptverkehrstraße, die Langstraße ist für den Kfz-Verkehr nicht freigegeben und die übrigen Straßen sind Einbahnstraßen. An der einzige Haltestelle im Untersuchungsgebiet halten zu den Hauptverkehrszeiten zwei verschiedene Buslinien im Abstand von 20 bzw. 30 Minuten. Die Verkehrspermeabilität des Raumes ist also als relativ gering einzuschätzen. Folgende Raumtypen sind in den beiden Baublöcken vorzufinden: Öffentliche Infrastruktur (Berufsbildende Schule, Gebäude der Fachhochschule und eine Grundschule), Wohnhäuser (Mehrfamilienhäuser), Dienstleistung (ein kleines Hotel, Musikschule, Kfz-Werkstatt u.a.). Daneben gibt es eine Vielzahl kleiner Parkplätze (öffentliche und private/geschäftliche) sowie drei Tiefgaragen. Einige Gebäude im Untersuchungsgebiet sind ungenutzt (Brachen). Wegen der geringen Verkehrspermeabilität und der Lage am äußersten Rande des Zentrums können die Parkplätze nicht als typischer crime generator bezeichnet werden. Der Raum wird vor allem von Studenten und von Schülern der Berufsbildenden Schule (BBS) 81 C Methode und Resultate der Untersuchung genutzt. Durch die hohe Anzahl von Parkplätzen gibt es besonders tagsüber eine Vielzahl entsprechender Zielobjekte. Die Anwesenheit geeigneter Zielobjekte allein reicht zur Erklärung für die Konzentration der Delikte in diesem Raum allerdings nicht aus, denn Parkplätze befinden sich im gesamten Innenstadtbereich in großer Anzahl. Warum kommt es also gerade hier immer wieder zu Autoaufbrüchen? Durch eine Untersuchung beider Baublöcke wurden drei Settings identifiziert, die durch ihre räumliche Beschaffenheit ein erhöhtes Risikopotential haben (siehe Abbildung 13). Dabei ist zu beachten, dass die Art der kriminellen Handlung eine gänzlich andere ist als bei den Diebstählen in hot spot 2: In diesem Gebiet werden Fahrzeuge sowohl tagsüber als auch nachts aufgebrochen. Vermutlich besteht die erzielte Beute auch weniger aus Teilen des Kfz als vielmehr im Innenraum befindliche Wertgegenstände56. Der Zeitaufwand der Tat ist damit wesentlich geringer als bei den Delikten in hot spot 2 und dem Täter reicht eventuell schon eine unbeobachtete Minute, um den Gegenstand aus dem Auto zu entfernen. Für diese Art des Diebstahls wurden in den drei besagten Settings eine Reihe von Raummerkmalen identifiziert, die soziale Kontrolle unterbinden und daher förderlich für diese Form des kriminellen Verhaltens sind: Abbildung 13: Crime attractor. Luftbildaufnahme zweier deliktbelasteter Baublöcke im Innenstadtbereich. Abgrenzung der untersuchten Settings. Quellengrundlage: Landesamt für Vermessung und Geobasisinformationen RLP. 56 Zwar unterscheiden die Deliktschlüssel sehr genau, ob Teile vom- oder Gegenstände aus dem Kfz entwendet werden, bei der Aufnahme der Anzeige werden jedoch die meisten Fälle unter dem Oberschlüssel „besonders schwere Fälle des Diebstahls aus Kfz“ verbucht. 82 C Methode und Resultate der Untersuchung Setting 1: Tiefgarage des Wohnhauses Deutschherrenstraße 48. Die Tiefgarage ist frei zugänglich und kann ungesehen betreten werden. Die Stellplätze der kleinen Tiefgarage sind von außen nicht einsehbar, weil die Zufahrt einen 90° Winkel beschreibt (siehe Abbildung 15). Die bauliche Struktur des Settings verhindert also soziale Kontrolle. Täter können hier unbeobachtet zu Werke gehen. Allerdings ist die Zahl der möglichen Zielobjekte gering (die Tiefgarage hat 12 Stellplätze). Abbildung 14: Innenansicht Setting 1: Tiefgarage des Wohnhauses Deutschherrenstraße 48 Abbildung 15: Ansicht Setting 1: Zufahrt der Tiefgarage des Wohnhauses Deutschherrenstraße 48 83 C Methode und Resultate der Untersuchung Setting 2: Öffentlicher Parkplatz Langstraße/Deutschherrenstraße Das Setting lässt sich auf zwei Wegen betreten bzw. verlassen: Zum Einen über die Autozufahrt im Norden an der Ecke Langstraße/Deutschherrenstraße, und zum Anderen über einen schmalen Fußweg im Süden. Die Zugänge zu den anliegenden Gebäuden liegen nicht in dem Setting. Daher durchqueren lediglich Personen das Gebiet, die ihren Wagen hier parken. Soziale Kontrolle durch zufällig passierende Fußgänger bleibt aus. Das Setting ist von außen, d.h. von vorbeiführenden Straßen und Wegen aus nicht einsehbar (mit Ausnahme der Stellplätze im Zufahrtsbereich). Auch kann das Setting von keinem Wohnhaus heraus eingesehen werden. Beide Gebäude, die innerhalb des Settings liegen, sind ungenutzt und stehen leer. Dies unterbindet drei Möglichkeiten zur sozialen Kontrolle auf einen Schlag: Erstens verhindert ihre Funktionslosigkeit, dass Menschen diesen Raum aus anderen Gründen als zum Parken aufsuchen. Zweitens muss sich ein Täter nicht sorgen, dass er eventuell aus deren Inneren beobachtet wird und drittens versperren die beiden leer stehenden Gebäude die Sicht auf Teile des Settings aus angrenzenden Gebäuden heraus. Außerdem sind diese Gebäude mit Graffitis besprüht, was den Eindruck der Abgeschiedenheit in diesem Gebiet noch weiter verstärkt (siehe Abbildungen 16,17). Das Setting liegt mit seiner Nord-West-Seite an einem kaum benutzten Fußweg der durch eine Art schmale Parkanlage führt (Schießgraben). Allerdings trennt eine etwa 3 Meter hohe Mauer das Untersuchungsgebiet von diesem Weg. Die Fenster des Gebäudes an der Südwestseite, aus denen man das Setting einsehen kann, liegen am äußersten Ende eines Treppenhauses/Flur. Menschen halten sich an dieser Stelle im Inneren des Gebäudes nur flüchtig, sofern überhaupt, auf. Die Fenster der am südöstlichen Rand des hot spots liegenden Schule, sind die einzigen, durch die eine Art informelle Überwachung des Raumes realisiert wird. Sie bieten allerdings nur Einblick in einen Teil des Settings. Der Schulhof liegt auf der vom Parkplatz abgewandten Seite der Schule. Der gesamte Parkplatz wird durch drei Straßenlaternen erleuchtet, so dass nachts einige der Stellplätze im Dunkeln liegen. Die Abbildungen 16-18 zeigen Innenansichten von Setting 2. Auch in diesem Gebiet ist es die Kombination von geeigneten Zielobjekten und einer gewissen Abgeschiedenheit des Raumes, die diese Form von krimineller Handlung begünstigt. Diese Abgeschiedenheit kommt durch die Funktionslosigkeit und durch die mangelnde Einsehbarkeit des Settings zustande. Da es sich um einen öffentlichen (kostenpflichtigen) Parkplatz handelt, der in der Nähe des Zent84 C Methode und Resultate der Untersuchung rums liegt, ist der Parkplatz häufig ausgelastet. Auch Touristen, deren Wagen besonders beliebte Ziele darstellen (Hull a.a.O.), parken hier57. Nachts wird das Gefühl der Abgelegenheit noch weiter verstärkt, da der gesamte Teil dieses Baublocks dann ungenutzt ist. Allerdings stehen zu dieser Zeit auch weniger Autos auf dem Parkplatz. Vergleicht man diese Ergebnisse mit der Studie von Hull et al. (siehe Kapitel 7.3), dann zeigt sich, dass besonders der select act, der approach act, und der perpetrate act aus dem siebenstufigen Täterscript dieses Delikts begünstigt werden. Abbildung 16: Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Südwesten. Abbildung 17: Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Nordwesten. 57 Eine qualitative Studie zu Diebstahl aus Kfz identifiziert sieben charakteristische Bestandteile des Scripts nach dem die Täter vorgehen. Daraus geht hervor, dass Autos von Touristen das bevorzugte Ziel dieser Täter sind. Die in dieser Studie festgestellte kriminogene Wirkung, die durch die Kombination der Raumtypen Parkplatz und Parkanlage begünstigt wird, konnte für die Stadt Trier nicht bestätigt werden (vgl. Kapitel 7.3). 85 C Methode und Resultate der Untersuchung Abbildung 18: Innenansicht Setting 2 mit Blick nach Osten. Setting 3: Öffentlicher Parkplatz an der Oerenstraße. Teile des Settings sind von der vorbeiführenden Oerenstraße und deren Gehweg aus nicht einsehbar. Lediglich aus einem Wohnhaus hat man Einsicht auf den Parkplatz. Eines der angrenzenden Gebäude (im Nordosten) des Settings steht leer (siehe Abbildung 19). Möglichkeiten zur informellen Überwachung bietet vor allem das Gebäude, das an der Oerenstraße liegt (u.a. städtische Musikschule). Dieses Gebäude hat auch einige seiner Zugänge zum Parkplatz hin gerichtet. Allerdings ist das Gebäude abends und nachts ungenutzt. Von dem lang gestreckten Gebäude, das die Westgrenze des Settings bildet (ein Gebäude der BBS) geht kaum ein Überwachungseffekt aus, denn die Fenster gehören zum Flur des Gebäudes, auf dem sich nur zu Pausenzeiten Schüler der BBS aufhalten (siehe Abbildung 20). Auch dieses Setting bietet sowohl nachts als auch tagsüber Möglichkeiten zum Diebstahl aus Kfz. Jedoch erscheint der Parkplatz nicht so abgeschieden wie der hot spot 2. 86 C Methode und Resultate der Untersuchung Abbildung 19: Innenansicht Setting 3 mit Blick auf das leerstehende Gebäude am nordöstlichen Rand. Abbildung 20: Innenansicht des Gebäudes an der Westgrenze des Settings. Die Fensterfront weist zum Setting. 87 Literatur Fazit Für die durchgeführte Untersuchungen können zwei Dinge festgehalten werden: Crime generators wie das Alleencenter entfalten ihr kriminogenes Potential dadurch, dass die Gelegenheitsstrukturen dieser Räume auf eine große Anzahl von Menschen wirkt. Das bedeutet, je mehr Menschen sich an diesen Orten aufhalten, desto höher sind die Deliktzahlen in diesen Räumen. Anders verhält es sich bei den beiden identifizierten crime attractors, dem Autohaus an der Loebstraße und den Parkplätzen an der BBS: Hier ist die Abgeschiedenheit der Orte, und die dadurch ausbleibende soziale Kontrolle, förderlich für diese Art von kriminellen Verhalten. Die kriminogenen Effekte, die von crime attractors und crime generators ausgehen, liegen in ihren physikalischen Raummerkmalen begründet. Zum Einen wurde gezeigt, dass das Nebeneinander bestimmter Raumtypen (Schule und Einkaufscenter; Parkplätze und funktionslose Räume) bestimmte Delikte begünstigt58. Zum Anderen zeigt die Untersuchung, dass räumliche Situationsmerkmale innerhalb bestimmter städtischer Settings kriminelles Verhalten fördern, wenn sie soziale Kontrolle unterbinden. Beide Effekte sind also untrennbar mit sozialen Situationsmerkmalen verknüpft. Situative Kriminalprävention macht sich häufig die sozialpsychologischen Effekte zu Nutze, die durch channel factors bewirkt werden. Demnach sind geringe Variationen in der Situation verantwortlich für das Auftreten oder Unterbleiben einer bestimmten Handlung. Dieser Effekt zeigt sich eindrucksvoll in Falle des Autohauses an der Loebstraße: Die Anwesenheit eines einzigen Nachtwächters unterbindet sämtliche Diebstähle in diesem Setting. Im Falle des Alleencenters kann der kriminogene Einfluss des Raumes nicht so leicht entkräftet werden, weil es weder wünschenswert ist Schüler aus diesem Raum auszuschließen noch, dass einer der beiden Raumtypen verlagert wird. Auch der Erfolg täterorientierter Präventionsmaßnahmen59 scheint fraglich, da viele Schüler Ladendiebstahl begehen, obwohl sie ihn ausdrücklich ablehnen (vgl. Kapitel 9.2). In dieser Arbeit wird argumentiert, dass Tätermerkmale viele Formen von kriminellen Verhalten nur unzureichend (falls überhaupt) erklären und Merkmale der Tatsituation ebenso berücksichtigt werden müssen. Die Erklärungskraft tat- bzw. täterorientierter Theorien variiert allerdings stark mit unterschiedlichen Deliktformen. Für die 58 Ein kriminogener Effekt, der durch das Nebeneinander bestimmter behavior settings entsteht, konnte in dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Trotzdem kann vermutet werden, dass ein solcher Effekt für manche Delikte besteht. 59 Ein solcher Ansatz könnte darin bestehen, die Schüler der beiden anliegenden Schulen im Rahmen von Projekten oder im Unterricht besonders für das Thema Ladendiebstahl zu sensibilisieren. 88 Fazit Kriminalprävention bedeutet das, dass Maßnahmen deliktspezifisch ansetzen müssen. Präventionsmaßnahmen die an der Situation ansetzen werden nach dem Schema von Kube (1987) als sekundäre Prävention bezeichnet, während primäre und tertiäre Präventionsmaßnahmen bei den potentiellen Tätern ansetzten. Die Unterscheidung in täterund tatorientierte Erklärungsansätze sollte allerdings nur zu analytischen Zwecken aufrechterhalten werden. Denn wie das Modell in Kapitel 2 zeigt, sind individuelle Unterschiede eben auch Situationsmerkmale, die im Zusammenspiel mit kulturellen, physikalischen und temporalen Einflüssen wirken. Je tiefgreifender das Verständnis über die Ursachen bestimmter Delikte ist, desto erfolgsversprechender sind die Präventionsmaßnahmen, die sich dieses Wissen zunutze machen. 89 Literatur Literatur Abelson, R.P. (1981): The psychological status of the script concept. In: American Psychologist, 36, S.715-729 Ajzen, I., Fishbein, M. (1975): Belief, attitude, intention and behavior: An introduction to theory and research. Reading, MA. Ajzen, I., Fishbein, M. 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Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. a. Die Rotation ist in 6 Iterationen konvergiert. Anti-Image-Matrizen Gruppe_ Gruppe_ Gruppe_ Gruppe_ Gruppe_ Kneipen-/ Gruppe_mit Gruppe_ Gruppe_ Gruppe_viel Verbotenes Gefühl Gewalt zur Theater/ Gruppe_mit Gruppe_ Diskobes anderen akzeptiert zuInteressendMusik/Zeitung anderen gemeinsam andere haben einfach Alkohol tun, um Spaß urchsetzung machen Respekt rumhängen zu haben uche verfeindet prügeln lernen trinken sein Anti-Image-Kovaria Gruppe_ Kneipen-/Diskobesuch Gruppe_mit anderen verfeindet Gruppe_Gefühl akzep zu sein Gruppe_Gewalt zur Interessendurchsetzu Gruppe_ Theater/Musik/Zeitung machen Gruppe_mit anderen prügeln Gruppe_gemeinsam lernen Gruppe_andere habe Respekt Gruppe_einfach rumhängen Gruppe_viel Alkohol trinken Gruppe_Verbotenes t um Spaß zu haben Anti-Image-Korrelat Gruppe_ Kneipen-/Diskobesuch Gruppe_mit anderen verfeindet Gruppe_Gefühl akzep zu sein Gruppe_Gewalt zur Interessendurchsetzu Gruppe_ Theater/Musik/Zeitung machen Gruppe_mit anderen prügeln Gruppe_gemeinsam lernen Gruppe_andere habe Respekt Gruppe_einfach rumhängen Gruppe_viel Alkohol trinken Gruppe_Verbotenes t um Spaß zu haben a. Maß der Stichprobeneignung 98 ,678 -,041 ,008 ,031 -,047 -,012 ,012 -,060 ,030 -,272 -,020 -,041 ,578 -,103 -,060 ,004 -,159 -,020 -,049 ,008 ,009 -,042 ,008 -,103 ,926 -,035 -,018 ,015 -,061 -,043 -,130 -,004 ,038 ,031 -,060 -,035 ,400 -,012 -,188 ,054 -,095 ,012 -,040 -,084 -,047 ,004 -,018 -,012 ,959 -,007 -,138 -,020 ,091 ,008 ,001 -,012 -,159 ,015 -,188 -,007 ,392 ,024 -,079 ,014 ,002 -,035 ,012 -,020 -,061 ,054 -,138 ,024 ,863 -,064 ,020 ,075 ,074 -,060 -,049 -,043 -,095 -,020 -,079 -,064 ,657 -,013 ,022 -,086 ,030 ,008 -,130 ,012 ,091 ,014 ,020 -,013 ,897 -,087 -,095 -,272 ,009 -,004 -,040 ,008 ,002 ,075 ,022 -,087 ,534 -,172 -,042 ,038 -,084 ,001 -,035 ,074 -,086 -,095 -,172 ,530 -,066 ,011 ,060 -,058 -,024 ,016 -,090 ,038 -,453 -,034 -,125 ,005 -,335 -,028 -,080 ,010 ,016 -,075 -,057 -,020 ,024 -,068 -,055 -,143 -,005 ,055 -,475 ,091 -,186 ,020 -,087 -,182 -,152 -,026 ,098 ,011 ,002 -,157 ,024 ,004 -,077 ,022 ,111 ,109 -,017 ,037 -,145 -,020 ,753 a -,066 ,878 ,011 -,140 ,060 -,058 -,024 -,125 ,005 -,335 a -,140 ,713 -,057 -,020 ,024 a ,833 -,020 -,475 a -,020 ,521 -,011 a -,011 ,814 a ,041 a ,016 -,028 -,068 ,091 -,152 ,041 ,817 -,090 -,080 -,055 -,186 -,026 -,157 -,085 -,085 ,906 ,038 ,010 -,143 ,020 ,098 ,024 ,022 -,017 a ,751 a -,125 -,453 ,016 -,005 -,087 ,011 ,004 ,111 ,037 -,125 ,762 -,034 -,075 ,055 -,182 ,002 -,077 ,109 -,145 -,138 -,323 -,138 a -,323 ,873 a Anhang Anhang 2: Kommentierte SPSS Syntax ***Index1: jemals irgendein Delikt begangen?. if t0000 = 2 or t0400 = 2 or t0020 = 2 or t0040 = 2 or t0060 = 2 or t0080 = 2 or t0100 = 2 or t0120 = 2 or t0140 = 2 or t0160 = 2 or t0180 = 2 or t0200 = 2 or t0220 =2 or t0240 = 2 or t0260 = 2 or t0310 = 2 or t0440 = 2 index1 = 1. variable labels index1 'jemals ein Delikt begangen'. val lab index1 1 ja 2 nein/k.A.. *** Index low risk a0300 (eltern sind NICHT geschieden), e0020 (Nicht geprügelt worden), e0021 (nicht mit faust geschlagen), e0023(nicht mit gegenstand verletzt) s1041 (keinmal oder selten schule geschwänzt ), s1020 (Notendurschnitt nicht schlechter als 3,5), n0028rec (NICHT meistens allein zu Hause) h00xx (Normorientierung der Eltern Eltern akzeptieren kein deviantes Verhalten). cliqrec (nicht Mitglied einer gewaltbereiten Gruppe), a0029 (Wert 4 oder mehr Wohlstandstreppe), h0001 (eine cd im Laden klauen finde ich... > 2), a0070 > 40 (Mehr als 40euro im Monat zur Verfgung) wenn kein Mitglied in Clique (c0001) dann jemanden mit Faust... (h0002>2). if a0300 = 2 and e0020 = 1 and e0021 = 1 and e0023 = 1 and s1041 < 3 and s1020<5 and n0028rec = 2 and h0011 > 3 and h0021 >3 and h0041 > 3 and h0051 > 3 and h0061 > 3 and h0071 > 3 and h0081 > 3 and h0091 > 3 and h0101 > 3 and cliqrec < 3 and a0029 > 3 and h0001 > 2 and a0070 > 40 or c0001 = 1 and a0300 = 2 and e0020 = 1 and e0021 = 1 and e0023 = 1 and s1041 < 3 and s1020<5 and n0028rec = 2 and h0011 > 3 and h0021 >3 and h0041 > 3 and h0051 > 3 and h0061 > 3 and h0071 > 3 and h0081 > 3 and h0091 > 3 and h0101 > 3 and a0029 > 3 and h0001 > 2 and h0002 > 2 lowrisk = 1. RECODE lowrisk (1=1) (SYSMIS=2) EXECUTE . val label lowrisk 1 low risk 2 Kontrollgruppe. *** Faktorenanalyse Clique. FACTOR /VARIABLES C0051 C0052 C0053 C0054 C0055 C0056 C0057 C0058 C0059 C0060 C0061 /MISSING PAIRWISE /ANALYSIS C0051 C0052 C0053C0054 C0055 C0056 C0057 C0058 C0059 C0060 C0061 /PRINT INITIAL CORRELATION AIC ROTATION /PLOT EIGEN ROTATION /CRITERIA MINEIGEN(1) ITERATE(25) /EXTRACTION PAF /CRITERIA ITERATE(25) /ROTATION VARIMAX /METHOD=CORRELATION . **** Index gewaltorientierung Cliquen. COMPUTE Clique = C0052+c0054+c0056+c0058+c0061 EXECUTE . RECODE Clique (5 thru 9=1) (10 thru 14=2) (15 thru 19 =3) (20 thru 25=4) INTO Cliqrec . VARIABLE LABELS Cliqrec 'Typen von Cliquen'. val labels cliqrec 1 nicht Gewaltorientiert 2 kaum Gewaltorientiert 3 einigermaßen Gewaltorientiert 4 stark Gewaltorientiert. EXECUTE . 99 Anhang Anhang 3: 1. Auszug aus dem Fragebogen der Duisburger Schülerbefragung 2004 Wie genau stimmen die folgenden Aussagen für deine Freundesgruppe (Clique)? stimmt nicht stimmt wenig stimmt stimmt teilweise ziemlich stimmt genau Wir gehen zusammen in Kneipen, in Diskotheken, auf Konzerte. Es gibt andere Gruppen, die mit uns richtig verfeindet sind. Nur in dieser Gruppe fühle ich mich wirklich akzeptiert. Um unsere Interessen durchzusetzen, wenden wir auch Gewalt an. Wir machen zusammen Theater, Musik oder eine Zeitung. Wir prügeln uns mit anderen Gruppen. Wir lernen gemeinsam für die Schule. Wenn wir zusammen auftauchen, haben Andere richtig Respekt. Wir treffen uns einfach und hängen rum. Wenn wir zusammen sind, trinken wir auch viel Alkohol. Um Spaß zu haben, tun wir auch schon mal etwas Verbotenes. Fast alle Menschen haben als Jugendliche schon einmal unerlaubte Dinge getan, zum Beispiel geklaut oder fremde Sachen kaputt gemacht. Einige haben auch schon mal jemanden verprügelt und verletzt. Wie ist das bei dir? 2. Hast du jemals an verbotenen Graffitis gesprayt oder Tags gesetzt? Orten nein ja weiter nächste Seite mit Frage 29 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 3. Hast du jemals etwas absichtlich zerkratzt, um es zu zerstören oder zu beschädigen (scratchen)? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 30 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 100 ja nein Anhang 4. nein ja Es kommt vor, dass Telefonzellen, Bushaltestellen, Fahrzeuge, Briefkästen, Sitze in Bus oder Bahn, Parkbänke, Schulmöbel oder Ähnliches beschädigt oder zerstört werden. Hast du jemals solche oder auch andere Sachen, die dir nicht gehörten, absichtlich beschädigt oder zerstört? weiter nächste Seite mit Frage 31 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 5. Hast du schon einmal einen Automaten oder ein Münztelefon geknackt und Geld oder Waren rausgenommen? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 32 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal ja nein Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 6. Hast du jemals Supermarkt, einem haus mitgenommen, len? etwas Laden ohne aus oder zu einem Kaufbezah- nein ja weiter nächste Seite mit Frage 33 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Was von den folgenden Sachen ist dir schon passiert? (Du kannst auch mehrere Sachen ankreuzen.) nichts, ich bin noch nie erwischt worden ich wurde ermahnt und musste den Ladenpreis bezahlen meine Eltern wurden benachrichtigt ich habe Hausverbot bekommen ich musste eine Strafe (Bearbeitungsgebühr) zahlen ich wurde angezeigt Warst du bei der letzten Tat alleine oder mit einer Gruppe zusammen? Wo ist das beim letzten Mal passiert? Welchen Wert hatte die Ware, die du beim letzten Mal mitgenommen hast? alleine mit einer Gruppe in der Stadt (bitte Nummer aus Stadtplan eintragen): __ __ nicht in Duisburg einen Wert von ca. __ __ __ € Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? ja nein 101 Anhang 7. Hast du jemals ein fremdes Fahrrad weggenommen, um es für dich zu behalten, es zu verkaufen oder kaputt zu fahren? nein ja weiter nächste Seite mit Frage 34 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 8. ja nein Hast du jemals ein fremdes Auto, Motorrad, Moped oder ein Mofa weggenommen, um es für dich zu behalten, es zu verkaufen oder kaputt zu fahren? nein ja weiter nächste Seite mit Frage 35 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 9. ja nein Hast du jemals ein Auto geknackt und irgendwelche Sachen herausgenommen (z. B. Radio, Geld, Handy oder anderes)? nein ja weiter nächste Seite mit Frage 36 Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 10. Hast du jemals einer Person Handtasche, Einkaufstasche oder nen Geldbeutel aus der Hand vom Arm gerissen? ja nein eine eioder nein ja weiter nächste Seite mit Frage 37 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 11. 102 Hast du jemals jemandem mit Gewalt Geld oder irgendwelche Sachen abgenommen oder jemanden gezwungen, Geld oder Sachen herauszugeben? Damit ist auch das „Abziehen“ gemeint. ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 38 Anhang Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 12. Bist du jemals in ein Gebäude eingebrochen, um etwas zu stehlen? Zum Beispiel: Wohnung, Laden, Kiosk, Garage, Gartenhaus, Wochenendhaus, Schule, Kindergarten, Baubaracke, Werkstatt, Büro oder Ähnliches? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 39 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal In welche Art von Gebäude hast du beim letzten Mal eingebrochen? Wohnung, Wohnhaus Laden, Kiosk Gartenhaus, Wochenendhaus Garage, Baubaracke Schule, Kindergarten Werkstatt, Büro sonstiges Gebäude Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 13. Hast du jemals etwas anderes gestohlen, was bis jetzt noch nicht erwähnt wurde? Zum Beispiel eine Jacke oder Tasche beim Sport. ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 40 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 14. Hast du jemals etwas verkauft, gekauft oder getauscht, von dem du wusstest, dass es gestohlen war? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 41 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? ja nein 103 Anhang 15. Hast du jemals jemanden so geschlagen oder getreten, dass er verletzt wurde? Aber ohne eine Waffe oder einen anderen Gegenstand zu benutzen. Damit meinen wir jedoch nicht solche bei denen Jugendliche nur Situationen, aus Spaß miteinander raufen. nein ja weiter nächste Seite mit Frage 42 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 16. Hast du jemals jemanden mit einem Gegenstand (z. B. Knüppel) oder einer Waffe (z. B. Messer oder Tränengas) angegriffen und verletzt oder versucht, ihn zu verletzen? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 43 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal ja nein Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 17. Hast du jemals Drogen wie Ecstasy, Haschisch, Marihuana, Heroin, Kokain usw. genommen oder geraucht (Zigaretten und Alkohol sind hier nicht gemeint)? nein ja weiter nächste Seite mit Frage 44 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Welche von den folgenden Drogen hast du im letzten Jahr genommen? Marihuana, Haschisch Heroin, Morphium Kokain, Crack Speed Designer-Drogen, Ecstasy LSD, Pilze anderes Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 18. 104 Hast du jemals Drogen wie Haschisch, Marihuana, Heroin, Kokain kauft? Ecstasy, usw. ver- ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 45 Anhang Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Welche von den folgenden Drogen hast du im letzten Jahr verkauft? Marihuana, Haschisch Heroin, Morphium Kokain, Crack Speed Designer-Drogen, Ecstasy LSD, Pilze anderes Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? 19. Hast du jemals Raubkopien von Musikstücken, Filmen, Fotos, Computerprogrammen (Software) usw. aus dem Internet heruntergeladen, von denen du also wusstest, dass diese Kopien gegen den Willen des Künstlers oder Herstellers ins Internet gestellt worden sind? ja nein nein ja weiter nächste Seite mit Frage 46 Wie oft war das seit dem 01.01.2003 bis heute? __ __ __ Mal Wenn du an das letzte Mal denkst, hattest du das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun? ja nein 20. Nicht alle strafbaren Handlungen werden als gleich schlimm empfunden; einige werden auch als eher harmlos angesehen. Wie ist es bei dir? Ich finde ... völlig harmlos eher harmlos weder noch eher schlimm im Laden eine CD für ca. 15 € klauen ... jemanden angreifen und mit der Faust ins Gesicht schlagen ... 105 sehr schlimm Anhang 21. Was glaubst du, wie würden es deine Eltern oder deine Freunde finden, wenn du eine der folgenden Taten begehen würdest? völlig harmlos Meine Eltern bzw. Freunde finden ... im Laden eine CD für ca. 15 € klauen ... eher schlimm Freunde, Clique Eltern Freunde, Clique Eltern Marihuana oder Haschisch rauchen ... Freunde, Clique Eltern in einen Kiosk einbrechen ... ein normales Fahrrad klauen ... weder noch Eltern jemanden angreifen und mit der Faust ins Gesicht schlagen ... für ca. 50 € Haschisch oder Ecstasy verkaufen ... eher harmlos Freunde, Clique Eltern Freunde, Clique Eltern Freunde, Clique ein Auto knacken, um eine Spritztour zu Eltern machen... Freunde, Clique von anderen Geld erpressen, damit sie in Eltern Ruhe gelassen werden (abziehen) ... Freunde, Clique eine Bushaltestelle besprayen oder mit einem Edding beschreiben ... Eltern Freunde, Clique 22. Ist jemand für dich da, kümmert sich jemand um dich, wenn du zu Hause bist? Du kannst auch mehrere Personen ankreuzen. mein Vater, Stiefvater, Lebensgefährte der Mutter meine Mutter, Stiefmutter, Lebensgefährtin des Vaters meine Oma, mein Opa meine ältere Schwester, mein älterer Bruder eine andere Person niemand, zu Hause bin ich meistens allein 23. Wie oft hast du im letzten Schulhalbjahr, also seit den letzten Sommerferien, durchschnittlich blaugemacht (unentschuldigt gefehlt)? keinmal im letzten halben Jahr insgesamt nicht mehr als 6 Stunden pro Monat insgesamt nicht mehr als 6 Stunden pro Woche insgesamt nicht mehr als 6 Stunden pro Woche insgesamt mehr als 6 Stunden 106 sehr schlimm Anhang 24. Welchen Notendurchschnitt hattest du im letzten Zeugnis? 1,0 bis 2,0 2,1 bis 2,5 2,6 bis 3,0 3,1 bis 3,5 3,6 bis 4,0 schlechter als 4,0 82. Es gibt Familien, die sind finanziell vermögend und es gibt Familien, die sind finan-ziell nicht so vermögend. Wenn du deine Familie mit anderen Familien vergleichst, wo ordnest du deine Fami-lie auf der Treppe von arm nach reich an? 10 reich 9 Bitte kreuze die entsprechende Treppenstufe an. 8 7 6 5 4 3 2 arm 1 25. Kreuze bitte an, wie oft das Folgende zu Hause in deiner Familie in den letzten 12 Monaten vorgekommen ist. Meine Mutter bzw. mein Vater hat ... nie selten manchmal oft sehr oft ... mich geprügelt, zusammengeschlagen. ... mich mit der Faust geschlagen oder mich getreten. ... mich mit einem Gegenstand oder einer Waffe verletzt. 77. Und nun einigen Fragen zur Struktur deiner Familie und zu deiner Wohnsituation. Bitte kreuze in jeder Zeile an, ob die Aussagen stimmen oder nicht. ja nein Meine Eltern sind geschieden bzw. leben getrennt. 107 Anhang Anhang 4: Instrument zur strukturierten Beobachtung und Bilddokumentation kriminell belasteter städtischer Settings Instrument zur Erhebung von Raummerkmalen kriminell belasteter städtischer Settings Anlagen: Karte zur Abgrenzung des Untersuchungsgebiets Anweisungen für die strukturierten Bilddokumentation Bogen zur Erhebung von Raummerkmalen I. Informationen zum Untersuchungsgebiet Stadtteil: ______________________________________________ Plätze und Straßen im Untersuchungsgebiet: ______________________________________________ 108 Vorherrschende Deliktform(en): ______________________________________________ Datum: _____._____.2006 Uhrzeit zur Beginn der Erhebung: __________ Uhrzeit am Ende Erhebung: __________ Anhang II. Strukturierte Bilddokumentation Gehe das Gebiet langsam und sorgfältig ab: Zuerst entlang der Grenze des Untersuchungsgebiets, dann von innen nach außen alle begehbaren Wege und Flächen. Gehe Straßen von beiden Seiten aus ab. Befolge dabei die Punkte 1-5. 1. Mache Bilder, die das Untersuchungsgebiet möglichst vollständig und in seiner Gesamtheit zeigen (Bilder aus mehreren Ansichten. Wenn möglich auch von einem erhöhten Standpunkt z.B. Obergeschoss eines öffentlichen Gebäudes). 2. Welche Raumtypen befinden sich im Untersuchungsgebiet? (siehe Liste!) Mache Bilder von jedem vorhandenen Raumtyp. Vermerke Raumtypen ggf. In der Karte Raumtypen V1.1: Öffentliche Infrastruktur: Religiöse und ethische Orte: Lokale Räume des Wohnumfeldes: Halböffentliche Übergangsbereiche: Beispiele Sportplatz Freizeitheim, Bürgerhaus, Parks, Schwimmbad… Auffallende oder formal abweichende Bauwerke: Kirche, Mahnmal, Friedhof Hausnahe Spielplätze, Bänke, Sitzgruppen, kleine Plätze, kleine grüne Verweilzonen Verbindung privat/öffentlich Eingangsbereiche, Zufahrten,… Reservierte Verkehrflächen: Fahrwege Radwege, Bahnstraßen, Straßen… Ränder von Verkehrwegen: Straßenrand Alleen, Fußwege,… Innenräume von ÖPNV Fahrstühle, Busse,… Umfeld von Konsumorten: Markt, Erlebnis, Dienstleistung Sportarenen, Volksfestplätze; Bars/Clubs Straßencafes, Restaurants Einkaufszentren Öffentlich zugängliche Orte für private Tätigkeiten: Waschsalons, Autowaschstraßen… Lokale Mittelpunkte und Zentren Innenstadt, zentrale Plätze, Aufgegebene Flächen: Brachen Industrie-, Militär- und Verkehrbrachen 3. Welche Behavior-Settings (Spielplätze, Telefonzellen…) befinden sich im Untersuchungsgebiet? Mache Bilder von jedem Setting. Vermerke Settings in der Karte. Vorhandene Settings V1.2: ____________________________________ ______________________________________________________________ 4. Unstrukturierte Aufnahmen: Mache Bilder von weiteren Merkmalen des Raumes, die von Bedeutung sein könnten (Z.B. Graffitis, Anzeichen von Vandalismus, Müll, Überwachungskameras…) 109 Anhang III. Erhebung von Raummerkmalen Gehe das Gebiet ein zweites Mal langsam und sorgfältig ab: Zuerst entlang der Grenze des Untersuchungsgebiets, dann von innen nach außen alle begehbaren Wege und Flächen. Gehe Straßen von beiden Seiten aus ab. Beantworte dabei die folgenden Fragen. Wiederhole den Vorgang ggf. bis alle Fragen beantwortet sind. A. Permeabilität des Raumes Ja Nein Ist der Raum für den öffentlichen Automobilverkehr freigegeben?V2.1 Gibt es Verkehrsberuhigende Maßnahmen („Tempobremsen“…) v2.2 Gibt es eine „Zone 30“ v2.3 Wie viele Spuren hat (haben) die Straße(n) in jede Richtung? Straßenname (v2.4):__________________________________ Straßenname (v2.5):__________________________________ Straßenname (v2.6):__________________________________ Welche Straßen sind: a) Einbahnstraßen b) Sackgassen c) Anliegerstraßen? (In Karte eintragen!) Strichliste Wie viele Bushaltestellen liegen im Untersuchungsgebiet? (Bushaltestellen in Karte eintragen!) v2.7 Wie viele Zugänge (in Form von befahrbaren Straßen) hat das Erhebungsgebiet? v2.8 Wie viele Zugänge (in Form von Gehwegen) hat das Erhebungsgebiet? v2.9 Anhand der Bushaltestellen: Wie viele verschiedene Bus Linien durchfahren den Untersuchungsraum? v2.10 In welchen Zeitabständen fahren die verschiedenen Bus Linien an Werktagen? 110 Anhang Alle… 5-10 Min. 11-20 Min. 21-30 Min. 31- 60 Min. 61 Min. u.m. Linie v2.11 ____ Linie v2.12 ____ Linie v2.13 ____ Linie v2.14 ____ Linie v2.15 ____ B. Bauweise und Landnutzung Ja Nein Gibt es Wohnhäuser in dem Untersuchungsgebiet? V3.1 Überwiegend freistehend? V3.2 Überwiegend Doppelhausreihen? V3.3 Überwiegend Reihenhäuser? V3.4 Gibt es gewerbliche Einrichtungen im Untersuchungsgebiet? (Imbisse, Geschäfte, Kneipen, Dienstleister…) V3.5 Welche? V3.6 ___________________________________________ Gibt es leerstehende Häuser, oder brachliegende Grundstücke?V3.7 Wie viele? V3.8_______________ (ggf. anhand Briefkästen, Klingelschilder prüfen) Strichliste Wie viele Einfamilienhäuser? V3.9 Wie viele Mehrfamilienhäuser (2-10 Haushalte)? V3.10 Wie viele Wohnkomplexe (11 und mehr Haushalte)? V3.11 Wohnhäuser Insgesamt V3.12 Summe: 111 Anhang C. Einsehbarkeit und soziale Kontrolle Betrachtung einzelner Settings innerhalb des Untersuchungsgebiets: Setting 1 Ja Nein Gibt es Settings (z.B. Spielplätze), die besonders Deliktbelastet sind V4.1 Kann man das Setting von der Straße aus gut einsehen? V4.2 Kann man das Setting von Fußwegen aus gut einsehen? V4.3 Kann man das Setting von Geschäften oder Cafes aus einsehen? V4.4 Gibt es Beleuchtung in dem Setting? V4.5 Gibt es Videoüberwachung? V4.6 Durch welche Sichtbarrieren wird das Setting evtl. verdeckt? (Büsche, Mauern, Hecken….) V4.7 Von wie vielen Balkons aus kann man das Setting einsehen? V4.8 Von wie vielen Fenstern (aus genutzten Gebäuden), kann man das Setting einsehen? V4.9 Wie sind diese Fenster überwiegend in der Fassade integriert? Wie groß sind diese Fenster überwiegend? Wie viele der Fenster sind: Erker zurückliegend Eher klein eher groß eben normal frei Vergittert Zugeklebt/verhangen Betrachtung einzelner Settings innerhalb des Untersuchungsgebiets: Setting 2 Ja Gibt es Settings (z.B. Spielplätze), die besonders Deliktbelastet sind V4.1 Kann man das Setting von der Straße aus gut einsehen? V4.2 Kann man das Setting von Fußwegen aus gut einsehen? V4.3 Kann man das Setting von Geschäften oder Cafes aus einsehen? V4.4 Gibt es Beleuchtung in dem Setting? V4.5 Gibt es Videoüberwachung? V4.6 Durch welche Sichtbarrieren wird das Setting evtl. verdeckt? (Büsche, Mauern, Hecken….) V4.7 Von wie vielen Balkons aus kann man das Setting einsehen? V4.8 Von wie vielen Fenstern (aus genutzten Gebäuden), kann man das Setting gut einsehen? (Stumpfe Blickwinkel) V4.9 Wie sind diese Fenster überwiegend in der Fassade integriert? Wie groß sind diese Fenster überwiegend? Wie viele der Fenster sind: frei Vergittert Zugeklebt/verhangen 112 Erker zurückliegend Eher klein eher groß eben normal Nein Anhang D. Anzeichen von Verwahrlosung Strichliste Anzahl offensichtlich herrenloser Autos V5.1 Anzahl der Graffitis. (Fläche der besprühten oder beschriebenen Fläche < 1m²) V5.2 Anzahl der Anzeichen von Vandalismus/Sachbeschädigung V5.3 Formen von Vandalismus/Sachbeschädigung (z.B. zerschlagenes Glas…): V5.4 Verschmutzung durch Müll auf Straßen, Wegen und Plätzen. Keine leicht mäßig stark V5.5 E. Anliegende Räume Welche Raumtypen grenzen an das Untersuchungsgebiet? V.6.1 Raumtypen V1.1: Öffentliche Infrastruktur: Religiöse und ethische Orte: Lokale Räume des Wohnumfeldes: Beispiele Sportplatz Freizeitheim, Bürgerhaus, Parks, Schwimmbad… Auffallende oder formal abweichende Bauwerke: Kirche, Mahnmal, Friedhof Hausnahe Spielplätze, Bänke, Sitzgruppen, kleine Plätze, kleine grüne Verweilzonen Halböffentliche Übergangsbereiche: Verbindung privat/öffentlich Eingangsbereiche, Zufahrten,… Reservierte Verkehrflächen: Fahrwege Radwege, Bahnstraßen, Straßen… Ränder von Verkehrwegen: Straßenrand Alleen, Fußwege,… Innenräume von ÖPNV Fahrstühle, Busse,… Umfeld von Konsumorten: Markt, Erlebnis, Dienstleistung Sportarenen, Volksfestplätze; Bars/Clubs Straßencafes, Restaurants Einkaufszentren Öffentlich zugängliche Orte für private Tätigkeiten: Waschsalons, Autowaschstraßen… Lokale Mittelpunkte und Zentren Innenstadt, zentrale Plätze, Aufgegebene Flächen: Brachen Industrie-, Militär- und Verkehrbrachen 113 Anhang F. Field notes Beschreibe den Raum Stichwortartig in eigenen Worten. Konzentriere Dich auf nicht genannte Merkmale: (Lärm, Atmosphäre, Anwesende Personen, besondere Ereignisse, Gespräche mit Anwohnern…). Ergänze die Notizen ggf. Anhand der Bilder nach der Beobachtungssitzung. (Nutze Rückseite) Beschreibe die Settings Stichwortartig, in denen es zu straffälligen Verhalten gekommen ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Deliktform. (Nutze Rückseite) 114 Anhang 5: Karte von hot spot 3 Digitale Stadtkarte © Stadt Trier, Stadtvermessungsamt , AB 1400. 160/06 Anhang 115 Quelle: Anhang Anhang 6: Karte von hot spot 2 Quelle: Digitale Stadtkarte © Stadt Trier, Stadtvermessungsamt , AB 1400. 160/06 116