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1 BIBUOTHEK
HEIDELBERG
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Jochen Sander
Hugo van der Goes • Stilentwicklung und Chronologie
BERLINER SCHRIFTEN ZUR KUNST
Herausgegeben vom Kunsthistorischen Institut
der Freien Universität Berlin
Band 3
Jochen Sander
Hugo van der Goes
Stilentwicklung
und Chronologie
w
VERLAG PHILIPP VON ZABERN • MAINZ
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft
der VG Wort
Umschlag: Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Mohrenkönig,
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsaufnahme
Sander, Jochen:
Hugo van der Goes: Stilentwicklung und Chronologie /
Jochen Sander. - Mainz : von Zabern, 1992
■Q&A
(Berliner Schriften zur Kunst; Bd. 3)
ISBN 3-8053-1226-1
NE: GT
306 Seiten mit 114 Schwarzweißabbildungen
und 32 Tafeln mit 34 Farbabbildungen
© 1992 by Philipp von Zabern, Mainz am Rhein
ISBN 3-8053-1226-1
Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet,
dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie)
zu vervielfältigen.
Printed in Germany by Philipp von Zabern
Printed on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral)
Meinen Eltern
und zur
Erinnerung an
Elisabeth Hauschteck
(1898-1985)
Inhalt
VORWORT 11
a. leben und nachleben. das bild des
hugo van der goes 15
I. Vom Dekan der Genter Malerzunft zum Laienbruder im Kloster
Roodendaele: Hugo van der Goes im Spiegel der Dokumente seiner
Zeit
15
II. »Het alder beste werck van Meester Hughe . . .« - der Nachruhm 18
III. Die Wiederentdeckung des Künstlers im 19. Jahrhundert ... 23
IV. . . . und die Wiederentdeckung seiner Kunst im 20. Jahrhundert . 27
V. Stil und Chronologie der Werke: Die Geschichte eines Problemfalls
der altniederländischen Kunstgeschichtsschreibung 30
b. frühwerk oder »ultima maniera«? eine verfahrene
forschungssituation als ausgangspunkt 40
C. DIE WERKE. UNTERSUCHUNGEN ZU HUGO VAN DER GOES'
KLEINFORMATIGEN TAFELBILDERN UND TÜCHLEINMALEREIEN . 44
I. Am Narrenseil? Das Wiener Diptychon und seine Probleme .... 44
1. Die Forschungsgeschichte 49
2. Bestand und Zustand: Der Befund der Autopsie 54
a. Die hl. Genovefa 54
b. Der Sündenfall 55
c. Die Beweinung 57
d. Die Rückseite der Beweinung 58
3. Der gemäldetechnologische Befund 62
4. Die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons 77
5. Das Verhältnis von Sündenfall und Beweinung zur Bildtradi-
tion 82
8
Inhalt
6. Das Verhältnis der Wiener Beweinung zu den traditionell
spätdatierten Werken 88
II. Von der Einzeltafel zum Tnptychon: Das Frankfurter
Marien-Altärchen 91
1. Zur Forschungsgeschichte 93
2. Bestand und Zustand im Augenschein 97
3. Der gemäldetechnologische Befund 99
4. Die Entstehungsgeschichte des Frankfurter Marien-Triptychons 106
5. Das Verhältnis der Frankfurter Marientafel zur traditionellen
Madonnenikonographie 109
III. Der heilige Lukas zeichnet die Madonna. Das Tafelbild im Museu
Nacional in Lissabon 112
1. Die Entwicklung der Forschungsmeinungen 113
2. Ein Bild wird wiederentdeckt - die Ergebnisse der jüngsten
Restaurierung 118
3. Autorschaft und Datierung des Lissaboner Lukas 119
4. Der Evangelist und der Gegenstand seines künstlerischen
Bemühens 124
IV. Das »Ovale Portrait-Fragment« in New York 127
1. Zur Forschungsgeschichte 127
2. Zustand und Ergebnis der gemäldetechnologischen
Untersuchung 130
3. Bildkontext, Zuschreibung und Datierung 131
V. Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes dem Täufer in
Baltimore 133
1. Die Forschungsgeschichte 135
2. Zustand und Ergebnisse der jüngsten Restaurierung 136
3. Rekonstruktion und Datierung des Diptychons 139
VI. Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme« 141
1. Die Forschungsgeschichte 143
2. Der Augenschein 147
3. Der gemäldetechnologische Befund 150
4. Die Datierung der »Kleinen Kreuzabnahme« und ihre Stellung
in Flugos Werk 153
Inhalt 9
VII. Das Tüchlein-Fragment in Oxford und Hugos meist kopierte
Bildschöpfung: Die »Große Kreuzabnahme« 156
1. Zur Geschichte der Forschungsmeinungen 158
2. Eine Ruine wird besichtigt: Bestand und Zustand 160
3. Der gemäldetechnologische Befund 162
4. Original, Replik oder Kopie? Das Verhältnis des Oxforder
Tüchlein-Fragments zu den übrigen Versionen der »Großen
Kreuzabnahme« 165
5. Ein Fragment wird rekonstruiert. Die »Große Kreuzabnahme«
und die Bildtradition 167
6. Die Datierung der »Großen Kreuzabnahme« 168
VIII. ». . . coram imagine Virginis Marie in Sole«: Die Tüchlein-
Madonnen in Kassel und Pavia 172
i. Das Tüchleinbild in Kassel 172
1. Zur Forschungsgeschichte 173
2. Bestand und Zustand. Das Ergebnis der Autopsie 175
3. Die Madonna auf der Mondsichel - der ursprüngliche
Zustand des Kasseler Tüchleins 176
4. Ghirlandaio und Ramboux: Die spätere Geschichte des
Kasseler Tüchleins 179
ii. Die Tüchlein-Madonna in Pavia 185
1. Ein Blick auf die Forschungsgeschichte 185
2. Das Bild im Augenschein 187
3. Der gemäldetechnologische Befund 188
iii. Sixtus IV. und die Mondsichelmadonna als Ablaßbild:
Em externer Datierungsanhalt 190
iv. Die Mondsichelmadonnen in Kassel und Pavia im Werk
Hugos 192
IX. Bildersturm im 20. Jahrhundert: Das geschändete Leinwandbild mit
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo 197
1. Die Forschungsgeschichte 197
2. Bestand und Zustand. Der Befund der Autopsie 199
3. Die Zerstörung eines Bildes als Ersatzhandlung. Die jüngere
Geschichte des Tüchlems 200
4. Die Stellung des Toledaner Tüchleins in Hugos Werk 202
D. DIE VORLAGE UND IHRE ANVERWANDLUNG:
HUGOS VERHÄLTNIS ZUR BILDTRADITION
205
10
Inhalt
I. Geben oder Nehmen ? Hugo van der Goes und Martin Schongauers
Druckgraphik 206
II. Vergessene Monumentalmalerei: Das Wandbild im » Groot Vleeshuis«
in Gent und der Portinari-Altar 215
III. Die Kunst der Anverwandlung: Hugos Auseinandersetzung mit der
Bildtradition 220
E. STILENTWICKLUNG UND CHRONOLOGIE DER WERKE DES
HUGO VAN DER GOES 227
I. Nochmals: Frühwerk oder »ultima maniera«? Die Untersuchungsergebnisse im Kontext der widerstreitenden Vorschläge zur stilisti-
schen Entwicklung des Malers 227
II. Das Frühwerk um den Monforte-Altar (ca. 1467 - ca. 1472) 232
III. Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar und die
Edinburgher Flügel (ca. 1473 - ca. 1477) 234
IV. Die Spätwerke um den Brügger Marientod (ca. 1477 - ca. 1482) . 249
F. EXKURSE 267
I. Van der Goes3 späte Verkündigung: Das Berliner Diptychon des
Meisters von 1499 267
II. Tur Originalrahmung eines niederländischen Füchleins der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Eine halbfigurige Madonna
lactans in Privatbesitz 273
G. VERZEICHNIS DER MEHRFACH ZITIERTEN LITERATUR 275
H. TAFEL- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS SOWIE
PHOTONACHWEIS 289
I. REGISTER 297
Vorwort
Hugo van der Goes - von keinem anderen niederländischen Maler seiner Zeit
gibt es ausführlichere biographische Angaben, kaum ein Künstler der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts ist so intensiv bearbeitet worden wie gerade er.
Und dennoch: Der überragenden Forschungsleistungen von Goldschmidt,
Friedländer, Panofsky, Winkler und Pächt ungeachtet, ist bei kaum einem anderen altniederländischen Künstler die Diskussion um den Charakter seiner
Kunst, mithin auch um die Datierung seiner Werke, bis heute derart kontrovers geblieben. Was kann angesichts dieser Sachlage von einer weiteren Untersuchung erwartet werden, die nicht nur mehr oder minder in der Form einer
traditionellen Künstlermonographie daherkommt, sondern die sich darüberhinaus in der Analyse der dem Maler sicher zuzuschreibenden Werke genügt?
Versuchen wir die Beantwortung dieser Frage von unterschiedlichen Richtungen aus.
Es gibt nur wenige Museen, die wie das Groeningemuseum in Brügge auf
vergleichsweise engem Raum einen so eindrucksvollen und qualitativ überragenden Einblick in die Entwicklung der altniederländischen Malerei bieten.
Von Jan van Eyck über Petrus Christus bis hin zu Hans Memling und Gerard
David entfaltet sich vor den Augen des Betrachters das Panorama der Malerei
des 15. und frühen 16. Jahrhunderts; enge künstlerische Verwandtschaften und
gestalterische Kontinuitäten werden erfahrbar. Um so deutlicher tritt eine
Bildtafel der Sammlung als Solitär hervor: Der Marientod des Hugo van der
Goes (Tafel 16). In Komposition und Kolorit, in Ausdruck und Einzelgestaltung steht dieses Bild für sich. Es sperrt sich nicht nur gegen eine allzu einfache
Einfügung in die Betrachtung der übrigen Werke des Museums, sondern es
ergreift Besitz von Phantasie und Imagination des Betrachters. Ganz entsprechende Erfahrungen lassen sich vor Hugos anderen, über die großen europäischen und amerikanischen Sammlungen verstreuten Werken machen. Es
sind Bilder, die dem Betrachter eine intensive Auseinandersetzung im Wortsinne »nahelegen«.
Als Friedrich Winkler im Jahre 1964 mit seiner monumentalen Studie zum
»Werk des Hugo van der Goes« die vorerst letzte große Gesamtdarstellung vorlegte, formulierte der große Kenner der altniederländischen Tafel- und Buchmalerei programmatisch seine Absicht: »Die Nachahmung von Meisterwerken des Hugo van der Goes durch Zeitgenossen und Nachfolger ist der Kern
der Ausführungen, die in dem vorliegenden Buch gemacht werden. ... Wir
erschließen damit Ansichten der schöpferischen Tätigkeit Goes', die das Dutzend erhaltener Originale nicht gewähren kann.« (S. 6). Winkler zielte also auf
eine Präzisierung der Eigenart von Hugos künstlerischem Schaffen durch die
Betrachtung seines Werkes in einem weiteren Kontext und von seiner künst-
12
Vorwort
lerischen Umgebung aus. Nur vier Jahre nach dem Erscheinen von Winklers
Buch (und ungeachtet seiner substanziellen, auf der »Außensicht« des Werkes
beruhenden Erkenntnisse) gelangte Otto Pächt in seinem methodisch anders
ausgerichteten Aufsatz zum »Typenwandel im Werk des Hugo van der Goes«
(1968) zu diametral entgegengesetzten Ergebnissen. Stilentwicklung und Chronologie stehen seither buchstäblich Kopf. Bei den Zeitgenossen Hugos mit
Erfolg angewandte, bewährte kunsthistorische Herangehensweisen greifen in
diesem Falle nicht, liefern in sich zwar schlüssige, einander aber widerspre-
chende Resultate. Die Analyse von Stilentwicklung und Chronologie des
Malers erweist sich als ähnlich widerspenstig wie die Erscheinung des Marientodes im Kontext der Altniederländersammlung des Groeningemuseums.
Seit den Tagen von Goldschmidt, Friedländer und Winkler hat die Alt-
niederländer-Forschung nicht nur das Repertoire ihrer an die Kunstwerke ge-
richteten Fragen weiterentwickelt. Ihr steht darüberhinaus mit der in ihren
Erkenntnismöglichkeiten stetig verbesserten Gemäldetechnologie eine »Hilfswissenschaft« zu Gebote, die nicht nur die Bewertung von Bildzuständen präzisiert, sondern die zugleich weitreichende Einblicke in die künstlerische Entstehung eines Bildes bietet. Ein nachträglicher Blick ins Atelier, über die Schul-
ter des Künstlers, wird so möglich. Um ein mögliches Mißverständnis zu
vermeiden: Die genuin kunsthistorische Aufgabe des Erkennens und Interpretierens eines Befundes - und eben auch eines gemäldetechnologischen Befundes etwa einer Röntgenaufnahme - bleibt unverändert bestehen. Derartige
Untersuchungen vermögen aber die Basis, auf der der Kunsthistoriker seine
Deutungen entwickelt, zu sichern, im Idealfall sogar substanziell zu erweitern.
Die bisherige Forschung hat dieses Erkenntnispotential für die Werke des
Hugo van der Goes nur zu einem verschwindend geringen Teil genutzt.
Unter diesen Umständen erscheint es lohnend, den Blick erneut auf Hugos
Werke selbst zu konzentrieren und, anstelle der »Außensicht«, programmatisch auf eine werkimmanente »Binnensicht« zu setzen. Dies bedeutet keine
Geringschätzung der Erkenntnisse der bisherigen Forschung, die für das Verständnis des Künstlers Entscheidendes beigetragen hat. Die erneute Befragung
der Originale nach Hugos künstlerischer Eigenart und Entwicklung, unter
Anwendung gerade auch des heute zu Gebote stehenden gemäldetechnologischen Instrumentariums, kann vielmehr die bisher bestehenden Vorstellungen ergänzen und erweitern. Auf diese Weise mag die hier vorliegende Untersuchung, die vom behandelten Material her eng begrenzt ist, zugleich Erkenntnisse über »das Dutzend erhaltener Originale« dieses bedeutendsten niederländischen Malers der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hinaus vermitteln.
Das vorliegende Buch ist die überarbeitete und erweiterte Fassung einer Dissertation, die unter der Betreuung von Professor Werner Busch an der RuhrUniversität Bochum entstand. Sie wäre nicht ohne die wohlwollende Förde-
Vorwort
13
rung durch zahlreiche Personen und Institutionen zustande gekommen. Ihnen
allen gilt mein Dank, allen voran aber meinem Doktorvater. Verpflichtet fühle
ich mich auch den privaten Sammlern sowie den Kustoden und Restauratoren
jener Museen, die mir auf großzügigste Weise den Zugang zu den ihnen an-
vertrauten Werken des Hugo van der Goes ermöglichten, mir bereits vor-
liegende Ergebnisse gemäldetechnologischer Analysen zur Verfügung stellten
oder aber der erstmaligen Untersuchung der Bilder zustimmten bzw. diese
durchführten.
Darüberhinaus möchte ich mich bei einer Reihe von Freunden und Kolle-
gen für ihre Unterstützung bedanken. M. W. Ainsworth, New York, und
J. R. J. van Asperen de Boer, Amsterdam, überließen mir freundlicherweise
Infrarot-Untersuchungsmaterialien zum Wiener Diptychon. R Klein, Hamburg, stellte nicht nur die Ergebnisse seiner dendrochronologischen Analysen
altniederländischer Tafelbilder zur Verfügung, sondern führte für mich eine
Reihe von Neuuntersuchungen an Tafeln des Hugo van der Goes durch.
D. Wolfthal, New York, J. H. Marrow, Princeton, E. Gordon und E. Zafran,
Baltimore, gewährten vorab Einblick in noch unpublizierte Arbeiten. Engagierte Diskussionen mit F. Brachert, S. Heydasch-Lehmann, B. Brinkmann,
E. König und J. Marrow während der Arbeit dienten der Klärung mancher
Einzelprobleme wie grundsätzlicher Fragestellungen.
Die Arbeit wesentlich erleichtert haben auch die Mitarbeiter der StädelBibliothek, der Bibliotheken der Bonner Universität und des dortigen Kunsthistorischen Instituts, des »Rijksbureaus voor Kunsthistorische Dokumentatie« in Den Haag und, last but by no means least, des »Centre National de
Recherches >Primitifs Flamands<« in Brüssel.
Zahlreiche Reisen waren im Vorfeld und zur Durchführung der Untersuchungen notwendig. Für ihre unermüdliche Unterstützung bin ich meinen
Eltern dankbar, ebenso der Studienstiftung des deutschen Volkes für die Gewährung eines Promotionsstipendiums. Verpflichtet bin ich schließlich auch
den Herausgebern der »Berliner Schriften zur Kunst« und dem Verlag Philipp
von Zabern, hier ganz besonders den Herren H. Peters und F. Rutzen, die das
Buch unter ihre Fittiche genommen und ihm sein ansprechendes Außeres
gegeben haben. Die Drucklegung schließlich wurde durch eine Beihilfe der
VG Wort, München, ermöglicht, während für die Finanzierung von vier-
undzwanzig Farbtafeln, die den Nachvollzug der Argumentation des Buches
wesentlich befördern, Herrn H. J. Abs zu danken ist.
Erst nach dem Abschluß des Manuskripts erschien Bernhard Ridderbos'
Studie zu Hugo van der Goes (De melancholie van de kunstenaar. Hugo van
der Goes en de oudnederlandse schilderkunst, Den Haag 1991). Seine Ergebnisse konnten daher im vorliegenden Buch nicht mehr berücksichtigt wer-
den. J. S.
A. Leben und Nachleben. Das Bild des Hugo van der Goes
I. Vom Dekan der Genter Malerzunft zum Laienbruder im Kloster Roodendaele:
Hugo van der Goes im Spiegel der Dokumente seiner Zeit
Durch die Archivforschungen vornehmlich des 19. Jahrhunderts sind wir über
Leben und Tätigkeit des Hugo van der Goes zumindest so weit unterrichtet,
wie sich diese in den überlieferten Dokumenten der Zeit spiegeln1. Unbe-
kannt bleiben Herkunft2 und Geburtsjahr Hugos, seine Lehrzeit und sein
Lehrer. Historisch sicher faßbar wird der Maler erstmals anläßlich seiner Aufnahme in die Genter Malergilde als Meister am 5. Mai 14673. Sein älterer Malerkollege Joos van Wassenhove diente ihm dabei als Bürge. Im Zusammenhang
mit der Malergilde sollte Hugo auch in den nachfolgenden Jahren kontinuierlich genannt werden4: 1468 und 1469 als Geschworener, 1469, 1471, 1473 und
1474 als Meister, der sich bei der Neuaufnahme anderer Maler in die Gilde
als Bürge bereitstellte, und schließlich 1474 und 1475 als Dekan der Genter
Malergilde. Hugos letzte Nennung in dieser Funktion am 18. August 1475
stellt zugleich die letzte bekannte Erwähnung seines Namens in den erhaltenen Genter Stadtdokumenten dar.
1 Im folgenden werden mehrfach zitierte Titel nur mit Autorennamen und Erscheinungsjahr, bei
Katalogen mit Titel, Ort und Jahr genannt. Die Neuauflage von Max J. Friedländer, u.a., Early
Netherlandish Painting, Bd. I-XIV, Leyden-Bruxelles 1967-1976, wird grundsätzlich unter der Abkürzung ENP I-XIV, der Ausstellungskatalog Imaginair Museum Hugo van der Goes, Tentoonstelling, Oudergem, >Rood Klooster<, Gent, Museum voor Schone Künsten, Leuven, Faculteitsgebouw
Letteren en Wijsbegeerte, 1982/83, Gent 1982, unter der Abkürzung Imaginair Museum zitiert.
Zur Archivforschung des 19. Jahrhunderts: Schayes (1846), S. 337f, 340f; Laborde (1851), S. 338;
Busscher (1859), S. 169f, 200-213; Wauters (1863), S. 723-743; Even (1870), S. 1861-2; Pinchart
(1881), S. 360-369; Haeghen (1899).
In unserem Jahrhundert sind die Forschungen zu nennen von Duverger, Groote (1948), S. 437-443;
Schrijver (1955-56), S. 193-211; Hatfield Strens (1968), S. 315-319.
Vollständige Zusammenstellung aller Quellen im Originaltext durch E. Duverger in Imaginair
Museum, S. 61-88.
2 In den Löwener Stadtrechnungen der Jahre 1479/80 findet sich anläßlich der Zahlung von noch
ausstehenden Geldern der Stadt an die Erben des Dirk Bouts, basierend auf einer Schätzung durch
einen Maler, der mit größter Wahrscheinlichkeit mit Hugo van der Goes identisch ist, die Angabe,
dieser sei aus Gent gebürtig (Imaginair Museum, Doc. XXVIII). Nach Aussage der Grabinschrift
van der Goes' »Vixit tempore Caroli Audacis« (a.a.O., Doc. LVIII) erscheint die Annahme von
Hugos Geburt in den 1430er Jahren am wahrscheinlichsten.
J A.a.O., Doc. II.
Ob die Begnadigung eines Verbannten »Hugues Van der Goes« durch Philipp den Guten am
3. März 1451 auf den Maler zu beziehen ist, erscheint eher unwahrscheinlich (a.a.O., Doc. I); der
Name van der Goes war im 15. Jahrhundert nicht ungebräuchlich (McCloy [1967], S. 65f).
4 Imaginair Museum, Doc. V, VI, VII, IX, XII, XVII, XIX, XX, XXI, XXII, XXIII, XXIV, XXV,
XXVI.
16
Leben und Nachleben
Auch für die Lieferung von Bildwerken in städtischem Auftrag erscheint
sein Name seit 1468 einigermaßen regelmäßig5. Von diesen Arbeiten hat sich
nichts erhalten, was aber angesichts ihres ausgesprochenen Gebrauchscharak-
ters nicht wunder nimmt6: Dutzende von Papstwappen anläßlich eines für
Gent bewilligten Ablasses zwischen 1468 und 1473, dreißig Wappenschilde
Herzog Philipps des Guten für dessen Aufbahrung in Gent 1474, nicht näher
beschriebene Werke anläßlich der Hochzeit Karls des Kühnen mit Margarete
von York 1468 in Brügge, Leinwandbilder mit »pareren van maeghdekins« für
den Festeinzug Karls des Kühnen in Gent 1469 und schließlich weitere Bilder
mit heraldischen Motiven für den Einzug des Fürsten im Jahre 1472. Zumindest in einer städtischen Zahlung von 1469 an Hugo werden Mitarbeiter genannt. Zwar findet sich Hugos Name nach 1475 nicht mehr in den Genter
Stadtarchivalien, aber der Maler scheint dennoch bis 1477 in engem Kontakt
mit der Stadt gestanden zu haben: Von Mai 1473 bis Mai 1477 bezahlte »Hughe
de scildre« die Jahresmiete für ein Haus in der St. Pietersnieuwstraat7. Damit
bricht die Reihe der zu Hugos Lebzeiten entstandenen und ihn unmittelbar
und namentlich nennenden Dokumente ab.
Wohl nicht allzu lange nach 14758 trat Hugo van der Goes als »frater conversus« in das zur Windesheimer Kongregation gehörende Kloster Roodendaele im Wald von Soignies bei Brüssel ein, dem er bis zu seinem Tod im Jahre
1482 angehörte. Über diesen Lebensabschnitt berichtet ausführlich die Chro-
nik des Klosters9. Sie wurde zwischen 1509 und 1513 von Gaspard Ofhuys
verfaßt, der als Novize den Maler unter den Konversen gekannt hatte und der
später selbst Prior des Klosters wurde10. Die in diesem Chroniktext enthalte5 A.a.O., Doc. III, IV, VIII, X, XI, XIII, XIV, XVI, XVIII.
6 Arndt (1964), S. 83-88, brachte überzeugend zumindest die Entwürfe für zwei erhaltene Werke
der »angewandten Kunst« mit van der Goes in Verbindung: Zum einen die Darstellung des hl. Stephanus auf einer burgundischen Standarte (St. Gallen, Historisches Museum), die 1476 von den
Eidgenossen in der Schlacht von Grandson erbeutet wurde, zum anderen einen wappenhaltenden
Engel von einer (ansonsten nicht erhaltenen) Grabplatte (Brügge, St. Jakob).
7 Imaginair Museum, Doc. XV; Schrijver (1955-56), S. 193-211.
s In der Chronik des Klosters teilt Gaspar Ofhuys (vergl. nachfolgende Anmerkung) mit, er sei zur
gleichen Zeit wie Hugo in das Kloster eingetreten. Ofhuys Klostereintritt kann aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit auf 1475 festgelegt werden, wie McCloy (1967), S. 27, nachwies. Da der Ausbruch von Hugos Krankheit auf der Rückreise von Köln Ofhuys zufolge 5 oder 6 Jahre nach Ablegung des Ordensgelübdes (d. h. erst nach Ablauf des Noviziats) geschah, Hugo aber erst nach
vorübergehender Genesung von seiner Krankheit 1482 starb, ergibt sich, der Hausanmietung in
Gent bis 1477 zum Trotz, die zwingende Notwendigkeit der Annahme des Klostereintritts um
1475 und nicht erst 1477.
9 Imaginair Museum, Doc. XLIII; Originale Cenobii Rubevallis in Zonia prope Bruxellam in Brabancia de Gaspar Ofhuys, Bruxelles, Bibliotheque Royale Albert Ier, Ms II, 48017, f. 115v—188;
erstmals publiziert durch Wauters (1863), S. 723-743; in deutscher Übersetzung bei Sander (1912),
S. 534-538. Letzte und grundlegende Diskussion durch McCloy (1967).
10 McCloy (1967), S. 27. Ofhuys war Prior von Roodendaele seit 1509, seine Aufzeichnungen brechen
mit dem Jahr 1513 ab.
Hugo van der Goes im Spiegel der Dokumente seiner Zeit
17
nen biographischen Angaben sind die ausführlichsten, die über irgendeinen
der airniederländischen Maler bekannt sind.
Auch als Konversbruder blieb Hugo als Maler tätig und erhielt als weithin
berühmter Künstler schon während seines Noviziats vom damaligen Prior
Thomas eine Reihe von Vergünstigungen, insbesondere bei Besuchen hochgestellter Persönlichkeiten, die seine Bilder sehen wollten; darunter war auch
Erzherzog Maximilian, der zukünftige Gatte der Maria von Burgund. Nicht
ohne tadelnden Unterton vermerkte Ofhuys, daß sich Hugos Lebensführung
auf diese Weise mehr
»... ad pompam huius seculi inducebant, quam ad penitentie et humilitatis viam
(... auf den Prunk dieser Welt bezog als auf den Weg der Buße und der Demut)«11.
Etwa fünf oder sechs Jahre nach der Ablegung der Ordensgelübde befiel Hugo
auf der Rückkehr von einer Reise mit Mitbrüdern nach Köln
»... mirabilem fantasialem morbum incurrit, quo incessanter dicebat se esse dampna-
tum et dampnatiom eterne adiudicatum, quo etiam sibi ipsi corporaliter et letaliter
- nisi violenter impeditus fuisset auxilio astantium - nocere volebat (... eine sonder-
bare Krankheit, bei der er phantasierte; wobei er unaufhörlich sagte, er sei verdammt
und zur ewigen Verdammnis verurteilt. Wobei er auch sich selbst körperlich und tödlich schaden wollte, wenn er nicht gewaltsam mit Hilfe der Umstehenden daran gehindert worden wäre)«12.
Alle Versuche, den Kranken13 durch Musik zu beruhigen »Unde recordans quomodo Saul levius habebat david cytharam percutiente, permisit
ibidem coram fratre Hugone melodiam fieri (Sich daran erinnernd, daß es Saul erleichterte, wenn David die Harfe schlug, erlaubte er [Prior Thomas in Brüssel; JS], daß dort
in Anwesenheit von Bruder Hugo Musik gemacht werde)«14 -
schlugen fehl und Hugo kehrte ins Kloster zurück, ohne daß sich sein Zustand
wesentlich gebessert hatte.
An die Schilderung dieser Ereignisse schloß Ofhuys sodann eine längere
Diskussion der möglichen Ursachen der Erkrankung an15. Das unmittelbare
Eingreifen Gottes schien ihm die wahrscheinlichste Erklärung zu sein:
»... et quia homo erat ut ceteri ex honoribus sibi exhibitis visitationibus et salutationi11 Imaginair Museum, Doc. XLIII. Für die deutsche Übersetzung hier und im folgenden ist
Dr. C. Meckelnborg, Berlin, zu danken.
12 A.a.O., Doc. XLIII.
13 Die Diskussion der möglichen Diagnosen bei McCloy (1967), S. 89-99.
14 Imaginair Museum, Doc. XLIII.
lD Wie McCloy (1967), S. 29-34, zeigen konnte, zitierte Ofhuys zu den möglichen Ursachen der
Krankheit Hugos verschiedene medizinische Lehrbücher, was zumindest im Hinblick auf einen
Teil der Angaben zur Lebensführung Hugos die Frage aufwirft, ob Ofhuys objektiv berichtet oder
aber auch hier die tatsächlichen Gegebenheiten den medizinischen Autoritäten stellenweise angepaßt hat.
Leben und Nachleben
18
bus diversis forte cor suum elevatum est, quare dominus nolens eum perire, misericorditer ei immisit hanc humiliativam infirmitatem, qua re vera humilitatus est valde. Hoc
ipse frater intelligens quam cito convaluit se valde humiliavit, sponte nostrum refecto-
rium relinquens, et cum laicis refectionem humiliter capiens (... und weil er ein
Mensch wie alle anderen war, so wurde infolge der verschiedenen ihm erwiesenen
Ehren, Besuche und Begrüßungen sein Herz hochmütig. Und weil der Herr nicht
wollte, daß er zugrunde ginge, schickte er ihm barmherzig diese demütigende Krankheit, durch die er in der Tat sehr gedemütigt worden ist. Als der Bruder dies bemerkte,
wie schnell er gesundete, erniedrigte er sich sehr und verließ von selbst unser Refektorium, und speiste demütig mit den Laienbrüdern)«16.
Nicht lange danach starb Hugo van der Goes 1482 in Roodendaele und wurde
im Klosterhof beigesetzt. Zur Frage, wie lange diese Zeitspanne war, und ob
er in dieser Zeit noch als Maler tätig war, schweigt die Chronik.
Die Kenntnis vom Rückzug des Malers ins Kloster Roodendaele und seines
dortigen Aufenthalts bis zu seinem Tode 1482 ermöglicht es schließlich, zwei
Eintragungen in den Löwener Stadtrechnungen des Jahres 1480 auf van der
Goes zu beziehen. Beide Dokumente kennen
»... eenen Monck vanden Roeden Cloestere ... eenen den notabelsten scildere die men
binnen den landen hier omtrint wiste te vindene, die geboren es van der stad van Ghent
en nu woonechtich es in den Rooden Cloester.«17
Dieser Maler-Mönch aus Roodendaele schätzte im Auftrag des Rates von
Löwen u.a. die teilweise unvollendet hinterlassenen Gerechtigkeitsbilder des
1475 verstorbenen Dirk Bouts für das Löwener Rathaus. Mit diesen beiden auf
Hugo van der Goes zu beziehenden Nennungen bricht die Reihe der bekannt
gewordenen Erwähnungen des Malers in den Dokumenten seiner Zeit ab18.
II »Het alder beste werck van Meester Hughe...« - der Nachruhm
Im Gegensatz zu anderen niederländischen Künstlern des 15. Jahrhunderts19
geriet der Name des Hugo van der Goes in den Jahrhunderten nach seinem
16 Imaginair Museum, Doc. XLIII.
17 A.a.O., Doc. XXVIII, XXIX.
1S Hugos gelegentliche Erwähnungen in Reiseberichten, Inventaren oder Aufzeichnungen des endenden 15. oder des 16. Jahrhunderts sind für unseren Zusammenhang von geringem Interesse, lassen
sich doch die dort genannten Werke nicht mehr identifizieren. Deutlich wird allerdings an diesen
Zuschreibungen wie an den rühmenden Äußerungen über Hugo van der Goes und über seine
Werke die außerordentlich hohe Wertschätzung, die man dem Maler noch lange nach seinem Tode
entgegenbrachte - etwa das Lob auf Hugo in Jean Lemaires Gedicht zur Verherrlichung Margarete
von Österreichs 1504/05 oder Dürers Notizen im Niederländischem Tagebuch von 1520 (a.a.O.,
Doc. XLII, XLI und XLVI).
19 Suzanne Sulzberger, La Rehabilitation des Primitifs flamands 1802-1867; in: Academie Royale de
Belgique, Classe des Beaux-Arts, Memoires 12/3 (1961), S. 1-177; Hans-Wolfgang Löhneysen, Die
ältere niederländische Malerei. Künstler und Kritiker, Kassel 1956, S. 263-269.
Der Nachruhm
19
Tode dank der mehr oder weniger ausführlichen Erwähnungen bei Vasari, van
Vaernewijck, de Heere und van Mander nicht völlig in Vergessenheit20.
In der Erstausgabe von Vasaris Künstlerviten von 1550 wird
»Ugo d'Anversa, che fe la tavola di Santa Maria Nuova di Firenze«
als Nachfolger Jan van Eycks im Gebrauch der Ölfarbe genannt21. Diese
kurze Erwähnung ist als Grundlage für die Verbindung des in den Quellen
der Zeit vielfach genannten Malers mit einer bestimmten Werkgruppe von
herausragender Bedeutung, denn bei der von Vasari genannten Tafel handelt
es sich ohne jede Frage um den Portinari-Altar (Tafel 5, Abb. 97), eines der
Hauptwerke Hugos. Als Stiftung des Florentiner Handelsherrn Tommaso
Portinari stand das Triptychon von 1483 bis 1899 auf dem Hauptaltar von
S. Maria Nuova in Florenz22. Die Ungenauigkeit in der Namensangabe ist
wohl unschwer mit der zeitlichen wie räumlichen Distanz Vasaris zum Gegenstand seiner Überlegungen zu erklären. Darüberhinaus diente ihm die Erwähnung des »Ugo dAnversa« lediglich als ein Beleg unter anderen für die Verwendung und Weiterverbreitung der seiner Meinung nach von Jan van Eyck »erfundenen« Technik der Ölmalerei.
Wesentlich ausführlicher als der italienische Autor geht Marcus van Vaernewijck in einer Reihe von Arbeiten auf Hugo van der Goes ein. Die umfassendsten Informationen sind in seiner »Historie van Belgis« von 1568 enthalten23.
Daß es sich bei dem »Hughe vander Leyden« genannten Künstler zweifelsfrei
um Hugo van der Goes handelt, geht aus einem Vergleich mit van Vaerne-
wijcks gleichzeitig entstandenem, unpubliziertem Bericht über die Verwüstungen der Bilderstürmer in Gent in den Jahren 1566-68 hervor24. Hier
werden die auch in der »Historie van Belgis« (und dort »Hughe vander Leyden«) genannten Bilder »Hughe van der Ghoest in Zeeland« zugewiesen,
»... zoo ghetoenaemt omdat hij daer langhe ghewoont hadde, maer was van der Leijden in Hollant gheboren.«
Zumindest für die zu seiner Zeit in Gent befindlichen Bildwerke gab van Vaernewijck so detaillierte Beschreibungen und derart präzise Angaben zu ihrem
jeweiligen Standort, daß an seiner genauen Originalkenntnis dieser neunzig
2v Im folgenden werden nur die gedruckten und damit allgemein zugänglichen Arbeiten des 16. bis
18. Jahrhunderts diskutiert, die sich mit Hugo van der Goes auseinandersetzen und die jeweils voneinander unabhängig neues Material beibringen.
21 Imaginair Museum, Doc. XLVII.
22 Florenz, Galleria degh Uffizi, Inv. Nr. 1525, 249 x 300-137 cm; ENP IV, S. 69, Nr. 10, Tafel 14-18.
Zur Ankunft des Portinari-Altars 1483 in Florenz vergl. Hatfield Strens (1968), S. 328f (Imaginair
Museum, Doc. XXX-XXXVII). 1899 gelangte der Altar aus der Kirche unmittelbar in die Uffizien.
23 Imaginair Museum, Doc. LIV.
24 A.a.O., Doc. XLVIII.
20
Leben und Nachleben
Jahre nach Hugos Tod - noch - mit seinem Namen verbundenen Bilder nicht
gezweifelt werden kann. Von diesen Arbeiten - u.a. ein Epitaph mit der Darstellung der Madonna mit Heiligen in St. Jakob, eine Katharinenlegende in
der Karmeliterkirche, »in zynen ionghen tijd« gemalt, ein Bild mit der Geschichte Davids und Abigails - ist nichts erhalten geblieben. Lediglich von der
Darstellung des Zusammentreffens von David und Abigail (Abb. 1) hat sich
eine Reihe von Kopien erhalten, deren beste deutlich den Stilzusammenhang
mit den Werken der »Gruppe van der Goes«25 um den Portinari-Altar erkennen lassen26.
Die Geschichte Davids und Abigails, auf einen Kaminsturz im Hause des
Genter Bürgers Jacob Weytens gemalt, scheint im 16. Jahrhundert das berühmteste Werk Hugos gewesen zu sein. Van Vaernewijck hebt es als eine Darstel-
lung hervor,
»... die niet alleen die ooghen van ghemene liede[n] maer ooc va[n] groote constenaers
- hem dies wel verstaende - souden doen openstae[n] en[de] met grooten lust aenzien
soo fraey en[de] levende is hy gheschildert.. ,«27
Der junge Künstler habe dieses Werk ausgeführt, während er sich - vergeblich
- um eine Tochter des Hauses bemühte. 1565, drei Jahre vor van Vaernewijcks
»Historie van Belgis«, wurde ein Sonett des Genter Malers und Dichters
Lucas de Heere gedruckt, das gleichfalls die David-und-Abigail-Darstellung
zum Gegenstand hat28. Unter ausdrücklicher Bezeugung der Autorschaft des
»Hugues van goust«
»... spreekt... een van de gheschilderte vraukens ...«
und rühmt, Hugo mit Praxiteles vergleichend, die Lebendigkeit der dargestell25 Die Bezeichnung »Gruppe van der Goes« für alle Werke im Stile des Malers, gleichgültig ob eigen-
händig oder nicht, wird hier und im folgenden im selben Sinne wie in den Corpus-Bänden des
Brüsseler »Centre National de Recherches >Primitifs Flamands<« gebraucht.
26 ENP IV, S. 7lf, Nr. 19 a-h; Winkler (1964), S. 95-99; Elisabeth Dhanens, Actum Gandavi. Zeven
Bijdragen in Verband met de Oude Kunst te Gent; in: Academiae Analecta. Mededelingen van de
Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Künsten van Belgie, Klasse der
Schone Künsten 48, Nr. 2 (1987).
Ein weiteres in Kopien überliefertes Werk des Hugo van der Goes, das den Stilzusammenhang mit
den Werken um den Portinari-Altar deutlich zeigt, ist die »Virgo deipara«, die Darstellung der
Madonna mit dem Kind, umgeben von Sibyllen und Propheten. Vor 1517 datiert eine Beschreibung
dieses Bildes in Gedichtform, verfaßt von dem Mechelner Humanisten Hieronymus Busleyden.
In dem zugehörigen Vortext wird mitgeteilt, daß das Gedicht auf den Flügeln einer Tafel angebracht
sei, die von dem berühmten Maler Hugo stamme: »Carmen appendicium ad alas tabellae ab
Hugone nobili pictore depictae...« (Imaginair Museum, Doc. XLIV, XLV). Die Beschreibung
Busleydens stimmt mit den erhaltenen Kopien überein, so etwa mit dem Tafelbild des Ambrosius
Benson in Antwerpen, Musee des Beaux-Arts, vergl. ENP IV, S. 73, Nr. 26; Winkler (1964),
S. 99-101.
27 Imaginair Museum, Doc. LIV.
28 A.a.O., Doc. LI.
Der Nachruhm 21
Abb. 1 Kopie nach Hugo van der Goes, David und Abigail, Brüssel, Musees Royaux
d'Histoire de l'Art
ten Figuren, denen allein die Sprache abgehe, um sie nicht mit Lebenden verwechseln zu können.
Das Bild - einschließlich einer leicht variierten Wiedergabe von de Heeres
Sonett - sollte auch in Karel van Manders »Schilder-Boek« (1604) im Mittelpunkt der Vita des »Huge van der Goes« stehen29. Daneben machte van Man-
der auch ausführlich Gebrauch von van Vaernewijcks Mitteilungen in der
»Historie van Belgis« zu Hugos Werken. Dessen nicht sonderlich genauen
Hinweis auf
»... het alder beste werck van Meester Hughe ... in Sinte Jacobs Kercke .. ,«30
zu Brügge präzisierte van Mander durch die Beschreibung eines Altarbildes
mit der Kreuzigung Christi, das durch die zeitweilige Übermalung mit den
Zehn Geboten der Zerstörung im Bildersturm entgangen sei. Ob van Mander
dieses Bild aus eigener Anschauung kannte, geht aus seinem Text nicht ein29 A.a.O., Doc. LVII.
30 A.a.O., Doc. LH.
Leben und Nachleben
22
deutig hervor, die Zeugenschaft späterer Autoren spricht aber eher dagegen31.
Die Tätigkeit des angeblich aus Brügge stammenden Malers ließ van Mander
in die Jahre um 1480 fallen, in merkwürdigem Widerspruch zu seiner ausdrücklichen Schilderung von Hugos Lehrzeit bei Jan van Eyck. Ort und Zeit-
punkt des Todes van der Goes' waren van Mander nach eigenen Worten unbekannt.
Die Frage nach Hugos Lebenszeit und Begräbnisort beantwortete 1613
Francois Sweerts in seinen »Monumenta sepulchralia... Brabantiae«32 mit
dem Abdruck der Grabinschrift:
»In RVBRA VALLE, Canonicorum Regularium monasterio, ordinis divi AUGUSTINI.
Pictor HVGO VANDER GOES humatus hic quiescit,
Dolet ars, cum similem sibi modo nescit.
Vixit tempore CAROLI AUDACIS,
ibidem factus monachus, ad maiorem DEI gloriam.«
Van Manders ausführliche Lebensbeschreibung sollte für die nachfolgende
Zeit die verbindliche und kritiklos übernommene Vorlage bleiben-1-1. Erst
1769 verglich Jean Baptist Descamps in seiner »Voyage pittoresque de la
Flandre«34 dessen Angaben zum Altarbild in St. Jakob in Brügge mit dem
Bildwerk selbst und korrigierte van Manders Beschreibung als Kreuzigung
kommentarlos zugunsten einer Kreuzabnahme. Eine ähnliche, stillschweigende Korrektur erfolgte 1777 im »Nieuwen Verlichter der Konst-Schilders«35. Hier wurde Hugos Geburtsjahr mit 1366 in Brügge angegeben wohl auf Grund eines mißverstandenen Dokumentenfundes - und daraufhin
sinnvollerweise van Manders Angabe zur Tätigkeit des Malers um 1480 fallengelassen, bei ansonsten weitgehend unverändert übernommenem Text.
Die zahlreichen Nennungen in der topographischen und Kunstliteratur des
niederländischen 17. und 18. Jahrhunderts lassen auch verständlich werden,
weshalb in diesem Zeitraum wiederholt in Inventaren und Verkaufskatalogen
Bilder mit ausdrücklicher Zuschreibung an Hugo erschienen36. Vor diesem
31 Siehe unten S. 22.
32 Imaginair Museum, Doc. LVIII.
33 Man vergleiche etwa Antonius Sanderus, De Brugensibus Eruditionis Fama von 1624 (Imaginair
Museum, Doc. LX), sein Flandria Illustrata von 1641 (a.a.O., Doc. LXI bis), Joachim von Sandrart,
Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste von 1675 (a.a.O., Doc. LXII), oder Jean Baptiste
Pierre Lebrun, Galerie des Peintres Flamands, Hollandais et Allemands von 1796 (a.a.O., Doc.
LXXVIII).
34 Imaginair Museum, Doc. LXVII. Noch 1753 hatte Descamps in La vie des peintres flamands, allemands et hollandais (Imaginair Museum, Doc. LXVI) in seiner Vita des »Hugues vander Goes«
van Mander einschließlich der Schilderung der Übermalung von Hugos Altartafel in St. Jakob mit
den Zehn Geboten während des Bildersturms wiedergegeben - interessanterweise, ohne den Bildgegenstand selbst zu benennen.
35 Imaginair Museum, Doc. LXX.
36 A.a.O., Doc. LXI, LXV, LXVIII, LXIX, LXXII, LXXIII, LXXIV, LXXV, LXXVI.
Die Wiederentdeckung des Künstlers im 19. Jahrhundert
23
Hintergrund konnte dann die im 19. Jahrhundert einsetzende, kritisch das
überlieferte Erbe sichtende Kunstgeschichtsschreibung ihren Versuch, Person
und Werk des Hugo van der Goes präziser zu fassen, in Angriff nehmen.
III. Die Wiederentdeckung des Künstlers im 19. Jahrhundert...
Die kunsthistorische Forschung sollte das ganze 19. Jahrhundert hindurch mit
dem Versuch beschäftigt sein, zum einen die historische Person des Malers
durch intensives Quellenstudium, zum anderen sein überliefertes Werk vom
Portinari-Altar (Tafel 5, Abb. 97) aus zu erschließen.
Ein erstes Ergebnis gezielter Archivstudien teilte 1824 L. de Bast37 mit: In
den Stadtrechnungen von Gent finde sich bis zum Jahre 1480 der Name des
Malers vielfach im Zusammenhang städtischer Aufträge. 1826 wurde in einem
ungezeichneten Artikel im Genter »Messager des Sciences et des Arts«38
schon detaillierter über Hugos Mitarbeit an Dekorationen bei den Feierlichkeiten zur Einsetzung Karls des Kühnen als Graf von Flandern 1467 sowie bei
Feiern eines Papstjubiläums in Gent 1473 berichtet. Mit A. G. B. Schayes
(1846)39 setzen dann die Quellenpublikationen im Originaltext (oder zumindest in Ubersetzung) ein. Schayes war in den Stadtrechnungen Löwens auf die
Schätzung des Bouts-Nachlasses durch den Maler-Mönch aus Roodendaele
gestoßen und verband diese Nennung zu Recht mit Hugo van der Goes40.
1851 veröffentlichte der Comte de Laborde41 seine Goes betreffenden Funde
in den burgundischen Hofrechnungen, Zahlungsbelege für Arbeiten aus
Anlaß der Hochzeit Karls des Kühnen mit Margarete von York 1468 in Gent.
1859 folgte die Publikation der zahlreichen Nennungen in den Genter Stadtdokumenten durch E. de Busscher42, die die städtischen Aufträge und seine
Laufbahn innerhalb der Malergilde betreffen. Durch die Auffindung der
Ofhuys-Chronik und ihre Publikation 1863 durch A. Wauters43 wurde das
romantisch gestimmte Interesse an Hugo van der Goes schließlich nochmals
wesentlich gesteigert44. Damit waren die wesentlichen archivalischen Ent37 Bast (1824), S. 3491.
38 Epitaphe de Hugues van der Goes (1826), S. 128.
39 Schayes (1846), S. 337f, 340f.
40 1870 teilte Even, S. 1861'2, den Wortlaut der Eintragungen in den Löwener Stadtrechnungen mit.
41 Laborde (1851), S. 338, Nr. 4505.
42 Busscher (1859), S. 169f, 200-221.
43 Wauters (1863), S. 737-741.
44 Die Schilderung der Ofhuys-Chronik regte Emile Wauters zu seiner berühmt gewordenen Darstellung des vom Wahnsinn befallenen Malers an, die bereits 1872 für das Musee des Beaux-Arts in
Brüssel angekauft wurde (Imaginair Museum, S. 60105, Abb. 13).
1881 veröffentlichte Pinchart, S. 360-369, eine Urkunde aus dem Stadtarchiv von Tournai, die
24
Leben und Nachleben
deckungen gemacht; in unserem Jahrhundert sollten nur noch zwei wichtige
Dokumentenfunde hinzukommen: 1955/56 veröffentlichte A. de Schrijver45
Eintragungen aus dem Rechnungsbuch des Philips van der Zickele zu Gent,
die Mietzahlungen für ein Haus in Gent durch »Hughe de scildre« zwischen
1473 und 1477 belegen. 1968 schließlich machte B. Hatfield Strens46 Zahlungsbelege aus dem Archiv des Florentiner Arcispedale di Santa Maria Nuova
bekannt, die die Ankunft des Portinari-Altars in Florenz für Mai 1483 dokumentieren, mithin erst im Jahre nach dem Tode des Malers.
Während also die Kenntnis der Biographie durch de Busschers und Wauters
intensive Archivarbeit um 1860 rasch zunahm und auf ein gesichertes Fundament gestellt werden konnte, klärte sich die Vorstellung von Charakter, Umfang und Bedeutung des Werkes zögerlicher. Nahezu alle in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts Hugo zugeschriebenen Werke gelten heute als Arbeiten
Hans Memlings oder seines Umkreises47; nur ganz allmählich traten daneben
Bilder, die auch der jüngeren Forschung noch als Werke Hugos oder zumindest als Arbeiten in seinem Stil gelten. Meilensteine auf dem Wege dieser Klärung des Oeuvres waren dabei die Veröffentlichungen von G. Rathgeber
(1842), G. F. Waagen (1847), L. Scheibler (1887) und E. Firmenich-Richartz
(18 9 7)48. Die anfängliche Unschärfe der Stil Vorstellung machte die folgenschwere Verfälschung eines Bildes möglich: Memlings heute in der Alten
Pinakothek in München aufbewahrte Darstellung Johannes des Täufers in der
Wildnis (Abb. 2)49 wurde durch die Hinzufügung von Signatur und Datierung »H. V. D. GOES 1472« zu einem scheinbar gesicherten Werk Hugos.
Bereits 1833 wurde die Tafel von A. van Lokeren50 als Goes veröffentlicht unter Beigabe einer Abbildung in Holzstich. Zwar konnte 1847 G. F. Waagen51
Signatur und Datierung als moderne Fälschung nachweisen und das Bild
Hans Memling zuschreiben, aber dessenungeachtet sollte noch für längere
- 1468 datiert - die erste Nennung Hugos als Geschworener der Malergilde in Gent darstellt. Die
Mitteilung über die Aufnahme des Malers als Meister in die Genter Gilde im Jahre 1467, die gleichfalls in den Dokumenten der Stadt Gent überliefert ist, aber 1859 de Busscher entgangen war, trug
Haeghen (1899), S. 56f, nach.
45 Schrijver (1955-56), S. 193-211.
46 Hatfield Strens (1968), S. 315-319.
47 Man vergleiche die von Rathgeber (1842), S. 14f, Sp. 117-122, 433, zusammengestellten, bis dahin
mit Goes in Verbindung gebrachten Bilder mit ihren heutigen Zuschreibungen.
48 Rathgeber (1842), S. 14f, Sp. 117-122, 433; Waagen (1847), S. 20lf; Scheibler (1887), S. 280; Firmenich-Richartz (1897), Sp. 225-236, 289-300, 371-386.
49 München, Alte Pinakothek, Inv. Nr. 652; Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek,
München. Erläuterungen zu den ausgestellten Gemälden, München 1983, S. 340f. Zur Provenienz
des Bildes vgl. Lome Campbell, Notes on Netherlandish pictures in the Veneto in the fifteenth
and sixteenth centuries; in: Burlington Magazine 123 (1981), S. 471.
50 Lokeren (1833), S. 417-424.
51 Waagen (1847), S. 202.
Die Wiederentdeckung des Künstlers im 19. Jahrhundert
25
Abb. 2 Hans Memling, Johannes d.T. in der Wildnis,
München, Alte Pinakothek
Zeit die Münchener Johannes-Tafel - als scheinbar authentisches Werk - die
Vorstellung von Hugos Stilcharakter bestimmen und weitere Zuschreibungen
von Bildern des Memling-Kreises nach sich ziehen.
Florenz als Standort des einzigen tatsächlich belegten Werkes des Malers,
des Portinari-Altars, war für die belgischen und deutschen Autoren des frühen 19. Jahrhunderts mit ihrem speziellen Interesse an der niederländischen
Kunst des Spätmittelalters eher abgelegen. Zwar betrieben schon K. F. Schinkel
(1824) und S. Boisseree (18 3 7)52 ein intensives Originalstudium des Altars,
32 Alfred von Wolzogen, Aus Schinkel's Nachlaß. Reisetagebücher, Briefe und Aphorismen, Bd. 2,
Berlin 1862, S. 252 (Besichtigung des Altars am 21. 8. 1824); Hans-J. Weitz (Herausgeber), Sulpiz
Boisseree, Tagebücher, Bd. 3: 1835-1843, Darmstadt 1983, S. 244-295 (zwischen dem 7. 6. und
dem 29. 11. 1837 insgesamt sieben Besuche in S. Maria Nuova zum Studium des Portinari-Altars,
vier Besuche des Archivs der Kirche); Sulpiz Boisseree, Bd. 1, Stuttgart 1862, S. 707f (Brief vom
Leben und Nachleben
26
Boisseree darüberhinaus sogar Archivarbeit, aber die erste ausführliche Beschreibung und Würdigung, gleichfalls auf Kenntnis des Originals beruhend,
wurde erst durch J. D. Passavant33 1841 veröffentlicht. Die erste graphische
Wiedergabe des Portinari-Altars sollte gar erst 1867 von E. Förster34 der
Fachwelt zugänglich gemacht werden - somit erst vierunddreißig Jahre nach
van Lokerens Abbildung der Münchener Tafel!
Aber auch bei der allmählichen Bereinigung der Werkgruppe, die man
Hugo van der Goes zuschrieb, blieb die Beurteilung des Malers umstritten.
Die »realistische Richtung«55 ». . . dieses ausgezeichneten Schülers der van
Eyck«36 wurde allgemein positiv hervorgehoben, ein »Mangel an Schönheitsgefühl«3 aber von der Mehrzahl der Autoren beanstandet:
»Vander Goes, en un mot, n'est pas un idealiste«,
wie H. Hymans (18 8 4)38 die Kritik des 19. Jahrhunderts an dem Maler auf
den Punkt brachte.
25. 11. 1837 aus Florenz an den Bruder Melchior:»Das Spital St. Maria Nuova hat mich ganz beson-
ders in Anspruch genommen wegen dem Bild von Hugo von Antwerpen... Die Notizen, die ich
bei dem Pfarrer und im Archiv gefunden, führen bis jetzt nur zu Yermuthungen, geben aber Auf-
schluß genug, um zu überzeugen, dass alles bis jetzt über diesen Gegenstand Gedruckte ein Gewirre
von Irrthümern und Mißverständnissen ist.«). Leider veröffentlichte Boisseree nichts von seinen
Funden.
53 Passavant (1841), S. 18. Zwar hatte schon Kugler (1837), S. 62, eine kurze Beschreibung des Altars
geliefert, den er nach eigener Aussage 1835 selbst besehen hatte; seine Beschreibung fiel aber zu
knapp aus, um dem Leser eine eigentliche Vorstellung der Tafeln zu vermitteln.
1,4 Förster (1867), III. Malerei, S. 1-6 (Holzstiche nach Mitteltafel und Innenseiten der Flügel).
55 Waagen (1847), S. 201.
1,6 Passavant (1841), S. 18.
- Waagen (1862), S. 112.
■s Henri Hymans, Carel van Mander. Le livre des peintres. Vie des peintres flamands, hollandais et
allemands (1604). Traduction, notes et commentaires par H. Hymans, Bd. 1, Paris 1884, S. 55.
Im gleichen kritischen Sinne eines »sowohl-als auch« äußerten sich Kugler (1837), S. 62; Jacob
Burckhardt, Kunstwerke der belgischen Städte, Düsseldorf 1842, S. 64f; derselbe, Der Cicerone.
Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Basel 1855, S. 847f; Waagen (1847), S. 20 lf;
derselbe (1862), S. 111-113; Crowe, Cavalcaselle (1857), S. 127-139; Förster (1867), S. 1-6; Wauters
(1872); Alfred Woltmann, Karl Woermann (Herausgeber), Geschichte der Malerei, Bd. 2: Die Malerei der Renaissance, Leipzig 1882, S. 27-29; Toman (1887), Sp. 643-647; Adolf Philippi, Die Kunst
des 15. und 16. Jahrhunderts in Deutschland und den Niederlanden, Leipzig 1898, S. 59-61.
Lneingeschränkt positive Stilbeurteilungen fällten demgegenüber Passavant (1841), S. 18; Alfred
Michiels, Histoire de la peinture flamande depuis ses debuts jusqu'en 1864, Bd. 3, Paris 1866,
S. 336-372; Roben Dohme, Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen Mitte des 18. Jahrhunderts, Bd. 1, Leipzig 1877, S. 6f; Carl Schnaase, Otto Eisenmann, Geschichte der
bildenden Künste im 15. Jahrhundert, Stuttgart 1879, S. 205-210; Ludwig Adolf Scheibler, Die
hervorragendsten anonymen Meister und Werke der Kölner Malerschule von 1460-1500. Inauguraldissertation Bonn 1880, Bonn 1880 (beigebundene Thesen der Dissertation: »Hugo van der Goes
ist sämtlichen Nachfolgern der van Eyck an Wert und den meisten derselben auch an Fruchtbarkeit
gewachsen«); derselbe (1887), S. 280; Alphonse J. Wauters, La peinture flamande, Paris 1883,
S. 70-76; Firmenich-Richartz (1897), Sp. 225-236, 289-300.
und die Wiederentdeckung seiner Kunst im 20. Jahrhundert
27
IV. ... und die Wiederentdeckung seiner Kunst im 20. Jahrhundert
Sich verändernde Sehgewohnheiten, vor allem aber das Auftauchen von zwei
Hauptwerken Hugos führte in den beiden ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunders zu einer neuen Sicht auf das Werk und den Stil des Malers.
Im Jahre 1903 erwarb das Berliner Kaiser Friedrich-Museum die Hirtenanbetung (Tafel 14)39. Bereits 1897 hatte E. Firmenich-Richartz60 das Bild, da-
mals noch in Madrid, auf Grund einer Mitteilung Karl Justis als »sicheres
Werk des Hugo van der Goes« bestimmt. Diese Zuschreibung sollte auch nach
der Aufstellung des Bildes in Berlin uneingeschränkte Anerkennung finden.
Nachdem A. Mendez Casal61 1909/10 die große Altartafel der Königsanbetung (Tafel l)62, zu diesem Zeitpunkt noch im Besitz des spanischen Klosters
Monforte, als Werk Hugos veröffentlicht hatte
- »Ii est extremement probable qu'il s'agit ici l'oeuvre la plus importante de ce
peintre« - ,
begann ein Wettlauf der großen europäischen Museen um die Erwerbung der
Tafel, die schließlich erneut das Kaiser Friedrich-Museum zu seinen Gunsten
entscheiden konnte. Wie bei der Hirtenanbetung gab es auch bei der Königsanbetung keine Dissonanzen in der Frage der Autorschaft des Bildes. Spätestens mit dem Bekanntwerden des Monforte-Altars entfiel auch jede Grundlage für den »cantus firmus« der Stilkritik des 19. Jahrhunderts - für den Vorwurf »mangelnden Schönheitsgefühls«63. Kennzeichnenderweise faßte Mendez Casal seine Beschreibung und Würdigung des Altares mit den Worten zusammen:
»... il produit une impression du plus pur idealisme«64!
Die sich auch unter dem Einfluß der jeweils zeitgenössischen Kunstproduk-
tio'n ändernden Sehkonventionen führten schließlich auch zu einer Neu-
bewertung des Brügger Marientodes (Tafel 16)65, der bis dahin eher ein Schattendasein als angeblich von Restauratorenhand im 19. Jahrhundert entstelltes
39 Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1622 A; Eiche,
97 x 245 cm; Picture Gallery Berlin. Catalogue of Paintings, 13th-18th Century (Berlin 1978),
S. 183f.
60 Firmenich-Richartz (1897), Sp. 374f.
61 Mendez Casal (1909/10), S. 156-161.
62 Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1718; Eiche,
147 x 242 cm; Picture Gallery Berlin. Catalogue of Paintings, 13th-18th Century (Berlin 1978),
S. 184f.
63 Waagen (1862), S. 112.
64 Mendez Casal (1909-10), S. 158.
6d Brügge, Stedehjk Museum voor Schone Künsten (Groeningemuseum), Inv. Nr. 0. 204; Eiche,
146,7 x 121,1 cm; Janssens de Bisthoven, Parmentier (1957), S. 84-92.
28
Leben und Nachleben
Werk geführt hatte66. Seine außerordentliche Ausdruckskraft sollte erst zu
Beginn unseres Jahrhunderts als eigenständiger Wert Anerkennung finden.
Damit war um 1914 das um die Hauptwerke, den Monforte-Altar und die Hirtenanbetung in Berlin, den Marientod in Brügge, die Tafeln mit dem schotti-
schen Königspaar, Edward Bonkil und der Trinität in Edinburgh (Tafeln
8-II)67, dem Portinari-Altar in Florenz (Tafel 5) und dem Diptychon mit
Sündenfall und Beweinung in Wien (Tafeln 18 - 20)68, gruppierte Oeuvre des
Genter Malers in seinen entscheidenden Umrissen bekannt. Bis zum gegen-
wärtigen Zeitpunkt sollten an neu entdeckten Bildern nur noch die beiden
Tüchleindarstellungen der Madonnen in Pavia (Tafel 31), des linken Flügels
der sogenannten »Kleinen Kreuzabnahme« mit dem von drei Helfern gestützten Leichnam Christi in amerikanischem Privatbesitz (Tafel 26) und die
Tafel mit dem die Madonna zeichnenden Lukas in Lissabon hinzukommen
(Tafel 23)69.
66 Janssens de Bisthoven, Parmentier (1957), S. 87f.
67 Edinburgh, National Gallery of Scotland (on loan by Her Majesty the Queen); Eiche, je
202,0 x 100,5 cm; Campbell (1985), S. 42-47, Cat. Nr. 30, 31.
68 Wien, Kunsthistorisches Musem, Inv. Nr. 945, 5822a, 5822b; Eiche, 32,3 x 21,9 cm (Sündenfall und
Hl. Genoveva), 34,4 x 22,8 cm (Beweinung); Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel
d. Ä. (Wien 1981), S. 189-192.
69 Pavia, Museo Civico, Pinacoteca Malaspina, Inv. Nr. 112; Leinwand, 40,5 x 27 cm; Pavia, Pinacoteca
Malaspina (Pavia 1981), S. 219f. Erstmals als Arbeit des Hugo van der Goes publiziert von Schöne
(1937), S. 166f.
Amerikanischer Privatbesitz; Leinwand, 53,3 x 38 cm; ENP IV, S. 87, Add. 136, Tafel 9. Erstmals
als Werk Hugos veröffentlicht von Friedländer (1950), S. 167-171.
Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga, Inv. Nr. 1459; Eiche, 104,5 x 62,4 cm; S. Lucas retra-
tando a Virgem (Lisboa 1981). Als Werk van der Goes' erstmals von Reis Santos (1939), S. 162-167,
bezeichnet.
Ein weiteres Tafelbild wurde erst jüngst von Grimm (1988), S. 77-91, als authentisches Werk Hugos
veröffentlicht. Die in amerikanischem Privatbesitz befindliche, 100,7 x 124,8 cm messende Tafel
zeigt die thronenden Madonna mit den Heiligen Thomas, Johannes dem Täufer, Hieronymus und
Ludwig. Das bis vor kurzem noch weitgehend übermalte Bild ist sehr ungleichmäßig erhalten. So
ist die Originalmalerei im Bereich der Madonnenfigur vollkommen verloren; die Unterzeichnung
liegt frei.
Der auch von Grimm betonten Verwandtschaft mit Werken des Meisters von Moulins ungeachtet,
wollte er auf Grund von Vergleichen mit allgemein anerkannten Werken in dem Bild eine eigenhändige Arbeit Hugos sehen. Der dendrochronologische Befund, der die Tafel interessanter Weise in
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wiener Sündenfall stellt, ließ Grimm an eine Entstehung
ab der Mitte der 1470er Jahre denken.Im Rahmen vorliegender Arbeit hatte auch der Verfasser die
Gelegenheit, die zur Diskussion stehende Tafel im Original zu studieren, wofür dem Besitzer gedankt sei. Angesichts der unübersehbaren, in seinen Vergleichen indirekt auch von Grimm anerkannten Verwandtschaft der neuentdeckten Tafel mit Werken unterschiedlichster Entstehungszeit innerhalb des Oeuvres Goes' erscheint uns eine Zuschreibung an den Genter Maler selbst unakzeptabel.
Die stilistische Nähe zum Meister von Moulins, das gleichzeitige Zitieren von Monforte-Altar und
Marientod, die von den Werken Hugos deutlich abweichende Unterzeichnung - all dies läßt an
die Ausführung der Tafel mutmaßlich durch den Meister von Moulins in der zweiten Hälfte der
1470er Jahre in unmittelbarem Werkstattzusammenhang mit Hugo van der Goes denken. Insbeson-
und die Wiederentdeckung seiner Kunst im 20. Jahrhundert
29
Die Vorstellung vom künstlerischen wie kulturellen Umkreis, in dem
Hugos Werke entstanden, wurde durch eine Reihe von Studien zur Kopienkritik, zur Ikonographie und zum Einfluß auf die künstlerische Produktion seiner Zeit wesentlich erweitert. Die Bemühungen um eine Rekonstruktion verlorengegangener Originalwerke durch die kritische Analyse der überlieferten
Kopien eröffnete 1904 M. J. Friedländer73. Der Uberschrift seines Artikels »Hugo van der Goes. Eine Nachlese« - zum Trotz sollte es nicht der einzige
Versuch bleiben, auf dem Wege der Kopienkritik die Kenntnis des Oeuvres
zu erweitern^1. Doch erst mit F. Winklers (1964) monumentaler Monographie wurde das gesamte Kopienmaterial nicht nur erfaßt und vorgestellt, sondern auch für weitergehende Fragen nach Eigenart und Entwicklung des
Malers herangezogen. Wie keine andere Hugo van der Goes gewidmete Arbeit
belegt Winklers Buch seine überragende Rolle als Inspirationsquelle für zahlreiche Tafel- und Buchmaler nicht nur des ausgehenden 15., sondern auch des
16. Jahrhunderts72. Der Versuch der Ausleuchtung des geistesgeschichtlichen
Hintergrundes der Werke konzentrierte sich anfangs auf die Frage nach dem
Einfluß von geistlichen Schauspielen-73 auf die besondere Formulierung einzelner Bilder - etwa der Hirtenanbetung in Berlin -, um sich dann im Gefolge
des ikonographischen Forschungsansatzes zunehmend der Erklärung von Einzelmotiven oder Motivgruppen zuzuwenden. Insbesondere nach dem Erscheinen von E. Panofskys »Early Netherlandish Painting« (19 5 3)74 und der darin
entwickelten Vorstellung eines »disguised symbolism« in den Bildschöpfun-
gen altniederländischer Künstler fanden ikonographische Fragestellungen
auch bei Werken des Hugo van der Goes nochmals deutlich gesteigerte Auf-
ders die Verwendung von zeitgleich geschlagener baltischer Eiche aus ein- und demselben Waldgebiet (Grimm [1988], S. 86) für Hugos Sündenfall und für das neuentdeckte Bild scheint uns ein
schlagender Beweis für eine zeitweilige, gemeinsame Tätigkeit der beiden Maler in einer Werkstatt
zu sein.
70 Friedländer (1904), S. 108-118.
1 Hier sind vor allem zu nennen: Ring (1913), S. 85-88; Destree (1914); derselbe (1923), S. 359f;
Friedländer (1926); Schöne (1937), S. 153-181; Arndt (1961), S. 153-175; derselbe (1964), S. 63-98.
72 Im selben Zusammenhang sind auch zu nennen: Destree (1907 a), S. 510-529; derselbe (1914);
Friedländer (1926); Arndt (1964), S. 83-88.
Die intensive Auseinandersetzung der zeitgenössischen Buchmaler mit Hugos Arbeiten führte
schließlich G. I. Lieftinck, De Meester van Maria van Bourgondie en Rooclooster bij Brüssel; in:
Bulletin en Nieuws-Bulletin Koninklijke Nederlandse Oudheidkondige Bond 17 (1964),
S. 255-294, dazu, die Produktion des sogenannten Meisters der Maria von Burgund, fraglos eines
der bedeutendsten Buchmaler dieses Zeitraums, dem gleichfalls im Kloster Roodendaele lebenden,
ansonsten aber gänzlich unbekannten Halbbruder Hugos, Nicolaas van der Goes, zuzuschreiben.
73 Die wohl früheste derartige Studie zu Werken Hugos: Valentin Scherer, Die Geburt Christi in der
bildenden Kunst; in: Westermanns Monatshefte 107,2 (1910), S. 485-496 (zur Berliner Hirtenanbetung). Zuletzt in diesem Zusammenhang: Barbara Lane, The Altar and the Altarpiece. Sacramental
Themes in Early Netherlandish Painting, New York 1984, S. 50-59.
4 Panofsky (1953), S. 131-148, zum Problem des »disguised symbolism«.
30
Leben und Nachleben
merksamkeit73. Seit Beginn der 1950er Jahre nahm das Interesse auch an gemäldetechnologischen Untersuchungen und den hieraus erwachsenden kunst-
historischen Erkenntnismöglichkeiten sprunghaft zu. Die Resultate liegen
inzwischen in einer Reihe von Einzelstudien vor76.
V Stil und Chronologie der Werke: Die Geschichte eines Problemfalls der
altniederländischen Kunstgeschichtsschreibung
Obgleich es durchaus auch bei der ikonographischen oder kopienkritischen
Forschung, bei der Einschätzung des Einflusses des Malers auf seine Zeitgenos-
sen oder bei der Interpretation gemäldetechnologischer Untersuchungsbefunde z.T. zu widersprüchlichen Schlußfolgerungen gekommen ist, so bildet
doch bis heute die Frage nach der Chronologie der Werke und damit nach der
stilistischen Entwicklung die zentrale, kontrovers diskutierte Problematik der
Goes-Forschung.
Die noch vollauf mit der Bereinigung der Hugo zugeschriebenen Werk-
gruppe beschäftigte kunsthistorische Forschung des 19. Jahrhunderts brachte
nur geringes Interesse für Datierungsfragen oder solche nach der künstlerischen Entwicklung auf. Mit dem Anfang dieses Jahrhunderts sollte sich dies
grundlegend ändern. Den Ausgangspunkt für jegliche chronologische Anordnung der Werke bildet der Portinari-Altar (Tafel 5, Abb. 97). Den ersten
Versuch, seine Entstehungszeit präziser zu fassen, unternahm A. Warburg
(1901)7/. Er hatte in Florenz die Archive auf Material zur Stifterfamilie Portinari durchgesehen und die Geburtsdaten der Kinder ermittelt: Der jüngste
dargestellte Sohn, Pigello, war 1474 zur Welt gekommen, zwei Jahre vor dem
vierten Kind, Guido. Warburg schloß aus der Tatsache, daß der 1476 geborene
Guido, wie auch seine später geborenen Geschwister, nicht mehr dargestellt
wurden, auf eine Entstehungszeit des Altars um 1475-76. Diese zeitliche
Ansetzung sollte in der Folge nicht mehr in Frage gestellt werden78, sie diente
7:1 Stellvertretend sei hier auf die ikonographischen Einzelstudien zum Portinari-Altar verwiesen:
Walker (1960), S. 218f; McNamee (1963), S. 142f; Koch (1964), S. 70-77.
76 In diesem Zusammenhang sind zu nennen: Janssens de Bisthoven, Parmentier (1957), S. 84-92;
Schoute (1972), S. 59-66; Thompson, Campbell (1974); Alexander, Mairinger, Schoute (1978),
S. 73-83; Schoute (1979), S. 60, Tafel 13; Viana (1979), S. 59; S. Lucas retratando a Virgem (Lissabon
1981); Marijnissen, Voorde (1983), S. 41-51.
7 Warburg (1901), S. 43-46, hier S. 43f. Bereits im darauffolgenden Jahr wies Warburg auf die z.T.
widersprüchlichen Aussagen der Dokumente zum Alter der Kinder hin: derselbe, Flandrische
Kunst und florentinische Frührenaissance; in: Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen 23 (1902), S. 247-266.
7S Die von Hatfield Strens (1968), S. 315-319, zum Portinari-Altar mitgeteilten Dokumentenfunde
und die daraus resultierenden Probleme für die sichere Feststellung der Geburtsdaten der PortinariKinder zusammenfassend bei Thompson, Campbell (1974), S. 1033.
Stil und Chronologie der Werke
31
vielmehr als der entscheidende Anhaltspunkt, von dem aus versucht wurde,
das übrige Werk in semer Stilentwicklung zu rekonstruieren.
Das Auftauchen der Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) im Jahre 1903
führte allerdings bereits die erste Kontroverse über die Abfolge der Werke
Hugos herauf. W Bode (1903)'9 sah in dem »rücksichtslosen, gewaltigen Realis-
mus« des Portmari-Altars die Endstufe der künstlerischen Entwicklung. Ihr
sollten zeitlich sowohl die Berliner Hirtenanbetung als auch der Brügger
Marientod (Tafel 16) vorausgegangen sein - beides Werke, deren Realismus
Bode noch von »größerem Schönheitsgefühl« gemäßigt erschien. Demgegenüber sahen sowohl M. J. Friedländer (1903) wie auch A. Goldschmidt (1903)8C
in Hirtenanbetung und Marientod den Endpunkt der Entwicklung des
Malers. Goldschmidt unternahm zugleich den ersten Versuch, Hugos Stilentwicklung im Zusammenhang aller ihm zugewiesenen Werke zu beschreiben.
Das von »vielen retrospektiven Beziehungen« zu Werken van Eycks und van
der Weydens geprägte Wiener Diptychon (Tafeln 18-20) markierte, neben der
Frankfurter Madonnentafel (Tafel 21), für Goldschmidt den Anfangspunkt.
Auf der Höhe seines Könnes, bei intensiver Auseinandersetzung mit Dirk
Bouts, schuf Hugo dann um die Mitte der 1470er Jahre neben dem Portinari-
Altar die Flügel in Edinburgh (Tafeln 8-11) sowie den Stifterflügel des Brügger
Hippolyt-Altars (Tafel 13). Von diesen Arbeiten waren für Goldschmidt wie-
derum Hirtenanbetung und Marientod vor allem durch ihre »Kenntnis und
Verwertung der optischen Erscheinungen« als die letzten Werke des Malers
deutlich abgesetzt.
Die mit dieser chronologischen Reihung verbundene Vorstellung der Stilentwicklung fand zunächst allgemeine Zustimmung81. Die Einmütigkeit der
Forschung sollte allerdings mit dem Auftauchen des Monforte-Altars (Tafel 1)
1914 ein jähes Ende finden, denn mit dem Problem seiner Datierung verband
sich erneut die übergeordnete Frage nach der Richtung der Stilentwicklung
des Malers. J. Destree (1914)82 betrachtete diese Altartafel als das um 1470
entstandene erste Werk der »maturite« des Meisters, nach dem Wiener Dipty9 Bode (1903), S. 99-102, hatte zwar zunächst auch die umgekehrte chronologische Reihenfolge der
Werke in Frage gezogen, dann aber doch verworfen.
80 Friedländer (1903 a), S. 11; derselbe (1903 b), S. 144-146; Goldschmidt (1903), Sp. 997-999.
Bis zum Bekanntwerden des Monforte-Altars 1914 sind hier vor allem zu nennen: Karl Voll, Die
altniederländische Malerei von Jan van Eyck bis Memling. Ein entwicklungsgeschichtlicher Versuch, Leipzig 1906, S. 144-159; Destree (1907 a), S. 510-529; Fierens-Gevaert (1909), S. 91-107;
Ernst Heidrich, Alt-Niederländische Malerei, Jena 1910, S. 33f; Sander (1912), S. 519-545.
82 Destree (1914), S. 29f, 192f, 211f.
Die Datierung des Monforte-Altars um 1470 und damit vor dem Portinari-Altar wurde in der Folge
auch vertreten von Goldschmidt (1915), S. 221-230; Overbeek (1917), S. 42, 62-80; Ernst Günter
Troche, Niederländische Malerei des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts, Berlin 1935,
S. 12f.
32
Leben und Nachleben
chon und der Frankfurter Madonna als den Jugendwerken und vor dem Portinari-Altar, den Edinburgher Flügeln, der Hirtenanbetung und dem Marientod
entstanden. Für Destree zeigte sich in der Abfolge der Werke nicht nur ein
Ubergang von eher kleinformatigen Werken zu solchen größerer Abmessungen, für ihn ging diese Veränderung des Maßstabes überein mit der Entwicklung eines »grand style«, der sich vor allem in zunehmendem Realismus der
Darstellung niederschlug.
Dieser Vorstellung widersprach M. J. Friedländer (1914, 1916, 1926)8-1 deutlich, wenngleich auch mit gewisser Reserve zu seinem eigenen Datierungsvor-
schlag für den Monforte-Altar um 1476/78, mithin zwischen Portinari-Altar
und Hirtenanbetung:
»Leider vermag ich nicht, den neuen Gast als ein vorausgeahntes Zwischenglied triumphierend zu begrüßen. Neue Schwierigkeiten statt erwünschter Bestätigung. Das Mon-
forte-Bild scheint nicht in der konstruierten Entwicklungslinie zu liegen.
Betrachtet auf die Raumwirkung hin, auf den Reichtum und die Freiheit der Lichtbehandlung, steht die Anbetung der Könige dem Portinari-Altar näher als der - und
als die - Geburt Christi [gemeint ist die Berliner Hirtenanbetung; JS]. Die geistige und
formale Harmonie, der volle und selbst üppige Ton, die stolze Sicherheit der Gestaltung, die Natürlichkeit der Falten, in denen jede geradlinige Knitterung überwunden
erscheint: alles das macht mich mißtrauisch gegen eine Ansetzung des Monforte-Bildes
vor den Portinari-Altar... Am ehesten scheint die Anbetung der Könige ihren Platz
zwischen dem florentiner Altar und der Geburt Christi zu finden. Ich muß aber einräumen, daß auch diese Ordnung mich nicht befriedigt und nicht das überzeugende
Gesamtbild organischen Werdens bietet.«84
Der Grund für seine eigene Unzufriedenheit mit einer Datierung des Mon-
forte-Altars zwischen Portinari-Altar und Hirtenanbetung war wohl im
wesentlichen darin begründet, daß Friedländer in zwei so gegensätzlichen
Werken wie der Monforter Königsanbetung und dem Marientod zugleich den
Höhepunkt von Hugos Stilentwicklung sehen wollte:
»Nirgends bietet sich Reiferes... , nirgends soviel Freiheit und selbstbewußte Herrschaft über die Ausdrucksmittel. Alles Trockene, Linienhafte, Scharfbrüchige ist überwunden. Nirgends wird deutlicher, wie weit das Genie dieses Meisters vorgedrungen
ist... [Es zeigt sich; JS] Sinnenschönheit und Ausgeglichenheit in einem Grad wie in
keiner anderen Schöpfung van der Goes'.«
So hatte Friedländer (1914)85 den Monforte-Altar gekennzeichnet. Andererseits aber wollte er dieses Werk zwischen Portinari-Altar und Marientod entstanden sehen, jenen beiden Werken also, die
»... die hochstrebende und kämpfende Seele des Autors (offenbaren). Hier spricht
83 Friedländer (1914), S. 1-4; derselbe (1916), S. 51-53; derselbe (1926), S. 54-58.
84 Derselbe (1916), S. 52.
85 Derselbe (1914), S. 4.
Stil und Chronologie der Werke
33
mehr persönliches Bekenntnis als irgendwo aus einem Malwerk des 15. Jahrhunderts.
Der Kunstkritiker wird zum Psychologen, der gierig zu dem Bericht von Hugos geistiger Erkrankung greift als zu einem aufklärenden und bestätigenden Zeugnis... Der
Meister äußert sich nirgends so deutlich [wie im Marientod; JS], mindestens als Zeichner und im Psychologischen.
Wenn wir lesen würden, Petrus Christus wäre geistig erkrankt, so läge kein Grund vor,
Folgerungen aus diesem Umstände zu ziehen. In der Kunst Hugos van der Goes aber
spüren wir eine so gewaltsame Spannung, daß der Riß, die Erkrankung des Geistes als
eine Folge der schöpferischen Arbeit empfunden wird oder seine geniale Produktion
als Folge krankhafter Anlage.«86
Die »Spätdatierung« des Monforte-Altars geriet auf diese Weise in Widerspruch zu einer ansonsten auch von Friedländer selbst vertretenen Sicht87.
Seine überragende Autorität auf dem Felde der Altniederländer-Forschung
führte dennoch dazu, daß seine Datierung der Monforter Königsanbetung zunächst weite Anerkennung fand88.
In die bis dahin weitgehend von der Kontroverse um die Datierung des
Monforte-Altars beherrschte Diskussion trat K. Oettmger (1938)89 mit dem
Vorschlag zur Umdatierung des Wiener Diptychons ein. Sowohl das Wiener
Diptychon als auch die Frankfurter Madonna - von der vorhergehenden Forschung übereinstimmend als Jugendwerke eingestuft - waren Oettinger zufolge unmittelbar vor den Spätwerken wie Hirtenanbetung und Marientod um
1478 anzusetzen. Gegenüber dem Interesse an »Stofflichkeit und gegenstands-
realistischen Wirkungen«, das den Portinari-Altar präge, sah er beim Wiener
Diptychon wie bei der Frankfurter Madonna ein
»... radikales Zurücktreten dieser Elemente zugunsten der Steigerung des seelischen
Gehalts und der Intensivierung des Miterlebens im Beschauer«90,
die ihren Höhepunkt dann in den Spätwerken erreiche. Die
86 Derselbe (1916), S. 52f.
8/ Gesucht wirkt Friedländers (1926), S. 58, Bemühen, diesen Widerspruch doch noch aufzulösen:
»Nehme ich an, daß dieser Flügelaltar [der Monforte-Altar; JS] nach 1475 entstanden ist, so müßte
auf eine späte Periode seelischer Gesundheit und geistiger Freiheit geschlossen werden, und der
Mönch hätte Gleichgewicht und Frieden wenigstens für einige Zeit in den Klostermauern gefunden.«
88 Im wesentlichen sind hier zu nennen: Seeck (1913/14), S. 582-592; Osborn (1914), S. 148-154;
Pfister (1923), S. 25f; Winkler (1924), S. 100-112; W. Bürger, Die Malerei in den Niederlanden
1400-1550, München 1925, S. 66-73.
S9 Oettinger (1938), S. 43-76.
A.a.O., S. 47. Parallel zur Umdatierung von Wiener Diptychon und Frankfurter Madonna in die
zweite Hälfte der 1470er Jahre wies er (S. 60-65) eine Reihe von Werken, die die frühere Forschung
verschiedentlich als früheste Werke Hugos bezeichnet hatte, hypothetisch einem »Klosterschüler«
Hugos, dem »Meister des Liechtenstein-Altärchens«, zu (benannt nach dem Triptychon mit
Königsanbetung, Vaduz, Sammlungen des Regierenden Fürsten zu Liechtenstein, ENP IV, S. 69,
Nr. 9, Tafel 12-13).
Leben und Nachleben
34
»... königliche Ruhe [des Monforte-Altars; JS] und die harmonische Schönheit seiner
Gestalten und ihres langsamen, gehaltenen Wesens...«91
waren damit für Oettinger nicht zu vereinbaren - der Monforte-Altar wurde
daher als ein dem Portinari-Altar vorausgehendes Werk um 1470 betrachtet.
Damit verschob sich aber zugleich die Vorstellung der möglichen Abhängigkeit von Werken des Rogier van der Weyden: Hatte die Forschung zuvor das
Wiener Diptychon und die Frankfurter Madonna als Frühwerke Hugos bezeichnet, weil sie Bezüge zu Arbeiten des älteren Meisters aufwiesen, so sah
Oettinger darin nun bewußte Rückgriffe auf eine Formensprache, die eigenen
künstlerischen Intentionen ab der Mitte der 1470er Jahre entgegenkam. Für
die Frage nach der künstlerischen Herkunft schieden Wiener Diptychon und
Frankfurter Madonna somit aus. Demgegenüber aber glaubte Oettinger mit
dem Monforte-Altar - als dem frühesten ihm bekannten Werk Hugos - die
künstlerische Prägung des Malers durch einen Italienaufenthalt vor 1467 wahrscheinlich machen zu können92.
Ausführlich setzte sich Oettinger mit Friedländers Datierung des MonforteAltars in die zweite Hälfte der 1470er Jahre auseinander. Präzise beleuchtete
er den inneren Widerspruch der dieser Datierung zugrundeliegenden Vorstellung einerseits einer persönlich-individuellen, andererseits einer überpersönlich-zeitgemäßen Entwicklung Hugos93. Mit seiner Neuordnung des Oeuvres
meinte Oettinger die seiner Meinung nach in den Werken immer stärker her-
vortretende Seelenkrankheit des Malers berücksichtigen zu können. Doch
nicht nur das: Den Übergang vom »deskriptiven Realismus um 1470«94 zum
»gotischen Expressionismus«95 um 1480 im Werk Hugos sah er in völliger
Ubereinstimmung mit der allgemeinen Kunstentwicklung dieses Zeitabschnittes. Die Entwicklung des Malers war für Oettinger somit keine Ausnahmeerscheinung, sie verkörperte vielmehr in höchster Form den »Zeitstil«. Doch
auch diese Revision von Hugos Stilentwicklung blieb nicht unumstritten.
Während Oettingers an Destree und Goldschmidt sich anschließende Datierung des Monforte-Altars um 1470 in der Folge noch allgemeine Zustimmung
fand, blieb die Stellung von Wiener Diptychon und Frankfurter Madonna Gegenstand der Kontroverse96.
91 Oettinger (1938), S. 47f.
92 A.a.O., S. 50f.
93 A.a.O., S. 66.
94 A.a.O., S. 70.
95 A.a.O., S. 76.
96 Nahezu die gesamte nachfolgende Forschung datierte den Monforte-Altar um 1470. So wären vor
allem zu nennen: Schöne (1939), S. 17-19; Einem (1942), S. 153-199; Panofsky (1953), S. 330-340;
Held (1955), S. 205-234; Denis (1956), S. 37f; Lassaigne (1957), S. 109-121; Arndt (1961),
S. 153-175; Lavalleye (1962), S. 49-56; Winkler (1964), S. 23; Musper (1968), S. 30-33; Whinney
(1968), S. 76-83; Pacht (1969), S. 43-58; Thompson, Campbell (1974), S. 105; Collier (1983),
Stil und Chronologie der Werke
35
Zu Oettinger nahm H. von Einem (1942)9" unmittelbar Stellung. Zwar sah
auch er im Monforte-Altar ein Werk aus der Zeit um 1470; er widersprach aber
nachdrücklich einer Ableitung von italienischen Vorbildern und verwies auf
die motivische und stilistische Bezugnahme gerade des Monforte-Altars auf die
Kunst Jan van Eycks und Rogier van der Weydens9s. Im stilistischen Wandel
vom »eyckischen« Monforter zum Portinari-Altar und darüberhinaus lag für
von Einem die
»... zunehmende Vertiefung des religiösen Gehaltes, die van der Goes' späteren Werken ihr Gepräge verleiht... Hatte van der Goes im Monfortealtar die glückliche Ausgewogenheit der Eyckschen Kompositionen beibehalten können, so beobachten wir
am Portinarialtar zum ersten Mal die Spannung zwischen Natur und Übernatur (die
bei Roger zugunsten der Übernatur entschieden worden war). Wir werden sehen, wie
sie bei van der Goes immer mehr zum eigentlichen Thema seiner Kunst wird.«99
Das Wesen des Spätstils lag demnach in der »eigentümlichen Spannung von
Realität und Irrealität«100. Da er in dieser Spannung zugleich auch die »innere
Problematik der niederländischen Kunst des 15. Jahrhunderts« erkennen zu
können glaubte, verzichtete von Emern im Gegensatz zu Friedländer oder
Oettinger ausdrücklich darauf, Hugos stilistische Entwicklung in einen Zusammenhang mit seiner psychischen Erkrankung zu bringen.
Deren Bedeutung für das Verständnis der Kunst des Hugo van der Goes
wurde hingegen von E. Panofsky (1953)101 nachhaltig betont: Der Maler als
»... melancholy genius, exalted and oppressed by the influence of Saturn, subject to
alternate states of creative exultations and black despair, Walking on the dizzy heights
above the abyss of insanity, and tumbling into it as soon as he loses his precarious
balance.«102
Im Hinblick auf die große italienische Kolonie in Brügge (und deren mutmaßlichen Besitz an Kunstgegenständen des italienischen Quattrocento) sah auch
Panofsky keinen Anlaß, für die Formulierung des Monforte-Altars eine Italienreise vor 1467 anzunehmen103. Für ihn war weniger die stilistische Ableitung des Frühwerks des Malers - zu dem er neben dem Monforte Altar auch
S. 89-92; Domscheit (1976), S. 5; Picture Gallery Berlin. Catalogue of Paintings, 13th-18th
Century (Berlin 1978), S. 184f.
Davon abweichend vertraten allein Knipping (1941), S. 121-182, und Rey (1945), S. 29, weiterhin
die Spätdatierung des Monforte-Altars nach 1475.
Zur Forschungsgeschichte des Wiener Diptychons s. u. S. 49-54.
97 Einem (1942), S. 153-199.
98 A.a.O., S. 164.
99 A.a.O., S. 170.
100 A.a.O., S. 193.
101 Panofsky (1953), S. 330-345.
102 A.a.O., S. 330.
103 A.a.O., S. 343; im gleichen Sinne äußerte sich auch Winkler (1964), S. 23.
36
Leben und Nachleben
das Wiener Diptychon und die Frankfurter Madonna rechnete- ein Problem
als vielmehr der Stilwandel vom Monforte- zum Portinari-Altar. Um diesen
erklären zu können, dachte Panofsky an die Möglichkeit des Einflusses französischer Kunst, der Hugo auf einer hypothetischen Reise nach Burgund begegnet sein könnte: Im Winter 1473/74 wurden die sterblichen Überreste
Philipps des Guten und seiner Gattin, Isabellas von Portugal, von Brügge in
die Grablege der burgundischen Valois-Herzöge, die Kartause Champmol bei
Dijon, überführt. Van der Goes war an der Ausgestaltung von St. Pharahildis
beteiligt104, wo die Leichname in Gent vorübergehend aufgebahrt wurden,
und - so Panofskys Gedanke - möglicherweise gehörte der Maler zu der umfangreichen Eskorte auf der Uberführung von Gent nach Dijon:
»It is in France, especially in the works of Jean Fouquet and his circle, that Hugo van
der Goes could have seen that barish space, those cooler colors and those whitish faces
which distinguish the Portinari triptych from the Monforte altarpiece. It is in France
and in the same circle ... that he could have encountered those >triangular< and somewhat prognathous physiognomies which are so foreign to the Flemish tradition.«103
Anders als Oettinger und von Einem sah Panofsky in Hugos Werk eher die
Ausnahme als die Regel für die Entwicklung der Kunst in den südlichen Niederlanden der 1470er und 1480er Jahre. Im Gegensatz hierzu folgte die Reihe
der Werke für F. Winkler (1964) wiederum primär der Logik der inneren Entwicklung des Malers. Die Seelenkrankheit konnte daher im Blick auf Hugos
künstlerische Entwicklung beiseite gelassen werden.
Abgesehen von der umstrittenen Datierung des Wiener Diptychons - Frühwerk um 1467/68 oder Vorläufer der Spätwerke um 1477 - schien die GoesForschung die Frage der Stilentwicklung und Chronologie einvernehmlich geklärt zu haben: Vom Monforte- über den Portinari-Altar und die Edinburgher
Flügel zur Hirtenanbetung und zum Marientod. Diese Sicht der Entwicklung
wurde allerdings nachhaltig von den Überlegungen O. Pächts (19 69)106 zum
Wandel der weiblichen Kopftypen in den Werken van der Goes' in Frage gestellt. Pächt beobachtete das deutliche Abweichen des Gesichtstypus' der weib-
lichen Heiligen und Engel des Portinari-Altars und der Edinburgher Flügel
von der Kopftypik sowohl der frühdatierten Werke - Wiener Diptychon und
Monforte-Altar - als auch der allgemein spät angesetzten Arbeiten wie Hirtenanbetung und Marientod. Während die »dreikantige« Kopfbildung mit breiter
Stirnpartie über kleinem, spitz zulaufendem Untergesicht, die den Frauen und
Engeln in Florenz und Edinburgh ein herbes, ältliches Aussehen verlieh,
104 Imaginair Museum, Doc. XVIII.
105 Panofsky (1953), S. 344. Die Möglichkeit einer Frankreichreise wurde von Winkler (1964), S. 2,
abgelehnt.
106 Pächt (1969), S. 43-58.
Stil und Chronologie der Werke
37
innerhalb der altniederländischen Malerei keine Parallele fand, ließen sich die
frühen Werke und die der »ultima mamera« mit ovalgeformten, weichen Gesichtstypen nicht nur deutlich an Rogiersche Mariendarstellungen anschließen, sie ähnelten sich auch in auffälliger Weise:
»Innerhalb des Goesschen Oeuvres gibt es ein verblüffend genaues Gegenstück zum
Berliner Marienkopf [dem der zur »ultima maniera« zählenden Hirtenanbetung; JS],
den der Eva des Wiener Sündenfalles... Würde Maria, die zweite Eva, die niedergeschlagenen Augen heben, sie wäre von der ersten nicht zu unterscheiden.«107
Dies führte Pacht zur Frage nach der Begründung der Spätdatierung von Hirtenanbetung und Marientod. Aus seiner Sicht hatte es für die Goes-Forschung
zwei Beweggründe gegeben »... erstens die Schwierigkeit, für die beiden ebengenannten Bilder einen Platz in einer
Entwicklungsabfolge zu finden, die in dem Portinarialtar und den Edinburgher Flügeln gipfelt, beziehungsweise zu deren Stil hinführt; und zweitens die Uberzeugung,
die in Goes' letzten Lebensjahren zum Ausbruch gekommene Geisteskrankheit könne,
ja müsse zur Erklärung der abnormalen oder irrationalen Züge des Brügger Marientodes wie des ihm verwandten Berliner Bildes herangezogen werden. Es gilt als ausgemacht, daß das wirre Gedränge und >ziellose Aktionsbedürfnis< der Apostel am Sterbebett der Madonna, der Ausdruck der tiefen Trauer und des Schmerzes - >der über
die Grenze des Tragbaren dumpfen Irrsinn erweckt< (Friedländer) -, den inneren Zustand des Malers am Rande des Wahnsinns in einer Art tragischen Selbstbekenntnisses
widerspiegeln.«108
Angesichts der einander widersprechenden Aussagen von Typenmorphologie
einerseits und traditioneller Forschungsmeinung andererseits bemühte sich
Pacht um das Beibringen eines externen Datierungsanhaltes für die Werke der
»ultima maniera«. In Martin Schongauers Kupferstich des Marientodes (Abb.
88)109 glaubte er ihn gefunden zu haben. Auf Grund der engen Verwandtschaft dieses in die frühen 1470er Jahre datierten Stiches mit dem Brügger
Marientod billigte Pächt, »... angesichts jeder historischen Erfahrung .. .«110,
die Priorität Hugos Tafelbild zu. Der Brügger Marientod als Insprirationsquelle Schongauers mußte demnach schon um 1470111 existiert haben.
»Ich glaube, die angeführten Fakten zwingen uns, die Goeschronologie einer radikalen
Revision zu unterziehen. Es erscheint jetzt überflüssig, anzunehmen, daß Goes am
Ende seines Lebens die Figurentypen seiner Bildwelt wieder normalisiert < hat. Stattdessen heißt es nunmehr, für die zeitlich obdachlos gewordenen Bilder des Brügger
107 A.a.O., S. 53.
108 A.a.O., S. 47.
109 Bartsch (1808), S. 134f, B. 33; Bernhard (1980), Abb. S. 55.
110 Pächt (1969), S. 57.
111 A.a.O., S. 58. Da Schongauer sich schon 1471 auf Dauer in Colmar niederließ, konnte er nach
Pächts Meinung den Marientod Goes' nur während seiner Wanderschaft in Burgund und den Niederlanden 1469/70 gesehen haben.
Leben und Nachleben
38
Marientodes und der Berliner Geburt Christi in dem vor dem Portinarialtar gelegenen
Schaffen des Hugo van der Goes Platz zu finden. Die Aufgabe, das Oeuvre des Hugo
van der Goes in einer verständlichen, aber auch richtigen zeitlichen Abfolge zu ordnen, ist noch viel komplizierter geworden als man dachte. Wir müssen in unserer Bemühung, in den Sinn und die Zielsetzung seines Schaffens einzudringen, fast wieder
von vorne anfangen.«112
Die Forschung reagierte auf Pächts »radikale Revision der Goeschronologie«113 gespalten: Während die einen die Bedeutung der Typenmorphologie
zumindest für die Datierung der Werke des Malers gering achteten und daher
an der traditionellen Stilentwicklung mit Hirtenanbetung und Marientod als
den spätesten Werken des Malers festhielten114, gingen die anderen im Anschluß an Pächt von einer Frühdatierung um 1470 für Hirtenanbetung und
Marientod aus, ohne dabei allerdings eine neue stilistische »Entwicklungskonstruktion«115 für das Gesamtwerk vorzuschlagen116. Zwei wichtige Beiträge
sollten noch von »traditionalistischer« Seite beigesteuert werden. C. Thompson und L. Campbell (1974)117 beobachteten stilistische Unterschiede zwischen der Mitteltafel und den Flügeln des Portinarialtars. Auf dieser Grundlage versuchten sie eine feiner gegliederte Zeitabfolge der Werke vom Floren-
tiner Triptychon bis zu Hirtenanbetung und Marientod zu rekonstruieren:
»The line of Hugo's stylistic development becomes easier to follow when we separate
the Portinari Nativity from the two wings. There are clear indications from the concept of space and reality revealed in the Portinari Nativity, and from the technical pro-
cedure with which it was executed, that it came after the Monforte altarpiece and
before the Trinity panels (in Edinburgh; JS]. If one side of the Trinity panels
themselves were painted before the other, it is easier to believe that the figures of the
112 A.a.O., S. 58.
113 A.a.O.
114 In diesem Zusammenhang sind u.a. zu nennen: Schoute (1972), S. 59-66; Bruyn (1975),
S. 124-126; Domscheit (1976), S. 5-7; Picture Gallery Berlin. Catalogue of Paintings, 13th-18th
Century (Berlin 1978), S. 182-185; Koslow (1979), S. 27-50; Snyder (1985), S. 169-176.
115 Pächt (1969), S. 58~s: »Es ist nicht nur aus Mangel an verfügbarem Raum, daß ich hier die Diskussion abbreche. Ich hielte es für grundfalsch, wollte man, um aus dem Engpaß der gegenwärtigen
Forschungslage herauszukommen, sofort mit einer neuen Entwicklungskonstruktion auf den
Plan treten, die allen an sie zu stellenden Forderungen zu genügen hätte, d. h. die das Geschehen
in allen seinen Aspekten zwanglos zu erklären vermöchte. Echte Lösungen lassen sich nicht ausdenken; sie müssen aus neuen Einsichten organisch hervorwachsen.«
116 So zuletzt u.a. Vos (1979), S. 210-213; Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel
d. Ä. (Wien 1981), S. 189-192; Dirk de Vos, Groeningemuseum Brügge. De volledige Verzameling,
o. O. (Brügge), 1984, S. 21.
Sterling (1973), S. 4-19, hier S. 1428, hielt Pächts Argumente für eine Umdatierung des Brügger
Marientodes prinzipiell für überzeugend, wollte aber eine Entstehung erst in der ersten Hälfte
der 1470er Jahre annehmen. Eine Einbeziehung des Kupferstichs in die Diskussion lehnte er mit
dem Hinweis ab, daß der genaue Zeitpunkt unbekannt sei, zu dem Schongauer mit der Herstellung von Kupferstichen begann.
117 Thompson, Campbell (1974), S. 65-68, S. 931, 99-106.
Stil und Chronologie der Werke
39
King and Queen, and more particularly St. George, came first. The Bonkil panel is
related to the main Portinari panel by the similarity of angelic types. But it is related
to the Portinari wings in a more fundamental way, by its concept of design and treatment of three-dimensional space, and by certain details of execution, and these are
elements that are developed further in the Death of the Virgin and the Berlin Nativity.
As for the Vienna diptych, the landscape of the Fall of Man is impossible to place by
its style, since there is nothing to compare with it. The colour of the Lamentation,
however, suggests that the diptych is earlier than the Death of the Virgin but not far
from it, and its underdrawing und physical types associate it with the Trinity and Por118
tinan wings.«
Thompson und Campbell stellten also der punktuellen, typenmorphologischen Entsprechung die zahlreichen stilistischen und technischen Unterschiede zwischen Monforte-Altar einerseits, Hirtenanbetung und Marientod
andererseits, entgegen. Die Gegensätze schienen ihnen so ausgeprägt, daß sie
an der traditionellen Spätdatierung festhielten.
J. M. Collier (1975/1983)119 schließlich gelangte bei seinen Untersuchungen zur Kenntnis und Verwendung der Linearperspektive bei Petrus Christus,
Dirk Bouts und Hugo van der Goes zu entsprechenden Ergebnissen: Als
»master of perspective technique«120 erweist sich Hugo beim Monforte- und
Portinari-Altar; ein mit Hilfe perspektivischer Gesetze rational aufgebauter
Raum spielt aber bei Hirtenanbetung und Marientod keine Rolle. Weil vor van
der Goes nur Petrus Christus und Dirk Bouts präzise Kenntnis der Perspektive
erworben zu haben scheinen, vor allem aber auch wegen verschiedener Beziehungen Hugos zum Bouts-Kreis, glaubte Collier deutliche Anhaltspunkte für
eine Lehrzeit bei Bouts präsentieren zu können.
Abweichend von der gesamten Forschungsgeschichte erwog schließlich
A. Chätelet (1989)121 - wenn auch nur en passant - die Möglichkeit einer
durch Hugos Seelenkrankheit bedingten, sprunghaften und damit linear nicht
nachvollziehbaren Stilentwicklung. Chätelet führte diesen Gedankengang
aber nicht weiter aus.
118 A.a.O., S. 99.
119 Collier (1975/83), S. 89-92.
120 A.a.O., S. 90.
121 Chätelet (1989), S. 132.
B. Frühwerk oder »Ultima Maniera«?
Eine verfahrene Forschungssituation als Ausgangspunkt
Angesichts von nahezu einhundert Jahren intensiver kunsthistorischer Forschung wird man sich zu Recht fragen, wie es möglich ist, daß in einem so
entscheidenden Punkt wie der Frage nach Hugos stilistischer Entwicklung
keine einvernehmliche Klärung zu erreichen war.
Zumindest eine Ursache für diesen ebenso erstaunlichen wie beunruhigenden Befund glauben wir benennen zu können: Obwohl sich insgesamt etwa
zwanzig Werke erhalten haben, die mit einiger Sicherheit mit Hugo van der
Goes in Verbindung gebracht werden können, stützen sich alle bisherigen Versuche zur Stilentwicklung des Künstlers nahezu ausschließlich auf Analysen
der fünf Hauptwerke, der großen Altartafeln in Berlin, Brügge, Edinburgh
und Florenz (Tafeln 1,5, 8-11, 14, 16). Zur Vernachlässigung der kleinformatigen Tafeln und Tüchlein trug vor allem der sehr disparate, im Vergleich zu
den großen Tafelbildern aber durchwegs schlechte Erhaltungszustand bei. Er
verhinderte, daß man diese Werke - zu welchen Fragestellungen auch immer ungeprüft in die Überlegungen mit einbeziehen konnte. Die bisher vorgeschlagenen Entwicklungsmodelle basieren also im wesentlichen auf der Analyse
von nur fünf Werken. Die etwa fünfzehn Kleinformate wurden erst im nachhinein in die bereits bestehende Sequenz eben dieser fünf Werke eingefügt
- meist auf der Grundlage eines Vergleichs mit einer der großen Tafeln. Da
aber nur für zwei der fünf Altarbilder durch die Darstellung der Stifter ein
externer Datierungsanhalt vorliegt - nicht aber für die mutmaßlichen Früh-
und Spätwerke, Monforte-Altar und Brügger Marientod - , entschied fast ausschließlich die Entwicklungsvorstellung des jeweiligen Autors über die chronologische Folge: Somit konnte ein und dasselbe Werk - der Brügger Marientod - als Anfangs- wie auch als Endpunkt der Entwicklung des Malers gelten.
Mit der erstmaligen, intensiven Nutzung der Kleinformate möchte die vorliegende Arbeit einen möglichen Weg aus diesem Dilemma aufzeigen. Ihren
größeren und berühmteren Geschwistern an Zahl immerhin um das Dreifache
überlegen, bieten diese Tafel- und Tüchleinmalereien einen bisher weitgehend
ungehobenen Schatz an Hinweisen in Datierungs- und Stilfragen. Mit einer
aus eigenem Recht entwickelten Datierung können sie wesentlich dazu beitragen, die chronologische Reihung der großen Altartafeln in einer Richtung festzuschreiben. Bevor aber die kleinformatigen Tafeln und Tüchlein solche in sie
gesetzten Erwartungen erfüllen können, muß jedes einzelne Werk gründlich
untersucht werden. Die diversen Methoden der modernen Gemäldetechno-
logie bieten dabei nicht nur die Möglichkeit, präzise zwischen Originalbestand und späterem Eingriff zu unterscheiden - angesichts des schlechten
Eine verfahrene Forschungssituation als Ausgangspunkt
41
Zustandes gerade der Tüchleinmalereien ist dies von ganz entscheidender Bedeutung sie ermöglichen auch Einblicke in die künstlerische Genese, liefern
Anhaltspunkte für die Fragen nach Eigenhändigkeit und Entstehungszeit.
Doch welche Konsequenzen kann dies für die grundsätzlichen Fragen nach
Stilentwicklung und Chronologie des Hugo van der Goes haben?
Die bisherige Forschung gruppierte - je nach Entwicklungsvorstellung -
um die beiden Altäre in Florenz und Edinburgh die drei verbleibenden großen
Tafelbilder, um die Sequenz dann mit der Menge der Kleinformate aufzufüllen. Wir möchten vorschlagen, dieses Verfahren umzukehren. Den beiden Fix-
punkten innerhalb der Chronologie - Florenz und Edinburgh - lassen sich
durch die sorgfältige Analyse der Kleinformate weitere Arbeiten hinzugesellen, die gleichfalls einen externen Datierungsanhalt bieten. Die Einfügung der
drei umstrittenen Hauptwerke - Monforte-Alter, Hirtenanbetung und Marientod - in die solcher Art erweiterte Reihe der datierten oder datierbaren Werke
sollte dann, sofern unsere Erwartungen sich bestätigen, die Möglichkeit zu
einer fundierten Entscheidung zwischen den beiden konkurrierenden Vorschlägen zur Goes-Chronologie eröffnen.
Auf Grund dieser Überlegungen soll eine Reihe von kleinformatigen Tafel-
bildern und Tüchleinmalereien eingehend untersucht werden, und zwar
Werke, die - wie z.B. das Wiener Diptychon (Tafeln 18-20) - allgemein als
eigenhändige Arbeiten Hugos anerkannt sind, als auch solche, die - wie etwa
die Mehrzahl der Tüchlein - bis heute umstritten geblieben sind. Die Untersuchung konzentriert sich auf Werke, die in unmittelbarem Zusammenhang
mit den authentischen Werken gesehen werden können1. Ein unumstrittenes
1 So hält der Verfasser etwa das Tüchlein mit der Passionsmadonna in Nürnberg, Stadtmuseum Fembohaus (ENP IV, S. 88, Add. 139, Tafel 114; Vandenbroeck [1982], S. 52, Nr. 50; Wolfthal [1989],
S. 45, Kat. Nr. 10), für ein Werk im Stil des Hugo van der Goes, keinesfalls aber für eine eigenhän-
dige Arbeit. Die Begründung hierfür ergibt sich im Analogieschluß zu den Beobachtungen und
Schlußfolgerungen beim Vergleich der beiden Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia.
Gleiches gilt für die schon von Winkler (1964), S. 247-264, als »umstritten« bezeichneten Werke,
nämlich die Madonnentafeln in Brüssel, Musee des Beaux-Arts, und Philadelphia, John G. Johnson
Collection, die Tafel der Anna Selbdritt mit einem franziskanischen Stifter, gleichfalls in Brüssel,
Musee des Beaux-Arts, und die beiden Triptychen mit der Anbetung der Könige in Vaduz, Samm-
lungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein, und St. Petersburg, Staatliche Ermitage
(ENP IV, S. 68f, Nr. 1, 3, 2, 9 und 8, Tafel 1, 3, 2, 12-13, 10-11).
Der einzigen, mit hoher Wahrscheinlichkeit Hugo van der Goes selbst zuzuschreibenden Zeichnung, »Jakob und Rahel« in Christ Church, Oxford (Tafel 32), ist ein eigener Aufsatz gewidmet
(Sander [1989], S. 39-52), dem jüngst eine abweichende Interpretation gefolgt ist (Werner Schade,
The Meeting of Jacob and Rachel by Hugo van der Goes: A Reappraisal; in: Master Drawings 29
[1991], S. 187-193). Angesichts der außerordentlichen Komplexität der verwendeten Zeichenmittel
kann an dieser Stelle keine ausführliche Auseinandersetzung mit Schades Argumenten erfolgen;
die Ergebnisse seiner Überlegungen gehen aber in keiner Weise auf das grundsätzliche Problem
der unübersehbaren Brüche in der inhaltlichen Bildgestaltung ein. Das auch von Schade, S. 192f,
nicht geleugnete Unverständnis der die Lavierungen ausführenden »zweiten Hand« für die Subtili-
42
Frühwerk oder »ultima maniera«?
Werk des Malers mußte unberücksichtigt bleiben: Der linke Flügel mit Hugos
Stifterdarstellungen zum Hippolytus-Altar von Dirk Bouts in St. Salvator in
Brügge (Tafel 13, Abb. 101)2. Der Altar ist bisher im Detail gemäldetechnologisch nicht untersucht wordenJ, und auch im Rahmen der vorliegenden Stu-
die war dies unmöglich. Da der Erhaltungszustand zumindest der Flügelinnenseite mit den Stiftern ausgesprochen gut ist, ist die stilistische Beurtei-
lung und chronologische Anordnung innerhalb des Gesamtwerkes bei diesem
Stück jedoch vergleichsweise unproblematisch.
Die Einzelwerke werden - von Variationen abgesehen - in jeweils gleicher
Weise behandelt: Einer knappen Vorstellung des zur Debatte stehenden Werkes schließt sich eine Zusammenfassung der Forschungsgeschichte an. Es folgt
der Versuch einer Zustandsbeschreibung, soweit dies mit dem Augenschein
allein möglich ist4. Als Ergebnis dieses Arbeitsschrittes werden sich - gerade
bei den schlecht erhaltenen Tüchlein - meist mehr Fragen als fertige Antworten ergeben. Ergänzend werden dann die Ergebnisse der gemäldetechnologischen Untersuchungen des jeweiligen Bildes ausgewertet. Auf diese Weise ist
nicht nur der Originalbestand von späteren Veränderungen präzise zu scheiden, darüberhinaus werden auch Einsichten in die künstlerische Bildgenese
selbst möglich. In jedem Einzelfall stellen sich dann erneut die Fragen nach
Eigenhändigkeit, dem Verhältnis zu den allgemein anerkannten Arbeiten des
Künstlers und zur ikonographischen Tradition, sowie nach dem individuellen
Stilcharakter und daraus folgend nach der zeitlichen Ansetzung des Werkes.
Einer schärferen Charakterisierung der schöpferischen Vorgehensweise des
täten der zeichnerischen Angaben der »ersten Hand« stellt u. E. nach wie vor das entscheidende
Argument für eine deutlich spätere zeitliche Ansetzung der Lavierungen dar.
2 Der Altar in St. Salvator in Brügge (ENP IV, S. 27, 70, Nr. 11, Tafel 19; Winkler [1964], S. 51-54)
ist eine Stiftung des Hippolyte de Berthoz und seiner Frau Elisabeth de Keverwyck. Die Zuschrei-
bung von Mitteltafel und rechtem Flügel mit dem Heiligenmartyrium bzw. einer Nebenszene
schwankt zwischen Dirk Bouts und einem anonymen Mitarbeiter seiner Werkstatt (Schöne [1938],
S. 39-41, 168f). Demgegenüber ist die Eigenhändigkeit der Ausführung des linken Flügels mit den
Stifterfiguren durch Hugo van der Goes selbst - vollkommen zu Recht - nie ernstlich in Zweifel
gezogen worden, ebensowenig die enge stilistische Verwandtschaft mit den Stifterfiguren und der
Landschaftsdarstellung auf der Innenseite der Flügel des Portinari-Altars.
Die allseits anerkannte Datierung des Stifterflügels des Hippolyt-Altares in die Zeit nach 1475
basiert dabei nicht nur auf dieser Stilverwandtschaft, sie wird vielmehr auch mit dem Todesdatum
des Dirk Bouts 1475 in Verbindung gebracht. Ob der Stifter bereits bei der Auftragserteilung den
linken Flügel mit den Bildnissen bei Hugo in Auftrag gab, oder ob dies erst in der Folge des Todes
Bouts' geschah, ist umstritten; die große Nähe zu den Portinari-Flügeln deutet aber eher auf die
Ausführung nach 1475. S. u. S. 246-248.
3 Mündliche Mitteilung von D. de Vos, Groeningemuseum, Brügge.
4 Zu welch weitgehenden und aufschlußreichen Ergebnissen bereits auf diesem Wege gelangt werden
kann, beweisen eindrucksvoll die den Tüchleinmalereien der »Gruppe van der Goes« gewidmeten
Arbeiten von Schöne (1937), S. 153-182, und Arndt (1964), S. 63-98.
Eine verfahrene Forschungssituation als Ausgangspunkt
43
Malers soll schließlich die Untersuchung seines Umgangs mit dem künstlerischen Erbe seiner Zeit in den jeweils eigenen Bildentwürfen dienen.
Wie bei seinen Zeitgenossen ist auch das Gesamtwerk des Hugo van der
Goes nur zu einem Teil - noch dazu in einer von den Fährnissen der Zeitläufe
willkürlich bestimmten Auswahl - erhalten geblieben. Von den wenigsten seiner Werke sind die Auftraggeber und der ursprüngliche Aufstellungsort bekannt, geschweige denn die genauen Umstände ihrer Entstehung. Faktoren,
die die Formulierung des Bildes möglicherweise entscheidend beeinflußten,
wie Kontext und Funktion des Bildwerkes, bleiben dem modernen Betrachter
unbekannt, wenn es nicht gelingt, sie zumindest teilweise aus dem Bild selbst
abzuleiten. Die Vorstellung von einer an den erhaltenen Gemälden klar ablesbaren linearen Stilentwicklung kann unter solchen Umständen zunächst nur
als Arbeitshypothese dienen, die es zu erhärten oder zu widerlegen gilt. Gerade an Jan van Eycks Oeuvre läßt sich mit den beiden signierten und auf 1436
bzw. 1437 datierten Tafeln der Madonna des Kanonikus van der Paele in
Brügge und des Marien-Triptychons in Dresden zeigen, in welchem Umfang
stilistische Unterschiede bei nahezu gleichzeitig entstandenen Bildwerken ein
und desselben Malers grundsätzlich möglich sind5. Wenn ich in dieser Arbeit
von der Vorstellung einer linearen Stilentwicklung im Sinne der traditionellen
Goes-Chronologie ausgehe, so hat dies vor allem praktische Gründe und stellt
nicht von Beginn an eine Festlegung auf eine bestimmte Lesart dar. Auf diese
Weise bietet sich der zunächst notwendige Bezugsrahmen, der allerdings soweit flexibel zu halten ist, daß auch grundsätzlich von der bisherigen Forschung abweichende Resultate ihren Platz finden können. Allein die Ergebnisse der einzelnen Bildanalysen, nicht aber eine vorgefaßte Anschauung, soll-
ten im Idealfall schließlich die grundsätzlichen Überlegungen zu Stilentwicklung und Chronologie des Hugo van der Goes tragen6.
D Hans Belting, Dagmar Eichberger, Jan van Eyck als Erzähler. Frühe Tafelbilder im Umkreis der
New Yorker Doppeltafel, Worms 1983, S. 83-164, konnten überzeugend aufzeigen, in welch starkem Maße gerade bei den Bildschöpfungen Jan van Eycks der Einfluß des Mediums Buchmalerei
im Verbund mit der jeweiligen, neuen Funktion des Tafelbildes auf seine spezifische Formulierung
einwirkten.
Im selben Zusammenhang sei auch an die kürzlich von Chätelet (1989), S. 132, eher beiläufig
geäußerte Vermutung erinnert, die Seelenkrankheit Hugos habe eine lineare Stilentwicklung verhindert.
6 Abschließend noch ein technischer Hinweis. Die Bezeichnungen »rechts« und »links« sind vom
Betrachter aus gesehen zu verstehen, sofern sich die jeweilige Beschreibung nicht auf eine im Bild
dargestellte Figur bezieht.
C. Die Werke. Untersuchungen zu Hugo van der Goes'
kleinformatigen tafelbildern und tüchleinmalereien
I. Am Narrenseil? Das Wiener Diptychon und seine Probleme
Das heute in drei Tafeln zerlegte Diptychon (Tafeln 18-20, Abb. 3-6)1 im
Kunsthistorischen Museum in Wien zeigte ursprünglich in geöffnetem Zustand links die Darstellung des Sündenfalles, rechts die Beweinung Christi.
Klappte man das Altärchen zu, so sah man auf der Vorderseite die Figur der
hl. Genovefa, auf der Rückseite vermutlich das Wappen des Auftraggebers
oder eines späteren Besitzers2. Der ursprünglich linke Flügel mit Genovefa
und Sündenfall ist heute gespalten, die drei so entstandenen Tafeln sind einzeln
gerahmt.
Die Tafel mit der hl. Genovefa ist als ehemalige Vorderseite des Diptychons
in Grisaillemalerei ausgeführt (Tafel 20, Abb. 3). Sie zeigt die ungefaßte Statue
der Heiligen in einer Wandnische auf einem Kissen stehend-1. Mit beiden
Händen hält Genovefa ein geöffnetes Buch und in der Linken zusätzlich eine
brennende Kerze, die vergebens ein kleiner Teufel auszublasen sich bemüht.
Sie ist mit Gewand und Umhang bekleidet, im langen, welligen Haar trägt sie
eine Perlenschnur. Die flache Rechtecknische, in der die Heilige steht, ist reich
profiliert und mit einem gedrückten Spitzbogen geschlossen. In den Zwickeln
seitlich dieses Bogens sind zwei alttestamentarische Szenen in Halbrelief dargestellt: Links das Opfer Kains und Abels, rechts der Brudermord. Die Wandnische wird seitlich und unten von einem Abschnitt der glatten Wandfläche
umschlossen, in die unten die Inschrift »SANCTA GENOVEFA« eingegraben
ist. Die Farbgebung der Tafel beschränkt sich auf warme, graubraune Beigetöne. Durch das Spiel von Licht und Schatten auf den Oberflächen - etwa bei
dem über die vordere Begrenzung der Nische hinausragenden Kissen - wird
überzeugend die Wirkung einer frei aufgestellten, ungefaßten Vollplastik bzw.
von Halbreliefs in den Zwickelfeldern der Nische hervorgerufen.
1 Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. 945 (Beweinung), 5822a (Sündenfall), 5822b (Hl. Genovefa); Eichenholz, 32,3 x 21,9 cm (Sündenfall und Genovefa), 34,4 x 22,8 cm (Beweinung); Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä. (Wien 1981), S. 189-192.
- Zur Frage der Rekonstruktion der ursprünglichen Darstellung auf der Diptychon-Rückseite s. u.
S. 58-60, 81 f.
L. Schütz, s. v. »Genovefa von Paris«; in: LCI, Bd. 6, Rom u.a. O. 1974, Sp. 361-365.
Abb. 3 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Wien, Kunsthistorisches D>
Museum
46
Das Wiener Diptychon
van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Wien, Kunsthistorisches
Museum
Forschungsgeschichte
47
Abb. 5 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Wien, Kunsthistorisches Museum
48
Das Wiener Diptychon
Der linke Innenflügel zeigt in fruchtbarer Paradieslandschaft das nackte
Stammelternpaar mit dem Versucher unter dem Baum der Erkenntnis (Tafel 18,
Abb. 4). Leicht nach rechts gewandt, verhüllt Adam mit der Rechten seine
Scham, während er die Linke ausgestreckt hat, um einen Apfel in Empfang
zunehmen, den Eva just für ihn pflückt. Eva, mit langen, welligen Haaren, hält
in ihrer rechten Hand einen bereits angebissenen Apfel; ihre Scham wird
durch die Blüte einer vor ihr aus dem Boden sprießenden Iris verdeckt. Mit
der Wendung ihres Oberkörpers nach rechts vermittelt sie zur wesentlich kleineren Figur des Versuchers, der sich am Stamm des Baums der Erkenntnis aufgerichtet hat und aufmerksam-lauernd zu Eva emporblickt. Der Versucher ist
als Mischwesen mit Frauenkopf, Salamanderleib und Schwimmvogelfüßen
dargestellt, dessen teuflisches Wesen in besonderer Weise durch die aus den
Haupthaaren kunstvoll geflochtenen Hörner und die Krallen an den Gliedmaßen betont wird.
Die Figuren stehen in einer parkartigen Landschaft auf einer üppig blühenden Wiese. Nach links hm steigt das Gelände im Mittelgrund zu einem locker
bäum- und buschbestandenen Berghang an, rechts liegt in einer Senke ein
Teich mit einem Ausfluß zum rechten vorderen Bildrand hin. In der Ferne gelegene Höhenzüge schließen am rechten Bildrand den Hintergrund ab. Der
Farbcharakter der Darstellung wird ganz von der lichtdurchfluteten, grünenden und blühenden Paradieslandschaft unter einem leuchtend blauen, wolken-
losen Himmel bestimmt. Die Figuren sind klar modelliert und farblich deutlich differenziert. Von der vornehmen Blässe des Körpers der Eva und dem
sonnengebräunten Leib Adams hebt sich der in kühlen Blau- und Zitrontönen
schillernde Salamanderleib markant ab.
Der rechte Innenflügel des Diptychons zeigt unter abendlichem Gewitterhimmel die Beweinung Christi am Fuße des Golgathahügels (Tafel 19,
Abb. 5). Der Bildraum wird rechts und links durch zwei am Boden hockende,
aus dem Bilde herausblickende Figuren erschlossen: Links erscheint die mit
einem weißen Gewand mit angesetzten Goldbrokatärmeln, einem lachsfarbenen Umhang sowie einem weißen, turbanartigen Kopftuch modisch gekleidete Maria Magdalena, während rechts ein traditionell als Nikodemus4 bezeichneter Mann hockt, der einen dunkelblauen, pelzgefütterten Mantel über
braunen Beinkleidern trägt, dazu rötlich braune Stiefel, eine leuchtend rote
Kappe sowie einen blauen, goldbestickten Hut, den er vor sich auf dem Boden
abgelegt hat und auf dem nun die Dornenkrone Christi liegt. Nikodemus hält
mit der Rechten einen Zipfel des Tuches, auf das der Leichnam Christi von
4 Zur Unsicherheit bei der Identifizierung von Nikodemus bzw. Joseph von Arimathia: Wolfgang
Stechow, Joseph of Arimathia or Nicodemus? in: Studien zur toskanischen Kunst. Festschrift für
Ludwig Heinrich Heydenreich zum 23. März 1963, München 1964, S. 289-302.
Forschungsgeschichte
49
Joseph von Arimathia gebettet wird. Joseph von Arimathia, als greiser Mann
dargestellt und mit einem dunkelgrau-blauen Mantel bekleidet, stützt den
Oberkörper Christi unter den Achseln. Der bis auf ein Lendentuch nackte
Körper des Herrn ist deutlich vom Todeskampf am Kreuz gezeichnet; der Leib
scheint schon in Leichenstarre verfallen zu sein, Hände und Füße sind gräulich-blau verfärbt.
Zur Rechten ihres toten Sohnes droht Maria, vom Schmerz überwältigt,
ohnmächtig vornüber auf den Leichnam zu stürzen. Von diesem Geschehen
überrascht, hat der hinter Maria stehende Johannes Mühe, den zusammensinkenden Körper der Mutter Gottes zu halten, ohne dabei selbst das Gleichgewicht zu verlieren. Sein Umhang flattert bei der jähen Bewegung heftig auf.
Mutter und Lieblingsjünger sind der Darstellungstradition folgend mit blauen
Gewändern und weißem Kopftuch bzw. mit dunkelrotem Gewand und Umhang bekleidet. Hinter Maria kniet ein jüngerer, bärtiger Mann in einem dunkelbraunen, pelzbesetzten Mantel am Boden. Sich zurückwendend, reicht er
zwei links hinter ihm stehenden Marien die Kreuzesnägel. Während die eine,
graublau gekleidete Frau die ihr gereichten Nägel in Empfang nimmt und sich
zugleich mit ihrem weißen Kopftuch die Tränen aus dem Gesicht wischt, küßt
ihre Begleiterin den ihr bereits übergebenen Kreuzesnagel in tiefer Verehrung.
Im Profil gegeben, trägt sie ein hellbraun-gelbliches Gewand und eine mit weißem Tuch umwundene Haube. Am rechten Bildrand schließlich scheint eine
weitere Frau gerade herangeeilt zu sein, um mit ausgebreiteten Armen an der
Totenklage teilzunehmen. Modisch gekeidet, trägt sie ein flaschengrünes, pelzbesetztes Gewand mit hellbläulichen Ärmeln, dazu ein reich drapiertes, weißes
Stoffkopftuch.
In scharfem Kontrast zum Sündenfall ist die Farbigkeit der Beweinung stark
zurückgenommen; es herrschen gebrochene, mit Weiß oder Grautönen abgemischte Farben vor. Andererseits scheint das Figurentableau der Beweinung
mit seinen nach rechts abstürzenden Diagonalen die gleichartige, wenn auch
wesentlich verhaltenere Bewegungsrichtung der Hintergrundslandschaft des
Sündenfalls aufzugreifen und dramatisch zu verstärken.
Die Rückseite der Beweinung - und damit des Diptychons - hat ihre Bemalung weitgehend verloren (Abb. 6). Nur im unteren Abschnitt sind auf einer
blumenbestandenen Wiese die nackten Unterschenkel und Füße von zwei stehenden Figuren erhalten geblieben.
1. Die Forschungsgeschichte
Die Provenienz des Wiener Diptychons reicht bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Im Inventar der Brüsseler Galerie von Erzherzog Leopold
50
Das Wiener Diptychon
Abb. 6 Hugo van der Goes, Wiener
Diptychon, Beweinung Christi, Rückseite, Wien, Kunsthistorisches Museum
Wilhelm aus dem Jahre 16595 wird das Werk ausführlich beschrieben und als
»Original von Joann von Eyck« bezeichnet. Nach 1659 befand sich das Altärchen in der Kunstsammlung auf Schloß Ambras, wo es spätestens 1780 getrennt wurde, als der rechte Flügel mit der Beweinung Christi nach Wien ins
Obere Belvedere überführt wurde. 1804 muß dann auch der ursprünglich
linke Flügel gespalten gewesen sein, denn zu diesem Zeitpunkt gelangte der
Sündenfall ms Untere Belvedere in Wien, während die Tafel mit der hl. Genovefa noch bis 1884 in Ambras verblieb6.
Die Zusammengehörigkeit der Tafeln, vor 1887 als Werke Jan van Eycks,
Ouwaters, Memlings oder der »altholländischen Schule«7 betrachtet, wurde
erst 1884 von E. Ritter von Engerth8 anläßlich der Neuaufstellung der Ge-
mäldegalerie im Kunsthistorischen Museum erkannt. Von Engerth identifizierte die Tafeln zugleich als zu dem 1659 genannten Diptychon der Sammlung Leopold Wilhelms gehörig und schrieb sie, unter Vorbehalt der InventarEintragung folgend, Jan van Eyck zu.
5 Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä. (Wien 1981), S. 189.
6 Engerth (1884), S. 161-163.
7 A.a.O., S. 161-163; Gustav Friedrich Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien, Bd.
1, Wien 1866, S. 181f.
8 Engerth (1884), S. 161-163.
Forschungsgeschichte
51
Die Zuweisung des Diptychons an Hugo van der Goes erfolgte durch
L. Scheibler (1887)9 und sie sollte in der Nachfolge nicht mehr bestritten wer-
den. Einen ersten Versuch zur zeitlichen Einordnung des Diptychons in
Hugos Werk unternahm A. Goldschmidt (1903)10. Für ihn handelte es sich
um ein frühes Werk. Die »vielen retrospektiven Beziehungen« - vor allem zum
Genter Altar der van Eyck mit den Aktfiguren der Stammeltern in der Paradieslandschaft (Abb. 7) wie mit den Grisaillefiguren des Brudermordes, aber
auch zu Rogier van der Weyden mit der hier gewählten ikonographischen Formulierung der Beweinung Christi - ließen Goldschmidt in diesem Werk »die
Grundlagen der Kunst Hugos angezeigt« sein lassen. Seine Überlegungen sollten die nachfolgende Forschung wesentlich mitbestimmen11.
Die Lösung des »Rätsels der Kunst des Hugo van der Goes« glaubte
K. Oettinger (193 8)12 mit einer Um- und Spätdatierung des Klappaltärchens
gefunden zu haben:
»Das kleine Wiener Diptychon ist nach der hier vertretenen These der unschuldige
Anlaß für die kritische Lage der Van-der-Goes-Forschung geworden. Indem es nach
außen hin in allen Diskussionen zugunsten seiner großen Geschwister in Berlin, Florenz und Brügge bescheiden abseits stand, hielt es in Wahrheit die streitenden Gelehrten allesamt am Narrenseil. Gerade, daß sie bei ihm einhellig waren und es als Frühwerk ihren Anordnungen zugrunde legten, als ob das irgendwie gesichert wäre, hat
die Verwirrung gebracht, der hier ein Ende gemacht werden will.«13
Oettinger sah »enge Ubereinstimmungen« mit dem Mittelbild des Frankfurter
Marien-Altars (Tafel 21). Für dieses Werk gab es seiner Meinung nach eine »gut
gesicherte Datierung«14 auf 1478, da in diesem Jahr das auf den Flügeln dargestellte Stifterpaar geheiratet hatte. Zur Stützung seiner Umdatierung des
Wiener Diptychons verwies Oettinger auf die engen stilistischen Parallelen
der Beweinung Christi mit den spätest datierten Bildern der Hirtenanbetung
in Berlin (Tafel 14) und des Marientodes in Brügge (Tafel 16). Der Sündenfall,
beherrscht von einer »nervös herabgestimmten Spannung«15 war,
»... trotz mancher Gegensätzlichkeit für den ersten Blick, doch das richtige Seitenstück zu dieser Beweinung.«16
9 Scheibler (1887), S. 279f.
10 Goldschmidt (1903), Sp. 997-999.
11 Friedländer (1903 a), S. 11; derselbe (1916), S. 47f; derselbe (1926), S. 34-38, 123, Nr. 4; FierensGevaert (1909), S. 97; Osborn (1914), S. 151 f; Overbeek (1917), S. 43-61; Pfister (1923), S. 11, 25;
Einem (1941/42), S. 188-195; Ludwig Baldass, Hans Memling, Wien 1942, S. 12, 36; Tolnay (1944),
S. 181; Panofsky (1953), S. 338-340; Denis (1956), S. 7f, 37 ; Lavalleye (1962), S. 40-45; Cuttler
(1968), S. 151; Whinney (1968), S. 78; Pacht (1969), S. 43-58; Snyder (1985), S. 174; Flämische
Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä. (Wien 1981), S. 189-192.
12 Oettinger (1938), S. 51-55.
13 A.a.O., S. 43.
14 A.a.O., S. 51f.
15 A.a.O., S. 54.
16 A.a.O., S. 53.
52
Das Wiener Diptychon
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Abb. 7 Jan van Eyck,
Adam und Eva, Genter Altar,
Gent, St. Bavo
Forschungsgeschichte
53
Abb. 8 Stundenbuch der Maria von Burgund, Kreuzannagelung (Ausschnitt), Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Handschriftensammlung, Cod. 1857, fol. 43 verso
Nachdem Oettingers neue Sicht auf das Diptychon und seinen Platz in
Hugo Stilentwicklung zunächst heftig abgelehnt worden war17, sprach sich
schließlich doch ein Teil der nachfolgenden Forschung für die Spätdatierung
aus18. Winkler (1964)19 konnte mit dem Hinweis auf die Übernahme der
Maria-Johannes-Gruppe der Beweinung in die gegen Ende der 1470er Jahre
entstandene Miniatur der Kreuzannagelung im sogenannten Stundenbuch der
17 Einem (1941/42), S. 188-194; Panofsky (1953), S. 3382'3; Pacht (1969), S. 53f.
18 Arndt (1961), S. 169; Winkler (1964), S. 37-45; noch 1957 in der Rezension zu Denis (1956); in:
Kunstchronik 10 (1957), S. 17f, hatte Winkler das Wiener Diptychon als »... doch ziemlich früh
entstanden...« angesehen; Musper (1968), S. 33; Thompson, Campbell (1974), S. 87f.
19 Winkler (1964), S. 43f.
54
Das Wiener Diptychon
Maria von Burgund in Wien (Abb. 8)2C einen terminus ante quem für das
Diptychon beibringen; allerdings erschien ihm die Entstehung des Altärchens
nicht allzu lange vor 1477 wahrscheinlich.
Faßt man die für die beiden konkurrierenden Datierungsansätze vor-
gebrachten Begründungen zusammenfassend ms Auge, so wird deutlich, daß
die Verfechter der Frühdatierung des Diptychons sich auf die Stilanalyse des
Sündenfalls stützen und dazu neigen, die Verbindungen zwischen der Beweinung und den spät datierten Werken in Berlin und Brügge zu vernachlässigen
oder ganz zu übersehen, während die Anhänger der Spätdatierung konsequenterweise die Beweinung in den Mittelpunkt ihrer Argumentation stellen und
den Sündenfall eher in den Hintergrund rücken. Allein R. Rey (1936, 1945)21
versuchte sich dieser Zwangslage dadurch zu entziehen, daß er den Sündenfall
vor den Portinari-Altar, d. h. vor 1475, datierte, die Beweinung hingegen von
der »maturite... des grandes oeuvres de la fin«22 geprägt sah. Für diese Vorstellung fand Rey allerdings keine Anhänger. Bevor wir uns im folgenden mit
dem Einstieg in die Diskussion über Datierung und Stellung des Wiener Diptychons innerhalb von Hugos Stilentwicklung gleichfalls der Gefahr aussetzen, von diesem Werk »ans Narrenseil« gebunden zu werden, soll zu einer
möglichst präzisen Bestandsaufnahme der Blick zuvor nochmals auf die Tafeln
selbst gerichtet werden.
2. Bestand und Zustand: Der Befund der Autopsie
Die Tafeln haben zwar ihre originale Rahmung verloren, sind aber - nach Aus-
weis der in weiten Teilen intakten Malkanten - zumindest unbeschnitten
erhalten geblieben. Der ursprünglich linke Flügel mit der Grisaillefigur der
hl. Genovefa außen, dem Sündenfall innen, ist gespalten; die beiden dadurch
extrem gedünnten Tafeln sind parkettiert. Betrachten wir nun der Reihe nach
die vier Seiten des Diptychons.
a. Die hl. Genovefa (Tafel 20, Abb. 3)
Wie bei der Außenseite eines Diptychon-Flügels nicht weiter überraschend,
ist die Farboberfläche der Tafel an zahlreichen Stellen berieben. Durch die
20 Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1857, f. 43v. Gebetbuch Karls des Kühnen (1969),
S. 105-128, 158-166.
-1 Rey (1936), S. 35; derselbe (1945), S. 22-26.
Auf der Grundlage des dendrochronologischen Befundes (s. u.) kam unabhängig vom Verfasser
jüngst auch Grimm (1988), S. 86, zu einer frühen Ansetzung des Sündenfalles bzw. zu einer Spätdatierung für die Beweinung.
22 Rey (1945), S. 22.
Bestand und Zustand
55
Reduktion der Farbigkeit auf beigefarbene Braun- und Grautöne sind die lasierenden Ausflickungen und kleinen Retuschen - selbst an Photomaterial - problemlos auszumachen. Ausgesprochene Beschädigungen mit umfangreicheren
Farbverlusten sind nicht zu verzeichnen. An der Nischenrahmung wie an der
Gewandung der Figur zeichnet sich stellenweise durch die altersbedingt zunehmende Transparenz der Farbschicht die Unterzeichnung der Tafel ab, wobei
keine wesentlichen Abweichungen der Farbausführung von der Unterzeichnung zu beobachten sind.
b. Der Sündenfall (Tafel 18, Abb. 4)
Der Erhaltungszustand der Malerei ist für eine gespaltene, gedünnte und parkettierte Tafel erstaunlich gut, sieht man von einigen modernen Retuschen an
der Malkante ab, die am rechten Bildrand im Bereich des Teiches und des
baumbestandenen Hanges im Mittelgrund am weitesten über das ehemals vom
Originalrahmen bedeckte Holz ausgreifen23.
Durch den graduellen Verlust an Deckkraft der in den Inkarnatpartien verwendeten Farben ergibt sich die Möglichkeit, Einblick in die Bildentstehung
selbst zu nehmen24. So sind an den Figuren der Stammeltern umfängliche
Pentimenti, bei Adam auch ein Teil der Unterzeichnung auszumachen. Im
Laufe der Bildentstehung veränderte der Maler die Stellung des rechten Armes
und der Hand des Stammvaters: In der ersten Bildkonzeption, die in der Unterzeichnung gut zu erkennen ist, hatte Adam Unterarm und Hand um einiges
höher vor den Leib erhoben, als dies schließlich in Farbe ausgeführt wurde.
Aber noch während der Ausarbeitung der Unterzeichnung, vor der ersten
Farbanlage, korrigierte sich der Maler. Die nun gewählte Haltung von Arm
und Hand verlief um etwa ein Drittel der Armbreite tiefer als in der ersten
Fassung. Dieser - die anfängliche Konzeption korrigierenden - Unterzeichnung folgte dann auch die Farbausführung. Der Charakter der Unterzeichnung - der gleiche beim verworfenen Kontur des Armes wie bei seiner Korrektur - läßt am ehesten an eine Ausführung mit einem Stift denken: Die Linien
sind sehr dünn und von gleichbleibender Stärke, sie wirken »hart«. Die Konturlinien des Unterarms sind nicht einfach durchgezogen, es handelt sich vielmehr um zahlreiche kurze, strichelnd-skizzierende Linien, die einander z.T.
überlappen, z.T. parallel verlaufen - und dies stellenweise immerhin auf einer
Breite von etwa 3 bis 4 mm.
23 Zum Teil ziehen die Retuschen, zwecks Farbanpassung, ein Stück weit auch über die Originalmalerei; der Befund ist am deutlichsten an der Röntgenaufnahme ablesbar.
24 Auf Veränderungen in Unterzeichnung und Farbausführung bei den Figuren der Stammeltern
machten erstmals Boon (1950/51), S. 83, und Koch (1965), S. 32414, aufmerksam.
56
Das Wiener Diptychon
Für die Bildgenese läßt dies den vorläufigen Schluß zu, daß vor Arbeitsbeginn keine bis ins Detail fixierte Werkskizze vorlag, sondern daß die Fest-
legung der Form erst im Prozess des Unterzeichnens erarbeitet wurde. Densel-
ben Eindruck einer dynamischen Formfindung während des Ausführungsvorgangs vermitteln auch die zahlreichen Pentimenti vor allem an Händen
und Füßen der Stammeltern. So sind die Fingerspitzen der linken Hand
Adams teilweise über die bereits angelegte grüne Farbschicht des Berghangs
im Mittelgrund verlängert worden, ebenso beide Füße an den Zehen, der
rechte Fuß auch an der Sohle. An der linken Schulter verhält es sich gerade
umgekehrt: Hier wurde der farblich bereits angelegte Kontur zurückgenommen und mit der Farbschicht der Mittelgrundslandschaft abgedeckt. Ahn-
liches bei Eva: In der ersten Farbanlage war der Griff der Finger der Rechten
um den Apfel deutlich fester und geschlossener. Dies wurde zugunsten einer
wesentlich eleganteren, lockereren Handhaltung verworfen, allerdings mit der
Folge, daß die Fingerspitzen nun über das bereits angelegte Grün der Paradieswiese gemalt werden mußten. Auch die Stellung des rechten Fußes ist noch
während der Farbausführung markant verändert worden. Anfangs stärker in
Aufsicht gegeben, wurde die Korrektur durch eine Übermalung mit der grünen Farbe des Rasens ausgeführt. Weder an der Figur des Versuchers noch im
Bereich der Landschaft lassen sich vergleichbare Beobachtungen machen; die
Farbschicht ist deckend und läßt keine Rückschlüsse auf Unterzeichnung oder
Konzeptionsänderungen während der malerischen Ausführung zu.
Durch seine Machart wie durch sein Kolorit gibt sich allerdings ein Bildelement deutlich als zwar alte, aber doch sekundäre Hinzufügung zu erkennen:
Es handelt sich dabei um die beiden bewaldeten Höhenrücken, die in der Bildtiefe rechts vom Versucher weit hinter dem abfallenden, locker mit Bäumen
bestandenen Hang des Mittelgrundes sichtbar werden. Beide sind in einem
bläulichen Türkiston ausgeführt. Die Farbe scheint mit einem hohen Bindemittelanteil versetzt zu sein; sie ist am vorderen Höhenzug getupft, am hinteren »lavierend« aufgetragen, wodurch sich der atmosphärische Eindruck von
großer Entfernung noch verstärkt. Neben der Goesschen Landschaft wirkt
diese Hintergrundskulisse wie ein aus einem Landschaftsbild des 16. Jahrhun-
derts hierher versetzter Fremdkörper25. Auch mit bloßem Auge ist die
sekundäre Einfügung über der originalen Farbschicht des Himmels deutlich:
Die Begrenzung der Bergrücken an der - neuen - Horizontlinie zum Himmel
hin ist nicht mit der Präzision ausgeführt, mit der Hugo die Konturen aller
Bildelemente des Sündenfalls wiedergab (an der Nachbesserung des hinteren
23 Für die besondere Machart der Landschaftsergänzung sei beispielhaft verwiesen auf das Himmel-
fahrt-Mariä-Triptychon des Aelbert Bouts in Brüssel, Musee des Beaux-Arts (ENP III, S. 66f,
Nr. 57, Tafel 69-71).
Bestand und Zustand
57
Höhenzuges ist unter der nicht ganz deckenden Farbe deutlich die Farbschicht
des ursprünglichen Himmels auszumachen), und die sekundäre Farbschicht
greift stellenweise auch über die Baumgruppen des Hanges im Mittelgrund
hinaus. Allein am Anschluß dieser nachträglichen Einfügung zum Unterarm
Evas ist das Bemühen unverkennbar, dessen Konturlime nicht zu verletzen.
Zugleich entstand dadurch aber ein schmaler Farbkanal zwischen Inkarnat
und sekundärem Höhenzug, der den Blick auf die Farbschicht des Goesschen
Himmels an dieser Stelle freigibt. Fürs erste mag in diesem Zusammenhang
festgehalten werden, daß diese wohl in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhun-
derts vorgenommene Einfügung der beiden Bergrücken in der Bildtiefe die
zuvor steil nach rechts abfallende und von der Figurenstaffelung noch betonte
Horizontlinie um einiges glättete.
c. Die Beweinung (Tafel 19, Abb. 5)
Die Malerei ist nicht ganz so gut erhalten wie die des Sündenfalls. So haben
sich die Blautöne der Gewänder Mariens, aber auch des vorn rechts knienden
Mannes altersbedingt stark verändert; besonders beim Umhang der Mutter
Gottes ist die Modellierung fast nur noch am Relief des Farbauftrags
ablesbar26. Die Malerei ist an allen vier Bildkanten ein Stück weit über die
darunter erkennbaren originalen Malkanten hinaus erweitert worden, wobei
die Farbschicht dieser sekundären Erweiterung zur farblichen Anpassung stel-
lenweise auch ein Stück weit auf die Originalsubstanz übergreift2'. Einen
Hinweis auf den Zeitpunkt dieser Maßnahme könnte die Tatsache liefern, daß
der am linken Bildrand auf der Höhe des nachflatternden Umhangs des Johannes beigemalte Bergrücken in der Bildtiefe nicht nur den gleichen bläulichen
Türkiston2S sondern auch eine identische Horizonthöhe aufweist wie der
sekundär eingefügte Höhenzug auf der Tafel des Sündenfalls, den wir in den
Anfang des 16. Jahrhunderts hatten datieren können.
Ahnlich wie beim Sündenfall sind auch bei der Beweinung Christi eine
Reihe interessanter Einblicke in die Bildgenese möglich. Durch den altersbedingten Verlust an Deckkraft, vor allem in den mit Bleiweiß ausgemisch-
ten weißen und inkarnatfarbenen Partien, ist bei fast allen Figuren zumindest
teilweise die Unterzeichnung sichtbar. Bei einer Reihe von ihnen sind auch
Pentimenti auszumachen29. Am deutlichsten sind Unterzeichnung und Pen26 Die hellere Farbigkeit in einem unregelmäßig begrenzten Abschnitt des unteren Teils des Umhangs
der Gottes Mutter geht wohl auf das Konto eines partiellen Reinigungsversuchs der Farboberfläche.
2 Diese Maßnahme ist am deutlichsten an der Röntgenaufnahme ablesbar.
_s Diese Farbe findet sich - wie im Sündenfall - auch bei der Beweinung an keiner anderen Stelle.
Sie ist zugleich in Hugos Farbrepertoire nicht vertreten.
-4 Demgegenüber stellt die teilweise Übermalung des dunkelbraunen Gewandes des Mannes rechts
58
Das Wiener Diptychon
timenti mit bloßem Auge am Körper des toten Christus und an seinem
Leichentuch zu erkennen. Die Unterzeichnung weicht an der Innenseite des
rechten Armes Christi ebenso wie an der Innenkante des linken Beines und
der Fußsohle deutlich von der Farbausführung ab. In der Farbfassung wurden
beide betroffene Extremitäten um einiges über den unterzeichneten Kontur
hinaus verlängert und verbreitert. Von gleichem Charakter wie die Konturlinie des Körpers ist auch die gut sichtbare Unterzeichnung des Leichentuchs:
Es handelt sich um vergleichsweise breite, weichgezeichnete Linien, die offensichtlich mit einem Pinsel ausgeführt worden sind. Ohne abzusetzen, mit
einem einzigen Pinselstrich, sind die Formangaben der Unterzeichnung gesetzt, und dies bildet sowohl im Handschriftlichen als auch im Technischen
einen auffälligen Gegensatz zu der am Sündenfall beobachteten Unterzeichnung.
Die Unterschiede zwischen der Christusfigur der Beweinung und der Figur
Adams im Sündenfall gehen aber im Flinblick auf die Unterzeichnung noch
beträchtlich weiter. Obgleich die Lichtführung auf beide Figuren ungefähr
gleich ist, scheint die Figur Adams gänzlich ohne Schattenzonen kennzeichnende oder Körperformen modellierende Binnenzeichnung auszukommen.
Anders beim Leichnam Christi: Nicht nur sind die Schattenzonen auf Brust,
linkem Oberarm und am Hals deutlich mit kräftigen Parallelschraffuren mar-
kiert, sondern der ganze Körper Christi ist mit kleinteiligen und feinen
(immer mit dem Pinsel ausgeführten), gleichfalls parallel geführten Schraffuren buchstäblich bedeckt, sodaß die Einzelformen bereits in der Unterzeichnung durchgängig subtil modelliert werden.
Auch bei den anderen Figuren der Beweinung ist die Unterzeichnung mit
ihren markanten Konturlinien und Schattenangaben wie mit den etwas kleinteiliger angelegten Binnenmodellierungen der Gewänder stellenweise für das
bloße Auge sichtbar, so etwa am Kopftuch Mariens und am Gewand der vorn
links Hockenden. Schließlich ist auch die Unterzeichnung des Golgathahügels
zu erkennen - allerdings nur im Bereich der Inkarnatpartien der von rechts
heraneilenden, klagend die Arme erhebenden Frau. Im Gegensatz zu den übrigen Figuren ist sie offenbar erst nach der Unterzeichnung der Landschaft zum
sonstigen Bildpersonal hinzugetreten.
d. Die Rückseite der Beweinung (Abb. 6)
Die Rückseite des rechten Diptychon-Flügels ist nur in äußerst ruinösem Zustand auf uns gekommen. Bis auf einen etwa 5 cm hohen Streifen am unteren
von Johannes im Bereich des Anschlusses seines Ärmels an das Gewand des Johannes einen deutlich
späteren, mißverstandenen Eingriff dar.
Bestand und Zustand
59
Abb. 9 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Röntgenaufnahme, Wien
Kunsthistorisches Museum
60
Das Wiener Diptychon
Tafelrand ist die Malschicht, von minimalen und undefinierbaren Resten abgesehen, bis auf die weißliche Grundierung weggeputzt. Die schmale erhaltene
Malereizone zeigt auf einem mit einigen Pflanzen und Blumen in hellerem
Grün bestandenen schwärzlich-dunkelgrünen Grund die nackten Unterschenkel und Füße zweier frontal stehender Figuren. Im Hinblick auf die Aussage
des Inventars von 1659:
»In einen hülzenen vergulden Rämbl, auszwendig auf einer Seithen St. Genouefa, auf
der andern ein Schildt, warin ein schwarczer Adler.. ,«30
hatte schon K. Oettinger (1938)31 diese Figurenreste als wappenhaltende
»Wilde Männer« interpretiert. Was Oettinger wie auch den nachfolgenden
Bearbeitern des Diptychons entging, ist die Tatsache, daß die Qualität der
Malerei, so schlecht erhalten sie auch sein mag, entschieden von der der anderen drei Tafelseiten des Diptychons abweicht. Aber nicht nur in der Güte, auch
in der Machart unterscheidet sich diese Malerei deutlich von der van der
Goes': Der nahezu unifarbene Farbfond überzieht die ganze Tafelbreite, Inkarnate der Figuren und Blumen sind darauf gemalt. Technik und Stil weisen in
die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts32.
Fassen wir die bisherigen Beobachtungen zusammen, so ist zunächst der
irritierend unterschiedliche Charakter der Unterzeichnung bei Sündenfall und
Beweinung zu nennen, sodann die sekundären Veränderungen wohl der ersten
Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Einfügung der Bergrücken im Hinter-
grund von Sündenfall und Beweinung, schließlich die wohl in die gleiche Zeit
fallende Ausführung der Malerei auf der Rückseite der Tafel der Beweinung.
Für die Beantwortung der sich hieraus ergebenden Fragestellungen - zur Beziehung zwischen der Unterzeichnung des Sündenfalls und jener der Beweinung,
wie zum Verhältnis der Malerei van der Goes' zu den Hinzufügungen des
16. Jahrhunderts - sollte sich die Heranziehung gemäldetechnologischer Untersuchungsmethoden als besonders fruchtbar erweisen-13.
30 Flämische Malerei von Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä. (Wien 1981), S. 189.
31 Oettinger (1938), S. 51.
Man vergleiche etwa die analoge Gestaltung der bewachsenen Bodenzone in Aelbert Bouts' Triptychon mit der Himmelfahrt Mariens im Musee des Beaux-Arts in Brüssel (ENP III, S. 66f, Nr. 57,
Tafel 69-71).
33 Für die Möglichkeit zur Untersuchung des Diptychons und die Überlassung bereits bestehender
Untersuchungsmaterialien bin ich Dr. K. Schütz, Wien, verpflichtet. Dr. M. Ainsworth, New
York, stellte ihre Assemblagen der Infrarot-Reflektographien von Beweinung und Genovefa, Prof.
J. R. J. van Asperen de Boer, Amsterdam, die von ihm angefertigten Details der Infrarot-Reflektographie des Sündenfalles zur Verfügung. Dr. P. Klein, Hamburg, schließlich führte die dendrochronologische Untersuchung der Tafeln durch. Für die großzügige Überlassung der Untersuchungsunterlagen sei allen herzlich gedankt. Bereits 1978 waren konventionelle Infrarot-Photographien
aller drei Tafelseiten veröffentlicht worden von Alexander, Mairinger, Schoute (1978), S. 73-83.
Abb. 10 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Röntgenaufnahme, Wien,
Kunsthistorisches Museum
62
Das Wiener Diptychon
3. Der gemäldetechnologische Befund
Die Röntgenaufnahmen bestätigen die Beobachtungen zur partiellen Ubermalung der Malkanten bei Sündenfall und Beweinung wie zum Zustand der
Malerei beider Tafeln (Abb. 9-11; Tafeln 18 —19)34. Überraschend freilich ist
der vollkommene Ausfall der Bemalung der Rückseite der Beweinung im
Röntgenbild, was aber die gänzliche Andersartigkeit dieser Malerei auch im
Bereich der verwendeten Pigmente gegenüber der von Hugo selbst ausgeführ-
ten Malerei nur noch unterstreicht.
Der Befund der Infrarot-Reflektographie stützt die schon bei der Autopsie
der Tafeln gewonnenen Beobachtungen im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Unterzeichnung von Genovefa und Beweinung einerseits, vom Sün-
denfall andererseits35; er läßt zugleich aber noch einige Präzisierungen zu. So
kann beim Sündenfall die Unterzeichnung der Figuren in weiteren Bereichen
erfaßt werden, als dies mit bloßem Auge gelingt. Neben der bereits notierten
Veränderung der Stellung von Adams rechtem Arm werden weitere Veränderungen der Unterzeichnung an seiner rechten Hüfte und an den Oberschenkeln erkennbar (Abb. 12). Ebenso läßt sich die Unterzeichnung - besonders
gut zu den helleren Farbpartien des Hintergrundes hin - am linken Arm und
an der linken Seite des Oberkörpers fassen. Während hier die Farbausführung
den Vorgaben der Unterzeichnung mit nur minimalen Abweichungen folgt,
sind an der Linken und im Gesicht des Stammvaters deutliche Veränderung
in der Farbfassung zu beobachten (Abb. 13): Die Stellung der linken Hand
wurde etwas abgesenkt, das linke Auge und die Nase leicht verschoben. Die
Erarbeitung der Form, vor allem aber die Festlegung der Binnenzeichnung ist
bei Stammeltern und Versucher (Abb. 14) gleichartig und offenkundig mit
dem Stift ausgeführt. Es handelt sich dabei um eine lockere, linear aufgefaßte
Unterzeichnung, die Körperform und Binnenzeichnung mit wenigen, sich
teilweise korrigierenden Strichen umreißt36. Schattenzonen wie unter der
34 Die Interpretation der Röntgenaufnahmen von Genovefa und Sündenfall wird allerdings durch die
Parkettierung der Tafeln erschwert.
35 Diese Beobachtungen schon an den Infrarot-Photographien der Tafeln mitgeteilt von Alexander,
Mairinger, Schoute (1978), S. 73-83, allerdings mit teilweise abweichender Interpretation, vergl.
unten die Diskussion des Befundes.
36 Ähnlich wie bei der Gestalt Adams finden sich auch bei Eva leichte Veränderungen der Farbausführung gegenüber der Unterzeichnung, was aber angesichts der freien Skizzierung der Unterzeichnung nicht überraschen kann. Deutlichere Abweichungen, die aber die Figurenkonzeption nicht
eigentlich verändern, finden sich an der rechten Seite von Hals und Hüfte Evas, die in der Farbfassung deutlich verbreitert wurden, sowie an der rechten Brust, die demgegenüber in der farbigen
Abb. 11 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Röntgenaufnahme, [>
Wien, Kunsthistorisches Museum
64
Das Wiener Diptychon
Abb. 12 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie, Leib Adams, Wien, Kunsthistorisches
Museum
Abb. 13 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektogra-
phie, Oberkörper Adams, Wien, Kunsthistorisches Museum
Abb. 14 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie, Kopf des Versuchers, Wien, Kunsthistorisches Museum
Der gemäldetechnologische Befund
Abb. 15 Hugo van der
Goes, Wiener Diptychon,
Sündenfall, Infrarot-
Reflektographie,
Oberkörper Evas, Wien,
Kunsthistorisches Museum
65
66
Das Wiener Diptychon
Rechten Adams oder unter dem Kinn und am Hals des Versuchers werden mit
Parallellagen kurzer Striche markiert. Besondere Sorgfalt ist auf die Unterzeichnung des Frauenkörpers verwandt (Abb. 15). Hier folgt der Stift mit dichten parallelgeführten Strichlagen, die sich teilweise auch kreuzen, subtil dem
Oberflächenrelief des Leibes und der Hüfte Evas37. Gerade an den Körperumrissen läßt sich nun aber im Hinblick auf die Frage nach dem verwendeten
Unterzeichnungsmittel eine verblüffende Beobachtung machen: Hier scheint
mit einem weichzeichnenden Pinsel die endgültige Festlegung der Körperkonturen vorgenommen worden zu sein, nachdem mit dem harten, strichelndskizzierenden Stift die Figurenkonzeption an sich erarbeitet worden war38.
Ein gänzlich anderer Befund ist demgegenüber für die Unterzeichnung von
Genovefa und Beweinung festzuhalten, die dank des Reflektographie-Befundes
nun gleichfalls sehr viel präziser zu fassen und zu beurteilen ist. Abgesehen
von einigen Abweichungen der Farbausführung von den Faltenangaben der
Unterzeichnung gibt es bei der Figur der hl. Genovefa keine wesentlichen
Kompositionsänderungen (Abb. 16)39. Anders hingegen bei der Beweinung
(Abb. 17): Hier ist, neben den bereits beschriebenen, mit bloßem Auge am
Christuskörper zu beobachtenden Veränderungen, eine vollständige Neukonzeption der Komposition insgesamt in der Phase zwischen Unterzeichnung
und Beginn der Farbanlage zu beobachten. Während die Abweichungen der
Farbausführung von der Unterzeichnung bei Christus und dem vorn rechts
knienden Mann lediglich eine die Figurenproportionen korrigierende Funktion haben, ist die Stellung des Johannes, der beiden hinter ihm stehenden
Frauen und des Kreuzes in der Unterzeichnung von der Endfassung radikal
unterschieden. Zwar ist schon in der Unterzeichnung die Stellung des JohanAusführung verkleinert wurde. Von größerer Bedeutung für die Bildwirkung ist allein die ver-
änderte Stellung der Augen, die in der Unterzeichnung deutlicher nach oben gerichtet waren und
dadurch das Moment des Pflückens der verbotenen Frucht stärker betonten.
Einen ähnlichen Befund glauben wir beim Versucher festhalten zu können: Auch hier scheint der
Kopf in der Unterzeichnung stärker nach oben gerichtet, scheint der Blick des Versuchers deutlicher auf die den zweiten verbotenen Apfel pflückende Hand Evas gerichtet gewesen zu sein. Uber
diese konzeptionelle Änderung der Figurenauffassung hinaus wurde der Kopf an Kinn und Stirn
gegenüber der Unterzeichnung in der Farbausführung markant vergrößert.
j7 Bereits Boon (1950/51), S. 83, hatte den Befund an der Hüfte Evas als Unterzeichnung in der Art
der gut sichtbaren Unterzeichnung an der Rechten Adams interpretiert. Er wollte allerdings den
auch von ihm betonten Unterschied zu der als »moderner« bezeichneten Unterzeichnung der Beweinung mit einer Übernahme des Eyckischen Vorbildes vom Genter Altar für die Unterzeichnung der Figuren des Sündenfalls erklären.
38 Kennzeichnenderweise findet der Pinsel - im Gegensatz zum Stift - auch durchaus nicht durchgehend Verwendung; so scheint die Figur des Versuchers nur mit dem Stift unterzeichnet worden
zu sein.
39 Am linken Bildrand zeigt sich im Infrarot-Befund die Unterzeichnung einer polygonalen Wandvorlage mit Kapitell und Basis, die in der Farbausführung keine Berücksichtigung fand (Alexander,
Mairinger, Schoute [1978], S. 83, Abb. 7).
Der gemäldetechnologische Befund
67
Abb. 16 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Infrarot-Reflektographie,
Wien, Kunsthistorisches Museum
68
Das Wiener Diptychon
Abb. 17 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Infrarot-Reflektographie, Wien, Kunsthistorisches Museum
Der gemäldetechnologische Befund
69
nes im Bilde wie auch seine Haltung der jetzigen entsprechend vorgesehen,
der Jünger sollte aber mit wesentlich stärker vorgebeugtem Oberkörper und
deutlicher gesenktem Haupt die zusammensinkende Gottesmutter umfassen.
Die links hinter Johannes stehende, mit dem Tuch ihre Tränen trocknende
Frau ist in der Unterzeichnung mit dem gleichen Haltungsmotiv, aber um
etwa 2 cm tiefer und 1 cm rechts ihres jetzigen Bildortes vorgesehen. Die rechts
von ihr Stehende schließlich ist gegenüber der Farbfassung in der Unterzeichnung um etwa 1,5 cm nach rechts und geringfügig nach oben versetzt. Unmittelbar hinter ihr, nahezu in der Bildachse und wesentlich größer und näher
gesehen als in der Endfassung, erhebt sich in der Unterzeichnung das Kreuz,
mit einer rechts daran gelehnten Leiter. Der Infrarot-Befund bestätigt schließlich auch eine weitere bereits am Bilde selbst gewonnene Beobachtung: Die
am rechten Bildrand stehende, klagend die Arme ausbreitende Frau war in der
ersten Phase der Bildkonzeption nicht vorgesehen; deutlich ist sie von der
Unterzeichnung des Golgathahügels unterlegt. Die nur unterzeichnete »Erstfassung« der Beweinung war also im Gegensatz zum fertigen Bild eine fast
symmetrisch angelegte Dreieckskomposition, wobei der Scheitelpunkt der
Figurengruppe nur leicht nach links verschoben war. Die steil abfallende Linie
der Figuren, geringfügig durch die flacher verlaufende Horizontlinie des
Hügels gemildert, hätte somit der gleichfalls nach rechts fallenden, ursprünglichen Horizontlinie des Sündenfalls entsprochen. Diese Erstkonzeption der
Beweinung wurde aber offensichtlich wegen der nachträglichen Einfügung der
Klagenden am rechten Bildrand verworfen: Bei einer Beibehaltung der strengen Dreieckskomposition wäre dies ohne eine empfindliche Störung des kompositionellen Gleichgewichts kaum möglich gewesen.
Nehmen wir nun nochmals die technischen und handschriftlichen Besonderheiten der Unterzeichnung von Genovefa und Beweinung näher ins Auge.
Die Unterzeichnung beider Tafeln ist mit dem Pinsel ausgeführt und zeigt
prinzipiell die gleiche »Handschrift«. Die der Beweinung ist durch lang ausgezogene, sicher gesetzte Konturlinien und eine Binnenzeichnung ohne nennenswerte Selbstkorrekturen gekennzeichnet. Dies läßt vermuten, daß die
Komposition zuvor schon in sehr detaillierter Form als Zeichnung vorlag. Die
Schattenpartien werden durch gleichmäßige Parallelschraffuren markiert,
während schließlich - am besten am Christuskörper zu beobachten - zahlreiche kleinere Partien mit Parallelschraffuren, die gegeneinander versetzt sind,
sich aber selten überlappen, die Binnenmodellierung angeben. All diese die
Plastizität des Körpers markierenden Elemente der Unterzeichnung sind zugleich zur Gänze an die Fläche rückgebunden: Die Schraffuren verlaufen ausschließlich parallel zur Bildebene. An keiner Stelle folgen sie den Formen der
Körper, deren Volumen sie bezeichnen, an keiner Stelle lösen sich die immer
geraden, zueinander und zur Bildebene parallel verlaufenden Einzelstriche der
70
Das Wiener Diptychon
Abb. 18 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, linker Flügel, Außenseite, Gnadenstuhl, Infrarot-Photographie, Christus,
The Royal Collection, On loan to National Gallery of
Scotland, Edinburgh
modellierenden Unterzeichnung von dieser strikten Flächenbindung. Das Ergebnis kommt einem gleichmäßig über die Figur gelegten flächigen Ornament
nahe: Man betrachte die Unterzeichnung des Kopftuchs Mariens, des Leichentuchs oder des Körpers Christi. Die Unterzeichnung der hl. Genovefa zeigt
einen diesen Gestaltungsmerkmalen grundsätzlich verwandten Befund40.
40 Im Gegensatz zu Alexander, Mairinger, Schoute (1978), S. 81-83, sehen wir keinen Anlaß, Zweifel
an der Eigenhändigkeit der Unterzeichnung der Tafel mit der hl. Genovefa zu hegen. In ihrer Ge-
staltung folgt sie den gleichen Gestaltungsmerkmalen wie die Beweinung; in ihrer Ausführung
weicht sie von jener nur insofern ab, als für die wesentlich figurenreichere und komplexere Komposition der Beweinung vor dem Beginn des Unterzeichnens offensichtlich eine bis ins Detail ausformulierte Zeichnung vorlag, während die letzte Formklärung bei der Einzelfigur der Heiligen erst
im Verlauf der Unterzeichnung auf der Tafel selbst stattfand.
Der gemäldetechnologische Befund
71
Abb. 19 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Infrarot-Photographie, Joseph, Berlin,
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
Auch hier bleibt die mit dem Pinsel ausgeführte Zeichnung gänzlich der Fläche verbunden, wie an dem über den rechten Arm drapierten Umhang oder
auch an den gleichförmigen Parallelschraffuren im Verlauf des rechten Bernes
der Heiligen besonders deutlich zu erkennen ist. Anders als bei der Beweinung
findet die letzte Formklärung bei der Genovefa erst auf der Tafel während des
Unterzeichnens statt; so wurde die Stellung des rechten Unterarmes mehrfach
geändert.
72
Das Wiener Diptychon
Abb. 20 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Infrarot-Photographie, Hirt, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
Ein größerer Gegensatz der so charakterisierten Unterzeichnung von Genovefa und Beweinung zu der des Sündenfalls ist kaum denkbar. Wie ist dieser
Gegensatz aufzulösen? Versuchen wir zunächst den Vergleich mit in Technik
und Handschrift ähnlichen Werken. Für die Unterzeichnung von Genovefa
und Beweinung lassen sich im Oeuvre van der Goes' problemlos vergleichbare
Der gemäldetechnologische Befund
73
Abb. 21 Hugo van der Goes, Marientod, Infrarot-Photographie, Christus, Brügge, Groeningemuseum
Werke finden. Die Unterzeichnung des Leichnams Christi findet ihre nächste
Parallele bei der Christusfigur der Edinburgher Trinitätsdarstellung (Abb. 18).
So problematisch der Vergleich zweier derart unterschiedlich großer Werke
zweifellos ist, so wird doch deutlich, daß auch die Edinburgher Unterzeichnung in der Strichführung der Binnenmodelherung mehr der Fläche verhaftet
ist, als daß sie den Körperformen folgte. Ungeachtet des Größenunterschiedes
des Wiener Diptychons auch zur Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) und zum
Brügger Marientod (Tafel 16) finden sich gerade bei diesen beiden Bildern die
denkbar größten Ähnlichkeiten für die überaus kennzeichnende Art und
Weise, in der Gewänder unterzeichnet werden. Man vergleiche etwa die Unterzeichnung des Gewandes des vorn rechts Knienden in der Wiener Beweinung
mit der Josephs in der Berliner Hirtenanbetung (Abb. 19), die Angaben der
tief verschatteten Zone des Umhangs des Wiener Johannes mit der der Schat-
tenzone auf dem Gewand des von links heranstürmenden Berliner Hirten
(Abb. 20), schließlich die Unterzeichnung des Kleides der in der Wiener Beweinung vorn links knienden Frau mit der von Gewand und Umhang des
Brügger Christus (Abb. 21): Der Eindruck einer den Flächencharakter beto-
74
Das Wiener Diptychon
nenden, stellenweise nahezu ornamentale Qualitäten aufweisenden Unterzeichnung ist allen diesen Werken gemein.
Deutlich schwieriger verhält es sich mit Vergleichsmaterial zur Unterzeichnung des Sündenfalls. Wenn man wiederum den Größenunterschied und hier
möglicherweise auch eine andere Technik der Unterzeichnung im Auge behält, so bietet allein der Monforte-Altar (Tafel 1) eine Unterzeichnung, deren
Gestaltungstendenzen am ehesten an die des Sündenfalls denken lassen
(Abb. 22). So ist die relative Freiheit zu nennen, mit der die endgültige Form
eines Gegenstandes mit zahlreichen, einander z.T. korrigierenden Strichen
und Strichlagen auf der Tafel erarbeitet wird. Vergleichbar scheint ferner die
Art, in der die Schraffuren zumindest teilweise in ihrer Linienform dem Oberflächenrelief des Gegenstandes nachfolgen, den sie modellieren: Die Unterzeichnung wird vom Objekt, welches durch sie definiert werden soll, be-
stimmt, und nicht - wie bei der Wiener Beweinung, der Berliner Hirtenanbetung, dem Brügger Marientod - primär auf die Bildebene bezogen und
an sie gebunden.
Der Vergleich der beiden »Stile« der Unterzeichnung des Wiener Diptychons mit anderen Werken Hugos verbindet also einerseits Beweinung und
Genovefa mit den traditionell spät datierten Bildern wie Hirtenanbetung und
Marientod41, und setzt andererseits den Sündenfall in Beziehung zum generell früh angesetzten Monforte-Altar. In der bisherigen Forschung hatte der
stilistische Anschluß einer der beiden Tafeln, Sündenfall oder Beweinung,
an Früh- oder Spätwerke die Datierung des ganzen Diptychons nach sich gezogen. Der Grund für die gegensätzliche Gestaltung von Sündenfall und Bewei-
nung wurde in der jeweiligen Thematik und in der Kontrastierung des heils-
geschichtlichen Gegensatzpaares Sündenfall-Erlösung gesehen42. Doch wie ist
es zu erklären, daß diese gegensätzliche Gestaltung auch ein Bildelement, die
Unterzeichnung nämlich, erfaßt, das zu keiner Zeit die Erscheinung des Bildes
mitprägen sollte, dessen Kenntnis wir allein dem Alterungsprozeß der Farben
und der Infrarot-Technik verdanken?
Eine weitere, bei der Annahme einer gleichzeitigen Entstehung der Täfel-
chen irritierende technische Beobachtung läßt sich anschließen. Bereits
C. Thompson und L. Campbell (1974)43 hatten auf die handschriftliche Be-
sonderheit der Beweinung hingewiesen, mit der der Maler durch das partielle
Auskratzen der noch feuchten Farbe eine deutliche Differenzierung der Oberflächenstruktur erzielte. Diesem Kunstgriff, den wir am Bart des Joseph von
Arimathia wie an den Haaren des Johannes und des Mannes rechts von ihm
41 Das gleiche gilt sinngemäß auch für die zeitlich etwas früher anzusetzenden Tafeln in Edinburgh.
42 So etwa bei Thompson, Campbell (1974), S. 87f.
43 A.a.O., S. 89.
Der gemäldetechnologische Befund
75
Abb. 22 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Infrarot-Photographie, Joseph, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
76
Das Wiener Diptychon
beobachten können, begegnen wir auch bei den traditionell spätdatierten Werken wie der Edinburgher Tafel mit Sir Edward Bonkil (Tafel 11) und der Berliner Hirtenanbetung44, nicht jedoch beim Sündenfall (oder etwa dem Monforte-Altar). Obgleich bei der Wiener Tafel die üppige Haarflut Evas oder auch
die sich gegen den hellen Hintergrund des Berghanges im Mittelgrund abhebenden dunklen Haare Adams reichlich Gelegenheit zur Anwendung der
Kratztechnik geboten hätten, wurde sie hier nicht genutzt; die einzelnen
Haare sind vielmehr feinmalerisch in Farbe ausgeführt.
Angesichts dieser Befundlage ist - im Gegensatz zur traditionellen Annahme der Gleichzeitigkeit der Tafeln des Wiener Diptychons - wohl eher
daran zu denken, die Entstehung des Sündenfalls von der Ausführung der Beweinung (und der hl. Genovefa) zeitlich zu trennen; dies erscheint weit weniger problematisch als die anderenfalls unumgängliche Annahme, Hugo van
der Goes habe, um des Kontrastes zwischen Sündenfall und Beweinung willen,
bei der Konzeption des Diptychons entweder (bei früher Ansetzung der
Tafeln) seinen »Spätstil« für die Beweinung vorweggenommen oder aber (bei
später Datierung) für den Sündenfall auf eine frühe Stilstufe seines Schaffens
zurückgegriffen.
Doch wenden wir uns zunächst den Ergebnissen einer letzten gemäldetechnologischen Untersuchung des Diptychons zu. Wie die dendrochronologische
Analyse der Holztafeln zeigte45, handelt es sich - wie bei der Mehrzahl der
niederländischen Tafelbilder des 15. bis 17. Jahrhunderts - auch hier in beiden Fällen um Eichenholz aus dem baltischen Raum46. Der dendrochronologische Befund weist den beiden Bäumen, von denen das Holz der Tafeln
stammt, unterschiedliche Fälldaten zu: Die Jahrringe der Tafel des Sündenfalls
sind auf die Jahre 1212 bis 1448 zu datieren, die der Beweinung auf die Jahre
von 1300 bis 1454. Da bei keiner der beiden Tafeln Splintholzjahrringe vorhanden sind, muß dem letztgemessenen Jahrring jeweils ein den Sphntholzanteil baltischer Eichen berücksichtigender Mittelwert von 15 Jahren hinzugerechnet werden, um das frühestmögliche Fälldatum der Bäume zu bestimmen - ca. 1463 für das Holz der Tafel des Sündenfalles, ca. 1469 für das der
Tafel der Beweinung. Für die Lagerdauer des für niederländische Tafelbilder
des 15. Jahrhunderts bestimmten Eichenholzes vor seiner tatsächlichen Verwendung gibt es kaum Anhaltspunkte; zu wenige der allzuwenigen datierten
altniederländischen Tafelbilder sind bisher dendrochronologisch bestimmt,
44 A.a.O., S. 89. Die Kratz-Technik findet sich am Pelzbesatz des Amikt Bonkils in Edinburgh sowie
am Bart Josephs und in den Haaren des rechten der beiden Propheten der Berliner Hirtenanbetung.
43 Untersuchungsbericht von Dr. P. Klein, Hamburg, vom 22. 1. 1987.
46 Man vergleiche hierzu und zum folgenden Eckstein, Wazny, Bauch, Klein (1986), S. 465f. Für die
Grundlagen der Dendrochronologie und ihre Anwendung im kunsthistorischen Bereich zuletzt
Klein (1986), S. 225-237.
Die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons
77
zudem können Werkstattgewohnheiten von Maler zu Maler differiert haben.
Eine bis zu zehnjährige Lagerzeit scheint allerdings denkbar und wahrscheinlich47. Dies deutet auf eine Entstehung der Malerei des Sündenfalls um 1473,
der Beweinung um 1479 hin. Selbstverständlich beinhaltet das Ergebnis dieser
auf dem dendrochronologischen Befund basierenden Berechnung mehrere
Unsicherheitsfaktoren. So wissen wir weder, ob die Tafeln unmittelbar am
Splintholzansatz abgetrennt wurden, noch kennen wir den tatsächlichen
Umfang des jeweiligen Splintholzes oder die genaue Dauer der Ablagerung des
Holzes. Dennoch sind zwei Ergebnisse definitiv festzuhalten: Die beiden
Diptychon-Flügel sind aus dem Holz verschiedener Bäume geschnitten und die
Tafel der Beweinung kann, bei einem letztgemessenen Jahrring von 1454 und
der Annahme baldmöglicher Verarbeitung, kaum vor dem Beginn der 1470er
Jahre zur Bemalung verwendet worden sein, eher jedoch ab der Mitte dieses
Jahrzehntes. Selbst wenn man weiterhin an einer gleichzeitigen Entstehung
der Tafeln des Wiener Diptychons festhalten wollte, würde dies eine Frühdatierung, etwa »um 1467/68«48, ausschließen. Unter Berücksichtigung aller An-
haltspunkte für die Datierung der Tafeln scheint die Annahme einer zeitversetzten Entstehung der Tafeln am wahrscheinlichsten. Wie also wäre die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons zu rekonstruieren?
4. Die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons
Den Beginn der Entstehungsgeschichte des Diptychons markiert nach unserer
Auffassung allein der Sündenfall (Tafel 18, Abb. 4). In welchem Zusammenhang auch immer, diese Tafel scheint für einige Jahre für sich bestanden zu
haben, bevor sie um die Tafel der Beweinung und die gleichzeitig auf der Rückseite des Sündenfalls ausgeführte Darstellung der hl. Genovefa zum Diptychon
erweitert wurde49. Für eine Feindatierung des Sündenfalls bieten die Ergeb-
4 Bei dem auf 1452 datierten Diptychon mit Verkündigung, Geburt Christi und Weltgericht von
Petrus Christus in der Berliner Gemäldegalerie (ENP I, S. 83f, Tafel 77) wurde ein frühestmögliches
Fälldatum zwischen 1436 und 1441 ermittelt - dies würde eine Lagerzeit von 10 bis 15 Jahren nahelegen (Klein [1982], S. 259).
48 Panofsky (1953), S. 340.
*9 Es erscheint durchaus nicht ausgeschlossen, daß eine Einzeldarstellung des Sündenfalls ihren Auftraggeber fand; man vergleiche etwa die nur in Kopien überlieferte Darstellung einer Badestube
von Jan van Eyck (ENP I, S. 67f), die zugleich Ausgangspunkt auch für Hans Memlings große Tafel
der Bethseba im Bade war (ENP VI a, S. 49, 57, Nr. 25, 97, Tafel 78. Zu Van Eycks Bild vergl. auch
Peter Schabacker, Jan van Eyck's Woman at her Toilet: Proposais Concerning its Subject and Context; in: Fogg Art Museum Annual Report [1974-76], S. 56-78, der das verlorene Original in den
Kontext der Ausstattung der herzoglichen Badeanlagen im Brügger Prinsenhof stellt). Ein weiteres
78
Das Wiener Diptychon
nisse der gemäldetechnologischen Untersuchungen nur geringe Hilfestellung.
Die von dendrochronologischer Seite vorgeschlagene zeitliche Ansetzung der
Ausführung »ab 1473« basiert, wie bereits betont, auf einer Reihe von durchaus variablen Annahmen. Einer von kunsthistorischer Stilanalyse getragenen
Datierung um oder knapp vor 1470 steht sie somit nicht im Wege. In der Tat
scheint die Entstehung des Sündenfalls vor dem Monforte-Altar (Tafel 1), des-
sen Entstehung um 1470-72 von E. Dhanens (1985)dC mit Überlegungen
zum möglichen Auftraggeber bekräftigt wurde, durchaus wahrscheinlich.
Zweifellos steht der Sündenfall in der Wiedergabe der atmosphärischen Wirkung der lichtdurchfluteten, leuchtend-warmfarbenen Landschaft in nichts
den Ausblicken des Monforte-Altars nach, finden sich hier wie dort meisterlich geschilderte Lichtreflexe und Spiegelungen im Wasser der Teiche, ist die
Detailbehandlung ähnlich, gleichgültig, ob es sich um die nahsichtig gegebenen Haare der Hauptfiguren oder die sich fern über dem Horizont gegen den
Himmel abhebenden Baumkronen handelt. Das Interesse an verschiedensten
Oberflächen und die Fähigkeit, diese in Farbe umgesetzt wiederzugeben, findet sich in beiden Werken - man betrachte den schillernden Salamanderleib
im Sündenfall, die kostbaren Stoffe und Pelze oder auch die einfachen irdenen
Gefäße mit ihren Glasuren in der Wandnische im Monforte-Altar. Die Kopfbildung und Physiognomie Adams läßt diesen wie einen jüngeren Bruder des
zweiten Königs der Anbetung wirken, die Kopftypik Evas ist der der Monfor-
ter Maria eng verwandt, der Schnitt von Kopf und Gesicht des Versuchers
erinnert von ferne an den des Dieners des zweiten Königs. In einem wesentlichen Aspekt aber unterscheiden sich Sündenfall und Monforte-Anbetung.
Zeigt der Monforte-Altar schon unverkennbar die Monumentalität und
Größe der in sich ruhenden Gestalten, wie sie auch für die nachfolgenden
Werke Hugos kennzeichnend ist, so sind die Figuren des Sündenfalls von einer,
wie M. J. Friedländer (1926)51 es treffend faßte,
»... spitzen Zierlichkeit [und] Durchziseliertheit... [, die] sicherlich beiträgt zu dem
Eindrucke der Altertümlichkeit...«
dieser Tafel. Die Befangenheit und gewisse Steife der Figuren mag zwar z.T.
auf das Konto der besonderen Thematik der Darstellung gehen, die im VerBeispiel liefert die später mit einer halbfigurigen Mariendarstellung überdeckte Unterzeichnung
einer nackten Frauengestalt eines Malers des Bouts-Kreises, um 1475, Cambridge, Mass., Fogg Art
Museum, Harvard University (Eisler [1961], S. 54-57, Nr. 69, Tafel LIX). Angesichts der stilisti-
schen Zugehörigkeit der Genovefa zur Beweinung ist es äußerst unwahrscheinlich, daß zu der Tafel
des Sündenfalls anfangs ein anderer, verlorengegangener, und dann durch den jetzigen ersetzter
Diptychon-Flügel bestand - in diesem Fall hätte die Rückseite des Sündenfalls von Anfang an bemalt gewesen sein müssen, kaum aber im Stile der Beweinung.
30 Dhanens (1985), S. 21, identifizierte den ältesten König hypothetisch mit dem Kanzler Karls des
Kühnen, Willem Hugenot, und vermutete in ihm zugleich den Stifter des Altars.
51 Friedländer (1926), S. 34.
Die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons
79
gleich zu den übrigen Werken des Malers noch eingeschränkte Freiheit in der
Figurengestaltung deutet aber dennoch darauf hin, daß mit dem Wiener Sündenfall eine der frühesten eigenhändigen Arbeiten, noch vor dem MonforteAltar entstanden, erhalten geblieben ist.
Jahre später muß der damalige Besitzer der Tafel des Sündenfalles den Entschluß gefaßt haben, diese durch Hugo van der Goes selbst zum Diptychon
erweitern zu lassen. Dies machte nicht nur die Hinzufügung der Tafel der Beweinung notwendig (Tafel 19; Abb. 5), sondern auch die Bemalung der Rückseite des Sündenfalles mit der Figur der hl. Genovefa (Tafel 20, Abb. 3)d2. Die
Datierung dieser Erweiterung läßt sich mit weit größerer Sicherheit bestimmen als die Ausführung des Sündenfalls. Im Hinblick auf die engen stilistischen Bezüge, vor allem aber wegen der außergewöhnlichen Verwandtschaft
der Unterzeichnung der Beweinung mit Edinburgher Trinität, Berliner Hirtenanbetung und Brügger Marientod ist die Wiener Tafel in ihrer zeitlichen
Ansetzung diesen Werken der »ultima maniera« so weit als möglich anzunähern. Der dendrochronologische Befund für die Wiener Beweinung dient
so gleichzeitig der zeitlichen Bestimmung der traditionell spätdatierten Werke:
Um 1479, keinesfalls wesentlich früher, wird man sich die Ausführung von
Beweinung und Genovefa vorzustellen haben53, somit vermutlich knapp vor
Hirtenanbetung und Marientod.
Mitten im Arbeitsprozess an der Beweinung, zwischen Unterzeichnung
und erster Farbanlage, kam es - wie beschrieben - zu einer markanten Kompo-
sitionsänderung. Die ursprünglich streng symmetrisch angelegte Dreieckskomposition wurde verworfen, um die von rechts heraneilende, klagend die
Arme erhebende Frauengestalt mit ins Bild aufnehmen zu können. In modischer Zeittracht gegeben, kann sie nicht als Maria Magdalena identifiziert werden, da diese (gleichfalls in Zeittracht), der ikonographischen Tradition der
Darstellung der Beweinung folgend, ihren Platz zu Füßen des toten Christus
bereits in der ersten Bildkonzeption zugewiesen bekommen hatte. Noch eine
weitere Figur fällt durch ihre aufwendige Kleidung, gleichfalls der Mode der
Zeit folgend, auf: Der vorn rechts kniende Mann, der mit der Rechten einen
Zipfel des Leichentuchs ergriffen, die Linke pathetisch vor die Brust erhoben
hat. Zu seinem dunkelblauen, pelzgefütterten Gewand gehört der blaue, gold32 Ob auch die Rückseite der Beweinung von Hugo bemalt wurde, ist ungewiß; die Aussage der
Röntgenaufnahme spricht dagegen. Die jetzigen Malereifragmente sind fraglos ins 16. Jahrhundert
zu datieren.
In die gleiche Richtung weist auch die von Winkler (1964), S. 43f, beobachtete Übernahme der
Maria-Johannes-Gruppe der Wiener Beweinung in der Miniatur der Kreuzannagelung im Wiener
Stundenbuch der Maria von Burgund (s. o. S. 54, Anm. 20). Eine präzise Datierung besteht für
diese Miniatur zwar nicht, sie wird aber allgemein in die späten 1470er Jahre datiert (Thoss [1987],
S. 52-56, Kat. Nr. 16).
80
Das Wiener Diptychon
bestickte Hut, den er vor sich auf dem Boden abgelegt hat. In Form und Dekoration erinnert dieser Hut auffallend an Fürstenhüte, denen allerdings häufig
noch ein Kronreif umgelegt ist. Auf diesen Zusammenhang spielt ganz ohne
Frage die Dornenkrone Christi an, die - prominent auf eben diesen Hut
gelegt - den Kronreif ersetzt.
Dieser als Nikodemus benannten Gestalt widmete D. Denny (19 8 0)54 eine
ikonographische Studie: Die Dornenkrone auf dem Hut, die leuchtend rote
- blutrote - Kappe auf dem Kopf (solche Kappen wurden des öfteren unter
größeren Hüten getragen), die Blickrichtung auf Hut und Dornenkrone, die
bekenntnishaft erhobene Linke - Denny sah in dieser Motivkombination die
visuelle Umsetzung der insbesondere von der Devotio moderna propagierten
»Imitatio Christi«. Da Nikodemus der legendarischen Uberlieferung zufolge
der Schöpfer eines authentischen Bildes des Gekreuzigten war35, vermutete er
eine weitgehende Selbstidentifikation des Malers mit dieser Figur:
»If the Nicodemus of the painting is understood as a personal reference, a Statement
of Hugo's desire to be present imaginatively at the Lamentation, the Crown of Lhorns
lying on Nicodemus' hat appears as a symbolic Statement of the artist's desire to
partake of Christ's suffering.«56
Die Einkleidung der Identifikationsfigur Nikodemus in aristokratische Tracht
war für Denny Ausweis von Hugos nicht zu unterdrückendem Streben nach
weltlichen Ehrungen, Reichtum und Ruhm, an deren Widerspruch zu den
Forderungen des Klosterlebens er letztendlich auch zerbrochen sei.
Die Parallelisierung des Nikodemus mit Hugo van der Goes wirft allerdings
mehrere Probleme auf. Zunächst gibt es, wie Denny selbst feststellt, nicht ein
Beispiel in der altniederländischen Malerei, wo man die Darstellung des Nikodemus in Verbindung mit einem Künstlerselbstbildnis nachweisen oder auch
nur wahrscheinlich machen könnte. Auch wäre die Inanspruchnahme eines
»Fürstenhutes« durch den Maler eher erstaunlich: Hugos gut dokumentierte
Tätigkeit in Genter städtischen Diensten zeigt deutlich seine Einbettung in
die traditionellen Bindungen des Malers als Handwerksmeister. So gibt es auch
für die von Denny implizierte Annahme, Hugo habe bewußt den Künstler
nobilitierenden »Genievorstellungen« nachgehangen, keinerlei Anhaltspunkte.
Schließlich spricht aber die nachträgliche Einfügung der gleichfalls in Zeit-
tracht gekleideten Frauengestalt am deutlichsten gegen eine Gleichsetzung von
Nikodemus und Maler: Kann man Nikodemus, seiner ausgeprägten Portraitzüge zum Trotz, noch als zum heiligen Personal der Szene unbedingt zugehö54 Denny (1980), S. 121-124.
55 Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Aus dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz,
Heidelberg 91979, S. 702f.
56 Denny (1980), S. 123.
Die Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons
81
rig betrachten, so ist dies für die sekundär hinzugefügte Dame nicht mehr
möglich. Als eine der drei Marien scheidet sie schon wegen ihrer eleganten
Modetracht aus, als Maria Magdalena kommt sie aus bereits genannten Grün-
den nicht in Frage. Für ihre Einfügung wurde aber die bereits unterzeichnete Bildkonzeption entscheidend verändert. Welche Funktion hat sie dann
im Bilde?
Die markanten Portraitzüge des Mannes (die übrigen Männerköpfe sind
- wie auch die der Frauen - demgegenüber typisiert und finden sich vergleichbar auch in anderen Werken Hugos), seine Tracht und die von Denny zweifellos zu Recht beobachteten Bezüge von Dornenkrone, Hut und roter Kappe
zur Devotio moderna-Forderung nach individueller »Imitatio Christi« lassen
es durchaus als denkbar erscheinen, daß hier der Stifter des Bildes dargestellt
sein könnte. In der klagenden Frau, auf deren nachträgliche Flinzufügung man
so viel Wert gelegt hat, dürfte man dementsprechend die Stifterin, Frau oder
Tochter des Mannes, sehen. Im Hinblick auf die Tracht, insbesondere den
»Fürstenhut« des Mannes, könnte man an Mitglieder des burgundisch-niederländischen, möglicherweise auch französischen, Adels denken"17. Eine sichere
Entscheidung dieser Frage ist allerdings nicht zu treffen, denn selbst wenn man
in den Malereiresten auf der Bildrückseite der Beweinung (Abb. 6) zu Recht
Wappenhalter sieht, so muß sich das vom Inventar von 1659 belegte Wappenmotiv, »ein schwarczer Adler«, durchaus nicht auf das »Stifterpaar« der Beweinung beziehen58: Die spärlichen Reste dieser Darstellung stammen aus der
dritten Phase der Entstehungsgeschichte des Wiener Diptychons. Gleicherweise im Hinblick auf den bescheidenen Umfang der erhaltenen Bemalung
der Rückseite der Beweinung wie auf die geringe Qualität dieser Malerei dürfte
es schwerfallen, sie präzise zu datieren. Ahnlich wie die vermutlich gleichzeitige Einfügung der Bergrücken in der Bildtiefe sowohl des Sündenfalls wie der
Beweinung ist die rückseitige Bemalung der Beweinung wohl in der ersten
37 Eine Beziehung zu einem französischen Auftraggeber könnte durch die Wahl der hl. Genofeva, der
Stadtpatronin von Paris, ebenso gegeben sein, wie durch die markante Betonung der Dornenkrone
Christi, die als einer der bedeutendsten Reliquienschätze der französischen Hauptstadt in der
Sainte-Chapelle verehrt wurde. Für diesen Hinweis danke ich Felicitas Brachert, Nürnberg.
58 Oettinger (1938), S. 557, hatte auf Grund der Inventarnennung des schwarzen Adlers hypothetisch
an Erzherzog Maximilian als Auftraggeber gedacht, der nach Ausweis der Ofhuys-Chronik Hugo
van der Goes im Kloster besuchte. Diese Vermutung entbehrt aber wegen der Ungewißheit über
die ursprüngliche Bemalung der Rückseite der Beweinung jeder Grundlage.
Im Hinblick auf die Datierung der Erweiterung des Sündenfalls zum Diptychon um 1479, den
»Fürstenhut« und die Prominenz der Dame rechts oben ist ein weiteres Nachdenken über die mög-
liche Identität der »Stifter« zwar reizvoll, bleibt aber gänzlich hypothetisch. Wir besitzen zu
wenige aussagekräftige und sicher identifizierte Portraits der burgundischen Herzogsfamilie oder
gar des burgundisch-niederländischen Adels und Hochadels der Zeit, um die Züge von »Stifter«
oder »Stifterin« mit Gewißheit wiedererkennen zu können.
82
Das Wiener Diptychon
Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden59. Durch die auf gleicher Höhe verlaufenden neuen Tiefenhorizonte wurden die Tafeln zumindest in der Landschaftsgestaltung einander stärker angeglichen. Zu welchem Zeitpunkt die
Tafeln ihren Originalrahmen verloren, und wann die Bemalung der Rückseite
der Beweinung weitgehend zerstört wurde, ist nicht mehr zu ermitteln60. Mit
der vor 1804 zu datierenden Spaltung des linken Diptychon-Flügels war dann
die Geschichte der Veränderungen und wesentlichen Eingriffe in die Substanz
der Tafeln abgeschlossen.
5. Das Verhältnis von Sündenfall und Beweinung zur Bildtradition
Die unübersehbare Verwandtschaft von Adam und Eva (Tafel 18, Abb. 4) zu
den entsprechenden Figuren des Genter Altars (Abb. 7) diente, wie schon
erwähnt, vor allem den Vertretern der Frühdatierung als Indiz für eine Ansetzung der Tafeln in eine Phase der Tätigkeit Hugos, in der er sich noch nicht
gänzlich von seinen großen Vorbildern freigemacht und seinen eigenen, unverwechselbaren Stil gefunden haben sollte. Gleichzeitig wurde aber die spezifische Formulierung des Versuchers in Gestalt eines Salamanders mit Frauenkopf als Hugos ureigenste Erfindung betrachtet61. Eine lateinische Bibel aus
der Haarlemer Commanderie van Sint-Jans schildert nun in einer historisierten Initiale »I« den Sündenfall62 in einer dem Tafelbild bemerkenswert ähnlichen Art und Weise (Abb. 23). Der Haarlemer Sündenfall entspricht nicht
nur in der (seitenverkehrten) Figurenanordnung dem Wiener Bild, sondern
auch in der spezifischen Darstellung des Versuchers als aufrecht stehende,
grünlich schillernde Eidechse mit Frauenkopf. Die Besonderheiten dieser beiden Darstellungen weichen zugleich radikal von der traditionellen Ikonogra-
phie dieser Szene ab: Üblicherweise stehen Adam und Eva zu Seiten des Baums
der Erkenntnis, um den sich der Versucher in Gestalt einer Schlange mit dem
Oberkörper und Kopf einer Frau windet63. Es stellt sich also die Frage nach
dem Verhältnis von Haarlemer Miniatur und Wiener Tafelbild.
59 Drei Kopien nach der Wiener Beweinung liefern nur einen vagen terminus ante quem. Die wohl
qualitätvollste Wiederholung befindet sich in der Staatlichen Ermitage, St. Petersburg, und wurde
von Nikolai Nikulin, Niederländische Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts in sowjetischen
Museen, Leningrad 1987, o. S., Nr. 42, ins frühe 16. Jahrhundert datiert und unter Vorbehalt Mar-
cellus Koffermans zugeschrieben. Die beiden anderen Kopien in Budapest, Szepmüveszeti
Müzeum, und zuletzt in Den Haag, Sammlung G. Cramer (ENP IV, S. 68, Nr. 4a, b, Tafel 6).
60 Das im Inventar von 1659 erwähnte »hülzenen vergulden Rämbl« der Tafeln muß nicht mehr der
Originalrahmen des Diptychons gewesen sein.
61 Koch (1965), S. 323-326; Kessler (1965), S. 326-329.
62 Haarlem, Stadsbibliotheek, Ms. 187 C 1, fol. 7 recto. Die Kenntnis dieser Miniatur verdanke ich
dem freundlichen Hinweis von James H. Marrow, Princeton.
Das Verhältnis von Sündenfall und Beweinung zur Bildtradition
83
Abb. 23 Meister der Haarlemer Bibel,
I-Initiale mit Sündenfall, Haarlem, Stadsbibliotheek, Ms 187 C-l, fol. 7r
James H. Marrow gruppiert um die Haarlemer Bibel das sechsundzwanzig
Werke umfassende Oeuvre eines von ihm »Master of the Haarlem Bible« benannten Buchmalers64. Seine wohl in Haarlem anzusiedelnde Tätigkeit wird
durch datierte Werke von 1445 bis 1474 gesichert. Das namengebende Hauptwerk, die drei Bände umfassende Haarlemer Bibel, wird von Marrow aus stilistischen Erwägungen in die 1460er Jahre datiert, d. h. vor die von uns angenommene Entstehungszeit des Wiener Sündenfalls. Da einerseits das nackte
Stammelternpaar durch Abkratzen der Farbschicht weitgehend zerstört ist
und somit für einen direkten Vergleich mit den Wiener Figuren ausfällt, und
da andererseits der Versucher in der Einzelgestaltung durchaus eigenständige
Züge aufweist - man betrachte nur die andersartige Proportion des Leibes oder
den langen, geringelten Schwanz - , ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine
unmittelbare, wechselseitige Abhängigkeit der beiden Darstellungen. Vielmehr muß wohl mit der Bezugnahme beider Werke auf eine gemeinsame, ver63 Stellvertretend sei auf die etwa gleichzeitige Darstellung des Sündenfalls in der historisierten Initiale
»I« der niederländischen Historienbibel des Evert van Soudenbalch, Wien, Osterreichische Natio-
nalbibliothek, Cod. 2771, fol. 10 recto, Utrecht, um 1460, verwiesen (Otto Pacht, Ulrike Jenni,
Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibhothek, Bd. 3:
Holländische Schule, Text- und Tafelband, Wien 1975, S. 43-85, hier S. 50, Farbtafel V).
64 Für die großzügige Erlaubnis, vorab Einsicht in das Manuskript seines Kataloges der nordniederländischen Buchmalerei nehmen zu können, bin ich J. Marrow zu Dank verpflichtet (James H.
Marrow, Descriptive and Analytical Catalogue of Dutch Illuminated Manuscripts, Doornspijk
1991; im Druck).
84
Das Wiener Diptychon
lorene Vorlage gerechnet werden. Kennzeichnenderweise folgt die Mehrzahl
der Darstellungen des Versuchers als Echse aus dem endenden 15. und dem
beginnenden 16. Jahrhunderts eher dem Typus der Haarlemer Miniatur als
Hugos Wiener Sündenfall65.
Auch bei Hugos Wiener Formulierung der Beweinung Christi (Tafel 19;
Abb. 5) wurden Bezüge zur altniederländischen Bildtradition erkannt. So wies
erstmals J. Destree (1914)66 auf die Verwandtschaft mit der Rogier van der
Weyden zugeschriebenen Beweinung Christi im Mauritshuis in Den Haag
(Abb. 24)67 hin. Hugos Abhängigkeit von diesem Bild sollte auch von der
nachfolgenden Forschung allgemein angenommen werden68. Die Haager Beweinung hatte zwar zu keiner Zeit volle Anerkennung als eigenhändiges Werk
Rogiers erfahren69, galt aber seit E. Panofskys (1951) ~ Identifizierung des
Stifters als Pierre de Ranchicourt, Bischof von Arras in den Jahren 1463 bis
1499, zumindest als von Rogier selbst (frühestens 1463 !) begonnen und nach
seinem Tode im Juni 1464 von einem Mitarbeiter seiner Werkstatt, möglicherweise von Hans Memling, vollendet72.
63 So folgt etwa die Miniaturdarstellung des Sündenfalls im Breviarium Grimani der Biblioteca di S.
Marco in Venedig (Breviarium Grimani. Faksimileausgabe der Miniaturen und Kommentar.
Herausgegeben von Andreas Grote, Berlin 1973, S. 62, Tafel 45) sowohl in der Darstellung des auf
Eva zuschreitenden Adams als auch in der Wiedergabe des Versuchers als Salamander mit langem,
aufgerolltem Schwanz eher der Haarlemer Miniatur als dem Wiener Tafelbild. Ahnlich liegt der
Fall in der historisierten Initiale »H« in einem um 1495 in Utrecht entstandenen Stundenbuch der
Staatsbibliothek Berlin (Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. qu. 194;
Gerard Achten, Das christliche Gebetbuch im Mittelalter. Andachts- und Stundenbücher in Handschrift und Frühdruck, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Berlin 21987, S. 103, Kat. Nr. 69,
m. Abb.). Hier ist auf die Darstellung Adams verzichtet; der Versucher steht links, Eva rechts vom
Baum der Erkenntnis. Der Versucher ist auch hier als echsenartiges Mischwesen mit Frauenkopf
und langem geringeltem Schwanz ins Bild gesetzt.
Demgegenüber scheinen die Hieronymus Bosch und seinem Kreis zugeschriebenen Darstellungen
des Versuchers eher dem Vorbild von Hugos Wiener Tafelbild zu folgen (Koch [1965], S. 326~:''26;
Kessler [1965], S. 328 "■9, Tafel 50a).
66 Destree (1914), S. 4lf.
67 ENP II, S. 69, Nr. 46, Tafel 68.
6S So z.B. Winkler (1964), S. 43.
69 So wurde die Haager Beweinung u.a. von Friedländer (1924), S. 106, Nr. 46, als »gut erhaltenes
Meisterwerk aus der Zeit um 1460« bezeichnet, während z.B. Davies (1972), S. 79f, an dem Bild
bestenfalls eine Beteiligung Rogiers erkennen konnte.
70 Panofsky (1951), S. 33-40.
Demgegenüber schlug jüngst Albert Chätelet, Roger van der Weyden et le lobby polinois; in: Revue
de l'art 84 (1989), S. 9-21, die Identifikation des auf dem Haager Bild Dargestellten als Philippe
Courault, von 1445 bis 1471 Abt der Genter Benediktiner-Abtei St. Peter, vor. Er hielt das Bild
für ein mutmaßlich um 1471 entstandenes Werk der Rogier-Nachfolge.
'1 Das Datum der Erhebung Ranchicourts zum Bischof von Arras am 17. April 1463, angeblich in
Rom, lieferte Panofsky zufolge einen eindeutigen terminus post quem für das Haager Bild, denn
zuvor hatte Ranchicourt zwar das Amt eines Protonotarius apostolicus, nicht aber das eines
Bischofs bekleidet.
71 Der Befund der Infrarot-Reflektographie schien auch für Van Asperen de Boer (1970), S. 68-71,
Das Verhältnis von Sündenfall und Beweinung zur Bildtradition
85
Abb. 24 Rogier-Nachfolge, Beweinung Christi, Den Haag, Mauritshuis
Das Verhältnis von Haager und Wiener Beweinung zueinander, und damit
die Zuschreibung und Datierung des Haager Bildes an die Rogier-Werkstatt
um 1464, ist aber durchaus nicht so eindeutig, wie in der jüngeren Forschung
bisher angenommen. Bereits J. Destree (1914) und K. W. Jähnig (1914)73 hatten (wenn auch mit unterschiedlichen Schlußfolgerungen) darauf hingewiesen,
daß das Haager Bild nicht nur Beziehungen zu Hugos Wiener Beweinung,
sondern - mit der Figur der Maria Magdalena - auch zum Portinari-Altar
(Tafel 5) aufweist. Die »Verwandtschaft« des Haager Bildes mit dem Floren-
tiner Altar geht aber noch wesentlich über Ähnlichkeiten in Kopftypik und
Kopfputz der Magdalena hinaus. Sowohl die beiden am linken Bildrand stehenden klagenden Frauen als auch Petrus und Paulus des Haager Bildes glei-
chen in Gewandung und, eingeschränkt, in der Kopftypik den Heiligen des
Portinari-Altars, haben aber untereinander die Gewandung ausgetauscht: Die
Klagende mit dem Salbgefäß in Den Haag gleicht zwar in Kopftypik und im
darauf hinzudeuten, daß zwei unterschiedliche Hände an der Ausführung des Bildes beteiligt waren
- eine, mutmaßlich die Rogiers, die die Unterzeichnung und die erste Farbanlage ausführte, eine
zweite, wohl die eines Werkstattmitarbeiters, die das Bild vollendete.
73 Destree (1914), S. 41f; Jähnig (1914), S. 95-99.
86
Das Wiener Diptychon
Hinblick auf ihren Kopfputz der Florentiner Maria Magdalena, trägt aber mit
dunkelblauem Gewand und rotem Umhang die Kleidung der Margarete des
Portinari-Altars. Die ihre Hände pathetisch ringende Frau des Haager Bildes
erinnert demgegenüber mit einem aufwendig mit Pelz gefütterten Gewand
und dunkelblauem Umhang an die Florentiner Magdalena. Analog verhält es
sich bei Petrus und Paulus; während Petrus das schwarzfarbene Gewand des
hl. Antonius des Portinari-Altars trägt, ist Paulus in ein grünes Gewand und
einen roten Umhang gekleidet - der Florentiner Thomas trägt ein rotes Gewand und einen grünen Umhang. Insbesondere die Gestaltung des Kopfes
Pauli, der (mit Ausnahme der am linken Bildrand Stehenden) deutlich von den
gänzlich an Rogier orientierten Kopftypen der übrigen Figuren abweicht,
weist unverkennbar eine enge Verwandtschaft zu Hugos Thomas-Kopf auf. In
welchem Verhältnis aber stehen dann Haager Beweinung und Portinari-Altar
zueinander?
Ein Blick auf Bildpersonal und Gesamtkomposition der Haager Beweinung
kann hier weiterhelfen: Versucht man, die dargestellten Figuren zu benennen,
so stößt man bei den weiblichen Heiligen rasch auf das Problem einer »Doppelbesetzung« - sowohl die vorn links Kniende als auch die am linken Bildrand
mit dem Salbgefäß Stehende kommt als Maria Magdalena in Betracht, keine
der beiden aber nimmt den der Magdalena eigentlich zustehenden Platz zu
Füßen Christi ein. Diese Position ist dem Stifter zugewiesen, der am rechten
Bildrand, begleitet von seinen Schutzpatronen Petrus und Paulus, der eigentlichen Szene angefügt ist. Die Einfügung der beiden am linken Bildrand stehenden Frauen war nun, im Interesse der kompositionellen Balance, offensichtlich die Folge der Erweiterung der Tafel am rechten Bildrand um den Stif-
ter und die ihn empfehlenden Heiligen. Die Haager Tafel trägt mit dieser
deutlich nachvollziehbaren sukzessiven Kompositionserweiterung, den Un-
gereimtheiten in der Darstellung der Marien und in der Anlehnung an Hugos
Wiener Beweinung für die Figur der vorn links Hockenden bzw. an den Portinari-Altar für die stehenden Heiligen rechts und links außen alle Züge eines
Pasticcio. Wegen ihrer Bezugnahme auf Portinari-Altar und Wiener Beweinung kann die Haager Tafel aber nicht vor das Ende der 1470er Jahre datiert
werden, sie ist mithin wie eine Reihe anderer Werke das Ergebnis der »RogierRenaissance« im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts74 und muß aus der
74 So bereits Jähnig (1914), S. 95-99.
Die Vermutung, daß ein Teil der Kopien nach Werken Rogiers erst nach seinem Tod entstanden
sein dürfte, ist verschiedentlich geäußert worden. Es betrifft dies vor allem die Kopien der Lukas-
Madonna (ENP II, S. 8lf, Nr. 106a-i, Tafel 118-119) und der Beweinung Christi (ENP II, S. 64,
Nr. 20, 20a-d, Tafel 40-41; dazu auch Philippe Roberts-Jones, La Pieta de van der Weyden.
Reflexion sur la notion de Variante; in: Bulletin de l'Institut royale du Patrimoine artistique 15
[1975], S. 338-350; Jose M. Cabrera, La Piedad de Roger Van der Weyden. Analisis de laboratorio;
Das Verhältnis von Sündenfall und Beweinung zur Bildtradition
87
Diskussion der möglichen Vorlagen Hugos für die Formulierung der Wiener
Beweinung ausscheiden.
Die Orientierung von Hugos Wiener Beweinung an einer Darstellung des
gleichen Themas von Rogier van der Weyden wurde dennoch überzeugend
nachgewiesen. So konnte A. Rosenauer (19 69)75 zeigen, daß sich - besonders
getreu - in Werken der österreichischen Malerei des 15. Jahrhunderts eine im
Original verlorene Beweinung des Rogier van der Weyden, vermutlich aus den
1430er Jahren, spiegelt. Insbesondere die Tafel mit der Beweinung Christi76
des Schottenmeisters von dem auf das Jahr 1469 datierten Wiener Schotten-
Altar zeigt deutliche Parallelen zur Wiener Beweinung (Abb. 25): In beiden
Darstellungen wird der Oberkörper des auf einem Leichentuch auf dem
Boden liegenden Heilands von einem Helfer gehalten, während Maria, vom
heraneilenden Johannes gestützt, sich weit über ihren toten Sohn beugt. In beiden Darstellungen schließen sich in diagonaler Staffelung weitere Figuren an,
die sich z.T. mit den Kreuzesnägeln beschäftigen. Wie schon von Rosenauer
beobachtet, gehen wohl nur die Figuren der sich Christus unmittelbar Zuwendenden sowie die beiden Frauen direkt hinter Maria auf das Rogier-Urbild zu-
rück. Demgegenüber stammen sowohl die Männer am linken als auch die
Trauernde am rechten Bildrand/7 aus anderen Bildzusammenhängen, aus
denen sie zur Erweiterung der ursprünglichen Komposition hierher übertragen wurden. Berücksichtigt man die nur in der Unterzeichnung dokumentierte Erstfassung von Hugos Komposition, so wird die Ähnlichkeit zur Tafel
des Schotten-Altars noch markanter: Hier wie dort im Kern eine symmetrisch
aufgebaute Dreieckskomposition, die in den Figuren der trauernden Frauen
in: Boletin del Museo del Prado 1 [1980], S. 39-49). Für eine Reihe von Werken, die bislang Rogier
selbst oder doch zumindest seiner Werkstatt zugeschrieben wurden, konnte die Dendrochronologie frühestmögliche Entstehungsdaten erst für das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts sichern, so
z.B. für den Marien-Altar (Granada, New York) und die Lukasmadonna (München) ab 1484, den
Johannes-Altar (Frankfurt) ab 1509, die Beweinung (Berlin) ab 1511 (Peter Klein, Dendrochronological studies on oak panels of Rogier van der Weyden and his circle; in: Le dessin sous-jacent dans
la peinture, Colloque VII, Louvain-la-Neuve 1989, S. 25-36).
Angesichts der außerordentlichen stilistischen Nähe der nicht von Hugo abhängigen Figuren des
Haager Bildes zu Rogier, vor allem auch im Hinblick auf die Tatsache, daß der Stifter zweifellos
auch auf Rogier van der Weydens Sakraments-Altar in Antwerpen, Musee des Beaux-Arts, dargestellt ist (Panofsky [1951], S. 33-40), erscheint es am wahrscheinlichsten, daß der unbekannte
Maler des Haager Bildes auf Zeichnungen oder ähnliches Arbeitsmaterial der Rogier-Werkstatt
zurückgreifen konnte. Dies könnte auch am zwanglosesten erklären, weshalb der Stifter auf dem
Haager Bild nur unwesentlich älter erscheint als auf dem Antwerpener Sakraments-Altar.
/:> Rosenauer (1969), S. 157-166.
76 Beweinung Christi, Tafel aus dem sogenannten Schotten-Altar; Wien, Osterreichische Galerie,
Inv. Nr. 4854; Baum (1971), S. 96-98.
7 Diese Gestalt ist offensichtlich ein Bildzitat nach Rogier van der Weydens trauernder Magdalena
auf der Innenseite des linken Flügels des Kreuzigungs-Triptychons im Kunsthistorischen Museum
in Wien (ENP II, S. 62, Nr. 11, Tafel 18).
88
Das Wiener Diptychon
Abb. 25 Meister des Schotten-Altars, Beweinung Christi aus
dem Schotten-Altar, Wien, Österreichische Galerie
gipfelt, hinterfangen von dem sich unmittelbar hinter den Figuren erhebenden
Kreuz mit der daran gelegten Leiter - die enge Anlehnung an die auf Rogier
zurückgehende Beweinungsdarstellung könnte kaum deutlicher werden. Erst
die Notwendigkeit der nachträglichen Einfügung der versuchsweise als Stifterin angesprochenen klagenden Dame am rechten Bildrand erzwang die Abweichung von dieser Formulierung der Beweinung und führte so zu der singulären Darstellung der Wiener Tafel.
6. Das Verhältnis der Wiener Beweinung zu den traditionell
spätdatierten Werken
Im Hinblick auf ihre spezifische Darstellungsform ist ein Vergleich der Wiener
Beweinung (Tafel 19, Abb. 5) mit den Werken der »ultima maniera« Hugos,
der Berliner Hirtenanbetung und dem Brügger Marientod, aufschlußreich.
Das auffallendste Kompositionsmerkmal der Beweinung ist fraglos die aus
einer doppelten, parallel geführten Figurenreihe gebildete, steil nach rechts abstürzende Diagonale, die kaum von einer sich aus dem Leichnam Christi und
Das Verhältnis der Beweinung zu den spätdatierten Werken
89
den Figuren des Joseph von Arimathia und der klagenden »Stifterin« zusammensetzenden, nach rechts oben aufsteigenden, weiteren Diagonalen aufgefangen wird. Die Figurenordnung innerhalb der Doppelreihe mehr über- als hintereinander führt zu einer stärkeren Bindung der Einzelfigur an die Bildebene
als zu deren überzeugenden Einstellung in einen sich jenseits der Bildfläche
öffnenden Bildraum. Dieser Eindruck der relativen Raumlosigkeit innerhalb
der Figurengruppierung, der in wesentlichem Umfang zur Dramatik der nach
rechts unten stürzenden Komposition beiträgt, wird nur unwesentlich durch
die beiden rechts und links nahe der Bildfläche hockenden Figuren von Maria
Magdalena und Nikodemus gemildert. Wie Magdalena öffnet zwar auch Nikodemus den Bildraum für den Betrachter, zugleich aber ist er Endpunkt der die
Bildebene betonenden Hauptdiagonalen. Zwischen diesen beiden Figuren am
vorderen Bildrand ist der Leichnam Christi der gegenläufigen Diagonalen solcher Art eingefügt, daß er - seiner Lagerung im Winkel zur Bildebene ungeachtet - die Flächenbindung der Gesamtkomposition nur noch verstärkt.
In ihren Konstruktionsprinzipien der Wiener Beweinung eng verwandt ist
die Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14). Zwar sind hier die beiden den Bildraum
dem Betrachter im Wortsinne »öffnenden« Gestalten (der unmittelbare Bezug
zur belehrenden, theaterhaften Darstellung des Weihnachtsgeschehens ist unübersehbar) schon durch ihre Darstellung als Halbfiguren von der eigentlichen
Handlung der Anbetung des Kindes stärker abgesetzt als dies bei der Wiener
Beweinung für Magdalena und Nikodemus zutrifft; zugleich aber sind sie,
durch den bildparallel geführten Vorhang, den sie öffnen, wie durch die gleichfalls bildparallel verlaufende vordere Begrenzung der Anbetungsszenerie deutlich in eine schmale, der eigentlichen Darstellung vorgelagerte Raumschicht
eingestellt. In einer von der Wiener Beweinung her bereits bekannten Weise
ist das Bildpersonal der Anbetung selbst in nach rechts abfallender diagonaler
Figurenanordnung auch hier mehr über- als hintereinander gestaffelt. Die in
diesen Gestaltungsprinzipien zum Ausdruck kommende Tendenz der Bin-
dung der Bildgegenstände an die Fläche ist auch in der Architekturdarstellung
unübersehbar: Offenkundig widersetzt sich die Darstellung des Stalles bewußt
einer rationalen perspektivischen Organisation, einzelne Architekturteile, wie
die halbhohe Mauer hinter den hereinstürmenden Hirten, stehen ohne jeden
erkennbaren Zusammenhang im Raum, werden dafür aber sorgsam bildparallel - in diesem Falle vom Ochsen hinter Joseph - kompositionell ausbalanciert.
Analoge Beobachtungen lassen sich am Brügger Marientod machen (Tafel 16):
Auch hier findet sich die charakteristische diagonale Anordnung der mehr
über- als hintereinander gestaffelten Figuren, auch hier trifft man auf die
gezielte Verschleierung aller Bildelemente, die den Raum ablesbar machen
könnten, sowie die durchgehende Flächenbindung aller Kompositionselemente.
90
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Weder bei der Hirtenanbetung noch beim Marientod lassen sich irgendwelche Abweichungen zwischen Unterzeichnung und Farbausführung im Hinblick auf die Komposition feststellen - dies in markantem Gegensatz zur Wiener Beweinung. Dort hatte Hugo auf außerordentlich ökonomische Weise die
zunächst geplante Dreieckskomposition wegen der nachträglich notwendig
gewordenen Einfügung der »Stifterin« in die durch ihre Diagonalstruktur
entscheidend dynamisierte Endfassung umgesetzt. Da Hirtenanbetung und
Marientod diesen Gestaltungsprinzipien in noch extremerer Weise unterworfen sind als die Wiener Beweinung, und da aus diesem Grunde ihre Entstehung
nach der Wiener Tafel zu vermuten ist, ist der Gedanke zweifellos verlockend,
in der Wiener Beweinung das »Experimentierfeld« für die Entwicklung der
für die Spätwerke dann so überaus charakteristischen Gestaltungsprinzipien
zu sehen - eine Entwicklung, die durch die Notwendigkeit der Anpassung der
Komposition an die scheinbar während der Arbeit an der Tafel sich ändernden
Auftraggeberwünsche erzwungen wurde.
Doch auch in weiterem Hinblick ist die Wiener Beweinung für das Verständnis der Werke der »ultima maniera« von Interesse: Bei einer Datierung
um 1479 liegt ihre Entstehung sicherlich nach dem Portinari-Altar (Tafel 5,
Abb. 97) und den Edinburgher Flügeln (Tafeln 8-11) und - wie schon betont - vermutlich vor der Berliner Hirtenanbetung und dem Brügger Marientod. Die Wiener Beweinung (und mit ihr die Genovefa auf der Rückseite des
früher entstandenen Sündenfalls) wäre demnach das älteste uns erhalten geblie-
bene Werk der »ultima maniera« mit seiner spezifischen weiblichen Kopftypik, die so markant von den Engels- und Frauenköpfen des Portmari-Altars
und der Edinburgher Tafeln abweicht, und zugleich die Erinnerung an den
Kopftypus der Maria des Monforte-Altars (und der Eva des Wiener Sündenfalls) wachruft (Tafeln 1, 18). So scheint die hier erstmals wieder auftretende
Kopftypik der Werke aus der Zeit vor Florenz und Edinburgh die Konsequenz
einer bewußten Angleichung der Frauenköpfe der Wiener Beweinung (und
der Genovefa) an die frühe, nun zum Diptychon erweiterte Tafel des Sündenfalls zu sein.
II. Von der Einzeltafel zum Triptychon: Das Frankfurter Marien-Altärchen
Das Marien-Triptychon des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt (Tafel 21,
Abb. 26, 28)1 zeigt im oben halbkreisförmig geschlossenen, aber rechteckig
gerahmten Bildfeld der Mitteltafel die Halbfigur der Madonna mit dem Kind,
auf den Innenseiten der Flügel das Stifterpaar mit empfehlenden Heiligen, im
geschlossenen Zustand schließlich die Verkündigung an Maria.
Die oben halbrund geschlossene Mitteltafel (Tafel 21) selbst zeigt vor rotem,
goldgepunktetem Hintergrund die Halbfigur der frontal stehenden Madonna,
die mit beiden Händen das Kind vor ihrer Brust emporgehoben hat und es
so dem Betrachter präsentiert. Ihr Kopf ist leicht geneigt, ihr Blick auf das
Kind gerichtet. Die Madonna trägt ein langärmeliges Untergewand, darüber
ein graupelzgefüttertes, weitärmeliges, blaues Gewand und einen gleichfarbenen Umhang, den sie über den Hinterkopf gezogen hat. Uber ihren braunen,
hellbraun gehöhten, welligen Haaren verläuft eine Perlenschnur. Das nackte,
grauhaarige Kind sitzt auf einer weißen Stoffwindel. In der erhobenen Linken eine weiße Nelke emporhaltend, blickt es den Betrachter aus dem Bild
heraus unmittelbar an. Die ihrerseits vom einfach profilierten, vergoldeten
Originalrahmen umschlossene Tafel - auf dem Wasserschlag das Motto »EN
ESPERANCE« - ist in ein zweites, rechteckiges, innen vergoldetes und
außen schwarzgefaßtes Rahmensystem eingelassen, wobei die so entstehenden
Zwickel durch die plastisch gearbeiteten Wappen des Stifterpaares2 verdeckt
werden (Abb. 26, 27). Auch hier erscheint auf dem Wasserschlag die Inschrift
mit dem Motto.
Die Innenseiten der Flügel haben ein der erweiterten Mitteltafel entspre-
chendes Profil; auf dem Wasserschlag erneut das Motto. Die Bildfelder zeigen
vor gleichfalls rotem, goldgepunktetem Hintergrund die von ihren Schutzheiligen empfohlenen Stifter. Auf dem linken Flügel die Dreiviertelfigur des Stifters, im Dreiviertelprofil betend nach rechts gewandt, mit schwarzem Gewand
und dunkelrotem, teilweise schwarz besetztem, pelzgefüttertem Ubergewand,
hinter ihm stehend der hl. Wilhelm3 mit Kettenhemd, schwarzer Kutte und
1 Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Inv. Nr. 802; Eiche, 30,0 x 23,5 cm (Mitteltafel einschließlich
der äußeren Rahmung), 30,0 x 11,5 cm (Flügel); Städelsches Kunstinstitut. Verzeichnis der Gemälde aus dem Besitz des Städelschen Kunstinstituts und der Stadt Frankfurt, Frankfurt am Main
1971, S. 25.
2 Weizsäcker (1900), S. 134-136: »In den Zwickeln der Umrahmung oben rechts und links (heraldisch) die Wappen der auf den Flügeln abgebildeten ehemaligen Besitzer oder Besteller, rechts van
Overbeke: in Silber ein schwarzer Sparren, an der Spitze belegt mit einem goldenen Flalbmond,
begleitet von drei (2. 1.) schwarzen Merletten. Links das Ehewappen: gespalten, vorne van Overbeke; hinten de Keysere, getheilt, oben in Silber ein rother Balken, darüber drei schwarze Merletten
nebeneinander, unten in Blau drei silberne Ringe (2. 1.) und dazwischen eine Rose.«
1 L. Schütz, K. G. Kaster, s. v. »Wilhelm (Guilielmus) von Maleval (der Große)«; in: LCI, Bd. 8,
Rom u.a. O. 1976, Sp. 607-612.
92
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Abb. 26 Hugo van der Goes und Brügger(?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, geöffneter Zustand, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
Helm, in der Linken eine mit einem weißen Wimpel versehene Lanze. Auf
dem rechten Innenflügel in entsprechender Anordnung die Stifterin mit dun-
kelrotem, von einem Metallgürtel umschlossenem Gewand und einer schwarzen Haube, hinter ihr Johannes der Täufer mit Fellgewand und grünem Umhang. Der Täufer hat seine Linke der Stifterin empfehlend auf die Schulter gelegt und hält in der Rechten auf einem Buch das Lamm Gottes. Die Flügelaußenseiten sind völlig glatt, ohne profilierte Rahmung (Abb. 28). Sie zeigen
die Verkündigung, links den Engel, rechts Maria, als Bildwerke in Rundbogen-
nischen. Architektur wie Figuren sind in Grisaille ausgeführt, lediglich die
Inkarnate und Haare sowie Szepter und Lilie sind farbig gefaßt. Der ursprüngliche Verschluß des Triptychons ist verlorengegangen, die Scharniere hingegen
sind original.
Forschungsgeschichte
93
Abb. 27 Brügger(?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, geöffneter Zustand bei herausgenommener Mitteltafel, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
1. Zur Forschungsgeschichte
Das Marien-Triptychon gelangte 1830 ins Städelsche Kunstinstitut4. Es galt
dort als »burgundische« oder »niederländische« Arbeit des 15. Jahrhunderts5.
J. D. Passavant (1844)6 machte erstmals auf den deutlichen Qualitätsunterschied zwischen Mitteltafel und Flügeln aufmerksam und wies letztere einer
4 Weizsäcker (1900), S. 134-136.
Uber die Provenienz ist nichts bekannt. Das Stück wurde auf Vermittlung von Prof. M. Oppenheim, Frankfurt, erworben. Im Verzeichniss der Gemälde-Sammlung des Städel'schen Kunst-Instituts zu Frankfurt a. M., Frankfurt 1830, ist das Bild noch nicht aufgeführt. In der Wiedergabe der
Bilderhängung in Gemälde-Gallerie des Städel'schen Kunst-Instituts nach der Aufstellung am
15. März 1833, o. O. , o. J. , o. S. , ist das Marien-Triptychon wohl mit dem mit »Unbekannt. Maria
mit dem Kinde« bezeichneten Bilde im »Altdeutschen Saal, westliche Wand« identisch.
■ So erstmals im Verzeichnis der öffentlich ausgestellten Kunst-Gegenstände des Städelschen Kunst-
Instituts, Frankfurt a. M. 1835, S. 64.
6 Passavant (1844), S. 82f.
94
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Abb. 28 Brügger(?) Meister um 1490, Marien-Triptychon,
geschlossener Zustand, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
schwächeren Hand zu; den Maler der Mitteltafel wußte er allerdings auch
nicht zu bestimmen. Dies gelang erst L. Scheibler (1887)7 und seine Zuschreibung der Madonnentafel an Hugo sollte in der Folge nicht mehr angezweifelt
werden.
A. Schnütgen (1897)8 beobachtete als erster die Doppelrahmung des Mittelbildes und schloß daraus auf eine frühere Entstehung der Madonnentafel gegenüber den erst später hinzugefügten Flügeln. Für die nachfolgenden Bemühungen um eine chronologische Einordnung der Madonnentafel sollte diese
Beobachtung hohe Bedeutung erlangen, denn schon 1900 konnte H. Weizsäcker9 die Identifizierung der Stifterwappen durch den belgischen Heraldiker J. Th. de Raadt10 mitteilen. Demnach handelt es sich bei den Stiftern
7 Scheibler (1887), S. 279.
s Firmenich-Richartz (1897), Sp. 1955 (Anmerkung vom Herausgeber Alexander Schnütgen).
9 Weizsäcker (1900), S. 134-136.
Forschungsgeschichte
95
um Wilhelm van Overbeke, der als Sekretär des Großen Rates in Mecheln bis
zu seinem Tod 1529 eine einflußreiche politische Rolle in den Niederlanden
spielte11, und um seine 1517 gestorbene Frau Johanna de Keysere. Das Paar
hatte am 5. Februar 1478 die Ehe geschlossen. Die Erweiterung der Mitteltafel
zum Triptychon wurde im folgenden meist mit dem Datum der Heirat in Verbindung gebracht, für die Entstehung der Madonnentafel folglich ein terminus
ante quem von 1478 angenommen. Welcher Zeitraum allerdings zwischen
ihrer Ausführung und der für 1478 angenommenen Einfügung in den kleinen
Flügelaltar anzunehmen wäre, blieb in der Forschung umstritten. Bereits
A. Goldschmidt (1903)12 wies auf die Ubereinstimmung mit dem Wiener
Diptychon (Tafeln 18 — 20)13 hin und datierte beide Werke in Hugos frühe
Schaffensperiode. Diese gleichartige Einschätzung von Frankfurter Madonna
und Wiener Diptychon als Arbeiten aus den künstlerischen Anfängen des
Malers fand breite Zustimmung14.
Ebenfalls in Verbindung mit dem Wiener Diptychon wurde die Frankfurter
Tafel aber auch als Spätwerk betrachtet. So sah K. Oettinger (1938)lD im Jahr
der Eheschließung des Stifterpaars, 1478, den terminus ad quem nicht nur für
die Erweiterung zum Triptychon, sondern auch für die Entstehung des
Madonnenbildes selbst. Das bei der Frankfurter Marientafel im Vergleich zum
Portinari-Altar (Tafel 5)
»... radikale Zurücktreten... (von) Stofflichkeit und gegenstandsrealistischer Wir-
kung ... zugunsten der Steigerung des seelischen Gehalts und der Intensivierung des
Miterlebens im Beschauer.. ,«16
rechtfertigte für ihn diese späte Ansetzung des Bildes, die gleichfalls ihre Anhänger fand17. Aber auch die erste Hälfte der 1470er Jahre wurde mit Hin-
weis auf stilistische Parallelen zum Portinari-Altar für die Entstehung der
Marientafel vereinzelt in Anspruch genommen18.
10 J. Th. de Raadt, Sceaux armories des Pays-Bas et des pays avoisinants. Recueil historique et heraldique, Bd. 3, Bruxelles 1901, S. 89.
11 Alida Johanna Maria Kerckhoffs-de Heij, De Grote Raad en zijn functionarissen 1477-1531, Academisch Proefschrift, Bd. 1, Amsterdam 1980 (Verzamelen en bewerken van de jurisprudentie van
de Grote Raad, N. R. 5), S. 51.
12 Goldschmidt (1903), Sp. 997.
13 Die Vergleiche bezogen sich, entsprechend der Frühdatierung beider Werke, auf den Sündenfall.
14 Destree (1907 a), S. 516f; derselbe (1914), S. 31-33, 211; Friedländer (1916), S. 48; derselbe (1926),
S. 38f, 124; Pfister (1923), S. 11, 25; Tolnay (1944), S. 181; Panofsky (1953), S. 338, 340; Held (1955),
S. 231; Winkler (1957), S. 17f; derselbe (1964), S. 54-58; Lavalleye (1962), S. 37f; Pacht (1969),
S. 43, 52.
13 Oettinger (1938), S. 44-49.
16 A.a.O., S. 47.
17 Seeck (1913/14), S. 591; Osborn (1914), S. 154; Emern (1941/42), S. 184; Arndt (1964), S. 8071.
18 Firmenich-Richartz (1897), Sp. 295; Overbeek (1917), S. 80-84; Rey (1936), S. 36f; derselbe (1945),
S. 23.
96
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Die außerordentliche Bandbreite der für das Frankfurter Marienbild vorgeschlagenen Datierungen liegt fraglos an den eingeschränkten Möglichkeiten
zu präzisen stilistischen Vergleichen mit einem der großen, in eine chronologische Reihe gebrachten Altarwerke. In diesem Sinne äußerte sich, in kritischer
Auseinandersetzung mit Oettingers Spätdatierung, auch F. Winkler (1964)19:
»Die Basis seiner These ist unzweifelhaft eine problematische, und sie wird es noch
mehr durch die stilkritische Analyse, die zur Stützung seiner Ansicht von ihm mit
großer Beredsamkeit vorgetragen wird. Grundsätzlich möchte ich anmerken, daß
Oettingers Thesen über die Entwicklung Goes', die nach meiner Ansicht durch ihre
subtile Dialektik bestechen, auf Aussagen des Stils des Künstlers beruhen, zumeist aber
die relativ kleinen Werke überfordern. Die bescheidene Frankfurter Tafel kann all die
Aussagen, die aus ihr gewonnen werden, gar nicht machen. Oettinger erkennt fast in
jeder Einzelheit den Beginn des Spätstils Goes'. >Gut gesichert^ wie er meint, kann
man die Datierung um 1477/1478 nicht nennen.«
Analoges, möchten wir hinzufügen, gilt für die Frühdatierung um 1467-68.
Je größer aber die Vorsicht sein sollte, mittels der Stilkritik das Frankfurter
Bild (wie eben auch das Wiener Diptychon) nicht zu überfordern, desto sorgfältiger sollte vor jeder Interpretation zuvor die Aufnahme des Befundes an
der Tafel selbst sein. Die Literatur bietet nur wenige Überlegungen zum Zustand des Marienbildes: So wähnte O. Seeck (1913/ 14)2G das Bild von Hugo
unvollendet, Kinderfüße und Blume von schwächerer Hand nachträglich ausgeführt, während M. J. Friedländer (1926)21 an eine Überarbeitung des Hintergrundes der Mitteltafel durch den Maler der Stifterportraits dachte. Letzte-
rer wurde meist als Künstler aus der näheren Umgebung van der Goes'
betrachtet22, die Entstehung der Flügel bald nach der Hochzeit des Stifter-
paares 1478 für wahrscheinlich gehalten. So glaubte Oettinger23, den Maler
als den von ihm mit dem Notnamen »Meister des Liechtenstein-Altars«24 bezeichneten »Klosterschüler« Hugos identifizieren zu können, und datierte die
Ausführung der Flügelbilder in die Jahre 1478-80. Diese Zuschreibung wurde
allerdings von der nachfolgenden Forschung ebensowenig angenommen, wie
sich das von Oettinger zusammengestellte Oeuvre des »Meisters des Liechtenstein-Altars« durchsetzen konnte. Abweichend von Oettinger hielt J. Lavalleye
(1962)23 die Entstehung der Flügelbilder erst gegen 1495-1500 für wahr19 Winkler (1964), S. 56.
20 Seeck (1913/14), S. 591. Bei der beanstandeten Blume dürfte es sich um den - auf einer Fehlstelle - modern ergänzten Pflanzenstengel in der Rechten des Kindes gehandelt haben.
21 Friedländer (1926), S. 39.
22 So etwa von Arndt (1965), Sp. 484f.
23 Oettinger (1938), S. 65.
24 Die Notbenennung erfolgte nach dem Triptychon mit Königsanbetung, geistlichem Stifter und
hl. Stephanus, heute in Vaduz, Sammlungen des Regierenden Fürsten von Liechtenstein (ENP IV,
S. 30, 69, Nr. 9, Fafel 12).
25 Lavalleye (1962), S. 37f.
Bestand und Zustand
97
scheinlich. Wenden wir uns im folgenden zunächst nochmals den Tafeln des
Altärchens selbst zu und versuchen wir, den jeweiligen Bestand möglichst
präzise zu fassen.
2. Bestand und Zustand im Augenschein
Die 23,8 x 17,4 cm messende Madonnentafel ist zusammen mit dem Rahmen
aus einem Stück Eichenholz gearbeitet (Tafel 21). Eine die ganze Tafel von
oben nach unten durchziehende Retusche (dem rechten Wangen- und Halskontur Mariens folgend, die zusammengeführten Zeigefinger und Daumen der
Rechten des Kindes und das Handgelenk der Rechten Mariens übergehend)
markiert jene Linie, an der die Tafel zu unbekannter Zeit in zwei Teile zerbrach. Ein Blick auf die im Originalzustand bewahrte, unbemalte Rückseite
zeigt dies ganz deutlich (Abb. 29). Neben dieser ausgedehnten Retusche, die
durch ihre altersbedingte Verfärbung vor allem in den Blaupartien des Mariengewandes auffällt, gibt es zahlreiche sehr kleine, lasierende Ausflickungen in
den Inkarnaten, vor allem in den Schattenzonen des Gesichtes der Gottesmutter. Das Blau der Gewandung Mariens hat, wohl durch eine frühe, allzu scharfe
Reinigung, jegliche Modellierung verloren, während das Weiß der Windel des
Kindes stellenweise stark berieben ist und vermutlich auch durch chemische
Veränderungen an Deckkraft verloren hat.
Eine nähere Betrachtung von Mariengewand und Kinderwindel führt zu
irritierenden Beobachtungen. Beginnen wir zunächst mit der Bekleidung der
Gottesmutter. Auf den ersten Blick scheint sie mit dem dunkelfarbenen Untergewand, einem blauen, pelzgefütterten Kleid und gleichfarbenem Umhang
wie die Mehrzahl der niederländischen Madonnen des 15. Jahrhunderts gekleidet zu sein. Wenn man sich aber das Verhältnis von Kleid und Umhang genauer ansieht, so fällt auf, daß diese beiden Kleidungsstücke miteinander verwachsen zu sein scheinen, obwohl sie normalerweise in der Wiedergabe sorgsam voneinander geschieden werden. Nicht nur ist der Kontur des Halsausschnitts des Kleides nach links hin merkwürdig hochgezogen und mit dem
Umhang verschmolzen, es scheint auch so, als seien die sorgfältig ausgeführten
pelzgefütterten Armelöffnungen in ein weites, ponchoartiges Gewand eingefügt. Das Futter des rechten Ärmels wird zudem in grober und sinnentstellender Weise vom Armelkontur des blauen »Kompositgewandes« überschnit-
ten. Vergleichbare Beobachtungen lassen sich auch an der Windel des Kindes
machen. Auffällig ist zunächst, wie völlig gegensätzlich die Charakterisierung
des Stoffes über dem rechten Oberschenkel des Kindes und rechts der linken
Hand Mariens einerseits und die der übrigen Stoffmasse andererseits ausfällt.
Während im ersten Fall die Darstellung des sehr feinen, dünnen und transpa-
98
Das Frankfurter Marien-Altärchen
renten Materials etwa an gestärkten Batist denken läßt, wirkt der Rest des
Gewebes wie ein dicker, weichfallender und flauschiger Wollstoff. Dieser Dif-
ferenz im Erscheinungsbild entspricht eine gänzlich unterschiedliche Farbausführung: Im ersten Fall sind es dünne Lasuren, die über die Farbe des hinter
dem Stoff befindlichen Gegenstandes gelegt wurden, mit wenigen, Lichter angebenden, deckenden Weißhöhungen - ein Durchschemen der Hintergrundsfarbe war also ganz offenkundig beabsichtigt -, im anderen Falle handelt es
sich um einen fetten, deckenden Farbauftrag, der erst durch Abrieb und altersbedingte Farbveränderungen an verschiedenen Stellen an Deckkraft verloren
hat. Diese letztgenannten Farbpartien liegen deutlich erkennbar über einer
durchgehenden, grünlich-blauen Farbschicht, die im folgenden mit »Azurit«
bezeichnet werden soll und die sich vom strahlenden »Ultramarin« der
Mariengewänder markant absetzt26.
Wenn nun angesichts der für eine Madonna des 15. Jahrhunderts befremdlichen »Kleiderordnung« wie auch wegen der merkwürdigen Diskrepanzen in
der Gestaltung der Windel Zweifel an der Authentizität dieser Partien berechtigt erscheinen, so kompliziert sich der Befund noch wesentlich durch einige
markante Pentimenti an Füßen und Beinen des Kindes: Sowohl die Stellung
des linken Fußes wie die des Beines wurde während der Farbausführung verändert. In der ersten Farbanlage verlief der untere Kontur des Unterschenkels
geringfügig tiefer und die Ferse war (bei gleicher Stellung der Fußspitze wie
in der Endfassung) weiter vorgestreckt, als dies heute der Fall ist. Die bereits
angelegten Inkarnatpartien wurden zunächst von der »Azurit«-Farbschicht
abgedeckt, diese dann ihrerseits von der weißen Farbe der Windel. Auch am
rechten Bein und Fuß des Kindes gibt es deutliche Pentimenti. Unter Beibehaltung der farblich bereits angelegten Fußspitze wurde die Ferse auch hier zurückgenommen, wobei die dadurch notwendige Erweiterung des Spanns über
der bereits angelegten Farbe des Marienumhangs besonders gut erkennbar ist.
Eine noch markantere Erweiterung über einer bereits ausgeführten Gewandpartie findet sich am rechten Oberschenkel, dessen ursprünglich vorgesehener
oberer Kontur parallel zum linken Oberschenkel verlaufen sollte. Pentimenti
kleineren Umfangs sind schließlich auch an der Innenkante des rechten
Armes, an der linken Achsel und der erhobenen Hand erkennbar, ebenso an
einzelnen Fingern der Madonna.
Verglichen mit diesem komplexen Befund stellt sich die Situation bei den
je aus einem Stück Eichenholz gefertigten Flügelbildern (30,0 x 11,5 cm)
26 Es handelt sich bei diesen Bezeichnungen lediglich um Benennungen der Farbwerte. Chemische
Farbanalysen wurden nicht durchgeführt, allerdings deutet der mikroskopische Befund der
»Azurit«-Farbschicht darauf hin, daß es sich hier mit einiger Wahrscheinlichkeit tatsächlich um
das Pigment Azurit handelt (freundliche Mitteilung von Herrn P. Waldeis, Frankfurt).
Der gemäldetechnologische Befund
Abb. 29 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Rückseite der Mitteltafel, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
99
Abb. 30 Hugo van der Goes, Marien-Frip-
tychon, Mitteltafel, Röntgenbild, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
wesentlich einfacher dar. Während der Zustand der Malerei der Innenseiten
der Flügel (Abb. 27) gut ist, sind die Grisaille-Darstellungen auf den Außenseiten - ohnehin qualitativ gegenüber den Innenseiten deutlich abfallend - auf
Grund zahlreicher Bereibungen und Farbabsplitterungen stark beeinträchtigt
(Abb. 28).
3. Der gemäldetechnologische Befund
War die Autopsie vor allem bei der Mitteltafel des Triptychons rasch an die
Grenzen ihrer Erkenntnismöglichkeiten gestoßen, so konnte eine Reihe von
Fragen - vor allem zum Verhältnis der blauen Farbschichten zum Inkarnat im
Bereich der Pentimenti - durch die Heranziehung unterschiedlicher gemäldetechnologischer Untersuchungsmethoden geklärt werden27.
Die Röntgenaufnahme dokumentiert aufs deutlichste den Verlauf der Bruchkante der Tafel und zeigt präzise den Umfang der Farbverluste an, zugleich
27 Für die Durchführung der Untersuchungen bin ich dem Restaurator des Stadel, P. Waldeis, zu Dank
verpflichtet. Dr. P. Klein, Hamburg, führte auch in diesem Falle die dendrochronologischen Analysen durch.
100
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Abb. 31 Hugo van der Goes, Marien-Trip-
tychon, Mitteltafel, Infrarot-Reflektogra-
phie, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
liefert sie aber einen überraschenden Befund (Abb. 30): Im Gegensatz zu den
Flügelbildern zeichnet sich auf dem Röntgenbild der Mitteltafel die Darstellung nur äußerst schemenhaft ab - d. h. die Absorption der Röntgenstrahlung
ist kaum differenziert. Deutlich heben sich nur die wohl massiv bleiweißgeladenen Perlen des Stirnbandes der Madonna sowie Teile der Windel des Kindes
ab. Die verschatteten Inkarnatpartien werden nur undeutlich erkennbar. Das
Absorptionsniveau dieser Partien konkurriert mit dem von solchen Bildabschnitten, in denen - nach dem Oberflächenbild zu urteilen - eine gänzlich
andere Absorption zu erwarten wäre. Der Grund für diese von Röntgenbildern anderer Gemälde van der Goes'28 unvertraute Erscheinung dürfte mit
größter Wahrscheinlichkeit in der besonderen Zusammensetzung der Grundierung der Frankfurter Tafel zu suchen sein. Unerwartet ist auch der Befund
der Infrarot-Reflektographie der Mitteltafel (Abb. 31), denn - wiederum abweichend von den Flügelbildern - konnte eine Unterzeichnung nicht sicher nachgewiesen werden29.
28 Man vergleiche etwa die Röntgenaufnahmen der Fafeln des Wiener Diptychons oder des Lissaboner Lukas'.
2> Angesichts des mit bloßem Auge an linkem Arm und Hand des Kindes sichtbaren Befundes, bei
dem es sich wohl um die Unterzeichnung handelt, scheint es unwahrscheinlich, daß die Marientafel
überhaupt nicht unterzeichnet sein sollte.
Der gemäldetechnologische Befund
101
Gegenüber diesen mehr Fragen aufwerfenden als sie beantwortenden Ergebnissen der Röntgenaufnahme und der Reflektographie bestätigte die stereomikroskopische Untersuchung der Madonnentafel die Zweifel an der Authentizi-
tät der »ultramarinblauen« Mariengewandung: Nicht nur unter der weißen
Windel des Kindes, sondern auch unter der gesamten »Ultramarin«-Farbschicht der Gewänder der Gottesmutter liegt durchgehend »Azurit«. Entlang
der Ränder der sekundären »ultramarinblauen« Farbzone - am Kontur der
Figur Mariens zum Hintergrund hin, wie auch an den Anschlußstellen der
Gewandung der Gottesmutter zu den Inkarnatpartien - läßt sich unter dem
Mikroskop fast durchgängig die Randzone der originalen »Azurit«-Schicht
fassen. Um jeden Zweifel an der Richtigkeit der Interpretation dieses Befundes
auszuschließen, wurde an zwei Stellen entlang der Bruchkante die moderne
Retusche und Auskittung entfernt. Dies betraf zum einen die Stelle des größten, durch das Zerbrechen der Tafel verursachten Farbverlustes im Bereich des
Pflanzenstengels in der rechten Kinderhand, zum anderen die Bruchkante im
Bereich des pelzgefütterten rechten Ärmels Mariens und des darunter gelegenen Gewandabschnitts (Tafel 22). Der jeweilige Befund entsprach zur Gänze
dem an den ursprünglichen Rändern der sekundären »Ultramarin«-Farbschicht: Unter dem »Ultramarin« findet sich die »Azurit«-Farbschicht, die
wiederum auf der hellen Grundierung der Tafel aufliegt. Die Abnahme der
im Bereich des Pelzfutters großflächig ausgefallenen modernen Retusche ließ
noch deutlicher die grobe Ausführung der sekundären »Ultramarin«-Farbschicht erkennen. Sinnentstellend überdeckt die Zweitfassung einen Teil des
originalen Pelzfutters - offensichtlich wurde die sorgfältige Differenzierung
der einzelnen Kleidungsstücke der Madonna, wie sie in der Erstfassung noch
vorgenommen worden war, bei der Ausführung dieses Eingriffs nicht mehr
verstanden. Dank der stereomikroskopischen Untersuchung wie auch des
Infrarot-Befundes ließ sich auch das Verhältnis der Pentimenti zu den beiden
blauen Farbschichten klären. Sowohl bei der von Farbpartien des Inkarnates
überdeckten blauen Farbschicht (an Spann und Oberschenkel des rechten Beines des Kindes) als auch bei der blauen Farbe, die ihrerseits die anfänglich angelegten, dann aber doch verworfenen Inkarnatzonen abdeckt (an den Fersen
beider Füße und am unteren Kontur des Unterschenkels des linken Beines),
handelt es sich zweifellos um »Azurit«, das wir generell bei der Erstfassung
der Mariengewänder vorgefunden haben. An keiner Stelle ist bei den Pentimenti das »Ultramarinblau« der Zweitfassung involviert.
Die Ergebnisse der gemäldetechnologischen Untersuchungen in Verbindung mit den bei der Autopsie gemachten Beobachtungen erlauben nun eine
Rekonstruktion des Originalzustandes der Tafel. Angesichts der Tatsache, daß
die »ultramarinfarbene« Mariengewandung zur Gänze über einer durchgehenden »Azurit«-Farbschicht liegt, daß die Farbe der Zweitfassung in keinem Fall
102
Das Frankfurter Marien-Altärchen
im Zusammenhang mit den Pentimenti erscheint, vor allem aber auch wegen
der bereits aufgezeigten Schwächen und Mißverständnisse in der Ausführung
der blauen Zweitfassung der Kleidung der Gottesmutter wie auch der erweiterten Windel, kann kein Zweifel daran bestehen, daß die gesamte »ultramarinblaue« Gewandung Mariens und der größte Teil der Windel des Kindes eine
spätere Hinzufügung und Veränderung der Tafel von anderer Hand darstellen.
Im ursprünglichen Zustand zeigte die Tafel die Madonna demnach mit dunklem Untergewand, pelzgefüttertem, »azuritfarbenem« Gewand und gleichfarbenem Umhang bekleidet, das Kind auf einem kleinen, windelartigen weißen
Stofftuch haltend. Um Originalpartien der Windel handelt es sich zweifelsfrei
nur bei dem Zipfel rechts der Linken Mariens sowie bei den beiden Stoffabschnitten an Hüfte und linkem Oberschenkel des Kindes. Ob unter der
sekundären Erweiterung der Windel partiell (etwa im Bereich der Unterschenkel und Füße) noch Teile der Windel der Erstfassung verborgen sind, kann
nicht sicher entschieden werden. Dem ursprünglichen Zustand gehört ohne
Frage auch der rote, goldgepunktete Hintergrund an, wie am originalen Stoffzipfel der Windel oder den Haaren des Kindes über diesem Hintergrund leicht
zu überprüfen istjC. Auffällig sind die an den Pentimenti ablesbaren, von
Hugo noch während des Malprozesses ausgeführten kompositioneilen Ver-
änderungen. Der Kinderkörper war in der ersten Farbanlage noch wesentlich
langgestreckter und dünner als in der schließlich korrigierten Endfassung.
Durch die markant weiter vorgestreckten Fersen und durch den ursprünglich
vorgesehenen Verlauf des Konturs des rechten Oberschenkels (nahe und parallel zu der des linken) waren die Beine deutlich länger. Die Proportionierung
des Kinderkörpers fiel dadurch wesentlich gelängter aus. Dieser Tendenz zu
einem außerordentlich langgestreckten und mageren Leib steht die anfängliche
Betonung der Schulterpartie und der Hände des Kindes gegenüber, die in der
endgültigen Ausführung deutlich gemildert wurde. Handschriftlich bemerkenswert ist schließlich auch die Gestaltung der Haare des Christusknaben:
Während die einzelnen Haare innerhalb des Kopfumrisses sorgsam mit einem
feinen Pinsel in Farbe ausgeführt sind, begegnet uns bei den vor dem roten
Hintergrund erscheinenden Haaren die von der Wiener Beweinung her bereits
vertraute Kratztechnik, bei der mit einem spitzen Gegenstand das einzelne
Haar aus der noch feuchten Hintergrundsfarbe herausgekratzt wurde.
Die dendrochronologische Untersuchung-1' der Madonnentafel konnte
auch in diesem Falle die Verwendung von Eichenholz aus dem baltischen
30 Diese Beobachtung wurde schon von P. Eich gemacht (ENP IV, S. 262), der damit die Vermutung
Friedländers (1926), S. 29, widerlegte, der Hintergrund der Mitteltafel sei vom Maler der Stifterportraits übergangen worden.
31 Untersuchungsbericht von Dr. P. Klein, Hamburg, vom 21. 8. 1986.
Der gemäldetechnologische Befund
103
Abb. 32 Brügger(?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, Rahmenwerk der Mitteltafel
und Flügel, Röntgenaufnahme, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
Raum nachweisen. Die Tafel umfaßt 198 Jahrringe, wobei der jüngste in das
Jahr 1442 datiert werden kann. In Ermangelung jeglichen Splintholzanteils
kann ein Fälldatum ab 1457 abgeleitet werden. Bei Annahme einer zehnjährigen Lagerungszeit des Holzes vor seiner Verwendung durch den Maler erscheint daher eine Bildentstehung vom Jahre 1467 an wahrscheinlich-5- - der
dendrochronologische Befund grenzt also die von der kunsthistorischen Forschung für die Frankfurter Marientafel bisher vorgeschlagenen Datierungen
zwischen 1467 und 1478 nicht ein.
Die gemäldetechnologische Untersuchung brachte auch für die Flügelbilder
neue Erkenntnisse. Im Gegensatz zur Mitteltafel zeigen die Röntgenaufnahmen der Flügel das von niederländischen Tafelbildern der Zeit vertraute Bild
(Abb. 32). Sie verdeutlichen zugleich den ganzen Umfang der Schäden und
Wiederherstellungen der schlecht erhaltenen Malerei der Außenseiten, wenn
"2 Für die diesen Überlegungen und Berechnungen zugrundeliegenden, grundsätzlichen dendrochronologischen Erkenntnissen, s. o. S. 76 f.
104
Das Frankfurter Marien-Altärchen
auch die Überlagerung der Röntgenbilder deren Interpretation erschwert-".
Klar erkennbar wird die größere Schwäche der Malerei der Flügelaußenseiten
im Vergleich mit den Stifterbildern: Die Köpfe Mariens und Gabriels bereiteten dem Maler offenkundig Schwierigkeiten, wie - im Gegensatz zu den Köpfen der Heiligen der Innenflügel - an der gleichförmigen Absorption der Röntgenstrahlung ablesbar ist. Sie deutet auf mehrere Anläufe in der Farbanlage
hin, bevor die endgültige Form gefunden war. Dieser Befund wird für den
Engelskopf noch deutlicher in der Infrarot-Reflektographie, die die Änderung
der Kopfstellung während der Farbausführung zusammen mit der Unterzeichnung dokumentiert (Abb. 33). Die Unterzeichnung der Flügel ist innen wie
außen mit dem Pinsel ausgeführt. Mit wenigen, rasch hingesetzten, auch mehr-
fach noch korrigierten Strichen werden Konturlinien und Binnenzeichnung
festgehalten, eine Angabe der Modellierung oder Schattenzonen erfolgt hingegen kaum. Insbesondere bei den Flügelinnenseiten diente die Unterzeichnung nur als Orientierungshilfe (Abb. 34). So sind Arm- und Handhaltung
der Stifter bereits in der ersten Farbanlage gegenüber der Unterzeichnung verbessert worden. Die einzige markante Abweichung im Motivischen zwischen
Unterzeichnung und Farbausführung stellt der in der Unterzeichnung vor-
gesehene, dann aber verworfene dünne Schleier dar, den Johanna de Keysere,
ähnlich der Elisabeth de Keverwyck auf Hugos Stifterflügel des Brügger Hippolyt-Altars (Tafel 13)34, zu ihrer schwarzen Kappe tragen sollte. Die Gesichter des Stifterpaares schließlich sind nur in allgemeinen Umrissen unterzeichnet. Erst im Verlauf des Farbauftrages wurde Portraitqualität angestrebt - auch
hier im Röntgenbild an den wiederholten Selbstkorrekturen unschwer ablesbar33.
Für eine Datierung der Flügel in die 1490er Jahre spricht das Ergebnis der
dendrochronologischen Untersuchung36. Es handelt sich wiederum um baltisches Eichenholz. Der jüngste gemessene Jahrring auf der äußeren Rahmung
der Mitteltafel stammt aus dem Jahre 1470, auf dem linken Flügel aus dem Jahr
33 Die in der Röntgenaufnahme sichtbar werdenden Ausflickungen und Übermalungen sind ausnahmslos den Flügelaußenseiten zuzuordnen.
34 ENP IV, S. 70, Nr. 11, Tafel 19.
j5 Zwar gibt es keine so massiven Veränderungen, etwa in der Kopfstellung, wie bei den Figuren der
Verkündigung, aber die gleichmäßigere Absorption der Röntgenstrahlung durch die Stifterköpfe
gegenüber den schematisierten Heiligenköpfen weist auf das intensivere Arbeiten an den Portraitköpfen hin.
36 Untersuchungsbericht von Dr. P. Klein, Hamburg, vom 8. 10. 1985.
Die Jahrringe der Tafeln konnten folgenden Jahren zugeordnet werden: Sekundäres Rahmenwerk
der Mitteltafel 1269-1470, linker Flügel 1381-1471, rechter Flügel 1311-1370. Die Struktur des
Holzes der Flügel weist darauf hin, daß beide aus einem Brett aufgetrennt wurden. Dem entspricht
auch der Befund der Jahrringe, wobei von einem Sägeschnitt von ca. 1,5 cm auszugehen ist, dem
11 Jahrringe zum Opfer fielen.
Der gemäldetechnologische Befund
Abb. 33 Brügger(?) Meister um 1490, MarienTriptychon, Flügelaußenseiten, Infrarot-Reflektographie, Verkündigung, Frankfurt, Städelsches
Kunstinstitut
105
Abb. 34 Brügger(?) Meister um
1490, Marien-Triptychon, Flügel-
innenseiten, Infrarot-Reflektographie,
Stifterpaar mit empfehlenden Heiligen, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
1471. Da bei keiner der Tafeln ein Splintholzansatz vorhanden ist, ist von
einem Fälldatum ab 1485/86, von einer Verwendung (bei einer maximal zehnjährigen Lagerzeit) frühestens zu Anfang der 1490er Jahre auszugehen. Im
Hinblick auf die stilistisch eng verwandten Fragmente eines größeren Tafelbildes in der ikonographischen Nachfolge von Jan van Eycks Madonna des Kanonikus Van der Paele im Metropolitan Museum in New York (Abb. 35) könnte
man vielleicht auch für die Frankfurter Triptychon-Flügel an eine Entstehung
in einer Brügger Werkstatt denken37.
37 Die Flügelinnenseiten mit den Stifterbildern erinnern in ihrer Machart an zwei Fragmente einer
sich wohl ursprünglich an Jan van Eycks Van der Paele-Madonna anlehnenden Fafel, die sich heute
als Teil der Jack and Belle Linsky Collection im Metropolitan Museum of Art in New York befin-
den (Inv. Nr. 1982. 60. 18, 19; Holz, jeweils 24,1 cm x 10,2 cm; Bauman [1986], S. 20, Farbabbildung
auf S. 21). Im Hinblick auf die kompositionelle Anlehung an die Paele-Madonna vermutete Bauman (1986), S. 20, in dem Maler einen in den 1490er Jahren in Brügge arbeitenden Künstler.
106
Das Frankfurter Marien-Altärchen
4. Die Entstehungsgeschichte des Frankfurter Marien-Triptychons
Für eine Datierung der Mitteltafel des Frankfurter Marien-Triptychons
(Tafel 21) steht - neben Beobachtungen zu Technik und Bildgenese - nur die
Stilkritik zur Verfügung, wobei diese aber, wie wir gesehen haben, ausschließlich auf die Inkarnatpartien und den Hintergrund des Bildes beschränkt bleibt.
Friedländer (1926)38 kennzeichnete den Stil der Madonnentafel, die er als
»... etwa gleichzeitig mit dem Wiener Diptychon [in Hugos Frühzeit; JS] entstanden ...«
ansah, treffend in folgender Weise:
»Sein [des Kindes; JS] nackter Leib ist meisterhaft durchgebildet in der Drehung und
Wendung der Glieder, mit bewegtem Umriß, mit gleitenden Schatten, mit dem silbrigen Schimmer geschliffenen Emails. Die auffällig großen Madonnenhände, ausführlich durchgebildet in der Stofflichkeit des weichen Fleisches, verraten gesteigertes
Selbstgefühl und bewußtes Schalten mit erworbener Formenkenntnis.«
Ohne dies näher auszuführen, bezog sich Friedländer (und mit ihm die nachfolgende Forschung) bei dem indirekten Stilvergleich mit dem Wiener Diptychon primär auf die Tafel der Beweinung (Tafel 19): Insbesondere der vielzitierte Vergleich der Oberflächengestaltung mit »dem silbrigen Schimmer
geschliffenen Emails« kann nur auf die Beweinung bezogen, nicht aber auf den
Sündenfall (Tafel 18) übertragen werden. Bei der Beweinung, nicht aber beim
Sündenfall begegnet auch die Kratztechnik für die besonders lebendige Charakterisierung der wirren Kinderhaare vor dem goldgepunkteten Hintergrund.
Im Hinblick auf diese Parallelen erscheint eine Datierung der Mitteltafel des
Frankfurter Marien-Triptychons gegen Ende der 1470 Jahre, möglicherweise
kurz vor der Wiener Beweinung, am wahrscheinlichsten.
Ob die Madonnentafel des Hugo van der Goes von Anfang an für ein Mitglied der Familien van Overbeke oder de Keysere bestimmt war, wissen wir
nicht; möglicherweise gelangte sie erst nachträglich in deren Besitz. Vermutlich in den 1480er oder zu Beginn der 1490er Jahre ließen Wilhelm van Overbeke und seine Frau die Marientafel von einem nicht näher zu bestimmenden, möglicherweise in Brügge tätigen niederländischen Maler39 durch Einfügung in ein weiteres Rahmensystem zum heutigen Triptychon erweitern
(Abb. 26)40. Die weitreichenden Eingriffe in die Substanz der Mitteltafel kön38 Friedländer (1926), S. 38f.
39 S. o. S. 105, Anm. 37.
40 Im Photoarchiv des Centre National in Brüssel befinden sich Schwarzweiß-Photographien von
zwei alten (?) Kopien nach den Innenseiten der Flügel des Frankfurter Triptychons. Während Wilhelm van Overbeke und Johanna de Keysere in getreuer Kopie der Frankfurter Flügel als Dreiviertelfiguren erscheinen, sind die empfehlenden Heiligen durch einen einheitlichen dunklen (schwar-
Die Entstehungsgeschichte
107
Abb. 35 Brügger Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Fragmente eines Tafelbildes mit
den Heiligen Donatian und Georg (?), New York, Metropolitan Museum of Art
nen allerdings nicht mit dieser Erweiterung in Verbindung gebracht werden.
Abgesehen von der ganz anderen »Handschrift« (man vergleiche etwa die Art
der Oberflächenbehandlung von Stoffen) spricht vor allem die völlige Fehlinterpretation der Madonnengewandung gegen die Ausführung durch den
Maler der Flügelbilder, der die zeitgenössische Tracht der Stifter detailliert und
präzise wiedergibt. Wann und wo die Madonnentafel partiell übermalt wurde,
ist nicht sicher zu ermitteln. Das ausgeprägte Craquelee der übermalten Par-
108
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Abb. 36 Meister von Flemalle, Madonna
mit Kind vor dem Ofenschirm, London,
National Gallery
Abb. 37 Dirk Bouts, Madonna mit Kind
und Engeln, Granada, Capilla Real
tien spricht gegen eine zu weite zeitliche Absetzung von der Ausführung der
Originalmalerei41, aber zugleich scheint die Ignoranz für die »Kleiderordnung« Mariens eine Datierung in den Beginn des 16. Jahrhunderts oder gar
noch ins endende 15. Jahrhundert zu verbieten. Das fortgeschrittene 16. Jahrhundert mag, mit vorsichtiger Zurückhaltung, als Entstehungszeitraum für
den Eingriff am ehesten in Frage kommen. Das Zerbrechen der Tafel in zwei
Teile, die Verklebung, Auskittung und Retuschierung muß zu einem noch späteren Zeitpunkt erfolgt sein; auch er ist nicht genauer zu fassen42. In diesem
zen?) Hintergrund ersetzt worden, der seinerseits nur vom jeweiligen Wappen des Stifterpaares
belebt wird. Die Photographien gelangten 1967 als Geschenk von Herrn X. de Ghellinck-Vaernewyck, Brüssel, ins Centre National, und tragen den Vermerk »Bruxelles, Vente 195(?)«. Der Verbleib der Tafeln ist auch Herrn X. de Ghellinck-Vaernewyck nicht bekannt (briefliche Mitteilung
vom 16. 9. 1986), dem ich für seine Auskünfte auch zu heraldischen Fragen danken möchte.
41 Freundlicher Hinweis von P. Waldeis, Frankfurt. Dies dürfte die Ausführung zu Beginn des
19. Jahrhunderts ausschließen - etwa, um das Bild in einen dem Verkauf förderlichen Zustand zu
versetzen.
42 Bei der Verklebung wurden die Bruchkanten nicht völlig gleichmäßig aneinandergefügt, wodurch
ein leichter Absatz an der Kante entstand. Um diesen wiederum auszugleichen, wurden Kittung
und Retusche vor allem im unteren Abschnitt auch durchaus ein Stück weit über die Originalfarbpartien (schon der Zweitfassung) gezogen; insbesondere unterhalb des Handgelenks der Rechten
Mariens verunklärte dies noch zusätzlich den Befund.
Der vom Kind in der Rechten gehaltene Pflanzenstengel ist zumindest im Ansatz und den zwei
Das Verhältnis der Marientafel zur Madonnenikonographie
109
Abb. 38 Italo-Byzantinischer Meister des
14. Jahrhunderts, Gnadenbdd der »NotreDame de Gräce«, Cambrai, Kathedrale
Zusammenhang wurde die Rahmung der Tafel neu vergoldet und das Motto
»EN ESPERANCE« - vielleicht nach altem Vorbild - erneuert43. Diese Maßnahme stellte den letzten wesentlichen Eingriff in die Substanz des Bildes dar.
5. Das Verhältnis der Frankfurter Marientafel zur traditionellen
Madonnenikonographie
Die Darstellung des schon vergleichsweise alten und durchaus altklug wirken-
den Christuskindes, das offensichtlich sich und seiner Umwelt bereits zur
Gänze bewußt ist und das sich mit Blick und Gestik direkt an den Betrachter
wendet, weicht deutlich von der Mehrzahl der traditionellen ikonographiseitlichen (Blüten-?) Blattenden original erhalten. Für eine botanische Bestimmung reichen diese
Reste aber nicht aus.
43 Das Motto dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit mit den - leider nicht näher bekannten - Umständen zu erklären sein, die zur Auftragserteilung der Erweiterung der Marientafel zum Triptychon führten. Es handelt sich jedenfalls nicht um die Devise der Familie Overbeke, die »Passaert
vroylick Overbeke« lautete (Alphonse O'Kelly de Galway, Dictionnaire des cris d'armes et devises
des personnages celebres et des familles nobles et autres de la Belgique ancienne et moderne, Bruxelles 1865, S. 133). Angesichts der Formulierung »En Esperance« möchte man am ehesten an einen
Bezug auf Schwangerschaft und Geburt denken.
Das Frankfurter Marien-Altärchen
Abb. 39 Rogier van der Weyden, Abb. 40 Dirk Bouts, Madonna mit Kind,
Madonna mit Kind, Houston, Museum New York, Metropolitan Museum of Art
of Fine Arts
sehen Formulare ab. Üblicherweise wesentlich jünger dargestellt, ist das Kind
meist völlig mit sich selbst beschäftigt44; ohne den Betrachter bewußt wahrzunehmen, wendet es sich ihm bestenfalls mehr oder weniger scheu zu45. Mit
der Frankfurter Tafel vergleichbare Formulierungen finden sich sonst nur vereinzelt bei ganz- bzw. mehrfigurigen Darstellungen, wie etwa bei der »Salting-
Madonna« des Meisters von Flemalle in der National Gallery in London
(Abb. 36)46 oder bei Dirk Bouts' Madonna mit Kind und Engeln in der
Capilla Real in Granada (Abb. 37)47.
Im Bereich der halbfigurigen Madonnenbilder findet Hugos Frankfurter
Tafel ihre nächste Parallele in Werken Rogier van der Weydens und Dirk
Bouts', die ihrerseits unmittelbar auf das berühmte italo-byzantinische Gna44 So z.B. bei Rogier van der Weydens Lukas-Madonna und den davon abhängigen halbfigurigen
Madonnenbildern (ENP II, S.81-86, Nr.106-117, Fafeln 118-123). Zur Fypenentwicklung der
Madonnenbilder des Flemalle-van der Weyden-Kreises vergl. Dirk de Vos, De Madonna-en-Kindtypologie bij Rogier van der Weyden en enkele minder gekende Flemalleske Voorlopers; in: Jahrbuch der Berliner Museen 13 (1971), S. 123-131.
45 So etwa bei Jan van Eycks Van der Paele-Madonna in Brügge, Groeningemuseum, oder der RolinMadonna in Paris, Louvre (ENP I, S. 42f, Fafel 23 bzw. S. 60, Fafel 51).
46 ENP II, S. 71, Nr. 58, Fafel 85.
47 Schoute (1963), S. 29-35.
Das Verhältnis der Marientafel zur Madonnenikonographie
III
denbild der »Notre-Dame de Gräce« (Abb. 38) in der Kathedrale von Cambrai
zurückgehen48. So stellt Rogier in seiner Madonnentafel in Houston, Museum of Fine Arts (Abb. 39)49, ein seiner Bewegungen noch kaum bewußtes
Kleinkind dar, das sich schutzsuchend an die Mutter drängt. In der direkten
Kontaktaufnahme des Kindes mit dem Betrachter, in seiner ungelenken Bewegung, dem Sitzmotiv in den bergenden Händen Mariens, aber auch in deren
Zuwendung zum Kind oder in dem Perldiadem in den Haaren der Mutter Gottes finden wir bereits Elemente der Frankfurter Tafel vorweggenommen. Auch
Dirk Bouts bezog sich mit seiner halbfigurigen Madonnendarstellung im
Metropolitan Museum in New York (Abb. 40)32 unmittelbar auf das Bildformular des Gnadenbildes in Cambrai. Hier entfällt der direkte Blickkontakt
des Kindes mit dem Betrachter ebenso wie das bergende Umfassen durch
Maria. Das Kind ist aber älter als bei Rogier, und dies erklärt seine sehr viel
selbstbewußtere Bezugnahme auf die Mutter.
Uber diesen Vorbildkreis geht Hugos Formulierung aber mit der direkten
Ansprache des Betrachters durch das Kind weit hinaus: Das bei van der Weyden und Bouts noch in vollem Umfang beibehaltene ikonographische Formular der »Glykophilousa« wird hier zugunsten der demonstrativen Weisung der
Nelkenblüte, die in diesem Zusammenhang wohl am ehesten auf die Passion
Christi verweisen soll, aufgegeben.
48 Hans Belting, Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst, München
1990, S. 490-492, Farbtafel X.
Vos (1971), S. 90 mit Abb. 14, wollte demgegenüber den Typus von Hugos Frankfurter Madonna
auf eine mutmaßlich vom Meister von Flemalle herrührende Halbfigurenmadonna zurückführen.
Die Existenz einer solchen Komposition des Meisters von Flemalle, die den frühesten erhaltenen
Halbfigurenmadonnen Rogiers um 20 bis 30 Jahre vorhergegangen sein sollte, war erstmals von
Friedrich Winkler, Vorbilder primitiver Holzschnitte; in: Zeitschrift für Kunstwissenschaft 12
(1958), S. 37-45, von einem Einblattholzschnitt abgeleitet worden, der in zwei Exemplaren in Breslau, Diözesanbibliothek, und in Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, erhalten geblieben ist.
Wenngleich sich auch Holzschnitt und Frankfurter Madonna in der Art und Weise, in der Maria
das Kind mit der einen Hand hält, mit der anderen seitlich stützt, in auffälliger Form entsprechen,
so sind die Unterschiede zwischen den beiden Kompositionen doch so ausgeprägt, daß an eine
direkte Ableitung, wie de Vos sie vorschlug, u. E. nicht zu denken ist.
49 ENP II, S. 67, Nr. 35, Tafel 57.
50 ENP III, S. 60, Nr. 9, 9a-c, Tafel 17.
Aus dem Bouts-Kreis sind weitere halbfigurige Madonnenbilder überliefert, die ihrerseits in be-
stimmten Kompositionselementen Entsprechungen zu Hugos Frankfurter Tafel zeigen. Dabei muß
allerdings offenbleiben, ob sie tatsächlich auf ein Hugo zeitlich vorausgehendes Werk Bouts' zurückgehen, oder ob sie nicht ihrerseits bereits ein Madonnenformular Hugos in der Art der Frankfurter Tafel reflektieren. So ähnelt bei einer Madonnendarstellung eines Bouts-Nachfolgers in London, National Gallery (Inv. Nr. 708, Eiche, 20 x 14,5 cm; Davies [1968], S. 19f; Abbildung in The
National Gallery. Illustrated General Catalogue, London 1973, S. 75) das Kind dem Frankfurter
Christuskind, während Maria der New Yorker Paraphrase Bouts' nach dem Cambraiser Gnadenbild entspricht. Ein in mehreren Exemplaren überliefertes Madonnenformular des Bouts-Kreises
zeigt demgegenüber das den Betrachter fröhlich anblickende Kind in einer der Frankfurter Tafel
ähnelnden Haltung, darüberhinaus mit einer Blüte in der Linken (ENP III, S. 72f, Nr. 93, 93a-d,
Tafel 97).
112
Die Lukas-Madonna in Lissabon
III. Der heilige Lukas zeichnet die Madonna. Das Tafelbild des
Musen Nacional in Lissahon
Die Tafel des Museu Nacional de Arte Antiga in Lissabon zeigt den Evangelisten Lukas als Maler, hier beim Zeichnen in seiner Werkstatt (Tafel 23,
Abb. 41)1. Nach allen ikonographischen Vergleichsbeispielen zu schließen,
arbeitet er an einer Zeichnung der Muttergottes mit dem Kind2. Lukas kniet
im Dreiviertelprofil nach rechts gewandt auf einem Kissen. Er trägt über graufarbenem Untergewand ein mit grauem Pelz gefüttertes, hellkarminrotes, gegürtetes Gewand, darüber einen graublauen, gelbgesäumten, weiten Umhang
und zusätzlich einen karminroten Schultermantel mit Kapuze. Auf dem
Haupt trägt Lukas eine gräulich-karminrote Kappe. Ein großes Buch dient als
Zeichenunterlage. Lukas stützt es so in die Hüfte, daß dem Betrachter des Bildes die Ansicht der Zeichnung selbst verwehrt bleibt. Die Rechte hält einen
Metallstift und liegt auf dem Buch auf. Der Heilige hat den Kopf leicht erhoben und blickt konzentriert nach rechts. Auf dem Fliesenboden unmittelbar
vor ihm hegen die Utensilien für eine möglicherweise notwendige Korrektur
der Zeichnung, Messer und Vogelschwinge.
Als Schutzpatron der Maler ist Lukas in seiner Werkstatt dargestellt, umgeben von den Gegenständen und Werkzeugen seiner Tätigkeit. So ist in unmittelbarer Nähe des großen, bleiverglasten Fensters an der linken Wand des
nur ausschnitthaft wiedergegebenen Raumes die Staffelei aufgeschlagen, davor
ein Stuhl aufgestellt. Auf der Staffelei haben ein gerahmtes und bereits grundiertes Tafelbild und die Palette des Malers Platz gefunden. Dem Symboltier
des Evangelisten, dem Stier, ist zwischen Stuhl, Staffelei und Fenster ein eng
bemessener Ruheplatz zugewiesen. An der Rückwand des Raumes steht ein
halbhoher Schrank, auf und in dem eine Reihe von Gegenständen abgestellt
worden sind, die in einer Malerwerkstatt Verwendung finden, wie etwa eine
Muschel zum Anrühren der Farben. Die beiden großen Codices - der eine an
den Schrank gelehnt, der andere als Zeichenunterlage dienend - weisen ebenso
wie der Stier zugleich auf Lukas' Rolle als Schreiber eines der Evangelien hin.
Die Farbigkeit des Bildes ist sehr zurückhaltend. Gegenüber dem warmen
Grau, Beige und Braun von Bodenfläche, Fenster und Einrichtungsgegenständen dominieren die mit Grau abgemischten Rottöne der Gewänder, begleitet
nur vom Graublau des weiten Umhangs und dem Flaschengrün der Wandbespannung und der beiden Kissen.
1 Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga; Inv. Nr. 1459, Holz, 104,5 x 62,4 cm; S. Lucas retratando
a Virgem (Lissabon 1981).
2 Dorothee Klein, St. Lukas als Maler der Maria. Ikonographie der Lukas-Madonna, Berlin 1933;
Catherine King, National Gallery 3902 and the theme of Luke the Evangelist as artist and physicians in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 48 (1985), S. 249-255; Kraut (1986).
Die Entwicklung der Forschungsmeinungen
113
1. Die Entwicklung der Forschungsmeinungen
Die Tafel gelangte 1913 in das Museu Nacional in Lissabon. Sie befand sich
zuvor als Teil der königlichen Sammlung im Lissaboner Palacio des Neces-
sidades. Über die frühere Geschichte und Herkunft des Bildes ist nichts
bekannt3. Es galt als niederländische Arbeit der Zeit um 15004 und wurde
erstmals von L. Reis Santos (1939, 1953, 1962)5 Hugo zugeschrieben und in
die Zeit nach 1476 datiert. Reis Santos wies auf den engen Zusammenhang der
Tafel mit zwei weiteren Darstellungen desselben Themas hin. Es handelt sich
dabei zum einen um einen Kupferstich (Abb. 42) des Antwerpener Stechers
Antoine Wierix (1559—1624)6, zum anderen um eine Zeichnung im Museum
Boymans-van Beuningen in Rotterdam (Abb. 43)7. Reis Santos sah in der Lissaboner Tafel die unmittelbare Vorlage für den Lukas bei Wierix. Die Beziehung der Rotterdamer Zeichnung zum Bilde des Museu Nacional war für ihn
demgegenüber weniger präzise zu bestimmen; ungeachtet ihrer hohen Qualität wollte er in ihr keine vorbereitende Studie zum Tafelbild sehen8.
Stich und Zeichnung waren schon vor Reis Santos' Publikation des Tafel-
bildes bekannt. Der Wierix-Kupferstich galt auf Grund der Bezeichnung
»Gerar. de Iode excu. Anto. Wierinx sculpsit M. Quintin Mazzijs inuentor.«
einhellig als getreue Wiedergabe einer im Original verschollenen, aber dokumentarisch belegten Lukas-Madonna von Quentin Massys. Die schon früher
wiederholt festgestellte Verwandtschaft des Figurenstils des Kupferstichs zu
Werken von Bouts und van der Goes war mit dem Hinweis auf die angenommene frühe Entstehung des Bildes innerhalb von Massys' künstlerischer Entwicklung erklärt worden9. Die Rotterdamer Zeichnung war ihrerseits schon
von I. Adler (1930)10 Hugo van der Goes zugeschrieben worden, allerdings
ohne daß dabei auf den Zusammenhang mit dem Wierix-Kupferstich hingewiesen worden wäre. Die Beziehungen zwischen Tafelbild, Zeichnung und
3 Reis Santos (1962), S. 61f (englische Übersetzung der portugiesischen Originalausgabe: derselbe
[1953]).
4 Catalogo-Guia do Museu das Janelas Verdes, Lisboa 1938, S. 95, Kat. Nr. 56.
3 Reis Santos (1939), S. 162-167; ausführlicher, und erstmals mit Datierungsvorschlag: derselbe
(1953), S. 6 lf; derselbe (1962), S. 61f.
6 L. Alvin, Catalogue raisonne de l'oeuvre des trois freres Jean, Jerome et Antoine Wierix, Bruxelles
1866, S. 81, Kat. Nr. 484; Mauquoy-Hendrickx (1978), S. 137, Kat. Nr. 771, PI. 105.
Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen; Inv. Nr. N 94; 198 x 126 mm, Feder in Braun über
schwarzer Kreide; Vijf Eeuwen Tekenkunst (Rotterdam 1957), S. 5f, Kat. Nr. 2.
8 Reis Santos (1939), S. 167.
9 Henri Hymans, Quentin Matsys; in: Gazette des Beaux-Arts, 2. per. , 37 (1888), S. 20; Cohen
(1904), S. lOf; Jean de Bosschere, Quinten Metsys, Bruxelles 1907, S. 34f; Harald Brising, Quinten
Matsys und der Ursprung des Italianismus in der Kunst der Niederlande, Leipzig 21908, S. 51;
Winkler (1924), S. 195f; A. J. J. Delen, Metsys, Bruxelles 1926, S. 48.
10 Adler (1930), S. 54, PI. 34.
114
Die Lukas-Madonna in Lissabon
Abb. 41 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die
Madonna, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga
Kupferstich sollten nachfolgend die Goes- wie die Massys-Forschung zugleich
intensiv und kontrovers beschäftigen. L. Reis Santos (1939) und im Anschluß
daran M. J. Friedländer und H. Pauwels (1971)11 hatten für die Angabe des
Kupferstiches zwei konkurrierende Erklärungsmöglichkeiten ins Auge gefaßt:
Entweder hatte Massys eine bis auf die Lissaboner Tafel verlorene LukasMadonna von Hugo van der Goes präzise kopiert, die Wierix seinerseits dann
als Werk Massys' stach, oder aber der Stecher hatte seine Vorlage unbegründet
und fälschlich für ein Werk Massys' gehalten.
11 Reis Santos (1939), S. 162-167; ENP VII, S. 88 (Editor's Note).
Die Entwicklung der Forschungsmeinungen
115
EN REGINA. TVA LVCA5 SACIU PVER.IQVE, VT COUiTAT TABVLI5. EFFIGIEQVE DOCET.
Abb. 42 Antoine Wierix, Lukas zeichnet die Madonna, Kupferstich, Wien, Graphische
Sammlung Albertina
Teilweise ohne auf die Lissaboner Tafel und ihre Zuschreibung näher einzugehen, sahen K. G. Boon (1942), L. Malle (1955) und A. de Bosque (1975)12
in der im Stich überlieferten Komposition weiterhin ein Frühwerk Massys',
wobei sich Mutter und Kind an Werken von Bouts, Lukas hingegen an einem
verschollenen, in der Rotterdamer Zeichnung reflektierten Goesschen Vorbild
orientieren sollten. Auch D. Schubert (1972), H. Pauwels (1975, 1981) und
G. Kraut (1986)13 hielten an der Zuschreibung der von Wierix gestochenen
12 K. G. Boon, Quinten Massys, Amsterdam 1942, S. 16 mit Anm. 1; Luigi Malle, Quinten Metsys;
in: Commentari 6 (1955), S. 81; A. de Bosque, Quentin Metsys, Bruxelles 1975, S. 160f.
13 Dietrich Schubert, Quentin Massys porträtiert von Jan van Scorel? in: Bulletin des Musees Royaux
116
Die Lukas-Madonna in Lissabon
Lukas-Madonna an Massys fest, gingen aber noch einen wesentlichen Schritt
weiter. Die Lissaboner Tafel galt ihnen als eigenhändiges Werk des Quentin
Massys, das keinerlei stilistische Bezüge zu Werken van der Goes' aufwies; die
Zeichnung hingegen wurde als Arbeit nach dem Tafelbild betrachtet, da sie
in ihrer Wiedergabe der sekundären Beschneidung am oberen Bildrand dem
an der Tafel zu beobachtenden Befund folgte14. Uneinig waren sich Schubert
und Pauwels - Kraut machte keinen Datierungsvorschlag - nur in der zeit-
lichen Ansetzung des Lissaboner Bildes in Massys' Oeuvre. Schubert zufolge
war die Tafel als Massys-Selbstportrait in der Rolle des hl. Lukas um 1525 entstanden; Pauwels hielt demgegenüber an der traditionellen Frühdatierung um
1500 fest. Die Gegenposition wurde u.a. von F. Winkler (1964) und L. Silver
(1984)13 eingenommen: Sowohl die Lissaboner Tafel als auch die Rotterdamer
Zeichnung waren demnach als Werke nach einer im Original wohl verlorenen
Komposition van der Goes' zu betrachten, die Zuschreibung des Stiches an
Massys ging auf einen Irrtum des Stechers zurück. Doch auch L. Reis Santos'
(1953, 1962)16 uneingeschränkt positive Beurteilung der Lissaboner Tafel als
Originalwerk Hugos fand mit K. Arndt (1965)1 ihren Anhänger, während
C. Eisler (1964)18 angesichts des Zustandes der Tafel keine definitive Entschei-
dung treffen wollte.
Ende der 1970er Jahre wurde das Bild einer durchgreifenden Restaurierung,
bei der vor allem ausgedehnte moderne Retuschen entfernt wurden, und einer
detaillierten gemäldetechnologischen Analyse im Instituto Jose de Figueiredo
in Lissabon unterzogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden von
M. F. Viana (1979)19 und in der Publikation des Museu Nacional de Art
Antiga »S. Lucas retratando a Virgem« (1981)20 mitgeteilt. Wie unentbehrlich
diese beiden Beiträge für jede weitere Beschäftigung mit dem Lissaboner Bild,
des Beaux-Arts de Belgique 22 (1972), S. 20f; Henri Pauwels, Naar aanleiding van een gravure naar
Quinten Metsys; in: Bijdragen tot de Geschiedenis van de Grafische Kunst opgedragen aan Prof.
Dr. Louis Lebeer ter gelegenheid van zijn tachtigste verjaardag, Antwerpen 1975, S. 248-262; derselbe (1981), S. 15-23; Kraut (1986), S. 37-43.
14 Auf den Erhaltungszustand der Lissaboner Tafel wird nachfolgend ausführlich eingegangen.
13 Juste de Gand, Berruguete et la cour d'Urbino (Gent 1957), S. 132, Kat. Nr. 65, 66; Vijf Eeuwen
Tekenkunst (Rotterdam 1957), S. 5, Kat. Nr. 2; Winkler (1964), S. 221-226, 312; S. 221; ENP IV,
S. 88, Add. 140, PI. 115; Larry Silver, The Paintings of Quentin Massys with Catalogue Raisonne,
Oxford 1984, S. 240f; J. Riviere, Reflexions sur les Saint Luc peignant la Vierge flamands. De Cam-
pin ä Van Heemskerck; in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Künsten Antwerpen
(1987), S. 63-66.
16 Reis Santos (1953), S. 6 lf; derselbe (1962), S. 61f.
17 Arndt (1965), Sp. 783-786, hier Sp. 785.
ls Colin T. Eisler, Rezension von Luis Reis Santos, Masterpieces of Flemish Painting of the Fifteenth
and Sixteenth Centuries in Portugal, Lisbon 1962; in: Gazette des Beaux-Arts, 6. per. , 63 (1964),
S. 19 lf.
19 Viana (1979), S. 59.
20 S. Lucas retratando a Virgem (Lissabon 1981), S. 33-69.
Die Entwicklung der Forschungsmeinungen
Abb. 43 Niederländischer Meister vom
Anfang des 16. Jahrhunderts, Lukas zeichnet die Madonna, Zeichnung, Rotterdam,
Museum Boymans-van Beuningen
117
Abb. 44 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet
die Madonna, Zustand während der jüngsten
Restaurierung, Lissabon, Museu Nacional de
Arte Antiga
seiner Zuschreibung und seinem Verhältnis zur Rotterdamer Zeichnung und
zum Kupferstich Wierix' sind, macht insbesondere ein Blick auf die Photographien der Tafel in den unterschiedlichen Restaurierungszuständen deutlich
(Abb. 44): Durch die Abnahme der ausgedehnten Übermalungen hat sich der
Charakter des Bildes entscheidend verändert. Auf der Grundlage der Restaurierungsergebnisse sprachen sich M. F. Viana (1979) und F. Baudouin (1981)21
ausdrücklich für Hugos Autorschaft des Lissaboner Lukas aus. Baudouin
datierte das Bild unter Vorbehalt in die frühe Schaffenszeit des Malers, dabei
auf den engen Bezug zu Rogiers Lukas-Madonna (Abb. 47)22 hinweisend.
Während er die Rotterdamer Zeichnung als Kopie nach dem Tafelbild betrachtete, hielt er den Wierix-Stich - zumindest, was die Figurengestaltung anging für eine vergleichsweise getreue Wiedergabe der Goes-Komposition.
21 Viana (1979), S. 59; Baudouin (1981), S. 25-30.
22 Die Komposition des Rogier van der Weyden ist in mehreren Versionen in Boston, Brügge, St. Peters-
burg und München erhalten geblieben. Die Bostoner Fassung gilt allgemein als das Original
Rogiers, man vergleiche Eisler (1961), S. 71-93, und Klein (1987), S. 35-37.
118
Die Lukas-Madonna in Lissabon
2. Ein Bild wird wiederentdeckt - die Ergebnisse der jüngsten
Restaurierung2-1
Die Lukas-Tafel mißt 104,5 x 62,4 cm24 und besteht aus drei vertikal angeordneten, etwa 1,5 cm starken Eichenbrettern. Die Malerei ist sowohl an der rech-
ten und linken wie an der unteren Bildkante in ihrer ursprünglichen Ausdehnung erhalten geblieben, wie an der Malkante klar erkennbar ist. Dem-
gegenüber ist sie oben partiell beschnitten. Die auch hier zumindest teilweise
erhaltenen Abschnitte des Grundiergrats machen deutlich, daß das Bild ursprünglich halbrund geschlossen war. Die Tafel ist also kein Fragment aus
einem größeren Bildzusammenhang; da die Komposition in sich unvollständig
ist, dürften wir in ihr am ehesten den linken Flügel eines Diptychons sehen.
Die Malerei25 ist fast durchgängig leicht berieben, größere Farbverluste
gibt es vor allem im Gesicht des Fieiligen - auf Stirn, rechter Wange und um
den Mund - , sowie am rechten Bildrand und an den Brettfugen. Die geringe
Qualität der im Zuge der jüngsten Restaurierung abgenommenen modernen
Übermalungen gerade im Bereich des Gesichtes (zudem teilweise weit über die
Fehlstellen hinausgehend wie im Bereich der Haare) ist an den Zustandsphotographien, die während der Abnahme angefertigt wurden, in aller Deutlichkeit
abzulesen. Sie dürfte in ganz erheblichem Maße zur Dissonanz der bisherigen
Forschungsmeinungen über die Zuschreibung der Lissaboner Tafel beigetragen haben. Auch die Röntgenaufnahme zeigt deutlich die ausgedehnten, bis
auf den Bildträger reichenden Farbverluste in Gesicht und Gewand (Abb. 45).
Zugleich wird der überaus präzise und ökonomische Farbaufbau ablesbar. Die
einzige Ausnahme hiervon bildet ein Pentiment am Ringfinger der Rechten,
der in der ersten Farbanlage nicht parallel zum Mittelfinger, sondern ein wenig
davon abgesetzt verlaufen sollte. Die schließlich ausgeführte Farbfassung dieses
Fingers mußte daher partiell über den bereits farbig angelegten Umhang gelegt
werden26. Die Infrarot-Photographien machen vor allem im Bereich der rotfarbenen Gewänder die Unterzeichnung sichtbar (Abb. 46). Auch hier las-
23 Das nachfolgende Kapitel stützt sich (neben der Autopsie des Bildes) weitgehend auf die Mitteilungen der Leiterin des Lissaboner Restaurierunginstituts »Instituto Jose de Figueiredo«, Frau M. F.
Viana, der für ihre freundliche Unterstützung ebenso zu danken ist wie der Direktorin des Museu
Nacional de Arte Antiga, Frau M. A. Beaumont. Maria Fernanda Viana, Tratamento e estudo
tecnico da pintura; in: S. Lucas retratando a Virgem (Lissabon 1981), S. 33-69.
24 Die bemalte Oberfläche mißt demgegenüber 102 x 61 cm.
2 Für die Beobachtungen zur Grundierung, zum Farbaufbau und zu den verwendeten Pigmenten
sei auf die Beiträge von M. F. Viana und L. M. Picciochi Alves in S. Lucas retratando a Virgem
(Lissabon 1981), S. 33-69 und 71-79, verwiesen.
26 Die von Viana (1981), S. 41, Abb. 9, als Kopf gedeutete Form, die in der Röntgenaufnahme im
Bereich des Fensters erscheint, wird von ihr versuchsweise einer ersten Bildfassung zugewiesen; die
Interpretation des Röntgenbefundes als Kopf einer Figur erscheint allerdings problematisch.
Die Ergebnisse der jüngsten Restaurierung
119
Abb. 45 Hugo van der Goes, Lukas
zeichnet die Madonna, Röntgenaufnahme, Lissabon, Museu Nacional de
Arte Antiga
sen sich keine wesentlichen Abweichungen zwischen Unterzeichnung und
Farbanlage ausmachen27. Die vermutlich mit einem Pinsel ausgeführte Un-
terzeichnung bildet zunächst mit Umrißlinien und Binnenkonturen ein
lineares Gerüst, das dann mit Schraffuren zur Angabe der Modellierung des
Körpers komplettiert wird. Die strikt parallel geführten Schraffen folgen dabei
in keinem Fall dem Oberflächenrelief des jeweiligen Bildgegenstandes: Der
Flächencharakter der Unterzeichnung ist unübersehbar.
3. Autorschaft und Datierung des Lissaboner Lukas
Die Frage der Autorschaft der Lukas-Tafel ist nach der jüngsten Restaurierung
des Bildes eindeutig zugunsten von Hugo van der Goes zu entscheiden. Die
27 Ausgesprochene Abweichungen der Farbausführung von den Angaben der Unterzeichnung lassen
sich (außer am rechten Ringfinger des Evangelisten im Bereich des Pentiments) nur an der Staffelei
und dem darauf stehenden Bild erkennen; beide waren in der Unterzeichnung wesentlich kleiner
und niedriger vorgesehen als schließlich ausgeführt.
Dem flächenbezogenen Charakter (gerade auch der den Gegenstand modellierenden Schraffuren)
der Unterzeichnung entsprechend, ist die plastische Wirkung der Farbausführung wesentlich stärker als die der Unterzeichnung; dennoch folgt die Farbfassung prinzipiell den Vorgaben der Unterzeichnung.
120
Die Lukas-Madonna in Lissabon
igo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Infrarot-Photographie, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga
Autorschaft und Datierung
121
dafür sprechenden Charakteristika der Gestaltung der Tafel dienen gleichzei-
tig als Grundlage für ihre zeitliche Einfügung in das Werk des Malers. Zunächst gilt es sich bewußt zu machen, daß die Malfläche nur unwesentlich
durch die sekundären Beschneidungen reduziert worden ist - wenngleich dies,
außerordentlich grob ausgeführt, den Eindruck der ursprünglich halbrund geschlossenen Tafel sehr unvorteilhaft veränderte. Auch schon vor der Beschneidung wurde die mächtige Gestalt des Lukas unmittelbar vom Halbkreis des
oberen Tafelabschlusses überfangen, wobei der Nimbus diesen vermutlich fast
berührte. Die Hände erreichen nahezu den rechten, der Fuß beinahe den linken Bildrand und der um die Figur gelegte Umhang wird von den seitlichen
Bildrändern tatsächlich bereits überschnitten: Die Monumentalität der die gesamte Bildfläche beherrschenden Gestalt muß in der ursprünglichen Disposition noch wesentlich deutlicher zu spüren gewesen sein, als dies heute der Fall
ist. Der im Zusammenhang mit unserer Tafel gern angestellte Vergleich mit
Rogiers Formulierung der Lukas-Madonna (Abb. 47) kann die entschiedene
Betonung des Lissaboner Lukas nur noch klarer hervortreten lassen. Es ist
nicht nur die wesentliche Vergrößerung der Figur im Verhältnis zu dem sie
umgebenden Bildraum, es ist auch die Ausgestaltung des Bildraumes selbst, die
zur Monumentalisierung des Lukas beiträgt: Wo Rogier den ganzen Raum mit
Boden, Wand und Decke zur Darstellung bringt, zeigt das Lissaboner Bild nur
eine Raumecke (deren Wiedergabe bereits auf die Einbeziehung der Decke verzichtet), wo Rogier so gut es geht alle Einrichtungsgegenstände in ihrer vollen
Größe ins Bild rückt, werden sie in unserem Bild durchgängig vom gewählten
Bildausschnitt fragmentiert. So sehr auch das Fliesenmuster des Bodens das
Gefühl von Bildraum hervorruft, so sehr wird dies durch die Lukas-Gestalt
wieder zurückgenommen. Darüberhinaus wird die Raumecke durch eine Vielzahl von mehr oder minder bildparallel dargestellten Gegenständen einschließlich des Evangelistensymbols verstellt, der Eindruck von Bildtiefe verwischt.
Die vom »horror vacui«-Gefühl geleitete, fast als »ornamental« zu bezeichnende Füllung der Bildfläche bindet Bildraum und Figur entschieden an die
Fläche zurück.
Sehen wir uns unter Hugos Werken nach Vergleichsbeispielen für eine sol-
che Raumdarstellung um, die einerseits Bildraum schafft, um ihn zugleich
aber so gut es geht wieder zu verstellen und zu verschleiern, so finden sich
die engsten Parallelen bei den Werken der »ultima maniera« wie der Wiener
Beweinung (Tafel 19), der Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) und dem Brügger
Marientod (Tafel 16). Eine in dieselbe Richtung weisende, nahezu ornamentale
Flächenbindung hatten wir auch bei der Gestaltung der Unterzeichnung der
Tafel feststellen können. Auch hierfür bieten die genannten Arbeiten wie auch
die Edinburgher Tafeln die nächsten Analogien (Abb. 17-21). Auf die spätdatierten Werke verweist auch das Kolorit. Es ist im Vergleich etwa zum Mon-
122
Die Lukas-Madonna in Lissabon
Abb. 47 Rogier van der Weyden, Lukas zeichnet die
Madonna, Boston, Museum of Fine Arts
forte-Altar (Tafel 1) radikal zurückgenommen; vielfach variierte, lebendige
Grau- und kühle Brauntöne bilden die Folie, vor der die Figur erscheint. Doch
selbst die das Bild dominierenden Rottöne der Gewänder, das Dunkelblau des
Umhangs und das Grün der Kissen wie der Rückwand sind durch die massive
Beimischung von Weiß oder gar Grau gebrochen und ihrer Leuchtkraft entkleidet. Bemerkenswert ist auch das auffällig ungleichmäßige Interesse an der
Wiedergabe von Oberflächeneffekten. Sind etwa einerseits die Gestaltung des
Pelzes am Ärmel des Gewandes, der Vogelschwinge auf dem Fliesenboden oder
des Kopfes des Stieres Höhepunkte einer gegenstandsrealistischen Darstellung,
so ist andererseits keinerlei Aussage über die individuellen stofflichen Qualitäten der verschiedenen Gewebe der Gewandung des Evangelisten möglich. Eine
solche Differenzierung bei der Oberflächenwiedergabe einzelner Bildgegenstände findet sich ganz entsprechend etwa bei der Berliner Hirtenanbetung,
wo die Gewänder der Propheten des Bildvordergrundes außerordentlich unterschiedlich wiedergegeben werden, während dies bei den Gestalten der eigent-
Autorschaft und Datierung
123
liehen Anbetungsszene nicht geschieht28. Bei den Werken der »ultima maniera« stößt man schließlich auch auf die nächsten Parallelen für Gestaltung,
Typik und Ausdruck des Lukas. Vor allem die Betontung der Augenpartie, die
durch die Einfügung des weitgeöffneten Auges in eine von Braue und Tränensack gebildete Kreisform erreicht wird, und die wesentlich zum Eindruck des
»gebannten«, gedankenverlorenen Schauens beiträgt, aber auch die fast ornamental zu nennende Gestaltung der Haarsträhnen oder das graufarbene Inkarnat sind Charakteristika, die sich in gleich ausgeprägter Weise in Hugos spätdatierten Arbeiten finden.
Spricht also alles für einen engen Zusammenhang der Lissaboner Tafel mit
den Werken der »ultima mamera«, insbesondere der Hirtenanbetung und dem
Marientod, so läßt die Qualität der Darstellung keinen Zweifel daran, daß wir
es mit einem eigenhändigen Werk des Malers zu tun haben29. »Qualität« sei
hier nicht nur in dem enggefaßten Sinn der maltechnischen Ausführung verstanden, sondern vielmehr im Zusammenhang mit einer gerade für Hugo van
der Goes typischen schöpferischen Beschäftigung mit seinem Bildgegenstand.
So ist im Vergleich zu Rogiers Lukas-Madonna nicht nur die eigenständige
Auseinandersetzung mit dem berühmten Vorbild zu beobachten, die zu einer
neuen, unverwechselbar Goesschen Formulierung des Themas führte, sondern
es sind vor allem auch für die Bildwirkung so wesentliche Veränderungen wie
die Darstellung des Zeichenvorgangs selbst: War das Zeichnen bei Rogier eher
»symbolisch«30 wiedergegeben, so ist der Realismus der Darstellung bei Goes
unübersehbar. Die präzise Beobachtung des Zeichenvorgangs wird durch das
Pentiment am Ringfinger der Rechten noch betont - in der ausgeführten Endfassung des Bildes stützt allein der kleine Finger die den Metallstift führende
Hand auf der Unterlage ab. »Qualität« im Sinne einer kreativen, intelligenten
Bildschöpfung schlägt sich aber auch in einem scheinbar nebensächlichen
Bilddetail wie der Gestaltung des Werkstattbodens nieder: Die Abfolge der
einfarbig grauen Fliesen wird von solchen unterbrochen, die andere Formen
und eine andere Farbe aufweisen - soweit noch nichts Ungewöhnliches. Wo
aber üblicherweise die Darstellung eines schmalen Bodenabschnitts ausreicht,
um mühelos den Rapport eines Musters ergänzen zu können, ist dies beim
Lissaboner Bild nicht möglich. Der durch unsachgemäße Ausbesserungen ge2S Aus diesem Grunde könnte man auf den Gedanken kommen, daß durch die Differenzierung in
der Oberflächengestaltung bei der Berliner Hirtenanbetung die unterschiedlichen Realitätsebenen
dieser Darstellung - offenbarende Propheten, eigentliches biblisches Geschehen - betont werden
sollten; eine solche Deutung scheidet für die Lissaboner Tafel allerdings aus.
29 Wesentliche Argumente für die Authentizität der Tafel haben natürlich auch die Ergebnisse der
gemäldetechnologischen Untersuchungen mit dem Nachweis des Pentimentes an der Rechten des
Lukas, mit der für die Goesschen Spätwerke so kennzeichnenden Art der Unterzeichnung oder
mit der Sicherheit des Farbaufbaus beigebracht.
30 Winkler (1964), S. 225.
124
Die Lukas-Madonna in Lissabon
störte Fliesenboden der Lukas-Werkstatt trägt aber nicht nur in ganz erheb-
lichem Maße zur Verlebendigung des Bildes bei. Er erhöht zugleich den
»Realitätsgrad« der Darstellung, indem er die eigentliche Handlung subtil in
ein weiteres Zeitkontinuum einfügt.
Als eigenhändiges Werk des Hugo van der Goes gesellt sich das Tafelbild
des Museu Nacional zu den um 1480 entstandenen Werken der »ultima
maniera« wie der Berliner Hirtenanbetung und dem Brügger Marientod.
4. Der Evangelist und der Gegenstand seines künstlerischen Bemühens
Der gemäldetechnologische Befund läßt keinen Zweifel daran, daß wir es nicht
mit dem Fragment einer größeren Komposition zu tun haben, sondern vielmehr mit dem kaum beschnittenen linken Flügel eines Diptychons. Für den
Versuch einer Rekonstruktion des verlorenen rechten Flügels mit der Darstellung Mariens mit dem Kind ist es notwendig, sich nochmals dem Verhältnis
des Tafelbildes zur Rotterdamer Zeichnung und zum Wierix-Kupferstich zu-
zuwenden.
Schon seit langem ist beobachtet worden, daß der Kupferstich im Hinblick
auf Monumental- und Thronarchitektur wie auf den Landschaftsausbhck vom
Stecher stilistisch »modernisiert« wurde (Abb. 42)-1. Die Darstellung des
Lukas folgt andererseits getreu Hugos Lissaboner Tafel. Wie aber steht es um
die Darstellung der Madonna? Sollte der Stich auch im Falle der Marienfigur
seinem vermuteten Vorbild gefolgt sein, so wäre zu erwarten, daß auch die
Kupferstichdarstellung der Madonna deutlich Stilmerkmale der »ultima
maniera« aufweist. Genau dies ist auch der Fall. Die Kopftypik Mariens
schließt sich deutlich der der Muttergottes in der Berliner Hirtenanbetung an
(Abb. 48): In beiden Fällen bildet ein rundliches, weich modelliertes Oval die
Grundform des Kopfes. Das Gesicht wird kurvig von den Haaren gerahmt,
die nicht gerade vom Scheitel weg seitwärts ziehen, sondern die Stirnpartie
spitzbogig abgrenzen und dadurch eine symmetrische Entsprechung zum
Kontur der unteren Gesichtshälfte bilden. Das Kind ist auf dem Kupferstich
zwar wohlgenährter und in seinen Proportionen weniger überlängt als das
auch jünger dargestellte Christuskind der Hirtenanbetung; in seiner lebhaften
Bewegung ist es aber durchaus mit Hugos Kinderdarstellungen in Zusammenhang zu bringen.
Uber die sonstige Ausgestaltung dieses Diptychon-Flügels mit Maria und
Kind lassen sich nur Mutmaßungen anstellen. Die Ausbreitung des Umhanges
auf der Sitzfläche des Thrones (dabei natürlich insbesondere das Goessche
31 So etwa schon bei Cohen (1904), S. 11.
Der Evangelist und der Gegenstand seines künstlerischen Bemühens
125
Faltengeschiebe32) deutet darauf hin, daß die Gottesmutter auch in Hugos
Bildformulierung auf einer Thronbank saß, daß also dem irdischen Bereich
des Lukas in seiner Werkstatt die sich ihm visionär eröffnende himmlische
Sphäre der Madonna gegenübergestellt war. Für eine solche Kontrastierung
gibt es in Hugos Werk mit den Edinburgher Tafeln ein prominentes Vergleichsbeispiel (Tafeln 8-11). In geschlossenem Zustand zeigen sie, diptychonartig,
rechts den in einer Kirche knienden Stifter, Sir Edward Bonkil, der in seiner
meditativen Andacht von zwei orgelspielenden Engeln unterstützt wird und
dem die überirdische Erscheinung des Gnadenstuhles zuteil wird. Auf dem linken Flügel »erscheint« am Himmel in den Wolken und vor einer Lichtsphäre
der thronende Gottvater mit seinem toten Sohn und der Geisttaube. Angesichts auch der stilistischen Verwandschaft der Edinburgher Tafeln, die
C.Thompson und L. Campbell (1974)33 überzeugend um 1478/79 datierten,
mit dem Lissaboner Lukas scheint ein solcher Bezug zwischen den beiden
Werken auch in kompositioneller Hinsicht durchaus denkbar.
Abschließend sei nochmals auf das Problem der Angabe des Wierix-Stiches
eingegangen: »Mazzijs inuentor«. Entgegen den Verfechtern einer Zuschrei-
bung der Lissaboner Tafel an Massys erscheint uns Hugos Autorschaft unabweisbar, insbesondere im Licht der jüngsten Restaurierung und gemäldetechnologischen Untersuchung. Sollte allerdings Hugos Diptychon die unmittelbare Vorlage für Wierix' Kupferstich gewesen sein, so bliebe es schwer
verständlich, weshalb der Stecher Quentin Massys als »inuentor« der Komposition angibt. Zwei Argumente sprechen nun in der Tat für die Annahme
eines weiteren Bildes als Zwischenstufe in der Vermittlung der Goesschen Bilderfindung an Wierix. Da ist zunächst die Aussage der Rotterdamer Zeichnung (Abb. 43), die dem Stil nach zu urteilen wohl aus dem Anfang des
16. Jahrhunderts stammt34. Sie zeigt den linken Flügel des Diptychons mit
der Gestalt des Lukas bereits in beschnittenem Zustand - mit Sicherheit also
war das Diptychon zu diesem Zeitpunkt schon geteilt, möglicherweise der
rechte Flügel mit der Madonna bereits verloren. Unter diesen Umständen
wäre es schwer zu erklären, weshalb der Stecher auch die Marienfigur in
Goesscher Stilsprache wiedergeben konnte. H. Pauwels (1981)35 wies auf ein
Ambrosius Benson zugeschriebenes Bild der thronenden Madonna hin, das
32 Zwar zeigen auch schon die Flügel des Portinari-Altars diesen für Goes so typischen Gewandstil,
aber erst mit den Edinburgher Tafeln beginnen die aufgelegten Röhrenfalten das nahezu schon
ornamentale Eigenleben zu führen, das am deutlichsten schließlich in der Hirtenanbetung in Berlin zum Tragen kommt (man betrachte die Gewandorganisation der beiden Engel hinter Maria).
33 Thompson, Campbell (1974), S. 105.
34 Baudouin (1981), S. 26f.
3- Pauwels (1981), S. 18, Abb. D. : Holz, 121 x 112 cm (Catalogue of Important Old Master Paintings,
London, Sotheby's, 24. III. 1976, S. 25, Nr. 21).
126
Das »Ovale Portrait-Fragment« in New York
Abb. 48 Hugo van der Goes, Hirten- Abb. 49 Ambrosius Benson, Madonna mit
anbetung, Kopf Mariens, Berlin, Staat- Kind, zuletzt im englischen Kunsthandel
liehe Museen Preußischer Kulturbesitz,
Gemäldegalerie
sich 1976 im englischen Kunsthandel befand (Abb. 49). Die Tafel stellt Mutter
und Kind zwar spiegelbildlich dar, stimmt aber ansonsten völlig mit dem Wie-
rix-Stich und damit vermutlich zugleich mit dem rechten Flügel des Goesschen Diptychons überein. In Anbetracht dieser Tatsachen erscheint es durchaus möglich, daß Massys eine heute verlorene, exakte Kopie^6 der Goesschen
Lukas-Madonna anfertigte und daß diese (und nicht Hugos Original) Wierix
als Vorlage für seinen Stich diente.
36 Die Frage, ob diese hypothetische Lukas-Madonna Massys' nach van der Goes gleichfalls als
Diptychon gebildet war oder ob sie die Komposition bereits auf einer Tafel zusammenfaßte,
muß offenbleiben.
Die Beauftragung eines Malers mit der Flerstellung einer genauen Kopie des Werks eines anderen
Künstlers wäre durchaus nichts Ungewöhnliches, man denke nur an die in zahlreichen, nicht eigenhändigen Kopien etwa der Rogierschen Lukas-Madonna oder auch der Goesschen »Großen Kreuzabnahme«. Für Gerard Davids Darstellung der Königsanbetung in der Alten Pinakothek in München etwa konnte Arndt (1961), S. 153-175, die Verwendung von Pausen in Originalgröße nach
einer verschollenen, aber auch durch weitere Kopien der Zeit überlieferten Komposition dieses
Themas von Ftugo van der Goes nachweisen.
Forschungsgeschichte
127
IV Das »Ovale Portrait-Fragment« in New York
Das sogenannte »Ovale Portrait-Fragment« der H. O. Havemeyer Collection
im Metropolitan Museum of Art in New York1 zeigt das Dreiviertelprofil
eines jüngeren Mannes (Tafel 24, Abb. 50). Er hat die Hände betend vor der
Brust erhoben und blickt nach rechts aus dem Bild heraus. Das eindrucksvolle
Gesicht mit seiner detaillierten Durchbildung - man betrachte etwa die Wiedergabe des Bartanflugs, die tief in die Stirn fallenden Haare - könnte an einen
Mann mediterraner Herkunft, einen italienischen Kaufmann etwa, denken lassen. Der Beter ist mit einem dunkelbraun-grauen Gewand mit einem schwarzfarbenen Kragen bekleidet, unter dem ein weißes Hemd sichtbar wird. Er befindet sich in einem Innenraum, von dem nur die ungegliederte, bräunlichgraue Rückwand und die durchfensterte rechte Seitenwand ins Bild gesetzt
wird. In die Raumecke ist eine Halbsäule eingestellt, deren polygonal gebildetes Kapitell ein Rippengewölbe trägt. Die profilierte Fensteröffnung gibt den
Blick auf eine nur skizzenhaft angegebene Landschaft frei.
1. Zur Forschungsgeschichte
Das New Yorker Portrait wird erstmals 1878 in Paris faßbar, als es mit der
Sammlung M. Signol als ein stark von Jan van Eyck beeinflußtes Werk des
Antonello da Messina zur Versteigerung kam. Signol selbst soll die Tafel in
Italien erworben haben2. In den folgenden Jahren ging sie durch verschiedene
Privatsammlungen3, um schließlich 1929 als Teil der Havemeyer Collection4
an das Metropolitan Museum of Art zu gelangen. Erst zu diesem Zeitpunkt
setzte die eigentliche wissenschaftliche Bearbeitung ein, die sich aber in der
Zuschreibung an Hugo van der Goes weitgehend einig war5. Dazu trugen
1 New York, Metropolitan Museum of Art, The H. O. Havemeyer Collection, Bequest of Mrs.
H. O. Havemeyer, Inv. Nr. 29. 100. 15; Holz, 31,8 x 26,7 cm (oval); Wehle, Salinger (1947), S. 57f.
2 Catalogue des tableaux anciens de toutes les ecoles composant la tres importante Collection de
M. le Bon de Beurnonville, Paris, Charles Pillet, 9-16 mai 1881, S. 377, Nr. 603 (Antonello da Messina).
1878-1881: Sammlung Baron Etienne Martin de Beurnonville, Paris (Catalogue des tableaux anciens [1881], S. 377, Nr. 603: Antonello da Messina); 1881-1904: Paul Mame, Tours (Catalogue
des tableaux anciens et modernes, objects d'art et d'ameublement, composant la Collection Mame
de Tours, Paris, Galerie Georges Petit, 26-29 avril 1904, o. S. , Nr. 1: Antonello da Messina);
1904-1929: H. O. Havemeyer, New York.
4 The H. O. Havemeyer Collection (New York 1930), S. 11, Nr. 61; H. O. Havemeyer Collection
(New York 1931), S. 34.
? Mather (1930), S. 455f; The H. O. Havemeyer Collection (New York 1930), S. 11, Nr. 61; Burroughs (1931), S. 71 (Brief Friedländers vom 22. 8. 1929); H. O. Havemeyer Collection (New York
1931), S. 34; Max J. Friedländer, Eine Zeichnung des Hugo van der Goes; in: Pantheon 15 (1935),
128
Das »Ovale Portrait-Fragment« in New York
Abb. 50 Hugo van der Goes, Ovales Por-
traitfragment, New York, Metropolitan
Museum of Art
wesentlich die von B. Burroughs (1931)6 mitgeteilten Ergebnisse einer gemäldetechnologischen Untersuchung und anschließenden Restaurierung des
allseits beschnittenen Bildes bei: Unifarbene, flächige Ubermalungen bedeckten zuvor nicht nur den gesamten Hintergrund einschließlich der Landschaft,
sondern auch die Hände des Dargestellten (Abb. 51)/. Mittels des Röntgenbefundes konnte Burroughs ferner belegen, daß der auf einem nachträglich
eingesetzten Stück Holz ausgeführte obere Teil der Landschaft ebenso wie der
Himmel modern ergänzt sind (Abb. 52).
Dennoch wurden auch nach der Freilegung und Restaurierung der Tafel
vereinzelt Zweifel an Hugos Autorschaft geäußert: So blieb R. Rey (1936)8
bei der Zuweisung an Antonello oder seine Nachfolge, während sich L. van
Puyvelde (1935)9 an den Stil des Jan Gossaert Mabuse erinnert fühlte. K. OetS. 104; derselbe, Die Altniederländische Malerei, Bd. 14: Pieter Bruegel und Nachträge zu den früheren Bänden, Leiden 1937, S. 93; ENP IV, S. 85, Supp. 110, Tafel 106.
6 Burroughs (1931), S. 71-73.
Noch 1923 hatte derselbe, Loan Exhibition of the Arts of the Italian Renaissance; in: Bulletin of
the Metropolitan Museum of Art 18 (1923), S. 109, an der traditionellen Zuschreibung an Antonello da Messina festgehalten.
Als einziges architektonisches Detail war die Säule den Ubermalungen entgangen (Catalogue des
tableaux anciens [1904], o. S. , Nr. 1).
8 Rey (1936), S. 48f.
9 Leo van Puyvelde, Two Exhibitions at Brüssels: I. Flemish Primitives at the International Exhibition; in: Burlington Magazine 67 (1935), S. 84. Noch 1953 äußerte derselbe, La peinture flamande
129
Abb. 51 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, Zustand vor der Restaurierung von 1931 mit älteren Ubermalungen,
New York, Metropolitan Museum of Art
Abb. 52 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, Röntgenaufnahme, New York,
Metropolitan Museum of Art
tinger (1938)10 schließlich dachte an die getreue Wiederholung eines Vorbildes Hugos, wenn nicht an das »entstellte Original« selbst. Die jüngere Forschung vertrat dann erneut übereinstimmend die Autorschaft des Hugo van
der Goes11. Im Vergleich vor allem mit dem Portinari-Altar (Tafel 5) und dem
Stifterflügel des Hippolyt-Triptychons in Brügge (Tafel 13) wurde das »Ovale
Fragment« meist in die Mitte der 1470er Jahre datiert12. Unterschiedliche
Deutungen fand die Identität des Dargestellten. So sahen die Autoren des Versteigerungskatalogs von 190413 wegen seiner Kleidung in ihm ein Mitglied
au siecle des van Eyck, Paris u.a. O. 1953, S. 223, gewisse Vorbehalte gegenüber der Zuschreibung
an Goes.
10 Oettinger (1938), S. 5913.
11 Paul Fierens, Cinq siecles d'art ä l'exposition de Bruxelles; in: L'art et les artistes 155-159 (1935),
S. 300; Jacques Lavalleye, De eerste bloeiperiode. 1. De Vlaamsche Schilderkunst tot ongeveer 1480;
in: Stan Leurs (Herausgeber), Geschiedenis van de Vlaamsche Kunst, Bd. 1, Antwerpen-'s-Gravenhage 1936, S. 214; Hans Tietze (Herausgeber), Masterpieces of European Painting in America, New
York 1939, S. 317, Nr. 130; Tolnay (1944), S. 183f; Lavalleye (1945), S. 23; Wehle, Salinger (1947),
S. 57f; Art Treasures of the Metropolitan (New York 1952), S. 226; Panofsky (1953), S. 29416;
Held (1955), S. 232; Denis (1956), S. 29, 38; Winkler (1964), S. 58; Cuttler (1968), S. 159; ENP
IV, S. 85, Supp. 110, Tafel 106; Bauman (1986), S. 62.
12 Hulin de Loo (zitiert in Burroughs [1931], S. 72); Tolnay (1944), S. 183f; Lavalleye (1945), S. 23;
Wehle, Salinger (1947), S. 57; Denis (1956), S. 28, 38; Winkler (1964), S. 58; Cuttler (1968), S. 159;
Bauman (1986), S. 62.
13 Catalogue des tableaux anciens et modernes, objects d'art et d'ameublement, composant la Collec-
tion Mame de Tours, Paris, Galerie Georges Petit, 26-29 avril 1904, o. S. , Nr. 1.
130
Das »Ovale Portrait-Fragment« in New York
eines religiösen Ordens. Erst Puyvelde14 wies darauf hin, daß das dargestellte
Gewand den Betenden eindeutig als wohlhabenden Bürger ausweist.
Umstritten blieb auch die Rekonstruktion des ursprünglichen Kontexts.
Während F. J. Mather (1930)15 in der New Yorker Tafel den linken Flügel
eines Diptychons sehen wollte, hielt E. Panofsky (1953)16 dies wegen der Wen-
dung des Dargestellen nach rechts für unwahrscheinlich und betrachtete die
Tafel als Fragment einer mehrfigurigen, größeren Komposition. F. Winkler
(1964)17 schließlich wollte die Tafel dem linken Flügel eines ansonsten verlorenen Triptychons zuweisen. Als Adressatin der Gebete des Mannes wurde
nahezu einmütig eine Madonnendarstellung vermutet.
2. Zustand und Ergebnis der gemäldetechnologischen Untersuchung18
Bereits Burroughs19 hatte wesentliche Erkenntnisse zum Zustand und materiellen Aufbau der Tafel mitgeteilt, die dann ihrerseits die Grundlage für eine
durchgreifende Restaurierung lieferten, in deren Zuge nicht nur die zuvor
übermalten Hände des Beters, sondern auch der gesamte Hintergrund ein-
schließlich des Fensterausblicks freigelegt wurde.
Der nachträglich in die heutige Ovalform gebrachte Bildträger (maximal
32,5 x 26,7 cm messend) besteht aus zwei nebeneinander angeordneten Eichen-
brettern mit vertikal verlaufender Maserung. Die retuschierte Fuge verläuft
6,8 cm vom äußeren linken Rand der Tafel entfernt durch die rechte Schulter
des Portraitierten. An beiden Seiten der Tafel vervollständigen moderne Anstückungen das Oval, darüberhinaus ist der gesamte obere Teil des Fenster-
ausblicks einschließlich nahezu des gesamten Gewändes auf einem modernen
Holzeinsatz ausgeführt. Der Bildträger ist auf etwa 0,4 cm gedünnt und parkettiert. Durch die allseitige, nachträgliche Beschneidung der Tafel ist an keiner
Stelle die Malkante erhalten. Das volle Ausmaß der Verluste und Beschädigun-
gen der originalen Malerei ist eindrucksvoll an der alten Photographie der
Tafel in gereinigtem, aber noch unretuschierten Zustand wie auch an der Röntgenaufnahme abzulesen (Abb. 52). Massive Farbverluste sind an der ursprüng-
lichen Brettfuge, im Bereich der Landschaft sowie im unteren Bereich des
14 Puyvelde (1935), S. 84.
15 Mather (1930), S. 455. Ebenso Rey (1936), S. 47, und Wehle, Salinger (1947), S. 57; Art Treasures
of the Metropolitan (New York 1952), S. 226.
16 Panofsky (1953), S. 29516.
17 Winkler (1964), S. 58 (entgegen seiner Aussage kann sich seine Rekonstruktion als Triptychon
nicht auf Panofsky berufen). Ebenso Bauman (1986), S. 62.
18 Für ihre großzügige Unterstützung bei der Untersuchung des »Ovalen Portrait-Fragmentes« danke
ich Dr. Maryan Ainsworth und Guy Bauman, Metropolitan Museum of Art, New York.
19 Burroughs (1931), S. 71-73.
Zustand und Ergebnis der gemäldetechnologischen Untersuchung
131
modernen Holzeinsatzes im Bereich des Fensters zu erkennen. Von einer weitgehenden Reduzierung der originalen Malerei sind vor allem die ehemals vollkommen übermalten Bildpartien betroffen. So sind nur die Fingerspitzen vergleichsweise gut erhalten, während die übrigen Teile der Hände wie auch die
Gewandung des Mannes und der Bildhintergrund massiv beeinträchtigt sind
und heute erneut unter ausgedehnten neuen lasierenden Ubermalungen liegen. Das Gesicht des Dargestellten kann daher, aller auch hier zu verzeichnenden Substanzverluste durch Bereibungen zum Trotz, als die am besten erhaltene Bildpartie betrachtet werden.
Die Röntgenaufnahme gewährt auch ein Stück weit Einblick in die Entstehungsgeschichte des Bildes. So scheinen die Hände nicht von Anfang an in der
Bildkonzeption vorgesehen gewesen zu sein, denn sie sind - im Gegensatz etwa
zum Gesicht - auf die bereits farbig angelegte Gewandpartie gemalt20. Pentimenti im Bereich des Kragens, der ursprünglich weiter ausgeschnitten war und
einen größeren Abschnitt des weißen Hemdes zeigte, wie auch an der Fensterlaibung bestätigen die Authentizität des Bildes. Die Einwölbung des Raumes
über der in der Ecke eingestellten Halbsäule war anscheinend nicht von Anfang an vorgesehen und wurde erst im Laufe der Farbausführung ins Bild gesetzt. Nur wenige Angaben zur Unterzeichnung konnte die Infrarot-Reflektographie liefern. So sind die Augen nur mit knappen linearen Angaben für die
Begrenzung der Augenöffnung und des Oberlides fixiert, bezeichnet eine ein-
fache Linie den Verlauf der Haare über dem rechten Ohr. Auf der linken
Schulter war möglicherweise eine geringfügig von der Farbausführung abweichende Kragenform unterzeichnet, doch ist eine schlüssige Interpretation dieses Befundes nicht möglich. Der im Fenster sichtbare Landschaftsausschnitt
ist ebenso wie die Fensterbank zwar unter der in den 1920er Jahren entfernten,
jüngeren Übermalung zu Tage getreten, erweckt aber angesichts seiner kruden
Ausführung Zweifel an der Gleichzeitigkeit mit der Portraitdarstellung. Es
scheint daher mehr als wahrscheinlich, daß bereits vor der flächigen Ubermalung der Tafel einzelne »Ausbesserungen« von schwacher Hand ausgeführt
worden waren.
3. Bildkontext, Zuschreibung und Datierung
Durch die allseitige Beschneidung der Tafel läßt sich über den ursprünglichen
Bildzusammenhang nur spekulieren. Angesichts der Wendung des Beters nach
rechts scheint eine Rekonstruktion als linker Flügel eines Diptychons aus
2" Dieser Befund wurde auch durch die mikroskopische Analyse bestätigt, für deren Durchführung
ich Maryan Ainsworth dankbar bin.
132 Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d. T. in Baltimore
Abb. 53 Hugo van der Goes, Edinburgher
Tafeln, rechter Flügel, Innenseite,
Kopf Bonkils, The Royal Collection,
On loan to National Gallery of Scotland,
Edinburgh
»heraldischen« Gründen wenig wahrscheinlich. Gegen die Annahme der Zugehörigkeit des Fragmentes zu einer größeren, zusammenhängenden Komposition spricht wiederum die deutliche Absetzung des Stifters vom Gegenstand seiner Verehrung durch die Fensterbrüstung. So scheint am meisten für
die Vermutung zu sprechen, daß wir es beim »Ovalen Portrait-Fragment« mit
dem allein erhalten gebliebenen Überrest des linken Flügels eines Triptychons
zu tun haben, dessen rechter Flügel die Ehefrau des Stifters zeigte, die sich
gleichfalls anbetend der Darstellung der hypothetischen Mitteltafel zuwandte21.
In Kenntnis der nachträglichen Eingriffe in die Substanz der Tafel und unter
Berücksichtigung des Erhaltungszustandes der Malerei scheint uns kein Anlaß
gegeben, an der eigenhändigen Ausführung durch Hugo van der Goes zu
zweifeln. Die unmittelbare Nähe insbesondere zu den Portraitdarstellungen
des Hippolyt de Berthoz auf dem linken Flügel des Brügger Hippolyt-Altars
(Tafel 13) und des Edward Bonkil auf dem rechten der beiden Edinburgher
Flügel (Tafel 12, Abb. 53) legt diese Einschätzung nahe22. In allen drei Fällen
21 Eine ungefähre Vorstellung von der ursprünglichen Gestaltung dieses Triptychons mag das Diptychon des Meisters der Ursula-Legende liefern, dessen Madonnentafel heute im Fogg Art Museum,
Cambridge, Mass., verwahrt wird, während sich die Tafel mit dem anbetenden Stifter, Ludovico (?)
Portinari, in der John G. Johnson Collection, Philadelphia, befindet (Eisler [1961], S. 101-107,
PL CXXVII).
2~ Man könnte grundsätzlich auch das Portrait des Tommaso Portinari auf dem linken Flügel des
Florentiner Altars heranziehen. Die andersartige technische Ausführung bedingt allerdings in
Maßen auch eine von den genannten Bildnisköpfen abweichende Wirkung; s. u. S. 243-245.
Bildkontext, Zuschreibung und Datierung
133
begegnen wir den ausdrucksstarken, in ihrer jeweils individuellen Bildung
präzise beobachteten und differenziert wiedergegebenen Gesichtern von Männern, die ihrer eigenen Person wie ihrer hier im Bilde umgesetzten gesellschaftlichen Stellung sicher scheinen. An allen drei Bildnissen zeigt sich auch die
gleiche konzentrierte Zuwendung zum Gegenstand der Andacht. Die genann-
ten Vergleiche belegen nicht nur die Ausführung der Tafel durch Hugo van
der Goes selbst, sie liefern zugleich den Zeitrahmen, in dem die Entstehung
des New Yorker Bildnisses anzunehmen ist. In der Mitte oder zu Beginn der
zweiten Hälfte der 1470er Jahre dürfte das - seiner Verstümmelung ungeachtet - höchst eindrucksvolle »Ovale Portrait-Fragment« entstanden sein.
V Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes dem Täufer in Baltimore
Das Tafelbild in der Walters Art Gallery in Baltimore1 zeigt den im Dreiviertelprofil nach links gewandten Stifter in Begleitung Johannes des Täufers in
einer nur knapp angedeuteten Raumecke (Tafel 25, Abb. 54). Die als Halb-
figuren nahsichtig gegebenen Gestalten sind infolge des gewählten engen Bildausschnittes dicht hintereinander gestaffelt. Der Täufer ist auf nahezu gleicher
Raumebene wie der wohl kniende Stifter dargestellt; den Kopf zu ihm herabgebeugt, scheint er seinem Schützling den Gegenstand der Andacht auf der
verschollenen linken Tafel näherbringen zu wollen, auf den er zusätzlich noch
mit der Rechten hinweist. Der Stifter ist als Mann mittleren Alters gegeben,
bartlos, die kurzen Haare in die Stirn gekämmt. Er blickt konzentriert nach
links hinüber, die Hände anbetend vor die Brust erhoben. Er trägt ein schwarzfarbenes, mit Pelz gefüttertes und gesäumtes Gewand mit schwarzem Kragen.
Auch Johannes blickt nach links hinüber. Seine Darstellung folgt der Bildtradition. Das bärtige Antlitz ist von langen, welligen Haaren gerahmt; über
einem einfachen, braunen, hemdartigen Gewand trägt er einen karminroten
Umhang, der seine rechte Schulter bedeckt und über dem Arm zusammengerafft ist.
Die räumliche Situation, in der die beiden Figuren geschildert sind, ist
kaum mehr als angedeutet, darüberhinaus ambivalent in ihrer Darstellung.
Auf die beiden Figuren fällt das Licht im Bilde von rechts. Dementsprechend
sind die dem Betrachter abgewandten Gesichtshälften des Stifters und - noch
markanter - des Täufers verschattet. Auch der Schatten, den Johannes auf die
Wand hinter ihm wirft, entspricht dieser Beleuchtungssituation. Die nach
links sich anschließende Wand mit der wohl als hochsitzendes Fenster zu deu-
tenden helleren Farbzone oben links ist allerdings in gleichmäßiges Dunkel
1 Baltimore, Walters Art Gallery, No. 37. 296; Eiche, 32,2 x 22,5 cm (Gordon [1988], S. 92-97).
134
Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d. T. in Baltimore
Abb. 54 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter
und Johannes d.T., Baltimore, Walters Art Gallery
getaucht. Ob man sie - ähnlich wie beim »Ovalen Portrait-Fragment« in New
York - als im rechten Winkel nach vorn verlaufende Seitenwand sehen will
(deren einheitliche Verschattung dann überraschen würde), oder ob man eine
Interpretation als in die Bildtiefe nach links zurückweichende Wand vorzieht,
muß offenbleiben.
Neben der psychologischen Intensität und der räumlichen Verdichtung der
Darstellung bestimmt vor allem die ausgemacht kühle Farbigkeit den Gesamt-
eindruck der Tafel. Vom Schwarz der Kleidung des Stifters, der grünlich
grauen Architektur und dem kalten Karminrot des Umhangs des Täufers
heben sich die fahlen Inkarnate wirkungsvoll ab und konzentrieren auch auf
diese Weise die Aufmerksamkeit des Betrachters nachdrücklich auf den in
seine Andacht versunkenen Beter und seinen Begleiter.
Forschungsgeschichte
135
1. Die Forschungsgeschichte2
Die Tafel tauchte erstmals 1882 in Amsterdam auf der Auktion der Sammlung
P. A. Borger als Werk aus der Schule der van Eyck auP. Von 1903 bis 1919
war sie mit einer Zuschreibung an Hugo van der Goes im Rijksmuseum in
Amsterdam ausgestellt4. 1920 gelangte das Bild erneut in den Handel, um
noch im selben Jahr von Henry Walters für seine Sammlung erworben zu werden5.
Als fraglos eigenhändiges Werk aus Hugos späterer Schaffensphase wurde
das Bild erstmals von J. Destree (1907, 1914)6 bezeichnet. Die nachfolgende
Forschung sollte sich dieser Einschätzung ausnahmslos anschließen7. Diese
Einmütigkeit wurde nicht zuletzt auch durch die Ergebnisse einer Restaurierung im Jahre 19398 gefördert, bei der weitflächige Ubermalungen entfernt
wurden, die nicht nur die betend erhobenen Hände des Stifters verdeckt, son-
dern zugleich auch den künstlerischen Charakter der Tafel nachdrücklich
beeinträchtigt hatten (Abb. 55)9. Die Abnahme der Übermalungen förderte
zugleich einen Befund zu Tage, der verschiedentlich als eine um den Hals des
: Für die großzügige Bereitschaft, mir Einsicht in seine noch unpublizierte Katalogeintragung zu
Hugos Stifterbildnis zu gewähren, bin ich Eric Zafran, Curator of Paintings an der Walters Art
Gallery, Baltimore (nachfolgend als Zafran zitiert), ebenso zu Dank verpflichtet wie Eric Gordon
für freundliche Auskünfte zur jüngsten Restaurierung der Tafel wie zu ihrem materiellen Aufbau
(jüngst publiziert: Gordon [1988], S. 92-97).
J Dr. P. A. Borger, Arnhem, Sale Frederik Muller, Amsterdam, 13. 11. 1882, Nr. 16.
4 Catalogue des tableaux, miniatures, pastels, dessins encadres, etc. du Musee de l'Etat ä Amsterdam,
Amsterdam 1904, S. 36, Nr. 341; Catalogue des tableaux, miniatures, pastels, dessins encadres, etc.
du Musee de l'Etat ä Amsterdam, Amsterdam 1905, S. 133, Nr. 984 a.
D Auf der Versteigerung in Amsterdam 1882 war die Tafel von dem Amsterdamer Sammler M. Leembruggen erworben worden. Seine Sammlung wurde am 13. 4. 1920 bei Frederik Muller in Amsterdam versteigert. Das Bild der Walters Art Gallery gelangte anschließend vorübergehend in eine
New Yorker Privatsammlung (?), um schließlich noch im selben Jahr durch den Kunsthändler
J. Seligman, New York, an Walters verkauft zu werden (Zafran, o. S.).
6 Destree (1907 a), S. 52lf; derselbe (1914), S. 122.
Friedländer (1916), S. 177; derselbe (1921), S. 312; derselbe (1926), S. 49, 128, Nr. 18, Tafel 29; Mar-
tin Conway, The Van Eycks and Their Followers, London 1921, S. 184; Pfister (1923), S. 12, 26;
Franz Dülberg, Niederländische Malerei der Spätgotik und Renaissance, Potsdam-Wildpark 1929,
S. 89; FI. Fierens-Gevaert, Paul Fierens, Histoire de la peinture flamande, Bd. 3, Paris-Bruxelles
1929, S. 48; Burroughs (1931), S. 72; Otto von Falke, Zur Wiedereröffnung der Walters Art Gallery
in Baltimore; in: Pantheon 18 (1936), S. 346; Flandbook of the Collection, Walters Art Gallery,
Baltimore 1936, S. 134; Oettinger (1938), S. 57f; Knipping (1940), S. 37f; Tolnay (1944), S. 184;
Panofsky (1953), S. 499, 501; Held (1955), S. 232; Denis (1956), S. 28, 37, Mc Cloy (1958), S. 106;
Lavalleye (1962), S. 60f; Winkler (1964), S. 86; Hubert Schrade, Zum Stiferbildnis des Hugo van
der Goes in Baltimore; in: Festschrift Werner Hager, Recklinghausen 1966, S. 38-43; ENP IV,
S. 71, Nr. 18, Tafel 32; Pächt (1969), S. 54; Thompson, Campbell (1974), S. 7; Zafran, o. S.
8 Gordon (1988), S. 93-95; Zafran, o. S.
9 Den Zustand vor dieser Restaurierung zeigt Gordon (1988), S. 96, Abb. 5 (irrtümlich beschriftet
als Zustand nach der Restaurierung von 1988, den stattdessen S. 92, Farbtafel I, zeigt).
136 Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d. T. in Baltimore
Stifters gelegte Kette mit Anhänger, möglicherweise gar als Orden des Goldenen Vlieses, gedeutet wurde10.
Einer erneuten Untersuchung und Restaurierung wurde die Tafel 1988
unterzogen11, bei der alle modernen, verfärbten Retuschen entfernt und das
Stück in seinem fragmentarischen Erhaltungszustand erkennbar belassen
wurde. Der Untersuchungsbericht von E. Gordon (1988)12 und die Diskus-
sion von kunsthistorischer Seite durch E. Zafran13 stellen die bisher ausführlichste und produktivste Auseinandersetzung mit der Tafel in Baltimore dar.
Im Hinblick auf die Komposition, aber auch im Lichte einer angenommenen späten Entstehung, hielt Zafran trotz der nachträglichen Beschneidung
der Tafel oben und unten, nicht aber zu beiden Seiten, eine massive nachträgliche Reduktion der Tafel für unwahrscheinlich14. Dieser Befund scheint die
erstmals von M. J. Friedländer (1926)15 vorgeschlagene Rekonstruktion der
Stiftertafel als linker Flügel eines Diptychons (gegenüber der früheren Annahme als Triptychon-Flügel16) zu bestätigen. Zafran machte auch auf die im
Kontext eines Diptychons eher seltene Hinzufügung des empfehlenden Heiligen, hier des sich in ungewöhnlich vertrauter Weise dem Stifter nähernden
Täufers, aufmerksam, der seinerseits mit der ihm ikonographisch beigelegten Weisegeste der Rechten auf den Adressanten der Frömmigkeitsübungen
des Dargestellten weist1 - mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Madonna mit
Kind.
2. Zustand und Ergebnisse der jüngsten Restaurierung
Die 32,2 x 22,5 cm messende Tafel besteht aus einem einzelnen Eichenholzbrett, das heute gedünnt und parkettiert ist. Während die seitlichen Malkanten
10 The Worcester-Philadelphia Exhibition of Flemish Painting (Worcester, Philadelphia 1939), S. 23,
Nr. 14; Winkler (1964), S. 86; ENP (1969), S. 7164. Eine Aufstellung der in Frage kommenden
Kandidaten bei einer Identifizierung als Mitglied des Ordens des Goldenen Vlieses bei Zafran,
o. S. , zugleich aber auch der Hinweis, daß der materielle Befund die sichere Identifizierung als
Goldenes Vlies nicht bietet.
11 Gordon (1988), S. 92-97; Zafran, o. S.
12 Gordon (1988), S. 92-97.
13 Zafran, o. S.
14 Im Hinblick auf das verwandte Tafelformat des Wiener Diptychons vermutete Zafran die Existenz
einer Standardgröße bei Goesschen Kleinformaten.
15 Friedländer (1926), S. 49.
16 Dr. P. A. Borger, Arnhem, Sale Frederik Muller, Amsterdam, 13. 11. 1882, Nr. 16; Catalogue des
tableaux, miniatures, pastels, dessins encadres, etc. du Musee de l'Etat ä Amsterdam, Amsterdam
1904, S. 36, Nr. 341; Destree (1907 a), S. 52lf; derselbe (1914), S. 122; The Worcester-Philadelphia
Exhibition of Flemish Painting (Worcester, Philadelphia 1939), S. 23.
17 Bereits Cuttler (1968), S. 160, hatte auf die offensichtliche Abhängigkeit von Hugos Darstellung
des Täufers von der monumentalen Gestalt auf dem Genter Altar hingewiesen.
Zustand und Ergebnisse der jüngsten Restaurierung
137
original erhalten sind, ist die Tafel oben und unten willkürlich in der Mal-
fläche beschnitten. Die Malerei ist durchgängig mehr oder minder stark berieben und verputzt, partiell bis auf die Grundierungsschicht. Hiervon besonders
nachhaltig betroffen sind das Ohr des Stifters und die Rechte des Täufers; in
beiden Fällen ist die ursprüngliche Gestaltung bestenfalls noch zu erahnen.
Größere Fehlstellen beeinträchtigen das linke Auge des Täufers, die Wandzone
über dem Kopf des Beters und den unteren Bildrand im Bereich seiner Gewandung. Die jüngste Restaurierung bemühte sich um eine optische Integration
der stark in Mitleidenschaft gezogenen Bildpartien18. Abgesehen von der weisenden Rechten des Täufers kann dieser Versuch als gelungen betrachtet wer-
den: Die durch die Unbilden der Zeit materiell stark mitgenommene, ihres
ursprünglichen Kontexts beraubte Tafel gibt sich wieder als künstlerische Leistung ersten Ranges zu erkennen.
Im Zusammenhang mit der Restaurierung wurden verschiedene gemäldetechnologische Untersuchungen an der Tafel durchgeführt. Die bereits 1939
angefertigte Röntgenaufnahme (Abb. 56), deren Befund zur Freilegung der
übermalten Hände des Stifters geführt hatte, zeigt deutlich die Fehlstellen in
der Originalmalerei, überlagert diese aber in der Abbildung durch die heute
entfernten Ubermalungen des 19. Jahrhunderts19. Dennoch liefert der Röntgenbefund ebensowenig wie die während der Restaurierungen 1939 und 1988
angefertigten Zustandsphotographien (Abb. 57) oder die Infrarot-Reflektographie einen Hinweis auf die verschiedentlich behauptete Existenz einer Ordenskette, gar mit dem Vließ-Anhänger. Dieser scheinbare Befund dürfte wohl auf
eine Verputzung oder eine mechanische Beschädigung zurückzuführen sein.
Nur geringe Informationen erbrachte die Infrarot-Reflektographie, da in den
Gesichtern Unterzeichnung und Farbausführung weitestgehend zusammenfallen. Nur am linken Halskontur und am Kragen des Beters sind geringfügige
Abweichungen von der Unterzeichnung festzustellen. Deutlicher noch als die
Röntgenaufnahme zeigt allerdings der Infrarot-Befund, daß die Form der betend zusammengelegten Hände zunächst nur vage aus dem Schwarz des Gewandes ausgespart wurde, um dann erst im Detail - mit den Fingerspitzen
etwa - über die dunkle Farbschicht gelegt zu werden. Die Originalität der
Malerei von Wand und Fensterausschnitt steht infolge der Ergebnisse einer stereomikroskopischen Untersuchung außer Frage, wenngleich diese Zone auch
in weiten Teilen dünn lasierend modern übermalt ist. Ahnlich verhält es sich
mit den schmierig-grauen Schattenpartien im Gesicht und vor allem am Hals
des Täufers. Durch beide Eingriffe wurde allerdings der originale Farbeindruck erheblich beeinträchtigt.
18 Gordon (1988), S. 95f.
19 Unmittelbar augenfällig wird diese Tatsache etwa an der Haartracht des Stifters.
138
Der Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d. T. in Baltimore
Abb. 55 Hugo van der Goes, Diptychon-
Abb. 56 Hugo van der Goes, Diptychon-
Zustand vor der Restaurierung von 1939,
Baltimore, Walters Art Gallery
Röntgenaufnahme, Baltimore, Walters Art
Gallery
Flügel mit Stifter und Johannes d.T.,
Flügel mit Stifter und Johannes d.T.,
Die dendrochronologische Analyse der Tafel erbrachte für die Datierung
keine entscheidende Eingrenzung20. Die 193 gemessenen Jahrringe des aus
dem baltischen Raum stammenden Eichenholzes lassen sich in die Jahre von
1243 bis 1435 datieren. Für den Fall, daß bei der Verarbeitung des Holzes nur
die Splintholzjahrringe entfernt wurden, ergibt sich ein frühestmögliches Fälldatum zwischen 1448 und 1454. Die zeitliche Bestimmung der frühestmöglichen Verwendung durch den Maler wiederum wird durch Unsicherheiten im
Hinblick auf den möglichen Verlust einer nicht näher zu bestimmenden
Anzahl von Kernholzjahrringen und auf die Dauer der Ablagerung des Holzes
vor seiner Weiterverarbeitung erschwert. Eine Bemalung etwa ab der Mitte der
1470er Jahre wird aber, in Übereinstimmung mit dem stilistischen, auch vom
dendrochronologischen Befund nahegelegt.
Briefliche Mitteilung der Untersuchungsergebnisse durch Dr. P. Klein, Hamburg, vom 20. 8. 1987.
Rekonstruktion und Datierung des Diptychons
139
Abb. 57 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes
d.T., Zustand nach der Reinigung 1988,
Baltimore, Walters Art Gallery
3. Rekonstruktion und Datierung des Diptychons
Beim Versuch einer Rekonstruktion des ursprünglichen Bildzusammenhangs
ist zunächst der materielle Bestand des Bildes der Walters Art Gallery zu berücksichtigen. Während an beiden Seiten die Malkanten erhalten sind, ist die
Tafel oben und unten beschnitten. Ein Blick auf die Komposition legt allerdings die Vermutung nahe, daß jeweils nur ein schmaler Streifen der Malfläche
diesem sekundären Eingriff zum Opfer gefallen sein kann: Das für die psychologische Intensität so entscheidende unmittelbare Nebeneinander der Köpfe
von Stifter und Heiligem ist nur dann zu erklären, wenn durch den gewählten
Bildausschnitt die Raumsituation vollständig verschleiert wird. Da wir es mit
aller Wahrscheinlichkeit mit dem rechten Flügel eines Diptychons zu tun
haben - die Darstellung des Mannes auf dem rechten Flügel eines Triptychons
ist aus »heraldischen« Gründen nur schwer vorstellbar - stellt sich die Frage
nach dem Gegenstand der Verehrung von Stifter und Täufer. Flierfür kann
möglicherweise die Gestaltung des Stifterflügels Anhaltspunkte liefern: Während der Betende leicht nach links aufblickt, hat der Täufer seine Augen abwärts gerichtet und weist mit der Rechten in die gleiche Richtung. Es scheint
140
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
also, daß die linke Tafel des Diptychons - ähnlich wie der rechte Flügel und
diesem auf solche Weise kompositioneil antwortend - eine zweifigurige Darstellung zeigte. Eine halbfigurige Madonna mit Kind scheint dieser Anforderung am besten gerecht zu werden; darüberhinaus würde solcher Art der kennzeichnende Weisegestus des Täufers - »Ecce Agnus Dei« - eine doppelt sinnvolle Erklärung finden.
Die Zuschreibung der Tafel an Hugo van der Goes ist zurecht seit der Erstzuschreibung nie mehr in Frage gestellt worden. Ahnlich verhält es sich mit
der Datierung, seitdem erstmals J. Destree (1907)21 das Bild in die späte Schaf-
fensphase einreihte. Zwar lassen sich keine externen Anhaltspunkte für die
zeitliche Ansetzung beibringen, die Stilsprache der Tafel stellt sie aber - ähnlich wie den Lissaboner Lukas (Tafel 23) - unübersehbar in engen Zusammenhang mit den Edinburgher Flügeln des schottischen Königspaares (Tafeln
8-11), vor allem aber mit den Werken der »ultima maniera« (Tafeln 14, 16).
Hierfür spricht nicht nur die stark zurückgenommene, kühle Farbigkeit oder
die weitgehende, absichtsvolle Verschleierung der Raumsituation. Gerade die
raumlos-enge Zusammenfügung der Figuren vor kaum mehr als einer Farbfolie führt - im Verein mit der gleichzeitigen Reduktion der Darstellung auf
das Halbfigurenformat - zu einer Vertiefung des psychologischen Ausdrucks,
zu einer unmittelbaren und in ihrer Intensität geradezu bedrängenden Wendung des Täufers zu dem ihm anvertrauten Stifter. Eine Datierung in die Jahre
1478/80 dürfte der Tafel der Walters Art Gallery am ehesten gerecht werden.
21 Destree (1907 a), S. 52 lf.
Forschungsgeschichte
141
VI. Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
Die beiden auf Leinwand1 gemalten Diptychon-Flügel der »Kleinen Kreuzabnahme« (Tafeln 26-27, Abb. 58-59) sind heute voneinander getrennt. Der
linke Flügel mit der Darstellung des vom Kreuz abgenommenen Leichnams
Christi befindet sich in amerikanischem Privatbesitz2, während der rechte
Flügel mit den trauernden Marien und Johannes heute in der Gemäldegalerie
der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz in Berlin verwahrt wird3.
Der linke Diptychon-Flügel mit der eigentlichen Darstellung der Kreuzabnahme wird von der Dreiviertelfigur Christi beherrscht (Tafel 26, Abb. 58).
Die drei Helfer, die den Leichnam des Herrn offensichtlich gerade vom Kreuz
geborgen haben und nun zu Boden legen wollen, scheinen in ihrem Handlungs- und Bewegungsablauf einen Moment zu verharren, als wollten sie den
toten Christus nicht nur den klagenden Marien und Johannes, sondern auch
dem Betrachter präsentieren. Durch den zweifachen Blick aus dem Bilde wird
dieser Eindruck noch wesentlich verstärkt. Während einer der Männer den
Leichnam unter den Achseln stützt, hat der zweite seine vom Leichentuch bedeckten Arme unter den Leib Christi geschoben und hält ihn auf diese Weise
vor sich. Die weitgehend unüberschmttene, bildparallele Darstellung Christi
scheint für die vorliegende Bildformulierung wichtiger gewesen zu sein als ein
überzeugendes Stütz- und Tragemotiv des Leichnams: Angesichts des schweren Leibes bleibt völlig unklar, wie die beiden nur behutsam zufassenden Männer den Toten auch nur vorübergehend in der gezeigten Stellung halten können. Der bis auf das Lendentuch nackte Körper Christi zeigt, von den Wund-
malen in Händen und Seite abgesehen, keine Spuren der Geißelung. Die
verkrampften Hände, die deutlich hervortretenden Adern und Sehnen an
Unterarmen und Hals zeugen aber ebenso wie die verdrehten Augen und das
1 Zu niederländischen Leinwandbildern des 15. Jahrhunderts im allgemeinen und zu den Tüchleinmalereien im besonderen: Wolfthal (1989; Ph. D., New York University 1983; ich bin Frau
Wolfthal für ihre großzügige Bereitschaft, mir noch vor Erscheinen ihres Buches Einblick in die
Hugo van der Goes betreffenden Passagen zu gewähren, zu Dank verpflichtet); dieselbe (1986),
S. 19-41; dieselbe (1987), S. 81-91; vgl. auch Caroline Villers, Rezension von Wolfthal (1989); in:
Burlington Magazine 133 (1991), S. 258f.
Vgl. auch Exkurs II: Zur Originalrahmung eines niederländischen Tüchleins der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, s. u. S. 273f.
Zu der von D. Wolfthal aufgeworfenen Frage, ob van der Goes' wiederholte Verwendung von Leinwand als Bildträger mit dem Armutsideal der Devotio Moderna bzw. der Windesheimer Kongrega-
tion, der bekanntlich auch das Kloster Roodendaele angehörte, in Verbindung zu bringen ist,
s. u. S. 260f.
2 Amerikanischer Privatbesitz; Leinwand, 53,3 x 38 cm; Friedländer (1950), S. 167-171; Winkler
(1955), S. 2-8; Vandenbroeck (1982), S. 51, Nr. 49; Wolfthal (1989), S. 34-36, 47f, Nr. 13.
-1 Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Inv. Nr. 1622; Leinwand,
53,5 x 38,5 cm; Picture Gallery Berlin (Berlin 1978), S. 183; Vandenbroeck (1982), S. 49, Nr. 43;
Wolfthal (1989), S. 34-36, 47f, Nr. 14.
142
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
schmerzverzerrte Gesicht des dornengekrönten Heilands vom Todeskampf
am Kreuz.
Die dominierende Gestalt Christi wird von den drei Helfern, von denen
kaum mehr als die Köpfe zur Darstellung kommen, buchstäblich gerahmt.
Der Bärtige am vorderen linken Bildrand wendet sich nach rechts und blickt
in Richtung des Betrachters aus dem Bilde heraus. Über einem blauen Gewand
trägt er einen leuchtend roten Mantel, dazu einen gleichfarbenen Stoffhut.
Hinter ihm steht, ebenfalls leicht nach rechts gewandt, der zweite Träger des
toten Christus. Der ältere, bartlose und kahlköpfige Mann ist mit einem dun-
kelbordeauxfarbenen, pelzgefütterten Gewand bekleidet. Sein Blick geht nach
rechts, wohl zu den klagenden Frauen auf dem anderen Diptychon-Flügel. Zur
Linken wird Christus schließlich von der frontal stehenden Figur eines dritten
Mannes flankiert. En face aus dem Bild in Richtung des Betrachter schauend,
stützt sich der langhaarige, bärtige Mann mit der ausgestreckten Rechten auf
die Leiter, während er in der Linken einen Kreuzesnagel vor dem Oberkörper
emporhält. Er ist mit einem dunkelblau-schwarzen, vorn geknöpften Gewand
bekleidet, das von einem gelbfarbenen Metallgürtel umschlossen ist. Die Figuren befinden sich offensichtlich am Fuße des selbst nicht dargestellten Kreuzes,
wie die Leiter am linken oberen Bildrand zeigt. Hinterfangen wird die Szene
schließlich von einem nach rechts hin ansteigenden, grünbewachsenen Hügel.
Der in Berlin befindliche rechte Flügel der »Kleinen Kreuzabnahme« zeigt
die von Johannes und den trauernden Frauen umgebene Maria (Tafel 27,
Abb. 59). Die Gottesmutter, der Bildtradition folgend in blaue Gewänder gekleidet, erscheint als Halbfigur. Leicht nach links gewandt, den Kopf gesenkt
und den kummervollen Blick auf den toten Sohn gerichtet, hat Maria ihre
Hände vor der Brust gekreuzt. Zu ihrer Rechten steht Johannes und umfaßt
fürsorglich mit beiden Armen die Schultern der Gottesmutter. In seiner Haltung nach rechts auf Maria bezogen, blickt er zugleich nach links über seine
Schulter zu Christus hin. Das nachdenklich-ernste Gesicht wird von schulterlangen, welligen, graubraunen Haaren gerahmt. Auch Johannes trägt, der
üblichen Ikonographie folgend, einen roten Umhang über einem gleichfarbenen Gewand.
Hinter Maria und Johannes sind drei Frauen ins Bild gesetzt, die sich eben-
falls klagend dem toten Christus zuwenden: Unmittelbar hinter Maria ringt
die an ihrer aufwendigen und modischen Kleidung zu identifizierende Maria
Magdalena die Hände. Ihr blaues, goldfarben gesäumtes, z.T. mit Edelsteinen
und Perlen besetztes Kleid zieren ein braunfarbener Goldbrokateinsatz und
angesetzte, lange und weitgeschnittene hellgrüne Ärmel. Nur auf der linken
Schulter wird ein Abschnitt ihres blauen Umhangs sichtbar. Die leicht welligen, hellbraunen Haare sind fast gänzlich unter einem weißen, turbanartigen
Kopftuch verborgen. Auch ihre beiden Begleiterinnen, beide mit Kopftuch
143
Forschungsgeschichte
Abb. 58 Hugo van der Goes, »Kleine Abb. 59 Hugo van der Goes, »Kleine
Kreuzabnahme«, linker Flügel, amerikani- Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Berlin,
scher Privatbesitz Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
und blauem Umhang ausgestattet, geben sich dem Schmerz über den toten
Christus hin: Während die eine ihre Tränen mit ihrem Kopftuch trocknet, hat
die andere ihre Arme in pathetischem Klagegestus ausgebreitet. Dem linken
Flügel entsprechend ist die Gestaltung des Hintergrundes des Berliner Tüchleins. Nach links hin steigt ein grünlich dunkelbraunfarbener Berghang an, dahinter wird in der rechten oberen Bildecke der hellblaue Himmel sichtbar.
1. Die Forschungsgeschichte
Im Jahre 1900 gelangte das Tüchlein mit den klagenden Marien und Johannes,
der rechte Flügel des Diptychons der »Kleinen Kreuzabnahme« also, in den
Besitz der Berliner Gemäldegalerie4. Das Bild befand sich zuvor in der
Sammlung Panciatichi in Florenz. Bereits W. Bode (1901)5, der das Stück erstmals als Arbeit im Stil van der Goes' veröffentlichte, betrachtete das Berliner
Tüchlein wegen seiner mangelnden kompositionellen Abgeschlossenheit als
4 Bode (1901), S. II; Friedländer (1904), S. lllf.
5 Bode (1901), S. II.
144
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
Abb. 60 Niederländischer Meister vom
Ende des 15. Jahrhunderts, Kopie des
rechten Flügels der »Kleinen
Kreuzabnahme«, Altenburg, Staatliches
Lindenau-Museum
Abb. 61 Hans Memling, Replik >
der »Kleinen Kreuzabnahme«, Brügge,
Groeningemuseum
den allein erhalten gebliebenen rechten Flügel eines ansonsten verschollenen
Triptychons mit der Darstellung der Kreuzabnahme auf der Mitteltafel und
des Stifters mit Heiligen auf dem linken Flügel. Demgegenüber sprach sich
M. J. Friedländer (1904)6 zugunsten der Rekonstruktion eines Diptychons
mit dem Berliner Tüchlein als dessen rechtem Flügel aus. Diesen Vorschlag
konnte G. Ring (1913)7 mit der Publikation der Tüchleinkopie des linken
Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme« im Lindenau-Museum in Altenburg
(Abb. 60)8 erhärten. Die Rekonstruktion als zweiteiliges Klappaltärchen
wurde von der nachfolgenden Forschung nicht mehr in Frage gestellt9, ob-
6 Friedländer (1904), S. lllf. i
7 Ring (1913), S. 85-88.
s Altenburg, Staatliches Lindenau-Museum; Leinwand, 69 x 44cm; von Lindenau im 19. Jahrhundert
im römischen Kunsthandel erworben; Vandenbroeck (1982), S. 48, Nr. 42.
Das Altenburger Tüchlein war von Morton H. Bernath, Further Notes on Justus van Ghent; in:
American Journal of Archeology, 2. ser., 14 (1910), S. 450-453, als das für das Jahr 1475 dokumentierte Prozessionsbanner des Justus van Gent für die Corpus Christi-Bruderschaft in Urbino identifiziert worden. Bernath konstatierte zwar eine außerordentliche Nähe zu Darstellungen desselben
Themas von Hugo van der Goes, übersah aber den Zusammenhang mit dem Berliner Tüchlein.
Der Zuschreibung Bernaths an Justus van Gent folgte auch Destree (1912), S. 11-14, obwohl er
bereits 1907 das Berliner Tüchlein als eigenhändiges Werk Hugos aus der ersten Phase seiner Tätigkeit bezeichnet hatte (Destree [1907 a], S. 516; derselbe [1907 b], S. 173f). Erst 1914 bezeichnete
Destree auch das Altenburger Tüchlein als allerdings eigenständige Kopie nach Goes (Destree
[1914], S. 134f, 211).
9 Allerdings meinte etwa Friedländer (1926), S. 40, das Altenburger Tüchlein könne bestenfalls eine
Forschungsgeschichte
145
gleich noch 37 Jahre vergehen sollten, bevor 1950 das heute in amerikanischem
Privatbesitz befindliche Original des linken Flügels von Friedländer (1950)10
entdeckt und veröffentlicht wurde.
Für die Diskussion der Stellung der »Kleinen Kreuzabnahme« im Schaffen
Hugos konnte bis zu diesem glücklichen Fund nur der rechte Flügel in Berlin
herangezogen werden. Gerade im Hinblick auf die Frage der Eigenhändigkeit
spielte aber der Erhaltungszustand eine entscheidende Rolle: Bis zu einer
durchgreifenden Restaurierung in den 1930er Jahren11 war das Berliner Tüchlein von großflächigen modernen Retuschen überzogen, die den stilistischen
Eindruck wesentlich beeinträchtigten12. So kann es nicht überraschen, daß
die Meinungen über die Authentizität des Bildes gerade in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts durchaus kontrovers waren1-1. Klärte sich die Frage
seitenverkehrte Wiedergabe des originalen Gegenstücks des Berliner Flügels sein, da andernfalls
beide Flügel in ihrer Komposition »gegenseitig« verlaufen müßten.
10 Friedländer (1950), S. 167-171.
11 Winkler (1964), S. 46.
12 Bei Friedländer (1926), Tafel VIII, eine Abbildung des Zustandes vor der Restaurierung der 1930er
Jahre.
13 Bode (1901), S. II, hatte in seiner Erstpublikation das Tüchlein mit den klagenden Marien und
Johannes als »dem Stil nach von Van der Goes'« herrührend bezeichnet. Ahnlich zurückhaltend
äußerten sich auch Weale (1907), S. 163; Fierens-Gevaert (1909), S. 93; Oettinger (1938), S. 5913;
Panofsky (1953), S. 3382; Juste de Gand, Berruguete et la cour d'Urbino (Gent 1957), S. 118,
Kat. Nr. 56.
146
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
der Eigenhändigkeit nach der Restaurierung des Berliner Tüchleins, vor allem
aber nach dem Auftauchen seines Gegenstücks, zugunsten Hugos, so blieb die
zeitliche Ansetzung innerhalb des Schaffens des Malers - Früh- oder Spätwerk
- umstritten14. Der Grund hierfür liegt in der ebenso umstrittenen Datie-
rung der jeweils zum Stilvergleich herangezogenen Werke. So sah die bisherige
Forschung enge Parallelen in der Gestaltung der Wiener Beweinung (Tafel 19)
bzw. des Brügger Marientodes (Tafel 16) und datierte die »Kleine Kreuzabnahme« in Analogie zu diesen Werken je nach Standort früh oder spät.
Auf die besondere Bedeutung der »Kleinen Kreuzabnahme« für die Entwicklung des erzählenden Halbfigurenbildes wiesen ausführlich erstmals
S. Ringbom (1965/84) und B. Völker-Hänsel (1968)13 hin. Die Prominenz der
Goesschen Bilderfindung wird auch an der großen Zahl von Kopien und
Repliken ablesbar16, zu deren frühesten jene von Hans Memling gehören
(Abb. 61)17.
Demgegenüber schlössen sich M. J. Friedländers Einschätzung (Friedländer [1904], S. lllf; derselbe [1926], S. 39-41, 124f; derselbe [1950], S. 167-171) des Berliner Tüchleins als Originalwerk
Hugos in der Folge auch an: Destree (1907 a), S. 516; derselbe (1907 b), S. 173f; derselbe (1914),
S. 43, 211; Ring (1913), S. 86; Seeck (1913/14), S. 59lf (möglicherweise unfertig hinterlassen und
von anderer Hand vollendet); Pfister (1923), S. 14, 26; Winkler (1924), S. 112; derselbe (1955),
S. 2-8; derselbe (1964), S. 45-51; Schöne (1937), S. 165; derselbe (1938), S. 821; Einem (1941/42),
S. 196; Le Siecle des Primitifs Flamands (Brügge 1960), S. 86, Kat. Nr. 28 (linker Flügel); Arndt
(1961), S. 165f; derselbe (1964), S. 69f; Lavalleye (1962), S. 45f; Schoute (1963), S. 67, 70; Ringbom
(1965/84), S. 125-130; Eisler (1967), S. 64f; Völker-Hänsel (1968), Bd. 1, S. 14-17; Pächt (1969),
S. 55; Picture Gallery Berlin (Berlin 1978), S. 183; Wolfthal (1989), S. 34-36, 47f, Nr. 13-14.
14 J. Destree ordnete das Werk erstmals in die erste Phase von Hugos künstlerischer Tätigkeit ein
(Destree [1907 a], S. 516; derselbe [1907 b], S. 173f; derselbe [1914], S. 211). Ihm folgten darin Fried-
länder (1926), S. 39-41, 68f; Schöne (1937), S. 165; Panofsky (1953), S. 3382; Winkler (1955),
S. 2 (abweichend von der Datierung in die Zeit vor 1477 durch Winkler [1964], S. 50); Juste de
Gand, Berruguete et la cour d'Urbino (Gent 1957), S. 118, Kat. Nr. 56 (Berliner Flügel der »Kleinen
Kreuzabnahme«); Lavalleye (1962), S. 45f; Pächt (1969), S. 55.
Für eine zeitliche Ansetzung des Diptychons in die Mitte der 1470er Jahre plädierten Conway
(1917), S. 45; Winkler (1964), S. 50.
In die Spätzeit Hugos datierte die »Kleine Kreuzabnahme« demgegenüber erstmals Seeck
(1913/14), S. 59lf. Dieser Meinung schlössen sich in der Folge auch an: Pfister (1923), S. 14, 26;
Einem (1941/42), S. 196; Le Siecle des Primitifs Flamands (Brügge i960), S. 86; Arndt (1961),
S. 165f; derselbe (1964), S. 69f; Ringbom (1965/84), S. 129; Völker-Hänsel (1968), Bd. 1, S. IS103;
Picture Gallery Berlin (Berlin 1978), S. 183.
1:1 Ringbom (1965/84), S. 125-134; Völker-Hänsel (1968), Bd. 1, S. 8-10, 14-17 (zur Begriffsbestimmung »Halbfigurenbild« vergleiche Bd. 1, S. II-VI).
16 Ringbom (1965/84), S. 125-134; Völker-Hänsel (1968), Bd. 2, S. 33f.
17 ENP VI a, S. 47, Nr. 13, 13a, 13b, Tafel 49-51, ENP VI b, S. 109, Supp. 225, Tafel 49.
Fraglos eigenhändig das Diptychon in Granada, Capilla Real; Eiche, 53,6 x 38,2 cm (linker Flügel),
53,8 x 38,3 cm (rechter Flügel; Schoute [1963], S. 65-73); eine weitere, wohl gleichfalls eigenhändige
Replik seit kurzem in Brügge, Groeninge-Museum.
Der Augenschein
147
2. Der Augenschein
Der Erhaltungszustand der beiden Diptychon-Flügel ist außerordentlich disparat. Während der linke, in amerikanischem Privatbesitz befindliche Flügel für
eine Tüchleinmalerei vergleichsweise gut erhalten ist18, zeigt sein Gegenstück
mechanische Beschädigungen, ausgedehnte Farbverluste und moderne Ubermalungen.
Die 53,3 x 38 cm messende Leinwand des linken Flügels läßt an der oberen
und unteren Stoffkante deutliche Spanngirlanden erkennen, weniger ausgeprägt auch an der linken Bildkante19; an diesen drei Seiten kann die Komposition also nur unwesentlich beschnitten sein. Uberraschenderweise sind Spanngirlanden an der rechten Stoffkante nicht einmal im Ansatz auszumachen. Der
Oberflächen- und Farbeindruck des Bildes wird allerdings entscheidend durch
einen massiven, modernen Firnisüberzug (möglicherweise auch die Tränkung
des Gewebes mit dem Klebemittel einer Doublierung20) beeinträchtigt. Der
Auftrag des Firnis' veränderte nicht nur die Oberflächenstruktur, die im Originalzustand ganz entscheidend durch eine offene Gewebetextur bestimmt
worden war. Durch eine chemische Reaktion mit Firnis oder Klebemittel
haben darüberhinaus die für die Tüchleinmalerei charakteristischen Pigmente
an Deckkraft eingebüßt, während sich gleichzeitig die Leinwand selbst dunkel
verfärbte. Auf diese Weise hat der Farbcharakter der Leinwand an sich für die
koloristische Wirkung des Bildes eine Bedeutung gewonnen, die ihm im ursprünglichen Zustand nie zukommen sollte21.
Dessen ungeachtet ist aber der die Bildgegenstände modellierende und charakterisierende Farbauftrag - verglichen mit dem üblichen Erhaltungszustand
einer niederländischen Tüchleinmalerei des 15. Jahrhunderts - insgesamt in
ungewöhnlich guter Form auf uns gekommen. Abgesehen von einzelnen Be18 In einem noch besseren Erhaltungszustand befindet sich sonst nur noch die ungefirniste Tüchlein-
Madonna in Pavia, und dies auch nur im Hinblick auf die Malerei der Figurengruppe selbst.
19 Die unterschiedliche Ausprägung der Spanngirlanden oben und unten bzw. rechts und links einer
Leinwand wird durch die voneinander abweichende Spannung von Kett- und Schußfäden bedingt.
Parallel zum Schuß kann das Gewebe wesentlich stärker nachgeben als parallel zum Kettfaden,
woraus für das zur Diskussion stehende Tüchlein ein horizontaler Eintrag des Schußfadens wahrscheinlich ist.
20 Das Bild konnte nur in gerahmtem Zustand untersucht werden; daher sind auch Aussagen über
den Zustand der Leinwandrückseite - ob doubliert oder nicht - nicht möglich.
:i Zur Beschreibung und Analyse der Technik der Tüchleindarstellungen der Grablegung (National Gallery, London) und der Verkündigung (J. Paul Getty Museum, Malibu) des Dirk Bouts:
Bomford, Roy, Smith (1986), S. 47f; und Leonard, Preusser, Rothe, Schilling (1988), S. 517-522.
Nur am Rande sei auf die unbegründete Infragestellung der Getty-Verkündigung durch A. Tarica,
The Getty Bouts questioned; in: Burlington Magazine 132 (1990), S. 875-877, hingewiesen. Vgl.
die Gegendarstellung von Mark Leonard, Frank Preusser, Andrea Rothe, Michael Schilling, The
Getty Bouts defended; in: a.a.O., S. 877.
148
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
reibungen gibt es nur hier und da einzelne moderne Retuschen. Sie finden sich
vor allem in den Inkarnatpartien22. Durch ihre fettere Farbkonsistenz sind sie
aber in der Mehrzahl selbst an Photomaterial unschwer auszumachen, da sie
die feine Gewebestruktur verschmieren. Nur eine ausgedehnte spätere Veränderung gilt es festzuhalten: Offensichtlich ist der blaue Mantel des Mannes am
rechten Bildrand weitgehend übermalt. Dafür spricht nicht nur die Tatsache,
daß die blaue Farbschicht allseits an die angrenzenden Farbfelder herangemalt
ist und sie beschneidet, dafür spricht vor allem eine die ursprüngliche Bildkonzeption mißverstehende »Nachbesserung« des rechten Armes. Ursprünglich
angewinkelt dargestellt, wurde er nun durch die Ubermalung in vollkommener Mißachtung der Figurenproportion als ausgestreckt ins Bild gesetzt. Dabei
wurde zusätzlich der Kragen des an der Leiter lehnenden Mannes durch Aussparung aus dem ursprünglichen Flintergrund auf der linken Schulter sinnwidrig verdoppelt. Derselben Übermalung fielen offensichtlich auch die Gegenstände - mit einiger Wahrscheinlichkeit die Kreuzesnägel - zum Opfer, die
der blau Gekleidete ursprünglich in der Linken haltend dem Betrachter präsentiert hatte.
Der in Berlin befindliche rechte Flügel des Diptychons weist mit 53,3 x 38,5 cm
nahezu identische Maße wie der linke auf23. An der oberen und unteren Gewebekante sind, auch in diesem Punkte dem Befund am linken Flügel entsprechend, die Spanngirlanden am deutlichsten ausgebildet. An der rechten Stoffkante sind Spanngirlanden ebenso klar zu erkennen, während sie am linken
Bildrand zur Gänze fehlen. Die heutigen Gewebekanten der undoublierten
Leinwand sind allerdings an keiner Stelle sichtbar, da sie mit einem Papierstreifen abgeklebt sind, der auch über die Kanten des Spannrahmens hinwegzieht.
Der Erhaltungszustand ist, gerade im Vergleich zu seinem Gegenstück, beklagenswert schlecht. Die Leinwand ist insbesondere im Bereich des Kopf- und
Brusttuches Mariens, in der Bildzone zwischen den beiden Frauenköpfen
unmittelbar darüber und an der Stirn und der Rechten des Johannes durch
mechanische Beschädigungen betroffen, die zur Entstehung von Rissen und
größeren Löchern geführt haben. Die zur Abdeckung dieser Fehlstellen aufgebrachten, z.T. großflächig über sie hinausgehenden modernen Retuschen beeinträchtigen den Eindruck des Bildes nachhaltig. Die nachhaltigsten Konsequenzen hatte dies bei der Marienfigur. Die heutige Gestaltung des Gesichts
der Gottesmutter folgt kaum mehr als in den Umrissen der ursprünglichen
11 Das Gesicht Christi ist in dieser Hinsicht zwar am stärksten beeinträchtigt, aber auch bei dem am
rechten Bildrand en face Dargestellten findet sich im Bereich des Nasenrückens eine Ausflickung.
23 Die Abmessungen des linken Diptychon-Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme« betragen 53,3 x 38 cm.
Das Gewebe des Berliner Tüchleins weist etwa 21 x 25 Fäden pro Quadratzentimeter auf; dies ent-
spricht auch dem linken Flügel.
Der Augenschein
149
Anlage; der süßlich-idealisierte Ausdruck kontrastiert dafür um so deutlicher
mit den besser erhaltenen Köpfen der übrigen Figuren. Auch das weiße Kopftuch Mariens ist von flächigen, in ihrer Konstistenz fetten und dadurch die
Leinwandstruktur verschmierenden Ubermalungen überzogen. Mit welch geringem handwerklichen Geschick und mit welch minimalem künstlerischen
Einfühlungsvermögen diese Ausflickungen vorgenommen wurden24, zeigt
überdeutlich die gleichfalls im Zuge dieser »Restaurierung« ausgeführte blaue
Stoffpartie am Hals der klagend ihre Arme ausbreitenden Frau. Weitere störende Retuschen dieser Art auf Stirn und Kopftuch der Klagenden, auf der
Stirn der Magdalena und des Johannes sowie an der Rechten des Lieblingsjüngers beeinträchtigen den Gesamteindruck zusätzlich. Schließlich ist die originale Farboberfläche, wo sie denn frei zu Tage liegt, nachhaltig durch starken
Farbabrieb beeinträchtigt. Neben den blau- und rotfarbenen Gewändern fällt
dies (im Vergleich zum linken Flügel) ganz besonders bei der Gestaltung der
Gesichter auf25. Zu dem ungünstigen, stumpfen und undifferenzierten Farbeindruck des Berliner Tüchleins trägt auch ein Firnisüberzug bei, mit all den
oben bereits geschilderten Folgen eines solchen Eingriffs26.
Neben der Feststellung des sehr ungleichen Erhaltungszustandes der beiden
Flügel der »Kleinen Kreuzabnahme«, der massiven Beeinträchtigung des Berliner Tüchleins durch Farbabrieb, Verfärbung und Retuschen, ist als Ergebnis
der Autopsie vor allem der erstaunliche Befund der fehlenden Spanngirlanden
an der rechten Bildkante des linken, und an der linken Kante des rechten Flügels festzuhalten27. Dieser Umstand belegt, daß beide Tüchlein an drei Stoff-
kanten nur unwesentlich beschnitten sein können. Andererseits aber deutet
das Fehlen jeglicher Ansätze von Spanngirlanden jeweils an der dem Gegenstück zugewandten Seite der beiden Tüchlein darauf hin, daß die Leinwand
hier nicht in ihrer originalen Ausdehnung erhalten geblieben ist - angesichts
der zahlreichen frühen Kopien, die nahezu alle als Diptychen28 mit exakt
24 Es erscheint wahrscheinlich, daß diese Ausflickungen zeitgleich sind mit der ebenfalls wesentliche
Bilddetails mißverstehenden und entstellenden Ubermalung des blauen Gewandes des Mannes am
rechten Rand des linken Flügels.
25 Zu einem solchen Vergleich kann der Kopf Mariens wegen seiner gänzlichen Übermalung nicht
herangezogen werden. Die Köpfe der übrigen Figuren des rechten Flügels sind davon aber unbetroffen und ein Vergleich des Johanneskopfes mit dem des Mannes am vorderen linken Bildrand des
linken Flügels ist im Hinblick auf den Erhaltungszustand der differenzierenden Oberflächengestaltung außerordentlich aussagekräftig.
26 Winkler (1955), S. 2.
27 Unabhängig vom Verfasser kam auch Wolfthal (1989), S. 48, zu dem gleichen Ergebnis.
28 Eine Erweiterung der »Kleinen Kreuzabnahme« zum Triptychon, die sich dabei aber bereits auf
die Bildredaktion Memlings bezieht, zeigt das Triptychon eines niederländischen Meisters um 1500
im Palazzo Durazzo in Genua: Das Bildpersonal der Mitteltafel umfaßt die Figuren des linken Diptychon-Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme« komplett, dazu Johannes (der sich Maria zu- und
damit aus der Mitteltafel herauswendet) und eine der Marien; der rechte Flügel des Genueser Trip-
150
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
dem jeweiligen Bildausschnitt der beiden Tüchlein-Flügel gestaltet sind, ein
überraschendes Ergebnis.
3. Der gemäldetechnologische Befund
Der in Privatbesitz befindliche linke Flügel der »Kleinen Kreuzabnahme« ist
noch nie gemäldetechnologisch untersucht worden. Leider war es auch im
Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, derartige Untersuchungen an diesem
Stück durchzuführen. Wir müssen uns in diesem Falle also auf die Ergebnisse
der Autopsie beschränken.
Im Falle des rechten Flügels kann demgegenüber auf die Resultate einer umfassenden gemäldetechnologischen Untersuchung zurückgegriffen werden29.
Im Röntgenbild (Abb. 62) wie in der Durchlichtaufnahme (Abb. 63) zeichnen
sich die Löcher und Risse in der Leinwand deutlich ab, während die Aufnahme
im ultravioletten Licht (Abb. 64) die Ubermalungen und Retuschen dieser
Schadstellen (man beachte das fast nicht mehr abzulesende Gesicht Mariens)
ebenso markant abbildet wie die Farbverluste im Bereich des rotfarbenen Gewandes des Johannes. Wie bei einem Tüchlein nicht anders zu erwarten, ist
die Unterzeichnung auch im Infrarot-Bereich nicht sichtbar zu machen30.
Obgleich sich bei der glücklicherweise undoublierten Berliner Leinwand die
Gelegenheit zu einer Durchlichtaufnahme bot, erbrachte auch diese Untersuchungsform keinen sicher als Unterzeichnung zu interpretierenden Befund.
Uber die präzise Feststellung der Schadstellen hinaus ermöglicht die Röntgenaufnahme zwei interessante Beobachtungen. Zum einen zeigt sich, daß der
Farbauftrag mit großer Sicherheit ausgeführt wurde. Es gibt weder Pentimenti, noch läßt sich an irgendeiner Stelle ein Suchen nach der Form während
des Malprozesses erkennen. Das Röntgenphoto zeigt das gleiche Bild wie die
tychons nimmt die Gottesmutter und zwei klagende Frauen auf, der linke Flügel den Stifter und
zwei Heilige (abgebildet bei Ringbom [1965/84], Abb. 87).
29 Herrn Dr. R. Grosshans ist für die freundliche Genehmigung der Untersuchung des Berliner Tüchleins ebenso zu danken wie für die großzügige Überlassung des Untersuchungsmaterials. Für die
Unterstützung bei der Untersuchung des Stückes bin ich dem Leiter der Restaurierungswerkstatt
der Gemäldegalerie, Herrn G. Pieh, ebenso zu Dank verpflichtet wie der Restauratorin Frau
B. Graf.
30 Zur Problematik des Nachweises der Unterzeichnung bei Tüchleinmalerei vergleiche Bomford,
Roy, Smith (1986), S. 46, und Leonard, Preusser, Rothe, Schilling (1988), S. 520f. Der Ausfall im
Infrarot-Befund muß durchaus nicht bedeuten, daß das Stück nicht unterzeichnet ist; es kann vielmehr auch daran liegen, daß das zur Unterzeichnung verwendete Pigment im Infrarot-Bereich
nicht sichtbar gemacht werden kann. Im Gegensatz zu den Bouts-Tüchlein in London und Malibu
zeigte allerdings auch die Aufnahme des Berliner Flügels im ultravioletten Licht keine Spuren der
Unterzeichnung.
Der gemäldetechnologische Befund
Abb. 62 Hugo van der Goes, »Kleine
Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Röntgenaufnahme, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
Abb. 64 Hugo van der Goes, »Kleine
Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Aufnahme
im ultravioletten Licht, Berlin, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
151
Abb. 63 Hugo van der Goes, »Kleine
Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Durchlichtaufnahme, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
152
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
Farboberfläche selbst31. Abgesehen von diesen Erkenntnissen zur Bildgenese
ermöglicht der Röntgenbefund aber auch die Untersuchung der Gewebekan-
ten, die dem bloßen Auge durch ihre Überklebung mit einem umlaufenden
Papierstreifen entzogen sind. Für die besonders interessierende linke, dem lin-
ken Flügel zugewandte Gewebekante bestätigt sich auch für den unter der
Abklebung verborgenen Stoffabschnitt das völlige Fehlen von Spanngirlanden
- die Leinwand dürfte also an dieser Bildkante tatsächlich beschnitten sein.
Darüberhinaus zeigt aber die untere Hälfte der linken Gewebekante eine
durchgehende Reihe kleiner Löcher noch knapp innerhalb der Bemalung. Wie
ist dieser Befund zu erklären? Das Fehlen der Spanngirlanden an der dem
jeweiligen Gegenstück zugewandten Gewebekante könnte vermuten lassen,
daß die beiden heutigen Diptychon-Flügel ursprünglich eine einheitliche
Komposition auf einer durchgehenden Leinwand gebildet haben. Dagegen
spricht aber neben der Diptychon-Form, die alle Repliken und Varianten zeigen, vor allem die in sich jeweils abgeschlossene Komposition der beiden Flügel. Dennoch setzen die fehlenden Spanngirlanden die Fortsetzung der Leinwand über die heutige Gewebekante hinaus voraus. Die Lochreihe an der linken Kante des Berliner Flügels kann nur nach der Bemalung des Tüchleins
entstanden sein, da sie noch knapp innerhalb der Malschicht liegt. Doch gegen
eine Deutung als Nagelspuren einer Befestigung der Leinwand auf einem
sekundären Spannrahmen spricht der geringe Abstand der Löcher zueinander.
Eine mögliche Erklärung für beide Befunde - das Fehlen der Spanngirlanden
und die Lochreihe an der dem linken Flügel zugewandten Seite des Berliner
Tüchleins - könnte darin bestehen, daß beide Teilkompositionen ursprünglich
tatsächlich auf einer durchgehenden Leinwand ausgeführt wurden, die vor
dem Beginn des Malprozesses auf einem einheitlichen Rahmen befestigt worden war. Der schmale, möglicherweise unbemalte Stoffstreifen zwischen den
beiden Teilen der Komposition wäre vermutlich von einer zur Rahmung des
Diptychons gehörenden Leiste verdeckt gewesen. Von deren Befestigung
könnte dann auch die Lochreihe herrühren32. In dieser Konstruktion wäre
31 Das im Vergleich zum Rot des Johannesgewandes auffallend geringere Absorptionsniveau der weißen Farbpartien des Bildes (Kopf- und Halstücher der Marien) stellt eine interessante Parallele zum
gleichartigen Befund am Oxforder Fragment der »Großen Kreuzabnahme« Hugos dar. Ein entsprechender Befund an den Bouts-Tüchlein in London und Malibu fand seine Erklärung in der Verwendung einer Mischung aus viel Kreide und wenig Bleiweiß für die Weißpartien des jeweiligen Bildes - entsprechend geringer ist die Absorption der Röntgenstrahlung gegenüber einer ausschließlichen Verwendung von Bleiweiß (Bomford, Roy, Smith [1986], S. 49; Leonard, Preusser, Rothe,
Schilling [1988], S. 522).
j2 Eine vergleichbare Trennleiste zwischen den einzelnen Bildfeldern der Flügel ist auch bei dem
Altarwerk des Dirk Bouts zu rekonstruieren (Leonard, Preusser, Rothe, Schilling [1988], S. 517-520
mit Fig. 33), zu dem neben den Tüchlein in London und Malibu wohl auch die Auferstehung in
der Norton Simon Foundation, Pasadena, und - als Hauptbild - die Kreuzigung im Musee des
Datierung und Stellung der »Kleinen Kreuzabnahme« in Hugos Werk 153
das Bild wohl nicht wie ein Klappaltar zu bewegen gewesen sein. Die Schwie-
rigkeit, sich ein klappbares Diptychon der üblichen Art mit textilem Bild-
träger vorzustellen, hatte schon M. J. Friedländer (19 2 6)33 zu dieser Lösung
für die »Kleine Kreuzabnahme« geführt. Der gemäldetechnologische Befund
scheint nun seine Annahme zu bestätigen.
4. Die Datierung der »Kleinen Kreuzabnahme« und ihre Stellung in
Hugos Werk
Spätestens seit dem Auftauchen des linken Flügels im Jahre 1950 ist die Eigenhändigkeit des zwischen Berlin und amerikanischem Privatbesitz aufgeteilten
Diptychons der »Kleinen Kreuzabnahme« unumstritten. Kontrovers ist aber,
wie bereits dargestellt, seine Datierung geblieben - abhängig vom zeitlichen
Ansatz der jeweiligen Vergleichsstücke, der Wiener Beweinung (Tafel 19) und
des Brügger Marientodes (Tafel 16)34. In der Tat gibt es eine Reihe bemerkenswerter Ubereinstimmungen zwischen dem Diptychon und diesen beiden Werken. Beginnen wir zunächst mit einer Betrachtung der kompositionellen Cha-
rakteristika der »Kleinen Kreuzabnahme«: Die mehr über- als hintereinander
gestaffelten Figuren, die durch das Halbfigurenformat noch zusätzlich verunklärte räumlichen Stellung der Figuren zueinander und der dadurch entBeaux-Arts in Brüssel gehörten (Bomford, Roy, Smith [1986], S. 39-44; Robert Koch, The Getty
»Annunciation« by Dieric Bouts; in: Burlington Magazine 130 [1988], S. 509-516).
Auch bei verschiedenen anderen altniederländischen Tüchlein spricht der technische Befund dafür,
daß der eigentliche Bildrahmen (im Gegensatz zu dem Rahmen, auf den die Leinwand in Vorbereitung des eigentlichen Malprozesses gespannt wurde) auf die Ränder des Tüchleins aufgenagelt
wurde, so z.B. bei Pieter Bruegel d. A., Tüchlein mit Königsanbetung, Brüssel, Musee des BeauxArts. Die Leinwand selbst dürfte üblicherweise auf einen Holzträger aufgeklebt worden sein; vergl.
Helene Verougstraete-Marcq, Roger van Schoute, Cadres et supports dans la peinture flamande aux
15e et 16e siecles, Heure-le-Romain 1989, S. 55-59.
Vgl. auch Exkurs II: Zur Originalrahmung eines niederländischen Tüchleins der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts, s. u. S. 273f.
33 Friedländer (1926), S. 40; ebenso Kermer (1967), S. 137-139.
34 Ob hinter der halbfigurigen Formulierung der Kreuzabnahme van der Goes' ein auf Rogier van
der Weyden zurückgehendes Urbild steht, ist in der Forschung umstritten, wobei die Entscheidung
wesentlich dadurch erschwert wird, daß die frühesten Versionen dieser Komposition erst aus dem
Ende des 15. Jahrhunderts datieren. Dies sollte allerdings nicht dazu führen, grundsätzlich die Mög-
lichkeit auszuschließen, daß hinter diesen späteren Versionen ein verlorenes Original Rogiers
stehen könnte. Wäre nicht durch einen glücklichen Zufall mit dem Oxforder Tüchlein-Fragment
wenigstens ein ruinöser Rest der »Großen Kreuzabnahme« erhalten geblieben, so hätten wir von
dieser bedeutenden Komposition van der Goes' gleichfalls nur Kopien des späten 15., vor allem
aber des 16. Jahrhunderts.
Die grundsätzliche Diskussion zur Eigenhändigkeit der halbfigurigen Kreuzabnahme Rogiers bei
Ringbom (1965/1984), S. 117-125, 212f, der entschieden für die Autorschaft Rogiers eintrat, und
bei Völker-Hänsel (1968), Bd. 1, S. 20-24, die die entgegengesetzte Position vertrat.
154
Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme«
stehende Bezug der Komposition auf die Bildfläche sind wesentliche Gestaltungsmerkmale, denen wir in gleicher Weise auch bei Wiener Beweinung und
Brügger Marientod begegnen. Doch auch in der Typenbildung finden sich
unmittelbare Berührungspunkte mit den genannten Werken. Man vergleiche
etwa den auf dem linken Flügel en face dargestellten Helfer mit dem Apostel
am linken Rand des Marientodes, der gleichfalls in Richtung des Betrachters
aus dem Bild herausblickt. Zwar unterscheiden sich die beiden Dargestellten
in Alter und Ausdruck, aber es ist unübersehbar, daß beiden Gestalten ein und
dieselbe Vorlage zugrundeliegt-0.
Die Wiener Beweinung liefert vor allem für die weiblichen Kopftypen der
»Kleinen Kreuzabnahme«, aber auch für die Gestaltung der Köpfe Christi und
des Johannes die engsten Parallelen. Aber noch über Komposition, Kopftypik
und Ausdruck hinausgehend ist die »Kleine Kreuzabnahme« auch in ikonographischer und motivischer Hinsicht aufs engste mit der Wiener Beweinung
verknüpft. Das Thema beider Darstellungen ist die Klage um den toten Heiland - beim Tüchlein-Diptychon wird er noch von zwei Helfern getragen, in
der Wiener Beweinung hingegen liegt er bereits auf dem Leichentuch am
Boden. In beiden Darstellungen wird aber der Leichnam ostentativ dem Betrachter präsentiert, in beiden Darstellungen erfüllt das übrige Bildpersonal
neben der gefühlsmäßigen Einstimmung des Betrachters vor allem den Zweck,
den Blick auf den toten Christus als dem eigentlichen Bildmittelpunkt zu lenken. Dabei ist aber zugleich die jeweils unterschiedliche Herkunft der beiden
Bildformulierungen nicht zu übersehen. Die »Kleine Kreuzabnahme« kann
als Erweiterung des Bildformulars der »Imago pietatis« gelesen werden und bereits von dieser Entstehungsgeschichte her ist die Dominanz des Leichnams
Christi leicht zu verstehen36. Die Wiener Beweinung steht hingegen fest in
der Tradition des die Geschehnisse um die Kreuzabnahme Christi erzählenden
Bildes. Die Konzentration der Aufmerksamkeit des Betrachters auf den Leichnam des Herrn erfolgt hier sowohl durch die Entscheidung zur Darstellung
eines ganz bestimmten Momentes innerhalb des Handlungsablaufs - des ohnmächtigen Zusammenbrechens Mariens über ihrem toten Sohn - als auch
durch die spezifische Inszenierung der Szene - die an stürzenden Diagonalen
orientierte Komposition.
Doch neben der grundsätzlich gleichartigen Bildidee, die beiden Werken zugrunde hegt, gibt es auch unmittelbare Motivübernahmen. Auf die Gleichartigkeit der Darstellung des toten Christus, der unterschiedlichen Bildsitua35 Für die Diskussion der Frage, ob Hugo auch für Kopftypen des linken Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme« auf Anregungen durch Kupferstiche Martin Schongauers zurückgegriffen haben könnte,
vergl. u. S. 206, Anm. 7.
36 Ringbom (1965/84), S. 125-134.
Datierung und Stellung der »Kleinen Kreuzabnahme« in Hugos Werk 155
tion ungeachtet, wurde schon hingewiesen. Mit der klagend ihre Arme ausbreitenden wie mit der ihre Tränen trocknenden Frau finden sich aber auf dem
rechten Flügel der »Kleinen Kreuzabnahme« zwei Figuren, die wörtlich so
auch in der Wiener Beweinung erscheinen. Angesichts dieser ungewöhnlich
engen Beziehungen stellt sich nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Datierung des Tüchlein-Diptychons die Frage nach dem Verhältnis der beiden
Werke zueinander. Hierfür liefert die Beobachtung der sekundären Einfügung
der Klagenden am rechten Bildrand der Wiener Beweinung den entscheidenden Anhaltspunkt: Die Notwendigkeit, diese Gestalt nachträglich dem bereits
im ersten, in der Unterzeichnung dokumentierten Bildzustand vorgesehenen
Bildpersonal hinzuzufügen, ließ Hugo van der Goes seine ursprüngliche Komposition wesentlich abändern. Diese gleiche Figur ist aber von Anfang an Teil
der Komposition der »Kleinen Kreuzabnahme« gewesen und zwar kennzeichnenderweise zusammen mit der weinenden Frau in einer der Wiener Beweinung entsprechenden kompositionellen Position. Die Entstehung des Tüchlein-Diptychons nach der Wiener Beweinung ist angesichts dieser Beobachtungen mit einiger Sicherheit anzunehmen. Die »Kleine Kreuzabnahme« ist demnach nichts anderes als die von van der Goes' selbst vorgenommene Reduktion
der ganzfigurigen Wiener Beweinung auf das Halbfigurenformat37. Gegen-
über der Darstellung in Ganzfigur führte die Konzentration auf die dem
Betrachter unmittelbar nahegebrachten Gesichter und Hände der Figuren zu
einer wesentlichen Ausdruckssteigerung, der sich der Betrachter kaum entziehen kann. Die Bezüge zur Wiener Beweinung und zum Brügger Marientod
stellen beim Versuch der Datierung der »Kleinen Kreuzabnahme« die entscheidenden Anhaltspunkte dar: Die Beweinung des Wiener Diptychons, um
1479 entstanden, liefert im Hinblick auf ihre Priorität dem Tüchlein-Diptychon gegenüber den terminus post quem, der zugleich durch die Typenverwandtschaft des Bärtigen mit den Kreuzesnägeln zu dem gleichfalls en face
dargestellten Apostel des Brügger Marientodes seine Bestätigung erfährt. Eine
zeitliche Ansetzung der »Kleinen Kreuzabnahme« um 1480 erscheint daher
am wahrscheinlichsten.
Im Fall der »Kleinen Kreuzabnahme« scheint doch eher eine aufs engste an der Wiener Beweinung
orientierte Reduktion auf das Halbfigurenformat stattgefunden zu haben als eine Erweiterung des
»Schmerzensmann-Virgo doloris«-Diptychonformulars, wie Ringbom (1965/1984), S. 127-129,
dies annehmen wollte: Die Priorität der ganzfigurigen Darstellung scheint eindeutig, die unmittelbaren Übernahmen (gerade auch bei der Figur Christi) sind offensichtlich, die Marienfigur ist im
Gegensatz zur Christusfigur des linken Flügels allzusehr in die Gruppe der Trauernden des rechten
Flügels eingebunden.
156
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
VII. Das Tüchlein-Fragment in Oxford und Hugos meist kopierte
Bildschöpfung: Die »Große Kreuzabnahme«
Das Museum des Christ Church College in Oxford bewahrt das TüchleinFragment1 einer Beweinung Christi (Tafel 28, Abb. 65), die in zahlreichen
Kopien überliefert ist2. Diese sogenannte »Große Kreuzabnahme«^ des Hugo
van der Goes zeigt (man vergleiche etwa die wohl noch aus dem Ende des
15. Jahrhunderts stammende Kopie des Museums voor Schone Künsten in
Gent, Abb. 664) in zweischichtiger, diagonaler Anordnung das Geschehen in
großen, dem Betrachter im Wortsinn nahe gebrachten Halbfiguren. Der fast
bildparallel dargestellte Leichnam Christi wird von Joseph von Arimathia und
Nikodemus3 auf einem Leichentuch weniger getragen, als vielmehr dem Betrachter dargeboten. Seitlich hinter dieser Figurengruppe neigt sich Maria mit
erhobenen, betend zusammengelegten Händen ihrem Sohn zu, begleitet zu
ihrer Rechten von Johannes, der sich seinerseits leicht vorgebeugt Maria zuwendet. Hinter der Gottesmutter schließlich erscheint eine weitere Frau, die
trauernd ihre Rechte an die Wange geführt hat. Diese Figurenanordnung ist
bei allen Kopien die gleiche. Die Gestaltung des Hintergrundes - Goldgrund
oder Landschaftsausblick, mit oder ohne Kreuzstamm - ist jedoch ebenso wie
die Proportionierung der Bilder, ihre Farbgebung, die Aktualisierung der
Gewandung der Figuren oder auch die stilistische Sprache insgesamt variabel
und abhängig von der jeweiligen Entstehungszeit der einzelnen Kopie. Die
Mehrzahl von ihnen stammt allerdings erst aus dem 16. Jahrhundert.
Das Oxforder Leinwand-Fragment zeigt nun vor Goldgrund die Büsten
Mariens und des Johannes, im linken unteren Bildabschnitt einen Teil des
Oberkörpers Christi sowie die ihn hinterfangende linke Schulter des Niko-
1 Oxford, Christ Church College, Picture Gallery; Leinwand, 42,0 x 46,1 cm; Byam Shaw (1967),
S. 120-121, Cat. Nr. 231; Vandenbroeck (1982), S. 52, Nr. 51; Wolfthal (1989), S. 34-36, 46f, Nr. 12.
2 Eine erste Zusammenstellung der bekannten, in der überwiegenden Mehrzahl aus dem 16. Jahrhun-
dert stammenden, qualitativ minderwertigen Wiederholungen bei Destree (1907 b), S. 168-175.
Die jüngste und umfangreichste Ubersicht der Kopien bei Völker-Hansel (1968), Bd. 1, S. 34-38,
ist bei weitem nicht vollständig, wie die große Anzahl von Nachweisen weiterer Kopien im Photoarchiv des Brüsseler Centre National de Recherches »Primitifs Flamands« belegt.
Bereits 1823 hatte Ludwig Schorn, Uber einige Gemälde von altdeutschen und altneapolitanischen
Meistern in Neapel; in: Kunstblatt (1823), S. 159, die Kopie der »Großen Kreuzabnahme« in
Neapel mit »... einem der besten Schüler des Eyck (vielleicht Hugo van der Goes?)« in Verbindung
gebracht.
3 Winkler (1955), S. 2-8.
4 Gent, Musee des Beaux-Arts; Inv. Nr. 1951-M; Holz, 43,5 x 57 cm; Gent. Duizend Jaar Kunst en
Cultuur (Gent 1975), Bd. 1, S. 178f, Abb. 17.
3 Die Bezeichnungen folgen der traditionellen Identifikation dieser beiden Figuren; demnach wäre
in dem älteren, vorn rechts sichtbaren Mann Joseph von Arimathia, im jüngeren, auf der linken
Seite die Komposition schließenden Nikodemus zu sehen. Auf Grund von Tracht oder Attributen
sind sie nicht eindeutig zu identifizieren; vergl. Stechow (1964), S. 289-302.
Zur Geschichte der Forschungsmeinungen
157
Abb. 65 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Oxford, Christ Church,
Picture Gallery
demus. Maria trägt ein heute schwärzlich-dunkelblaues, langärmliges Gewand;
ein tief in die Stirn gezogenes weißes Tuch ist vor dem Oberkörper zusammen-
gezogen. Ein gleichfalls schwarzblauer Umhang bedeckt ihr Haupt und die
Schultern. Johannes ist mit einem heute hellrot-orange wirkenden Gewand bekleidet, darüber trägt er einen gleichfarbenen Umhang, der auf seiner rechten
Schulter zugeknöpft zu denken ist. Uber seiner linken Schulter ist der Stoff
zusammengeschoben, was das Faltengeschiebe parallel zum Schulterkontur
der Mutter Gottes erklärt. Der Lieblingsjünger hat braune, leicht gewellte
Haare, einzelne Lichter sind in ockerfarbenem Hellbraun aufgesetzt. Maria
wie auch Johannes rinnen Tränen über die Wangen. Das Gewand des Nikodemus, das am linken Rand des Tüchlein-Fragmentes über der Schulter Christi
sichtbar wird, wirkt nahezu schwarz. Alle Inkarnate erscheinen heute in hell-
bräunlichen Beigetönen, in den Schattenpartien stark mit Grau vermischt.
158
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
Abb. 66 Niederländischer Meister vom Ende des Ib. Jahrhunderts, Kopie der »Großen
Kreuzabnahme«, Gent, Museum voor Schone Künsten
1. Zur Geschichte der Forschungsmeinungen
Das Oxforder Fragment gelangte 1828 als Schenkung in die Sammlungen des
Christ Church College6. Der Sammlungskatalog von 18337 schrieb das Bild
Mantegna zu und teilte weiterhin mit, es sei das Fragment eines Bildes, das
größtenteils in einem Feuer im Palazzo Durazzo in Genua zugrunde gegangen
6 Byam Shaw (1967), S. 120.
7 A Catalogue of the Collection of Pictures in the Library at Christ Church, Oxford, bequeathed
to the College by the late General Guise, 1765, and of the additions made by subsequent donations;
also a Catalogue of the Portraits in Christ Church Hall, Oxford 1833, S. 10, Nr. 129. Das TüchleinFragment stammte nicht aus Guises Besitz.
Zur Geschichte der Forschungsmeinungen
159
sei. 1907 wurde das Bild dann durch C. J. Holmes8 mit dem Vorschlag einer
Zuschreibung an Rogier van der Weyden in die wissenschaftliche Diskussion
eingebracht. Obgleich er »... the remarkable delicacy of workmanship ...«
würdigte, sah er in dem schlecht erhaltenen Leinwandbild kein eigenständiges
Bildwerk, sondern das Fragment einer Tapisserievorlage. Holmes Artikel löste
mehrere Stellungnahmen9 aus, die die Zuschreibung zugunsten von Hugo
van der Goes korrigierten: Sowohl W. J. Weale (1907) als auch J. Destree
(1907)10 erkannten in dem Oxforder Tüchlein
»... certainly a fragment of one of the most famous paintings of the early Netherlandish School, the Deposition of the Cross by Hugh Van der Goes.«11
Die Einschätzung des Oxforder Fragments als eigenhändiges Werk blieb allerdings in der nachfolgenden Forschung nicht unumstritten12.
1946 wurden bei einer Restaurierung1 3 des Tüchleins durch H. Buttery die
gröbsten modernen Retuschen abgenommen; für die Diskussion der Frage der
s Holmes (1907), S. 328.
9 Außer Weale und Destree sind in diesem Zusammenhang noch zu nennen: Ceuleneer (1908),
S. 342; Durand-Greville (1908), S. 20.
10 Weale (1907), S. 158-163, brachte diese Komposition mit dem verlorenen Altarbild Hugos in der
St. Jakobskirche in Brügge in Verbindung, die van Mander (1604) und Sanderus (1624) als Kreuzigung, Descamps (1769) als Kreuzabnahme beschrieben hatten (s. o. S. 2lf zur Forschungsgeschichte). Mit dieser Identifikation des Bildes war zugleich die These einer Verwendung des Oxforder Tüchleins als Webvorlage stillschweigend erledigt. Weiterhin listete Weale die ihm bekannten
Kopien dieser Komposition van der Goes' auf, unter anderem auch die Zeichnung in der Albertina
in Wien (Benesch [1928], S. 4, Nr. 18, Tafel 5), die nach seiner Einschätzung dem Original stilistisch
besonders nah kam.
Destree (1907 b), S. 168-175, sah im Berliner Tüchlein mit den klagenden Marien und Johannes
die nächsten Stilparallelen und wies beide Bilder Hugo als eigenhändige Arbeiten zu. Wegen der
großen Anzahl von Kopien nach der »Großen Kreuzabnahme« vermutete er, Hugo habe erste
Repliken noch selbst ausgeführt.
11 Weale (1907), S. 158.
12 Ein Originalwerk Hugos sahen im Oxforder Fragment: Fierens-Gevaert (1909), S. 93f; Destree
(1914), S. 46f; Pfister (1923), S. 14, 26; Georges Hulin de Loo, Ville de Gand. Catalogue du Musee
des Beaux-Arts. Maitres anciens. Peintures, dessins, gravures, Gand 1937, S. 6 lf; Godfrey (1950),
S. 5; Paintings and Drawings from Christ Church, Oxford (London 1960), Cat. Nr. 6; Arndt (1964),
S. 70-73; Byam Shaw (1967), S. 120f; Wolfthal (1989), S. 34-36, 46f, Nr. 12.
Demgegenüber hielten das Stück für eine Kopie nach einer verlorenen eigenhändigen Schöpfung
Hugos: Friedländer (1926), S. 68, 130; Oettinger (1938), S. 5913; Cunningham (1952), o. S. ; Winkler (1964), S. 130; Völker-Hänsel (1968), Bd. 1, S. 13; Egbert Haverkamp-Begemann (Ed.),
Wadsworth Atheneum Paintings. Catalogue I: The Netherlands and the German-speaking Countries, 15th-19th Centuries, Hartford, Conn. , 1978, S. 146.
Im Hinblick auf den Erhaltungszustand wollten sich zur Frage der Eigenhändigkeit nicht festlegen:
Ring (1913), S. 85; Tancred Borenius, Pictures by the old masters in the Library of Christ Church
Oxford. A brief catalogue with historical and critical notes on the pictures in the collection, Oxford
1916, S. 103; Winkler (1924), S. 112; Schöne (1938), S. 821; Juste de Gand, Berruguete et la cour
d'Urbino (Gent 1957), S. 126; Ringbom (1965/84), S. 135106; Eisler (1967), S. 64d9; Pächt (1969),
S. 4913.
13 Byam Shaw (1967), S. 120.
160
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
Eigenhändigkeit hatte dies aber keine Konsequenzen. Diese Restaurierung
stellt nicht den einzigen für uns faßbaren Eingriff in die Substanz des Tüchleins dar. Bereits die erste, von Holmes (1907)14 publizierte Aufnahme des
Fragments zeigt die von Buttery nicht berührten, jüngeren Einsätze von Leinwandstreifen entlang einer Zerstörungszone, die das Bild horizontal auf der
Höhe der mittleren Fingerglieder Mariens durchzieht. Diese weitreichende
Restaurierung dürfte am ehesten in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu
datieren sein - kurz vor oder nach der Schenkung des Bildes an Christ Church
College im Jahre 1828.
2. Eine Ruine wird besichtigt: Bestand und Zustand
Bei dem Versuch, sich ein möglichst präzises Bild vom Zustand des Tüchleins
zu verschaffen, kann neben der Autopsie des Stückes eine Zustandsphotographie der Restaurierung von 1946 herangezogen werden, die das Fragment nach
der partiellen Abnahme jüngerer Übermalungen und vor der heutigen Retusche zeigt (Abb. 67). Der Erhaltungszustand des 42,0 x 46,1 cm messenden
Tüchleins ist bedauerlich schlecht. Das Gewebe15 zeigt an der oberen Kante
deutlich Spanngirlanden - der Stoff kann hier nur unwesentlich beschnitten
sein. Dem Fragmentcharakter des Bildes entsprechend fehlen Spanngirlanden
an den drei übrigen Stoffkanten. Die heute doublierte Originalleinwand muß
für längere Zeit zumindest einmal horizontal gefaltet gewesen sein, was zu den
bereits erwähnten umfangreichen Färb- wie auch Gewebeverlusten entlang des
Knicks geführt haben dürfte; die eingefügten Leinwandstreifen sind heute beiretuschiert. Die linke obere Leinwandecke ist gleichfalls zerstört, hier ist eine
segmentförmige, auf der Doublierleinwand sitzende Auskittung eingefügt und
vergoldet.
Die vermutlich mit Kleister ausgeführte Doublierung führte zu nachhalti-
gen Veränderungen des Farbcharakters des Bildes. Die durch den starken Farb-
abrieb vor allem an den Leinwandknoten freiliegenden Fäden des Gewebes
wurden durch die Sättigung mit dem Klebemittel dunkel verfärbt; die Farben
selbst dürften durch diesen Klebstoff z.T. ebenfalls nachgedunkelt sein, z.T. an
Deckkraft verloren haben16. Eine dicke und heute gleichermaßen verfärbte
Firnisschicht verstärkt noch den nachteiligen Eindruck. Die Originalmalerei
14 Holmes (1907), Abb. gegenüber S. 328. Schon Holmes wies auf den schlechten Erhaltungszustand
des Bildes hin, so u.a. auf die Leinwandeinsätze im Bereich der Hände Mariens.
15 Die Gewebedichte beträgt etwa 21 x 25 Fäden pro Quadratzentimenter.
16 Man vergleiche hierzu die Untersuchungsergebnisse an Dirk Bouts' Tüchleindarstellungen in London und Malibu: Bomford, Roy, Smith (1986), S. 42-51; Leonard, Preusser, Rothe, Schilling (1988),
S. 517-522.
Bestand und Zustand
161
Abb. 67 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Zustand vor der Restau-
rierung von 1946, Oxford, Christ Church, Picture Gallery
hat sich vor allem in den Gewebetiefen erhalten. Infolgedessen ist der modellierende Farbaufbau durchgehend stark beeinträchtigt, wenn nicht ganz verlorengegangen wie z.B. am Umhang Mariens. Schließlich aber verunklären
zahlreiche größere und kleinere grobe Retuschen das Bild. Zumindest ein Teil
dieser Ubermalungen - vor allem am Tuch Mariens, ihren Händen und am
Körper Christi - ist an der fetteren Konsistenz der verwendeten Farbe relativ
leicht auszumachen. Wesentlich problematischer ist die Erfassung möglicher
Eingriffe im Gesicht der Mutter Gottes. Der Vergleich mit dem von Über-
malungen nahezu freien Gesicht des Johannes - zugleich die besterhaltene Partie des ganzen Fragments - läßt aber angesichts der starr und maskenhaft wirkenden Gesichtszüge Mariens doch an großflächigere Retuschen denken, die
allerdings in sehr dünnflüßiger Farbe ausgeführt wurden, daher opak wirken
und sich weniger deutlich vom Originalbestand abheben.
162
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
Ganz besonders störend ist die grobe und mißverstandene Ergänzung der
mittleren Fingerglieder Mariens auf den eingesetzten Leinwandstreifen. Diese
bei der letzten Restaurierung weitgehend unverändert belassene Zutat der Restaurierung des 19. Jahrhunderts versuchte offensichtlich, die bei der Einfügung der Stoffstreifen aufgetretene leichte Verschiebung der beiden Fragmentteile gegeneinander auszugleichen und führte daher zur auffälligen Verbiegung des Anschlusses der Fingerglieder. Die mißverstandene Verbindung
des kleinen Fingers der Linken mit der Spitze des Ringfingers der Rechten ver-
änderte schließlich im Verein mit den bereits genannten partiellen Uber-
malungen auch der erhaltenen Originalpartien den Charakter der Hände endgültig. Die heutige, ausgesprochen grob ausgeführte Vergoldung geht ganz
offensichtlich gleichfalls auf das Konto dieser Restaurierung. Sie zieht nicht
nur an verschiedenen Stellen über die Farbschicht des Umhangs Mariens und
der Haare des Johannes hinweg, sie erstreckt sich auch in gleicher Weise über
die Originalleinwand wie über die moderne Auskittung an der linken oberen
Bildecke.
3. Der gemäldetechnologische Befund
Der Versuch, sich eine Vorstellung vom Originalzustand des Oxforder Fragments zu verschaffen, wird wesentlich durch die Ergebnisse diverser gemäldetechnologischer Untersuchungen erleichtert1So konnte die stereomikroskopische Untersuchung einige schon bei der Autopsie gewonnene Beobachtungen bestätigen. Die Leinwand ist ungrundiert, wie dies bei Tüchleinmalerei
zu erwarten war. Unter der heutigen, mit Goldfarbe ausgeführten Vergoldung
ließ sich die ursprüngliche Blattvergoldung des Hintergrundes nachweisen18.
1 Die Untersuchungen fanden im Oktober 1986 im Courtauld Institute in London statt. Für die
Untersuchung und die Diskussion der Ergebnisse ist der Verfasser Frau C. Villers zu Dank verpflichtet, auf deren Untersuchungsbericht im folgenden auch wiederholt zurückgegriffen wird.
Dem Pictures Commitee der Picture Gallery of Christ Church College, Oxford, ist für die Ermöglichung der Untersuchungen des Bildes in London zu danken, Frau Dr. C. Whistler, Oxford, und
Frau Dr. J. Woodall, London, für deren Vorbereitung.
Wie bei einer Tüchleinmalerei nicht anders zu erwarten, ergab die Infrarot-Reflektographie keinen
Befund zu einer Unterzeichnung. Dies muß durchaus nicht bedeuten, daß das Bild nicht unterzeichnet ist; vielmehr kann es an der Verwendung eines Pigmentes liegen, das von der Reflektographie nicht erfaßt wird; man vergleiche den interessanten Befund an den Bouts-Tüchlein in London
und Malibu (Bomford, Roy, Smith [1986], S. 46f; Leonard, Preusser, Rothe, Schilling [1988],
S. 520f).
1S Interessanterweise ließ sich auch unter der originalen Blattvergoldung keine Grundierung fassen.
Angesichts der dicken Firnis- wie Neuvergoldungsschichten könnte hier allerdings nur eine Probeentnahme Gewißheit schaffen. Im Falle der Kasseler Tüchleinmadonna ist eine dünne Grundierung unter den blattgoldenen wie -silbernen Partien nachgewiesen, s. u. S. 176.
163
Abb. 68 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Röntgenaufnahme,
Oxford, Christ Church, Picture Gallery
Den interessantesten Befund zum materiellen Bildaufbau lieferte die Röntgenaufnahme (Abb. 68)19. Abweichend vom Oberflächenbild, und auch bei der
Das blaue Pigment der Mariengewänder ist mit einiger Wahrscheinlichkeit Azurit. Durch Firnis,
Doublierklebemittel, Abrieb und verfärbte Retuschen ist die Farbwirkung allerdings stark verändert. Ähnlich verhält es sich beim Rotton der Gewandung des Johannes: Der heutige Farbeindruck ist allein der Untermalung zu verdanken. Uber dieser hellroten, opaken Farbschicht haben
sich nur geringe, die Farbwirkung kaum mehr mitbestimmende Reste einer dunkelkarminroten,
transparenten, zweiten Farbschicht erhalten.
Bei dem Gewandabschnitt des Nikodemus, dessen Farbe heute nicht mehr zu bestimmen ist, fanden sich gleichartige blaue Pigmente wie bei den Mariengewändern; die Ubermalungen in dieser
Zone sind aber so ausgedehnt, daß eine sichere Bestimmung der ursprünglichen Farbigkeit nur
durch eine Probeentnahme möglich wäre.
19 Die geringe Absorption von Röntgenstrahlung durch das Weiß des Tuches Mariens ist auffallend;
ähnlich wie bei den Bouts-Tüchlein in London und Malibu wäre an eine Mischung aus Kreide und
Bleiweiß (anstelle von Bleiweiß allein) für die weiße Farbe des Tuches zu denken (Bomford, Roy,
Smith [1986], S. 49; Leonard, Preusser, Rothe, Schilling [1988], S. 522).
164
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
stereomikroskopischen Oberflächenuntersuchung nicht faßbar, zeigt sich im
Röntgenbild eine ausgedehnte Farbpartie, die dem Schulter- und Armkontur
Christi in etwa 2-3 cm Abstand folgt. Da keine Farbprobe entnommen werden konnte, ist die Frage nach dem Bildgegenstand, welcher hier zunächst farb-
lich angelegt, dann aber doch zugunsten der heutigen Fassung verworfen
wurde, schwierig zu beantworten. Hier kann allerdings ein Vergleich des
Absorptionsniveaus der Röntgenstrahlung durch diese in der Endfassung abgedeckte Farbzone mit jener in den benachbarten Bildpartien weiterhelfen.
Sowohl die Farbschichten des Körpers Christi als auch die des JohannesGewandes zeigen eine wesentlich geringere Strahlenabsorption, allein das Ge-
wand des Nikodemus weist ein nahezu identisches Absorptionsniveau auf.
Dies läßt am ehesten daran denken, daß Nikodemus in der ersten Phase der
Bildentstehung in wesentlich betonterer Weise den Oberkörper Christi mit
seinem linken Arm umschloß. Diese Kompositionsvariante hätte zwar das
Tragemotiv des Leichnams durch Nikodemus glaubwürdiger vermittelt, zugleich aber in entscheidendem Maße die Wendung des Johannes, aber auch die
Mariens zu Christus hin verstellt. Der innige Bezug des Lieblingsjüngers und
der Mutter auf den toten Sohn ist aber - neben der unmittelbaren Präsentation
des geschundenen Körpers Christi zum Betrachter hin - zweifellos für Ausdruck und Wirkung der Komposition von ganz entscheidender Bedeutung.
Unabhängig davon, welches Bildelement im Verlauf der Entstehungsgeschichte des Oxforder Fragments verändert wurde, ist für die Frage nach
dem »Status« des Tüchleins die Existenz dieses Pentimentes an sich wesentlich.
Eine Modifikation dieses Ausmaßes, noch dazu mit nachhaltigen Konsequenzen für den Ausdruckswert der Komposition, ist nur bei einem Originalwerk,
keinesfalls aber bei einer Kopie zu erwarten20.
20 Der Befund widerspricht auch der Interpretation des Tüchleins als eigenhändige Replik Hugos
nach einer hypothetischen, auf Holz gemalten Erstfassung. Diese Meinung hatte erstmals Destree
(1907 b), S. 174, vertreten und ihr schloß sich auch Arndt (1964), S. 72f, mit dem Hinweis an,
daß angesichts der zahlreichen Kopien des 16. Jahrhunderts für diese Zeit von der Anwesenheit
des Originals der »Großen Kreuzabnahme« in den Niederlanden ausgegangen werden müsse. Dem
ist sicher zuzustimmen, doch schließt die Entdeckung des Oxforder Fragments zu Anfang des
19. Jahrhunderts in Genua keineswegs die Möglichkeit aus, daß das Stück erst im Verlauf des
16. Jahrhunderts nach Italien gelangte.
Eine Interpretation des Oxforder Tüchleins als eigenhändige Replik Hugos scheint durch den
Nachweis des umfangreichen Pentiments ausgeschlossen: Handelte es sich bei Oxford um eine
eigenhändige Replik, so wäre zu erwarten, daß die in der ersten, von Hugo selbst korrigierten Farbanlage dokumentierte Bildfassung der hypothetischen Erstausführung folgte. Alle uns erhaltenen
Kopien der Komposition von der Hand anderer Maler zeigen aber die korrigierte Version des
Oxforder Fragmentes.
Original, Replik oder Kopie?
165
4. Original, Replik oder Kopie? Das Verhältnis des Oxforder TüchleinFragments zu den übrigen Versionen der »Großen Kreuzabnahme«
Spricht der Befund der gemäldetechnologischen Untersuchung entschieden
für die Bestimmung des Tüchleins als Originalwerk Hugos, so wird diese Einschätzung durch Stil und Typenbildung, aber auch durch die außergewöhnliche Qualität der Darstellung unterstützt. Doch bevor wir uns dem Versuch
einer Einordnung des Oxforder Fragments in Hugos Werk zuwenden, soll
zunächst sein Verhältnis zu den übrigen Versionen der »Großen Kreuzabnahme« betrachtet werden. Die überwiegende Mehrzahl der erhaltenen
Kopien stammt bereits aus dem 16. Jahrhundert und ist von geringwertiger
Ausführung. Wie schon J. Destree (1907)21 betonte, läßt sich bei einer ganzen
Reihe dieser Kopien zeigen, daß sie nicht mehr direkt auf das Original der
»Großen Kreuzabnahme« zurückgehen können, sondern ihrerseits bereits
Kopien nach Kopien sein müssen. Ein in diesem Zusammenhang interessantes
Detail ist die Darstellung des räumlichen Verhältnisses der Köpfe Mariens und
Johannes': Wo die unmittelbar auf das Goessche Original zurückgehenden
Kopien den linken Gesichtskontur des Liebimgsjüngers deutlich vom Kopftuch Mariens überschnitten wiedergeben, wird dies bei der Mehrzahl der vom
Urbild weiter entfernten Kopien sorgsam vermieden, obgleich diese Maßnahme nicht nur das räumliche Zueinander der Figuren entscheidend verunklärt, sondern zugleich zu einer unschönen Verzeichnung des JohannesGesichts führt.
Mit O. Benesch (1928) und F. Winkler (19 64)22 wird man die Nachzeichnung der »Großen Kreuzabnahme« in der Albertina in Wien23 als die getreueste Kopie nach Hugos Original bezeichnen können (Abb. 69). Von Winkler (19 5 8)24 Pieter Bruegel d. A. zugeschrieben, ist sie in Typenbildung wie
Ausdruck in ihrer Nähe zu van der Goes allen übrigen Kopien überlegen. Mit
größter Wahrscheinlichkeit ist die Albertina-Zeichnung unmittelbar nach dem
Original ausgeführt, wofür nicht zuletzt auch die Wiedergabe der Uberschneidung des Kopfes des Jüngers durch das Kopftuch Mariens spricht. In welchem
Verhältnis stehen nun aber Oxforder Fragment und Albertina-Zeichnung?
Ohne auf den beklagenswert schlechten Zustand des Tüchleins (das er im Zu-
stand vor der Restaurierung von 1946 abbildete) einzugehen, äußerte sich
Winkler im Hinblick auf das Oxforder Fragment negativ:
21 Destree (1907 b), S. 171.
22 Benesch (1928), S. 4, Nr. 18; Winkler (1964), S. 129.
23 Wien, Albertina; Inv. Nr. 7833, 142 x 187 mm, Feder in Graubraun, Durchdrückspuren für Kupferstich; Benesch (1928), S. 4, Nr. 18.
24 Winkler (1958 a), S. 107f.
166
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
Abb. 69 Pieter Bruegel d. Ä. (?), Kopie der »Großen Kreuzabnahme«, Zeichnung, Wien
Graphische Sammlung Albertina
»Beim Vergleich mit dem Blatt in Wien ergeben sich zahlreiche Abweichungen, die
das Urteil über das Oxforder Tüchleinfragment um so stärker beeinflussen, als dieses
um vieles größer ist als die bescheidene Zeichnung. Diese enthält trotzdem sehr viel
mehr Details, und man kann nicht annehmen, daß in Oxford die fehlenden Einzelheiten durch scharfes Putzen samt und sonders verschwunden sein sollten ... Ganz beson-
ders nimmt gegen die große Ausführung auf Leinwand ein, daß die Hände Mariä...
im Vergleich zu dem Albertinablatt flau und zudem falsch sind... Offenbar hat der
Kopist seine Vorlage mißverstanden, er machte aus dem vierten Finger der rückwärtigen Hand den fünften der vorderen.«25
Wie wir sehen, stützte sich Winkler bei seiner Argumentation gegen die Eigenhändigkeit des Tüchlein-Fragmentes ausgerechnet auf jene Bildabschnitte,
die von modernen Retuschen besonders entstellt sind. Zu Recht wies daher
K. Arndt (19 64)26 auf den Erhaltungszustand des Tüchleins hin, der den geringeren Detailreichtum gegenüber der Zeichnung selbst in den von moder-
nen Eingriffen weniger betroffenen Partien hinreichend erklärt. So ist
25 Winkler (1964), S. 130.
26 Arndt (1964), S. 70-73.
Die »Große Kreuzabnahme« und die Bildtradition
167
Arndt2 zuzustimmen, daß der Vergleich mit der Wiener Zeichnung als der
getreuesten Kopie der »Großen Kreuzabnahme« keinesfalls gegen die Ein-
schätzung des Oxforder Fragments als Originalwerk Hugos spricht. Das hohe
Maß an Übereinstimmung zwischen beiden Werken deutet vielmehr darauf
hin, daß der Zeichner des Wiener Blattes das damals noch unbeschädigte
Oxforder Tüchlein direkt kopierte.
5. Ein Fragment wird rekonstruiert. Die »Große Kreuzabnahme« und die
Bildtradition
Für die Rekonstruktion der Originalfassung der »Großen Kreuzabnahme«
bilden das Oxforder Tüchlein als das einzig erhaltene Originalfragment und
die Albertina-Zeichnung als die getreueste Kopie die wesentliche Grundlage.
Da das Tüchlein am oberen Bildrand deutlich Spanngirlanden aufweist, kann
die Komposition hier nur unwesentlich beschnitten worden sein. Dem entspricht der Befund der Wiener Zeichnung, die - sonst in den Details äußerst
präzise - die Trägerfiguren, den Leichnam Christi und die Frau am rechten
Bildrand in ein imaginäres Querrechteck einfügt, durch das die Figuren, einschließlich ihrer z.T. recht aufwendigen Kopfbedeckungen, beschnitten werden. Ganz offensichtlich gibt also die Zeichnung die Komposition auch im
Figurenausschnitt präzise wieder28. Die Hintergrundsgestaltung wie auch die
originale Farbwirkung ist demgegenüber mit Hilfe der Wiener Zeichnung
nicht zu klären; für diese Fragen bleibt man auf die übrigen, wenn auch in
der Mehrzahl äußerst schwachen Gemäldekopien angewiesen. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit waren die Gestalten der »Großen Kreuzabnahme« als farbig gefaßte Figurengruppe vor einer vergoldeten, seitlich und oben profilierten
Altarrückwand aufgestellt: Übereinstimmend wird diese Disposition von den
getreuesten und qualitätvollsten Kopien wiedergegeben29. Dem entspricht
auch der Befund des originalen Goldgrundes beim Oxforder Fragment. Die
koloristische Wirkung der »Großen Kreuzabnahme« scheint - nach Aussage
27 A.a.O.
28 Dies wird nicht nur durch die Mehrzahl der Kopien bestätigt, die den gleichen Bildausschnitt zeigen, sondern auch durch jene, die ihn erweitern und dadurch die Wirkung der Komposition wesentlich beeinträchtigen: Man vergleiche etwa den Kupferstich nach van der Goes' »Großer Kreuzabnahme« von Hieronymus Wierix von 1586, der möglicherweise unter Benutzung der AlbertinaZeichnung entstand (Mauquoy-Hendrickx [1978], S. 54, Nr. 376, Tafel 47).
29 Es handelt sich dabei um die Kopien in Neapel, Museo Nazionale (ENP IV, S. 72, Nr. 23a), Amsterdam, Rijksmuseum (ENP IV, S. 72, Nr. 23f), und ehemals Cincinnati, Art Museum; die Kopie in
Gent, Musee des Beaux-Arts, zeigt den gleichen Figurenausschnitt, ebenfalls vor Goldgrund. Die
Darstellung des Kreuzstammes hinter den Figuren scheint ebenso wie der Landschaftshintergrund
erst durch die späteren Kopien eingeführt worden zu sein.
168
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
des Oxforder Fragmentes und der Kopien - von »vollen Klängen«30 bestimmt
gewesen zu sein; zumindest scheinen weder bei den Inkarnaten noch bei den
Gewändern der Figuren die Farben in der für die späteren Werke so kennzeichnenden Weise durch Weiß oder Grau gebrochen gewesen zu sein.
Im ursprünglichen Zustand muß van der Goes' Formulierung der »Großen
Kreuzabnahme« also die Wirkung eines vergoldeten Altarschreins mit farbig
gefaßten Figuren gehabt haben. Dies weckt unmittelbar die Erinnerung an die
wohl berühmteste Darstellung der Kreuzabnahme der altniederländischen
Malerei, an Rogier van der Weydens Tafel in Madrid (Abb. 70)31. Uber das
Motiv des Altarschreins hinaus lassen sich aber mit der Darstellung des Leichnams Christi, der gerade vom Kreuz abgenommen worden ist und von Joseph
von Arimathia und Nikodemus mehr dem Betrachter als Maria vorgewiesen
wird, sowie mit der klagenden Maria Magdalena-1-2 deutlich weitere Parallelen
zwischen beiden Kompositionen aufzeigen: So betrachtet wirkt Hugos
»Große Kreuzabnahme« wie eine halbfigurige Reduktion der Madrider
Tafel33. Wohl bedingt durch das Halbfigurenformat mußte van der Goes aber
von der bei Rogier kompositionell und inhaltlich nahezu gleichwertigen Darstellung Christi und Mariens34 abgehen. Mit dem Motiv der sich ihrem toten
Sohn zuwendenden Gottesmutter griff er dabei auf Kompositionsschemata zu-
rück, die vor allem im Zusammenhang mit Grablegungsdarstellungen entwickelt worden waren35.
6. Die Datierung der »Großen Kreuzabnahme«
Die Feststellung der bewußten Bezugnahme auf Rogier van der Weydens
Madrider Kreuzabnahme durch van der Goes ist auch für den Versuch der zeit30 Arndt (1964), S. 7Of.
31 Madrid, Prado; ENP II, S. 60, Nr. 3, Tafel 6-7.
Im Gegensatz zur traditionellen Interpretation von Rogiers Kreuzabnahme als bildlicher Umsetzung eines Schnitzaltars mit farbig gefaßten Figuren wollte Rudolf Terner, Die Kreuzabnahme
Roger van der Weydens. Untersuchungen zu Ikonographie und Nachleben, Dissertation, Univer-
sität Münster 1973, Resüme; in: Münster 29 (1976), S. 64f: »... vielmehr ein in Malerei umgesetztes
Flochrelief [sehen; JS], das durch die Tournaiser >steles funeraires< angeregt wurde.« Im Hinblick
auf die deutlich »freiplastische« Artikulation der Figuren innerhalb des sie räumlich umfassenden
Schreines ist allerdings ein Festhalten an der Interpretation als Schnitzaltar vorzuziehen.
32 Der Figur der Maria Magdalena am rechten Bildrand der »Großen Kreuzabnahme« entspricht bei
Rogier die Frauengestalt am linken Bildrand hinter Johannes.
33 Ob Rogier möglicherweise selbst als Schöpfer einer halbfigurigen Kreuzabnahme zu gelten hat,
ist in der Forschung umstritten; s. o. S. 153, Anm. 34.
34 Otto von Simson, »Compassio« and »Co-Redemptio« in Rogier van der Weyden's »Descent from
the Cross«; in: Art Bulletin 53 (1953), S. 9-16.
35 Man vergleiche in diesem Zusammenhang etwa das sogenannte Seilern-Triptychon mit der Grable-
gung Christi des Meisters von Flemalle, London, Courtauld Institute Galleries (ENP II, S. 91,
Die Datierung der »Großen Kreuzabnahme«
169
Abb. 70 Rogier van der Weyden, Kreuzabnahme, Madrid, Museo del Prado
liehen Ansetzung der »Großen Kreuzabnahme« von Bedeutung. Durch das
Altarschrein-Motiv wird den Figuren bei Rogier wie bei Hugo nur eine vergleichsweise schmale Raumbühne zugewiesen, deren Begrenzung vorne durch
die Bildfläche selbst36, an den Seiten und hinten durch die Profilierung des
Schreins nachdrücklich betont wird. Gerade angesichts dieser prinzipiell verwandten Disposition des Bildraumes ist es nun aufschlußreich zu beobachten,
Add. 147, Tafel 141), oder Dirk Bouts' Tüchleindarstellung der Grablegung, London, National
Gallery (ENP III, S. 59, Nr. 3, Tafel 7).
36 Bei Rogiers Madrider Tafel wird sie zusätzlich noch durch die Maßwerkblenden in den Zwickeln
betont, die sich bereits auf der Ebene der Bildfläche befinden.
170
Das Tüchlein-Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford
wie jeweils die Figuren in diesen Raum und zueinander gestellt werden.
Rogiers Figuren sind - in E. Panofskys (1953),7 treffender Beschreibung »... restricted to a stratified relief space... and unified by a pervasive rhythm of
dynamic curves either interflowing (as in the continuous line that runs from the right
Shoulder of the Joseph of Arimathia through the Body into the left arm of the Nicodemus), or symmetrically corresponding (as in the 'parenthese' formed by the St. John
and the Magdalen), or echoing each other in the figures of the Mater Dolorosa and
the dead Christ...«
Demgegenüber entwickelt Hugos »Große Kreuzabnahme« (die Analyse stützt
sich hier vor allem auf die getreue Wiener Zeichnung) eine wesentlich stärkere
Räumlichkeit - obwohl doch die Umsetzung der Komposition ins Halbfigurenformat wie auch die bildparallele Präsentation des Leichnams Christi eher
das Gegenteil begünstigen sollte. Die räumliche Entfaltung seiner Komposition erreicht Hugo vor allem durch die konsequente, diagonal zugleich in die
Höhe wie in die Bildtiefe führende Staffelung der Figuren. So erschließen
Joseph von Arimathia und Nikodemus ebenso durch ihre Körperwendung in
den Bildraum hinein wie auch durch ihre deutliche Aufstellung vor bzw. hinter dem Leichnam Christi - und damit von vorne rechts nach hinten links in
die Tiefe führend - die Raumzone des Schreines. In dem so entstandenen
Raumabschnitt rechts hinter der Dreiergruppe von Leichnam und Trägern
schließen sich die Figuren Mariens und des Lieblingsjüngers an, die durch ihre
Körperwendung ebenfalls den Eindruck von Räumlichkeit verstärken. Die
Klagende am rechten Bildrand schließlich nimmt den verbleibenden Raum
hinter Maria in der Ecke des Schreins ein und bildet zugleich ein kompositionelles Gegengewicht zur Figur des Trägers ganz links.
Neben der Figurenanordnung auf in die Raumtiefe führenden Diagonallinien sind es also vor allem die Figuren selbst, die - groß und schwer gebildet - durch ihre Schrägstellung den Bildraum erschließen und beherrschen.
Gerade im Vergleich mit der Bild- und Figurengestaltung der in sehr viel stärkerem Maße flächenorientierten »Kleinen Kreuzabnahme« (von uns um 1480
datiert; Tafeln 26-27) ist Arndts Anschluß der »Großen Kreuzabnahme« an
die Flügel des Portinari-Altars (Tafel 5) und die in Edinburgh (Tafeln 8-11)
überzeugend38. Die Parallelen mit diesen beiden Werken umfassen darüberhinaus aber auch Typenbildung und Farbwirkung39. So ist der Kopf Christi
sowohl in Bildung wie verhaltenem Ausdruck demjenigen der Edinburgher
Tafeln sehr viel näher als dem von Todesqualen gezeichneten Antlitz Christi
der »Kleinen Kreuzabnahme«. Für den Kopf Maria Magdalenens wiederum
37 Panofsky (1953), S. 258.
38 Arndt (1964), S. 70-73.
39 A.a.O., S .70.
Die Datierung der »Großen Kreuzabnahme«
171
finden sich mit der Darstellung der gleichen Heiligen auf dem rechten Innenflügel des Portinari-Altars wie auch mit der Klagenden der Wiener Beweinung
verwandte Typenbildungen. Mit der Wiener Beweinung (Tafel 19) verbindet
die »Große Kreuzabnahme« aber nicht nur die Kopftypik der Magdalena.
Neben dem verwandten Kompositionsprinzip der diagonalen Figurenanordnung40 findet sich mit Nikodemus, der den Oberkörper Christi stützt, eine
Gestalt, deren portraitähnliche Physiognomie mit der der Wiener »Stifterfigur« aufs engste verwandt ist - man vergleiche die kleinen, eng beieinander
stehenden Augen, die große Nase, vor allem auch das große, schwere Kinn.
Während aber bei der Wiener Beweinung diese Figur durch ihre stärkere, auch
kompositionelle Hervorhebung und vor allem durch den Zusammenhang mit
der sekundär eingefügten Klagenden am rechten Bildrand hypothetisch als
Stifter angesprochen werden konnte, gibt es dafür - abgesehen von der auch
hier auffällig individualisierten Physiognomie und der zeitgenössischen Tracht
- bei der »Großen Kreuzabnahme« keine unmittelbaren Anhaltspunkte. Wie
dem auch sei, ob hier eine individuelle Person gemeint ist, oder ob es sich
lediglich um einen mehrfach verwendeten Kopftypus41 handelt, die Beziehung zwischen »Großer Kreuzabnahme« und Wiener Beweinung ist unübersehbar. Innerhalb der Entwicklung van der Goes' scheint uns allerdings die
Wiener Beweinung in ihren Gestaltungsprinzipien bereits auf einer etwas jüngeren Stufe als das Tüchlein in Oxford zu stehen. Zusammenfassend läßt sich
also feststellen, daß die entscheidenden Anhaltspunkte für eine Datierung der
»Großen Kreuzabnahme« in der entsprechenden Bild- und Figurenauffassung
liegen, die auch die Florentiner und Edinburgher Flügel zeigen. Diese viel
kopierte Komposition Hugos, von der sich mit dem Oxforder Tüchlein zumindest ein Originalfragment erhalten hat, dürfte daher in den Jahren um
1475-77 entstanden sein.
Bei einem solchen Vergleich muß allerdings nachdrücklich betont werden, daß durch den wesentlich reduzierten Bildausschnitt der »Großen Kreuzabnahme« die diagonale Figurenanordnung in
viel geringerem Maße zur Rückbindung an die Bildfläche führt als dies in Wien durch die hohe
Aufstaffelung der Figuren hinter Maria geschieht.
"t] Daß selbst bei hochgradig portraithaft wirkenden Köpfen nicht unbedingt eine Portraitstudie
»nach dem Leben« vorliegen muß, zeigt eindrucksvoll der Kopf des rechten der beiden Propheten
der Berliner Hirtenanbetung, der offensichtlich unmittelbar Martin Schongauers frühem Kupferstich der Peinigung des Antonius durch Dämonen entnommen wurde; vergl. u. S. 215.
172
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
VIII. »... coram imagine Virginis Marie in Sole«: Die Tüchlein-Madonnen
in Kassel und Pavia
i. Das Tüchleinbild in Kassel
Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel auf Schloß Wilhelmshöhe beherbergt das Tüchlein mit der Darstellung der Madonna lactans
(Tafel 29, Abb. 71)1. Hinter einer tuchbedeckten Brüstung erhebt sich vor
einer Landschaft die Dreiviertelfigur der ihr Kind nährenden Madonna. Maria
hält das Kind im linken Arm, während sie ihm mit der Rechten die Brust gibt.
Ihr Kopf ist leicht nach rechts geneigt, ihr Blick auf das Kind gerichtet. Die
Bekleidung der Madonna mit einem Untergewand, blauem, graupelzgefüttertem Gewand und blauem Umhang mit goldenem Ziersaum und Ornament
entspricht der Bildtradition. Das über die langen braunen Haare gelegte weiße
Kopftuch verhüllt zugleich die Brust. Das nackte Kind liegt auf einer weißen
Stoffwindel und dem von Maria hochgeschlagenen pelzgefütterten Gewand.
Das Haupt der Madonna hinterfängt ein einfacher Scheibennimbus, den des
Kindes ein roter Kreuznimbus mit einer dünnen, goldenen Einfassung.
Die Brüstung vor der Madonna ist mit einem roten, verschiedenfarbig gemusterten Tuch bedeckt. Auf den Zierstreifen erscheinen die auf die nährende
Gottesmutter bezogenen Worte »LACTASTI SACRO VBERE«2. Die Landschaft hinter den Figuren wird durch einen sich durch buschbestandene Wiesen in die Bildtiefe schlängelnden Weg erschlossen. Links von Maria erhebt
sich im Mittelgrund eine schroffe, baumbestandene Felsformation, während
im Hintergrund ein locker bewaldeter Berghang nach links hin ansteigt. Auf
der rechten Seite der Figurengruppe endet der mäandernde Weg an einem
offenen Wasser, dessen jenseitiges Ufer von einer hohen Gebirgskette begrenzt
wird. Der Farbeindruck der Landschaft wird insbesondere im Mittel- und
Hintergrund von türkisfarbenen und bläulichen Farbtönen bestimmt. Der
blaue Himmel ist durch weißkonturierte Wolkenformationen und einige Vögel
belebt.
' Kassel, Staatliche Kunstsammlungen, Gemäldegalerie Alter Meister, Inv. Nr. GK 1; Leinwand,
49,5 x 32,5 cm; Vogel (1958), S. 64; Vandenbroeck (1982), S. 50, Nr. 46; Wolfthal (1989), S. 34-36,
44f, Nr. 19.
2 »Du hast mich mit deiner heiligen Brust genährt.«
Das Tüchleinbild in Kassel
173
Abb. 71 Goes-Werkstatt und Sebastiano
Mainardi(P), Madonna mit Kind, Kassel,
Staatliche Kunstsammlungen
1. Zur Forschungsgeschichte
Das Kasseler Tüchlein kam, als italienische Arbeit geltend, im Jahre 1898 mit
der Sammlung H. Lempertz sen. in Köln zur Versteigerung3. Es wurde von
O. Eisenmann für die Gemäldegalerie Kassel erworben und als Werk des Hugo
van der Goes identifiziert4. In der Folge sollte allerdings die Frage der Eigenhändigkeit gerade im Hinblick auf den Erhaltungszustand5 kontrovers diskutiert werden. M. J. Friedländer (1904, 1921)6 war der erste, der im Kasseler
Tüchlein zwar den »Stil des van der Goes«7 zu erkennen glaubte, die Ausführung selbst aber einer anderen Hand zuwies. Er fand für diese Meinung in der
" Erich Herzog, Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Hanau 1969, S. 80.
4 Otto Eisenmann, Kurzes Verzeichnis der Gemälde in der Königlichen Galerie zu Cassel, Cassel
1 ^ 1899, S. 5; die Zuschreibung an van der Goes erfolgte auch in allen nachfolgenden Katalogen der
Gemäldegalerie.
D Vogel (1958), S. 64, beschrieb das Tüchlein nicht nur als »beschädigt«, sondern auch als »unvoll-
endet«; für eine detaillierte Diskussion des Zustandes des Stückes s. u. S. 175f.
6 Friedländer (1904), S. 112; derselbe (1921), S. 312.
Friedländer folgten mit dieser Einschätzung: Winkler (1924), S. 107; derselbe (1964), S. 80, 85;
Oettinger (1938), S. 5913; Schöne (1938), S. 821.
Friedländer (1904), S. 112.
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
174
nachfolgenden Forschung ebenso Zustimmung wie J. Destree (1914)8, der das
Stück erstmals in die Goes-Literatur als eigenhändiges Werk aus Hugos früher
Schaffenszeit einführte.
Im Jahre 1957 wurden umfangreiche Sicherungs- und Restaurierungsmaßnahmen an dem Bild notwendig9. Die dünne Leinwand war vermutlich gegen
Ende des 18. oder zu Anfang des 19. Jahrhunderts zur Stabilisierung flächig
auf eine Pappelholztafel aufgeklebt worden. Ein intensiver Wurmbefall des
Holzes führte zu zahlreichen partiellen Zerstörungen auch der Originalleinwand und der Malschicht, so daß man sich zur Abnahme des Tüchleins entschloß. Da es nicht möglich war, die Verklebung zu lösen, ohne erhebliche
Schäden am Leinwandbild selbst zu verursachen, wurde die Holztafel schichtweise von hinten abgetragen und das Tüchlein anschließend auf eine neue
Trägerleinwand übertragen. Eine Sicherung der Malerei schloß sich an, verbunden mit der Abnahme moderner Übermalungen. Nach dieser durchgreifenden Restaurierung beschäftigte sich K. Arndt (1961, 1964)10 erneut ausführlicher mit dem Stück und seiner Stellung im Werk van der Goes'. Auch
er beantwortete die Frage nach der Eigenhändigkeit des Tüchleins positiv.
Unter Hinweis auf die engen Parallelen in der Figurengestaltung zum Portinari-Altar (Tafel 5, Abb. 97) datierte er das Stück in die Jahre 1473—7511.
Arndt wies auch erstmals auf die in der niederländischen Malerei neuartige
Darstellung der Madonna als Dreiviertelfigur hinter einer Brüstung und vor
einem Landschaftsausblick hin12. Er sah darin eine Anlehnung an italienische Bildtypen, wie sie etwa im Werk des Giovanni Bellmi seit den 1460er Jah-
ren vorkommen, möglicherweise bedingt durch einen italienischen Auftraggeber:
»So wäre die Kasseler Madonna... eine eigentümliche, Italienisches mit Niederländischem verschmelzende Leistung im Oeuvre des Genter Meisters...«13
Bevor wir uns aber mit möglichen Vorbildkreisen für die spezifische Formu-
8 Destree (1914), S. 128f, 211. Noch 1912 hatte er das Kasseler Tüchlein Justus van Gent zugeschrieben: derselbe (1912), S. 161-174, 18 (1912), S. 10.
Der Ansicht Destrees schlössen sich an: Pfister (1923), S. 12, 25; Friedländer (1926), S. 41, 124;
Lavalleye (1962), S. 38f.
9 Der Restaurierungsbericht von Frau S. von Reden ist Teil der Kasseler Bildakte. Für die Möglichkeit, in dieses Material Einsicht zu nehmen, bin ich dem Kasseler Chefrestaurator, Herrn H. Brammer, dankbar.
10 Arndt (1961), S. 16463; derselbe (1964), S. 77-79.
11 Arndt (1964), S. 78; so zuvor schon Kurt Luthmer, Staatliche Gemäldegalerie zu Kassel. Kurzes
Verzeichnis, Kassel o. J. (1934?), o. S. ; 1961 hatte Arndt, S. 16463, noch an einen Anschluß des
Kasseler Tüchleins an die Spätwerke gedacht.
12 Arndt (1964), S. 78f.
13 A. a. O.
Das Tüchleinbild in Kassel
175
lierung der Kasseler Madonna beschäftigen, soll zunächst nochmals das Tüch-
lein selbst im Hinblick auf seinen Erhaltungszustand betrachtet werden.
2. Bestand und Zustand. Das Ergebnis der Autopsie
Die originale Stoffkante der 49,5 x 32,5 cm messenden Leinwand14 ist an keiner Seite erhalten, doch zeigen die an allen vier Stoffrändern mehr oder minder deutlich sichtbaren Spanngirlanden des Gewebes, daß das Bild ursprünglich nicht wesentlich größer gewesen sein kann. Bei näherer Betrachtung fällt
der sehr ungleiche Erhaltungszustand der Malerei auf. Die mit Bleiweiß aus-
gemischten Farbpartien sind, trotz starker Abreibungen auf den Leinwandknoten, für eine Tüchleinmalerei vergleichsweise gut erhalten. Wesentlich
stärker von Farbverlust betroffen sind die in Blautönen ausgeführten Gewänder Mariens; hier fehlt heute jeglicher modellierender Farbaufbau. Landschaft
und Himmel sind - ebenso wie die tuchbedeckte Brüstung vorne - seitlich und
oben in den Bildecken gut erhalten, während eine kurvig begrenzte Partie um
Schultern und Haupt Mariens durch Farbverlust sehr stark beeinträchtigt, z.T.
sogar bis auf die Leinwand abgerieben ist. Auffällig ist auch die unterschiedliche Sorgfalt des Farbauftrags zwischen der Figurengruppe einerseits, der Brüstung und Landschaft sowie dem Himmel andererseits. Während die Figuren
mit vertriebenen Farben, auf deren Oberfläche der Pinselduktus nicht mehr
zu erkennen ist, ganz in der von den Werken van der Goes' vertrauten Weise
ausgeführt sind, findet sich in den übrigen Bildabschnitten eine davon gänzlich abweichende Färb- und Oberflächenbehandlung: Die mit breiten Pinselstrichen großflächig und derb angelegten Farbpartien des sich durch die Wiese
ziehenden Weges, die flüchtig ausgeführten und unregelmäßig begrenzten
Farbflächen des Tuches auf der Brüstung, oder auch die deutlichen Pinselspuren im Farbaufbau des Himmels sind bei keinem gesicherten Werk Hugos
wiederzufinden.
Diese Unterschiede in der Ausführung des Farbauftrages sind mit einem
Hinweis auf den im Vergleich zu Tafelbildern vergleichsweise schlechten, zudem noch äußerst ungleichen Erhaltungszustand des Tüchleins allem nicht zu
erklären. Auch für die koloristischen und maitechnischen Eigentümlichkeiten
insbesondere der Landschaft in Mittel- und Hintergrund lassen sich aus dem
Erhaltungszustand keine Erklärungen ableiten; auch für sie gibt es keine Paral-
lele in Hugos Werk. Es handelt sich dabei um helltürkisfarbene Berghänge,
die mit dunkeltürkisfarbenen Bäumen oder Buschgruppen bestanden sind.
Diese wiederum sind in außerordentlich charakteristischer Weise mit hell1 Das Gewebe weist ca. 21 x 25 Fäden pro Quadratzentimeter auf.
176
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
grün-weißlichen Farbtupfen versehen, was eine nur sehr bedingt differenzierte
Oberflächengestaltung zur Folge hat.
3. Die Madonna auf der Mondsichel - der ursprüngliche Zustand des
Kasseler Tüchleins
Bei der stereomikroskopischen Betrachtung des Tüchleins wurde ebenso wie
am Infrarot-Befund (Abb. 72) deutlich, daß Brüstung, Landschaft und Himmel
einer sekundären Farbschicht zugehören, die die originale Konzeption des Bildes radikal veränderte15. Wie noch zu zeigen sein wird, erklärt dieser von
anderer Hand ausgeführte Eingriff die unterschiedliche Sorgfalt in der Ausführung von Figuren und Hintergrund ebenso wie den unterschiedlichen Erhaltungszustand der Malerei. Im ursprünglichen Zustand16 zeigte das Kasseler
Tüchlein Maria mit dem Kind im ikonographischen Formular einer Mondsichelmadonna, die sich vor wohl strahlenförmig rot gelüstertem Goldgrund
über einer silberfarbenen Mondsichel erhob und ringsum von Wolkenbän-
dern eingefaßt war. Inkarnate und Gewandung von Maria und Kind sowie die
rahmenden Wolkenbänder wurden in Tempera auf ungrundierter Leinwand
ausgeführt; für den in Blattgold ausgeführten Hintergrund und für die blattsilberne Mondsichel hingegen wurde die Leinwand dünn grundiert. Obwohl
vor der Übermalung alle davon betroffenen Bildpartien durchgehend dünn
grundiert wurden, ist der Erhaltungszustand der Farbschicht dieses nachträglichen Eingriffs sehr unterschiedlich: Während die Farbe von Landschaft und
Himmel im Bereich des ursprünglichen, blattgoldenen Hintergrundes nur
bruchstückhaft erhalten ist17, haftete die Übermalung auf dem Blattsilber der
Mondsichel und auf der Farbschicht der Wolken wesentlich besser, entsprechend geringer sind hier die Farbverluste.
Analysieren wir zunächst den Originalzustand des Kasseler Tüchleins, soweit sich dieser rekonstruieren läßt. Die blattsilberne Mondsichel, über der
sich die Marienfigur erhob, ruhte ihrerseits auf graublauen Wolkenbändern.
15 Dr. W. Adler und Dr. B. Schnackenburg, Kassel, ist für die Ermöglichung der gemäldetechnologischen Untersuchungen zu danken.
Dem Leiter der Restaurierungswerkstatt der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Herrn
H. Brammer, möchte ich für deren Durchführung ebenso herzlich danken, wie für die geduldige
und kompetente Einführung in die Probleme der gemäldetechnologischen Untersuchungsmethoden und die Diskussion von Einzelfragen.
16 Die ursprüngliche Konzeption des Kasseler Tüchleins als Mondsichelmadonna wird auch an den
Infrarot-Reflektographien deutlich.
17 Die starken Farbverluste in diesem Bereich werden kennzeichnenderweise scharf vom kurvigen
seitlichen und oberen Abschluß der Vergoldung zu den in Blau und Grau ausgeführten Wolkenbändern der ursprünglichen Bildfassung hin begrenzt.
Das Tüchleinbild in Kassel
177
Abb. 72 Goes-Werkstatt und Sebastiano Mainardi(P), Madonna mit Kind, InfrarotReflektographie, Mondsichel, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
Die Mondsichelmadonna im sogenannten »Stundenbuch der Maria von Burgund« in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien (Abb. 73)1S zeigt,
wie man sich die Darstellung der die Mondsichel tragenden Wolkenbänder
auch des Kasseler Tüchleins vorzustellen hat. Abweichend vom Beispiel dieser
Miniatur füllten in unserem Bild die Wolken allerdings auch die beiden oberen
Bildecken, wobei der Kontur der Wolkenbänder zum blattgoldenen Himmel
hin weitläufiger gekurvt war. Hierfür liefert uns die Mondsichelmadonna
eines niederländischen Malers vom Ende des 15. Jahrhunderts im Kunsthistorischen Museum in Wien (Abb. 74)19 das nächste Vergleichsbeispiel. Diese
Tafel folgt in ihrer Figurengestaltung im Typus wie im Stil der Lukas-Madonna
18 Wien, Österreichischen Nationalbibliothek, Cod. 1857, f. 24r; Gebetbuch Karls des Kühnen
(1969).
19 Wien, Kunsthistorisches Museum; Inv. Nr. 634a; Eiche, 43,0 x 30,0 cm; Flämische Malerei von
Jan van Eyck bis Pieter Bruegel d. Ä. (Wien 1981), S. 24lf; ENP II, S. 84f, Nr. 108f.
178
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
Abb. 73 Stundenbuch der Maria von Burgund, Mondsichelmadonna, Wien, Osterreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. 1857, fol. 24 recto
Abb. 74 Niederländischer Meister vom
Ende des 15. Jahrhunderts, Mondsichelmadonna, Wien, Kunsthistorisches Museum
Rogier van der Weydens (Abb. 47)20, die auch der Ausgangspunkt für die Formulierung der Kasseler Figurengruppe gewesen sein dürfte. Im Hinblick auf
das Bildformular der Mondsichelmadonna ist sie aber unzweifelhaft von der
Goesschen Bildgestaltung abhängig, wie sie uns in Kassel überliefert ist. Die
Gestaltung eines hochovalen Bildausschnitts für die Halbfigur der Madonna
durch die rahmenden Wolken wurde beim Kasseler Bild noch wesentlich betont
durch das Kreissegment des oberen Mondsichelabschlusses. Die blattsilberne
Mondsichel21 reichte ursprünglich mit ihren beiden Spitzen bis in die Höhe
des Handgelenks der Rechten Mariens hinauf (Tafel 30), umschloß also das untere
Drittel der Marienfigur22. Von späteren Veränderungen ist im wesentlichen nur
20 Eisler (1961), S. 71-93; Vos (1971), S. 123-131.
21 Die spektralanalytische Untersuchung einer Pigmentprobe der Mondsichel durch Prof. Dr.
E. L. Richter am Institut für Technologie der Malerei an der Staatlichen Akademie der bildenden
Künste, Stuttgart, erbrachte den Befund, daß es sich bei der Metallauflage der Mondsichel zweifelsfrei um Silber handelt. Das Silber ist mit Kupfer legiert und weist darüberhinaus noch einen merklichen Goldanteil auf (briefliche Mitteilung von Prof. Dr. E. L. Richter an den Leiter der Restaurierungswerkstatt der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel, Herrn H. Brammer, vom 29. 5. 1984).
11 Über die Frage, ob die Kasseler Tüchleinmadonna (gleiches gilt für das Stück in Pavia) für sich
Das Tüchleinbild in Kassel
179
die Figurengruppe verschont geblieben. Im Zuge der Übermalung der Mondsichel, des Goldgrundes und der Wolken wurde lediglich der seitliche Kontur
der Marienfigur dort massiv ausgestellt, wo Abschnitte der Mondsichel und
der Wolken zu überdecken waren23.
4. Ghirlandaio und Ramboux: Die spätere Geschichte des Kasseler Tüchleins
Betrachten wir nun die nachfolgende Geschichte des Kasseler Tüchleins und
seiner Veränderungen, soweit sie sich am Bild selbst ablesen lassen. Das Tüchlein muß relativ rasch nach seiner Entstehung24 nach Italien gelangt sein, möglicherweise bedingt durch einen italienischen Auftraggeber. Der Stil der Landschaftsdarstellung, Einzelformen wie Koloristik und Duktus des Farbauftrags
deuten auf einen italienischen Maler, der die radikale Umwandlung des Bildes
von einer Mondsichelmadonna zu einer Madonna hinter einer Brüstung und
vor einem Landschaftsausblick wohl bald vor 1500 ausführte. Und in der Tat
läßt sich sowohl für das Bildformular als auch für die Detailgestaltung der Hinzufügungen eine Gruppe engstens verwandter Werke eines Malers
aus dem Umkreis des Domenico Ghirlandaio finden. In unserem Zusammen-
hang besonders aufschlußreich ist der Vergleich mit zwei Madonnenbildern
dieses Malers im Musee des Beaux-Arts in Lille25 und in der National Gallery
in London (Abb. 75)26.
allein bestand, oder möglicherweise Flügel eines Diptychons war, läßt sich nur spekulieren. Weder
die Komposition noch materielle Gegebenheiten des Bildträgers lassen eine solche Erweiterung notwendig erscheinen.
Andererseits hat sich in der Sammlung Bearsted in Upton House, Banbury, der rechte Flügel eines
Diptychons erhalten, der die Halbfiguren Kaiser Augustus' und der tiburtinischen Sibylle zeigt
und der im Stil deutlich von Werken van der Goes' abhängt (Holz, 29,1 x 21,5 cm, oben halbrund
geschlossen; ENP III, S. 74, Nr. 31, Tafel 41). Als Wiedergabe der himmlischen Erscheinung,
die die Sibylle dem Kaiser weist, käme durchaus eine halbfigurige Mondsichelmadonna in Frage
(man vergleiche in diesem Zusammenhang auch das von Eisler [1961], S. 101-107, rekonstruierte
Diptychon des Meisters der Ursula-Legende, Madonna mit Kind und Engeln [Cambridge, Mass.,
Harvard University, Fogg Art Museum] und Ludovico [?] Portinari [Philadelphia, John G. Johnson
Collection], s. u. S. 192, Anm. 56).
23 Das Pigment dieser sekundären Erweiterung des Gewandes ist deutlich vom Azurit zu unterscheiden, mit welchem die blauen Originalpartien ausgeführt worden sind. Lediglich eine grobe Übermalung in Blau über der Windel des Kindes unterhalb seiner Füße und parallel zum Umhangkontur Mariens ist einem verändernden Eingriff in die Figurendarstellung zuzuweisen, der noch später
als die Ubermalung der Mondsichel zu datieren ist.
24 Für die Diskussion der Fragen nach Eigenhändigkeit und Datierung s. u. S. 190-196.
23 Lille, Musee des Beaux-Arts, Inv. Nr. P 779; Holz, 60,0 x 33,0 cm; Cent Chefs-d'Oeuvre du Musee
de Lille (Lille 1970), S. 44, Abb. S. 45. Für den Hinweis auf das Bild bin ich Bodo Brinkmann,
Berlin, zu Dank verpflichtet.
26 London, National Gallery, Inv. Nr. 3937; Holz 89,0 x 58,0 cm; Davies (1951), S. 172.
180
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
Abb. 75 Sebastiano Mainardi (?),
Madonna mit dem Kind, London,
National Gallery
Beide Bilder zeigen wie das Kasseler Bild die Madonna hinter einer Brü-
stung, die mit einem dunkelroten, von zahlreichen parallelen Zierstreifen durch-
wirkten und bestickten Stoff bedeckt ist. Auf beiden Bildern wird wie in Kassel der kahle Mittelgrund von einem sich in die Tiefe windenden Weg erschlossen und seitlich von einigen hochstämmigen Bäumen begrenzt. Den Bildhintergrund bestimmt ein Gewässer, an dessen Ufer sich erst sanft ansteigende
Berghänge, dahinter hohe Gebirgsketten erheben. Beide Bilder zeigen einen
von Kassel her bereits bekannten, streifigen Aufbau des zum Zenith hin zunehmend blauer werdenden Himmels, den einige weißkonturierte Wolkenformationen beleben. Die koloristische Gestaltung der Landschaft, in der Türkis
und bläuliches Grün vorherrschen, stimmt bei allen drei Bildern ebenso überein wie die Gestaltung der Einzelformen, etwa der Baumkronen und Buschgruppen. Sie zeigen die von Kassel wohlvertrauten türkisfarbenen Grundformen, denen mit kaum grün abgetönten Weißhöhungen die Angaben für Laubwerk aufgesetzt sind. Übereinstimmend ist des weiteren die Gestaltung des
perspektivisch verkürzten Scheibennimbus' des Kindes mit dünner goldener
Außenkontur und eingeschriebenen roten Kreuzbalken2 wie auch das in Gold
ausgeführte Ornament auf dem Umhang Mariens.
Das Tüchleinbild in Kassel
181
Angesichts dieser außergewöhnlich engen Verwandtschaft der Bilder unter-
einander kann kaum ein Zweifel bestehen, daß das Kasseler Tüchlein vom Meister
der Liller und Londoner Marienbilder übermalt worden ist. Über die Identität
dieses Meisters gehen die Forschungsmeinungen allerdings auseinander. Tradi-
tionell als Ghirlandaio-Schüler und -Schwager Sebastiano Mainardi identifi-
ziert28, wird man heute, angesichts der äußerst schmalen Basis für eine sichere
Zuweisung erhaltener Arbeiten an Mainardi, eher die neutrale Umschreibung
eines Meisters aus dem Umkreis Domenico Ghirlandaios wählen29. Bedenkt
man, welch nachhaltigen Eindruck der 1483 in Florenz aufgestellte PortinariAltar (Tafel 5) gerade auf Domenico Ghirlandaio gemacht haben muß - seine
Hirtendarstellung in der Anbetung des Kindes auf dem 1485 datierten Altarbild der Sassetti-Kapelle in Sta. Trinita, Florenz (Abb. 76), ist deutlich von
Hugos Hirtenfiguren auf der Mitteltafel des Portinari-Altars beeinflußt30 -, so
zeigt die Ubermalung durch einen Maler aus Ghirlandaios engstem Umkreis
deutlich, wie selektiv die Aneignung bestimmter Charakteristika der Kunst
Hugos durch die italienische Kunst der Zeit erfolgte.
Verfolgen wir aber zunächst weiterhin die Geschichte des Kasseler Tüchleins, soweit sie sich, auch am Bild selbst, fassen läßt. Nach der durchgreifenden Umwandlung in eine kompositionell eher konventionelle Madonna lactans
hinter einer Brüstung und vor einer Landschaft verblieb das Bild vermutlich
in Italien, denn dort begegnet es uns historisch faßbar erstmals wieder in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts31. Bisher unbeachtet, befand sich auf dem
27 Maria wie das Kind hatten bereits in der Erstfassung einen Nimbus, der allerdings nur als eingetiefter Zirkelschlag die Köpfe hinterfing. Die weitgehende Farbauskratzung um das Haupt Mariens
folgt dieser Angabe des ursprünglichen Heiligenscheins.
28 B. C. K. , s. v. »Mainardi, Sebastiano di Bartolo«; in: Thieme-Becker, Bd. 23, Leipzig 1929,
S. 575-577; Marie (1931), S. 186-228.
29 Davies (1951), S. 253.
Die wichtigsten Zuschreibungen für das Bild in Lille: Marie (1931), S. 199, Abb. 133 (Mainardi);
Berenson (1963), Bd. 1, S. 75 (D. Ghirlandaio, »partly autograph«); Everett Fahy, Some Followers
of Domenico Ghirlandaio, New York-London 1976, S. 207 (Biagio dAntonio); Cent Chefs-
d'Oeuvre du Musee de Lille (Lille 1970), S. 44 (Mainardi).
Die wichtigsten Zuschreibungen für London: Marie (1931), S. 194, Abb. 127 (Mainardi); Davies
(1951), S. 172 (»Studio of Domenico Ghirlandaio«); Berenson (1963), S. 127 (Mainardi).
Eine - was die Figuren angeht, außerordentlich getreue (alte?) - Kopie des Kasseler Tüchleins, 1954
im Pariser Handel, orientiert sich offensichtlich bereits an der Neufassung des Bildes (Arndt [1964],
S. 7756; R. K. D. Neg. Nr. : L 21139): an die Stelle des offenen Landschaftsausblicks ist allerdings
ein geschlossener Gartenbezirk getreten, der zudem nur seitlich eines die Madonna hinterfangenden Ehrentuches sichtbar wird; die Figurengruppe selbst erhebt sich hinter einer steinernen Brü-
stung, auf der ein Teller und ein Zweig mit Früchten liegen.
30 Eve Borssok, Johannes Offerhaus, Francesco Sassetti and Ghirlandaio at Santa Trinita, Florence.
History and Legend in a Renaissance Chapel, Doornspijk 1981, S. 33-36.
11 Für nahezu alle erhaltenen altniederländischen Tüchlein läßt sich nachweisen, daß sie bis zum
19. Jahrhundert in Italien verwahrt wurden, wo die klimatischen Bedingungen für ihre Erhaltung
günstiger waren als im Norden.
182
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
Abb. 76 Domenico Ghirlandaio, Hirtenanbetung, Florenz, Sta. Trinita, Sassetti-Kapelle
1957 im Zuge der Restaurierung abgetragenen Pappelholzträger des Tüchleins
(Abb. 77) ein Besitzerstempel, der mit der Entfernung des Holzes verloren ging,
den aber die Detailvergrößerung einer Photographie der Rückseite des Holz-
trägers wieder bekannt und lesbar macht: »J. A. RAMBOUX« (Abb. 78).
Der aus Trier stammende Maler Johann Anton Ramboux-2 wandte sich
nach seiner Ausbildung im Pariser Atelier Davids mit seinem von 1816 bis 1822
währenden Italienaufenthalt dem Kreis der Narazener zu. Sein Interesse an der
»altchristlichen« und mittelalterlichen Kunst Italiens übertrug sich nach sei32 Hella Robeis, Ramboux' Leben und künstlerisches Schaffen; in: Johann Anton Ramboux. Maler
und Konservator 1790-1866. Gedächtnisausstellung im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln, Köln
28. Dezember 1966-26. Februar 1967, Köln 1966, S. 9-16.
Das Tüchleinbild in Kassel
Abb. 77 Goes-Werkstatt und Sebastiano
Mainardi(?), Madonna mit Kind, Rückseite
der heute entfernten Holztafel, auf die das
Tüchlein nachträglich aufgeklebt worden
Abb. 78 Goes-Werkstatt und Sebastiano
Mainardi(P), Madonna mit Kind, Ram-
boux-Siegel auf der heute entfernten Holztafel, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
war, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
Abb. 79 J. A. Ramboux, Trostspiegel in
den Widerwärtigkeiten des Lebens (1865),
Tafel 26
183
MANItRA r>; PIETR.O DI BG)/vi£ N ICO. SC VOL A SENESE
184
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
ner Rückkehr nach Deutschland auch auf die altdeutsche Kunst. 1832 bis 1842
bereiste Ramboux erneut Italien. Während dieses Aufenthaltes erwarb Ram-
boux seine bedeutende Sammlung italienischer Malerei des 14. bis 16. Jahrhunderts33, die er nach seiner Rückkehr aus Italien 1843, inzwischen zum
Konservator der Sammlung Wallraf berufen, im Kölner Museum ausstellte. 1862
veröffentlichte er einen Katalog seiner Sammlung34. Unter der Katalognummer 177 findet sich hier nun auch das Kasseler Bild35. Ramboux glaubte darin
ein Werk des Domenico Ragnioni in der »Manier des Pietro di Domenico«
erkennen zu können, das zugleich aber auch deutlich vom »Niederdeutschen
Styl der Eyckischen Schule« beeinflußt sein sollte. Nach eigener Angabe hatte
er das Stück in Siena erworben. Im Jahre 1865 erschien Ramboux' »Trostspiegel in den Widerwärtigkeiten des Lebens«36. Tafel 26 zeigt die Umzeichnung
des Kasseler Tüchleins mit der Bildunterschrift »MANIERA DI PIETRO
DI DOMENICO. SCUOLE SENESE« (Abb. 79) und beseitigt so jeden Zweifel an der Identität des Kasseler Tüchleins mit dem Bild in Ramboux' Sammlung. Nach dem Tod Ramboux' im Oktober 1866 gelangte seine Sammlung
in Köln bei J. M. Heberle/H. Lempertz zur Versteigerung. Der Auktionskatalog37 brachte unverändert die Angaben des Sammlungskataloges von 1862.
Bei gänzlich ausbleibender Nachfrage wurden die Bilder zu jedem Preis losgeschlagen, wobei H. Lempertz als Auktionator selbst eine Reihe von Werken
übernahm. Darunter muß auch das Tüchlein mit der Madonna lactans, Katalognummer 177, gewesen sein, denn 1898 kam es mit der Sammlung H. Lem-
33 Hans-Joachim Ziemke, Ramboux und die frühe italienische Kunst; in: Johann Anton Ramboux.
Maler und Konservator 1790-1866. Gedächtnisausstellung im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln,
Köln 28. Dezember 1966-26. Februar 1967, Köln 1966, S. 17-26.
34 Katalog der Gemälde alter italienischer Meister (1221-1640) in der Sammlung des Conservators
J. A. Ramboux, Cöln 1862.
35 A.a.O., S. 31, Nr. 177: »Domenico Ragnioni. 177. Maria, welche dem Christkinde die Brust reicht,
halbe Figur. Am Fusse desselben stehen die Worte: Lactasti sacro ubere. In der Manier des Pietro
di Domenico, wie dessen Bild in der Akademie zu Siena, die Anbetung der Hirten, beweist; dasselbe trägt den Niederdeutschen Styl der Eyckischen Schule an sich, wie dieses. Aus Siena. Leinen
auf Holz übertragen. l'7"h., l'6"'b.« (Höhe und Breite in »rheinischem Fussmaase«).
Das von Ramboux als Vergleichsbeispiel herangezogene Bild, das einzige von Pietro di Domenico
(Siena, 1457-1506?) signierte, gehört zu den vom Portinari-Altar beeinflußten Werken um Domenico Ghirlandaios Hirtenanbetung in Sta. Trinita, Florenz; vergl. Perkins, s. v. »Pietro di Domenico«; in: Thieme-Becker, Bd. 27, Leipzig 1933, S. 17f; Bernard Berenson, Italian Pictures of the
Renaissance. A List of the Principal Artists and Their Works with an Index of Places. Central Italian and North Italian Schools, Bd. 1, London 1968, S. 343, Bd. 2, Abb. 915.
36 Trostspiegel in den Widerwärtigkeiten des Lebens. Dreißig Marienbilder zur lauretanischen Litanei
nach Gemälden italienischer Meister des XIV-XVI Jahrhunderts aus der Privatsammlung des Conservators des Städtischen Museums zu Cöln J. A. Ramboux, o. O. (Köln), o. J. (1865), Tafel 26.
37 Catalog der nachgelassenen Kunst-Sammlungen des Herrn Johann Anton Ramboux, Conservator
des städtischen Museums in Cöln. Versteigerung zu Cöln am 23. Mai 1867 durch J. M. Heberle
(H. Lempertz), S. 33, Nr. 177.
Die Tüchlein-Madonna in Pavia
185
pertz in Köln erneut zur Versteigerung, wo es dann für Kassel angekauft
wurde38.
Bevor wir uns den Fragen nach Stil und Ikonographie, nach Eigenhändigkeit und Datierung der Kasseler Mondsichelmadonna zuwenden, soll zunächst
ein zweites Tüchlein in die Diskussion eingeführt werden. Es handelt sich bei
diesem Stück um das gleichfalls die Madonna mit dem Kind darstellende Leinwandbild des Museo Civico in Pavia, das - wie sich zeigen wird - aufs engste
mit dem Kasseler Bild zusammenhängt.
ii. Die Tüchlein-Madonna in Pavia
Das Paveser Bildj9 zeigt die Madonna, leicht nach links gewandt, als Halbfigur
(Tafel 31, Abb. 80). Ihr Haupt ist stark geneigt, ihr Blick auf das Kind gerichtet,
das sie mit beiden Händen vor ihrem Leib emporhält. Die Bekleidung Mariens
mit Untergewand, blauem, graupelzgefüttertem Kleid und gleichfarbenem Umhang stimmt mit der des Kasseler Bildes überein. Gleichfalls in Entsprechung
zur Kasseler Darstellung ruht das nackte Kind auf einer weißen Stoffwindel
und dem hochgeschlagenen, pelzgefütterten Kleid der Mutter. Die Haltung des
Kindes ist allerdings gänzlich anders aufgefaßt: Es sitzt stärker zur Mutter ge-
wandt, hält die Hände wie Schutz suchend zu ihr erhoben und wendet den
Kopf über die rechte Schulter zurück, um in Richtung des Betrachters aus dem
Bilde herauszuschauen. Ein oben halbkreisförmig geschlossener, partiell rot
gelüsterter Goldgrund hinterfängt die Figurengruppe, die sich über einem Kreissegment erhebt. Die so entstandenen Zwickel in den Bildecken weisen keine
Bemalung auf.
1. Ein Blick auf die Forschungsgeschichte
Das Paveser Tüchlein gelangte in den 1830er Jahren mit der Gemäldesammlung des Marchese Malaspina in das Museo Civico in Pavia. Hatte Malaspina
38 In der Sammlung H. Lempertz sen. läßt sich das Bild nicht mehr nachweisen, da alle Unterlagen,
die sich darauf bezogen haben könnten, im Zweiten Weltkrieg verlorengingen (briefliche Mitteilung von Herrn Dr. P. Wallraf, Kunsthaus Lempertz, Köln, vom 28. 5. 1984).
Eine nähere Bestimmung des auf der Rückseite der 1957 entfernten Pappelholztafel angebrachten,
teilweise abgerissenen Zettels mit dem Aufdruck »No.« und »Käufer« und der handschriftlichen
Aufschrift »100[...]« und Dr. Oh[...]« ist nicht möglich gewesen.
39 Pavia, Museo Civico, Pinacoteca Malaspina, Inv. Nr. 112; Leinwand, 40,5 x 27,0 cm; Pavia. Pinacoteca Malaspina (Pavia 1981), S. 219f; Vandenbroeck (1982), S. 52, Nr. 52; Wolfthal (1989), S. 34-36,
44, Nr. 8.
186
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
Abb. 80 Hugo van der Goes, Mondsichelmadonna, Pavia, Musei Civici,
Castello Visconteo
(1832/35) das Stück noch als Werk Martin Schongauers betrachtet, so wurde
es von R. Maiocchi (ca. 1900) versuchsweise der Schule des Hugo van der Goes
zugewiesen. In den Museumsinventaren wurde das Bild als Dirk Bouts
geführt40. 1937 wurde das Paveser Tüchlein von W. Schöne41 erstmals publiziert. Er sah darin die gute Kopie eines verlorenen Frühwerks van der Goes'.
Dieser Einschätzung schlössen sich im folgenden auch K. Oettinger (1938),
J. Lavalleye (1962) und F. Winkler (1964)42 an. Ohne Bezug auf Schöne oder
Oettinger zu nehmen, veröffentlichte R. Longhi (1950)43 das Stück als Originalwerk Hugos aus der Zeit um 1473. Auch diese Neubewertung sollte nachfolgend ihre Anhänger finden44.
40 Pavia. Pinacoteca Malaspina (Pavia 1981), S. 219f.
41 Schöne (1937), S. 166f.
42 Oettinger (1938), S. 5913; Lavalleye (1962), S. 77; Winkler (1964), S. 80-82.
43 Longhi (1950), S. 14-16.
44 J. G. van Gelder, »Fiamminghi e Italia« at Bruges, Venice and Rome; in: Burlington Magazine 93
(1951), S. 327; Arndt (1964), S. 79f; ENP IV, S. 87, Add. 137, Tafel 113.
Die Tüchlein-Madonna in Pavia
187
2. Das Bild im Augenschein
Das Tüchlein der Pinacoteca Malaspina ist auf einer wesentlich gröberen Leinwand gemalt als das Kasseler Bild (Tafel 29). Kett- und Schußfäden sind nicht
nur stärker, sie sind - im Gegensatz zu Kassel - auch in der jeweiligen Faden-
stärke nicht gleichbleibend, sodaß die Stoffstruktur den Gesamteindruck in
Pavia wesentlich stärker mitbestimmt45. Die 40,5 x 27,0 cm messende, nahezu
unbeschädigte Leinwand zeigt an allen vier Seiten mehr oder weniger deutlich
ausgeprägte Spanngirlanden, wird also bestenfalls unwesentlich beschnitten sein.
Eine Reihe von Löchern an der unteren Stoffkante dürfte von späteren Montierungen des Tüchleins stammen; sie gehören zweifellos nicht zur Originalfixierung des Bildträgers vor der Bemalung. Die Leinwand ist heute doubliert und
zum Schutz der um den neuen Keilrahmen gelegten Originalleinwand in einen
dünnen hölzernen Rahmen eingelassen. Daher ist an keiner Stelle die erhaltene Gewebekante des Tüchleins selbst zu sehen46.
Ist der Erhaltungszustand der Leinwand als außergewöhnlich gut zu bezeichnen, so zeigt der Erhaltungszustand der Malerei ein sehr disparates Bild47. Die
mit Weiß ausgemischten, auf die ungrundierte Leinwand aufgetragenen Inkarnatund Gewandpartien sind hervorragend erhalten, die feinen Modellierungen mit
Schattenangaben und Höhungen weitgehend unverletzt. Die wenigen und engbegrenzten Retuschen - vor allem an der Schulterpartie des Kindes sowie an
seiner linken Stirn und Wange - sind sowohl durch ihre altersbedingte farbliche Veränderung als auch durch ihre im Vergleich zur Originalfarbe wesentlich fettere Konsistenz leicht auszumachen. Sie nivellieren das ansonsten klar
erkennbare Gewebe der Kett- und Schußfäden. Die Erhaltung der blaufarbenen Mariengewänder ist im Vergleich zu den Inkarnaten weniger gut. Zwar
haben sich hier, anders als in Kassel, etwa auf der linken Schulter der Madonna
im Umhang noch deutlich die dunkleren Farblasuren zur Schattenangabe und
Modellierung erhalten, aber insbesondere im Blau des hochgerafften Gewandes unter dem Kinderkörper sind zahlreiche, flächige Retuschen zu erkennen.
Die Vergoldung des Flintergrundes, partiell rot gelüstert, hinterfängt glorienförmig die Figurengruppe. Die so entstandenen Zwickel zeigen die bräunlichgrau verfärbte Leinwand, ohne daß mit bloßem Auge zunächst irgendwelche
Farbreste erkennbar wären. Bei näherer Betrachtung dieser Leinwandpartien
43 Das Gewebe weist ca. 19 Schußfäden(P) zu 23 Kettfäden(P) pro Quadratzentimeter auf.
46 Das Bild wurde 1934 in Mailand restauriert (freundliche Mitteilung der Direktorin des Museo
Civico, Frau Dr. D. Vicini, Pavia); auf diese Maßnahme, die durch keinen Restaurierungsbericht
dokumentiert ist, dürfte die Doublierung ebenso wie die diversen Retuschen zurückgehen.
47 Das Tüchlein ist glücklicherweise dem Schicksal entgangen, mit Firnis überzogen zu werden. Zu
den Folgen dieser Maßnahme, der fast alle erhaltenen altniederländischen Tüchleinmalereien zum
Opfer gefallen sind, ausführlich im Zusammenhang mit der »Kleinen Kreuzabnahme«, s. o. S. 147.
188
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
läßt sich jedoch in den beiden oberen Zwickelfeldern deutlich eine zum Rand
der Vergoldung ungefähr parallel verlaufende, kurvig geschwungene schwarzfarbene Linie erkennen. Auch in den unteren Zwickeln findet sich im jeweils
unteren Abschnitt ein allerdings kleinteiligeres und in seinem Verlauf schwieriger zu verfolgendes Liniengefüge. Der Befund dieser Konturlinien, die unschwer als wohl mit einem Pinsel ausgeführte Unterzeichnung zu identifizieren sind, verweist zusammen mit dem halbkreisförmigen unteren Figurenabschluß eindeutig auf die vom Kasseler Tüchlein nun schon vertraute Mondsichelkonzeption.
3. Der gemäldetechnologische Befund
Für den Versuch einer Rekonstruktion des Originalzustandes erbrachte auch
in Pavia eine gemäldetechnologische Untersuchung die gewünschte Klarheit48.
Die stereomikroskopische Betrachtung machte deutlich, daß die heutige, die
Figurengruppe hinterfangende Vergoldung das Ergebnis eines sekundären Eingriffs ist. Sie überlappt nicht nur an verschiedenen Stellen das Blau der Mariengewänder, sondern liegt auch über einer älteren Vergoldungsschicht, die in ihrer
Ausdehnung ihrerseits über die sekundäre Vergoldung hinausgeht und bis an
die geschwungene Konturlinie der Wolkenbänder heranreicht. Jenseits dieser
Linie, wo jede Farbe bis auf die Leinwandknoten abgerieben ist, liegen in der
Gewebetiefe analog zum Kasseler Befund in weiten Teilen Reste eines blauen
Pigmentes - zweifellos zu den Wolkenbändern des Urzustandes gehörend. Ebenso
verhält es sich in den unteren Abschnitten der unteren Zwickel. Ob die Reste
schwärzlicher Farbe, die sich auch hier im Bereich der Mondsichel finden, wie
in Kassel aus oxidiertem Silber bestehen, kann in Ermangelung einer chemischen Analyse nicht definitiv entschieden, wohl aber vermutet werden. Diese
Beobachtungen finden in der Infrarot-Reflektographie willkommene Bestätigung und Ergänzung (Abb. 81). So zeichnen sich in der Reflektographie wie
beim Kasseler Bild die Reste der Farbschicht der Mondsichel deutlich als dunklere Zone mit gleichmäßig geschwungener oberer und unterer Kontur ab. Wie
beim Kasseler Tüchlein wird allerdings auch hier von der eigentlichen Unterzeichnung im Reflektographie-Befund nichts sichtbar. Der Grund für diesen,
auch von anderen Tüchlein her bekannten Umstand49 dürfte in der besonderen chemischen Zusammensetzung des jeweils verwendeten Pigments liegen.
48 Für die Ermöglichung der stereomikroskopischen Untersuchung des Tüchleins bin ich Frau Dr.
D. Vicini zu Dank verpflichtet.
49 Bomford, Roy, Smith (1986), S. 46, Abb. 11, 12, und Leonard, Preusser, Rothe, Schilling (1988),
S. 520f, zur Unterzeichnung der Bouts-Tüchlein in London und Malibu.
Die Tüchlein-Madonna in Pavia
189
Abb. 81 Hugo van der Goes, Mondsichelmadonna, Infrarot-Reflektographie,
Mondsichel, Pavia, Musei Civici, Castello
Visconteo
Der Originalzustand des Paveser Tüchleins läßt sich auf Grund dieser Beobachtungen nun unschwer rekonstruieren: Wie in Kassel erhob sich auch hier
die Figurengruppe über einer vermutlich silbernen Mondsichel und wurde von
einem möglicherweise gelüsterten Goldgrund hinterfangen. Mit welligem Kontur
umgrenzten graublaue Wolkenbänder die Vergoldung und trugen zugleich die
Mondsichel30.
In der nachfolgenden Geschichte des Stückes, in deren Verlauf zunächst die
Malerei der Wolkenbänder und der Mondsichel zerstört wurde, bildete die
Neuvergoldung des Hintergrundes zweifellos den markantesten Eingriff. Die
halbrunde obere Begrenzung der sekundären Vergoldung entspricht exakt
30 Die Frage der möglichen Abhängigkeit des Madonnentypus wie der speziellen ikonographischen
Formulierung von der Druckgraphik Martin Schongauers bleibt hier fürs erste ausgeklammert. Sie
wird ausführlich im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung van der Goes' mit der Bildtradition erörtert werden, s. u. S. 206-215.
In engem Zusammenhang mit der Paveser Madonna steht eine Zeichnung des Meisters der Gewandstudien (Veste Coburg, Inv. Nr. Z 216; 25,2 x 16,6 cm; Christiane Andersson, Charles Talbot, From
a Migthy Fortress. Prints, Drawings, and Books in the Age of Luther, 1483-1546, Detroit 1983,
S. 131, Abb. auf S. 132). Bereits Schöne (1937), S. 1671, hatte auf diesen Zusammenhang hingewiesen, zugleich aber auch die Abweichungen benannt (dies führte Schöne [1938], S. 177f, zu der
Annahme, die vom Gewandstudien-Meister kopierte Madonna gehe ihrerseits auf eine Kopie des
Meisters der Münchner Gefangennahme nach dem Goesschen Original selbst zurück). Die Rekonstruktion des Originalzustandes des Paveser Bildes liefert nun zusätzliche Argumente für die
Annahme, daß dem Gewandstudien-Meister bereits eine gegenüber dem Original van der Goes'
veränderte Kopie vorlag - unabhängig von der Frage der Zuschreibung dieser mutmaßlichen Zwischenstufe. Dies betrifft nicht nur kompositionelle Details, sondern vor allem die Farbgebung, die
der Meister der Gewandstudien z.T. auf seiner Zeichnung notierte. So gab er die Farbe in der linken
unteren Bildecke mit »purprot« - purpurrot - an. Der entsprechende Abschnitt des Goesschen
Urbildes der Komposition (Mondsichel oder Hintergrund) dürfte allerdings gold- oder silberfarben
gewesen sein. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß bereits die Vorlage der Coburger Zeichnung
deutlich von Hugos Mondsichelmadonna abweichende Züge aufwies.
Für Hinweise im Zusammenhang mit der Coburger Zeichnung des Meisters der Gewandstudien
bin ich Michael Roth, Stuttgart, zu Dank verpflichtet.
190
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
dem gleichfalls halbkreisförmigen Bildausschnitt des heutigen Rahmens.
Dieser Rahmen ist zwar sicher alt, kann aber - aus obengenannten Gründen keinesfalls der Originalrahmen sein. Es ist daher anzunehmen, daß die Neuvergoldung aufgebracht wurde, als das Bild in den heutigen Rahmen kam. Dies
geschah mit größter Wahrscheinlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als das Bild in der Sammlung Malaspina ausgestellt wurde. Gleichzeitig
wurden die im Rahmenausschnitt sichtbaren Abschnitte der unteren Zwickelfelder mit einer bräunlichen Lasur überzogen, wohl um Farbreste bzw. Unterzeichnung von Mondsichel und Wolkenbändern zu verdecken. Kennzeichnenderweise befindet sich diese Lasur weder auf den oberen Zwickeln noch auf
den schmalen umlaufenden Gewebestreifen, die ohnehin vom Rahmen abgedeckt werden.
iii. Sixtus IV. und die Mondsichelmadonna als Ablaßbild:
Ein externer Datierungsanhalt
Die bisher vorgeschlagene zeitliche Ansetzung der beiden Tüchlein-Madonnen in Parallele zum Portinari-Altar (Tafel 5) stützte sich ausschließlich auf
den Typenvergleich mit diesem Werk51. Uber derartige stilistische Erwägungen hinaus läßt sich aber für die Entstehung der beiden Mondsichelmadonnen
dank ihrer spezifischen Ikonographie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein terminus post quem ermitteln. Das ikonographische Motiv der Madonna auf der
Mondsichel war in der niederländischen Malerei des 15. Jahrhunderts zwar
durchaus nicht ungebräuchlich52, aber unübersehbar ist die enorme Verbreitung von Darstellungen dieses Themas in Malerei, Buchmalerei und Druckgraphik des letzten Viertels des Jahrhunderts. Ausgelöst und entscheidend ge51 Die Paveser Madonna war erstmals von Longhi (1950), S. 14-16, im Zusammenhang mit dem Porti-
nari-Altar in die Zeit um 1473 datiert worden; dem schloß sich auch Arndt (1964), S. 79f, an.
Demgegenüber erwog Winkler (1964), S. 80, 85 (wie zuvor auch Arndt [1961], S. 16463), den
Anschluß des Stückes an die Spätwerke.
52 Für den Bereich der Tafelmalerei sei in diesem Zusammenhang lediglich auf Bilder des Meisters
von Flemalle, eines Malers aus dem Umkreis des Rogier van der Weyden und von diesem selbst
hingewiesen: Meister von Flemalle, Madonna auf der Mondsichel mit den Heiligen Petrus und
Augustinus sowie einem Stifter, Aix-en-Provence, Musee Granet (ENP II, S. 72, Nr. 66, Tafel 94);
Rogier-Werkstatt, Diptychon der Jeanne de France, Chantilly, Musee Conde (ENP II, S. 77,
Nr. 88, Tafel 107); Rogier van der Weyden, Bladelin-Altar, linker Flügel mit Augustus und Sibylle,
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz (ENP II, S. 67, Nr. 38, Tafel 61).
Das Motiv der Mondsichelmadonna war daneben seit dem Ende des 14. Jahrhunderts vor allem
in der Buchmalerei als Illustration zu Gebetstexten zur Verehrung der Glieder der Muttergottes
bzw. zur Feier ihrer Unbefleckten Empfängnis weit verbreitet: Mirella Levi dAncona, The Icono-
graphy of the Immaculate Conception in the Middle Ages and Early Renaissance, o. O. (New York)
1957 (Monographs on Archeology and Fine Arts, 7), S. 23-28; Ringbom (1962), S. 326-330.
Sixtus IV. und die Mondsichelmadonna als Ablaßbild
191
fördert wurde dieser Prozeß durch Papst Sixtus IV. (1471-1484), der als glühen-
der Marienverehrer die Anerkennung der auch innerhalb der Kirche heftig
umstrittenen Vorstellung der Unbefleckten Empfängnis Mariens propagierte53.
Im Jahre 1476 führte Sixtus IV. ein vom apostolischen Protonotar Leonardo
Nogarolo verfaßtes spezielles Offizium zur Feier des Festes der Unbefleckten
Empfängnis der Gottesmutter ein, 1480 ein weiteres. Noch im Jahre 1476,
und erneut 1477, ergingen päpstliche Bullen, die all jenen Ablaßversprechen
machten, die an der Feier des Festoffiziums teilnahmen.
In diesen Zusammenhang ist auch ein weitverbreitetes Gebet einzuordnen,
das sich, unter Bezugnahme auf die Unbefleckte Empfängnis, mit der Bitte um
Hilfe an Maria wendet:
»Ave, Sanctissima Maria mater Dei, Regina Celi, porta Paradisi, Domina Mundi, pura
Singularis tu es Virgo; Tu sine peccato Concepta concepisti Ihesum sine omni macula;
Tu Peperisti creatorem et saluatorem Mundi In quo non Dubito; Libera me Ab omni
malo Et Ora pro Peccato Meo. Amen.«54
In einer ganzen Reihe von Stundenbüchern und Einblattholzschnitten aus
dem Ende des 15. und vom Anfang des 16. Jahrhunderts erscheint dieser
Gebetstext gemeinsam mit einem Papst Sixtus IV. zugeschriebenen Ablaßversprechen von elftausend Jahren für jene, die das Gebet »coram imagine Virginis Marie in Sole« sprachen. Wenn auch die Authentizität der Zuschreibung
dieses Ablaßversprechens an Sixtus IV. historisch nicht eindeutig nachzuweisen ist, so ist doch S. Ringbom (1962, 1965/1984)5;> zuzustimmen, wenn er,
im Hinblick auf die besondere Marienverehrung dieses Papstes und seiner
- selbst für das späte 15. Jahrhundert - außerordentlichen Freigibigkeit in der
Ausstattung von Ablässen, die Propagierung dieses vor einem Bilde der Mondsichelmadonna zu sprechenden Gebetes in den Kontext der Einführung des
Festoffiziums von 1476 und der beiden Ablaßbullen von 1476 und 1477 stellt.
53 Ringbom (1962), S. 326; derselbe (1965/1984), S. 26f.
54 »Gegrüßt seist Du, allerheiligste Maria, Mutter Gottes, Himmelskönigin, Paradiespforte, Herrin
der Welt, Du bist die reine, einzigartige Jungfrau, Du bist ohne Sünde empfangen, Du hast Jesus
ohne jede Befleckung empfangen, Du hast den Schöpfer geboren und den Retter der Welt, an dem
ich nicht zweifle. Befreie mich von allem Übel und bete für meine Sünde. Amen.«
Zitiert nach dem Gebetstext auf den Innenflügeln des Marien-Triptychons eines Werkstattmitarbeiters Gerard Davids, London, National Gallery (Davies [1968], S. 47f: »after Hugo van der Goes?«)
nach Ringbom (1962), S. 326 (Abkürzungen der Inschrift von Ringbom aufgelöst).
Interessanterweise gibt es zwei unterschiedliche Textredaktionen, deren zweite, durch Ersetzung
der Passage »... tu sine peccato concepta concepisti Ihesum sine omni macula ...« durch die Worte
»... tu concepisti Ihesum filium Dei vivi sine peccato ... (Du hast Jesus, den Sohn des lebenden
Gottes, ohne Sünde empfangen)«, auf den Bezug zur Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter
verzichtet - eine Vorstellung, die auch innerhalb der Kirche, der Propagierung durch Sixtus IV.
ungeachtet, heftig umstritten blieb (Ringbom [1962], S. 326).
55 Ringbom (1962), S. 326-330; derselbe (1965/1984), S. 26f.
192
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
Für die beiden Tüchleindarstellungen der Mondsichelmadonna in Kassel
und Pavia läßt sich im Zusammenhang mit den Überlegungen Ringboms nun
mit größter Wahrscheinlichkeit ein terminus post quem von 1476/77 für ihre
Entstehung ermitteln. Angesichts der großen italienischen Kolonie in den
Niederlanden und auch im Hinblick auf Hugos engen Kontakt zu Tommaso
Portinari, für den er gerade in diesen Jahren den großen Florentiner Altar ausführte, spricht nichts gegen die Annahme, daß das päpstliche Ablaßverspre-
chen, substanziell wie es war, unmittelbar nach seiner Verkündung auch in den
Niederlanden bekannt und verbreitet wurde56. Im Gegenzug stellt der Nachweis von zwei Mondsichelmadonnen aus der Werkstatt des Hugo van der Goes
(die ja fraglos vor 1482 entstanden sein müssen) eine indirekte Bestätigung für
die Zuschreibung des großen Ablaßversprechens an Sixtus IV. dar. Ohne den
Anreiz eines mit dem Bilde der Mondsichelmadonna verbundenen, großzügigen Ablaßversprechens wäre es jedenfalls schwer zu erklären, weshalb sich ge-
rade aus der zweiten Hälfte der 1470er Jahre immerhin zwei aus der GoesWerkstatt stammende Darstellungen mit diesem Bildthema, das zuvor in der
niederländischen Malerei nur selten und bei Hugo gar nicht belegt ist, erhalten
haben.
iv. Die Mondsichelmadonnen in Kassel und Pavia im Werk Hugos
Der externe Datierungsanhalt der beiden Tüchlein-Madonnen kann durch
stilistische Vergleiche noch erhärtet werden. Die durch die Geburtsdaten der
dargestellten Kinder mit einem terminus post quem von 1476 versehenen
Innenseiten der Flügel des Portinari-Altars57 zeigen mit dem jüngsten Sohn
56 In eben diesen Kontext dürfte auch das von Eisler (1961), S. 101-107, rekonstruierte Diptychon
des Meisters der Ursula-Legende, Madonna mit Kind und Engeln (Cambridge, Mass., Harvard University, Fogg Art Museum) und Ludovico (?) Portinari (Philadelphia, John G. Johnson Collection)
gehören (rekonstruierte Zusammenstellung der beiden Flügel bei Eisler [1961], Tafel CXXVII). Die
Komposition der Mutter-Kind-Gruppe kombiniert vermutlich Elemente der beiden Goesschen
Mondsichelmadonnen. Während die Haltung des Kindes an das Kasseler Tüchlein erinnert, ähnelt
die Art, in der die Madonna das Kind auf der Windel hält, dem entsprechenden Motiv des Paveser
Bildes. Hinter der Madonna spannen auf halber Bildhöhe Engel einen Brokatvorhang; in ihrer
Anordnung in den Bildzwickeln, den Goldgrund umfassend, erinnern sie lebhaft an die analoge
Wolkenformation in Kassel und Pavia.
Wenn auch der unmittelbare Bezug zur Mondsichelmadonna weggefallen ist, so ist die Abhängigkeit der Komposition im Fogg Art Museum von der Bildkonzeption »Mondsichelmadonna« dennoch mehr als wahrscheinlich. Das Diptychon, welches vermutlich wie Hugos Portinari-Altar für
die Familienkapelle der Portinari in S. Maria Nuova in Florenz bestimmt war, wurde von Eisler
(1961), S. 103, aus historischen Gründen knapp vor 1479 datiert und liefert so einen terminus ante
quem für die Goesschen Mondsichelmadonnen in Kassel und Pavia.
1,7 Das Geburtsdatum des dritten Sohnes des Ehepaares Portinari, Guido, wird traditionell mit 1476
angegeben (Warburg [1901], S. 43f). Wie Thompson, Campbell (1974), S. 1033, zeigen konnten,
Die Mondsichelmadonnen im Werk Hugos
193
Abb. 82 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, linker Flügel, Innenseite, Portinari-Söhne,
Florenz, Uffizien
Pigello zwar ein Kind, das etwas älter zu sein scheint als der Paveser Christus-
knabe, aber dennoch sind die beiden Kinderköpfe in ganz ungewöhnlich
gleichartiger Weise dargestellt (Tafel 31, Abb. 80, 82). Man vergleiche die Gesamtanlage und Proportionierung der Köpfe, den Verlauf der Konturlinie an
Stirn, Augenpartie, Wange und Kinn, die Faltenbildung am Hals, die Bildung
des Mundes mit der leicht aufgeworfenen Oberlippe, die Stupsnase, die unmittelbar in die linke Augenbraue übergeht, die Bildung des Auges mit der Falte
im Oberlid und der zweifachen Schattenzone unter dem Auge, die schräge Stellung des linken, in Verkürzung gegebenen Auges, schließlich die Formung des
Ohres. Eine analoge Vergleichsserie ließe sich mühelos auch für die Kasseler
Madonna (Tafel 29, Abb. 71) anstellen. Für den Vergleich bieten sich in diesem Fall die Köpfe der Heiligen Maria Magdalena und Margarete vom rechten
Innenflügel des Portinari-Altars an (Tafel 7). Eine Datierung beider Tüchlein
widersprechen sich allerdings die Florentiner Archivmaterialien in dieser Frage. Demnach könnte
die Geburt Pigellos erst in das Jahr 1476, die des nachgeborenen Guido ins Jahr 1477 gefallen sein.
Da aber in keinem Fall von einer Darstellung der Kinder in ihrem tatsächlichen Alter ausgegangen
werden kann, bleibt die Annahme eines terminus post quem von 1476 für den Arbeitsbeginn zumindest der Flügel von diesen Überlegungen prinzipiell unberührt.
194
Die Tüchlein-Madonnen in Kassel und Pavia
in die Jahre 1476/77 in nächster Nähe zumindest zu den Flügeln des Florentiner Altars58 scheint also sowohl auf Grund der ikonographischen wie stilistischen Analyse geboten.
Zur Frage nach dem Verhältnis der beiden Tüchlein-Madonnen in Kassel
und Pavia zu den eigenhändigen Werken Hugos liefert ein Vergleich der beiden
Bilder untereinander bzw. mit den allgemein als eigenhändig anerkannten
Werken des Malers aufschlußreiche Ergebnisse. Wie die gemäldetechnologische Untersuchung der beiden Stücke zeigte, sind (im Gegensatz zum Blau der
Mariengewänder, wo die modellierenden Lasuren fast vollständig verloren
sind) die mit Weiß ausgemischten Inkarnat- und weißfarbenen Stoffpartien bis
auf geringe Abreibungen relativ gut erhalten; ein Vergleich der entsprechenden Bildgegenstände untereinander ist also möglich. Dabei lassen sich zunächst für beide Tüchlein unterschiedliche Beobachtungen machen.
Bei der Kasseler Madonna (Tafel 29) fällt schon bei der ersten Betrachtung
die ausgeprägt unterschiedliche Behandlung der Hände der Gottesmutter ms
Auge. Die Unterschiede beziehen sich auf Binnenzeichnung und Modellie-
rung ebenso wie auf Größe und Proportionierung. Mariens Rechte wirkt in
ihrer extremen Uberlängung und der ausgeprägten Verzeichnung im Bereich
des Handgelenks und des Handrückens auffallend substanz- und knochenlos.
Ihre kürzere, kompaktere Linke, klar gegliedert und überzeugend aufgebaut,
steht dazu in markantem Gegensatz. Selbst wenn man bei der Rechten einen
stärkeren Farbverlust durch Abrieb als bei der Linken in Rechnung stellen
wollte59, so bleibt der Eindruck einer deutlich unterschiedlichen Gestaltung
der beiden Hände doch bestehen. Eine ähnliche, wenn auch nicht so unmittelbar ins Auge springende Diskrepanz in der Art der Darstellung ein- und desselben Gegenstandes ist auch an der unterschiedlichen Charakterisierung des
weißen Tuches, auf dem Maria das Kind hält, ablesbar; man vergleiche hier
die kleinteilige Fältelung unter dem Kinderkörper (die den Eindruck eines
dünnen, weichfallenden Stoffes vermittelt) mit den steifen, hochstehenden Falten im Rücken des Kindes, wobei sich letztere gar an einer Stelle finden, wo
sich solche ausgreifenden Falten nicht bilden dürften. Anders bei der Paveser
Madonna (Tafel 31): Hier sind beide Hände in gleicher Weise proportioniert
und charakterisiert, ebenso einheitlich und durchdacht in der Gestaltung ist
der Stoff der Windel des Kindes. Im Vergleich beider Tüchleindarstellungen
untereinander sei schließlich noch auf die in Pavia im Gegensatz zu Kassel entschieden beherrschte Verkürzung insbesondere der Köpfe, aber auch des Kin18 Thompson, Campbell (1974), S. 65-68, 103-105: Mitteltafel des Portinari-Altars 1473/74 in Auftrag gegeben, 1474/ 75 begonnen; Flügel spätestens 1479/80 vollendet, vermutlich aber erst nach
Ausführung der Edinburgher Flügel. Zur Datierung des Portinari-Altars s. u. S. 242-246.
1,9 Der stereomikroskopische Befund zeigt deutlich, daß der Erhaltungszustand der Malschicht der
beiden Hände der Gottes Mutter gleich ist.
Die Mondsichelmadonnen im Werk Hugos
195
derkörpers hingewiesen, vom lebendigen Ausdruck des Paveser Kindes im Vergleich mit dem Kassler ganz zu schweigen.
Wir können also beim Tüchlein in Pavia eine auffallende Beherrschung der
Darstellungsmittel festhalten. Alle Bildelemente sind sinnvoll aufeinander
abgestimmt und dies geht zusammen mit dem überzeugenden Ausdruck und
der großen Lebendigkeit insbesondere bei der Wiedergabe des Kindes. Demgegenüber finden sich beim Tüchlein in Kassel nicht nur deutlich erkennbare
Schwächen in der Verkürzung der Figuren, sondern desgleichen ein Mangel
an Vereinheitlichung in der Darstellung der einzelnen Bestandteile der Komposition und - als Folge dieser künstlerischen Defizite - eine auffallende Starrheit des Ausdrucks. Da aber beide Stücke auf Grund der unmittelbaren Uber-
einstimmung hinsichtlich ihrer Ikonographie gleichzeitig zu datieren sind,
wird man sie in der Ausführung zwei unterschiedlichen Händen zuweisen
müssen.
Angesichts der außergewöhnlichen Nähe des Kasseler Tüchleins sowohl zur
Mondsichelmadonna in Pavia als auch zu weiteren, einhellig als eigenhändig
anerkannten Werken Hugos ist die Vermutung naheliegend, daß das Kasseler
Bild in der Werkstatt des Meisters selbst entstanden ist. Zugleich kann aber
das Paveser Tüchlein dem Kern der erhaltenen eigenhändigen Arbeiten des
Hugo van der Goes definitiv zugewiesen werden. Diese Zuschreibung der
Paveser und - im Umkehrschluß - zugleich die Abschreibung der Kasseler
Madonna wird noch zwingender, wenn man neben der ausgeprägten Qualität
weiterhin die Typenbildung und die Art der Darstellung des Paveser Tüchleins
mit den gesicherten Hauptwerken vergleicht. Eine solche Gegenüberstellung
erscheint hier durchaus erlaubt, da die genannten Unterschiede von den jeweiligen materiellen Gegebenheiten unberührt bleiben. Die auffallende Nähe des
Paveser Kinderkopfes zu Pigello Portinari wurde bereits analysiert, gleiches
gilt für die Verwandtschaft des Kopfes der Maria mit den genannten Frauenköpfen des Portinari-Altars. In einem gleichsam erweiterten »Typenvergleich«
sei hier auch auf die übereinstimmende Gestaltung der Hände Mariens in
Pavia etwa mit den Händen der Heiligen Margarethe oder Maria Magdalena
auf dem rechten Innenflügel des Portinari-Altars hingewiesen. Aber auch eine
weitere Beobachtung, die man durchweg an den eigenhändigen Arbeiten
Hugos machen kann, gilt für Pavia: Die Darstellungen sind in einem ungewöhnlich hohen Maße »vereinheitlicht«, es werden keine Bildformeln der traditionellen Ikonographie unbesehen übernommen und einkopiert, vielmehr
werden alle Bildgegenstände, die zur Darstellung kommen, in ihrem Verhältnis
zueinander durchdacht und überzeugend ins Bild gesetzt - die Hände stimmen
in ihrer Gestaltung überein, ein einheitliches Stoffstück wird durchgehend einheitlich charakterisiert, ein komplizierter Gewandaufbau wird klar erkennbar
wiedergegeben. Während also beide Tüchlein-Madonnen bald nach 1476 ent-
196
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
standen sein dürften, ist nur das Bild in Pavia den eigenhändigen Werken
Hugos einzureihen, in unmittelbarer Nähe zu den Flügeln des PortinariAltars. Die Madonna in Kassel mit ihren pasticcioartigen Zügen ist demgegenüber als Werkstattprodukt zu betrachten; eine von Werkstattmitarbeitern besorgte Ausführung von Kopien bzw. Varianten nach Arbeiten des Meisters, die
- wie die Mondsichelmadonna als Adressatin eines prominenten Ablaßgebetes eine größere Nachfrage erwarten ließen, kann dabei kaum überraschen60.
60 Noch stärker dürfte sich eine solche »Arbeitsteilung« bei den wiederholten Aufträgen für Dut-
zende von Papstwappen durch die Stadt Gent in den Jahren 1468 und 1473 aufgedrängt haben (Ima-
ginair Museum, Doc. III, VIII, XI, XIV, XVI).
Forschungsgeschichte
197
IX. Bildersturm im 20. Jahrhundert: Das geschändete Leinwandbild mit
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
Das Museo de Santa Cruz in Toledo bewahrt das Tüchlein mit der Darstellung
des Schmerzensmannes und der Mater dolorosa (Abb. 83)1. In einem durch
eine eingestellte Doppelsäule zweigeteilten Fenster erscheinen die Halbfiguren
Christi und Mariens. Christus hat sich leicht nach rechts gewandt, blickt zugleich aus dem Bild heraus, ohne allerdings dabei den Betrachter zu fixieren.
Das seitlich von langen Haaren gerahmte, bärtige Antlitz unter der breiten,
tief in die Stirn gedrückten Dornenkrone ist deutlich vom Leiden gezeichnet.
Tränen- und Blutspuren überziehen Gesicht, Hals und Schultern. Die Rechte
ist im Segensgestus gegen Maria erhoben, die Linke vor die Brust gelegt. Das
enge Nebeneinander der Hände - entsprechend dem Bildformular des dornengekrönten Schmerzensmannes - ist wahrscheinlich durch ihre Fesselung motiviert, auch wenn dies nicht am Bild selbst ablesbar ist. Die Bekleidung Christi
mit einem einfachen Gewand entspricht der Bildtradition. Seine im Dreiviertelprofil dargestellte Mutter hat sich ihm mit geneigtem Haupt und schmerzerfüllten Augen zugewandt. Sie hat ihre Hände anbetend vor die Brust erhoben.
Das tief ins Gesicht gezogene Kopftuch fällt vor dem Oberkörper herab und
verdeckt so teilweise Gewand und Umhang.
Die ursprüngliche Farbwirkung ist durch starken Farbverlust in weiten Par-
tien kaum mehr zu erahnen. Die Architektur, die die Figuren rahmt, zeigt
heute ein gleichförmiges bräunliches Grau. Farblich davon abgesetzt ist nur
die Doppelsäule in kräftigem Braun sowie Postament und Kapitell in Dunkel-
braun mit gelblichen Höhungen, wohl zur Angabe von Lichtreflexen auf
Metall. Christus ist von einer graublauen Farbfohe, Maria hingegen vom grau-
braunen Farbton der rahmenden Architektur hinterfangen. Die Inkarnate
sind, mit einem helleren Fleischton bei Maria, in der üblichen Weise differenziert; deutlich setzen sich die leuchtend roten Blutspuren vom fahlen Gesicht
Christi ab. Der Farbton des Gewandes Christi erscheint heute graubraun. Mariens Gewandung mit weißem Kopftuch und blauen Gewändern folgt wiederum der üblichen Darstellungsweise.
1. Die Forschungsgeschichte
Das Leinwandbild befindet sich seit den 1840er Jahren im Besitz des Museums
von Santa Cruz; seine Herkunft aus einem der in der ersten Hälfte des 19. Jahr1 Toledo, Museo de Santa Cruz; Inv. Nr. 123; Leinwand, 86,0 x 109,0 cm; Jorge de Aragonenses
(1958), S. 149; Bermejo Martinez (1982), S. 64; Vandenbroeck (1982), S. 53, Nr. 54; Wolfthal (1989),
S. 34-36, 45f, Nr. 11.
198
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
Abb. 83 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater dolorosa, Toledo, Museo de
Santa Cruz
hunderts aufgelösten Klöster Toledos ist wahrscheinlich, aber nicht nachzuweisen2. Das Bild galt zunächst als spanische Arbeit3, ungeachtet der Zuschreibung an Rogier van der Weyden, die H. Hymans 1894 vorschlug4. Erst
1931 erfolgte die Bestimmung als Werk van der Goes' durch G. Hulin de
2 Die freundliche Überlassung dieser Information verdanke ich der Direktorin des Museo de Santa
Cruz, Frau M. Revueita Tubino, der auch für die Ermöglichung der Untersuchung des Bildes zu
danken ist. Für seine freundliche Unterstützung bin ich auch Matthias Weniger, Berlin, verpflichtet.
3 Hulin de Loo (1931), S. 43.
4 Henri Hymans, Notes sur quelques oeuvres d'art conservees en Espagne; in: Gazette des BeauxArts, 3. per. , 12 (1894), S. 159.
Bestand und Zustand
199
Loo3, die in der Folge allgemeine Zustimmung fand6. Nur W. Schöne (1937,
1938)' bezeichnete das Tüchlein ausdrücklich als Kopie nach einem verlorenen Werk Hugos; er machte auch auf den ikonographischen Zusammenhang
mit Werken des Dirk Bouts aufmerksam8. Schöne9 wies auch erstmals nachdrücklich auf den schlechten Erhaltungszustand des Bildes hin, das er 1933 im
Original gesehen hatte. Aber lediglich K. Arndt (1964)1C beschrieb zumindest
für den Marienkopf in präzisen Analysen der geringen erhaltenen Originalpartien zugleich den enormen Umfang von Verlusten nicht nur durch Abrieb,
sondern auch durch »verschiedene mechanische Beschädigungen«11.
2. Bestand und Zustand. Der Befund der Autopsie
Die heute doublierte Leinwand12 mißt 86,0 x 109,0 cm. Zwar sind die ursprünglichen Gewebekanten nicht erhalten, aber die an allen vier Seiten deutlich erkennbaren Spanngirlanden lassen - ebenso wie die Komposition - kei-
D Hulin de Loo (1931), S. 43.
6 Sanchez Canton (1932), S. 282f; Arndt(1964), S. 73-76; Winkler (1964), S. 85f; ENP IV, S. 87f;
Bermejo Martinez (1982), S. 64.
Angesichts des Erhaltungszustandes wollten keine Entscheidung zur Frage der Eigenhändigkeit
treffen: Oettinger (1938), S. 58f; Jorge de Aragonenses, (1958), S. 149; LArt flamand dans les Collec. tions espagnoles, Musee Communal des Beaux-Arts, Groeninge, Bruges, Juillet-Aoüt 1958, Bruges
1958, S. 28, Kat. Nr. 5.
7 Schöne (1937), S. 164f, traf keine definitive Festlegung in der Frage der Eigenhändigkeit, da er das
Bild nach einer zwischen 1933 und 1936 erfolgten Restaurierung nicht im Original gesehen hatte.
Bei seiner Autopsie des Stückes vor dieser Restaurierung 1933 »... schien mir... die Malerei...
für Goes selbst nicht fein genug zu sein, so daß ich sie für die Arbeit eines Kopisten hielt...«; derselbe (1938), S. 821, Nr. 26, als Kopie nach Goes.
8 Schöne (1938), S. 1649.
Ausführlich wurde dieser Bezug des Tüchleins in Toledo zu Werken Bouts' von Ringbom
(1965/84), S. 1436 und Abb. 109, abgehandelt. Ringbom wies auf ein Werk mit demselben Bildthema in San Diego, Fine Arts Gallery, hin - von ihm als Arbeit nach Bouts betrachtet - , das in
sehr weitgehender Form mit dem Bild in Toledo übereingeht. Abweichend von Toledo umfaßt der
Fensterausschnitt in San Diego die Figuren jedoch wesentlich enger, sind Rechte und Linke Christi
in ihrer Gestik gegeneinander ausgetauscht - die Rechte ist weisend gegen Maria ausgestreckt, wäh-
rend Christus mit der Linken andeutungsweise einen Segensgestus ausführt. Da das Bild in San
Diego stilistische Parallelen mit der Beweinung Christi der Sammlung Gomez-Moreno, Granada
(Holz, 42,0 x 48,0 cm; El Legado Gomez-Moreno, Galeria de Exposiciones, Banco de Granada,
Granada, Enero-Febrero 1973, Madrid 1972, S. 85, Kat. Nr. 1, Farbabb. auf S. 59) aufweist, letzteres
sich aber auch an Werke Goes' anlehnt (Winkler [1964], S. 103-111), dürfte man wohl in der Tafel
in San Diego eher einen Nachfolger des Tüchleins in Toledo sehen als dessen Vorlage.
Zur Ikonographie des Tüchleins in Toledo vergl. Carla Gottlieb, The Living Host; in: Konsthistorisk Tidskrift 40 (1971), S. 38-40.
9 Schöne (1937), S. 164.
10 Arndt (1964), S. 75f.
11 A. a. O.
12 Die Gewebedichte beträgt etwa 20 x 25 Fäden pro Quadratzentimeter.
200
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
nen Zweifel daran aufkommen, daß das Bild im wesentlichen unbeschnitten
erhalten geblieben ist. Die Farboberfläche ist durchgängig stark berieben, nur
in den wohl mit Bleiweiß ausgemischten Partien - in den Inkarnaten, im Kopftuch Mariens - hat sich in größerem Umfang ein diese Bildpartien modellierender Farbaufbau erhalten.
Allerdings sind gerade die Gesichter beider Figuren sowie die Hände Christi
von den von Arndt13 genannten, aber nicht genauer lokalisierten »mechanischen Beschädigungen« betroffen. Diese beschränken sich nicht auf die Farbschicht, sondern betreffen auch die Originalleinwand. So sind zwei etwa 2 bis
3 cm breite Leinwandstreifen im Gesicht Christi eingefügt und beiretuschiert.
Verlauf und Umfang sind am Original, aber auch an Photographien deutlich
ablesbar: Die linke der beiden zerstörten Partien, die den Einsatz der Stoffstreifen erforderlich machte, beginnt auf der rechten Schläfe unmittelbar unterhalb
des Haaransatzes und zieht senkrecht nach unten bis knapp unterhalb des vom
Bart bedeckten rechten Kinnkonturs, dabei auch die linke Hälfte der rechten
Braue und des Auges sowie den rechten Mundwinkel umfassend. Der rechte
Stoffeinsatz beginnt in der Mitte der Dornenkrone über dem Nasenansatz,
zieht senkrecht nach unten bis zum linken Kinnkontur und schließt dabei den
gesamten Nasenrücken und den linken Winkel des linken Auges mit ein. Auch
beide Hände Christi sind durch Stoffeinsätze betroffen; die Linke am Ansatz
des Mittelfingers, sowie vom mittleren Gelenk des Zeigefingers aufwärts bis
zum Halsausschnitt des Gewandes, die Rechte durch einen Stoffstreifen vom
Ansatz des kleinen Fingers senkrecht aufwärts bis auf die Höhe der angewinkelten Zeige- und Mittelfinger. Zahlreiche kleinere Stoffeinsätze weist schließlich auch der Kopf Mariens auf: Vertikal verlaufende, ca. 2 cm breite Leinwandstreifen auf der Stirn vom Kopftuch bis zum Oberlid des rechten Auges, an
der Mundpartie vom linken Nasenflügel durch die linke Hälfte des Mundes
bis ins Tuch links vom Kinn, auf der linken Wange rechts der Nase und auf
dem Halsansatz. Alle eingesetzten Leinwandstreifen sind beiretuschiert. Die
Retuschen ziehen in nahezu allen Fällen auch großflächig über die anschließende Originalleinwand und -farbschicht, wobei sie an ihrer fetteren Konsistenz, die das Gewebe partiell verschmiert, relativ leicht erkennbar sind.
3. Die Zerstörung eines Bildes als Ersatzhandlung. Die jüngere Geschichte
des Tüchleins
Die Konzentration der Schäden auf die bildwichtigsten Kompositionselemente - beide Gesichter und die Hände Christi - lassen an eine gezielte Zerstö-
rungsabsicht denken. Und in der Tat ist das Bild Opfer eines »ikonoklasti-
Die jüngere Geschichte des Tüchleins
201
sehen« Anschlages geworden, wenn auch nicht des 16. , so doch des 20. Jahr-
hunderts. Nur Arndt14 verwies auf die Abbildung bei Schöne15, die
»... einen früheren Zustand des Tüchleins mit offensichtlich sehr viel geschlossener
Oberfläche...«
zeige; die übrige kunsthistorische Literatur zu dem Bild des Museo de Santa
Cruz erwähnt nicht einmal die Tatsache der durchgreifenden Restaurierung,
geschweige denn den Anlaß dazu. Die jüngste Geschichte des Tüchleins, deren
genaue Kenntnis für jede Beurteilung des Bildes aber von wesentlicher Bedeu-
tung ist, läßt sich weitgehend rekonstruieren und dokumentieren16.
Nach Huhn de Loos Erstzuschreibung an van der Goes17 wurde das Bild,
an dem Schöne18 anläßlich seines Besuches in Toledo 1933 keine Übermalun-
gen hatte feststellen können, vor Februar 1936 in Madrid einer Restaurierung
unterzogen. Die erste Abbildung des Tüchleins publizierte Schöne 1937; sie
zeigt den Zustand nach diesem restauratorischen Eingriff. Während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-39) gehörte das Bild nicht zu den aus Toledo evakuierten Werken; es verblieb im Museo de Santa Cruz. Vom 22. Juli 1936 bis
zur Einnahme der Stadt durch die Franco-Anhänger am 27. September desselben Jahres war die Stadt republikanisch, allein der Alcäzar wurde in dieser Zeit
von den Nationalisten gehalten. Unterhalb des Alcäzar gelegen, diente das
Museumsgebäude von Santa Cruz den Republikanern als Hauptquartier. Spätestens bei ihrem von den Frankisten erzwungenen Abzug am 27. September
1936 kam es zu antiklerikalen Ausbrüchen gegenüber Bildwerken ausgeprägt
christlicher Thematik: Von 133 ausgestellten Bildern erlitten 35 schwere Schäden; 12 wurden derart verwüstet, daß noch 1958 eine Wiederherstellung ausgeschlossen schien19.
Zu den von Bajonetthieben zerfetzten Leinwandbildern gehörte auch der
»Schmerzensmann mit Mater dolorosa«. Bisher unpublizierte Photographien
zeigen das Ausmaß der Schäden (Abb. 84). In den 1940er Jahren wurde das
Tüchlein in Madrid zu seinem jetzigen Zustand wiederhergestellt. Glücklicherweise ist auch der Zustand des Bildes während der nach 1933, aber vor
1936 erfolgten Restaurierung, d. h. vor den verheerenden Zerstörungen im
13 Arndt (1964), S. 75f.
14 A.a.O., S. 7655.
15 Schöne (1937), Abb. 11.
lf> Für Hinweise in diesem Zusammenhang sowie für die freundliche Überlassung von z.T. unpubliziertem Photomaterial, welches das Bild im Zustand nach den Zerstörungen von 1936, aber noch
vor der letzten Restaurierung zeigt, bin ich Frau M. Revueita Tubino, Toledo, und Herrn Prof.
M. Diaz-Padron, Madrid, zu Dank verpflichtet.
17 Huhn de Loo (1931), S. 43.
18 Schöne (1937), S. 164.
19 Jorge de Aragonenses (1958), S. 2824.
202
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
Abb. 84 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater
dolorosa, Zustand nach der Zerstörung von 1936, Toledo,
Museo de Santa Cruz
Bürgerkrieg, photographisch dokumentiert worden, und nur diese Photographie (Abb. 85)20, zusammen mit präzisen Detailbeobachtungen am Bild
selbst, können Grundlage für eine Beurteilung des Tüchleins sein.
4. Die Stellung des Toledaner Tüchleins in Hugos Werk
Vergleicht man die Köpfe Christi und Mariens nach der jüngsten Restaurierung mit dem Zustand vor 1936, so ist das Ausmaß der Veränderung erschreckend: Der zuvor differenzierte Ausdruck der Gesichter ist heute durch
leblose, maskenhaft starre Physiognomien ersetzt. Allerdings hält auch der
photographisch dokumentierte Zustand vor der Zerstörung im Spanischen
Bürgerkrieg die Gegenüberstellung mit Hugos eigenhändigen Werken kaum
aus. Der Zusammenhang der Typenbildung mit Werken wie der »Kleinen«
und der »Großen Kreuzabnahme« (Tafeln 26-28) ist unverkennbar21. Der
20 Barcelona, Photo Mas C-80372; abgebildet auch bei Jorge de Aragonenses (1958), o. Abb. Nr. ; ENP
IV, Tafel 114; Bermejo Martinez (1982), Fig. 58-60; in den beiden letztgenannten Publikationen
kein Hinweis auf den abweichenden heutigen Zustand des Bildes von dem in der Photographie
dokumentierten.
21 Man vergleiche etwa die Marienfigur des Tüchleins in Toledo mit der des Berliner Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme«, wobei allerdings zu bedenken ist, daß das Gesicht der Maria in Berlin zu
den am schlechtesten erhaltenen und am entstellendsten restaurierten Partien des Bildes gehört.
Für den Christuskopf des Tüchleins in Toledo bietet sich am ehesten der Vergleich mit der »Großen Kreuzabnahme« an, etwa in der dem Original sehr nahe kommenden Zeichnung der Wiener
Albertina.
Die Stellung des Tüchleins in Hugos Werk
203
Abb. 85 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater dolorosa, Zustand vor der
Restaurierung von 1936, Toledo, Museo de Santa Cruz
Vergleich mit den beiden eigenhändigen Tüchleindarstellungen dieser Passionsszene macht allerdings zugleich auch die kopistenhaften Schwächen des
Tüchleins in Toledo deutlich. Am auffälligsten sind die Größenunterschiede
zwischen beiden Figuren, die auch durch den Hinweis auf einen hier eventuell
zur Anwendung kommenden »Bedeutungsmaßstab« nicht befriedigend erklärt werden können. Obgleich beide Figuren unmittelbar hinter der Fensterbrüstung erscheinen, ist die Gestalt Christi wesentlich größer und dem Betrachter näher dargestellt als seine Mutter. Auch durch ihren enorm stoffreichen und den Figurenumriß unverhältnismäßig vergrößernden Umhang kann
die Marienfigur kompositionell die dominierende Gestalt Christi kaum ausbalancieren. Auch die merkwürdige Differenz in der Hintergrundsgestaltung
204
»Schmerzensmann und Mater dolorosa« in Toledo
der beiden Bildhälften22 unterstreicht den pasticciohaften Gesamtcharakter
der Darstellung.
Die Gestaltung der Hände Christi wie Mariens im Vergleich zur Charakterisierung der Köpfe (vor allem des Heilands) ist es schließlich, die eine Zuschreibung an Hugo selbst definitiv ausschließt. Neben dem ausdrucksvollen
Haupt des Schmerzensmannes mit dem außerordentlich subtil wiedergegebenen Verlauf der Blutspuren auf Wange, Hals und Schulter - hierfür stand dem
Maler offensichtlich eine Darstellung in der Art der »Großen Kreuzabnahme«
als Vorlage vor Augen - wirken die verzeichneten Hände extrem schematisch
und unbelebt. Entsprechendes gilt für die Wiedergabe des vom Gewand gänzlich verhüllten, unförmigen Körpers23: Für Hände und Oberkörper standen
dem Maler offenbar keine unmittelbar verwendbaren Vorlagen zur Verfügung,
hier mußte er eigenständig ergänzen. Ahnliche Beobachtungen lassen sich an
der Marienfigur machen. Es sind also beim Tüchlein in Toledo (wie schon bei
der Mondsichelmadonna in Kassel; Tafel 29) die Inkongruenzen innerhalb der
Darstellung, die u. E. nicht nur eine Zuschreibung an Hugo van der Goes
selbst verbieten, sondern die es darüber hinaus unwahrscheinlich machen, daß
wir es hier mit einer Kopie nach einem verlorenen Original Hugos zu tun
haben. Vielmehr erscheint es wahrscheinlich, daß das Tüchlein des Museo de
Santa Cruz von einem im Stil Hugos arbeitenden Maler unter Verwendung
von Bildelementen der »Kleinen« und »Großen Kreuzabnahme« gegen Ende
des 15. Jahrhunderts geschaffen wurde.
22 Zumindest im Zustand vor 1936 scheint eine Art Ehrentuch die Marienfigur hinterfangen zu
haben; heute ist der Hintergrund nahezu monochrom gestaltet. Auch das von Ringbom (1965/84),
S. 143, einem Bouts-Nachfolger zugewiesene Bild in San Diego, Fine Arts Gallery (vergl. oben
S. 199, Anm. 8) zeigt ein Ehrentuch hinter der Gottesmutter, nicht aber hinter der Figur Christi.
2j Der Hinweis auf den schlechten Zustand der Malerei in diesen Bildpartien schon vor 1936 verfängt
im Hinblick auf unsere Analyse nicht - auch ein besserer Erhaltungszustand könnte den enormen
qualitativen Unterschied nicht wett machen.
D. Die Vorlage und ihre Anverwandlung:
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Für jede Einschätzung von Hugos Schaffen ist die Kenntnis seines Verhältnis-
ses zur Bildtradition von hohem Interesse. Die Forschung konnte bei einer
Reihe von Werken die gezielte Beschäftigung des Malers mit Arbeiten anderer
altniederländischer Künstler bei der Formulierung eigener Bildentwürfe aufzeigen. So ist beispielsweise eine der persönlichsten und unverwechselbarsten Bildschöpfungen, die Königsanbetung des Monforte-Altars (Tafel 1), undenkbar ohne das Vorbild des Columba-Altars von Rogier van der Weyden
(Abb. 86). Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Altarbild, die zu
einer spezifisch Goesschen »Redaktion« der Darstellung Rogiers führte, ist seit
langem erkannt und analysiert worden1. Auf die Beziehungen zwischen
1 Einem (1941/42), S. 158-161.
Es erscheint aber auch denkbar, daß Hugo bei der Formulierung des Monforte-Altars auf einen
weiteren Vorlagenkreis zurückgegriffen hat. Das namengebende Hauptwerk des Kölner Meisters
der Lyversberg-Passion stammt vermutlich aus der Kartause in Köln. Da die Verkündigung auf dem
linken Außenflügel die Hausmarke der Kölner Familie Rinck zeigt, kann der Altar mit hoher
Wahrscheinlichkeit mit einer Stiftungsnachricht in Verbindung gebracht werden, der zufolge im
Jahre 1464 Johann Rinck und sein Sohn Peter ein großes gemaltes Altarretabel für die Kartause
stifteten. Zwar ist umstritten, ob unter dem Datum 1464 das Jahr der Auftragserteilung oder der
Fertigstellung zu verstehen ist, in jedem Falle aber dürfte der Lyversberg-Altar vor Hugo van der
Goes' Monforte-Altar entstanden sein (Hans Martin Schmidt, Der Meister des Marienlebens und
sein Kreis. Studien zur spätgotischen Malerei in Köln, Düsseldorf 1978 [Beiträge zu den Bau- und
Kunstdenkmälern im Rheinland, 22], S. 66f, 202-208). Die Königsanbetung des rechten Außenflügels (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum) weist nun gleichfalls Bezüge zu Rogiers damals
in St. Columba in Köln befindlichem Altar auf, zeigt zugleich aber den zweiten König und seinen
Diener in einer Haltung, wie sie auch bei Hugos Monforte-Altar erscheint (auch zur Gestalt des
ältesten Lyversberg-Königs weist die entsprechende Figur des Monforte-Altars offensichtliche Parallelen auf).
Es ist also durchaus möglich, mit Chätelet (1981), S. 119, anzunehmen, daß sich sowohl der Lyversberg-Meister als auch Hugo zumindest für die genannten Figuren auf ein gemeinsames Vorbild
bezogen. Chätelet dachte dabei an ein nicht näher zu bestimmendes Werk Dirk Bouts' und verwies
auf ein ähnliches Haltungsmotiv bei einem der Manna-Leser in Bouts' Abendmahls-Altar in
St. Peter in Löwen (ENP III, S. 15-18, 61, Nr. 18, Tafel 26-31). Es ist u. E. allerdings naheliegender,
in diesem neuen Haltungsmotiv eine Weiterentwicklung der traditionellen Anbetungsdarstellungen zu sehen. Schon Rogier ließ die entsprechende Königsfigur des Columba-Altars niederknien,
ordnete aber die gleichfalls in die Knie sinkende Dienergestalt noch dem stehenden dritten König
zu. Beim Lyversberg-Meister, bei Hugo und bei dem mutmaßlichen gemeinsamen Vorbild für beide
Darstellungen wurden nun lediglich die beiden knienden Gestalten von zweitem König und Diener
aufeinander bezogen - als logische Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der lkonographischen Tradition.
Chätelets Versuch, die Verwendung der Königsfigur durch Geertgen tot Sint Jans, auch in völlig
anderen Sinnzusammenhängen wie der Beweinung Christi (Wien, Kunsthistorisches Museum;
ENP V, S. 12, 74, Nr. 6A, Tafel 8), gleichfalls direkt auf den mutmaßlichen Boutsschen Prototyp
- statt auf den Monforte-Altar - zurückzuführen, ist zurückzuweisen, weil Geertgens Figur ihre
unmittelbare Abhängigkeit von der Monforter Königsgestalt nicht verleugnen kann. Mit dem
Lyversberger König verbindet sie nur allgemein das Haltungsmotiv.
206
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Hugos Edinburgher Trinität (Tafel 10) und den Darstellungen des gleichen
Themas vom Meister von Flemalle wies schon J. Destree (1914)2 hm; dabei
kommt die Edinburgher Tafel der Trinitätsdarstellung des Flemaller Meisters
auf dem Petersburger Diptychon (Abb. 87) am nächsten3. Für die Beweinung
des Wiener Diptychons (Tafel 19) konnte infolge der gemäldetechnologischen
Untersuchungen nun eine ähnliche Ausgangslage nachgewiesen werden. Auch
dort war in der nur in der Unterzeichnung dokumentierten Erstfasung die
Übernahme einer Beweinungskomposition Rogiers geplant, die allerdings
durch die nachträglich notwendig gewordene Einfügung einer weiteren Figur
zur heutigen Endfassung hin abgewandelt werden mußte. Auch für eine Reihe
weiterer Werke läßt sich Flugos gezielte Nutzung der Bildtradition aufzeigen.
Neben die Auseinandersetzung mit den Arbeiten anderer Tafelmaler der Zeit
tritt dabei auch die Bezugnahme auf Graphik und Monumentalmalerei.
I. Geben oder Nehmen? Hugo van der Goes und Martin Schongauers
Druckgraphik
Die außerordentliche Nähe von Hugos Brügger Tafelbild des Marientodes
(Tafel 16) zu Schongauers Kupferstich desselben Themas (Abb. 88)4 ist un-
übersehbar. Es ist vor allem der radikale Bruch mit der Bildtradition, der beide
Kompositionen aufs engste aneinanderbindet, denn abweichend von der iko-
nographischen Norm5, die das Sterbebett Mariens parallel zur Bildebene
oder bestenfalls in leichtem Winkel zu ihr errichtete, stellten Schongauer und
Goes das Bett in kühner Verkürzung senkrecht in die Bildtiefe hinein. Neben
der entsprechenden Verteilung der Apostel um die sterbende Gottesmutter
fällt sodann die enge Verwandtschaft der Kopftypik einiger Figuren ins Auge.
Am deutlichsten, aber beileibe nicht auf diesen beschränkt6, ist dies zweifellos bei dem am linken Bildrand en face aus der Darstellung herausblickenden
Apostel zu beobachten . Angesichts derartiger Parallelen, die durch Zufall
2 Destree (1914), S. 91.
3 Vladimir Loewinson-Lessing, Nicolas Nicouline, Le Musee de l'Ermitage Leningrad, Bruxelles
1965 (Corpus, 8), S. 5-20. Zum Verhältnis der Edinburgher Trinität zum Meister von Flemalle
ausführlich Thompson, Campbell (1974), S. 76f.
4 Bartsch (1808), S. 134f, B. 33; Lehrs (1925), S. 106; Bernhard (1980), Abb. S. 55.
5 Holzherr (1971); Myslivec (1972), Sp. 333-338.
6 Durch ihre Kopftypik unmittelbar verwandt sind offensichtlich auch die beiden Petrusfiguren
sowie der auf Petrus von der Bildhandlung her bezogene Apostel (bei Schongauer mit dem Weih-
wasserkessel versehen, zündet er bei Goes die Sterbekerze an). Durch ihre asketischen, den Knochenbau des Gesichtes betonenden Züge ähneln sich schließlich auch die beiden unmittelbar links
hinter Petrus Stehenden.
7 Auch auf dem linken Flügel von Hugos um 1480 entstandener »Kleiner Kreuzabnahme« begegnet
Hugo van der Goes und Martin Schongauers Druckgraphik
207
Abb. 86 Rogier van der Weyden, Columba-Altar, Mitteltafel, München, Alte Pinakothek
nicht mehr zu erklären sind, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Kupferstich und Tafelbild.
Diese Frage wird allerdings nicht unwesentlich dadurch kompliziert, daß
mit der Miniaturdarstellung des Marientodes vom Maitre du Mansel8 bereits
um 1455 eine Formulierung dieses Themas überliefert ist, der in den wesentlichen Zügen Schongauer wie van der Goes folgen (Abb. 89). So findet sich
hier nicht nur das in die Bildtiefe eingestellte Sterbebett mit den Aposteln zu
beiden Seiten, sondern ebenso die den Innenraum sprengende Erscheinung
Christi in der Engelsglorie und - zumindest im Ansatz - die am linken Bilddem Betrachter diese en face aus dem Bilde blickende langhaarige und -bärtige Männergestalt. Inter-
essanterweise findet schließlich auch der vorn links stehende Träger des Leichnams Christi in
Schongauers Kupferstich des Marientodes mit dem vorn links am Bett Knienden einen in seiner
Physiognomie eng verwandten Apostel.
s Fleur des Histoires de J. Mansel; Brüssel, Bibliotheque Royale Albert Ier, Ms. 9231, fol. 236r; Sterling (1973), S. 4-19, Abb. 17.
208
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Abb. 87 Meister von Flemalle, Petersburger Diptychon,
Trinität, St. Petersburg, Staatliche Ermitage
rand erscheinende en face-Figur eines Apostels. C. Sterling (1973)9 vermutete
hinter der Miniatur des Mansel-Meisters eine verschollene Bilderfindung von
Rogier van der Weyden. Sie diente seiner Meinung nach nicht nur als Vorbild
für Hugos Marientod, den er um 1470-75 datierte, und für Schongauers um
1475 angesetzten Kupferstich B. 33, sondern darüber hinaus auch für die Darstellungen des Marientodes auf dem Münchner Tafelbild der »Sieben Freuden
Märiens« von Hans Memling10 und auf dem 1489 datierten Lichtenthaler
9 Sterling (1973), S. 14-16.
10 München, Alte Pinakothek, um 1480; ENP VI a, S. 50, Nr. 33, Tafel 82.
Hugo van der Goes und Martin Schongauers Druckgraphik
Abb. 88 Martin Schongauer, Marientod,
Kupferstich, Wien, Graphische Sammlung
Albertina
209
Abb. 89 Meister des J. Mansel, Fleur des
Histoires, Marientod, Brüssel, Bibliotheque
Royale Albert Ier, Ms 9231, fol. 236 recto
Altar eines schwäbischen Malers in der Staatliche Kunsthalle in Karlsruhe11.
Ohne auf die Überlegungen von Sterling einzugehen und ohne die Miniatur
des Mansel-Meisters in seine Überlegungen einzubeziehen, beschäftigte sich
auch A. Chätelet (1979)12 mit der Frage des Verhältnisses von Schongauers
Stich, Goes' Brügger Tafel und dem Marientod von 1489 in Karlsruhe. Auch
Chätelet vermutete hinter diesen drei Werken ein gemeinsames Vorbild, das
er im Lichtenthaler Altar am getreuesten überliefert sah und das er - abweichend von Sterling - als verlorenes Werk des Dirk Bouts betrachtete. Angesichts der ausgeprägten kompositionellen und motivischen Entsprechungen
zwischen den von Sterling und Chätelet angeführten Werken muß man wohl
in der Tat von einer gemeinsamen Vorlage ausgehen. Abweichend von Chäte-
let und in Übereinstimmung mit Sterling spricht u. E. neben dem frühen
Datum der Miniatur des Mansel-Meisters vor allem auch die zur Gänze auf
Werke Rogiers zurückgehende Gestaltung aller vier erhaltenen Flügelbilder
des Lichtenthaler Altars - Geburt Mariens, Verkündigung, Heimsuchung und
11 Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle; Jan Lauts, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Katalog Alte Meister
bis 1800, Karlsruhe 1966, Bd. 1, S. 276f, Kat. Nr. 806a, 806b; Bd. 2, Abb. auf S. 78f.
12 Chätelet (1979), S. 12 lf.
210
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Marientod - für die Zuschreibung des hypothetischen Urbildes des Marientodes an Rogier.
Mit dieser in der Mansel-Miniatur wohl zuverlässig wiedergegebenen Kom-
position verbindet Hugos Brügger Marientod vor allem die Erscheinung
Christi in der Engelsglorie unmittelbar im Sterbezimmer Mariens. Im Hin-
blick auf dieses Bildelement scheint Hugo direkt auf den vermuteten Marientod Rogiers zurückgegriffen zu haben. Dennoch geht seine Bildformulierung
in einem solchen Maße mit Schongauers Kupferstich überein, daß dies mit der
voneinander unabhängigen, ausschließlichen Rückführung auf ein gemeinsames Vorbild - etwa Rogiers - allein nicht zu erklären wäre: Man beachte
dabei nicht nur die Ubereinstimmung einer Reihe von außerordentlich charakteristischen Kopftypen, sondern vor allem auch den beiden Kompositionen zugrunde liegenden »horror vacui« und die damit verbundene Flächenbindung und »Ornamentalisierung« der Darstellung. Ungeachtet des Nach-
weises einer Schongauer wie van der Goes vorausgehenden altniederländischen
Formulierung des Marientodes, bleibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen
Kupferstich und Brügger Tafel unverändert bestehen.
Die präzise chronologische Reihung der 115 signierten, aber sämtlich undatierten Kupferstiche Schongauers ist in der Forschung bis heute umstritten.
Einmütigkeit besteht aber seit W. von Seidlitz (1884)13 über die Ansetzung
des Marientod-Blattes in die erste Hälfte der 1470er Jahre. Einen sicheren terminus ante quem von 1481 liefert dabei die auf dieses Jahr datierte, gestochene
Kopie des Wenzel von Olmütz14. Auf die Verwandtschaft des Schongauerschen
Marientodes mit demjenigen von Hugo in Brügge wies erstmals J. Destree
(1914)15 hin. Ohne dabei die frühe Entstehung des Schongauer-Stiches zu berücksichtigen, betrachtete er ihn als Kopie nach der spätdatierten Brügger
Tafel.
In Kenntnis der Frühdatierung der Graphik (um 1470-1475), zugleich aber
überzeugt von der Spätdatierung des Brügger Bildes (um 1480-1482), wich die
13 Seidlitz (1884), S. 174f; Scheibler (1884), S. 36; Max Lehrs, Zur Datirung der Kupferstiche Martin
Schongauer's; in: Repertorium für Kunstwissenschaft 18 (1895), S. 430; Wendland (1907), S. 127;
Friedländer (1915), S. 111; Dvorak (1924), S. 176; Lehrs (1925), S. 106; Baum (1948), S. 37; Flechsig
(1951), S. 192, 304; Fifteenth Century Engravings of Northern Europe (Washington 1967), o. S.,
Cat. Nr. 41; Shestack (1969), S. XI; Zeitler (1970), S. 241; Minott (1971), S. 38; Martin Schongauer.
Das Kupferstichwerk (München 1991), S. 70-72, Kat. Nr. 16; Der hübsche Martin (Colmar 1991),
S. 266, K. 9.
14 Wurzbach (1880), S. 106; Max Lehrs, Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert, Bd. 6: Martin Schongauer und seine
Schule II, Wien 1927, S. 202, L. 11.
15 Destree (1914), S. 180. Dieser Vorstellung hing auch noch Panofsky (1953), S. 3375, an: »If, as has
been assumed, this print, copied as early as 1481, were dependent on Flugo's painting the latter's
terminus ante quem would be towards 1480. The relationship between the two works is, however,
extremly doubtful...«.
Hugo van der Goes und Martin Schongauers Druckgraphik
211
nachfolgende Goes-Forschung dem Problem des Verhältnisses der beiden
Arbeiten zueinander aus. Entweder wurde die Fragestellung, wie etwa bei
Friedländer16, gänzlich negiert, oder aber, so z.B. von Winkler17, vorsichtig
zugunsten der zeitlichen Priorität der Graphik gelöst, ohne eine unmittelbare
Abhängigkeit der Goesschen Formulierung von derjenigen Schongauers zuzulassen. Die dieser Ansicht zugrunde liegende Vorstellung eines grundsätzlich
von West nach Ost, von den Niederlanden nach Deutschland verlaufenden
Einflusses formulierte allein O. Pächt (1969)18 unmißverständlich:
»Destree hat sich offenbar nicht klargemacht, daß der Marientod zu den frühen Kupferstichen Schongauers gehört, und so bestand für ihn kein Anlaß zu zweifeln, daß
das Verhältnis zwischen dem niederländischen Bild und dem deutschen (bildmäßigen)
Stich im Sinne der üblichen Vorbildlichkeit der niederländischen für die deutsche
Kunst als Priorität der Goesschen Erfindung zu deuten sei. Winkler hingegen...
glaubte - entgegen jeder historischen Erfahrung - die Priorität dem deutschen Künstler zuerkennen zu müssen.«
Vor diesem Hintergrund erschien es ihm »absurd«19, eine andere Abhängigkeit als die Schongauers von Goes anzunehmen. Da sich Schongauer aber im
Anschluß an seine Wanderjahre bereits 1471 in Colmar endgültig niederließ,
betrachtete Pächt dieses Jahr als eindeutigen terminus ante quem für Hugos
Marientod20. Allein J. S. Held (1952, 1955) und C. Minott (1971)21 vermuteten in Schongauers Kupferstich die unmittelbare Vorlage für die Brügger Tafel.
Angesichts etwa der von A. Markham Schulz (1971)22 überzeugend nachgewiesenen Anregung von Rogiers Columba-Altar (Abb. 86) durch Stephan
Lochners Kölner »Dombild« (Abb. 90)23 wird man die Möglichkeit der Beeinflußung auch niederländischer durch deutsche Künstler heute wohl weniger entschieden verneinen wollen. Hugos Verwendung des Kupferstichs bei
der Formulierung seiner Marientod-Darstellung erscheint durchaus denk16 Friedländer (1926), S. 51.
17 Winkler (1964), S. 80 Ebenso Thompson, Campbell (1974), S. 931, mit der Erwägung wechselseitiger Einflüsse.
18 Pächt (1969), S. 56f.
19 A.a.O., S. 58.
20 Sterling (1973), S. 14-16, datierte Hugos Brügger Marientod unter Berufung auf Pächt in die Jahre
1470-75, während er Schongauers Kupferstich um 1475 datierte. Beide Werke gingen seiner Meinung nach auf eine verlorene Marientod-Darstellung van der Weydens zurück.
21 Julius S. Held, Rezension von A. Janssens de Bisthoven, R. A. Parmentier, Les Primitifs Flamands:
Corpus de la Peinture des Anciens Pays-Bas Meridionaux au Quinzieme Siecle, fasc. 1-4, Le Musee
Communal de Bruges, Anvers 1951; in: College Art Journal 12 (1952), S. 89; derselbe (1955),
S. 232; Minott (1971), S. 38.
22 Anne Markham Schulz, The Columba Altarpiece and Roger van der Weyden's stylistic Development; in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. F. , 22 (1971), S. 63-116.
23 Köln, Dom; Eiche, 238,0 x 263,0 cm, Flügel je 234,0 x 118,0 cm; Alfred Stange, Kritisches Verzeich-
nis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, Bd. 1, München 1967, S. 42, Nr. 95.
212
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Abb. 90 Stephan Lochner, Dombild, Köln, Hohe Domkirche
bar24; bezieht man jedoch Hugos Paveser Mondsichelmadonna in diese Uberlegungen ein, so wird die Verwendung von graphischen Blättern Schongauers
als Ausgangspunkt für die Formulierung eigener Werke durch Hugo van der
Goes zur Gewißheit.
Schongauers Kupferstich der von Engeln bekrönten Madonna auf der
Mondsichel (Abb. 91)25 steht in engstem Zusammenhang mit Hugos Mondsichelmadonna in Pavia (Tafel 31). Beide Bildformulierungen verbindet die
entsprechende Gestaltung von Mondsichel, stilisierten Wolken und Strahlenkranz ebenso wie das Zueinander von Mutter und Kind. Das Sitzmotiv des
sich zum Betrachter umwendenden Kindes, das mit beiden Händen von Maria
auf Stoffwindel und hochgeschlagenem Gewand gehalten wird, findet sich bei
beiden Darstellungen in gleicher Weise wie der Griff der Linken des Kindes
an den Gewandausschnitt der Mutter. Doch in welchem Verhältnis stehen Graphik und Tüchlein zueinander? Für Hugos Paveser Mondsichelmadonna hatten wir auf Grund der Ikonographie wie des Stils eine Entstehungszeit um
24 Schongauers seinerseits auf ein niederländisches Vorbild (vermutlich des Rogier van der Weyden)
zurückgehender Kupferstich diente u. E. van der Goes als Ausgangspunkt für die Formulierung
seines Brügger Tafelbildes. Darüberhinaus scheint aber auch Hugo - im Hinblick auf die den Innenraum sprengende Lichterscheinung Christi - den vermuteten Marientod Rogiers gekannt und teilweise für seine Darstellung genutzt zu haben (s. o. S. 207-210).
Die Verbreitung von Schongauers Kupferstich des Marientodes (B. 33) in den Niederlanden im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts belegt u.a. auch eine Reliefdarstellung des Marientodes, wohl aus
einem in den nördlichen Niederlanden entstandenen Schnitzaltar, die unmittelbar von Schongauers Stich abhängt und heute im Fogg Art Museum, Cambridge, Mass., verwahrt wird (Inv. Nr.
1975. 6; Eiche, 56 x 40 cm, Reste der Farbfassung; Alan Shestack, A late 15th-.Century North
Netherlandish Relief of the »Death of the Virgin«; in: Fogg Art Museum Annual Report
[1974-76], S. 79-83).
25 Bartsch (1808), S. 133f, B. 31; Lehrs (1925), S. 199; Bernhard (1980), Abb. S. 77.
Hugo van der Goes und Martin Schongauers Druckgraphik
213
Abb. 91 Martin Schongauer, Mondsichelmadonna, Kupferstich, Wien, Graphische
Sammlung Albertina
Abb. 93 Martin Schongauer, Peinigung des
hl. Anthonius durch Dämonen, Kupferstich,
Wien, Graphische Sammlung Albertina
Abb. 92 Martin Schongauer, Madonna im
Rosenhag, Colmar, St. Martin
214
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
1476/77 ermitteln können. Die Datierung von Schongauers Kupferstich des
gleichen Themas ist in der Forschung, ähnlich wie beim Blatt mit dem
Marientod, unumstritten: Vor allem wegen der noch unvollkommenen Beherrschung der Kupferstichtechnik wird die Mondsichelmadonna allgemein
zu den frühesten, wohl unmittelbar nach der Niederlassung in Colmar 1471
entstandenen graphischen Arbeiten des Künstlers gezählt26. Diese Frühdatie-
rung kann aber zusätzlich noch durch den Vergleich mit dem um 1473 entstan-
denen Hauptwerk Schongauers, der großen Altartafel mit der Madonna im
Rosenhag in St. Martin in Colmar (Abb. 92)27, erhärtet werden. Die herbe
Kopftypik der Muttergottes - ein eiförmiger, zum Kinn hin zulaufender Kopf
mit deutlich erkennbarer Knochenstruktur - wie die Kopf- und Gesichtsbildung des schon nicht mehr ganz jungen Christkindes finden sich in gleicher
Weise beim Stich wie bei der Colmarer Tafel, nicht hingegen bei den später
entstandenen Tafelbildern Schongauers wie z.B. der Geburt Christi in Berlin28. Bei der Madonna auf der Mondsichel wie bei jener im Rosenhag sind
schließlich auch die beiden Engel, die die große Krone über Mariens Haupt
tragen, in Haltung wie Einzelbildung einander sehr ähnlich. Angesichts dieser
engen Parallelen von Kupferstich und Tafelbild wird man also die Datierung
der Colmarer Tafel als weiteren Anhalt auch für die zeitliche Ansetzung der
Graphik betrachten können. So weist sowohl der Stil als auch die noch
nicht zur Gänze beherrschte Stichtechnik des Blattes auf eine Entstehung zu
Beginn der 1470er Jahre hin. Die zeitliche Priorität von Schongauers Kupferstich29 gegenüber Hugos Mondsichelmadonna in Pavia steht damit fest30. An-
26 Scheibler (1884), S. 35; Seidlitz (1884), S. 170-173; Wendland (1907), S. 23, 127; Friedländer (1915),
S. 107; derselbe (1922), S. 7; Lehrs (1925), S. 199f; Buchner (1941), S. 115; Baum (1948), S. 36; Flech-
sig (1951), S. 192, 317; Fifteenth Century Engravings of Northern Europe (Washington 1967),
o. S., Cat. Nr. 35; Shestack (1969), S. XI; Zeitler (1970), S. 241; Minott (1971), S. 44; Martin Schon-
gauer. Das Kupferstichwerk (München 1991), S. 126, Kat. Nr. 40; Der hübsche Martin (Colmar
1991), S. 250, K. 2.
27 Colmar, St. Martin; Fichtenholz, 200,0 x 115,3 cm (sekundär beschnitten); Stange, Lieb (1970),
S. 35, Nr. 72. Die Datierung auf der Tafelrückseite auf das Jahr 1473 wurde anerkannt auch von
Buchner (1941), S. 79-94, 178-180; Baum (1948), S. 49-51; Flechsig (1951), S. 340-350; Der hübsche Martin (Colmar 1991), S. 69.
Den Zusamenhang des Kupferstiches mit dem Tafelbild der Madonna im Rosenhag beobachtete
erstmals Wurzbach (1880), S. 118; nach seiner Meinung handelte es sich aber bei dem Kupferstich
um »... eine durch Retouschen vollkommen entstellte Originalplatte Schongauers, oder, noch
wahrscheinlicher, eine alte Kopie ...«.
2N Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie; Eiche, 37,5 x 28,0 cm,
Inv. Nr. 1629; Stange, Lieb (1970), S. 36, Nr. 75.
29 In der Gestaltung seines Kupferstichs der Madonna auf der Mondsichel (B. 31) bezog sich Schongauer seinerseits wohl auf dieselben niederländischen Vorbildkreise, die - unabhängig von Schongauer - zumindest teilweise auch für van der Goes' Formulierung der Frankfurter Madonna den
Ausgangspunkt gebildet haben dürften: Zum einen der möglicherweise auf ein halbfiguriges
Madonnenbild des Meisters von Flemalle zurückgehende Einblattholzschnitt in Breslau/Wolfen-
Das Wandbild im »Groot Vleeshuis« in Gent
215
gesichts der engen Bezüge der beiden Werke untereinander kann die Verwen-
dung des Stiches durch Hugo als sicher angenommen werden. Ein dritter
Kupferstich Schongauers, die Peinigung des hl. Antonius durch Dämonen
(Abb. 93)31 - wie Mondsichelmadonna und Marientod von der SchongauerForschung einhellig in die erste Hälfte der 1470er Jahre datiert32 - scheint
Hugo van der Goes in seiner Spätphase angeregt zu haben. In Kopftypik und
Ausdruck entspricht Antonius jedenfalls zur Gänze dem älteren der beiden
Propheten der Berliner Hirtenanbetung (Tafel 15)33.
II. Vergessene Monumentalmalerei: Das Wandbild im »Groot Vleeshuis«
in Gent und der Portinari-Altar
Auch für die Darstellung der Anbetung des Kindes auf der Mitteltafel des Portinari-Altars (Tafel 5) lassen sich bewußte Rückgriffe des Malers auf die Bildbüttel, zum anderen die sich auf das Gnadenbild in Cambrai beziehenden Madonnendarstellungen
von Dirk Bouts oder Rogier van der Weyden; s. o. S. 110 f. Dabei ist eine unmittelbare Kenntnis
der niederländischen Vorbilder ebenso vorstellbar wie ihre Vermittlung durch Kupferstiche in
der Art der wohl um 1460 entstandenen Madonna in der Fensternische des Meisters E. S. ; Holm
Bevers, Meister E. S. Ein Oberrheinischer Kupferstecher der Spätgotik, Staatliche Graphische
Sammlung München, Kupferstichkabinett Berlin 1986/87, München o. J. (1986), S. 47f, Kat. Nr. 35,
Abb. 36.
Am 23. März 1990 kam bei Christie's in London als Nr. 63 die Mondsichelmadonna eines Nachfolgers des Kölner Bartholomäus-Meisters zum Verkauf. Anders als Hugos Tüchlein übernahm diese
Komposition Schongauers Kupferstich bis hin zu den beiden die Madonna bekrönenden Engeln.
31 Bartsch (1808), S. 140f, B. 47; Lehrs (1925), S. 243; Bernhard (1980), Abb. S. 86.
32 Wurzbach (1880), S. 97; Scheibler (1884), S. 35; Seidlitz (1884), S. 170-173; Wendland (1907),
S. 127; Friedländer (1915), S. 111; Dvorak (1924), S. 173; Lehrs (1925), S. 243; Baum (1948), S. 34;
Flechsig (1951), S. 192, 317; Fifteenth Century Engravings of Northern Europe (Washington 1967),
o. S. , Cat. Nr. 37; Martin Schongauer. Das Kupferstichwerk (München 1991), S. 138-141,
Kat. Nr. 54; Der hübsche Martin (Colmar 1991), S. 268, K. 10.
33 Pächt (1969), S. 58, wies darauf hin, daß sowohl Schongauers Antonius als auch Hugo van der Goes'
Prophet im Hinblick auf ihre verwandte Kopfbildung eine »Genter Ahnenreihe« besitzen. Dies
ist unbestreitbar. Es ist u. E. allerdings kein Argument gegen die Verwendung des SchongauerStichs durch Goes. Schongauer dürfte während seiner Wanderjahre in den Niederlanden auch den
Genter Altar gesehen und studiert haben - die Vorstellung einer Vermittlung der Kenntnis der
»eyckischen« Kopftypen an Schongauer durch Hugos Hirtenanbetung ist somit unbegründet. Gerade im Hinblick auf den Stich B. 47 mit dem hl. Antonius konnte Lilli Fischel, Zu Schongauers
»Heiligem Antonius«; in: Studien zur Kunst des Oberrheins. Festschrift für Werner Noack, Kon-
stanz-Freiburg 1959, S. 92-98, überzeugend nachweisen, daß sich Schongauer hier direkt auf ein
Werk aus dem van Eyck-Kreis mit der Darstellung des hl. Michael im Kampf mit Teufeln bezog,
das in einer Zeichnung aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in London, British Museum,
überliefert ist, und das seinerseits für eine Reihe weiterer altniederländischer Werke bis hin zu Ge-
rard Davids Triptychon in Wien, Kunsthistorisches Museum (ENP VI b, S. 101, Nr. 166, Tafel
178-180), als Vorlage gedient haben muß.
In die gleiche Richtung dürften auch die Beziehungen zwischen Schongauers Marientod und der
Marientod-Miniatur des Mansel-Meisters (s. o. S. 207-210) weisen. Sollte hinter der Miniatur tat-
216
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
tradition nachweisen. Als besonderes Merkmal dieser Anbetungsdarstellung
ist immer wieder (und zu Recht) der leere Bildraum hervorgehoben worden,
der von einem Figurenkranz eingefaßt und dadurch zugleich erst geschaffen
wird und in dessen Zentrum das neugeborene Kind hilflos am Boden liegt.
E. Panofsky (1953)34 hat die Ausdrucksmächtigkeit dieser ungewohnten Bildkomposition eindrucksvoll beschrieben:
»In Hugo's development the position of the Portinari altarpiece ... corresponds, in a
sense, to that of the Ninth Symphony in Beethoven's. The rules and Conventions of
a >classic< form are still observed. But they are exploited, not to say strained, to the
very limits of their capacity ... Thus streams of energy seem to converge towards the
Nativity scene; but in the center of this whirlwind there is calm. Admidst the jubilation of the heavenly host, the quiet reverence of the adoring angels and St. Joseph,
the touching, dumb devotion of the ox... , and the wild piety of the shepherds, the
Virgin Mary and the Christ Child are alone, encompassed by a circle of solitude. It
is in order to accentuate this sense of loneliness that the scale of the figures varies, not
according to the laws of perspective... but so as to create the illusion of distances
>measureless to man<; that the piece of ground on which the Infant is placed is so large
and so bare; and that the circle of figures surrounding Him is completed in front by
what looks like a mere still life, but is in fact the key to an exceptionally intricate
system of symbolism.«
Was wie tiugos ureigene Bildformulierung erscheint, dürfte aber mit größter
Wahrscheinlichkeit das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit
einer etwa drei Jahrzehnte älteren Genter Darstellung desselben Themas sein.
In den Jahren 1445-48 wurde in Gent an das »Groot Vleeshuis«, die Verkaufsstätte der Metzger-Zunft der Stadt, eine Kapelle angebaut-13. Die von
einem Spitzbogen eingefaßte Stirnseite des Raumes wurde mit einer Geburts-
darstellung bemalt (Abb. 94). Im Mittelpunkt der 3,58 m hohen und 4,36 m
breiten Komposition liegt das neugeborene Kind von einer Glorie umgeben
auf dem bloßen Boden. Kreisförmig und völlig regelmäßig umschließt ein
Kranz in Anbetung niederkniender Figuren dieses Bildzentrum, es dadurch
um so stärker betonend: Links und rechts Maria und Joseph, in der Bildtiefe
eine Hebamme, vorn zwei Engel, die eine ungeflügelte, in Rückansicht gegebene Orantenfigur flankieren. Nur wenige, versatzstückartig verstreute Bildsächlich eine bedeutende, heute verlorene Komposition dieses Themas von Rogier stehen, die ihrerseits Schongauer zu seinem Kupferstich angeregt haben könnte, so spräche doch nichts gegen einen
unmittelbaren Bezug zwischen Kupferstich und Hugos Brügger Tafel. Die Beziehungen zwischen
diesen beiden Werken sind jedenfalls so eng, daß das eine fraglos durch das andere beeinflußt worden sein muß.
34 Panofsky (1953), S. 332f.
Auch Friedländer (1926), S. 22f, betonte die besondere kompositionelle Lösung des PortinariAltars.
35 Gent. Duizend Jaar Kunst en Cultuur (Gent 1975), Bd. 1, S. 63-70; Rudy van Elslande, De geboorte
van Christus in het Groot Vleeshuis; in: Ghendtsche Tydinghen 11 (1982), S. 99-108.
Das Wandbild im »Groot Vleeshuis« in Gent
217
Abb. 94 Genter Meister von 1448, Geburt Christi, Wandmalerei, Gent, Groot Vleeshuis
elemente vermitteln dem Betrachter eine Vorstellung vom Schauplatz des Ge-
schehens. So ist unmittelbar hinter Maria die Krippe mit Ochs und Esel zu
sehen, erhebt sich hinter der Hebamme ein von burgartigen Gebäuden be-
krönter Berg, an dessen Abhang die Szene zu spielen scheint und von dem ein
Hirte herabsteigt. Von der im Scheitelpunkt des Bogens erscheinenden Figur
Gottvaters gehen Lichtstrahlen in Richtung des Kindes aus. In der vorderen
Bildzone ist die eigentliche Geburtsdarstellung erweitert worden durch die zur
Anbetung des Kindes niederknienden Gestalten Philipps des Guten und seines
Sohnes Karl auf der linken und durch Isabella von Portugal und Adolf von
Cleve auf der rechten Seite. Die Identifikation der Mitglieder der herzoglichen
Familie wird durch die von Engeln über den Figuren gehaltenen Wappenschilde gewährleistet. Die Darstellung wird am unteren Rand durch eine gemalte Inschrift abgeschlossen, die Stifter und Datierung mitteilt:
»(Dit) HEEFT DOEN MAKEN JACOB DE KETELBO(etere int jaar ons heeren als
m)EN SCHREEF M.CCCC ENDE XLVIII«36
Während der Stifter Jacob de Ketelboetere, als reicher Fleischhauer und Fisch-
händler vielfach in den zeitgenössischen Dokumenten der Stadt Gent erj6 Wiedergabe des Textes einschließlich der Ergänzungen a.a.O., S. 64.
218
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
wähnt, ebenso wie das Jahr der Stiftung 1448 in der Inschrift genannt werden,
ist über die Identität des Malers nichts bekannt,7. Die erstmals von E. de Bus-
scher (1859)38 vorgeschlagene Zuschreibung an den Genter Maler Nabur
Martins bleibt in Ermangelung jeglicher Werke dieses Malers völlig hypothe-
tisch.
Der Darstellung der Geburt Christi im »Groot Vleeshuis« kommt aber - als
nahezu einzigem Beleg für das künstlerische Schaffen im Gent der 1430er bis
1460er Jahre - hohe Bedeutung zuj9. Im Hinblick auf die Entstehung des
Wandbildes im Jahre 1448 wirken die engen Bezüge in Komposition und Stil
zu Werken des Meisters von Flemalle, insbesondere zu dessen Geburt Christi
in Dijon (Abb. 95)40, allerdings überraschend altertümlich41. Die Figuren beider Darstellungen sind einander in Proportion und Gewandstil eng verwandt;
Details wie die stoffreiche Kopfbedeckung der Flebamme oder die brennende
Kerze Josephs42 finden sich in beiden Werken. Es ist aber vor allen Dingen
die Komposition, die das Tafelbild des Meisters von Flemalle und das Genter
Wandbild miteinander verbindet. In einer dem Bildaufbau des Wandbildes
ganz entsprechenden Art ist auch beim Flemaller Meister das am Boden he-
gende Kind der Mittelpunkt der Komposition. Die nicht sehr ausgedehnte
Bodenzone um das Kind wird in Dijon wie in Gent seitlich und zur Bildtiefe
hin von den drei mächtigen Figuren Mariens, Josephs und der Flebamme eingegrenzt. In der Begrenzung dieses Raumes zum Vordergrund hin unterscheiden sich aber beide Bilder voneinander. Zwar schließt auch der Meister von
Flemalle durch den auf dem Boden ausgebreiteten Umhang Mariens sowie
durch das Schriftband der Hebamme das Kind in gewisser Weise zum Vorder-
grund hin ab, aber die Figurenanordnung ist prinzipiell zum Betrachter hin
offen. Beim Wandbild des »Vleeshuis« sind es hingegen die Engel und die von
ihnen flankierte Rückenfigur, die im übertragenen Sinne die Position des Betrachters der Tafel in Dijon einnehmen: Die Figurenanordnung um die leere
Bodenfläche, in deren Zentrum das Kind liegt, ist zum Kreis geschlossen.
37 A.a.O., S. 67-69.
38 De Busscher (1859), S. 145-186.
39 Dhanens (1984), S. 1-98, versuchte u.a. die bisher mit dem Meister von Flemalle in Verbindung
gebrachten Frankfurter Tafeln an einen anonymen Genter Meister um 1440 zuzuschreiben. Ihr Beweisgang bleibt reine Hypothese und kann nicht überzeugen. Ein entsprechender Vorschlag von
L. Maeterlinck, Une ecole meconnue. Nabur Martins ou le Maltre de Flemalle, Bruxelles-Paris
1913, blieb schon seinerzeit ohne Erfolg.
Auch weiterhin gilt Panofskys (1953), S. 340, Feststellung, daß abgesehen von der Geburtsdarstellung im »Groot Vleeshuis« so gut wie nichts von der Genter malerischen Produktion der Jahre
zwischen dem Tod Hubert van Eycks und dem Auftauchen von Joos van Wassenhove und Hugo
van der Goes erhalten geblieben ist bzw. sicher identifiziert werden kann.
40 ENP II, S. 70, Nr. 53, Tafel 76.
41 Panofsky (1953), S. 340.
42 Zur Herkunft dieses Motivs aus den Revelationes der Hl. Birgitta von Schweden a.a.O., S. 126.
Das Wandbild im »Groot Vleeshuis« in Gent
219
Abb. 95 Meister von Flemalle, Geburt Christi, Dijon,
Musee des Beaux-Arts
Ob man in der so betont in die Mittelachse des Bildgefüges eingestellten
Rückenfigur mit E. de Busscher (1859)43 eine Darstellung des Stifters Jacob
de Ketelboetere sehen kann, bleibe dahingestellt. Eine solche Stifterdarstellung
in Rückenfigur stünde völlig isoliert in der altniederländischen Malerei, soweit
sie uns erhalten geblieben ist. Andererseits ist die Betonung der Orantengestalt
durch ihre Stellung in der Bildachse und durch die auffällige Kontaktaufnahme
des Christkindes mit ihr unübersehbar. Aber ganz unabhängig von der Frage
nach der Identifizierung dieser Figur ist es die spezifische Bildformulierung
mit einem geschlossenen Figurenkreis um das am Boden liegende Kind, die
deutlich das Genter Wandbild von der Geburtsdarstellung in Dijon (und
ebenso von den Geburtsdarstellungen in seiner Nachfolge bis hm zu Rogier,
Daret, Christus und Bouts44) absetzt, es zugleich aber eng mit Hugo van der
43 Busscher (1859), S. 127f.
44 So z. B. Rogier van der Weyden, Bladelin-Altar, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
(ENP II, S. 67, Nr. 38, Tafel 59-61), Jacques Daret, Geburtsdarstellung aus dem Altar von 1434
220
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Goes' Portinari-Altar verbindet45. Als Dekoration der Kapelle einer der bedeutendsten Zünfte Gents gehörte die Geburt Christi im »Groot Vleeshuis«
zweifellos zu den jederzeit zugänglichen und, schon durch seine schiere
Größe, bedeutenden Kunstwerken im öffentlichen Raum der Stadt. Seine
Kenntnis kann daher für Hugo van der Goes fraglos vorausgesetzt werden.
Angesichts der auffälligen Ubereinstimmungen zwischen Wandbild und Portinari-Altar in der Gestaltung des Figurenkranzes um das in der Mitte des ansonsten leeren Bildzentrums liegende Kind scheint Hugos intensive Auseinandersetzung mit dieser Komposition aber mehr als wahrscheinlich.
III. Die Kunst der Anverwandlung: Hugos Auseinandersetzung mit der
Bildtradition
Angesichts der Entlehnung von Vorbildern aus dem Bereich der Graphik, der
Tafel- und Wandmalerei zur Erarbeitung eigener Bildentwürfe durch Hugo van
der Goes stellt sich abschließend die Frage nach der Art seiner Auseinanderset1
zung mit diesem eher heterogenen Material. Wie die Untersuchungen gezeigt
haben, lassen sich durchaus unterschiedliche Formen der Verarbeitung von
Vorbildern feststellen. So kann sich, wie im Falle des Schongauerschen Kupferstichs der Antonius-Peinigung (Abb. 93), die Anregung (und damit die Übernahme) auf einen einzelnen Kopftypus beziehen, der in einem völlig neuen
Kontext - bei dem älteren der beiden Propheten der Berliner Hirtenanbetung
(Tafel 15) - seine Wiederverwendung findet.
Die Anbetungsdarstellungen von Monforte- und Portinari-Altar (Tafeln 1, 5)
zeigen demgegenüber die Adaption von vollständigen Bildformulierungen desselben Themas, die allerdings in freier und eigenständiger Weise neu interpretiert werden. Wenden wir uns zunächst dem Monforte-Altar und seinem
Verhältnis zu Rogiers Columba-Altar (Abb. 86) zu. Die kompositioneilen
Gewichte sind, bei aller Verwandtschaft der Figurenanordnung, deutlich verschoben: Bilden bei Rogier die Gottesmutter mit dem Kmd gemeinsam mit
für die Abtei St. Vaast in Arras, Lugano, Sammlung Thyssen-Bornemisza (ENP II, S. 76, Nr. 79,
Tafel 104), Petrus Christus, Diptychon mit Verkündigung, Geburt und Weltgericht von 1452, Berlin, Staatliche Musen Preußischer Kulturbesitz (ENP I, S. 83, Tafel 77), Petrus Christus, Geburt,
New York, Wildenstein (ENP I, S. 85, Tafel 82), Petrus Christus, Geburt, Washington, National
Gallery of Art (ENP I, S. 104, Tafel 102), Dirk Bouts, Geburt, Philadelphia, John G. Johnson Collection (ENP III, S. 62, Nr. 23, Tafel 41).
43 Daß Hugo van der Goes mit seiner Anbetungsdarstellung des Portinari-Altars natürlich zugleich
weitere Vorbildkreise nutzte (z. B. Formulierungen des Themas wie Rogier van der Weydens BladelinAltar in Berlin; s. u. S. 221-223) muß wohl nicht eigens betont werden; was in unserem Zusammenhang besonders interessiert, ist allein die Herkunft des Figurenkranzes um ein bis auf das Christuskind leeres Bildzentrum.
Die Kunst der Anverwandlung
221
dem ältesten König den Mittelpunkt von Komposition und Bildgehalt, so ist
dies bei Hugo durch die Plazierung Mariens in der linken Bildhälfte, vor allem
aber durch die so betonte Einfügung des leuchtend rot gekleideten ältesten
Königs in der Bildachse eindeutig zu dessen Gunsten verschoben. Der Anbetungsvorgang an sich, wie in einer Art Anleitung für den Betrachter, tritt so
noch stärker in den Vordergrund.
Entscheidend für die Bildwirkung der Monforte-Anbetung im Vergleich zu
Rogier ist aber vor allem das gleichzeitige Streben nach Monumentalisierung
und Beruhigung der Darstellung. Dies schlägt sich nicht nur in der Haltung
der Figuren nieder, die - im Gegensatz zu Rogier46 - jedes transitorische Moment vermeiden und stattdessen in größtmöglicher Ruhe verharren; dieselbe
Tendenz zu ikonenhafter Präsenz der Einzelgestalt ist auch an der Vereinfachung der Gewanddarstellung wie auch an der Farbgestaltung der Gesamtkomposition ablesbar47: Die durchgehende Buntfarbigkeit Rogiers wird zugunsten der koloristischen Heraushebung einzelner, für das Bildgefüge zentra-
ler Figuren aufgegeben48. Die Monumentalisierung der Monforteanbetung
im Vergleich zum Columba-Altar wird schließlich auch durch ein verändertes
Verhältnis der Figuren zur Bildarchitektur und zum Bildraum bewirkt. Wo
Rogier peinlich darauf bedacht ist, die ruinöse Architektur als Schauplatz des
Geschehens in ihrer ganzen Ausdehnung ins Bild zu setzen, läßt Hugo sie
ebenso durchgängig durch den gewählten Bildausschnitt fragmentieren; wo
Rogier hinter dem Bildzentrum - Maria mit dem Kind und dem ältesten König
- den Bau durch Arkaden öffnet und somit den Blick auf eine kleinteilige,
bunte Hintergrundslandschaft freigibt, schließt Hugo hinter Mutter und Kind
den Hintergrund in gesamter Höhe mit einer Mauer und hinterfängt dadurch
den Zielpunkt der Verehrung des ältesten Königs mit einer nahezu monochromen Farbfolie. Der »horror vacui« schließlich, der Rogier das Bildpersonal
möglichst eng aneinander rücken läßt, ist bei Hugo abgelöst durch eine stärkere Betonung des Freiraums, der jede seiner Figuren umgibt.
Entsprechende Beobachtungen lassen sich am Portinari-Altar (Tafel 5)
machen. Hier war nicht nur die Verwendung des in der »Vleeshuis-Anbetung«
von 1448 (Abb. 94) vorgebildeten Motivs des Figurenkranzes um das Kind zu
beobachten, sondern zugleich die Bezugnahme auf Rogiers Bladelin-Altar
46 Man vergleiche etwa das narrative Element der Zuwendung des ältesten Königs zum Christkind
in Rogiers Darstellung mit der entsprechenden Figurenkonstellation bei Hugo oder die Gruppe
der beiden jüngeren Könige mit dem Diener in der jeweiligen Bildformulierung Rogiers und
Hugos.
4' Diese Vereinfachung wird insbesondere bei einem Vergleich jeweils der ältesten und jüngsten
Königsgestalten deutlich.
48 Dies betrifft vor allem die Gestalt des ältesten Königs, ferner die beiden die Komposition seitlich
verfestigenden Figuren Josephs und des jüngsten Königs.
222
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
Abb. 96 Rogier van der Weyden, Bladelin-Altar, Mitteltafel, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
(Abb. 96). Die besondere Lösung, die Rogier bei diesem Altar für die Architek-
turdarstellung wählte - anstelle der sonst üblichen »modernen« zentralperspektivischen Konstruktion hier die eher »altmodisch« wirkende Lösung mit
zwei Fluchtpunkten - steht unter seinen erhaltenen Werken isoliert49. Durch
die spezifische Perspektive bedingt, werden alle Figuren in ihrer Plazierung
im Raum an Diagonallinien orientiert, die der Bildtiefe zustreben. Eben dieser
Form der Raumerschließung, verbunden mit der Übernahme der durch die
Säule von der Hauptszene etwas abgesetzten Figur Josephs, bediente sich auch
49 Panofsky (1953), S. 166 und 278, mit dem Hinweis auf die Bezüge der Bladelin-Anbetung zur Tafel
des gleichen Themas vom Meister von Flemalle in Dijon, deren Raumdarstellung ebenfalls an zwei
Fluchtpunkten orientiert ist.
Die Kunst der Anverwandlung
223
Hugo bei der Anbetung des Portinari-Altars. Für die Gestaltung des vom
»Vleeshuis«-Wandbild übernommenen, streng symmetrisch organisierten Figurenkreises um das Neugeborene hatte dies allerdings eine für die Bildwirkung
wesentliche Konsequenz. War beim Wandbild die Komposition gänzlich flächengebunden, so bewirkt der Figurenkranz beim Portinari-Altar das genaue
Gegenteil. Durch seine Orientierung entlang einer nach rechts in die Bildtiefe
führenden Diagonale dient der so zur Ellipse umgeformte Kreis der Anbetenden wirkungsvoll der Raumerschließung, deren Dynamik noch durch die
Gruppe der herbeieilenden Hirten betont wird.
Neben die im Vergleich zur »Vleeshuis«-Darstellung beträchtliche, im Vergleich zum Bladelin-Altar immer noch deutlich spürbare Erweiterung der
Raumhaltigkeit der Komposition, tritt schließlich auch bei der Anbetung des
Portinari-Altars die Monumentalisierung der Gesamtdarstellung wie der Einzelfigur. In auffälligem Gegensatz zum Bladelin-Altar (und in Parallele zu den
Beobachtungen am Monforte- im Vergleich zum Columba-Altar) ersetzt Hugo
die in keinem Verhältnis zum Figurenmaßstab stehende, dafür aber zur Gänze
dargestellte Architektur auch im Portinari-Altar durch die nur im Ausschnitt
wiedergegebenen Bauten, in denen das Geschehen stattfindet. Bei der Mehrzahl der Figuren herrscht schließlich eine gleichfalls vom Monforte-Altar her
vertraute Ruhigstellung vor, lediglich bei den zuletzt am Ort der Anbetung
eintreffenden Hirten kommt noch unmittelbar ein Handlungs- und Bewegungsablauf zur Darstellung. Handelte es sich bei den beiden zuletzt genannten Beispielen um Bildformulierungen Hugos, die zwar die intensive Auseinandersetzung des Malers mit verschiedenen, z.T. auch miteinander kombinierten Vorlagen dokumentieren, die aber dennoch zu völlig neuen Darstellungen
des jeweiligen Bildthemas führen, so begegnen wir mit der Paveser Mondsichelmadonna und dem Brügger Marientod zwei Werken, die von der weitgehenden Übernahme bereits bestehender Bilderfindungen - den Kupferstichen
Martin Schongauers - geprägt sind. Umso interessanter ist es auch hier, die Abweichungen von der Vorlage genauer ins Auge zu fassen.
Die bedeutsamste kompositionelle Veränderung von Hugos Paveser Mondsichelmadonna (Tafel 31) gegenüber der Vorlage (Abb. 91) besteht in der Auslassung der beiden die Madonna krönenden Engel, in der Erweiterung des die
Figur nun allseits umziehenden Wolkenbandes und schließlich in der Reduktion des zur Darstellung kommenden Figurenausschnitts auf das Halbfiguren-
format. Dadurch wird die Madonna nicht nur dem Betrachter im Wortsinn
»nähergebracht«50, sondern die Gesamtkomposition selbst wird nun stärker
in sich geschlossen: Dem Halbkreis der Mondsichel am unteren Bildrand antwortet am oberen die entsprechende Segmentform der Wolken. Hugos Verd0 Ringbom (1965/84).
224
Hugos Verhältnis zur Bildtradition
änderung von Haltung und Zueinander der Figuren gegenüber dem Stich geht
dazu parallel. Die innige Beziehung, die Mutter und Kind miteinander verbindet, wird an Kopfneigung und Blick Mariens ebenso deutlich wie an ihren so
betont ins Bild gesetzten, das Kind bergenden Händen oder dem scheuen Sichumwenden des Kindes und seinen zur Mutter erhobenen Händchen. Gegen-
über dieser intimen Mutter-Kind-Beziehung bei Hugo dominiert bei Schongauer deutlich das Herrscherliche der Himmelskönigin51, die dem Betrachter
ihr Kind eher präsentiert, als es vor ihm birgt.
Eine ähnliche Intensivierung des Ausdrucks - der unterschiedlichen Funktion von Goes' Mondsichelmadonna und Marientod als Gegenstand privater
Andacht bzw. als öffentlich ausgestelltes Altarbild ungeachtet - läßt sich auch
bei einem Vergleich von Brügger Marientod (Tafel 16) und Schongauers Kupferstich des gleichen Themas (Abb. 88) feststellen. Am eindrücklichsten ist der
Kontrast bei der jeweiligen Darstellung der Gottesmutter. Stellt Schongauer
sie als Schlafende dar, so läßt Hugo keinen Zweifel daran, daß Maria »in extre-
mis« liegt: Der kraftlos in die Kissen zurückgesunkene Kopf, die fahle Gesichtshaut, der leicht geöffnete Mund und die gebrochenen Augen vermitteln
ein erschreckend »lebendiges« Bild einer Sterbenden. Doch kennzeichnend für
die andere Bildgesinnung Hugos ist auch seine von Schongauer abweichende
Wiedergabe der Apostel. Während sie auf dem Kupferstich eine eher der Bildtradition entsprechende vielgestaltige Aktivität entfalten32 - Johannes steckt
Maria die Sterbekerze in die Rechte, Petrus schwenkt den Weihwasserwedel,
ein Apostel hält den zugehörigen Kessel, ein weiterer zieht Mariens Kopftuch
zur Seite, zwei andere sind in die Lektüre eines Buches vertieft, jeweils ein weiterer Apostel hält das Prozessionskreuz, ein Weihrauchfaß bzw. einen Rosenkranz - ist in Brügge alle Tätigkeit bis auf das zeremoniell notwendige Anzünden der Sterbekerze zum vollkommenen Stillstand gekommen. Wie bewußt
diese von Schongauer wie von der Bildtradition abweichende Gestaltung von
Hugo ins Bild gesetzt wurde, zeigt überdeutlich die Feststellung, welche Figuren er unmittelbar aus der Graphik übernimmt: Es sind dies fast ausschließlich
jene, die auch schon bei Schongauer nicht in die eigentliche Bildhandlung einbezogen waren, wie die Apostel am linken Bildrand um den en face Gegebenen, der Alte unmittelbar hinter Petrus oder der rechts am Fußende des Bettes
Kniende. Das übrige, bei Schongauer so tätige Bildpersonal, wird von Hugo
durch Figuren ausgewechselt, die sich ausschließlich und passiv ihrer dumpfen
51 Wie weit diese Akzentsetzung von Schongauers Bildformulierung durch eindeutige Auflagen etwa
eines Auftraggebers - etwa zur Wiedergabe eines bestimmten Gnadenbildes - vorbestimmt war,
läßt sich nicht mehr feststellen, da die näheren Umstände der Entstehung seines Kupferstichs unbekannt sind.
Myslivec (1972), Sp. 333-338. Das aufgewühlte Faltengeschiebe der Gewänder der Apostel wirkt
wie ein Echo auf ihr hektischen Treiben am Sterbebett Mariens.
Die Kunst der Anverwandlung
225
Kontemplation des Sterbens der Gottesmutter hingeben. Keiner der Apostel
kümmert sich im eigentlichen Sinne um die Sterbende, die dadurch in ihrer
Todesnot umso allein gelassener wirkt: Bis auf das Anzünden der Sterbekerze
ist alle Handlung zum Stillstand gekommen, dafür aber die bedrückendhoffnungslose Stimmung des Sterbezimmers um so eindrücklicher einge-
fangen.
Die für Hugo van der Goes' spätdatierten Werke so kennzeichnende Flächenbindung und Raumlosigkeit des Brügger Marientodes war bis zu einem
gewissen Grade bereits bei Schongauers Kupferstich vorgegeben, dessen Gestaltung so offensichtlich von »horror vacui«-Gefühlen des Künsters geprägt
wurde. Insbesondere durch die diagonale Lagerung der Gottesmutter, durch
die perspektivisch »falsche« Darstellung des Bettes wie durch das Fortlassen
des Baldachins und der Vorhänge reduzierte Hugo gegenüber Schongauer zusätzlich die Anhaltspunkte, die es dem Betrachter ermöglichen könnten, sich
den Bildraum zu erschließen. Die gleiche Wirkung hat auch die Lichterscheinung, die Christus und die ihn begleitenden Engel umfängt - dies allerdings
ein Motiv, das bei Schongauer nicht vorkommt. Doch auch mit der Darstellung Christi, der sich anschickt, die Seele seiner Mutter gen Himmel zu tragen,
greift Hugo prinzipiell auf die Bildtradition zurück53.
Wie ließe sich also zusammenfassend das Verhältnis des Hugo van der Goes
zur Bildtradition charakterisieren? Wir haben die unterschiedlichsten Formen
der Aneignung und Verarbeitung fremder Kompositionen und fremden Formengutes beobachten können, was aber angesichts der Bedingungen des künst-
lerischen Schaffens in den Niederlanden der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht überraschen wird. Die Auseinandersetzung mit, aber auch die unmittelbare Übernahme von bereits vorliegenden Bildformulierungen anderer
Künstler, seien es solche aus den Niederlanden oder auch aus den benachbarten Gebieten, war selbstverständliche Praxis für die in der überwältigenden
Mehrheit von Handwerkermentalität geprägten Künstler. Die Vorstellung,
D- Mit der Lichterscheinung des von Engeln umgebenen Christus griff van der Goes offenbar direkt
auf eine Formulierung eines Marientodes zurück, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Rogier
van der Weyden zurückgeht (s. o. S. 207-210).
Dieses Motiv erscheint ein weiteres Mal bei einer Marientod-Darstellung der Goes-Nachfolge in
der National Gallery in London (ENP IV, S. 73, Nr. 25c, Tafel 38), allerdings verbunden mit einer
der Bildtradition folgenden bildparallelen Aufstellung des Sterbebettes. Wie die Darstellungen des
Marientodes im Stile Hugos in Prag und Berlin (ENP IV, S. 73, Nr. 25a, 25b, Tafel 38) setzt auch
die Londoner Tafel den Brügger Marientod voraus. Angesichts der pasticcioartigen Verbindung von
Bildelementen der Brügger Tafel (vor allem hinsichtlich der Typenbildung) mit solchen der traditionellen Ikonographie des Themas ist auch die Möglichkeit des Rückgriffs auf eine frühere, im
Original verlorene Formulierung dieses Themas durch Hugo selbst auszuscheiden. Die drei Tafeln
in Prag, Berlin und London sind daher nicht nur im Hinblick auf ihre Ausführung, sondern auch
hinsichtlich der Bildformulierung als Arbeiten von Nachfolgern van der Goes' zu betrachten.
TAFEL 2
Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Maria mit Kind und dem ältesten König, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
TAFEL 3
Hugo van der Goes, Monforte-Altar, zweiter König, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz,
Gemäldegalerie
TAFEL 4
Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Mohrenkönig, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz,
Gemäldegalerie
TAFEL 5
TAFEL 6
Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Mitteltafel, Hirtengruppe, Florenz, Uffizien
TAFEL 7
Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Innenseite des rechten Flügels, Die Fiedigen Margarete und Maria
Magdalena, Florenz, Uffizien
TAFEL 8
Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Innenseite des linken Flügels mit
dem hl. Andreas und dem schottischen König Jakob III. und dessen Sohn
Jakob (?), The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland,
Edinburgh
TAFEL 9
Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Innenseite des rechten Flügels
mit dem hl. Georg (?) und der schottischen Königin Margarete von Däne-
mark, The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland,
Edinburgh
TAFEL 10
Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des linken Flügels mit
dem Gnadenstuhl, The Royal Collection, On loan to National Gallery of
Scotland, Edinburgh
TAFEL 11
Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des rechten Flügels
mit Edward Bonkil und zwei Engeln, The Royal Collection, On loan to
National Gallery of Scotland, Edinburgh
TAFEL 12
ttXKVi tt
Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des rechten Flügels, Edward Bonkil, The Royal Collec-
tion, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh
Hugo van der Goes, Hippolytus-Altar, Innenseite des linken
Flügels, Bildnisse des Stifters Hippolyte de Berthoz und seiner
Gattin Elisabeth de Keverwyck, Brügge, St. Salvator
TAFEL 14
TAFEL 15
Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Prophet, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
TAFEL 16
Hugo van der Goes, Marientod, Brügge, Groeningemuseum
TAFEL 17
Hugo van der Goes, Marientod, Apostelgruppe um Petrus, Brügge, Groeningemuseum
TAFEL 18
Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Innenseite des linken Flügels, Sündenfall, Wien, Kunsthistorisches Museum
TAFEL 19
Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Innenseite des rechten Flügels, Beweinung, Wien, Kunsthistorisches Museum
TAFEL 20
Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Außenseite des linken Flügels, Hl. Genovefa, Wien,
Kunsthistorisches Museum
TAFEL 21
Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Maria mit dem Kind, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
TAFEL 22
Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Makroaufnahme der sekundären Übermalung am
Handgelenk der Rechten Mariens, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut
TAFEL 23
Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Lissabon, Museu des Arte Antiga
TAFEL 24
Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, New York, Metropolitan Museum of Art
TAFEL 25
Hugo van der Goes, Diptychonflügel mit Stifter und Johannes dem Täufer, Baltimore, Walters Art Gallery
TAFEL 26
Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, linker Flügel, amerikanischer Privatbesitz
TAFEL 27
Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Berlin, Staatliche Museen Preußischer
Kulturbesitz, Gemäldegalerie
TAFEL 28
TAFEL 29
Goes-Werkstatt, Madonna und Kind, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
TAFEL 30
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TAFEL 31
Hugo van der Goes, Madonna und Kind, Pavia, Pinacoteca Malaspina
226
Stilentwicklung und Chronologie
daß eine neue, sich von allen Vorbildern radikal absetzende, individuelle Bilderfindung höher zu bewerten sei, als die gewissenhafte »Redaktion« einer be-
währten Bildtradition, ist für Künstler und Auftraggeber zur Schaffenszeit
Goes' als schlicht ahistorisch zu betrachten: Zeigen doch gerade die zahlreichen Kopien bekannter Werke das Auftraggeberinteresse am Besitz oder der
Stiftung eines Bildes, das als vorbildliche Formulierung eines bestimmten Bildgegenstandes galt54. In dieser Hinsicht also unterscheidet sich Hugo nicht
von den übrigen Künstlern seiner Zeit. Was ihn aber von der Mehrzahl seiner
Zeitgenossen nachdrücklich absetzt, ist die Art und Weise der Auseinandersetzung mit der Vorlage: Für Hugo bildete die bereits vorliegende Bildlösung
eines anderen Künstlers oder auch die Bildtradition im allgemeineren Sinne
nur den Ausgangspunkt für die Formulierung der eigenen Bildaussage, nicht
aber die einfach verfügbare Vorlage, die nur noch kopiert zu werden brauchte.
Anregungen aus verschiedensten Kunstbereichen, seien es Einzelmotive oder
auch ganze Kompositionsschemata, werden nicht gedankenlos übernommen
(und springen deshalb nicht, wie bei so vielen anderen Malern der Zeit unmittelbar und unübersehbar als einkopierte Zitate aus anderen Zusammenhängen
ins Auge), sondern werden sorgsam durchdacht und, den eigenen Vorstellungen entsprechend neu formuliert, ins Bild gesetzt55. Die überragende künstlerische Stellung des Hugo van der Goes wird gerade auch an diesem außerordentlich freien, schöpferischen Umgang mit der Bildtradition klar erkennbar.
54 So z. B. die auf das Jahr 1443 datierte Kopie der Madrider Kreuzabnahme Rogier van der Weydens,
damals in Löwen, durch einen unbekannten Maler für die Stifterfamilie Edelheer (Löwen, St. Peter;
ENP II, S. 61, Nr. 3e, Tafel 8) oder die 15 Kopien der »Notre-Dame de Gräce«, eines seit 1440
in Cambrai verehrten italo-byzantinischen Gnadenbildes, die 1454 bei Petrus Christus und Hayne
de Bruxelles in Auftrag gegeben wurden und die ihrerseits einigen Einfluß auf die Entwicklung
des halbfigurigen Marienbildes in der altniederländischen Malerei nehmen sollten; siehe auch oben
S. 110 f.
DD Daß bei diesem Vorgehen das Ergebnis von der jeweiligen stilistischen Entwicklungsstufe Goes1
abhängig ist, in deren Zusammenhang die Auseinandersetzung mit einer Vorlage stattfindet (man
denke an die unterschiedliche Gestaltung etwa des Monforte-Altars im Vergleich zum Marientod),
muß wohl nicht eigens betont werden. Man vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Uberlegungen des nachfolgenden Kapitels.
E. Stilentwicklung und Chronologie der Werke des
Hugo van der Goes
Bevor wir abschließend den Versuch unternehmen, unser Bild von Stilentwicklung und Chronologie der Werke van der Goes' zu skizzieren, soll zunächst noch einmal zum Ausgangspunkt unserer Untersuchungen zurückgekehrt werden. In welchem Umfang haben sich unsere Erwartungen bestätigt, daß eine systematische Heranziehung der zahlreichen Kleinformate
wichtige Anhaltspunkte auch für die zeitliche Reihung der fünf Hauptwerke
liefern könnte? Betrachten wir also zunächst die Untersuchungsergebnisse im
Kontext der unterschiedlichen Vorschläge zu Hugos Stilentwicklung.
I. Nochmals: Frühwerk oder »ultima maniera«?
Die Untersuchungsergehnisse im Kontext der widerstreitenden Vorschläge
zur stilistischen Entwicklung des Malers
Nicht zuletzt dank der präzisen Analysen von Bestand und Zustand der kleinformatigen Werke der »Gruppe van der Goes« ist bei einer Reihe von Bildern
eine begründete Entscheidung in Zuschreibungs- und Datierungsfragen möglich geworden. So kann nun bei der Mondsichelmadonna in Pavia (Tafel 31)
und beim Oxforder Fragment der »Großen Kreuzabnahme« (Tafel 28) die
Eigenhändigkeit der Ausführung durch Hugo selbst nachgewiesen werden - in
beiden Fällen war sich die Forschung zuvor uneinig. Demgegenüber können
die Tüchleinmalereien in Kassel (Tafel 29) und Toledo (Abb. 83) aus dem Kreis
der eigenhändigen Arbeiten ausgeschieden werden. Angesichts ihrer bemerkenswerten Nähe zu den Werken des Meisters dürfte aber zumindest die Kasseler Mondsichelmadonna in seiner unmittelbaren Umgebung, mutmaßlich in
seiner Werkstatt, entstanden sein. Unsere Untersuchungsergebnisse ermöglichen zugleich bei einer Reihe von Arbeiten teils gänzlich neue Datierungen,
teils die Präzisierung älterer zeitlicher Ansetzungen. Der Sündenfall des Wiener Diptychons (Tafel 18) wird nun um oder unmittelbar vor 1470, die Darstellungen der Beweinung und der hl. Genovefa des Wiener Diptychons (Tafeln
19-20) hingegen um 1479 datiert. Die Frankfurter Marientafel (Tafel 21) dürfte
nicht allzu lange vor 1479 entstanden sein. Die Lissaboner Tafel des die
Madonna zeichnenden hl. Lukas (Tafel 23) erweitert die Werke der »ultima
maniera«, die bisher auf die Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) und den Brügger Marientod (Tafel 16) beschränkt waren, um ein Hauptwerk, während für
die Tüchleindarstellungen der Mondsichelmadonna eine Entstehung um
1476/77 nachgewiesen werden kann.
228
Stilentwicklung und Chronologie
Doch in welchem Verhältnis stehen diese Ergebnisse zu den Grundannahmen der konkurrierenden Vorschläge zur Chronologie der Werke? Vergegenwärtigen wir uns zunächst die wesentlichen Argumente, die Pächt für seine
Revision der Stilentwicklung vorgebracht hat, bevor wir sie mit den Resultaten unserer Untersuchungen in Beziehung setzen. Pächt bezweifelte entschieden die Möglichkeit eines deutlichen Stilwandels in den wenigen Jahren, die
dem Maler zwischen der Ausführung des Portinari-Altars (Tafel 5, Abb. 97)
sowie der Edinburgher Flügel (Tafeln 8-11) in der zweiten Hälfte der 1470er
Jahre bis zu seinem Tod 1482 verblieben und in die schließlich auch noch
eine Phase schwerster psychischer Zerrüttung fiel. Vor allem die Typenmor-
phologie der Frauengestalten schien Pächt für eine Entwicklung zu sprechen, die im Florentiner Altar und den Edinburgher Flügeln ihren Höhepunkt und zugleich ihren Abschluß gefunden haben sollte. Während jedoch
die Kopfbildung der Frauengestalten der frühdatierten Werke der der »ultima
maniera« auffallend nahekommt, weicht jene in Florenz und Edinburgh nicht
nur von Hugos übrigen Werken, sondern auch von der altniederländischen
Tradition insgesamt markant ab. Zusätzlich zu diesen entwicklungsgeschichtlichen Überlegungen glaubte Pächt aber mit dem Kupferstich des Marientodes
von Martin Schongauer (Abb. 88) einen externen terminus ante quem von
ca. 1470 zumindest für den Brügger Marientod nachweisen zu können: Angesichts der vielfältigen Beziehungen der altdeutschen zur frühen niederländischen Malerei und Graphik meinte er die auffälligen Parallelen zwischen Kupferstich und Tafelbild nur mit der Abhängigkeit Schongauers von der Komposition des Altniederländers erklären zu können. Da sich Schongauer aber
bereits 1471 endgültig in Colmar niederließ, mußte Pächt zufolge Hugos
Marientod um 1470 bereits vollendet gewesen sein.
Es stellt sich nun die Frage, inwieweit diese Überlegungen mit den Ergebnissen unserer Untersuchungen zu vereinbaren sind. Beginnen wir mit dem letzgenannten Argument Pächts, dem externen Datierungsanhalt für den Brügger
Marientod. Abgesehen von der grundsätzlich problematischen Annahme, auf
Grund »jeder historischen Erfahrung«1 müsse die Priorität der Bilderfindung
dem niederländischen Künstler zugesprochen werden, läßt sich mit der Mondsichelmadonna in Pavia zumindest für ein Werk van der Goes' die unmittelbare Bezugnahme auf einen Kupferstich Schongauers des gleichen Themas
zweifelsfrei nachweisen. Die Übereinstimmungen zwischen dem um 1470 zu
datierenden Stich (Abb. 91) und Hugos um 1476/77 entstandener Tüchleinmadonna (Tafel 31) sind dabei noch nicht einmal so weitgehend wie zwischen
dem Schongauerschen Marientod und der Tafel in Brügge. Die Annahme, daß
Hugo van der Goes Kenntnis von zumindest einigen graphischen Blättern
1 Pächt (1969), S. 57.
Nochmals: Frühwerk oder »ultima maniera«?
229
Schongauers besaß und diese als Ausgangspunkt für eigene Bildschöpfungen
wählte, ist somit unabweisbar. Die zu Beginn der 1470er Jahre entstandenen
Kupferstiche Schongauers - Mondsichelmadonna, Marientod und Peinigung
des hl. Antonius - belegen also keinesfalls eine Datierung der »ultima maniera«
(und der Mondsichelmadonna) Hugos in die Zeit vor oder um 1470, sie liefern
vielmehr einen terminus post quem für diese Arbeiten, die sich so offensichtlich auf die graphischen Blätter Schongauers beziehen.
Für die Datierung von Hirtenanbetung und Marientod in Hugos letzte
Schaffensphase sprechen auf das Nachdrücklichste aber auch die Ergebnisse
der Untersuchungen der Beweinung des Wiener Diptychons. Neben anderen
Parallelen ist insbesondere die Übereinstimmung in Stil und Technik der Unterzeichnung bei diesen drei Werken so groß, der Gegensatz zur Unterzeichnung etwa des Monforte-Altars (Tafel 1, Abb. 22) so ausgeprägt, daß daraus
nur eine nahezu gleichzeitige Entstehung von Wiener Beweinung, Berliner
Hirtenanbetung und Brügger Marientod gefolgert werden kann. Dabei ist dieser Befund insofern von allergrößter Aussagekraft, als mit der Unterzeichnung
ein Gestaltungselement herangezogen werden kann, das als bloße Zwischenstufe auf dem Wege der Bildausführung zu keiner Zeit die Wirkung des vollendeten Werkes beeinflussen sollte. Der dendrochronologische Befund der
Wiener Tafel liefert nun zugleich einen entscheidenden Anhaltspunkt auch
für die Datierung der beiden Bilder in Berlin und Brügge. Für die Eiche, aus
deren Holz die Tafel der Wiener Beweinung geschnitten wurde, konnte ein frühestmögliches Fälldatum von ca. 1469 ermittelt werden. Die wenigen Anhalts-
punkte für die Dauer der Lagerung von Holz im 15. Jahrhundert vor seiner
Weiterverarbeitung sprechen für eine etwa zehnjährige Ablagerung. Die Annahme, daß Hugo van der Goes die Wiener Beweinung gegen 1479 ausführte,
hat daher die größte Wahrscheinlichkeit für sich. Aber selbst wenn man bei
möglichst rascher Verarbeitung des Holzes nur mit einer Lagerzeit von zwei
Jahren rechnen wollte, würde die Ausführung der Malerei in die Zeit des Monforte-Altars fallen - eine solche Datierung der Werke der »ultima maniera«
hatte aber Pächt selbst ausdrücklich verworfen. War Pächts Vorstellung einer
Frühdatierung von Hirtenanbetung und Marientod von Anfang an durch den
geringen zeitlichen Spielraum zwischen der Niederlassung van der Goes' als
Meister in Gent im Jahre 1467 und der angenommenen Entstehung des Monforte-Altares zu Anfang der 1470er Jahre ebenso belastet wie die tradionelle
Drängung des Oeuvres in den letzten Lebensjahren des Meisters, so kann jetzt
durch die Datierung der Wiener Beweinung gegen Ende der 1470er Jahre ausgeschlossen werden, daß Hirtenanbetung und Marientod vor dem Monforte-
Altar entstanden sind.
Das Problem der von Pächt analysierten Typenbildung weiblicher Heiliger
und Engel des Portinari-Altars und der Edinburgher Flügel, die in gleicher
230
Stilentwicklung und Chronologie
Weise vom frühdatierten Monforte-Altar wie von den Werken der »ultima
maniera«, aber auch von der altniederländischen Tradition insgesamt so deut-
lich abweicht, soll dabei vorerst unberücksichtigt bleiben. Wenden wir uns
daher zunächst der traditionellen Goes-Chronologie zu und konfrontieren
auch sie mit unsere Einzelresultaten. Die Untersuchungsergebnisse zum Wie-
ner Diptychon sind nicht nur im Hinblick auf Pächts Revisionsversuch der
Goes-Chronologie von wesentlicher Bedeutung. Auch für die traditionelle
Sicht von Hugos stilistischer Entwicklung sind die an diesem Werk gemachten
Beobachtungen von einigem Interesse. Das Lager der »Traditionalisten« war
sich zwar darin einig, daß der Monforte-Altar den Beginn, der Portinari-Altar
und die Edinburgher Flügel die Mitte und die Hirtenanbetung und der Marientod den Endpunkt der künstlerischen Entwicklung van der Goes' markierten,
aber die zeitliche Stellung des Wiener Diptychons blieb dabei ein Gegenstand
heftiger Kontroversen. Abhängig vom jeweiligen Ausgangspunkt der stilistischen Analyse wurde das Diptychon entweder als ein um 1467/68 entstandenes Frühwerk oder als eine gegen 1477-79 zu datierende Arbeit der späten
Schaffensperiode angesehen. Dabei kann man die ebenso interessante wie irritierende Beobachtung machen, daß sich die Vertreter der Frühdatierung primär auf die Tafel mit der Sündenfalldarstellung bezogen und die Beweinung
eher unberücksichtigt ließen, während die Anhänger der Spätdatierung eben
die Tafel der Beweinung als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen wählten
und dementsprechend den Sündenfall vernachlässigten. Allein R. Rey (1936,
1945)2 behandelte den Sündenfall im Zusammenhang mit den von ihm früh
datierten Werken, die Beweinung hingegen zusammen mit den Spätwerken,
ohne allerdings die notwendige Konsequenz daraus zu ziehen und die Zusammenfügung der beiden Tafeln zum Diptychon als einen erst nachträglich von
Hugo vorgenommenen Eingriff zu kennzeichnen.
Unsere Untersuchungen des Wiener Diptychons bestätigen nun die von
Rey nur andeutungsweise vorgetragene zeitliche Trennung von Sündenfall einerseits und Beweinung und hl. Genovefa andererseits. Diskrepanzen vor allem
in Stil und Kolorit, aber auch in technischen Details wie der Art der Unter-
zeichnung - dies zeigte sich besonders deutlich bei der Gegenüberstellung von
Sündenfall und Beweinung (Abb. 12-17) -, finden ihre Entsprechung im dendrochronologischen Befund der beiden Tafeln: Für die Eiche, aus der die Tafel
des Sündenfalls geschnitten worden ist, kann als frühestmögliches Fälldatum
etwa das Jahr 1463 und damit eine mutmaßliche Verwendung durch den Maler
um oder knapp vor 1470 ermittelt werden. Das Holz der Tafel mit der Bewei2 Rey (1936), S. 35; derselbe (1945), S. 22-26.
Allein vom dendrochronologischen Befund ausgehend, kam auch Grimm (1988), S. 84f18, zur
Annahme einer um etwa zehn Jahre zeitversetzten Entstehung von Sündenfall und Beweinung.
Nochmals: Frühwerk oder »ultima maniera«?
231
nung dagegen ist frühestens um 1469 gefällt und die Bemalung dementsprechend kaum vor ca. 1479 ausgeführt worden. Angesichts dieser Befundlage
scheint ein Umdenken im Hinblick auf die Datierung des Wiener Diptychons
unvermeidlich. Dabei sollte man auch im Auge behalten, daß eine zeitliche
Auftrennung des Diptychons letztlich nur das nachvollzieht, was die gesamte
Goes-Forschung indirekt schon dadurch vorwegnahm, daß Früh- oder Spätdatierung des gesamten Diptychons prinzipiell nur von der Beurteilung eines
der beiden Flügel abhängig gemacht wurde. Sieht man von der bestehenden
Montierung als Diptychon und der kanonischen Forschungsmeinung ab, die
beiden Tafeln seien von Beginn an als Diptychon konzipiert gewesen, so sprechen u. E. alle Indizien dafür, daß die Tafel mit der Sündenfalldarstellung um
oder bald vor 1470 entstand und zunächst für sich allein bestand. Um 1479
wurde sie dann aus uns nicht näher bekannten Gründen zum Diptychon
erweitert. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur die Tafel mit der Beweinung Christi angefügt, sondern auch die Rückseite des Sündenfalls mit der
Figur der hl. Genovefa nachträglich bemalt. Die zeitliche Trennung von Sündenfall einerseits und Beweinung und Genovefa andererseits hat schließlich im
Hinblick auf van der Goes' stilistische Entwicklung den wesentlichen Vorteil,
daß nun die unbefriedigende Vorstellung aufgegeben werden kann, der Maler
habe entweder um 1467/68 mit der Beweinung seinen eigenen Spätstil vorwegnommen oder aber um 1479 mit dem Sündenfall auf die Stilstufe des zu Anfang der 1470er Jahre entstandenen Monforte-Altars zurückgegriffen.
Mit einer Datierung um 1479 dürfte die Wiener Beweinung zwar in engem
zeitlichem Zusammenhang mit Hirtenanbetung und Marientod stehen, diesen
beiden Werken aber vorausgehen. Von der so auffallend herben Kopftypik der
Frauen und Engel der Mitteltafel des Florentiner Altars und der Edinburgher
Flügel - die schon bei den weiblichen Heiligen auf den Flügeln des PortinariAltars in Richtung der weicheren Formulierung der Spätwerke wesentlich gemildert ist - , findet sich bei den Frauengestalten der Wiener Beweinung keine
Spur mehr. Sie folgen bereits durchgehend der Kopfbildung der Werke der
»ultima maniera«. Die Ursache für die erneute Wandlung der weiblichen Kopftypik van der Goes' zwischen Florenz und Edinburgh einerseits und den Spätwerken andererseits kann durch die Resultate der Untersuchung der Wiener
Beweinung möglicherweise in neuem Licht betrachtet werden. Wie wir gese-
hen haben, geht die Wiener Beweinung in ihrer ersten, nur in der Unterzeichnung dokumentierten Fassung bis ins Detail auf eine streng symmetrisch
aufgebaute Dreieckskomposition Rogier van der Weydens zurück. Erst die
nachträgliche Einfügung der Klagenden am rechten Bildrand führte zu der
markanten Umformulierung der bereits bestehenden Komposition, die nun
durch ihre Anordnung entlang stürzender Diagonalen aufs engste mit Hirtenanbetung und Marientod übereingeht. Im Gegensatz zur Wiener Beweinung
232
Stilentwicklung und Chronologie
ist aber bei diesen letztgenannten Werken der »ultima maniera« dieses für
Hugo so überaus charakteristische Kompositionsprinzip von Anfang an beachtet. Darüberhinaus ist es ein zumindest verlockender Gedanke, in der Wiener Beweinung nicht nur die Genese eben dieser Gestaltungsgrundlagen der
Spätwerke beobachten zu können, sondern zugleich - in der Auseinandersetzung mit dem nun zum Diptychon zu erweiternden Sündenfall - die Rückbesinnung des Malers auf einen Frauentypus, der ihm schon zu Beginn seiner
künstlerischen Laufbahn als Modell gedient hatte. Führen die Ergebnisse
unserer Untersuchungen also im Hinblick auf das Wiener Diptychon zu
Schlußfolgerungen, die von der traditionellen Goes-Chronologie abweichen,
so stützen gerade die an der Wiener Beweinung gewonnenen Beobachtungen
die tradionelle Spätdatierung von Hirtenanbetung und Marientod.
Im folgenden soll nun der Versuch unternommen werden, die Ergebnisse
unserer Untersuchungen der kleinformatigen Tafel- und Tüchleinmalereien in
den übergeordneten Kontext von Hugo van der Goes' Stilentwicklung und
Chronologie zu stellen. Das Bild, das sich dabei für uns ergibt, läßt die Zusammenstellung der Werke in drei Gruppen um den Berliner Monforte-Altar, das
Florentiner Triptychon und den Brügger Marientod zu.
II. Das Frühwerk um den Monforte-Altar (ca. 1467 - ca. 1472)
Das früheste der im Original erhalten gebliebenen Werke Hugos, der Wiener
Sündenfall (Tafel 18), wurde um 1479 vom Maler selbst nachträglich durch die
Hinzufügung der Beweinung Christi zu einem typologisch argumentierenden
Hausaltärchen für die privaten Frömmigkeitsübungen des Besitzers erweitert.
Die kleinformatige und mit feinmalerischer Brillanz ausgeführte Tafel des
Sündenfalles findet ihre nächste stilistische Parallele im Monforte-Altar (Tafel 1).
Als Mitteltafel eines großen Triptychons unterscheidet sich diese Königsanbe-
tung zwar in Format und Funktion wesentlich vom Wiener Sündenfall. In seinem Bemühen um eine klare Raumorganisation und ruhige Gesamtkomposition, um leuchtend-warme Farbigkeit, um hchtdurchströmte Atmosphäre und
um ein Maximum an differenzierender Oberflächenwiedergabe, schließlich
auch in der außerordentlich freien Art, in der erst im Prozeß des Unterzeichnens die endgültige Klärung der Einzelform erfolgt, zeigt der Monforte-Altar
aber Gestaltungsmerkmale, wie sie zumindest schon im Ansatz auch beim
Sündenfall zu beobachten waren. Wenngleich es fraglos problematisch ist, die
mit überaus stoffreichen Gewändern bekleideten Figuren der Königsanbetung
mit den Aktfiguren des Sündenfalls zu vergleichen, so zeigt doch der Monforte-Altar eine derart gesteigerte Sicherheit und zugleich Monumentalität der
Figurenbildung, daß beim Versuch der zeitlichen Ordnung der beiden Tafeln
Das Frühwerk um den Monforte-Altar
233
das Kleinformat der Altartafel vorausgehen muß. Behält man im Auge, daß
der Portinari-Altar (Tafel 5) nach Aussage der Stifterbilder um die Mitte der
1470er Jahre begonnen worden sein dürfte, und will man den Beginn der selb-
ständigen künstlerischen Tätigkeit Hugos nicht wesentlich vor dem Termin
seiner Aufnahme als Meister in die Genter Malergilde ansetzen, so wird man
den Monforte-Altar in den Anfang der 1470er Jahre, den Wiener Sündenfall
knapp davor datieren. Für die zeitliche Ansetzung der kleinformatigen Tafel
kann zusätzlich der dendrochronologische Untersuchungsbefund herangezogen werden. Er stützt eine Datierung um oder bald vor 1470.
Der Monforte-Altar stellt ohne Frage den Höhepunkt des ersten für uns faßbaren Abschnitts der künstlerischen Entwicklung van der Goes' dar. Anders
als bei den späteren Werken ist die Auseinandersetzung mit den Werken wie
mit dem Stil der überragenden Künstlergestalten der ersten Jahrhunderthälfte
unmittelbar ersichtlich. In der gleichen Weise, in der sich Hugo für die Gestalten des Wiener Sündenfalls unverkennbar am Stammelternpaar des Genter
Altars (Abb. 7) orientiert hatte, schloß er sich mit der Komposition der Monforter Königsanbetung aufs engste Rogier van der Weydens Columba-Altar
(Abb. 86) an. Für die beim Wiener Sündenfall wie beim Monforte-Altar zum
Einsatz kommenden Gestaltungsmittel nahm er sich aber die großen Altarwerke Jan van Eycks zum Vorbild: Hier findet man bereits die sich klar entfaltende Raumstruktur - bei van Eyck auf empirischer Grundlage entwickelt,
bei van der Goes auf der genauen Kenntnis der Zentralperspektive basierend -,
vor allem aber die vollkommen sicher beherrschte Wiedergabe der atmosphä-
rischen Wirkung von Licht und Schatten. Hier wie dort bekommt die ein-
zelne, Raum verdrängende und sich im Raum bewegende Figur ihren eindeutig
definierten Platz zugewiesen. Die Freude an der Vielfalt der Erscheinungsformen der sichtbaren Welt schlägt sich beide Male ebenso in der außerordentlichen Sorgfalt bei der malerischen Umsetzung der unterschiedlichsten Mate-
rialien nieder wie in der offenkundigen Nutzung von portraitartigen Einzelstudien zumindest für einen Teil der dargestellten Personen. Während sich
Hugo in seiner späteren Entwicklung von diesen »eyckischen«, der authentischen Wiedergabe der sichtbaren Welt verpflichteten Stilmitteln eines Detail-
realismus teilweise wieder abwenden sollte, behielt er seit dem Monforte-Altar
ein gleichfalls bei Jan vorgebildetes, von Rogier hingegen durchgängig vermiedenes Gestaltungsmittel bei, das in ganz entscheidender Weise zur Monumentalität der Einzelfigur wie der Gesamtkomposition beiträgt: Durch die Einstellung der Figuren in eine ihrerseits vom gewählten Bildausschnitt überschnittene und dadurch in der Darstellung fragmentiert erscheinende Bildarchitektur wird die einzelne, nun konsequent nahsichtig gegebene Gestalt in ihrer
Wirkung für die Gesamtkomposition wesentlich gesteigert. Dieser Effekt wird
im Monforte-Altar durch die schweren, in sich ruhenden, in stoffreiche Ge-
234
Stilentwicklung und Chronologie
wänder gekleideten Figuren noch zusätzlich verstärkt. So kann selbst aus der
Perspektive dieser monumentalen, ganzfigurigen Königsdarstellung die bedeutende Rolle des Malers auch für die Entwicklung des erzählenden Halbfigurenbildes nicht überraschen3.
Ungeachtet dieser vielfältigen und unmittelbaren Bezüge zu Werken Jan van
Eycks und Rogier van der Weydens, drückt sich in ihrer intensiven Verarbeitung und Umsetzung eine demgegenüber gänzlich eigenständige künstlerische
Persönlichkeit aus. Dabei erscheint uns die Herausarbeitung der niederländischen »Wurzeln« gerade der frühesten uns faßbaren Werke van der Goes' in
zweierlei Hinsicht wichtig: Zum einen zeigt die Untersuchung der Herkunft
der den Monforte-Altar mitprägenden Einflüsse deutlich, daß gerade angesichts dieser Tafel die Annahme einer Italien-Reise des Malers vor 1467 unbegründet ist - was in noch stärkerem Maße für die späteren Werke gilt - , zum
anderen zeigt sich an der gleichzeitigen Ausrichtung an Werken Jans und
Rogiers der überlegene und überlegte Umgang mit dem künstlerischen Erbe.
Dennoch lassen sich an den beiden aus der Zeit vor dem Portinari-Altar im
Original überlieferten Werken keine sicheren Anhaltspunkte für Herkunft
und Ausbildung des Malers gewinnen4.
III. Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar und die
Edinburgher Flügel (ca. 1473 - ca. 1477)
Der Portinari-Altar in Florenz (Tafel 5, Abb. 97) und die in Edinburgh befindlichen Flügel eines Triptychons (Tafeln 8-11), dessen Mitteltafel verloren ist,
bilden den Mittelpunkt einer zweiten, stilistisch relativ geschlossenen Werkgruppe. Beide Altäre sind durch die dargestellten Kinder der Stifter zumindest
J Ringbom (1965/84).
4 Hugos in besonderem Maße an der Architekturdarstellung des Monforte-Altars ablesbare Kenntnis
der Zentralperspektive könnte ein Indiz für die künstlerische Herkunft und Ausbildung des Malers
liefern. Wie Collier (1975/83), S. 89-92, nachweisen konnte, steht Hugo im Hinblick auf diese
Kenntnis und ihre Anwendung - mit Ausnahme der Söhne Dirk Bouts d. A. - weitgehend isoliert
unter den niederländischen Malern der 1470er und 1480er Jahre. Neben der Beherrschung der Zentralperspektive gibt es aber mit der männlichen wie weiblichen Typenbildung einen weiteren Be-
rührungspunkt zwischen einzelnen Werken Bouts' und van der Goes' (man vergleiche etwa die
männlichen Gestalten von Bouts' Sakraments-Altar in St. Peter in Löwen [ENP III, S. 61, Nr. 18,
Tafel 26-32] mit dem Adam des Wiener Sündenfalls oder dem zweiten König des Monforte-Altars,
die Gräfin der Feuerprobe der Gerechtigkeitstafeln [ENP III, S. 63, Nr. 33, Tafel 49f] mit den
Engeln des Portinari-Altars). Schließlich belegt aber auch die Schätzung des Bouts-Nachlasses 1480
und die Ausführung des Stifterflügels des bei Bouts' Tod 1475 offensichtlich unvollendet hinterlassenen Hippolyt-Triptychons (ENP III, S. 63, Nr. 29, Tafel 43-45) durch Hugo die engen Verbindun-
gen zwischen beiden Malern. Eine Tätigkeit Hugos vor 1467, wenn nicht in der Bouts-Werkstatt
selbst, so doch in ihrer unmittelbaren Umgebung, kann man daher durchaus für möglich halten.
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
235
Abb. 97 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Flügelaußenseiten, Verkündigung, Florenz,
Uffizien
annäherungsweise in die Mitte bzw. in die zweite Hälfte der 1470er Jahre zu
datieren5. Beide Werke sind vor allem im Hinblick auf die Kopftypik der
3 Im Falle des Portinari-Altares wird man das Geburtsdatum des jüngsten der dargestellten Kinder
des Stifterpaares als terminus post quem für die Auftragserteilung Portinaris wie für die Konzeption
des Gesamtwerks betrachten können. Zwei Umstände verunmöglichen aber dennoch die präzise
Feststellung selbst dieses terminus post quem, von einer sicheren Datierung dieses Triptychons
ganz zu schweigen. Hatte Warburg (1901), S. 43f, auf Grund seiner Archivstudien noch angenom-
men, das Geburtsdatum des jüngsten dargestellten Sohnes Pigello mit 1474, das des nachgeborenen
Guido aber mit 1476 präzise angeben zu können, so erbrachten die sich auf die Auswertung weite-
ren Archivmaterials stützenden Untersuchungen von Hatfield Strens (1968), S. 315-319, davon
abweichende Angaben (eine Zusammenfassung der z.T. widersprüchlichen, aus verschiedenen Jah-
ren stammenden Angaben des Florentiner catasto bei Thompson, Campbell [1974], S. 1033) demnach könnte Pigello erst 1476, der jüngere Bruder Guido 1477 zur Welt gekommen sein. Die
Tatsache, daß Pigello im Gegensatz zu den übrigen Familienmitgliedern ohne den Schutz eines ihm
speziell zugeordneten Heiligen auskommen muß, wirft darüberhinaus die Frage auf, ob seine Darstellung möglicherweise erst nachträglich in den linken Flügel aufgenommen wurde (so z.B. Held
[1955], S. 231), oder ob der jüngste Sohn von Anfang an aus Gründen der kompositionellen Balance
236
Stilentwicklung und Chronologie
Frauen und Engel, den Gewandstil und die Farbwirkung, durch die Komposi-
tion und den durch Mimik wie Gestik vermittelten Ausdruck der Figuren,
schließlich aber auch durch technische Details wie die Art des Farbauftrags
oder der Zusammenfügung der Einzelbretter zur Bildtafel6 eng miteinander
verbunden, zugleich aber vom Monforte-Altar deutlich abgesetzt7. Betrachten wir diese Gestaltungsmerkmale im Vergleich.
Das Gesicht der Monforter Maria (Tafel 1) ist ebenso wie das der Wiener
Eva (Tafel 18) unter einer stark betonten, hohen Stirnpartie weich modelliert,
der Gesichtsschädel tritt dabei kaum hervor. Durch die symmetrische Ent-
sprechung des rundlich geschwungenen Kinnkonturs in den kurvig vom
Scheitel zu den Seiten fallenden Haaren folgt die Gestaltung des Kopfes der
Form einer stark gerundeten Ellipse. Ganz anders hingegen die Kopfbildung
vor allem der Florentiner und Edinburgher Engel; ihre Köpfe sind in der Wirkung nun wesentlich herber als die der früheren Werke. Durch die enorm
breite, zugleich aber nicht übermäßig hohe Stirn und die spitz zulaufende
Kinnpartie sind die Köpfe der Dreiecksform angenähert. Die deutlich erkennbare Knochenstruktur des Schädels wie auch die markante Reduktion der
Stirn- gegenüber der Gesichtspartie tragen wesentlich zu dem ältlichen, unfrohen Eindruck der Gesichter bei, der z.T. noch von dem nicht anders als mürrisch zu bezeichnenden Ausdruck einzelner Gesichter verstärkt wird. Die Dis-
krepanz in der Typenbildung nimmt allerdings deutlich ab, wenn man die
weiblichen Fieiligen des Portinari-Altars - die Marien der Anbetung wie der
Verkündigung, die hl. Margarete und Maria Magdalena sowie den Verkündigungsengel - mit denen des Frühwerks vergleicht. Zwar ist auch die Kopfform
zwischen den Flügeln gemeinsam mit dem älteren Antonio dem Schutz des hl. Antonius Abbas
unterstellt worden war.
Bei den Edinburgher Flügeln ist das Problem ähnlich gelagert (Thompson, Campbell [1974],
S. 31-39, 55-57). Das Königspaar auf den Flügelinnenseiten ist dank der Wappenangaben zweifelsfrei als Jakob III. von Schottland und Margarete von Dänemark zu identifizieren. Bei dem auf dem
linken Flügel zusammen mit Jakob III. dargestellten Prinzen handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um den Thronfolger und Sohn des Paares, den 1473 geborenen Jakob, Herzog von
Rothesay. Da nur der Thronfolger, nicht aber der 1478 geborene, ebenfalls Jakob genannte zweite
Sohn dargestellt wurde, kann man die Auftragserteilung für das Altarwerk in die Jahre zwischen
1473 und 1478 datieren.
Zum grundsätzlichen Problem, von der Darstellung eines Kindes in der altniederländischen Malerei auf sein tatsächliches Alter rückschließen zu wollen, vergl. Thompson, Campbell (1974), S. 36,
104.
Zur Person Bonkils vgl. Lome Campbell, Edward Bonkil: A Scottish patron of Flugo van der Goes;
in: Burlington Magazine 126 (1984), S. 265-274.
6 Thompson, Campbell (1974), S. 99-101.
7 Gegenüber den im folgenden diskutierten Unterschieden zwischen dem Frühwerk um den Monforte-Altar und den seit der Mitte der 1470er Jahre entstehenden Arbeiten ist selbstverständlich
die - zu allen für uns faßbaren Abschnitten der Tätigkeit van der Goes' zu beobachtende - intensive
Auseinandersetzung mit der Bildtradition zu betonen (s.o. S. 205-226).
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
237
der heiligen Frauen des Portinari-Altars eher ei- als ellipsenförmig, zwar
spricht auch bei ihnen der Gesichtsschädel stärker mit als etwa bei der Mon-
forter Maria, insgesamt aber ist der Unterschied zu den früheren Werken
wesentlich weniger markant als bei den Engelsköpfen.
Während die Kopftypik der Frauen und Engel sich in den Spät werken von
der herberen Formgebung des Portinari-Altars und der Edinburgher Flügel abwendet und sich erneut der Prägung des Frühwerks um den Monforte-Altar
annähert, ist bei den Florentiner und den Edinburgher Tafeln eine deutlich
gewandelte Auffassung im Gewandstil und in der Farbgebung festzustellen, die
in gleicher Weise in den Werken der »ultima maniera« vorherrscht oder sich
noch verstärkt. Betrachten wir zunächst die Veränderungen des Gewandstils
der Figuren. Beim Monforte-Altar bestimmen, ganz abgesehen von der größeren Vielfalt der differenziert wiedergegebenen Stoffarten, zumindest bei den
Figuren der Könige und Josephs, Stoffe den Eindruck, die derart dicht gewebt
und schwer erscheinen, daß sie bretthaft die darunter befindlichen Körperformen verschleiern, bzw. auf dem Boden gestaucht umbrechen - man betrachte
nur den ältesten König, dessen Kniemotiv unter den kleinteilig am Boden gestauten Falten mehr zu erahnen als zu erkennen ist. Durchaus anders ist hingegen die Gewandorganisation in Florenz und Edinburgh wie auch bei den
Spätwerken. Hier tritt der Körper unter dem Gewand deutlicher hervor, die
dargestellten Stoffe wirken durchweg dünner. Das Faltengeschiebe, das sich am
Körper selbst oder durch die Stauung des Stoffes auf dem Boden ergibt, ist nun
durch einzelne, langausgezogene Röhrenfalten strukturiert. Mag auch diese
Form der Gewandgestaltung sich tendenziell einem nahezu ornamental zu
nennenden Eigenleben annähern, so ist sie doch in unvergleichlich stärkerem
Maße auf den Körper bezogen, als dies beim Monforte-Altar der Fall ist. Em
ähnliches Bild der Abweichung vom Triptychon aus Monforte - zugleich aber
der Ubereinstimmung mit den späteren Werken - bietet die Farbgebung der
Florentiner und Edinburgher Tafeln. Das reiche, warm-leuchtende Kolorit des
Monforte-Altars wie des Wiener Sündenfalls wird durch eine ausgesprochen
kühle Farbigkeit abgelöst, die zum einen durch die deutliche Brechung aller
Buntfarben mit Weiß oder Grau, zum anderen durch die vorherrschende Verwendung von Grün-, Braun- und Blautönen hervorgerufen wird, und die nicht
allein mit dem Bemühen um jahreszeitlich stimmige, atmosphärische Wirkung erklärt werden kann.
Schließlich ist aber gegenüber dem früheren Monforte-Altar ein deutlicher
Wandel in der Strukturierung des Bildgefüges insgesamt, in der Auffassung der
Einzelfigur wie in der Wiedergabe ihres inneren Empfindens, festzustellen.
Zwar ist es nicht unproblematisch, die Darstellung des würdevollen Königszuges des Monforte-Altars mit der Florentiner Flirtengruppe zu vergleichen,
die in die stille Szenerie der Anbetung des Kindes hereinbricht. Dennoch folgt
238
Stilentwicklung und Chronologie
diese die ruhige Ausgeglichenheit der Komposition dynamisch aufbrechende
Hirtengruppe8 einem sich immer deutlicher herauskristallisierenden Grundzug der Gestaltung der Werke van der Goes' seit der Mitte der 1470er Jahre.
Dazu gehört die Kontrastierung der ruhig in Anbetung verharrenden Figuren
mit solchen, die inmitten eines stark betonten Bewegungsablaufs dargestellt
werden - man vergleiche etwa die anbetenden Engel, Maria und Joseph des
Portinari-Altars mit den heraneilenden Hirten, die in den vorderen Bildecken
der Wiener Beweinung (Tafel 19) hockenden Gestalten mit der stürzenden
Linie der Figuren um Maria und mit der pathetisch die Arme ausbreitenden
Klagenden am rechten Bildrand, die Prophetenfiguren, Engel und die Heilige
Familie der Hirtenanbetung (Tafel 14) mit den beiden Hirten, deren wilder
Lauf die anbetenden Figuren zu überrennen droht. Dazu gehört gleichfalls das
Arbeiten mit Kontrasten in der Gestaltung der Einzeltafeln, die das in sich
ruhende Bildgefüge insgesamt aufbrechen - wie etwa die ins riesenhafte gesteigerte Figurenbildung der Heiligen gegenüber den ihrem Schutz unterstellten
Stifterfiguren der Florentiner wie der Edinburgher Tafeln, die Gegenüberstellung der kompositionell in sich geschlossenen Stifterflügel des Portinari-Altars
mit der offenen Gestaltung der Mitteltafel oder der gleichfalls in sich abgeschlossenen Darstellung des Edinburgher Gnadenstuhles mit der darauf ausgerichteten Tafel mit Edward Bonkil.
Zu diesen Gestaltungsmerkmalen, die zur Dynamisierung der an sich statischen Komposition entscheidend beitragen und denen wir - wenn auch noch
in abgeschwächter Form - erstmals beim Portinari-Altar begegnen, tritt eine
im Vergleich zu den früheren Werken veränderte Empfindungswelt der Figuren, die sich in Gestaltung und Ausdruck der Gesichter niederschlägt. Verglichen mit den in sich selbst sicher ruhenden Figuren des Monforte-Altars
erwecken Joseph oder die Heiligen Antonius und Thomas des Florentiner
Triptychons den Eindruck eines melancholischen, in sich gekehrten Nachdenkens, während etwa die Apostel des späten Marientodes (Tafel 16) mit ihrem
wie »gebannt« wirkenden Schauen offenbar zur Gänze von einem inneren,
geistigen Erleben erfaßt sind, das sie keinerlei Einflüsse der Außenwelt mehr
wahrnehmen läßt. Diesem Ausdruckswandel geht eine grundlegende Veränderung der Gestaltung der Köpfe parallel: Wirken die wichtigsten Figuren des
8 Gerade die Hirtengruppe ist nicht in den beiden Vorbildkreisen enthalten, von denen Hugo bei
der Gestaltung seiner Florentiner Anbetung ausging: Weder das Wandbild im Genter »Vleeshuis«
noch Rogiers Bladelin-Altar öffnen den Kreis der anbetenden Figuren für eine ungestüm heraneilende Gruppe weiterer Gestalten. Die Aufnahme der Hirten in seine Florentiner Komposition,
vor allem aber ihre besondere Darstellung kann also - ähnlich wie im Fall der »dynamischen«
Umgestaltung der Rogierschen Beweinung beim rechten Flügel des Wiener Diptychons - nur als
das ureigenste künstlerische Anliegen van der Goes' betrachtet werden. Kennzeichnenderweise verzichtete der Künstler beim früheren Monforte-Altar noch auf eine derartige radikale Veränderung
der von Rogiers Columba-Altar übernommenen Kompositionsstruktur.
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
239
Monforte-Altars wie unmittelbar nach dem Leben gestaltet, zeigen die Köpfe
der männlichen Heiligen beim Portinari-Altar bereits die deutliche Tendenz
zur Vereinheitlichung der Gestaltungsmerkmale - die das Gesicht beherrschenden Augen werden jeweils von einer aus Braue und Tränensack gebildeten Kreisform umschlossen und dadurch zugleich nachhaltig betont. Bei den
Aposteln des Marientodes ist diese Gestaltungstendenz nochmals deutlich verstärkt. Während sie aber beim Portinari-Altar den noch ausgeprägt individualisierten Köpfen aufgelegt wurde, beherrscht sie die Apostelköpfe des Marientodes in wesentlich intensiverem Maße. Die Köpfe sind hier insgesamt einer
stärkeren Stilisierung unterworfen - man betrachte nur die gänzlich ornamentale Gestaltung der Haare und Bärte.
Faßt man diese Beobachtungen zusammen, so könnte man überspitzt formulieren, Hugo van der Goes habe - nach anfänglicher intensiver Auseinandersetzung mit Jan van Eyck und Rogier van der Weyden, die sich im Wiener Sündenfall und im Monforte-Altar niedergeschlagen hat - erst mit dem
Portinari-Altar seine eigene, unverwechselbare Ausdrucksweise gefunden.
Zwar bleibt diese stilistische Sprache auch in der Folge nicht unverändert, aber
ihre Wandlungen verlaufen bis zu den Spätwerken hin graduell und nicht mehr
in solch markanten Sprüngen wie von den Frühwerken zum Portinari-Altar
- sieht man von der weiblichen Typenmorphologie ab, auf die wir noch zurückkommen. Der Grund für den deutlichen Stilwandel von der Monforter
Königsanbetung zum Florentiner Triptychon ist unklar9. Angesichts der
Datierung des Wiener Sündenfalls in die Zeit um oder kurz vor 1470 und des
Monforte-Altars in den Anfang der 1470er Jahre bleibt für die Veränderung
der Stilsprache bis zum Beginn der Arbeiten am Portmari-Altar nur eine kurze
Zeitspanne. Der Eindruck, dem Hugos künstlerische Ausdrucksfähigkeit in
dieser Zeit unterlag, muß im Hinblick auf die Intensität seiner dann im Portinari-Altar zum Ausdruck kommenden Verarbeitung enorm gewesen sein.
Ob die Begegnung mit französisch-burgundischer Kunst der auslösende Faktor für diesen Stilwandel war, ist bei unserem gegenwärtigen Kenntnisstand
nicht sicher zu entscheiden. Panofsky10 dachte an die Möglichkeit einer Burgundreise 1473/74 anläßlich der Überführung der sterblichen Überreste der
Eltern Karls des Kühnen nach Dijon, während der Hugo mit der Kunstproduktion Burgunds in Berührung gekommen sein könnte - es sei nur an Claus
9 Man wird den Stilwandel auch kaum überzeugend dadurch erklären können, daß der Königsanbetung im Gegensatz zur Anbetung durch die Hirten ein anderer Darstellungsmodus zugewiesen
worden sein könnte (mithin die Kontrastierung feierlicher Repräsentation mit einer betont erzählerischen Darstellung) - die grundlegende Veränderung der Sprachmittel erfaßt ja in gleicher Weise
die einer ausgesprochen ranghohen, ja »höfischen« Sphäre zuzurechnenden Engel der Mitteltafel
und die Stifter auf den Flügeln.
10 Panofsky (1953), S. 344.
240
Stilentwicklung und Chronologie
Sluters grandiosen Skulpturenschmuck der Kartause von Champmol bei
Dijon erinnert. Eine andere Möglichkeit wäre die Vermittlung ihrer Kenntnis
durch den Meister von Moulins, der in verschiedenen Arbeken eine derartige
Vertrautheit mit den Werken van der Goes' zeigt11, daß einige Wahrscheinlichkeit für seine zeitweise Tätigkeit in der Werkstatt des Meisters oder in dessen unmittelbarer Umgebung spricht12.
Doch eine weitere Möglichkeit gilt es zu bedenken - den Einfluß Joos van
Wassenhoves. Joos war seit 1464 Freimeister in Gent und vom ersten, uns überlieferten Auftreten Hugos diesem eng verbunden1-1. Nach 1469 taucht Joos in
den Genter Archivalien allerdings nicht mehr auf. Wann er nach Italien aufbrach, ist nicht bekannt, aber vor Februar 1473 muß Joos in Urbino eingetroffen sein. Zu diesem Zeitpunkt erscheint sein Name (»Giusto da Guanto«) erstmals in den Abrechnungen der Corpus Domini-Bruderschaft im Zusammenhang mit dem monumentalen Altarbild der Apostelkommunion (Abb. 98),
für das Joos am 25. Oktober 1474 die abschließende Zahlung erhielt14. Zahlreiche Aufträge des Herzogs von Urbino, Federico da Montefeltre, darunter
11 Eine unmittelbare Vertrautheit mit Werken Hugos zeigen verschiedene Arbeiten des Meisters von
Moulins. So zeigt das namengebende Hauptwerk des Meisters von Moulins, das Triptychon mit
der Darstellung der von Engeln bekrönten Mondsichelmadonna und dem herzoglichen Stifterpaar
Peter II. von Bourbon und Anna von Frankreich in der Kathedrale von Moulins (Laclotte [1972],
Tafel XXXV) enge Bezüge zu den Edinburgher Tafeln wie zur Paveser Mondsichelmadonna Hugos
(so schlug Bruyn [1976], S. 319-320, vor, die Mitteltafel des Triptychons in Moulins für die Rekonstruktion der verlorenen Mitteltafel der Edinburgher Tafeln heranzuziehen). Die Anbetung des
Kindes mit der Darstellung des Kardinals Nicolas Rolin als Stifter in Autun, Musee Röhn (Huillet
d'Istria [1961], S. 16-26), setzt vor allem im Hinblick auf die Farbgebung das Vorbild der Goesschen Spätwerke voraus. Schließlich ist auch die Madonna mit Kind und Engeln in Brüssel, Musee
des Beaux-Arts (Koninklijke Musea voor Schone Künsten van Belgie. Departement Oude Kunst.
Inventariscatalogus van de oude Schilderkunst, Brüssel 1984, S. 350), eng mit der Goesschen Mondsichelmadonna verwandt.
In denselben Kontext gehört u. E. auch die Thronende Madonna mit Heiligen in amerikanischem
Privatbesitz (vergl. Grimm [1988], S. 77-91).
12 Die Vermutung der zeitweisen Tätigkeit des Meisters von Moulins in der Goes-Werkstatt ist mehrfach geäußert worden, so u.a. auch von Huillet d'Istria (1961), S. 10. Die außergewöhnliche stilistische Nähe einzelner Werke des Meisters von Moulins zu solchen des Hugo van der Goes führte
die kunsthistorische Forschung des 19. Jahrhunderts dazu, die Mehrzahl dieser Werke van der Goes
selbst zuzuschreiben. So betrachtete etwa noch Firmenich-Richartz (1897), Sp. 372-386, die beiden
Portraits Karls II. Kardinal von Bourbon in Chantilly und München und den Altarflügel mit einem
vom hl. Viktor empfohlenen geistlichen Stifter in Glasgow als Werke van der Goes'.
13 So bürgte Joos van Wassenhove im Mai 1467 bei Hugos Aufnahme in die Maiergilde. Beide Maler
stellten sich im Januar 1469 als Bürgen für die Meisterschaft des vor allem als Buchmaler tätigen
Alexander Bemng zur Verfügung (Imaginair Museum, Doc. II, VII). Im Jahre 1475 verrechnete
Hugos mutmaßlicher Vermieter in Gent, Filips van der Zickele, einen Teil der Mietschuld Hugos
mit einem Geldbetrag, den Zickele Joos geschuldet, und den Hugo vorgestreckt hatte, »doe Joes
van Wassenhove te Rome waert trac« (Imaginair Museum, Doc. XV).
14 ENP III, S. 44-47, 74, Nr. 99, Tafel 101. Marilyn Aronberg Lavin, The Altar of Corpus Domini
in Urbino: Paolo Uccello, Joos Van Ghent, Piero della Francesca; in: Art Bulletin 49 (1967),
S. 1-24.
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
241
Abb. 98 Joos van Wassenhove (Giusto da Guanto), Apostelkommunion, Urbino, Galleria
Nazionale delle Marche
der »Uomini illustri«-Zyklus im Studiolo des Herzogspalastes, schlössen sich
an13. Betrachtet man nun Joos van Wassenhoves für Urbino geschaffene
Werke, so sind gerade im Hinblick auf die männliche Typenbildung über-
raschende Parallelen zu Hugos seit der Mitte der 1470er Jahre entstandenen
Werken zu konstatieren. Sollte schließlich die Zuschreibung und Datierung
der Königsanbetung im Metropolitan Museum in New York (Abb. 99)16 - als
noch vor der Abreise nach Italien entstandenes Werk Joos'- zutreffen, dann
begegnete uns hier mit der Madonna ein Frauentypus, der als unmittelbarer
Ausgangspunkt für Hugos weibliche Kopftypik in Florenz und Edinburgh
13 Jacques Lavalleye, Le palais ducal d'Urbin, Bruxelles 1964 (Corpus, 7).
16 ENP III, S. 47f, 74, Nr. 101, Tafel 105.
242
Stilentwicklung und Chronologie
Abb. 99 Joos van Wassenhove (Giusto da Guanto), Anbetung der Könige, New York,
Metropolitan Museum of Art
gedient haben könnte. Gerade im letzten Falle ist aber die Zuweisung an Joos
van Wassenhove unsicher; die Konstruktion einer direkten Abhängigkeit
Hugos von seinem älteren Genter Malerkollegen bleibt daher unsicher. Die
vollkommene Eigenständigkeit von Hugos Stilsprache seit dem PortinariAltar ist zwar unübersehbar und präzise zu fassen; eine auch nur einigermaßen
befriedigende Erklärung ihrer Herkunft, von einer überzeugenden Begrün-
dung des markanten Stilwandels ganz abgesehen, scheint aber angesichts unse-
res gegenwärtigen Kenntnisstandes nicht möglich.
In welcher zeitlichen Reihenfolge wird man den Portinari-Altar und die
Edinburgher Flügel anordnen können? Sowohl die Vertreter der traditionellen
Chronologie als auch Pächt und seine Anhänger nahmen allgemein die Entstehung der Tafeln in Edinburgh nach dem Florentiner Triptychon an. Bei einem
Vergleich der Flügelinnenseiten mit der Mitteltafel des Portinari-Altars arbeitete aber C. Thompson (1974)1 deutliche Unterschiede in der Raumdarstellung18, in der Flächenbindung der Figuren, in Farbgebung und Modellierung
17 Thompson, Campbell (1974), S. 65-68, 99-106.
Die Diskrepanz in der Raumdarstellung zwischen Flügeln und Mitteltafel war schon zuvor mehrfach in der Goes-Forschung festgestellt worden, ohne daß daraus Konsequenzen gezogen worden
wären (Thompson, Campbell [1974], S. 651'2).
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
243
heraus. Gerade diese Gestaltungsmerkmale verbanden seiner Meinung nach
die Flügel des Portinari-Altars in wesentlich stärkerem Maße mit den Edinburgher Tafeln als mit der Mitteltafel des Florentiner Triptychons. In der Konsequenz schlug Thompson die gleichzeitige Ausführung der Edinburgher mit
den Flügeln des Portinari-Altares für spätestens 1479 vor, zeitlich deutlich
abgesetzt von der früher vermuteten Entstehung der Mitteltafel. Für die
Annahme einer späteren Entstehung der Flügel gegenüber der Mitteltafel
spricht Thompson zufolge vor allem die starke Flächenbindung der Figuren
der Flügel gegenüber der raumhaltigeren Komposition der Mitteltafel. Im Hinblick auf die Übernahme der Figurendisposition des »Vleeshuis«-Wandbildes
(Abb. 94) für die Mitteltafel des Portinari-Altars (die Flügeldarstellungen dürften demgegenüber zur Gänze von Hugo konzipiert worden sein) erscheint es
aber doch fraglich, ob die Ausführung der Flügel mit den Stifterbildern tatsächlich erst Jahre später - und sogar erst nach den Edinburgher Flügeln - anzunehmen ist19.
Die Ausführung der Stifterbildnisse des Florentiner Triptychons läßt sich
aber über die Stilanalyse hinausgehend zeitlich stärker einengen. Zu diesem
Zweck kann zunächst die Paveser Mondsichelmadonna (Tafel 31) Hugos her-
angezogen werden. Wie bereits betont, findet die Kopfbildung Mariens bei den
weiblichen Heiligen des Portinari-Altars ihre nächste Parallele, entspricht aber
vor allem die Gestaltung des Kopfes des Christuskindes so sehr der des jüngsten Portinarisohnes (Abb. 82), daß beide Werke, Tüchleinmadonna und Triptychon-Flügel, nur in engstem zeitlichen Zusammenhang entstanden sein können. Für die Mondsichelmadonna hatten wir aber auf Grund der besonderen
ikonographischen Formulierung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Ausführung um 1476/77, zumindest aber einen terminus post quem von 1476/77 bestimmen können. Für die Annahme, daß auch die Ausführung der Stifterflügel des Florentiner Triptychons in diese Jahre fällt, spricht weiterhin eine
Beobachtung, die im Rahmen der jüngsten gemäldetechnologischen Untersuchungen des Portinari-Altars gemacht wurde20. Bei der Analyse des Rönt19 Thompson, Campbell (1974), S. 105, wollten die Auftragserteilung für den Portinari-Altar für etwa
1473/74, den Beginn der Arbeit an der Mitteltafel ca. 1474/75, die Ausführung der Flügel (nach
den Edinburgher Tafeln) schließlich um 1479 annehmen.
Hugos Neigung zur Gegenüberstellung von Darstellungen, deren Gestaltung unterschiedlichen
Prinzipien folgt - wie etwa beim Wiener Diptychon oder den Außenseiten der Edinburgher Flügel -, wird auch von Thompson, Campbell (1974), S. 78, betont. So scheint uns der von Thompson
nachhaltig hervorgehobene Unterschied insbesondere der räumlichen Entfaltung von Mitteltafel
und Flügeln des Portinari-Altars in diesem Falle eher von den unterschiedlichen Erfordernissen
der jeweiligen Darstellung geprägt zu sein.
20 Marijnissen, Voorde (1983), S. 41-51.
Die Lesbarkeit der Röntgenaufnahme ist durch die gleichzeitige Abbildung der Malerei der Innenund Außenseite des Flügels erschwert.
244
Stilentwicklung und Chronologie
Abb. 100 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, linker Flügel, Innenseite.
Röntgenphoto, Kopf des Tommaso Por-
tinari, Florenz, Uffizien
genbefundes des linken Flügels stellte sich heraus, daß der Kopf des Tommaso
Portinari nicht - wie alle sonstigen Bildelemente einschließlich der übrigen
Stifterportraits - direkt auf die Grundierung, sondern auf einen eigenen Bildträger aus Papier oder Pergament21 gemalt, und erst anschließend auf die
Tafel selbst aufgeklebt worden ist (Abb. 100). Diese besondere Technik steht
zwar im erhaltenen Werk Hugos allein, sie findet sich aber vereinzelt auch bei
Rogier van der Weyden, Justus van Gent und Hans Memling22. Wie in fast
allen sonstigen Fällen kann es sich auch beim Portinari-Altar nicht um eine
Korrektur handeln, die etwa durch einen Wechsel auf Seiten des Auftraggebers
notwendig geworden wäre, denn der Bildträger mit dem Portrait des Tommaso
Portinari ist unmittelbar auf die Grundierung des Triptychon-Flügels auf21 A.a.O., S. 46. Das bleiweißgrundierte Material dieses Bildträgers für das Portrait Portinaris, entweder Papier oder Pergament, wurde auf die Grundierung des eigentlichen Bildträgers aufgeklebt.
Die Verwendung eines organischen Materials als Zwischenträger dürfte auch am ehesten erklären,
weshalb das Craquelee der Farbschicht des Portraiteinsatzes kaum von seiner Umgebung abweicht.
22 A.a.O., S. 41-51. Es handelt sich um folgende Werke: Portrait des Guidobaldo da Montefeltro in
Justus van Gents Vorlesung in Anwesenheit des Herzogs und seines Sohnes in London, Hampton
Court (ENP III, S. 74, Nr. 106, Tafel 117); Portrait des Tommaso Portinari auf der Mitteltafel des
Jüngsten Gerichts von Memling in Danzig, Marienkirche (ENP VI a, S. 46, Nr. 8, Tafel 26-31);
Portrait eines nicht näher identifizierten Mitgliedes der Familie Sforza auf der Mitteltafel des
Sforza-Triptychons aus dem van der Weyden-Umkreis in Brüssel, Musee des Beaux-Arts (ENP II,
S. 78, Nr. 93, Tafel 109); Köpfe auf der Mitteltafel von Rogier van der Weydens Sakraments-Altar,
Antwerpen, Museum voor Schone Künsten (ENP II, S. 63, Nr. 16, Tafel 34f). Als Bildträger für
die Portraitköpfe findet sich sowohl Papier bzw. Pergament als auch eine dünne Metallfohe.
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
245
geklebt, deckt also keinen Vorzustand in der malerischen Ausführung des Stifterportraits ab. Welchen Sinn kann dieses Verfahren dann aber gehabt haben?
Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte in einer längeren, in ihrer Dauer nicht
genau vorhersehbaren Abwesenheit des Auftraggebers zu finden sein. Sie
nötigte den Maler - offenkundig, weil der Zustand der Bildtafel, für die das
Portrait letztendlich bestimmt war, es noch nicht zuließ - das Bildnis zunächst auf einem eigenen Bildträger aufzunehmen, um es zu einem späteren
Zeitpunkt in den eigentlichen Bildzusammenhang einzufügen. Als diese Einfügung schließlich erfolgte, war die Farbausführung des linken Flügels schon
weitgehend abgeschlossen: Um den bereits in Farbe ausgeführten kleinen Finger der Linken des hl. Thomas nicht zu verdecken, wurde aus dem Bildträger
mit dem Portinariportrait ein entsprechender Abschnitt herausgeschnitten,
bevor dieser auf die Tafel geklebt wurde2 J.
Diese Überlegungen - eine Abwesenheit von nicht vorhersehbarer Dauer,
die es notwendig gemacht haben könnte, das Stifterbildnis vorab aufzunehmen
- lassen sich nun durchaus mit der bekannten Vita des Tommaso Portinari in
Einklang bringen24. Portinari, seit den 1440er Jahren als Mitglied der MediciNiederlassung in Brügge tätig, übernahm 1465 die Leitung der Geschäftsführung. Durch die außerordentlichen Probleme, denen sich Maria von Burgund
nach dem Tod Karls des Kühnen Anfang 1477 gegenübersah, geriet auch die
von Portinari geleitete Medici-Filiale in erhebliche Schwierigkeiten - der burgundische Herzog war der Hauptschuldner der Brügger Filiale des Florentiner
Bankhauses gewesen, der Hof war nach 1477 aber außerstande, den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen25. Portinari verließ die Niederlande
im Verlauf des Jahres 1477, im Oktober dieses Jahres hielt er sich bereits in
Pisa auf. Da er die Geschäfte in Brügge für längere Zeit nicht wieder aufnehmen sollte, ließ er schließlich im Oktober 1478 auch seine Familie nach Italien
nachkommen. Da bei Portinaris eigener Abreise vor Oktober 1477 noch
2j Die farbliche Ausführung der Figur des hl. Thomas noch vor der Aufbringung des Bildträgers mit
dem Kopf Portinaris ist durchaus kein Hinweis auf den Vollendungszustand der Malerei des linken
Flügels zum Zeitpunkt der Ausführung des Stifterportraits. Der Pergament-Papier-Bildträger mit
dem Portrait mußte nach dem Aufkleben auf die Holztafel farblich ohnehin noch integriert werden, außerdem konnte er nach der Farbanlage des den Stifter überragenden Heiligen mit größerer
Sicherheit in den Bildzusammenhang eingefügt werden, als dies bei einer Fixierung des Portraits
ganz zu Beginn der Arbeiten an diesem Flügel möglich gewesen wäre.
24 Roover (1963), S. 338-357. Vgl. auch Lome Campbell, Rezension von Marijnissen, Voorde (1983);
in: Burlington Magazine 126 (1984), S. 304.
25 Der Kontrakt Portinaris mit den Medici untersagte ihm bis zum Jahre 1473, bedeutendere Geldsummen an den burgundischen Herzog auszuleihen. Bei der turnusgemäßen Vertragserneuerung
1473 entfiel diese Klausel. In der Folge verlieh Portinari dann - entgegen der bisher geübten
Geschäftspraxis - in größtem Umfang Gelder an den burgundischen Hof. Nach dem Tod Karls
des Kühnen vor Nancy Anfang 1477 geriet die Brügger Filiale der Medici-Bank daher in akute
Finanzierungsnöte (Roover [1963], S. 345-348).
246
Stilentwicklung und Chronologie
durchaus nicht absehbar war, wann er in die Niederlande zurückkehren
würde, dürfte sein Portrait kurz vor diesem Zeitpunkt entstanden sein. Zwischen Sommer 1477 und Sommer 1478 wäre demnach mit'der Ausführung
der übrigen Stifterbildnisse auf den Flügeln des Triptychons zu rechnen, da
das Portrait der Maria Baroncelli auf dem rechten Flügel - wie die Bildnisse
der Kinder - unmittelbar auf die grundierten Holztafeln gemalt worden
sind26. Der fünfjährige Zeitverzug, mit dem das Triptychon 1483 schließlich
erst in Florenz ankam27, dürfte mit den finanziellen Schwierigkeiten zu
erklären sein, in die Portinari nach seinem Ausscheiden aus dem Geschäft der
Medici geriet28.
Für die Ausführung zumindest der Innenseiten der Flügel des Florentiner
Triptychons ist somit ein klarer Datierungsanhalt gefunden. Die Mitteltafel
kann demgegenüber nur relativ in den zeitlichen Ablauf eingegliedert werden; eine Datierung um 1475 erscheint als die wahrscheinlichste29. Die Edinburgher Flügel schließlich dürften gleichzeitig oder unmittelbar im Anschluß
an die des Florentiner Triptychons entstanden sein. Welche Arbeiten lassen
sich dieser Periode um die Mitte der 1470er Jahre anschließen? Beginnen wir
mit einem Werk, das zwar nicht zu den von uns untersuchten Kleinforma-
ten30, fraglos aber zu den eigenhändigen Werken des Hugo van der Goes ge26 Daß es sich auch bei dem Bildnis der Maria Baroncelli um ein Portrait nach dem Leben handelt,
macht ein Vergleich mit Hans Memlings Bildnissen des Ehepaares in New York, Metropolitan
Museum, deutlich (ENP VI a, S. 54, Nr. 69f, Tafel 112f).
27 Hatfield Strens (1968), S. 315-319.
28 Roover (1963), S. 355-357. 1480 schied Lorenzo de'Medici nach langjährigen Auseinandersetzungen mit Portinari, dem krasses Mißmanagement bei der Leitung der Brügger Filiale zwischen 1473
und 1476 vorgeworfen wurde, aus seiner bisherigen Mehrheitsbeteiligung an der Brügger Niederlassung aus, die nun ganz in Portinaris Verantwortung überging. Bis zu seinem Tod 1501 versuchte
Portinari, die Verbindlichkeiten bei den Erben Karls des Kühnen einzutreiben, ohne dabei je aus
seinen finanziellen Problemen herauszukommen.
29 Jeder Versuch einer Rekonstruktion der präzisen zeitlichen Abfolge der Ausführung steht vor
erheblichen Schwierigkeiten. Im Hinblick auf die deutliche Bezugnahme der Komposition der Mitteltafel auf das »Vleeshuis«-Wandbild erscheint ein Vergleich mit den Stifterflügeln problematisch,
wenn man aus den hier zu beobachtenden Unterschieden in der Gestaltung Argumente für die zeitliche Ansetzung der Tafeln gewinnen will. Die Situation wird zusätzlich noch durch den extrem
schlechten Erhaltungszustand der Außenseiten der Flügel verunklärt, die in ihrem heutigen Zustand das Ergebnis einer durchgreifenden Restaurierung der 1930er Jahre sind (zum Zustand vor
dieser Restaurierung: Oertel [1937], S. 377-379, mit Abb.).
Die Gesamtkonzeption des Altars wird fraglos von Anfang an festgelegt worden sein, die Ausführung hingegen konnte nur Schritt für Schritt erfolgen und wird sich über einen längeren Zeitraum
hingezogen haben. Mit Thompson, Campbell (1974), S. 105, erscheint uns die Auftragserteilung,
damit aber auch der Beginn der Arbeiten wohl an der Mitteltafel, um 1473/74 am wahrscheinlichsten: 1473 erreichte Portinari den Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn mit der Übernahme
der Leitung der Brügger Filiale der Medici. Zu eben derselben Zeit stand auch van der Goes an
der Spitze der Genter Malergilde, der Auftrag gerade an ihn mag also auch Portinaris Prestige-Vorstellungen entsprochen haben. Um 1475 könnte die Mitteltafel des Altars vollendet gewesen sein,
um 1477/78 dürfte die Arbeit zumindest an den Innenseiten der Flügel beendet worden sein.
30 S. o. S. 42.
Die mittlere Schaffensperiode um den Portinari-Altar
247
Abb. 101 Dirk Bouts und Hugo van der Goes, Hippolytus-Triptychon, geöffneter
Zustand, Brügge, St. Salvator
hört - mit dem Stifterflügel des Hippolyt-Triptychons in Brügge, St. Salvator
(Tafel 13, Abb. 101)31. Das Altarbild zeigt in geöffnetem Zustand auf der Mitteltafel das Martyrium des Heiligen, auf dem rechten Flügel eine wohl als
Darstellung der Übergabe des Todesurteils zu deutende Szene-12 und auf dem
linken Flügel die in Anbetung verharrenden Stifter Hippolyte de Berthoz und
seine Gattin Elisabeth de Keverwyck. Die Flügelaußenseiten tragen die Grisailledarstellungen der Heiligen Hippolytus und Elisabeth. Während nun die
Zuschreibung der Mitteltafel und des rechten Innenflügels an Dirk Bouts oder
an seine Werkstatt umstritten ist33, findet der Flügel mit den Stifterbildnissen
allgemeine Anerkennung als Werk van der Goes'. Ob Berthoz von Anfang an
Hugo mit der Ausführung des linken Flügels betraute oder ob der Auftrag zur
Vollendung des Triptychons erst nach Bouts' Tod 1475 an ihn erging, ist nicht
sicher zu entscheiden34; die stilistische Verwandtschaft der Figuren- wie der
31 Winkler (1964), S. 51-54; ENP IV, S. 70, Nr. 11, Tafel 19.
32 ENP IE, S. 6337.
33 ENP III, S. 63, Nr. 29, als eigenhändiges Werk des Dirk Bouts, bald vor 1475 entstanden; Schöne
(1938), S. 39f, 168f, als »Meister der Münchener Gefangennahme«, um 1470.
j4 Bei einer Zuschreibung von Mitteltafel und rechtem Flügel an Dirk Bouts selbst wäre wohl mit
einer nachträglichen Beauftragung Hugos mit der Ausführung des linken Flügels zu rechnen (dieser
Auffassung neigte etwa Friedländer [1926], S. 42f, zu): Da Bouts bereits 1475 starb, der Flügel mit
den Stifterportraits aber auf Grund der engen stilistischen Verwandtschaft mit den Flügeln des Portinari-Altars erst um 1477 zu datieren ist, müßte man bei der Annahme eines vor 1475 gleichzeitig
an Bouts und van der Goes ergehenden Auftrages mit einer außerordentlichen zeitlichen Verzögerung auf Seiten Ftugos rechnen.
248
Stilentwicklung und Chronologie
Landschaftsdarstellung mit den Flügeln des Portinari-Altars ist aber derart
umfassend, daß alles für die traditionelle Annahme der Entstehung auch dieses
Flügels um 1475/77 spricht35.
Aus der gleichen Zeit dürfte das nur als Teil eines verlorenen, größeren
Zusammenhanges überlieferte »Ovale Portraitfragment« mit der halbfigurigen
Darstellung eines betenden Mannes in New York stammen (Tafel 24): Die
sorgsame Differenzierung der Gesichtszüge wie auch der Ausdruck des Dargestellten finden ihre nächsten Parallelen in den Stifterbildnissen von Portinari-Altar und Hippolyt-Triptychon. Betrachtet man schließlich die mächtigen Figuren der »Großen Kreuzabnahme« (Tafel 28, Abb. 69) - und die der
engverwandten Oxforder Zeichnung mit der Darstellung des Treffens von
Jakob und Rahel (Tafel 32)36 - , insbesondere ihre Kopftypik oder den Ausdruck der Figuren, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß auch diese beiden, gleichfalls im Original (wenn auch im Falle der »Großen Kreuzabnahme«
nur fragmentarisch) überlieferten Werke in der Zeit des Portinari-Altares,
d. h. um die Mitte oder in der zweiten Hälfte der 1470er Jahre, entstanden sein
müssen. Wie der Florentiner Altar stehen auch diese beiden Arbeiten auf einer
Entwicklungsstufe im Werk des Hugo van der Goes, in der die Ruhe und Ausgeglichenheit der früheren Bildschöpfungen - wie sie sich am eindrücklichsten
im Monforte-Altar zeigen - abgelöst werden von einer zunehmenden inneren
Spannung, die in immer stärkerem Maße alle Elemente der Bildgestaltung erfaßt. An der Mitteltafel des Portinari-Altars wurde dies erstmals an den Hirtenfiguren spürbar, die in den Kreis der in frommer Ruhe das Kind Umstehenden
hineindrängen. In der Darstellung der Stifter und der sie empfehlenden Heiligen auf den Florentiner wie den Edinburgher Tafeln wird diese Spannung zwischen der Welt der Stifter (die ja zugleich auch die des Betrachters ist) und
jener der Heiligen und der heiligen Geschichte unmittelbar ablesbar. Die Gestaltung der Heiligen ist gegenüber den Stifterfiguren ins riesenhafte gesteigert
und weckt durchaus die Erinnerung an hochmittelalterliche Darstellungen
im Bedeutungsmaßstab. In ihrer die Bildverhältnisse geradezu sprengenden
Schöne (1938), S. 168f, vertrat erstmals eine Zuschreibung von Mitteltafel und rechtem Flügel an
den von ihm »Meister der Münchener Gefangennahme« benannten Mitarbeiter der Bouts-Werkstatt und datierte den Altar - einschließlich des linken, von Hugo ausgeführten Flügels - um 1470.
35 Allein Schöne (1938), S. 168f, betrachtete den linken Flügel mit den Stifterbildern als Frühwerk
Hugos, »... keinesfalls später als der Monforte-Altar gemalt, der seinerseits dem Portinari-Altar
bestimmt vorangeht...«, ohne dies näher zu begründen, zugleich aber in Ubereinstimmung mit
der Zuweisung von Mitteltafel und rechtem Flügel des Hippolytus-Altars an den »Meister der Münchener Gefangennahme« um 1470. Dementsprechend verwarf er auch die von Johanna Schopenhauer, Johann van Eyck und seine Nachfolger, Frankfurt a. M. 1822, S. 153, mitgeteilte, heute verlorene Datierung auf dem Rahmen des Altars auf 1479.
36 Für eine ausführliche Diskussion der Oxforder Zeichnung vergl. Sander (1989), S. 39-52, und
o. S. 41, Anm. 1.
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
249
Monumentalität bedrängen und beengen sie den Freiraum der Stifterfiguren
derart, daß die Heiligen Thomas und Georg37 nicht mehr seitlich oder hinter
den Stiftern, sondern bereits auf den am Boden ausgebreiteten Gewändern
ihrer jeweiligen Schützlinge, Tommaso Portinari bzw. Margarete von Dänemark, zu stehen kommen.
Bei der »Großen Kreuzabnahme« kann man eine damit vergleichbare
Beschneidung des den Figuren zugewiesenen Bildraumes beobachten, hier bedingt durch das Motiv des Altarschreins, in den die gefaßten Figuren eingestellt
scheinen. Zusätzlich aber ist die Gestaltung der Einzelfigur von einer solchen
raumverdrängenden Wucht und Größe, daß sie den beschränkten Bildraum zu
überschreiten drohen. Nahsichtig gegebene, übergroß und monumental gebildete Figuren kennzeichnen auch die Oxforder Zeichnung mit der Darstellung
des Treffens von Jakob und Rahel. Die detailliert ausgeführten Vordergrundsfiguren sind nah an die Bildebene herangeschoben und beherrschen den Eindruck so stark, daß die Landschaft sie eher folienartig hinterfängt als sie tatsächlich umgibt - im ursprünglichen Zustand der Zeichnung, vor den erst zu
Beginn des 16. Jahrhunderts ausgeführten Lavierungen der Landschaft, muß
diese reliefartige Wirkung noch entschieden ausgeprägter gewesen sein. Während diese Art der Gestaltung durchaus jener der Flügelinnenseiten des Portinari-Altars entspricht, erinnert die Kontrastierung des herandrängenden
Jakob mit der unbewegt stehenden Rahel wie auch die Darstellung der das
Treffen interessiert beobachtenden Hirten an die Mitteltafel dieses Altars. Die
Paveser Mondsichelmadonna (Tafel 31) dürfte gleichzeitig mit den Flügeln des
Portinari-Altars entstanden sein. Auf die ungewöhnlich enge Verwandtschaft
in der Typenbildung zwischen den beiden Werken wurde schon mehrfach hingewiesen, ebenso auf die durch die Ikonographie der Tüchleindarstellung
gesicherte externe Datierung bald nach 1476/77.
IV. Die Spätwerke um den Brügger Marientod (ca. 1477 - ca. 1482)
Während aus der ersten Hälfte der für uns faßbaren künstlerischen Tätigkeit
Hugos zwischen der Aufnahme als Freimeister in die Genter Malergilde 1467
und dem Beginn der Arbeiten am Portinari-Altar (Tafel 5-7, Abb. 97) wohl
bald vor der Mitte der 1470er Jahre nur zwei Werke erhalten geblieben sind,
ist die zweite Hälfte seines Schaffens in dieser Hinsicht wesentlich besser überliefert. Diese ungleiche Verteilung der erhaltenen Werke mag zufallsbedingt
sein; sie könnte aber auch darauf zurückzuführen sein, daß nach dem Rückzug
1 Thompson, Campbell (1974), S. 12f, zur Frage der Identifikation des Margarete von Dänemark
empfehlenden Ritterheiligen als hl. Georg oder hl. Knut.
250
Stilentwicklung und Chronologie
des Malers ins Kloster sowohl die Verpflichtungen innerhalb der MalergildejS
als auch die umfangreichen städtischen Aufträge39 entfielen. Schließlich berichtet auch Gaspar Ofhuys40, daß sich Hugo während seiner Zeit in Roodendaele einer derartigen Anzahl von Aufträgen für Bilder gegenübersah, daß er
daran zweifelte, sie alle in gegebener Frist ausführen zu können. Wie dem auch
sei, wir stehen vor der Tatsache, daß sich die Mehrzahl von Hugos im Original
erhaltenen Werken in dem vergleichsweise knappen Zeitraum von der Mitte
der 1470er Jahre bis 1482 zusammendrängen. Dies ermöglicht andererseits
einen detaillierteren Nachvollzug der stilistischen Wandlungen, denen die
Werke des Malers in dieser Zeit unterlagen. Im Gegensatz zu dem markanten
Schritt vom Stil der frühen Werke zum Portinari-Altar hin sehen wir uns im
weiteren Verlauf der künstlerischen Entwicklung eher mit einer zwar deutlich
erkennbaren, aber doch mehr graduellen Veränderung konfrontiert, sieht man
vom abrupten Wandel der weiblichen Kopftypik ab. Dabei zeigen die Florentiner und Edinburgher Flügel die engsten Berührungspunkte mit den Spätwerken - was angesichts ihrer Entstehung im Anschluß an die Mitteltafel des
Portinari-Altars allerdings nicht überraschen kann.
Beim Vergleich der frühen Werke um den Monforte-Altar (Tafel 1) mit dem
Florentiner Triptychon und den Edinburgher Flügeln (Tafeln 8-11) hatten
wir Veränderungen der Bildsprache Hugos herausarbeiten können, die eine
steigende Spannung zwischen der Welt der Stifter und der des Betrachters und
jener der Heiligen erkennen ließ. Diese Spannung bleibt aber auch innerhalb
der Bildwelt der biblischen Geschichte nicht ohne Wirkung, wie die zunehmende innere Erregung eines Teils der Figuren zeigt, die sich in gleicher Weise
in ihrem Ausdruck wie auch in einem bei einzelnen Figuren deutlich gesteiger-
ten äußeren Bewegungsdrang niederschlägt. Der Einbruch des Übernatürlichen in die Welt des Menschen findet bereits in den Edinburgher Flügeln und
der Paveser Mondsichelmadonna (Tafel 31) eine erste bildliche Umsetzung, die
dann auch die Spätwerke beherrscht und die von den Darstellungskonventionen der vorangegangenen Zeit entscheidend abweicht. War die erste Generation der altniederländischen Tafelmaler vor allem damit beschäftigt, eben
diese übernatürliche Welt in die Formen des Alltags umzusetzen41 - stellver-
38 Es sei an van der Goes' Tätigkeit als Geschworener der Gilde in den Jahren 1468 und 1469, als
Dekan in den Jahren 1474 und 1475 erinnert; s.o. S. 15.
39 S.o. S. 16.
40 Imaginair Museum, Doc. XLIII.
41 Selbst wenn man dem Konzept des »disguised symbolism« Panofskys kritisch gegenübersteht, wird
man nicht darüber hinwegsehen können, daß die Verwendung von Blattgold und -silber (mit der
durchaus sinnvollen Ausnahme in jenen Fällen, in denen - wie bei Rogiers »Kreuzabnahme« in
Madrid - der Eindruck eines blattvergoldeten Altarschreins mit farbig gefaßten Figuren hervorgerufen werden sollte) etwa für Figurenhintergründe in der gesamten altniederländischen Malerei
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
251
tretend sei nur auf die besonders eindrückliche Ersetzung des Nimbus'
Mariens durch einen geflochtenen Ofenschirm bei der »Salting-Madonna« des
Meisters von Flemalle in London (Abb. 36) erinnert42 - , so greift Hugo van
der Goes nun bewußt auf dezidiert »mittelalterlich« wirkende Gestaltungselemente und Bildformulare zurück, um auf diese Weise um so eindrücklicher
die jegliche Erfahrung und Vorstellung übersteigende Wirkung der Epiphanie
der Gottheit in der Welt des Menschen ins Bild zu setzen.
An die an den »Bedeutungsmaßstab« erinnernde Gestaltung der Heiligen
der Florentiner und Edinburgher Flügel wurde in diesem Zusammenhang
schon erinnert. In die gleiche Richtung weisend und den Bruch mit den Prinzipien der »ars nova«43 des Meisters von Flemalle, der van Eycks und van der
Weydens44 aber noch wesentlich deutlicher betonend, ist die erstmals in
Edinburgh und Pavia auftretende umfängliche Verwendung von Blattgold und
Blattsilber für Bildhintergründe und -ausstattung bei der Darstellung der Erscheinung der Gottheit. Ahnlich wie bei der Trinität in Edinburgh (Tafel lO)43
hinterfängt auch die Paveser Figuren ein gelüsterter Goldgrund46, der fraglos
das von der Gottheit ausgehende transzendente Licht verbildlichen soll. Die
Halbfigur der Madonna erhebt sich über einer blattsilbernen Mondsichel, so
wie der Edinburgher Gottvater mit dem toten Sohn auf einem teils blattgoldenen, teils -silbernen Thron sitzt, dessen Plastizität durch schwarze Schraffuren
herausgearbeitet wird. Die Verwendung dieser beiden Materialien auch für die
zwischen dem Meister von Flemalle und Dirk Bouts äußerst selten werden. Ihre unwirkliche, transzendente Wirkung wurde zugunsten von »realer« erscheinenden Hintergründen vermieden.
Zur jüngsten Diskussion des »disguised symbolism«: Barbara G. Lane, Sacred versus profane in
early Netherlandish painting; in Simiolus 18 (1988), S. 107-115; sowie Craig Harbison, Religious
imagination and art-historical method: a reply to Barbara Lane's »Sacred versus profane«; in:
Simiolus 19 (1989), S. 198-205.
42 ENP II, S. 71, Nr. 58, Tafel 85.
Panofsky (1953), S. 150-153.
44 Die Verwendung von blattvergoldeten Hintergründen, die von Wolkenbändern umschlossen werden, findet sich an herausragender Stelle bei Rogier van der Weyden nur beim Weltgerichts-Altar
in Beaune und unterstreicht nachdrücklich den Erscheinungscharakter, der mit dieser Gestaltung
offensichtlich angestrebt wurde (Nicole Veronee-Verhaegen, L'Hotel-Dieu de Beaune. Introduction
de Pierre Quarre, Bruxelles 1973 [Corpus, 13]).
4:> Thompson, Campbell (1974), S. 22, 75, Tafel 20, zufolge ist die gelbe Hintergrundsfarbe zweifellos
das Ergebnis einer modernen Ubermalung. Eine Photographie vom Ende des letzten Jahrhunderts
zeigt deutlich einen aureolenförmigen Farbauftrag um das Haupt Gottvaters. Vermutlich war der
Hintergrund ursprünglich nicht durchgehend vergoldet (dies würde schwer mit dem blattgoldenen
Thron zu vereinbaren sein, es sei denn, der Goldhintergrund war, ähnlich wie bei der Paveser
Madonna, weitgehend farbig gelüstert), wies aber wohl zumindest von Gottvater ausgehende Goldstrahlen auf.
46 Kennzeichnenderweise wird bei der überwältigenden Mehrzahl der niederländischen Mondsichelmadonnen des letzten Jahrhundertviertels auf die Verwendung von Blattgold als Hintergrundsfolie
für die Erscheinung der Figur zugunsten eines gelbfarbenen, zum Wolkenrand hin regenbogenfarbig abgestuften »Lichtgrundes« (so z.B. bei der Madonnendarstellung eines Nachfolgers van der
Goes', Antwerpen, Maagdenhuis) oder aber einer durchgehend dunklen Farbfolie verzichtet.
252
Stilentwicklung und Chronologie
Wiedergabe der Orgel auf dem Flügel mit der Darstellung des Edward Bonkil
(Tafel 11) dient nicht nur der farblichen Anpassung dieser Tafel an ihr Gegenstück mit dem Gnadenstuhl, sondern sie hebt zugleich die Zugehörigkeit der
Orgel - die kennzeichnenderweise von zwei Engeln gespielt wird - zum
Bereich der göttlichen Erscheinung hervor47. Zugleich wird durch die graublauen Wolkenbänder, die die Mondsichelmadonna ebenso wie die Trinität
umschließen, der Erscheinungscharakter der Darstellung herausgestellt. Während bei den Edinburgher Tafeln mit Edward Bonkil der Adressat der himm-
lischen Vision unmittelbar ins Bild gesetzt worden ist, tritt bei der Mondsichelmadonna der Betrachter an Bonkils Stelle. In beiden Fällen wird die
Erscheinung der Gottheit als Folge der meditativen Frömmigkeitsübungen
des jeweiligen Betrachters inszeniert.
Der Verwendung von Blattgold und -silber zur Kennzeichnung des Einbruchs des Göttlichen in die Welt des Menschen entspricht beim Brügger
Marientod (Tafel 16) die glorienartige Lichterscheinung um Christus und das
extrem kalte Kolorit der Tafel insgesamt. Durch die unmittelbare Gegenüberstellung der himmlischen mit der irdischen Sphäre innerhalb einer Bildtafel
wird hier zugleich deutlich, daß die »irreale« Farbverschiebung, die beim
Marientod besonders markant, aber beileibe nicht auf diese Tafel beschränkt
ist, Folge des transzendenten Lichtes ist. So wie bei der Geburt Christi nach
der Schilderung der hl. Birgitta von Schweden das Licht der Kerze Josephs von
der vom Kind ausgehenden Helligkeit überstrahlt wird48, so scheint die Far-
bigkeit der Spätwerke, in denen die Epiphanie der Gottheit zur Darstellung
kommt, von der Beobachtung angeregt worden zu sein, daß in extrem hellem,
gleißendem Licht auch die sattesten Gegenstandsfarben optisch einer deutlichen Entfärbung unterliegen. Daß diese Deutung nicht zu weit greift, kann
eine auf dem Wege der Kopienkritik sicher zu rekonstruierende Verkündigung
des Hugo van der Goes zeigen (Abb. 108, 110), die wie der Brügger Marientod
und die Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) zu den spätest entstandenen Werken des Meisters gehört49. Die Darstellung zeigte den von einer glorienartigen Goldfolie hinterfangenen Erzengel, der von links in das Gemach Mariens
hereinschwebte. Die »irreale Entfärbung« der rechten Bildhälfte, die Maria
und damit der irdischen Sphäre zugehört, entspricht genau der an den Aposteln des Marientodes zu beobachtenden Farbgestaltung. Das fahle, kaltfarbene Kolorit, das beim Portinari-Altar noch an die unmittelbare, atmosphärische Wiedergabe eines kalten Januartages denken lassen könnte, steht also
schon bei der Gegenüberstellung der Trinität mit Edward Bonkil in Edin47 Thompson, Campbell (1974), S. 81-84.
48 Panofsky (1953), S. 126.
49 Für eine ausführliche Analyse dieses auf der Basis der Kopienkritik rekonstruierbaren Spätwerkes
van der Goes' s. u. S. 267-273.
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
253
burgh, noch deutlicher aber bei den Spätwerken, im Dienste der optischen
Verdeutlichung der Begegnung der menschlichen mit der göttlichen Welt50.
Das Ergebnis dieser den Einbruch des Transzendenten in die Welt des Menschen nachhaltig verdeutlichenden »Verfremdung« ist eine außerordentliche
Ausdruckssteigerung der Darstellung: Dem zeitgenössischen (wie dem heutigen) Betrachter wird die Ausnahmesituation der Begegnung mit der Gottheit
auf diese Weise ausdrucksmächtiger vermittelt, als dies die Künstlergeneration
vor Hugo angestrebt hatte.
Für die Interpretation altniederländischer Malerei hat C. Harbison (1985)31
interessante Anstöße gegeben:
»Religious panel paintings in fifteenth-century Flanders are by and large meant to
be viewed as the mental visions of contemporaries; this is true whether the painting
is a narrative or a more traditionally-conceived hieratic image such as the Virgin
Enthroned, or a devotional image like the Man of Sorrows.«52
Für Harbison war es dabei gleichgültig, ob die Figur des Stifters unmittelbar
im Bilde erscheint, oder ob der Betrachter selbst die Rolle dessen übernimmt,
dem die göttliche Erscheinung als Lohn seiner meditativen Frömmigkeitsübungen zuteil wird. Als ein wesentliches Argument zugunsten seiner Deutung des altniederländischen Tafelbildes als »mental vision« des Zeitgenossen führt Harbison die vielfach bei den Stifterdarstellungen zu beobachtende
»psychic disjunction«53 dieser Figuren vom übrigen Bddpersonal an. Es bleibe
dahingestellt, ob Harbisons Argumente für eine Betrachtung der gesamten altD° Die analoge Farbgestaltung der Innenseiten der Edinburgher Flügel mit dem schottischen Königspaar unter den Stoffbaldachinen und der Lissaboner Tafel mit dem zeichnenden Lukas macht es
wahrscheinlich, daß auch diese Tafeln mit einer Darstellung der Epiphanie der Gottheit konfrontiert waren. Sie zeigen durchgehend ein vor allem auf kalte Rot-, Grün- und Blautöne sowie auf
Grau beschränktes Kolorit. Im Falle der Lissaboner Tafel wäre durchaus denkbar, daß die Madonna
als himmlische Erscheinung, etwa in der Art der wolkengerahmten Mondsichelmadonna in Pavia
oder der Edinburgher Trinität, in die Werkstatt des Lukas einbrach. Die Ikonographie der Mitteltafel, zu der die Edinburgher Flügel gehörten, ist mit geringerer Eindeutigkeit zu bestimmen. Die
außergewöhnlichen Parallelen in der Gestaltung des namengebenden Triptychons des Meisters von
Moulins in der Kathedrale von Moulins (Huillet d'Istria [1961], S. 53-75) mit den Edinburgher
Flügeln, darüberhinaus die auch an einer Reihe weiterer Bilder zu beobachtende enge Vertrautheit
des Meisters von Moulins mit den Werken Ftugos, machen es aber wahrscheinlich, daß auch die
verlorene Edinburgher Mitteltafel die in den aufbrechenden Wolken erscheinende Mondsichelmadonna zeigte (so de Bruyn [1976], S. 319f; Thompson, Campbell [1974], S. 48f, hatten eher an
eine thronende Madonna mit begleitenden Engeln und Heiligen gedacht). Interessanterweise zeigt
das um 1503 in den südlichen Niederlanden entstandene Stundenbuch Jakob IV. von Schottland
in Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ms. 1897, auf f. 243v die Darstellung der schottischen Königin Margarete Tudor im Gebet vor der ihr erscheinenden Mondsichelmadonna. Die Gestaltung der Miniatur setzt bis ins Detail die Kenntnis der Edinburgher Flügel oder zumindest von
Vorlagenmaterial voraus.
51 Harbison (1985 a), S. 87-118; derselbe (1985 b), S. 221-225.
52 Harbison (1985 a), S. 101.
53 A.a.O., S. 101.
254
Stilentwicklung und Chronologie
niederländischen Malerei unter dem einen Gesichtspunkt einer dem zeitgenössischen Betrachter gewährten »Vision« überzeugen können. Sie vertiefen aber
fraglos das Verständnis der eindeutig als transzendente Erscheinung - sei es vor
einem innerbildlich dargestellten Stifter, sei es vor einem vor dem Bilde befindlichen Betrachter - gemeinten Darstellungen wie etwa auf den Außenseiten der
Edinburgher Tafeln.
Die Beobachtung einer »psychic disjunction« bei zahlreichen altniederländischen Stifterdarstellungen läßt sich aber auch auf manche der Bildfiguren
- und durchaus nicht nur auf die Stifter - in Hugos Werken der »ultima
maniera« übertragen. Das blicklose Fixieren des Betrachters etwa des Apostels
am linken Bildrand des Marientodes oder der beiden Propheten der Hirtenan-
betung ist teils kombiniert, teils aber auch kontrastiert mit einer nurmehr auf
den Betrachter bezogenen, von der Bildhandlung losgelösten, nachgeradezu
rhetorischen Gestik, die diesen Figuren selbst oder ihren Begleitern eigen ist.
Dies geht weit hinaus über die traditionelle didaktische Vermittlung des Bildinhalts an den Betrachter durch »Lesehilfen« in Form von Figuren, die seine
Aufmerksamkeit dadurch fordern und auf das Bildgeschehen lenken, daß sie
ihn unmittelbar anblicken oder auf die Darstellung selbst weisen - und denen
wir etwa auch in der Monforter Königsanbetung (Tafel 1) begegnen. Der Eindruck, den die Figuren des Spätwerks hervorrufen, ist vielmehr der eines intensiv an den Betrachter appellierenden, ihn geradezu beschwörenden »Überredungsversuchs«. In auffälligem Gegensatz stehen dazu die vielfach blickund emotionslosen Gesichter. Zu der außergewöhnlichen Wirkung dieser ausdrucksmächtigen Bilder dürfte auch diese innere Widersprüchlichkeit beitragen. Wir werden darauf noch einmal zurückkommen.
In demselben Zusammenhang des nachhaltigen Bemühens um Ausdruckssteigerung dürfte auch Hugos Interesse am erzählenden Halbfigurenbild stehen. Die vom Bildausschnitt legitimierte, halbfigurige Darstellung als »closeup«54 ermöglichte die Konzentration auf die ausdrucksmächtigsten Bildelemente, die Gesichter und Hände der Figuren, die zugleich dem Betrachter
wesentlich nähergebracht werden können, als dies bei einer ganzfigurigen
Inszenierung möglich wäre. Mit der »Großen« und der »Kiemen Kreuz-
abnahme« (Tafel 28, Abb. 69, Tafeln 26-27, Abb. 58-59) sind zumindest zwei
von Hugos halbfigurigen Kompositionen im Original überliefert. Beide stam-
men kennzeichnenderweise aus der zweiten Hälfte seiner künstlerischen
Tätigkeit, die »Große Kreuzabnahme« aus der Zeit um 1475/77, die »Kleine
Kreuzabnahme« wohl aus der Zeit um 1480. Die Frage, ob Hugo van der Goes
in den Niederlanden als erster das erzählende Halbfigurenbild einführte oder
ob bereits Rogier van der Weyden eine halbfigurige Kreuzabnahme geschaffen
54 Ringbom (1965/83).
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
255
hatte, ist nicht sicher zu beantworten, da alle überlieferten Kopien der Rogierschen Komposition erst aus der Zeit nach 1500 datieren55. Wir können aber
zumindest festhalten, daß - sollte Rogiers Bildschöpfung Hugo in diesem
Punkte vorangegangen sein - der Darstellungstypus des erzählenden Halbfigurenbildes erst im Gefolge von Hugos halbfigurigen Bildformulierungen
allgemeine Verbreitung fand36. Eine Reihe von frühen niederländischen Halb-
figurenbildern geht auf Kompositionen van der Goes' zurück: So gibt sich
etwa die halbfigurige Anbetung der Könige hinter der Brüstung (Abb. 102):>
deutlich als schwächliche Umsetzung der Monforter Königsanbetung ins halbfigurige Bildformat zu erkennen38.
Für die »Verfremdung« des Bildeindrucks gerade der Spätwerke spielt neben
dem Kolorit die Raumdarstellung eine entscheidende Rolle. Ob es sich (wie
bei der Licht- und Farbgestaltung) auch hier um ein von Hugo bewußt eingesetztes Mittel zur Steigerung des Ausdrucks - bzw. zur Verdeutlichung der
Ausnahmesituation der Epiphanie der Gottheit - oder um ein seiner künstlerischen Entwicklung innewohnendes Gestaltungsmerkmal handelt, kann
33 Zu diesem Problem s. o. S. 153, Anm. 34.
36 In eben diese Richtung der herausragenden Bedeutung Hugos (neben Rogier van der Weyden) für
die Formulierung einer neuen Bildsprache, die dem Betrachter »both the cause and the desired
effects of his responses« präsentiert, zielen auch die grundsätzlichen Überlegungen von Marrow
(1986), S. 156f. Daß die Bildformulierungen Hugos - als Werke eines der überragenden Altniederländer - zugleich auch außerordentlich persönliche Darstellungen sind, ist unbestritten. Seinen
weitreichenden Einfluß auf die nachfolgende Kunstentwicklung in den Niederlanden deshalb aber
wie Harbison (1986), S. 171 (»Hugo van der Goes seems to me altogether too scared and too scary
an artist to fit this role«), schlechterdings zu leugnen, erscheint angesichts seiner intensiven Rezeption in der niederländischen Tafel- wie Buchmalerei bis weit ins 16. Jahrhundert hinein schwerlich
nachvollziehbar.
37 Kopenhagen, Museum; Nr. 235; Eiche, 74 x 72 cm; New York, Metropolitan Museum of Art,
Inv. Nr. 71. 100; Eiche, 74 x 65,1 cm; Winkler (1964), S. 114-119; ENP IV, S. 72, Nr. 22a, 22b,
Tafel 36.
38 Dem Prinzip der Reduktion einer ganzfigurigen Darstellung auf Halbfiguren, damit verbunden
eine Ausdruckssteigerung durch die Konzentration auf die besonders ausdrucksmächtigen Gesichter und Hände der Figuren, waren wir schon bei Hugo selbst mit der »Kleinen Kreuzabnahme«
begegnet, die ihrerseits eine Reduktion der Wiener Beweinung darstellt. Die in New York und
Kopenhagen überlieferte halbfigurige Königsanbetung zeigt aber mit der die Figurenbeschneidung
legitimierenden, enorm breiten und fast ein Viertel der Bildhöhe einnehmenden leeren Brüstung
oder auch mit dem in diesem Bildzusammenhang befremdlich wirkenden Haltungsmotiv des Kindes derartige kopistenhafte Schwächen, daß hier nur vom Werk eines Goes-Nachfolgers gesprochen
werden kann, der selbständig eine bedeutende Komposition des Meisters (den Monforte-Altar) in
das gleichfalls von Hugo popularisierte Halbfigurenformat umsetzte.
Entsprechendes gilt für die halbfigurige Hirtenanbetung in Wilton House (Winkler [1964],
S. 212-215; ENP IV, S. 70f, Nr. 16, Tafel 25), die unverkennbar auf Hugos Berliner Hirtenanbetung
zurückgeht, die sich aber in dem nur mühsam bewältigten räumlichen Zueinander der Figuren be-
reits in der Bildkonzeption gleichfalls als Werk eines Nachfolgers zu erkennen gibt.
Die halbfigurige Königsanbetung in Bath und (ehemals) Madrid (Winkler [1964], S. 207-209;
ENP IV, S. 72, Nr. 21a, 21b, Tafel 35) schließlich dürfte in analoger Form auf ein nur auf kopienkritischem Wege gesichertes Werk Hugos aus der zweiten Hälfte der 1470er Jahre zurückgehen
(Arndt [1961]).
256
Stilentwicklung und Chronologie
Abb. 102 Goes-Nachfolger, Anbetung der Könige, New York, Metropolitan Museum of Art
nicht sicher entschieden werden. Es ist aber unübersehbar, daß von der klaren
Entfaltung des Bildraumes beim Monforte-Altar über die zunehmende Flächenbindung der Darstellung der Florentiner und Edinburgher Heiligen zur
größtmöglichen Negierung oder zumindest Verschleierung des Bildraumes in
den Werken der »ultima maniera« eine gerade Entwicklungslinie zu ziehen ist.
Der dazu parallel verlaufende Befund der sich wandelnden Gestaltung der Unterzeichnung scheint in diesem Punkte für die Vorstellung einer immanenten
Stilentwicklung zu sprechen. Es sei dabei daran erinnert, das die Unterzeichnung als ein Element der Bildgenese reinen Arbeitscharakter trägt und zu keinem Zeitpunkt die Bildwirkung des vollendeten Werkes mitbestimmen sollte.
Während nun die Unterzeichnung der Werke um den Monforte-Altar den einzelnen Bildgegenstand noch deutlich als raumverdrängenden Körper erfaßt
(Abb. 22), so verstärkt sich allmählich die Tendenz zur Flächenbindung jedes
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
257
einzelnen Bilddetails. Die Spätwerke zeigen schließlich eine fast schon ornamental zu nennende Gestaltung (Abb. 21). Die sich hier zugleich manifestierende, weitgehende Zurücknahme des Bildraumes wird in außerordentlich
kunstvoller Weise durchgeführt: Wenn durch das jeweilige Bildthema die Darstellung eines Innenraumes schon nicht zu umgehen ist, so werden doch all
jene Elemente der perspektivischen Konstruktion weitgehend verschleiert, die
dem Betrachter den Bildraum unmittelbar erschließen könnten. Beim Marientod wird nicht nur die einzige sichtbare Raumecke größtenteils vom Bettvorhang verdeckt und die Perspektivkonstruktion des Bettes Mariens willentlich
manipuliert59, sondern die Lichterscheinung Christi negiert jede logisch ablesbare Räumlichkeit. Die Hirtenanbetung bietet ein ähnliches Bild. Durch die
enorme Größe der Figuren im Verhältnis zu den sie umgebenden Bauten,
durch die zentralperspektivische Anlage der Architektur, schließlich durch die
symmetrische Verteilung der einzelnen Figuren und Architekturteile60, wird
der Schauplatz der Anbetung als ein sich in die Bildtiefe erstreckender Raum
kaum deutlich. Bei der Gestaltung der Lissaboner Tafel des Lukas (Tafel 23)
begegnen wir den genannten Prinzipien ein weiteres Mal. Die riesige, das
Bildformat zur Gänze füllende Figur des Heiligen läßt die wenigen hinter ihr
noch sichtbar werdenden Raumsegmente zur flächigen Hintergrundsfolie werden - ein Effekt, der durch die völlige Verstellung der Raumecke durch bildparallel aufgestellte Gegenstände noch gefördert wird.
Läßt sich also, beginnend mit den Flügeln des Portinari-Altars, eine immer
deutlicher hervortretende Tendenz zur Negierung des Bildraumes verfolgen,
so stellt die Gestaltung der Werke der »ultima maniera« in dieser Hinsicht eine
»logisch« wirkende Fortsetzung der Entwicklungslime Hugos dar: Sowohl bei
der Hirtenanbetung wie beim Marientod ist die Zurücknahme der räumlichen
Bildwirkung so weit getrieben, daß im Ergebnis eine weitestgehend flächen-
gebundene, in ihrer Gestaltung »ornamental« wirkende Komposition entsteht. Mag eine solche Charakterisierung für die auf bildparallelen, zickzack-
förmig verlaufenden Diagonallinien angeordneten Figuren überspitzt erschei-
nen, so trifft diese Bezeichnung ohne jede Frage auf die Gestaltung der
59 Während Vorder- und Rückenteil der Bettstatt exakt bildparallel ausgerichtet sind, folgen die
Längsseiten (wie auch die Holzbohlen des Fußbodens und der schmale sichtbare Abschnitt der
Architektur am rechten oberen Bildrand) einem links außerhalb der Bildfläche liegenden Flucht-
punkt, so daß man - bei konsequenter Umsetzung der Zentralperspektive - von einem trapezförmigen Bett ausgehen müßte. Daß diese Abweichung von einer durchgängig logischen Anwendung
der Zentralperspektive ein bewußt eingesetztes Mittel zur nachhaltigen Betonung der Bildebene
ist (und nicht technisches Unvermögen des Malers), zeigt die diagonale, dadurch erneut die Fläche
betonende Lagerung Mariens auf dem Bett.
6C So wird die halbhohe Mauer hinter den hereinstürzenden Flirten, die als einziger Bauteil keine symmetrische Entsprechung in der Stallarchitektur auf der rechten Bildseite findet, durch die gleichfalls
nahezu bildparallele Gestalt des Ochsen kompositioneil ausgeglichen.
258
Stilentwicklung und Chronologie
Einzelformen beider Bilder zu. Ob man das flächige Liniennetz der Unterzeichnung betrachtet, das im Gegensatz zu den früheren Werken ein aus-
geprägtes Eigenleben ohne direkte Bezugnahme auf den notierten Gegenstand
zu führen scheint, oder ob man das Augenmerk auf die Gestaltung der Haarund Barttracht und der Gesichter der Apostel oder Propheten lenkt, wo Haar-
strähnen in kalligraphisch-abstrakter Manier verflochten und Gesichter von
den Kreisformen der Augenpartie beherrscht werden: Die Gestaltung der
Werke der »ultima maniera« stellt zwar die logische Fortsetzung von schon
in den früheren Arbeiten zu verfolgenden Tendenzen dar, sie bedeutet aber
zugleich eine weitere eigenständige, zugleich die letzte Entwicklungsstufe der ♦
Kunst des Hugo van der Goes.
In welcher zeitlichen Reihenfolge können wir Hugos Werke aus der letzten
Phase seiner künstlerischen Tätigkeit, die im Stil der »ultima maniera« kulminiert, anordnen? Unter den erhaltenen Originalwerken scheint uns die Wiener Beweinung (Tafel 19) eine Schlüsselposition einzunehmen. Um 1479 zu
datieren, zeigt sie in kompositioneller Gestaltung und Ausdruck, in Kolorit
und Kopftypik alle Charakteristika der Werke der »ultima maniera«. Entstanden in nachträglicher Erweiterung der schon um 1470 entstandenen Tafel des
Sündenfalls (Tafel 18) zum heutigen Diptychon, greift dieses Werk erstmals
wieder auf die weibliche Kopftypik der frühen Werke zurück - möglicherweise in bewußter Angleichung an die Figur der Eva des Sündenfalls. Noch
entscheidender für die Bedeutung der Wiener Beweinung als dem möglichen
Entstehungsort für den Stil der »ultima maniera« ist aber die radikale kompositionelle Umgestaltung der ursprünglich geplanten, an Rogier van der Weyden
orientierten und streng symmetrisch gebildeten Dreieckskomposition, die
infolge der Notwendigkeit der nachträglichen Einfügung der klagenden Frau
am rechten Bildrand erfolgte. Die so entstandene, durch stürzende Diagonallinien dynamisch gebildete Komposition, die zugleich in extremer Weise flächengebunden ist, weist bereits alle Gestaltungsmerkmale der Berliner Hirten-
anbetung und des Brügger Marientodes auf. In derselben Zeit, d. h. um
1478/80, dürfte die Tafel mit dem zeichnenden Lukas in Lissabon und das
Fragment mit der Darstellung eines Stifters und Johannes des Täufers in Balti-
more entstanden sein. Die Lissaboner Tafel (Tafel 23) nimmt eine Mittelstellung zwischen den Edinburgher Flügeln und den Werken der »ultima
maniera« ein: Entspricht sie mit der Beschränkung auf kühle Rot-, Grün-
und Blautöne vor grauem Farbfond in der koloristischen Gestaltung in auffälliger Weise den Edinburgher Flügeln mit dem schottischen Königspaar, so
gleicht sie in ihrem nachhaltigen Bemühen um eine möglichst umfassende Verschleierung des Bildraumes61 der Berliner Hirtenanbetung oder dem Brügger
61 Man beachte den im Verhältnis zu der monumental gestalteten Figur des Lukas bewußt sehr be-
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
259
Marientod. Auch das stark verputzte Fragment in Baltimore (Tafel 25) dürfte
wegen einer ähnlichen Zwischenstellung in die Jahre um 1478/80 gehören. In
der Gestaltung der Gesichter zeigen sich verwandte Züge mit den Edinburgher
Tafeln, aber auch mit den Werken der »ultima maniera«. Das Tüchlein-Diptychon der »Kleinen Kreuzabnahme« (Tafeln 26-27) setzt in seiner Komposition die Wiener Beweinung voraus, muß also um 1480 entstanden sein. Dem
entspricht auch durchaus die Gestaltung der Einzelformen - man betrachte
etwa die große Nähe des en face aus dem linken Flügel herausschauenden Man-
nes zu der entsprechenden Apostelfigur des Marientodes. Eine Entstehung
kurz vor oder um 1480 dürfte diesem Stück daher am angemessensten sein.
Angesichts der ausgedehnten Übermalungen ist die Grundlage für eine stilistische Beurteilung der Frankfurter Marientafel (Tafel 21) äußerst schmal.
Neben der silbrig-kühlen Farbigkeit der Inkarnate ist vor allem die sonst nur
bei den Spätwerken anzutreffende Kratztechnik für die lebendige Gestaltung
der Haare des Christusknaben vor dem roten Hintergrund aussagekräftig:
Eine Datierung gegen Ende der 1470er Jahre, in Analogie zur Wiener Beweinung, erscheint daher am wahrscheinlichsten.
Die Berliner Hirtenanbetung (Tafel 14) und der Brügger Marientod (Tafel
16) bilden schließlich - um 1480/82 entstanden62 - den Schlußpunkt der
künstlerischen Entwicklung des Hugo van der Goes, soweit sich diese mit den
im Original erhaltenen Werken rekonstruieren läßt. Die beide Bilder beherrschenden Gestaltungsprinzipien stellen zwar einerseits die logische Fortentwicklung von Tendenzen dar, die sich bereits in den früheren Werken abzeichnen. Andererseits aber kennzeichnen sie durch ihre verstärkte Loslösung
von gegenstandsrealistischer Schilderung zugunsten einer die Grenzen des
Abstrakt-Ornamentalen berührenden Gestaltungsweise unverwechselbar die
»ultima maniera« Hugos. Max J. Friedländer (1903)63 faßte die Charakteristika der beiden Spätwerke folgendermaßen zusammen:
»In der Zeichnung und Modellierung, namentlich der Hände, zeigt van der Goes [bei
der Hirtenanbetung; JS] eine erstaunliche Meisterschaft, fast zu viel Meisterschaft. Er
ist im vollen Besitz seines Könnens, eher beim Abstieg als beim Aufstieg. In Vergleichung mit der lebendigen, über das eigene Vermögen erstaunten Kraft im PortinariAltar scheint in unserem Bilde eine müde Sicherheit zu walten. Deshalb möchte ich
schränkt gewählten Raumausschnitt, darüberhinaus aber vor allem die extreme Verstellung der
Raumecke durch eine Fülle von bildparallel angeordneten Gegenständen und durch das Symboltier
des Evangelisten.
62 Bis zu welchem Zeitpunkt Hugo van der Goes künstlerisch tätig blieb, ist nicht überliefert. Da
andererseits auch der genaue Zeitpunkt des offenen Ausbruchs der psychischen Erkrankung des
Malers bei der Rückreise aus Köln nicht präzise zu bestimmen ist und wir auch nicht wissen, ob
Hugo nach der zeitweiligen Besserung seines Zustandes noch weiterarbeiten konnte, bleibt jeder
Datierungsversuch für die Werke der »ultima maniera« mit einigen Unsicherheitsfaktoren belastet.
63 Friedländer (1903 b), S. 146.
260
Stilentwicklung und Chronologie
unsere Tafel, wie auch den Marientod in Brügge, der vielleicht noch um einen Grad
künstlicher, bewußter und virtuoser gestaltet ist, für spätere, nach dem Portinari-Altar
entstandene Schöpfungen halten.«
Angesichts dieser »künstlichen, bewußten und virtuosen« Gestaltung gerade
der Werke der »ultima maniera« stellt sich abschließend die Frage nach den
Einflüssen, die diese Entwicklung befördert haben könnten.
Gerade die jüngere Forschung versucht hier einen Zusammenhang mit
der in den Niederlanden jener Zeit einflußreichen Bewegung der »Devotio
moderna« zu rekonstruieren. So wollte etwa S. Koslow (1979), A. Chätelet
(1989) und B. Ridderbos (1990)64 in der besonderen ikonographischen und *
stilistischen Gestaltung des Brügger Marientodes bzw. der Berliner Hirtenanbetung eine unmittelbare Antwort Hugos auf »devotional ideals and practices of the Windesheim Congregation« sehen, während D. Wolfthal (1983)65
in der Verwendung von Leinwand als Bildträger eine direkte Umsetzung des
Armutsideals der »Devotio moderna« durch den Maler vermutete. Im Hinblick auf die besondere, sehr persönliche Ausdrucksmacht der Werke van
der Goes' wird man den Einfluß von religiösen Forderungen der »Devotio
moderna« auf den Maler fraglos nicht ausschließen wollen. Problematisch
erscheint allerdings der Versuch, bestimmte ikonographische und stilistische
Erscheinungsformen einzelner Werke konkret mit den Andachtsidealen und
-praktiken der Windesheimer in Verbindung zu bringen. Warum etwa, so fragt
man sich, erfüllt Hugo erst mit einem seiner letzten Werke - dem Marientod - diese Forderungen, warum in einem Werk, das noch dazu mit großer
Wahrscheinlichkeit nicht für einen Auftraggeber aus dem engeren Kreis der
»Devotio moderna« ausgeführt wurde, sondern für den Zisterzienserabt der
»Dünenabtei« bei Brügge66? Weshalb fand ausgerechnet dieses Werk mit seiner spezifischen Gestaltungsweise - wenn sie denn den Vorstellungen der Anhänger der »Devotio moderna« in solchem Maße entsprach - so gut wie keine
Nachfolge?
Ahnlich problematisch wie Koslows und Chätelets Interpretation des Brügger Marientodes erscheint angesichts unserer Untersuchungsergebnisse zu den
Tüchleinmalereien Hugos die Vermutung von D. Wolfthal, die Verwendung
von Leinwand als Bildträger sei eine Reaktion des Malers auf die Armutsforderungen der Windesheimer Kongregation. Denkt man an die überreiche Verwendung von Blattgold und -Silber gerade bei den Werken, die ab der Mitte
der 1470er Jahre entstanden - bei den eigenhändig ausgeführten Tüchlein ist
hier das Fragment der »Großen Kreuzabnahme« in Oxford (Tafel 28) sowie
64 Koslow (1979), S. 27-50; Chätelet (1989), S. 129-136; Ridderbos (1990), S. 137-152.
65 Wolfthal (1989), S. 34-36.
66 Koslow (1979), S. 27-50.
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
261
die Paveser Mondsichelmadonna (Tafel 31) zu nennen, bei den Tafelbildern
die Edinburgher Flügel (Tafeln 8-11) und die im Original verlorene Verkündigung so erscheint es ausgesprochen schwierig, diesen Befund mit den Forderungen der »Devotio moderna« in Einklag zu sehen. Darüberhinaus sollte
man die häufige Verwendung von Leinwand als Malgrund auch durch solche
Maler wie etwa Dirk Bouts nicht aus dem Auge verlieren, denen keine besondere Verbindung zur »Devotio moderna« nachgewiesen werden kann. Die
Entscheidung, Leinwand anstelle von Holz als Bildträger zu verwenden,
könnte vielfach aus rein praktischen Gründen getroffen worden sein: Die
Mehrzahl der erhaltenen altniederländischen Tüchleinbilder stammt aus Italien, dürfte also zumindest teilweise unmittelbar für italienische Auftraggeber
hergestellt worden sein. Der Transport einer Leinwand war aber fraglos leichter und billiger als der eines Tafelbildes. Der konkrete Nachweis von Einflüssen der religiösen Vorstellungswelt der Anhänger der »Devotio moderna« auf
die ikonographische, stilistische oder technisch-materielle Gestaltung der
Werke van der Goes' ist u. E. zumindest bei dem gegenwärtigen Kenntnisstand
etwa zu Auftraggebern und ursprünglichem Aufstellungsort problematisch.
Insofern sollte für den Bereich der südniederländischen Tüchlein- und Tafelmalerei die gleiche Zurückhaltung gelten, die J. H. Marrow (1973)67 im Hinblick auf die nordniederländische Buchmalerei des 15. Jahrhunderts empfohlen hat.
Seit der Entdeckung der Ofhuys-Chronik ist von den Anhängern der Spätdatierung der Werke der »ultima maniera« die besondere psychische Disposition Hugos in Beziehung zu seiner künstlerischen Entwicklung gesetzt worden. In der Tat entsprach der »Rückzug aus der Welt« ins Kloster für einen
niederländischen Künstler des 15. Jahrhunderts nicht der sonst üblichen, vorgezeichneten Lebenslaufbahn. Die Annahme, daß religiös begründete Vorstellungen, wie sie Hugo schließlich in die Seelenkrankheit trieben, bereits die
Entscheidung für den Eintritt ins Kloster mitbestimmt haben, scheint daher
nicht ganz abwegig. Betrachten wir die seit der Mitte der 1470er Jahre entstandenen Werke, so können wir zum einen die zunehmend spannungsreichere
Inszenierung des Einbruchs des Göttlichen in die Welt des Menschen verfolgen: Der Rückgriff auf stilisierte Wolkenbänder und Goldgründe, die seit dem
Jahrhundertanfang aus der niederländischen Malerei auch dann weitgehend
verschwunden waren, wenn eine eigentliche Vision verbildlicht werden sollte,
kontrastiert immer stärker mit der gegenstandsrealistischen Wiedergabe der
Welt der Menschen. Die Darstellungen erwecken in zunehmendem Maße in
ihrer z.T. schon gewaltsamen Art der Steigerung der Ausdrucksmacht, in dem
extremen Bewegungsdrang mancher Figuren, in der rhetorischen Gestik der
67 Marrow (1973), S. 251-258.
262
Stilentwicklung und Chronologie
Abb. 103 Joos van Cleve, Kreuzigung
Christi, Neapel, Galleria Nazionale di
Capodimonte
Abb. 104 Joos van Cleve, Kreuzabnahme,
Edinburgh, National Gallery of Scotland
sich an den Betrachter wendenden Gestalten den Eindruck eines geistlichen
Schauspiels, dessen Veranstalter das Vertrauen in die Überzeugungskraft ihrer
Botschaft zu verlieren drohen. Das Spätwerk des Hugo van der Goes beschwört förmlich mit aller Intensität eine religiöse Welt, der sich der Maler,
so scheint es, selbst nicht mehr sicher war. So mag verständlich erscheinen,
daß van der Goes zwar die Figuren Christi, Mariens und der Engel etwa in
Hirtenanbetung und Marientod in stärkster Weise idealisiert und einer strengen Stilisierung unterwirft, daß er aber die Propheten- und Apostelgestalten
dieser beiden Bilder (ähnlich wie zuvor schon die beiden am vorderen Bildrand
der Wiener Beweinung Hockenden) sich geradezu beschwörend an den Betrachter wenden läßt. Im Werk des Hugo van der Goes mag sich in einem noch
ganz individuellen und für seine Zeit durchaus untypischen Schicksal dieselbe
religiöse Verunsicherung, der gleiche Legitimierungsdruck spiegeln, der zwei
Generationen später unter dem Eindruck der Reformation die Kunst der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts insgesamt kennzeichnet - willkürlich herausgegriffen sei an Werke wie Joos van Cleves Kreuzigung im Museo di Capo-
dimonte in Neapel (Abb. 103) oder seine Kreuzabnahme in der National
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
263
Abb. 105 Hans Memling, Christus im Kreis musizierender Engel, Antwerpen, Museum
voor Schone Künsten
Gallery in Edinburgh (Abb. 104) erinnert68: Wir begegnen einer ähnlichen
Ubersteigerung der Darstellung zu theaterhafter Gestik und Rhetorik, einer
prinzipiell verwandten Stilisierung der Formen.
Daß diese Interpretation nicht über ihr Ziel hinausgreift, kann ein abschlie-
ßender Blick auf die Rezeption der Werke Hugos belegen. So ist es ausgesprochen aufschlußreich zu verfolgen, welche der radikalen Neuerungen von seiner künstlerischen Umgebung und Nachfolge einerseits aufgegriffen, anderer-
seits aber verworfen wurden. An dieser Reaktion zeigt sich sehr deutlich
zweierlei: Zum einen wird erkennbar, inwieweit Hugo als einer der schöpferischsten Meister der zweiten Jahrhunderthälfte mit seinen Bildformuherun-
gen auf visuelle Vorstellungen und Bedürfnisse seiner Zeitgenossen reagiert.
Andererseits können wir aber auf diesem Wege versuchen, denjenigen Anteil
an den Bildschöpfungen präziser zu fassen, der vornehmlich auf die spezifischen Bedürfnisse des Malers selbst antwortet. Die bildliche Umsetzung der
Erscheinung der Gottheit in eine Formulierung, die teils durch ihre die
68 ENP IX a, S. 53, Nr. 11, Tafel 24, bzw. S. 54, Nr. 14, Tafel 29.
264
Stilentwicklung und Chronologie
Abb. 106 Hans Memling, Maria mit dem toten Christus,
Granada, Capilla Real
Alltagswelt des Menschen verfremdenden Effekte, teils durch die Verwendung
kostbarster Farbmaterialien, unmittelbar den transzendenten, menschliche
Erfahrung sprengenden Charakter dieses Geschehens verdeutlicht, war offenkundig nicht nur für Hugo, sondern auch für seine Umwelt eine bedeutsame
Forderung. In der Nachfolge der Edinburgher Trinität, der Paveser Mondsichelmadonna und des Brügger Marientodes sollten zahlreiche Werke anderer
niederländischer Künstler entstehen, die nun gleichfalls auf diese von Hugo
genutzte Bildformel für die Darstellung der Erscheinung der Gottheit
zurückgriffen69. Stellvertretend für zahlreiche andere Maler des letzten Jahr69 In diesem Sinne war zweifellos Geertgen tot Sint Jans einer der getreuesten »Nachfolger« des Hugo
van der Goes. Dies betrifft nicht nur die Übernahme von einzelnen Figurenmotiven, wie die des
zweiten Monforte-Königs in Geertgens Beweinung Christi im Kunsthistorischen Museum in Wien
Die Spätwerke um den Brügger Marientod
265
Abb. 107 Memling-Umkreis, Triptychon mit Geburt, Kreuzigung und Auferstehung
Christi, Haarlem, Frans-Halsmuseum
hundertviertels sei in diesem Zusammenhang auf Memling verwiesen: Seine
Tafeln mit der Erscheinung Christi im Kreise musizierender Engel vor Gold-
grund und sich öffnenden Wolken im Museum voor Schone Künsten in
Antwerpen (Abb. 105)70 setzen ebenso Werke van der Goes' in der Art der
Edinburgher Tafeln voraus, wie sich die kompositioneile Gestaltung seines
Tafelbildes mit der Darstellung Mariens und dem toten Christus in der Capilla
Real in Granada (Abb. 106)71 unmittelbar auf Hugos Mondsichelmadonnen
zu beziehen scheint. Eine sich an Memlings Lübecker Kreuzigungs-Tripty(s. o. S. 205, Anm. 1): Weder der Utrechter Schmerzensmann (ENP V, S. 74f, Nr. 7, Tafel 10) noch
die Rotterdamer Mondsichelmadonna (ENP V, S. 91, Add. 139, Tafel 120) sind ohne die genaue
Kenntnis und Auseinandersetzung mit jenen Werken Hugos zu verstehen, die seit der zweiten
Hälfte der 1470er Jahre entstanden.
70 ENP VI a, S. 49, Nr. 22, Tafel 64f.
71 ENP VI a, S. 51, Nr. 37a, Tafel 89; Schoute (1963), S. 58-64, Tafel 114-120 (die Tafel in Granada
allerdings nicht als eigenhändig betrachtet); eine andere, allgemein als eigenhändiges Werk Memlings anerkannte Version der Komposition in Melbourne, National Gallery of Victoria (ENP VI a,
S. 51, Nr. 37, Tafel 89; Ursula Hoff, Martin Davies, The National Gallery of Victoria, Melbourne,
Brüssels 1971 [Corpus, 6], S. 56-65), trägt das im Hinblick auf seine Originalität angezweifelte
Datum 1475. Sollte diese Jahreszahl auf eine ursprüngliche Datierung etwa auf dem verlorenen
Originalrahmen zurückgehen, so würde die Abhängigkeit der späteren Versionen der Komposition
(ENP VI a, S. 51, Nr. 37b, 37c, Tafel 89) von Hugos Mondsichelmadonna um so deutlicher hervortreten: Während die Tafel in Melbourne die Figuren und die sie umgebenden Leidenswerkzeuge
zwar bereits vor Goldgrund zeigt, fehlt die erst bei den späteren Versionen aufkommende Wolkenrahmung am unteren Bildrand.
266
Exkurse
chon72 orientierende freie Kopie des Memling-Kreises in Haarlem im FransHalsmuseum (Abb. 107)73 schließlich zeigt den Engel der Hirtenverkündigung und den auferstehenden Christus in Lichtglorien, die in ihrer Gestaltung
dem Hintergrund der Edinburgher Trinität entsprechen. Ubernimmt also
Memling (und mit ihm die übrigen Maler der Zeit) die unmittelbar eingängige
und griffige Bildformel, um eine himmlische Erscheinung in ihrem Ausnahmecharakter ins Bild zu setzen, so sieht er weitgehend davon ab, sich mit
den daraus resultierenden Veränderungen der Bildgestaltung zu beschäftigen.
Doch nicht nur die bei Hugo das Bild in seiner Gesamtheit erfassende Wirkung des jenseitigen Lichtes auf die farbliche Erscheinung der irdischen Welt
oder die unwirkliche »Ornamentalisierung« des Bildganzen wie seiner einzelnen Bestandteile bleibt von den Nachfolgern unverstanden. Es ist vor allem
die tiefe innere Erregung, ja existenzielle Verunsicherung, die die Begegnung
mit der Gottheit bei den Goesschen Gestalten offenkundig auslöst, die den
Zeitgenossen unzugänglich bleibt und die in ihrer Intensität und Rückhaltlosigkeit, mit der sie sich gerade bei den Werken der »ultima maniera« äußert,
die innere Erlebniswelt des Hugo van der Goes reflektieren dürfte.
72 ENP VI a, S. 45, Nr. 3, Tafel 8-13.
73 ENP VI b, S. 113, Add. 260, Tafel 15.
F. Exkurse
I. Van der Goes' späte Verkündigung: Das Berliner Diptychon des Meisters
von 1499
Dem Meister von 1499 wird ein kleinformatiges Diptychon mit der Darstellung der Verkündigung an Maria zugeschrieben, das sich heute im BodeMuseum in Berlin befindet (Abb. 108)1. Es zeigt in geöffnetem Zustand auf
dem linken Flügel den gleichfalls von links heranschwebenden Erzengel vor
einer nahezu das gesamte Bildfeld ausfüllenden blattgoldenen Glorie, die nur
in den unteren Zwickeln der Tafel einen Abschnitt des Plattenbelags des Raumes sichtbar läßt. Über Gabriels Haupt ist die Geisttaube dargestellt, ihrerseits
umgeben von einer gelblich weißen, zu den Rändern hin bläulich abgetönten,
mit Goldstrahlen belegten Lichterscheinung. Der rechte Diptychonflügel zeigt
Maria ins Gebet vertieft vor einer Bank am Boden kniend. Von der plötzlichen
Erscheinung des Engels überrascht, wendet sie sich ihm demutsvoll zu. Sie ist
von einer Fülle miniaturartig ausgebreiteter Gegenstände umgeben, die sich,
wie die Lilien und Nelken, die abgelegten Schuhe oder die Frucht auf dem
Fenstersims, in der von altniederländischen Bildern her geläufigen Weise auf
Inkarnation und Passion Christi beziehen. Hinter Maria öffnet sich eine tiefe
Raumflucht, die in einem langgestreckten, von Sonnenlicht durchfluteten
Gang endet.
Die Abhängigkeit des Berliner Diptychons von Werken des Hugo van der
Goes war erstmals von F. Winkler (1915/16)2 aufgezeigt worden. Als Kopie
nach einem verlorenen Werk aus Hugos Spätzeit wurde das Diptychon aber
erstmals von K. Arndt (1961, 1964)3 überzeugend nachgewiesen. Seiner Beweisführung schloß sich in der Folge auch F. Winkler (1964)4 an. Während
Winkler aber eine genaue Wiederholung von Hugos Komposition durch den
Meister von 1499 annahm, meldete Arndt5 im Hinblick auf die Gestaltung
der Aureole um den Engel wie der Raumflucht hinter Maria Zweifel an der
Treue des Kopisten an. Für Arndt stellte »... das kalte, seltsam entrückende
Weißblau ...« des linken Flügels eine nachdrückliche Entsprechung zum
Brügger Marientod (Tafel 16) dar, »... und so wie dort hätten wir wohl im
1 Berlin, Bode-Museum, Nr. 548; Eiche, je 15,9 x 9,5 cm; Winkler (1964), S. 226-229; ENP IV,
S. 76, Nr. 42, Tafel 47. Erstmals veröffentlicht als Werk des Meisters von 1499 von Winkler
(1915/16), Sp. 69-76. Paul Eeckhout, Les trois diptyques du Maitre de 1499; in: Bulletin des Musees
Royaux des Beaux-Arts 34-37 (1985-88), S. 49-62.
2 Winkler (1915/16), Sp. 69-76.
3 Arndt (1961), S. 170; derselbe (1964), S. 88-91.
4 Winkler (1964), S. 226-229.
5 Arndt (1964), S. 89.
268
Exkurse
Diptychon die Aureole um den Erzengel uns zu denken - nicht hart ab-
gegrenzt, sondern mit differenzierten, von Goldgelb über Weiß nach Blau spielenden Übergängen«6. Auch die detailreiche Ausstattung des Innenraumes
auf dem rechten Flügel und dessen enorme Tiefenflucht hielt Arndt für unvereinbar mit der vermuteten Vorlage und schrieb sie dem Meister von 1499
selbst zu. Als Beleg hierfür verwies Arndt auf eine Zeichnung im Britischen
Museum in London (Abb. 109), die den rechten Diptychonflügel bei veränderter Raumgestaltung im Hintergrund zeigt. Der Durchblick in den schmalen
Gang ist in der Zeichnung mit dem Bett Mariens verstellt, während der zweischiffige, tonnengewölbte Raum selbst seine Entsprechung in der als Stall genutzen Ruine in Hugos nur in Kopien überlieferten späten »Königsanbetung
vor dem Stall im Hügel«7 findet.
Für die Rekonstruktion der hier zur Debatte stehenden späten Verkündigung van der Goes' kann eine Reihe neuer Beobachtungen mitgeteilt werden,
die die ursprüngliche Gestaltung dieses Werkes weiter präzisieren8. Die Ver-
wendung von Blattgold für die Darstellung des lichterfüllten Hintergrundes
bei der Paveser wie der Kasseler Mondsichelmadonna (Tafeln 29, 31) und die
Verwendung von Blattgold und -silber bei den Edinburgher Flügeln (Tafeln
10-11) lassen Arndts Zweifel an der Originalität der den Erzengel hinterfangenden Goldfolie unbegründet erscheinen. Für die Darstellung des von der Gottheit ausgehenden Lichtes verwendete Hugo offensichtlich sowohl Blattgold als
auch eine reich abgestufte Farbaureole. Im Falle der Verkündigung ist die
Annahme einer Goldfolie hinter dem Engel um so wahrscheinlicher, als die
Geisttaube ihrerseits bereits von einer farbig gestalteten Lichterscheinung
innerhalb der Aureole Gabriels umschlossen ist: Diese auch von der Bildwirkung her durchaus sinnvolle Differenzierung des Berliner Diptychons dürfte
also unmittelbar und getreu auf die verlorene Vorlage zurückgehen. Was die
Gestaltung des Marienflügels angeht, so kann die Aussage einer weiteren Kopie
herangezogen werden. Es handelt sich dabei um ein dem Antwerpener Meister
von 1518 zugeschriebenes Tafelbild (Abb. 110)9. Gabriel tritt, von zwei puttenartigen Engeln begleitet, von links auf die betende Maria zu. Der flurartige,
6 A.a.O., S. 89.
7 Arndt (1961), S. 153-175.
8 Ob auch Hugos Komposition als Diptychon konzipert war, ist nicht sicher zu entscheiden, da
sowohl das Berliner Diptychon des Meisters von 1499 als auch die von diesem abhängige Zeichnung - beide sind oben halbrund geschlossen und könnten damit auf die Diptychonform der Vorlage hinweisen - im Hinblick auf die Marientafel nachhaltig von der Goesschen Vorlage abweichen
(s. u.). Andererseits liegt mit der Lissaboner Tafel immerhin die linke Tafel eines Diptychons mit
oben halbrund geschlossenen Flügeln im Original vor. Es wäre also durchaus denkbar, daß auch
die späte Verkündigung die Form eines Zweiflügel-Altars hatte.
9 Holz, 111 x 138 cm; Luther und die Folgen für die Kunst (Hamburg 1983/84), S. 255, Kat. Nr. 130.
Am 3. Juli 1991 als Nr. 23 bei Sotheby's in London versteigert.
Van der Goes' späte Verkündigung 269
Abb. 108 Meister von 1499, Diptychon mit der Verkündigung an Maria, Berlin, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Bode-Museum
bildparallel verlaufende Raum, in dem das Geschehen stattfindet, öffnet sich
an seiner Rückseite zu zwei weiteren Räumen - hinter dem Erzengel zu einem
Wohnraum, hinter Maria zu einem Zimmer, in dem das Bett der Jungfrau
steht.
Obgleich der Kopist mit den »Putti« oder den Renaissanceornamenten des
Pilasters zwischen beiden Türen Elemente in sein Bild aufgenommen hat,
die eine Entstehung in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts verdeutlichen, so folgt er in der Darstellung der Madonna und des Erzengels (man
betrachte die Kopfbildung oder die großen, »sprechenden« Hände), in der Gestaltung des Schlafgemachs der Madonna, darüberhinaus aber auch in der
Farbgebung getreu dem Goesschen Spätwerk. Die kühlen Grautöne der Inkar-
nate, die Graubrechung des lachsfarbenen Umhangs Mariens, des weißen
270
Exkurse
Abb. 109 Niederländischer Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Maria einer Verkündigung (Kopie nach Hugo van
der Goes), Zeichnung, London, British Museum
Chorgewandes Gabriels, vor allem aber des grünen Vorhangs und der Decken
des grellbeleuchteten Bettes lassen keinen Zweifel aufkommen, daß hinter dem
Bild des künstlerisch unselbständigen, deshalb als Kopist aber umso getreuer
arbeitenden Meisters von 1518 unmittelbar Hugos Verkündigung gestan-
den haben muß, deren Farbgestaltung, bedingt durch das vom Erzengel ausgehende überirdische Licht, in der Art des Brügger Marientodes zu denken ist.
Denn auch die Existenz einer die gesamte Figur Gabriels umschließenden
Gold-, zumindest aber Lichterscheinung bei der Goesschen Vorlage wird von
dem Bild des Antwerpener Meisters nahegelegt. Betrachtet man die perspektivische Gestaltung, die Lichtführung und die Farbigkeit des Wohnraumes hinter Gabriel mit dem Schlafgemach Mariens oder dem Raum, in dem die Verkündigung selbst stattfindet, so wird deutlich, daß der Meister von 1518 hier
nicht auf seine Vorlage zurückgriffen haben kann: Offenbar empfand er die
Van der Goes' späte Verkündigung
271
Abb. 110 Meister von 1518, Verkündigung, Verbleib unbekannt
Hinterlegung des Erzengels mit einer Goldaureole als zu altertümlich und ersetzte sie daher durch einen Innenraum, der nun unverkennbar auf eine Interieurdarstellung in der Art Memlings oder Davids zurückgeht.
Die Tafel bestätigt also indirekt die Treue der Wiedergabe des Berliner
Engelsflügels durch den Meister von 1499 im Verhältnis zu Hugos Verkündigung10. Es zeigt andererseits, daß der Meister des Berliner Diptychons beim
Auch die schlecht erhaltene Verkündigung, die als Wandbild den Kaminmantel eines Hauses der
Brügger Familie van de Molenmeers schmückte, und die sich heute einschließlich des Kamins
im Musee Royal d'Art et d'Histoire in Brüssel befindet (Inv. Nr. 5339; Gesamthöhe des Kamins
338 cm, Maße des Wandbildes 171 x 195 cm), geht wohl unmittelbar auf die verlorene Verkündigung des Hugo van der Goes zurück. Der Kopist schloß sich - ähnlich wie der Meister von 1518
bei seinem Bild - stilistisch so eng an sein Vorbild an, daß Schenk zu Schweinsberg (1967),
S. 96-101, in dem Wandbild eine eigenhändige Arbeit Goes' sehen wollte. Das Bemühen des Kopisten läßt sich aber auf das deutlichste an der unbefriedigenden, pasticciohaften Hintergrundsgestaltung ablesen: Hier wurde das Bett Mariens in ungewohnter Größe und Aufstellung dazu genutzt,
den durch den Wegfall der Goldglorie des Engels entstandenen Freiraum hinter den beiden Figuren
zu füllen.
Eine weitere Version der Komposition ist in einer provinziellen flämischen Arbeit des 16. Jahrhunderts überliefert, die 1991 bei Sotheby's in London versteigert wurde (Old Master Paintings,
Sotheby's, London 17. 4. 1991, Nr. 87).
272
Exkurse
Abb. 111 Niederländischer Meister der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
Madonna mit Kind, Privatbesitz
Abb. 113 Niederländischer Meister der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
Madonna mit Kind, Rückseite des Tüchleins, Privatbesitz
Abb. 112 Niederländischer Meister der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
Madonna mit Kind, Zustand vor der
Restaurierung, Privatbesitz
Abb. 114 Niederländischer Meister der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
Madonna mit Kind, Rückseite des hölzernen Trägers des Tüchleins, Privatbesitz
rechten Flügel mit der Annunziata wesentlich weitergehende Veränderungen
vorgenommen hat, als dies bisher angenommen worden war. So »normalisierte« er nicht nur die Koloristik dieser Tafel (und beseitigte damit gerade die
von Hugo angestrebte Verdeutlichung des Einbruchs der göttlichen in die
menschliche Welt), sondern er staffierte die Umgebung der Madonna detail-
Zur Originalrahmung eines niederländischen Tüchleins
273
verliebt aus, veränderte darüberhinaus den Figurentypus und die Raumdisposition11. Die im Original verlorene Verkündigung des Hugo van der
Goes verdeutlichte mit der blattgoldenen Aureole des Erzengels und der »verfremdeten« Farbgebung der übrigen Bildelemente also in gleicher Weise wie
der Brügger Marientod die Wirkung des göttlichen Lichtes auf das irdische.
Auch in dieser Beziehung gesellt sich dieses Werk Hugos gleichberechtigt zu
den Arbeiten der »ultima maniera«.
II. Zur Originalrahmung eines niederländischen Tüchleins der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts. Eine halbfigurige Madonna lactans in Privatbesitz
Nicht zuletzt der problematische Befund an den beiden Leinwandhälften von
Goes' »Kleiner Kreuzabnahme«12 wirft die Frage nach der ursprünglichen
Art der Präsentation und ggf. der Rahmung von Tüchleinbildern auf. Originalrahmungen niederländischer Tüchleinbilder haben sich nur äußerst selten
erhalten1-1. Um so bemerkenswerter ist die Existenz einer bislang unbekannten halbfigurigen Darstellung der Madonna lactans in rheinischem Privatbesitz (Abb. III)14, bei der das ursprüngliche Ensemble von Tüchlein und
Rahmen, ja sogar die alte Verglasung, erhalten geblieben ist15.
Vor dunklem Farbfond erscheint ein Tondo in schmaler gemalter Goldrahmung, der seinerseits vor gleichfalls goldenem Hintergrund die Halbfigur der
stillenden Gottesmutter zeigt. Die Komposition ist aus zahlreichen Varianten
des 15. und des frühen 16. Jahrhunderts bekannt und geht letztendlich auf
die ganzfigurige Darstellung der Madonna lactans des Meisters von Flemalle
11 Sowohl das Berliner Diptychon als auch die Londoner Zeichnung zeigen mit dem zweischiffigen,
tonnengewölbten Raum im Mittelgrund ein Bildelement, das deutlich sekundär und künstlich an
den Raum der Verkündigung selbst herangeschoben ist - es hat mit der ursprünglichen Bildformulierung van der Goes' nichts zu tun. Der von Arndt (1964), S. 90f, angeführte Vergleich mit der
Architektur der kopienkritisch zu rekonstruierenden »Königsanbetung vor dem Stall im Hügel«
Hugos verfängt nicht: Im Falle der Anbetung macht der Einblick in die beiden tonnengewölbten
Räume mit dem Dienst über dem Pfeiler zur Verdeutlichung des ruinösen Charakters der Architektur Sinn, im Falle des Berliner Diptychons und der Londoner Zeichnung ist er aber nur ein vom
Kopisten wenig durchdacht übernommenes Bildmotiv aus einem anderen späten Werk des Hugo
van der Goes.
12 S. o. S. 150-153.
13 Wolfthal (1989), S. 27f; Helene Verougstraete-Marcq, Roger van Schoute, Cadres et supports dans
la peinture flamande aux 15e et 16e siecles, Heures-le-Romain 1989, S. 55-59; Rezension des Buches
durch Lorne Campbell; in: Burlington Magazine 132 (1990), S. 721.
14 Ich bin Frau Angela Möller, Dresden, für den Hinweis auf das von ihr restaurierte Tüchlein ebenso
zu Dank verpflichtet wie den Besitzern für ihre großzügige Reproduktionserlaubnis.
13 Die Originalrahmung wurde erst bei der jüngst durchgeführten, aus konservatorischen Gründen
unvermeidbaren Restaurierung des Tüchleins geöffnet.
274
Exkurse
im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt zurück16. Die dünne, batistartige
Leinwand mißt 24,6 x 24,1 cm. Der Erhaltungszustand des Bildträgers wie der
Malerei ist erstaunlich gut; Risse und Fehlstellen konzentrieren sich vor allem
auf den Hintergrund und die Leinwandränder (Abb. 112). Rückseitig wird die
Unterzeichnung besonders gut an den Köpfen erkennbar (Abb. 113): Parallelschraffuren markieren die jeweiligen Schattenzonen der ansonsten linear
fixierten Komposition.
Das Tüchlein ist auf der hölzernen Rahmenrückwand (Abb. 114) fixiert
und wird zusätzlich durch den originalen Rahmen und die alte Verglasung in
seiner Position gehalten. Der mit Profil und Wasserschlag versehene Rahmen '
aus Eichenholz mißt 30,6 x 29,9 cm. Die nur in Resten erhaltene Vergoldung
und Fassung läßt erkennen, daß ursprünglich allseits eine Inschrift umlief.
Einzelbuchstaben sind unschwer auszumachen, links unten am Wasserschlag
vermutlich auch das Christusmonogramm »IHS«.
16 ENP II, S. 40f, 7lf, Nr. 60, Tafel 89 (Frankfurt), ENP II, S. 73, Nr. 70 a, 70 b, Tafel 98 (halbfigurige
Varianten nach dem Frankfurter Vorbild).
Eine Tüchleinvariante der halbfigurigen Komposition (im Vergleich zu der hier behandelten seitenverkehrt) befindet sich im Cabinet des dessins im Louvre (Wolfthal [1989], S. 54f, Kat. Nr. 27,
Abb. 87).
G. Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur
Im folgenden werden die im Rahmen der vorliegenden Studie mehrfach zitierten Arbeiten in alphabetischer Reihenfolge der Autoren aufgeführt; Bestandsund Ausstellungskataloge folgen, gleichfalls in alphabetischer Anordnung der
jeweiligen Stand- bzw. Ausstellungsorte.
Eine von E. Duverger zusammengestellte, 421 Titel umfassende »Kritische
Bibliographie« zu Leben und Werk des Hugo van der Goes enthält der Aus-
stellungskatalog Imaginair Museum Hugo van der Goes, Tentoonstellmg,
Oudergem, »Rood Klooster«: 9 September-14 november 1982, Gent, Museum
voor Schone Künsten: 18 december 1982-6 februari 1983, Leuven, Faculteitsgebouw Letteren en Wijsbegeerte: 11-25 februari 1983, Gent 1982, S. 89-111.
Zitate aus Max J. Friedländer, Early Netherlandish Painting, Bd. I-XIV,
Leyden-Brussels 1967-1976, finden sich grundsätzlich in der abgekürzten
Form »ENP I-XIV«.
I. Bücher und Aufsätze
ADLER, IRENE, Hugo van der Goes: Kneeling figure of St. Luke, Collection Franz
Koemgs; in: Old Master Drawings 5 (1930), S. 54
ALEXANDER, INGRID, MAIRINGER, FRANZ, SCHOULE, ROGER VAN, Le dessin sous-jacent chez Van der Goes. Le diptyque de Peche originel et de la Deploration du
Kunsthistorisches Museum de Vienne; in: Revue des Archeologues et des Historiens dArt
de Louvain 11 (1978), S. 73-83
ARNDT, KARL, Gerard Davids »Anbetung der Könige« nach Hugo van der Goes. Ein
Beitrag zur Kopienkritik; in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. F. 12 (1961),
S. 153-175
- Zum Werk des Hugo van der Goes; in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. F.
15 (1964), S. 63-98
- Rezension von Friedrich Winkler, Das Werk des Hugo van der Goes, Berlin 1964; in:
Deutsche Literaturzeitung 86 (1965), Sp. 783-786
ASPEREN DE BOER, JOHAN RUDOLPH JUSTUS VAN, Infrared Reflectography.
A Contribution to the Examination of Earlier European Paintings, Academisch Proefschrift, Universiteit Amsterdam 1970, Amsterdam 1970
BALD ASS, LUDWIG, Die Nachzeichnungen nach verschollenen Gemälden des Hugo van
der Goes; in: Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Beilage der »Graphischen Künste« (1919), S. 2-6
BARTSCH, ADAM, Le Peintre Graveur, Bd. 6: Les vieux maitres allemands, Ier partie,
Wien 1808
BAST, L. DE, D'une notice historique et critique sur Antonelle de Messine, peintre italien,
276
Literaturverzeichnis
qui vint en Flandre pour apprendre de Jean van Eyck la methode de peindre ä Phuile; in:
Messager des Sciences et des Arts (1824), S. 49-64, 129-144, 329-349
BAUDOUIN, FRANS, L'attribution a Hugo van der Goes du panneau »Saint Luc peignant
le portrait de la Vierge« au Museu Nacional de Arte Antiga ä Lisbonne; in: S. Lucas
retratando a Virgem. Pintura, Colectänea de textos, Conclusao dos exames e tratamentos
realizados no Instituto Jose de Figueiredo, Museu Nacional de Arte Antiga, Lisboa 1981,
S. 25-30
BAUM, ELFRIEDE, Katalog des Museums mittelalterlicher österreichischer Kunst, WienMünchen 1971 (Österreichische Galerie Wien, Kataloge 1)
BAUM, JULIUS, Martin Schongauer, Wien 1948
BAUMAN, GUY, Early Flemish Portraits. 1425-1525; in: Metropolitan Museum of Art
Bulletin (1986), S. 62
BENESCH, OTTO, Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen
Sammlung der Albertina, II: Die Zeichnungen der niederländischen Schulen des XV. und
XVI. Jahrhunderts, Wien 1928
- Die großen flämischen Maler als Zeichner; in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien 53, N. F. 17 (1957), S. 9-32
BERENSON, BERNARD, Italian Pictures of the Renaissance. A List of the Principal
Artists and Their Works with an Index of Places. Florentine School, Bd. 1, London 1963
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H. Tafel- und Abbildungsverzeichnis sowie
Photonachweis
Tafel 1 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P Anders, Berlin)
Tafel 2 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Maria mit Kind und dem ältesten König, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders,
Berlin)
Tafel 3 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, zweiter König, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders, Berlin)
Tafel 4 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Mohrenkönig, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders, Berlin)
Tafel 5 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, geöffneter Zustand, Florenz, Uffizien (Photo:
Artothek, Peissenberg)
Tafel 6 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Mitteltafel, Hirtengruppe, Florenz, Uffizien
(Photo: Artothek, Peissenburg)
Tafel 7 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Innenseite des linken Flügels, Die Heiligen
Margarete und Maria Magdalena, Florenz, Uffizien (Photo: Artothek, Peissenberg)
Tafel 8 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Innenseite des linken Flügels mit dem
hl. Andreas und dem schottischen König Jakob III. und dessen Sohn Jakob (?), The Royal
Collection, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh (Photo: A. Reeve, Edinburgh)
Tafel 9 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Innenseite des rechten Flügels mit dem
hl. Georg (?) und der schottischen Königin Margarete von Dänemark, The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh (Photo: A. Reeve, Edinburgh)
Tafel 10 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des linken Flügels mit dem
Gnadenstuhl, The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh
(Photo: A. Reeve, Edinburgh)
Tafel 11 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des rechten Flügels mit
Edward Bonkil und zwei Engeln, The Royal Collection, On loan to National Gallery of
Scotland, Edinburgh (Photo: A. Reeve, Edinburgh)
Tafel 12 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, Außenseite des rechten Flügels, Edward
Bonkil, The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh (Photo:
A. Reeve, Edinburgh)
Tafel 13 Hugo van der Goes, Hippolytus-Altar, Innenseite des linken Flügels, Bildnisse des
Stifters Hippolyte de Berthoz und seiner Gattin Elisabeth de Keverwyck, Brügge, St. Salvator
(Photo: H. Maertens, Brügge)
Tafel 14 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders)
Tafel 15 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Prophet, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders)
Tafel 16 Hugo van der Goes, Marientod, Brügge, Groeningemuseum (Photo: H. Maertens,
Brügge)
Tafel 17 Hugo van der Goes, Marientod, Apostelgruppe um Petrus, Brügge, Groeningemuseum (Photo: H. Maertens, Brügge)
Tafel 18 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Innenseite des linken Flügels, Sündenfall,
Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
290
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
Tafel 19 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Innenseite des rechten Flügels, Beweinung, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Tafel 20 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Außenseite des linken Flügels, Hl. Genovefa, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Tafel 21 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Maria mit dem Kind, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Tafel 22 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Makroaufnahme der sekundären Ubermalung am Handgelenk der Rechten Mariens, Frankfurt, Städelsches Kunst-
institut (Photo: Autor)
Tafel 23 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Lissabon, Museu des Arte
Antiga (Photo: Archiv des Autors)
Tafel 24 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, New York, Metropolitan Museum
of Art (Photo: The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Mrs. H. O. Havemeyer, 1929.
The H. O. Havemeyer Collection)
Tafel 25 Hugo van der Goes, Diptychonflügel mit Stifter und Johannes dem Täufer, Baltimore, Walters Art Gallery (Photo: Walters Art Gallery, Baltimore)
Tafel 26 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, linker Flügel, amerikanischer Privatbesitz (Photo: Archiv des Autors)
Tafel 27 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Berlin, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders)
Tafel 28 Hugo van der Goes, Fragment der »Großen Kreuzabnahme«, Oxford, Christ
Church, Picture Gallery (Photo: The Governing Body, Christ Church, Oxford)
Tafel 29 Goes-Werkstatt, Madonna lactans, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo:
Staatliche Kunstsammlungen Kassel)
Tafel 30 Goes-Werkstatt, Madonna lactans, Makroaufnahme der Mondsichelspitze; unter
dem Grün der sekundär ausgeführten Landschaft liegt das schwärzlich oxidierte Silber der
rechten Spitze der Mondsichel, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo: Staatliche
Kunstsammlungen Kassel)
Tafel 31 Hugo van der Goes, Mondsichelmadonna, Pavia, Pinacoteca Malaspina (Photo:
G. Chiolini, Pavia)
Tafel 32 Hugo van der Goes und niederländischer Künstler vom Anfang des 16. Jahrhunderts, Jakob und Rahel, Zeichnung, Oxford, Christ Church, Picture Gallery (Photo: The
Governing Body, Christ Church, Oxford)
Abb. 1 Kopie nach Hugo van der Goes, David und Abigail, Brüssel, Musees Royaux d'Hi-
stoire de l'Art (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 2 Hans Memling, Johannes d.T. in der Wildnis, München, Alte Pinakothek
(Photo: Alte Pinakothek München)
Abb. 3 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Wien, Kunsthistorisches
Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 4 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Wien, Kunsthistorisches
Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 5 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 6 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Rückseite, Wien,
Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
291
Abb. 7 Jan van Eyck, Adam und Eva, Genter Altar, Gent, St. Bavo (Photo: Copyright
A. C. L. Bruxelles)
Abb. 8 Stundenbuch der Maria von Burgund, Kreuzannagelung (Ausschnitt), Wien,
Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. 1857, fol. 43 verso
(Photo: Wien, Osterreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung)
Abb. 9 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Röntgenaufnahme, Wien,
Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 10 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Röntgenaufnahme, Wien,
Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 11 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Röntgenaufnahme,
Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 12 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie,
Leib Adams, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: J. R. J. van Asperen de Boer,
Amsterdam)
Abb. 13 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie,
Oberkörper Adams, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: J. R. J. van Asperen de Boer,
Amsterdam)
Abb. 14 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie,
Kopf des Versuchers, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: J. R. J. van Asperen de Boer,
Amsterdam)
Abb. 15 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Sündenfall, Infrarot-Reflektographie,
Oberkörper Evas, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: J. R. J. van Asperen de Boer,
Amsterdam)
Abb. 16 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Hl. Genovefa, Infrarot-Reflektographie,
Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: M. W. Ainsworth, Paintmgs Conservation
Department Archive, Metropolitan Museum of Art, New York)
Abb. 17 Hugo van der Goes, Wiener Diptychon, Beweinung Christi, Infrarot-Reflekto-
graphie, Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: J. R. J. van Asperen de Boer, Amsterdam)
Abb. 18 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, linker Flügel, Außenseite, Gnadenstuhl,
Infrarot-Photographie, Christus, The Royal Collection, On loan to National Gallery of
Scotland, Edinburgh (Photo: Courtesy, Courtauld Institute of Art)
Abb. 19 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Infrarot-Photographie, Joseph, Berlin,
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 20 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Infrarot-Photographie, Hirt, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 21 Hugo van der Goes, Marientod, Infrarot-Photographie, Christus, Brügge, Groeningemuseum (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 22 Hugo van der Goes, Monforte-Altar, Infrarot-Photographie, Joseph, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 23 Meister der Haarlemer Bibel, I-Initiale mit Sündenfall, Haarlem, Stadsbibliotheek, Ms 187 C-l, fol. 7r (Photo: J. H. Marrow, Princeton)
Abb. 24 Rogier-Nachfolge, Beweinung Christi, Den Haag, Mauritshuis (Photo: Den
Haag, Mauritshuis)
Abb. 25 Meister des Schotten-Altars, Beweinung Christi aus dem Schotten-Altar, Wien,
Österreichische Galerie (Photo: Österreichische Galerie, Wien)
292
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 26 Hugo van der Goes und Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, geöffne-
ter Zustand, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 27 Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, geöffneter Zustand bei herausgenommener Mitteltafel, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 28 Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, geschlossener Zustand, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 29 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Rückseite der Mitteltafel, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 30 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Röntgenbild, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 31 Hugo van der Goes, Marien-Triptychon, Mitteltafel, Infrarot-Reflektographie,
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 32 Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, Rahmenwerk der Mitteltafel
und Flügel, Röntgenaufnahme, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann,
Frankfurt)
Abb. 33 Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, Flügelaußenseiten, InfrarotReflektographie, Verkündigung, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann,
Frankfurt)
Abb. 34 Brügger (?) Meister um 1490, Marien-Triptychon, Flügelinnenseiten, InfrarotReflektographie, Stifterpaar mit empfehlenden Heiligen, Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut (Photo: U. Edelmann, Frankfurt)
Abb. 35 Brügger Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Fragmente eines Tafelbildes mit
den Heiligen Donatian und Georg(?), New York, Metropolitan Museum of Art (Photo:
The Metropolitan Museum of Art, The Jack and Belle Linsky Collection, 1982)
Abb. 36 Meister von Flemalle, Madonna mit Kind vor dem Ofenschirm, London, National Gallery (Photo: Reproduced by courtesy of the Trustees, The National Gallery,
London)
Abb. 37 Dirk Bouts, Madonna mit Kind und Engeln, Granada, Capilla Real (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 38 Italo-Byzantinischer Meister des 14. Jahrhunderts, Gnadenbild der »Notre-Dame
de Gräce«, Cambrai, Kathedrale (Photo: Chapitre du Notre-Dame, Cambrai)
Abb. 39 Rogier van der Weyden, Madonna mit Kind, Houston, Museum of Fine Arts
(Photo: The Museum of Fine Arts, Houston, The Edith A. and Percy S. Straus Collection)
Abb. 40 Dirk Bouts, Madonna mit Kind, New York, Metropolitan Museum of Art
(Photo: The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Theodore M. Davies, 1915. Theodore M. Davies Collection)
Abb. 41 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Lissabon, Museu Nacional de
Arte Antiga (Photo: Archiv des Autors)
Abb. 42 Antoine Wierix, Lukas zeichnet die Madonna, Kupferstich, Wien, Graphische
Sammlung Albertina (Photo: Wien, Graphische Sammlung Albertina)
Abb. 43 Niederländischer Meister vom Anfang des 16. Jahrhunderts, Lukas zeichnet die
Madonna, Zeichnung, Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen (Photo: Museum
Boymans-van Beuningen, Rotterdam)
Abb. 44 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Zustand während der jüngsten
Restaurierung, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga (Photo: Instituto Jose de
Figueiredo, Lissabon)
Abb. 45 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Röntgenaufnahme, Lissabon,
Museu Nacional de Arte Antiga (Photo: Instituto Jose de Figueiredo, Lissabon)
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
293
Abb. 46 Hugo van der Goes, Lukas zeichnet die Madonna, Infrarot-Photographie, Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga (Photo: Instituto Jose de Figueiredo, Lissabon)
Abb. 47 Rogier van der Weyden, Lukas zeichnet die Madonna, Boston, Museum of Fine
Arts (Photo: Gift of Mr. and Mrs. Henry Lee Higginson. Courtesy, Museum of Fine Arts,
Boston)
Abb. 48 Hugo van der Goes, Hirtenanbetung, Kopf Mariens, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders, Berlin)
Abb. 49 Ambrosius Benson, Madonna mit Kind, zuletzt im englischen Kunsthandel
(Photo: By kind permission of Sotheby's)
Abb. 50 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, New York, Metropolitan Museum
of Art (Photo: The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Mrs. H. O. Havemeyer, 1929.
The H. O. Havemeyer Collection)
Abb. 51 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, Zustand vor der Restaurierung von
1931 mit älteren Übermalungen, New York, Metropolitan Museum of Art (Photo: The
Metropolitan Museum of Art, Bequest of Mrs. H. O. Havemeyer, 1929. The H. O. Havemeyer Collection)
Abb. 52 Hugo van der Goes, Ovales Portraitfragment, Röntgenaufnahme, New York,
Metropolitan Museum of Art (Photo: The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Mrs.
H. O. Havemeyer, 1929. The H. O. Havemeyer Collection)
Abb. 53 Hugo van der Goes, Edinburgher Tafeln, rechter Flügel, Innenseite, Kopf Bonkils,
The Royal Collection, On loan to National Gallery of Scotland, Edinburgh, (Photo: Collection of HM The Queen, on loan to the National Gallery of Scotland)
Abb. 54 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d.T., Baltimore,
Walters Art Gallery (Photo: Walters Art Gallery, Baltimore)
Abb. 55 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d. T., Zustand vor
der Restaurierung von 1939, Baltimore, Walters Art Gallery (Photo: Walters Art Gallery,
Baltimore)
Abb. 56 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d.T., Röntgenaufnahme, Baltimore, Walters Art Gallery (Photo: Walters Art Gallery, Baltimore)
Abb. 57 Hugo van der Goes, Diptychon-Flügel mit Stifter und Johannes d.T., Zustand
nach der Reinigung 1988, Baltimore, Walters Art Gallery (Photo: Walters Art Gallery, Baltimore)
Abb. 58 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, linker Flügel, amerikanischer
Privatbesitz (Photo: Archiv des Verfassers)
Abb. 59 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Berlin, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 60 Niederländischer Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Kopie des rechten
Flügels der »Kleinen Kreuzabnahme«, Altenburg, Staatliches Lindenau-Museum (Photo:
Altenburg, Staatliches Lindenau-Museum)
Abb. 61 Hans Memling, Replik der »Kleinen Kreuzabnahme«, Brügge, Groeningemuseum (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 62 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Röntgenaufnahme,
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 63 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Durchlichtauf-
nahme, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 64 Hugo van der Goes, »Kleine Kreuzabnahme«, rechter Flügel, Aufnahme im ultra-
294
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
violetten Licht, Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie
(Photo: Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Berlin)
Abb. 65 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Oxford, Christ Church,
Picture Gallery (Photo: The Governing Body, Christ Church, Oxford)
Abb. 66 Niederländischer Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Kopie der »Großen
Kreuzabnahme«, Gent, Museum voor Schone Künsten (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 67 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Zustand vor der Restau-
rierung von 1946, Oxford, Christ Church, Picture Gallery (Photo: The Governing Body,
Christ Church, Oxford)
Abb. 68 Hugo van der Goes, »Große Kreuzabnahme«, Fragment, Röntgenaufnahme,
Oxford, Christ Church, Picture Gallery (Photo: Courtesy, Courtauld Institute of Art)
Abb. 69 Pieter Bruegel d. A.(?), Kopie der »Großen Kreuzabnahme«, Zeichnung, Wien,
Graphische Sammlung Albertina (Photo: Wien, Graphische Sammlung Albertina)
Abb. 70 Rogier van der Weyden, Kreuzabnahme, Madrid, Museo del Prado (Photo:
Madrid, Museo del Prado)
Abb. 71 Goes-Werkstatt und Sebastiano Mainardi (?), Madonna mit Kind, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo: Staatliche Kunstsammlungen Kassel)
Abb. 72 Goes-Werkstatt und Sebastiano Mainardi (?), Madonna mit Kind, Infrarot-Reflektographie, Mondsichel, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo: Staatliche Kunstsammlungen Kassel)
Abb. 73 Stundenbuch der Maria von Burgund, Mondsichelmadonna, Wien, Osterreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Cod. 1857, fol. 24 recto (Photo: Wien,
Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung)
Abb. 74 Niederländischer Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Mondsichelmadonna,
Wien, Kunsthistorisches Museum (Photo: Wien, Kunsthistorisches Museum)
Abb. 75 Sebastiano Mainardi (?), Madonna mit dem Kmd, London, National Gallery
(Photo: Courtesy of the Trustees, The National Gallery, London)
Abb. 76 Domenico Ghirlandaio, Hirtenanbetung, Florenz, Sta. Trinita, Sassetti-Kapelle
(Photo: Archivi Alinari, Firenze)
Abb. 77 Goes-Werkstatt und Sebastiano Mainardi (?), Madonna mit Kind, Rückseite der
heute entfernten Holztafel, auf die das Tüchlein nachträglich aufgeklebt worden war, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo: Staatliche Kunstsammlungen Kassel)
Abb. 78 Goes-Werkstatt und Sebastiano Mainardi (?), Madonna mit Kind, Ramboux-Siegel
auf der heute entfernten Holztafel, Kassel, Staatliche Kunstsammlungen (Photo: Staatliche
Kunstsammlungen Kassel)
Abb. 79 J. A. Ramboux, Trostspiegel in den Widerwärtigkeiten des Lebens (1865), Tafel 26
(Photo: Rheinisches Bildarchiv)
Abb. 80 Hugo van der Goes, Mondsichelmadonna, Pavia, Musei Civici, Castello Visconteo (Photo: Pavia, Musei Civici, Castello Visconteo)
Abb. 81 Hugo van der Goes, Mondsichelmadonna, Infrarot-Reflektographie, Mondsichel,
Pavia, Musei Civici, Castello Visconteo (Photo: Pavia, Musei Civici, Castello Visconteo)
Abb. 82 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, linker Flügel, Innenseite, Portinari-Söhne,
Florenz, Uffizien (Photo: Archivi Alinari, Firenze)
Abb. 83 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater dolorosa, Toledo, Museo de Santa
Cruz (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 84 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater dolorosa, Zustand nach der Zerstörung von 1936, Toledo, Museo de Santa Cruz (Photo: Autor)
Abb. 85 Goes-Nachfolger, Schmerzensmann und Mater dolorosa, Zustand vor der Restaurierung von 1936, Toledo, Museo de Santa Cruz (Photo: Photo MAS, Barcelona)
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
295
Abb. 86 Rogier van der Weyden, Columba-Altar, Mitteltafel, München, Alte Pinakothek
(Photo: Alte Pinakothek München)
Abb. 87 Meister von Flemalle, Petersburger Diptychon, Trinität, St. Petersburg, Staatliche
Ermitage (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 88 Martin Schongauer, Marientod, Kupferstich, Wien, Graphische Sammlung Albertina (Photo: Wien, Graphische Sammlung Albertina)
Abb. 89 Meister des J. Mansel, Fleur des Histoires, Marientod, Brüssel, Bibliotheque
Royale Albert Ier, Ms 9231, fol. 236 recto (Photo: Copyright Bibiotheque Royale Albert
Ier, Bruxelles)
Abb. 90 Stephan Lochner, Dombild, Köln, Hohe Domkirche (Photo: Köln, Hohe Domkirche)
Abb. 91 Martin Schongauer, Mondsichelmadonna, Kupferstich, Wien, Graphische Samm-
lung Albertina (Photo: Wien, Graphische Sammlung Albertina)
Abb. 92 Martin Schongauer, Madonna im Rosenhag, Colmar, St. Martin (Photo: Musee
d'Unterlinden, O. Zimmermann)
Abb. 93 Martin Schongauer, Peinigung des hl. Anthonius durch Dämonen, Kupferstich,
Wien, Graphische Sammlung Albertina (Photo: Wien, Graphische Sammlung Albertina)
Abb. 94 Genter Meister von 1448, Geburt Christi, Wandmalerei, Gent, Groot Vleeshuis
(Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 95 Meister von Flemalle, Geburt Christi, Dijon, Musee des Beaux-Arts (Photo:
Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 96 Rogier van der Weyden, Bladelin-Altar, Mitteltafel, Berlin, Staatliche Museen
Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie (Photo: J. P. Anders, Berlin)
Abb. 97 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, Flügelaußenseiten, Verkündigung, Florenz,
Uffizien (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 98 Joos van Wassenhove (Giusto da Guanto), Apostelkommunion, Urbino, Galleria
Nazionale delle Marche (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 99 Joos van Wassenhove (Giusto da Guanto), Anbetung der Könige, New York,
Metropolitan Museum of Art (Photo: The Metropolitan Museum of Art, Bequest of George Blumenthal, 1941)
Abb. 100 Hugo van der Goes, Portinari-Altar, linker Flügel, Innenseite, Röntgenphoto,
Kopf des Tommaso Portinari, Florenz, Uffizien (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 101 Dirk Bouts und Hugo van der Goes, Hippolytus-Triptychon, geöffneter Zustand, Brügge, St. Salvator (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 102 Goes-Nachfolger, Anbetung der Könige, New York, Metropolitan Museum of
Art (Photo: The Metropolitan Museum of Art, Purchase, 1871)
Abb. 103 Joos van Cleve, Kreuzigung Christi, Neapel, Galleria Nazionale di Capodimonte
(Photo: Archivi Alinari, Firenze)
Abb. 104 Joos van Cleve, Kreuzabnahme, Edinburgh, National Gallery of Scotland
(Photo: National Gallery of Scotland)
Abb. 105 Hans Memling, Christus im Kreis musizierender Engeln, Antwerpen, Museum
voor Schone Künsten (Photo: Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 106 Hans Memling, Maria mit dem toten Christus, Granada, Capilla Real (Photo:
Copyright A. C. L. Bruxelles)
Abb. 107 Memling-Umkreis, Triptychon mit Geburt, Kreuzigung und Auferstehung
Christi, Haarlem, Frans-Halsmuseum (Photo: T. Haartsen, Ouderkerk)
Abb. 108 Meister von 1499, Diptychon mit der Verkündigung an Maria, Berlin, Staatliche
Museen Preußischer Kulturbesitz, Bode-Museum (Photo: Berlin, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Bode-Museum)
296
Tafel- und Abbildungsverzeichnis
Abb. 109 Niederländischer Meister vom Ende des 15. Jahrhunderts, Maria einer Verkündigung (Kopie nach Hugo van der Goes), Zeichnung, London, British Museum (Photo:
Courtesy, The Trustees of the British Museum)
Abb. 110 Meister von 1518, Verkündigung, Verbleib unbekannt (Photo: R. Kleinhempel,
Hamburg)
Abb. 111 Niederländischer Meister der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Madonna mit
Kind, Privatbesitz (Photo: E. Renno, Weimar)
Abb. 112 Niederländischer Meister der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Madonna mit
Kind, Zustand vor der Restaurierung, Privatbesitz (Photo: E. Renno, Weimar)
Abb. 113 Niederländischer Meister der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Madonna mit
Kind, Rückseite des Tüchleins, Privatbesitz (Photo: E. Renno, Weimar)
Abb. 114 Niederländischer Meister der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, Madonna mit
Kind, Rückseite des hölzernen Trägers des Tüchleins, Privatbesitz (Photo: E. Renno,
Weimar)
297
I. Register
Hochgestellte Ziffern bezeichnen Fußnoten
Adolf von Cleve 217
Antonello da Messina 127f
Baroncelli, Maria 246
Bellini, Giovanni 174
Bening, Alexander 24013
Benson, Ambrosius 125f
Werke:
Antwerpen, Museum voor Schone Künsten, »Virgo Deipara«: 2026
Englischer Kunsthandel (1976), Madonna mit Kind: 125f
Berthoz, Hippolyte de 422, 132, 247f
Beurnonville, Baron E. M. de 1273
Biagio dAntonio 18129
Bonkil, Edward 132, 2355, 238, 252
Borger, P. A. 135
Bosch, Hieronymus 8465
Bouts, Aelbrecht Werke:
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Mariä-Himmelfahrt-Triptychon: 5 625 , 6032
Bouts, Dirk 152, 18, 23, 31, 39, 422, llOf, III50, 113, 115, 186, 199, 2051, 209, 21429, 219,
23 44, 247f, 25041, 261
Werke:
Brügge, St. Salvator, Hippolytus-Triptychon: 31, 42, 247f
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Gerechtigkeitsbilder: 18, 2344
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Kreuzigung Christi: 15232
Granada, Capilla Real, Madonna mit Kind und Engeln: 110
Löwen, St. Peter, Abendmahls-Altar: 2051, 2344
London, National Gallery, Grablegung Christi: 14721, 15030, 15231, 15232, 16016, 16217,
16319, 16 835, 18 8 49
Malibu, J. Paul Getty Museum, Verkündigung: 14721, 15 030, 15231, 15 232, 16016, 16217,
16319, 18849
New York, Metropolitan Museum of Art, Madonna: llOf
Pasadena, Norton Simon Foundation, Auferstehung: 15232
Philadelphia, John G. Johnson Collection, Geburt Christi: 21944
Werke des Bouts-Kreises (siehe auch Meister der Münchner Gefangennahme): III50
Cambridge, Mass. , Fogg Art Museum, Maria lactans: 7749
London, National Gallery, Madonna: III50
San Diego, Fine Arts Gallery, Schmerzensmann und Mater dolorosa: 1998, 20422
hypothetische Werke:
Marientod: 209
Breviarium Grimani 8465
Bruegel d. Ä., Pieter 15232, 165
Werke:
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Königsanbetung: 15232
Wien, Albertina, Zeichnungskopie nach der »Großen Kreuzabnahme«: 15910, 165-167
298
Register
Busleyden, Hieronymus 2026
Buttery, H. 159f
Campin, Robert siehe Meister von Flemalle
Christus, Petrus 11, 33, 39, 219, 226d4
Werke:
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Diptychon mit Verkündigung,
Geburt Christi und Weltgericht: 7747, 21944
New York, Wildenstein, Geburt Christi: 21944
Washington, National Gallery of Art, Geburt Christi: 21944
verlorene Werke:
Kopien nach der »Notre-Dame de Gräce«: 22 654
Cleve, Joos van 262f
Werke:
Edinburgh, National Gallery of Scotland, Kreuzabnahme: 262f
Neapel, Museo Nazionale, Kreuzigung: 262f
Courault, Philippe 8470
Daret, Tacques 219
Werke:
Lugano, Sammlung Thyssen-Bornemisza, Geburt Christi: 21944
David, Gerard 11, 21533, 271
Werke:
München, Alte Pinakothek, Königsanbetung vor dem Stall im Hügel (nach Goes):
12636
Wien, Kunsthistorisches Museum, Engelskampf-Triptychon: 21533
Werke des David-Kreises:
London, National Gallery, Marien-Triptychon: 19154
David, Jacques-Louis 182
Descamps, Jean Baptist 22f, 15910
Domenico, Pietro di 184
Dürer, Albrecht 1818
Edelheer 22654
Eyck, Hubert van 21839
Eyck, Jan van 11, 19, 22, 26, 31, 35, 43, 50, 51, 127, 135, 1562, 184, 21533, 233f, 239, 251
Werke:
Brügge, Groeningemuseum, Paele-Madonna: 43, 105, 11045
Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Marien-Triptychon: 43
Gent, St. Bavo, Genter Altar: 51, 6 637 , 82, 13617, 2 1 533 , 2 3 3
Paris, Louvre, Rolin-Madonna: 11045
Werke des Eyck-Kreises:
London, British Museum, Erzengel Michael im Kampf mit Teufeln (Zeichnung): 21533
nur urkundlich überlieferte Werke:
Badestube: 7749
Flämischer Buchmaler, Anfang 16. Jh. 25350
Werke:
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Ms. 1897: Stundenbuch Jakob IV. von
Schottland: 25350
Fouquet, Jean 36
Geertgen tot Sint Jans 205', 26469
Werke:
Register
299
Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen, Mondsichelmadonna: 26469
Utrecht, Rijksmuseum Catharijneconvent, Schmerzensmann: 26469
Wien, Kunsthistorisches Museum, Beweinung Christi: 2051, 26469
Gent, Justus van siehe Wassenhove, Joos van
Genter Meister um 1440 siehe Meister von Flemalle
Genter Meister, Mitte 15. Jh. 215-220
Werke:
Gent, Groot Vleeshuis, Wandbild mit Geburt Christi: 215-220, 221-223, 238S, 243,
24629
Ghirlandaio, Domenico 179-181
Werke:
Florenz, Sta. Trinitä, Hirtenanbetung: 181, 18435
Werke des Umkreises (Sebastiano Mainardi?): 179-181
Lille, Musee des Beaux-Arts, Madonna: 179-181
London, National Gallery, Madonna: 179-181
Goes, Hugo van der Lebensumstände 15-18, 22f, 36, 19660, 24013, 24629, 249f, 25962
Nachruhm: 18-23
erhaltene Werke:
Baltimore, Walters Art Gallery, Diptychonflügel mit Stifter und Johannes dem Täufer:
133-140, 258f
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Monforte-Altar:
27f, 31-33, 34, 35, 36, 39, 40f, 51, 74, 76, 78f, 90, 121f, 205, 220f, 223, 22655, 229,
230, 231, 232-234, 236-239, 248, 250, 254, 255, 256, 26469
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Hirtenanbetung:
27, 29, 31, 32, 33, 36, 37, 38, 39, 40f, 51, 54, 73f, 76, 79, 88-90, 121-123, 124, 12532,
140, 17141, 215, 220, 227, 229, 230, 23lf, 252, 254, 25558, 257, 258-260, 262
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, rechter Flügel der
»Kleinen Kreuzabnahme«: 28, 141-155, 15910, 170, 1874 , 202-204, 206' , 254f, 259,
273
Brügge, Groeningemuseum, Marientod: 11, 12, 27f, 31, 32, 33, 36, 37, 38, 39, 40f, 51,
54, 73f, 79, 88-90, 121-124, 140, 146, 153-155, 206-212, 21533, 224f, 22655, 227,
228f, 230, 23lf, 238f, 249-266, 267f, 270, 273
Brügge, St. Salvator, linker Flügel des Hippolytus-Triptychons: 31, 42, 104, 129, 132f,
2344, 246 - 248
Edinburgh, National Gallery of Scotland, Flügelbilder mit Gnadenstuhl, Edward Bonkil und dem schottischen Königspaar: 28, 31, 36, 37, 38, 40f, 73, 74-76, 79, 90, 121,
125f, 132f, 140, 170f, 206, 228, 229f, 231, 234-249, 250-253, 254, 256, 258, 261, 264,
265, 266, 268
Florenz, Uffizien, Portinari-Altar: 19, 20, 23f, 25, 26d3, 2634, 28, 30f, 32, 33, 34, 35, 36,
37, 38, 39, 40f, 422, 51, 54, 85f, 90, 95, 12532, 129, 13222, 170f, 174, 181, 18435, 190,
192-194, 195, 216, 220, 221-223, 228, 229f, 231, 232, 233, 234-249, 250f, 252, 256,
257, 260
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Marien-Triptychon: 31, 33, 34, 36, 51, 91-111,
21429, 227, 259
Lissabon, Museu Nacional de Arte Antiga, Lukas zeichnet die Madonna: 28, 10028,
112-126, 140, 227, 25350, 257, 258f, 2688
New York, Metropolitan Museum of Art, Ovales Portrait-Fragment: 127-133, 134, 248
Oxford, Christ Church, »Große Kreuzabnahme«: 12 636, 15 231, 15 3 34, 156-171,
202-204, 227, 248f, 254f, 260f
300
Register
Oxford, Christ Church, Jakob und Rahel (Zeichnung): 41248f
Pavia, Museo Civico, Madonna lactans: 28, 411, 14718, 185-196, 212-215, 223f, 227,
228f, 24011, 243, 249, 250-252, 25350, 261, 264, 265, 268
Wien, Kunsthistorisches Museum, Wiener Diptychon: 13, 28, 3lf, 33, 34, 36, 39, 41,
44-90, 95, 96, 10028, 102, 106, 121, 140, 146, 153-155, 171, 206, 227, 229, 230f,
232-234, 236-239, 24319, 25558, 258, 259, 262
Amerikanischer Privatbesitz, linker Flügel der »Kiemen Kreuzabnahme«: 28, 141-155,
15910, 170, 18747, 202-204, 2067, 254f, 259, 273
Werke des Goes-Umkreises und der -Nachfolge:
Altenburg, Staatliches Lindenau-Museum, Kreuzabnahme (nach dem linken Flügel der
»Kleinen Kreuzabnahme«): 144
Amsterdam, Rijksmuseum, Kopie nach der »Großen Kreuzabnahme«: 16729
Antwerpen, Maagdenhuis, Madonna: 25146
Banbury, Upton House, Bearsted Collection, Kaiser Augustus und die Sibylle von
Tibur: 17822
Bath, Victoria Art Gallery, Königsanbetung in Halbfigur: 25558
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Marientod: 225;>3
Brügge, St. Jakob, Wappenhaltender Engel (Grabplatte): 166
Brüssel, Musee dArt et d'Histoire, Verkündigung (freskierter Kaminmantel): 27110
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Anna Selbdntt mit franziskanischem Stifter: 411
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Madonna: 411
Budapest, Szepmüveszeti Müzeum, Beweinung Christi (Kopie nach der Wiener Beweinung): 8259
Den Haag, Sammlung G. Cramer, Beweinung Christi (Kopie nach der Wiener Beweinung): 8259
Gent, Museum voor Schone Künsten, Kopie nach der »Großen Kreuzabnahme«: 156
Granada, Sammlung Gomez-Moreno, Beweinung Christi: 1998
Kassel, Staatliche Kunstsammlungen, Madonna lactans: 4116218, 172-196, 204, 227,
268
Kopenhagen, Museum, Königsanbetung in Halbfigur: 255
London, National Gallery, Marientod: 22553
Neapel, Museo Nazionale, Kopie nach der »Großen Kreuzabnahme«: 1562, 16729
New York, Metropolitan Museum of Art, Königsanbetung in Halbfigur: 255
Nürnberg, Stadtmuseum, Passionsmadonna: 411
Philadelphia, John G. Johnson Collection, Madonna: 411
Prag, Nationalmuseum, Marientod: 22553
Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen, Lukas zeichnet die Madonna (Zeichnung; nach dem Lissaboner Tafelbild): 113-126
St. Gallen, Historisches Museum, Stephanus-Standarte: 166
St. Petersburg, Ermitage, Triptychon mit Königsanbetung: 411
St. Petersburg, Ermitage, Beweinung Christi (Kopie nach der Wiener Beweinung): 8259
Toledo, Museo de Santa Cruz, Mater dolorosa und Schmerzensmann: 197-204, 227
Vaduz, Sammlung des Regierenden Fürsten, Triptychon mit Königsanbetung: 3 3 90,
411, 9624
Wien, Albertina, Zeichnungskopie nach der »Großen Kreuzabnahme«: 15910, 165-167
Wilton House, Earl of Pembroke, Hirtenanbetung in Halbfigur: 25558
Amerikanischer Privatbesitz, Thronende Madonna im Kreise der Heiligen Thomas,
Johannes d.T., Hieronymus und Ludwig: 2869, 24011
Register
301
Französischer Kunsthandel (1954), Teilkopie nach der Kasseler Mondsichelmadonna des
Goes-Kreises: 18129
Verbleib unbekannt, Kopien der Stifterfiguren des Frankfurter Marien-Altars: 11640
Verbleib unbekannt (ehemals Cincinnati, Art Museum), Kopie nach der »Großen
Kreuzabnahme«: 16729
Verbleib unbekannt (ehemals in Madrid), Königsanbetung in Halbfigur: 25558
nur urkundlich überlieferte Werke:
Brügge, St. Jakob, Epitaph mit Madonna und Heiligen: 20
Brügge, St. Jakob, Kreuzigung oder Kreuzabnahme: 21f, 15910
Brügge, Karmeliterkirche, Katharinenlegende: 20
Geschichte von David und Abigail: 20f
Leinwandbilder mit heraldischen Motiven: 16
Leinwandbilder mit »pareren van maeghdekins«: 16
Papstwappen: 16
Wappenschilde: 16
hypothetische Werke Goes':
Königsanbetung vor dem Stall im Hügel: 12636, 268, 27311
Verkündigung: 252, 261, 267-273
»Virgo Deipara«: 2026
Goes, Nicolaas van der 2972
Gossaert, Jan, genannt Mabuse 128
Guise, General 1587
Havemeyer, H. O. 127
Hayne de Bruxelles 226:>4
Heberle, J. M. 184
Heere, Lucas van 19, 20f
Hugenot, Willem 7850
Isabella von Portugal 36, 217
Italo-byzaninischer Meister
Werke:
Cambrai, Kathedrale, »Notre-Dame de Gräce«: llOf, 21529, 226M
Jakob III. von Schottland 2355
Jakob (IV.) von Schottland, Herzog von Rothesay 2353, 253dC
Jode, Gerard de 113
Karl der Kühne 152, 16, 22, 23, 7850, 217, 239, 245, 24628
Ketelboetere, Jacob van 217, 219
Keysere, Johanna de 912, 95, 104, 116
Keverwyck, Elisabeth de 422, 104, 247
Lebrun, Jean Baptiste Pierre 2233
Leembruggen, M. 1355
Lemaire, Jean 1818
Lempertz, Heinrich 173, 184f
Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich 49f
Lochner, Stephan 211
Werke:
Köln, Kathedrale, Dombild: 211
Mainardi, Sebastiano siehe Ghirlandaio, Domenico
Malaspina, Marchese 185, 190
Mame, P. 1273
302
Register
Mander, Karel van 19, 2lf, 15910
Mantegna, Andrea 158
Margarethe von Osterreich 1818
Margarethe von Dänemark 2355, 249
Margarethe von York 16, 23
Margarete Tudor 25330
Maria von Burgund 17, 245 , 24628
Martins, Nabur 218
Massys, Quentin 113-126
verschollene Werke:
Lukas-Madonna: 113-126
Maximilian von Österreich 17, 8158
Medici, Lorenzo de' 245, 24628, 24629
Meister E. S. 21529
Werke:
Madonna in der Fensternische (Kupferstich): 21529
Meister von 1499 267-273
Werke:
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Bode-Museum, VerkündigungsDiptychon: 267-273
Werke aus dem Umkreis des Meisters von 1499:
London, British Museum, Annunziata (Zeichnung): 268, 27311
Meister von 1518 268-273
Werke:
Verbleib unbekannt, Verkündigung: 252, 261, 268-273
Meister des Bartholomäus-Altars (Nachfolger)
Werke:
Mondsichelmadonna (1990 im englischen Kunsthandel): 21530
Meister des Evert van Soudenbalch
Werke:
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2771, Historienbibel des Evert van
Soudenbalch: 8263
Meister von Flemalle 19052, 206, 21429, 218f, 25041, 251, 273f
Werke:
Aix-en-Provence, Musee Granet, Mondsichelmadonna: 19052
Dijon, Musee des Beaux-Arts, Geburt Christi: 218f, 22249
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, »Flemaller Tafeln«: 273f
London, Courtauld Institute Galleries, Seilern-Grablegung: 16835
London, National Gallery, Madonna lactans vor dem Kamin: 110, 251
St. Petersburg, Ermitage, Diptychon mit Madonna und Gnadenstuhl: 206
hypothetische Werke des Meisters von Flemalle:
Halbfigurenmadonna: III48, 21429
Meister der Gewandstudien 18950
Werke:
Coburg, Veste, Madonna mit Kind (Zeichnung; nach Goes' Paveser Madonna): 18950
Meister der Haarlemer Bibel 82-84
Werke:
Haarlem, Stadsbibliotheek, Ms. 187 C 1, Historienbibel: 82-84
Meister des Liechtenstein-Altärchens 3 490, 96
Register
303
Werke:
Vaduz, Sammlung des Regierenden Fürsten, Triptychon mit Königsanbetung: 3390,
9624
Meister der Lyversberger Passion 2051
Werke:
Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Lyversberger Passions-Triptychon: 2051
Meister des J. Mansel 207-210
Werke:
Brüssel, Bibliotheque Royale, Ms. 9231, Fleur des Histoires de J. Mansel: 207-210,
21533
Meister der Maria von Burgund 2972, 54
Werke:
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 1857, Stundenbuch der Maria von Burgund: 53f, 7953, 177
Meister von Moulins 2869, 240, 25330
Werke:
Autun, Musee Rolin, Anbetung des Kindes: 24011
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Madonna mit Kind und Engeln: 24011
Chantilly, Musee Conde, Portrait Karls II., Kardinal von Bourbon: 24012
Glasgow, Museum, Hl. Viktor mit geistlichem Stifter: 24012
Moulins, Kathedrale: Marien-Triptychon: 24011, 25350
München, Alte Pinakothek, Portrait Karls II., Kardinal von Bourbon: 24012
Amerikanischer Privatbesitz, Thronende Madonna im Kreise der Heiligen Thomas,
Johannes d.T., Hieronymus und Ludwig: 2869, 240n
Meister der Münchner Gefangennahme (siehe auch Dirk Bouts) 422, 18930, 247, 24733,
24734, 24835
Werke:
Brügge, St. Salvator, Hippolytus-Triptychon: 42, 247
Hypothetische Werke des Meisters der Münchner Gefangennahme:
Kopie nach Goes' Paveser Madonna: 1891'0
Meister des Schotten-Altars 87
Werke:
Wien, Osterreichische Galerie, Beweinung Christi (Teil des Schotten-Altars): 87f
Meister der Ursula-Legende 13 221, 17 8 22, 19 2 56
Werke:
Cambridge, Mass., Fogg Art Museum/ Philadelphia, John G. Johnson Collection,
Marien-Diptychon des Ludovico(?) Portinari: 13 221, 17 8 22, 19256
Memlmg, Hans 11, 24f, 26, 50, 84, 146, 14928, 244, 265f, 271
Werke:
Antwerpen, Museum voor Schone Künsten, Erscheinung Christi im Kreise musizierender Engel: 265
Brügge, Groeningemuseum, Kreuzabnahme (nach Goes' »Kleiner Kreuzabnahme«):
146
Danzig, Marienkirche, Weltgerichts-Triptychon: 24422
Granada, Capilla Real, Kreuzabnahme (nach Goes' »Kleiner Kreuzabnahme«): 14617
Granada, Capilla Real, Maria mit dem toten Christus in Halbfigur: 265
Lübeck, Annen-Museum, Kreuzigungs-Altar: 265f
Melbourne, National Gallery of Victoria, Maria mit dem toten Christus in Halbfigur:
26571
304
Register
München, Alte Pinakothek, Johannes der Täufer in der Wildnis: 24f
München, Alte Pinakothek, Sieben Freuden Mariens: 208
New York, Metropolitan Museum of Art, Portraits des Tommaso Portinari und der
Maria Baroncelli: 24626
Stuttgart, Staatsgalerie, Batheseba im Bade: 7749
Werke des Memling-Kreises:
Haarlem, Frans Halsmuseum, Kreuzigungs-Triptychon (freie Kopie nach Memlings
Lübecker Altar): 265f
Molenmeers, van de 27110
Montefeltre, Federico da 240, 244"
Montefeltre, Guidobaldo da 244"
Muller, Frederik 1355
Niederländischer Meister, 2. FL 15. Jh.
Werke:
Madonna lactans, Privatbesitz: 273
Niederländischer Meister, 2. H. 15. Jh.
Werke:
Breslau, Diözesanbibliothek, Einblattholzschnitt der Madonna lactans (nach Meister
von Flemalle?): III48 , 2 1 429
Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, Einblattholzschnitt der Madonna lactans
(nach Meister von Flemalle?): III48 , 2142''
Niederländischer (Nordniederlande?) Meister, 4. Viertel 15. Jh.
Werke:
Cambridge, Mass. , Fogg Art Museum, Marientod (Relief; nach Schongauers Kupferstich): 21224
Niederländischer (Brügger?) Meister um 1490 105, 106
Werke:
New York, Metropolitan Museum of Art, Fragmente eines Tafelbildes mit stehenden
Heiligen: 105
Niederländischer (Utrechter) Buchmaler um 1495
Werke:
Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. qu. 194, Stundenbuch:
8465
Niederländischer Meister, E. 15. Jh. 177f
Werke:
Wien, Kunsthistorisches Museum, Mondsichelmadonna: 177f
Niederländischer Meister um 1500 14928
Werke:
Genua, Palazzo Durazzo, Kreuzabnahme-Triptychon: 14928
Nogarolo, Leonardo 191
Ofhuys, Gaspar 16-18, 23, 8158, 250, 261
Olmütz, Wenzel von 210
Werke:
Marientod (Kopie nach Schongauer; Kupferstich): 210
Ouwater, Albert van 50
Overbeke, Wilhelm van 912, 95, 10943, 116
Panciatichi 143
Philipp der Gute 153, 16, 36, 217
Portinari, Antonio 2355
Register
305
Portinari, Guido 30, 19237, 235^
Portinari, Ludovico 13221, 17822, 19256
Portinari, Pigello 30, 192, 195, 235r>, 243
Portinari, Tommaso 19, 13222, 192, 235;>, 244-246, 249
Praxiteles 20
Prior Thomas 17
Ragnioni, Domenico 184
Ramboux, Johann Anton 182-185
Ranchicourt, Pierre de 84
Reden, S. von 1749
Rinck, Johann 2051
Rinck, Peter 2051
Sanderus, Antonius 2233, 15910
Sandrart, Joachim von 223j
Schongauer, Martin 37, 15435, 186, 18950, 206-215, 223-225, 228f
Werke:
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Anbetung der Hirten: 214
Colmar, St. Martin, Madonna im Rosenhag: 214
Mondsichelmadonna (Kupferstich; B. 31): 212-215, 223, 224Dl, 228f
Marientod (Kupferstich; B. 33): 37, 38116, 206-212, 21533, 223-225, 228f
Peinigung des Hl. Antonius durch Dämonen (Kupferstich; B. 47): 17141, 215, 220, 229
Kopien nach Schongauer:
Wenzel von Olmütz, Marientod: 210
Schwäbischer Meister, Ende 15. Jahrhundert 208f
Werke:
Karlsruhe, Staatliche Kunsthalle, Lichtenthaler Altar: 208f
Selieman, T. 1355
Signol 127
Sixtus IV. 19 lf
Sluter, Claus 239f
Sweerts, Francois 22
Vaernewijck, Lucas van 19-21
Vasari, Giorgio 19
Walters, Henry 135
Wassenhove, Joos van (Justus van Gent) 15, 1448, 1748, 218j9, 240-242, 244
Werke:
London, Hampton Court, Vorlesung am Hofe der Montefeltre: 24422
New York, Metropolitan Museum of Art, Königsanbetung: 241
Urbino, Galleria Nazionale delle Marche, Apostelkommunion: 240
Urbino, Galleria Nazionale delle Marche, Uomini illustri-Zyklus: 241
nur urkundlich überlieferte Werke:
Prozessionsbanner der Corpus Christi- Bruderschaft in Urbino: 1448
Wauters, Emile
Werke:
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Der vom Wahnsinn befallene Hugo van der
Goes im Kloster: 2344
Weyden, Rogier van der 31, 34, 35, 51, 84-88, llOf, 15334, 159, 19052, 198, 205, 206, 209f,
21120, 21224, 21429, 21533, 219, 220-223, 22553, 231, 233, 239, 244, 251, 26556, 258
306
Register
Werke:
Antwerpen, Museum voor Schone Künsten, Sakraments-Altar: 8674, 24422
Beaune, Hotel-Dieu, Weltgerichts-Altar: 25144
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Bladelin-Altar:
19052, 21944, 22045, 221-223, 2388
Boston, Mass. , Museum of Fine Arts, Lukas-Madonna: 8 674, 11044, 117, 123, 12 636,
177 {
Houston, Museum of Fine Arts, Madonna: 111
Madrid, Prado, Kreuzabnahme: 168, 169f, 22654, 25041
München, Alte Pinakothek, Columba-Altar: 205, 211, 220f, 223, 23.3, 2388
Wien, Kunsthistorisches Museum, Kreuzigungs-Triptychon: 8777
Werke der Rogier-Nachfolge: 84-87, 11044, 12636, 190d2
Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Beweinung
Christi: 8674
Brügge, Groeningemuseum, Lukas-Madonna: 8674, 11722
Brüssel, Musees Royaux des Beaux-Arts, Sforza-Triptychon: 24422
Chantilly, Musee Conde, Diptychon der Jeanne de France: 19052
Den Haag, Mauritshuis, Beweinung Christi: 84-87
Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Johannes-Altar: 8674
Granada, Capilla Real, New York, Metropolitan Museum of Art, Marienaltar: 86/4
Löwen, St. Peter, Edelheer-Triptychon: 22654
München, Alte Pinakothek, Lukas-Madonna: 8674, 11722
St. Petersburg, Ermitage, Lukas-Madonna: 8 674, 11722
hypothetische Werke:
Beweinung Christi: 87f, 206, 258
Kreuzabnahme in Halbfigur: 15 3 34, 16 8 33 , 231, 261
Marientod: 209f, 21120, 2 1 224 , 2 1 533 , 22 5 53
Weytens, Jacob 20
Wierix, Antoine 113-126
Werke:
Lukas zeichnet die Madonna (Kupferstich): 113-126
Kopie nach Goes' »Großer Kreuzabnahme« (Kupferstich): 16728
Zickele, Philips van der 24, 24013
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