OpenData
raumbezogene Daten
Eine empirische Analyse der grundlegenden Aspekte
im Prozess der Öffnung von amtlichen
Geodatenbeständen
Damian Paderta
Diplomarbeit im Studiengang Geographie
des Geographischen Instituts der Universität Bonn
Betreuender Prüfer: Prof. Dr. Klaus Greve
Abgegeben am 21. November 2011
Persistent Identifier (PID)
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-364743
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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ......................................................................................................... IV
Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. IV
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... V
1 Einleitung
1
1.1 Problemstellung ................................................................................................................ 1
1.2 Forschungsstand ............................................................................................................... 2
1.3 Zielstellung ....................................................................................................................... 3
1.4 Methoden .......................................................................................................................... 4
1.5 Aufbau der Arbeit ............................................................................................................. 5
2. Theoretischer Rahmen
7
2.1 Open Data ......................................................................................................................... 7
2.1.1 Begriffsbestimmungen und Schreibweisen ........................................................... 7
2.1.2 Die Datenallmende als Beitrag zur Informationsgesellschaft ............................. 11
2.1.3 Open Data-Philosophie ........................................................................................ 13
2.1.4 Open Data als Bestandteil von Open Government .............................................. 14
2.1.5 Zehn Prinzipien offener Regierungsinformationen ............................................. 16
2.2. Lizenzmodelle für Open Data........................................................................................ 18
2.2.1 Creative Commons Licenses ............................................................................... 19
2.2.2 Open Licenses ..................................................................................................... 22
2.3 Technische Grundlagen für Open Data .......................................................................... 23
2.3.1 Repräsentationsform der Datenressourcen .......................................................... 24
2.3.2 Auffindbarkeit und Beschreibung der Datenressourcen...................................... 28
2.3.3 Linked Data ......................................................................................................... 28
2.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen zu Daten des öffentlichen Sektors............................ 29
2.4.1 PSI und IWG ....................................................................................................... 30
2.4.2 INSPIRE und GeoZG .......................................................................................... 31
2.4.3 IFG und UIG........................................................................................................ 33
2.5 Untersuchungsperspektive und Ableitung der Fragestellung ......................................... 34
III
3. Methodik
36
3.1 Datenherkunft - Nichtstandardisierte Experteninterviews ............................................. 36
3.2 Datenerhebung ................................................................................................................ 36
3.3 Datenaufbereitung und Datenauswertung ...................................................................... 39
4. Analyse
42
4.1 Spannungsfeld I - Informationsfreiheit versus Datenschutz........................................... 43
4.1.1 Personenbezogene Geodaten ............................................................................... 43
4.1.2 Nichtpersonenbezogene Geodaten ...................................................................... 50
4.1.3 Rechtlicher Zugang zu Geodaten des öffentlichen Sektors ................................. 52
4.1.4 Transparenz durch Open Government Geo Data?............................................... 54
4.1.5 Technische Transparenz für OGGeoD ................................................................ 57
4.2 Spannungsfeld II - Traditionelle Verwaltungskultur versus eParticipation &
eCollaboration ...................................................................................................................... 58
4.2.1 Die Verwaltungskultur des öffentlichen Sektors in Deutschland........................ 59
4.2.2 Bürgerbeteiligung im Web auf Basis von OGGeoD ........................................... 66
4.3 Spannungsfeld III - Refinanzierung versus Kommerzielle Weiterverwendung ............. 72
4.3.1 Staatliche Geodaten auf dem Markt .................................................................... 72
4.3.2 Refinanzierung von datenhaltenden Stellen ........................................................ 75
4.3.3 Nutzungsrechte von OGGeoD ............................................................................. 80
5. Schlussbetrachtung
83
Literaturverzeichnis
93
Quellenverzeichnis
98
Anhang
102
Leitfaden ..................................................................................................................... 102
Erklärung .................................................................................................................... 105
IV
Abbildungsverzeichnis
ABBILDUNG 1: TEILMENGEN VON OPEN DATA, GEO DATA UND GOVERNMENT DATA
10
ABBILDUNG 2: OPEN LICENSES UND PUBLIC LICENSES
23
ABBILDUNG 3: BESTEHENDER RECHTSRAHMEN FÜR OPEN GOVERNMENT GEO DATA
34
ABBILDUNG 4: ZIRKULÄRE THEORIEENTWICKLUNG
37
ABBILDUNG 5: ABLAUFMODELL INDUKTIVER KATEGORIENBILDUNG
41
ABBILDUNG 6: SPANNUNGSFELDER IM OPEN GOVERNMENT GEO DATA-DISKURS
42
ABBILDUNG 7: ENTWICKLUNG VON DATENBEREITSTELLER IM INTERNET
68
ABBILDUNG 8: ENTWICKLUNG DES GEOBUSINESS-MARKTES IN DEUTSCHLAND
73
ABBILDUNG 9: DER TRANSPARENZKREISLAUF AUF BASIS VON OPEN GOVERNMENT DATA
84
ABBILDUNG 10: SCHEMA EINES KOLLABORATIVEN OPEN GOVERNMENT GEO DATA
NETZWERKES
86
ABBILDUNG 11: PROZESSFOLGE BEI AUSWEITUNG DER NUTZUNGSRECHTE FÜR DATEN DES
ÖFFENTLICHE SEKTORS
ABBILDUNG 12: WERTSCHÖPFUNGSNETZWERK FÜR OPEN GOVERNMENT GEO DATA
90
89
Tabellenverzeichnis
TABELLE 1: DATEIFORMATE AUFGESCHLÜSSELT NACH MASCHINENLESBARKEIT,
VERFÜGBARKEIT DER SPEZIFIKATIONEN, UND OFFENHEIT
TABELLE 2: ÜBERSICHT DER INTERVIEWPARTNER
26
40
V
Abkürzungsverzeichnis
API Application Programming Interface
ATKIS Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem
CSD Crowd Sourced Data
DIN Deutsche Industrie-Norm
FOSSGIS Freie und Open Source Software für Geoinformationssysteme
G2C Government-to-Citizen
G2G Government-to-Government
GDI Geodateninfrastruktur
GIS Geografisches Informationssystem oder Geoinformationssystem
GML Geography Markup
GPL General Public License
GUI Graphical User Interface
HTML Hypertext Markup Language
HTTP Hypertext Transfer Protocol
IKT Informations- und Kommunikationstechnologie
INSPIRE Infrastructure for Spatial Information in Europe
ISO International Standardization Organisation
LD Linked Data
LOD Linked Open Data
OD Open Data
OGC Open Geospatial Consortium
OGD Open Government Data
OGGeoD Open Government Geo Data
OSD Open Source Definition
OSM OpenStreetMap
OSS/FS Open Source Software / Freie Software
PDF Portable Document Format
PNG Portable Network Graphics
RDF Resource Description Framework
UGC User Generated Content
W3C World Wide Web Consortium
WCPS Web Coverage Processing Service
WCS Web Coverage Service
WFS Web Feature Service
WMS Web Map Service
XML Extensible Markup Language
1
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Open Data besitzt auf nationaler und internationaler Ebene eine hohe politische Relevanz. Die
seit Jahrzehnten geführte Diskussion um die Öffnung von amtlichen Geodaten erhält durch
den noch jungen Open Data-Diskurs in Deutschland neue Aktualität. Die Bedeutung der
Öffnung von Geodatenbeständen öffentlicher Verwaltungen kann mit Hilfe der formulierten
Paradigmen für die Öffnung von Daten (siehe Kapitel 2.1.4) abgeleitet werden: i. sie sind
essentieller Bestandteil einer Informationsinfrastruktur und Basis einer darauf aufbauenden
Wissensökonomie, ii. sie können politisches Handeln nachvollziehbar machen und einen
Beitrag zur Transparenz und damit zur Demokratisierung leisten, iii. sie können Menschen zu
Dialog, Partizipation und Kollaboration befähigen und iv. bergen ein großes Potenzial für
soziale und wirtschaftliche Entwicklungen.
Ein freier Zugang zu Geodaten verspricht eine Schaffung und Weiterentwicklung von
sozialen und ökonomischen Mehrwerten. Zahlreiche Studien weisen auf einen positiven
Zusammenhang zwischen freien oder offenen Daten und wirtschaftlichem Wachstum hin
(MCKINSEY GLOBAL INSTITUT 2011). Frei bedeutet in diesem Zusammenhang auch die
Möglichkeit, dass die Nutzer
1
die Daten kostenfrei und zu kommerziellen Zwecken
weiterverwenden dürfen. Hieraus ergibt sich auch der Erfolg des OpenStreetMap-Projektes. 2
Akteure wie die Open Knowledge Foundation
3
oder open3 4 fordern die Öffnung aller
staatlichen, nicht-personenbezogenen Daten. Die Erwartungen der Open Data Initiative
erschöpfen sich aber nicht in der kostenfreien kommerziellen Nutzung von amtlichen
Geodaten, sondern zielen besonders auf die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten (z. B.
Fix My Street 5), die sich aus der freien Verwendung der Geodaten ergeben können. Hierzu ist
der Zugriff auf die Datenbestände des öffentlichen Sektors (wie z. B. Geobasisdaten) eine
notwendige Voraussetzung. Dieser Zugriff bietet Softwareentwicklern die Chance, eigene
Applikationen auf deren Grundlage zu erstellen und somit Dienste im Web anzubieten, die
amtliche Datenhalter nicht zu leisten imstande sind.
1
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die sogenannte Binnen-I Schreibung verzichtet. Stattdessen
werden die grammatikalisch männlichen Formen sowohl für Frauen als auch für Männer verwendet, sofern nicht
anders vermerkt. Bei der Wiedergabe der Interviews wurde allerdings die von den Gesprächspartnern
verwendete Form benutzt.
2
OpenStreetMap: http://www.OpenStreetMap.de
3
Open Knowledge Foundation: http://okfn.org/about
open3: Verein zur Förderung von Open Society, Open Government und Open Data: http://www.open3.at
5
Fix My Street http://www.fixmystreet.com
4
2
Öffentliche Verwaltungen produzieren einen großen Umfang an nicht-personenbezogenen
Daten mit Raumbezug. Geodaten und Geoinformationen bilden die Grundlage für
Entscheidungen in weiten Bereichen der Gesellschaft (HUXHOLD 1991, S. 236). Der Zugang
zu diesen Daten ist von fundamentaler Bedeutung hinsichtlich ihrer Verwendung als
Wirtschaftsgut. Bund, Länder und Kommunen verfügen über die größten Bestände
unterschiedlichster Geodaten, die von ihnen selbst erhoben und gesammelt werden. Das
Potenzial dieser Daten wird, häufig aufgrund mangelnder Ressourcen, von den öffentlichen
Verwaltungen nicht ausgeschöpft. Innovative Nutzungsmöglichkeiten, besonders im Falle von
raumbezogenen Daten, gehen verloren, wenn Dritte diese Daten nicht einsehen und frei
nutzen können. Der freie Zugang zu Geodaten und deren Weiterverwendung werden zudem
durch eine Reihe von technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erschwert.
Schwierigkeiten
bestehen
nicht
nur
in
der
grenz-
und
behördenübergreifenden
Kommunikation auf Basis von Geoinformationen, sondern auch darin, die wenigen freien
amtliche Geodaten, ohne großen technischen und rechtlichen Aufwand weiterzuverarbeiten.
Gerne wird, wenn von staatlichen Geodatenbeständen die Rede ist, von einem „Schatz“
gesprochen, auf dem die öffentlichen Verwaltungen säßen und den es zu bergen gelte. Zur
Bergung empfiehlt es sich, Erfolgsfaktoren privater Datenanbieter auf die der öffentlichen zu
übertragen:
Ergonomische,
benutzerfreundliche
Nutzung,
sichere
rechtliche
Rahmenbedingungen sowie ein einfaches, transparentes und nutzungsorientiertes Preismodell
können amtlichen Geodaten das Potenzial entlocken, das ihnen in zahlreichen Studien
nachgesagt wird (FORNEFELD u. OEFINGER 2005, S. 14).
1.2 Forschungsstand
International prägen gegenwärtig u.a. TIM BERNERS LEE und die SUNLIGHT FOUNDATION den
internationalen Diskurs um Open Data. Die Erforschungen über die technischen und
rechtlichen Hürden zur Weiterverwendung dieser Daten im Sinne der Open Data-Philosophie
stehen noch am Anfang. In Deutschland publizierte der Expertenkreis CO:LLABORATORY
wichtige Beiträge zu Open Government und Open Data.
Maßgeblich an der Untersuchung von Public Sector Information (PSI) und Geodaten des
öffentlichen Sektors auf nationaler Ebene sind die MICUS-Studien zu nennen.
Untersuchungen, inwieweit verfügbare amtliche Geodaten in angemessener Weise aufbereitet
und weiterverwendet werden und Dritte Zugang zu diesen Informationen haben sind spärlich.
Das Thema der Datenallmende adaptiert Konzepte und Theorien aus der Free Software und
Open Source Software. Insgesamt ist die Abgrenzung und Definition der Spannungsfelder, die
3
die Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen im Open Data-Sinne beeinflussen noch
weitestgehend unerforscht. Die Definition der Begrifflichkeiten, die Systematisierung und
Abgrenzung der Einflussfaktoren sind noch unzureichend. Die Datenlage ist insgesamt als
defizitär zu beurteilen.
1.3 Zielstellung
Aufgrund der unter Punkt 1.2 skizzierten unzureichenden Situation über grundlegende
Aspekte im Prozess der Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen soll die vorliegende
Arbeit dazu beitragen: i. die im Diskurs verwendeten Begriffe auf ihre Genauigkeit hin zu
prüfen und zu schärfen, ii. die Spannungsfelder (Hemmnisse, Chancen und Risiken), die sich
bei der Weitergabe und Weiterverwendung von raumbezogenen Daten ergeben voneinander
abzugrenzen und zu erklären und iii. diese zueinander in Beziehung zu setzen. Auf Grundlage
dessen wird ein Modell entworfen, das zur Beschreibung des Ist-Soll-Zustandes im
Öffnungsprozess herangezogen werden und damit als Diskussionsgrundlage fungieren kann.
Das Modell richtet sich insbesondere an Verwaltungsmodernisierer, die in öffentlichen
Verwaltungen in Deutschland tätig sind und mit raumbezogenen Information arbeiten.
Die Arbeit leitet die Prinzipien für die Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen aus der
aktuellen Diskussion um Open Data ab. Dies geschieht maßgeblich in Anlehnung an
DIETRICHs Thesen zu Open Data (DIETRICH 2010, S. 59). Ziel ist es deshalb auch, zu
überprüfen, inwiefern die Voraussetzungen in der amtlichen Geodatenlandschaft den
Forderungen und Ansprüchen der Open Data-Philosophie entsprechen. Im Schlussteil werden
Empfehlungen formuliert, wie staatliche, nicht-personenbezogene Geodaten frei und zu
kommerziellen Zwecken weitergegeben und weiterverwendet werden können. Außerdem
wird überprüft, inwieweit der Diskurs Open Data die Diskussion um die Öffnung
Geodatenbeständen im Allgemeinen voranbringt.
In der vorliegenden Arbeit werden die von staatlicher Seite erstellten oder in staatlichem
Auftrag gegebenen (digitalen) Daten und Informationen mit Raumbezug 6 aus Sicht der Open
Data-Philosophie fokussiert. Diese Sicht stellt den Bürger stärker in den Mittelpunkt.
Allerdings nicht als passiven Part in einer Informationskette, sondern als möglichen
6
„Als raumbezogene Information gilt jede Angabe, in der zur Sachaussage über ein Objekt auch dessen
geometrische Festlegung in einem Bezugssystem gehört.“ (HAKE et al. 2002, S. 4)
4
Prosumenten 7 und aktiv kollaborierenden und partizipierenden Teil (Bürger 2.0) (HABBEL u.
HUBER 2008, S. 2) einer Gesellschaft, in der das Web zunehmend als Plattform für
zivilgesellschaftliches Handeln verwendet wird. Der Bürger soll auch befähigt werden,
mögliche Dienstleistungen und Produkte, die auf den staatlich bereitgestellten Daten beruhen,
ohne Einschränkungen kommerziell zu vertreiben.
1.4 Methoden
Aufgrund der unter Punkt 1.2 dargestellten unzureichenden Situation über die Verfügbarkeit
und Qualität von themenrelevanten Informationen und Daten, bot sich für diese Arbeit eine
explorativ-qualitative Datenerhebung an. Aus diesem Grund wurden nichtstandardisierte
Experteninterviews durchgeführt. Das Interviewmaterial wurde anschließend mittels einer
qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Zur Definition und Operationalisierung der
Begrifflichkeiten sowie zur Kontextualisierung der Analyseschwerpunkte wurde ebenfalls die
vorhandene Literatur verwendet.
Nichtstandardisierte Experteninterviews bieten sich für diese Arbeit besonders an, um
Informationslücken zu schließen und den aktuellen Stand im Diskurs zu ermitteln. Zudem
ermöglichen
sie
es,
unterschiedliche
und
kontroverse
Perspektiven
auf
soziale
Fragestellungen auszuleuchten. Nichtstandardisiert bedeutet, dass die Reihenfolge und die
Formulierung der Fragen flexibel gehandhabt werden. Nach Döring et al. (2006) eignet sich
die nichtstandardisierte Form aufgrund ihrer Unstrukturiertheit besonders zur Exploration von
neuen und schwierigen Themenfeldern, was auf den vorliegenden Fall zutrifft. Im Rahmen
dieser Arbeit wurden 11 nichtstandardisierte Experteninterviews durchgeführt. Als Experten
wurden Personen ausgewählt, die sich jahrelang beruflich im Kontext mit Geodaten und PSI
befasst haben. Es wurde angestrebt ein möglichst breites Spektrum an Perspektiven und
inhaltlichen Zugängen zu erhalten. Weiterhin wurde bei der Auswahl der Befragten darauf
geachtet, ob die Person einen theoretischen oder praktischen Umgang mit der Thematik pflegt
und inwieweit sie sich am öffentlichen Diskurs beteiligt.
Die Transkription der Interviews wurde mit dem Programm f4 vorgenommen. Die Interviews
wurden mit Ausnahme der Begrüßung und Abschiedsformeln vollständig transkribiert. Zur
7
Der Begriff Prosument vereinigt die Begriffe Produzent und Konsument. Der Prosument wird laut TOFFLER als
als einzelner, mit professionellem Wissen ausgestatteten Konsument beschrieben, der den industriellen
Produzenten zunehmend direkt Produktionsaufträge weiterreicht und somit „produktiv“ tätig wird. (TOFFLER
1980)
5
Aufbereitung und Weiterverwendung des Interviewmaterials wurde MAXQDA, ein
Softwaretool zur computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse verwendet. Die
Kodierung und der Transkripte wurde nach KUCKARTZ vorgenommen (KUCKARTZ 1999, S.
60 ff.). Die Kodierungen geschahen auf Basis der Grounded Theory. Diese Methode
ermöglichte eine systematische Strukturierung der Interviewtranskripte mit dem Ziel die
theoretischen
(Vor)Überlegungen
zum
Untersuchungsgegenstand
dieser
Arbeit
zu
strukturieren und inhaltlich zu bereichern. Die Interviews wurden anschließend mit Hilfe der
strukturierten, qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING ausgewertet (MAYRING 2002, S.
118). Mit diesem Verfahren wurde ein Kategoriensystem gebildet und das erhobene Material
damit systematisiert und auswertbar gemacht. Ziel dieser Übung ist es im Analyseteil dieser
Arbeit, die Aussagen der Befragten zu systematisieren und zu vergleichen. Dabei werden
Gemeinsamkeiten, Differenzen und Tendenzen eruiert.
Die Kategorien lassen sich als Spannungsfelder verstehen, die den Prozess der Öffnung von
Geodatenbeständen öffentlicher Verwaltungen kennzeichnen und strukturieren sich wie folgt:
i. Informationsfreiheit versus Datenschutz, ii. neue Formen der Partizipation und
Kollaboration versus traditionelle Verwaltungskultur im öffentlichen Sektor, ii. Kommerzielle
Weiterverwendung versus Refinanzierung von Open Government Geo Data. Die Kategorien
verhelfen den Ist-Soll-Zustand im Verlauf der Weitergabe und Weiterverwendung von
raumbezogenen Daten abzubilden und zu analysieren.
1.5 Aufbau der Arbeit
Der folgende Überblick über den Inhalt der einzelnen Kapitel soll dem Leser die Orientierung
erleichtern. Der an die Einleitung anschließende theoretische Teil der Arbeit verhilft dem
Leser zu einem grundlegenden Verständnis über den Diskussionsgegenstand zu Open Data
und den damit einhergehenden technischen und rechtlichen Forderungen. Um Open Data
nicht als rein technischen oder administrativen Akt zu verstehen ist eine Einbettung in einen
übergeordneten Kontext sinnvoll. Hierzu wird deshalb zunächst auf die sich wandelnde Rolle
des Staates eingegangen aus deren Verständnis heraus Open Data überhaupt in Betracht
kommt. Es werden Begriffsbestimmungen und Definitionen vorgenommen, um sprachliche
und inhaltliche Inkonsistenzen im aktuellen Open Data-Diskurs zu formalisieren.
Anschließend werden die Philosophie und die technischen Grundlagen und Lizenzmodelle,
die im Zusammenhang mit Open Data entwickelt wurden, vorgestellt. Abschließend werden
6
die allgemeinen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Daten und Informationen des
öffentlichen Sektors geklärt.
Daran anschließend wird die Untersuchungsperspektive der Arbeit vorgestellt und die dem
empirischen Teil der Arbeit zugrunde liegenden Fragestellungen formuliert. Dadurch können
die Ergebnisse der vorangegangenen Erläuterungen für die anschließende Analyse gebündelt
werden.
Im dritten Kapitel der Arbeit wird die Konzeption, Durchführung und Auswertung der
nichtstandardisierten Experteninterviews erläutert. Es wird die Anlage der Befragung erklärt
und wie die Auswahl der Interviewpartner erfolgte. Anschließend wird das methodische und
methodologische Vorgehen zur Datenaufbereitung und -analyse erläutert, d.h. Transkription,
Kategorienbildung und qualitative Inhaltsanalyse.
Im vierten Kapitel wird das aufbereitete empirische Material ausgewertet. Dieses Kapitel
beginnt mit einer Vorstellung eines Modells welches zur Beschreibung der momentanen Lage
des Open Data-Diskurses von raumbezogenen Informationen in Deutschland dient. Es erfolgt
eine inhaltliche Analyse des Interviewmaterials in Form einer Gegenüberstellung der
unterschiedlichen Standpunkte der Interviewpartner zu den jeweiligen Spannungsfeldern und
deren Einordnung und Kontextualisierung in den aktuellen öffentlichen Diskurs. Daran
schließt sich im fünften Kapitel die Diskussion der Ergebnisse. Die Arbeit endet mit einem
Ausblick in Form von Empfehlungen zur gerechten und nutzerfreundlichen Weitergabe und
Weiterverwendung von amtlichen raumbezogenen Daten.
7
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Open Data
Um die Prinzipien der Open Data-Philosophie nachzuvollziehen empfiehlt sich die
Einordnung
des
informationsethischen
Begriffes
Kontext.
in
Aus
einen
übergeordneten
diesem
gesellschaftlichen
Zusammenhang
heraus
sollen
und
die
unterschiedlichen Motive der Open Initiativen verstanden werden. Open Data ist über die
technischen und rechtlichen Vorgänge hinaus als konzeptionelle Grundlage einer offenen
Gesellschaft zu verstehen. Vorab ist es nötig die momentan wenig trennscharfen Begriffe und
Schreibweisen im Open Data-Diskurs zu konsolidieren.
2.1.1 Begriffsbestimmungen und Schreibweisen
Unter dem englischen Begriff „open“, zu Deutsch „offen“, werden kontextspezifisch
verschiedene, teils widersprüchliche Auslegungen subsumiert. Um der in der Literatur
anzutreffenden synonymen Verwendung der Begriffe und der damit verbunden inhaltlichen
Unschärfe entgegenzutreten, wird in dieser Arbeit der Begriff Open Data dann verwendet
wenn das Konzept Open Data gemeint ist. Unter Open Government Data werden Daten des
öffentlichen Sektors verstanden, die unter die Open Data Philosophie fallen. Gleiches gilt für
den Begriff Open Geo Data. Unter den Begriff Open Geo Data können sämtliche Geodaten
wie z. B. offene staatliche Geodaten, offene Geodaten aus der Forschung, Crowd Sourced
Geo Data z. B. OpenStreetMap 8 oder Open Addresses 9 und offene Geodaten aus der privaten
Wirtschaft (z. B. The World Bank 10) subsumiert werden.
Im Open Government- und Open Data-Diskurs wird wenig zwischen den Begriffen Daten und
Informationen unterschieden. In dieser Arbeit fallen die deutschen Begriffe Information und
Daten ebenfalls unter den englischen Begriff data. Der englische Begriff Geo Data beinhaltet
sowohl Geofachdaten, Geobasisdaten als auch Geoinformationen. Zur besseren Lesbarkeit
fallen in dieser Arbeit unter den deutschen Begriff der Daten nicht nur Primärdaten 11 oder
Rohdaten, sondern auch Sekundärdaten oder Informationen, sofern dies nicht anders vermerkt
8
OpenStreetMap: http://www.OpenStreetMap.org
OpenAddresses: http://openaddresses.org
10
World Bank:http://maps.worldbank.org
11
„Zu unterscheiden sind einerseits Primärdaten, die auf Erhebungen oder Messungen beruhen und durch
Nutzer noch nicht (wesentlich) aufbereitet wurden, und andererseits Sekundärdaten, die aus den Primärdaten
abgeleitete und aufbereitete Daten darstellen.“ (DE LANGE 2005, S. 210)
9
8
wird. Ob in diesem Zusammenhang der Begriff open content 12 bzw. speziell hinsichtlich
Geoinformation Open Geo Content sprachlich passender wäre, sei dahingestellt.
Nach BOLLMAN können Daten, die einen Raumbezug aufweisen und über den Lagebezug zur
Erdoberfläche hergestellt werden, als Geodaten bezeichnet werden (BOLLMANN u.
WOLFGANG 2001, S. 289). Sie werden in computergeeigneter, transportabler Form aufbereitet
und können rechtliche, ökonomische, ökologische, geowissenschaftliche Umstände sowie
technische oder administrative Einrichtungen beschreiben. Sie können als Grundlagen für
Abfragen, Analysen und Auswertungen spezifischer Fragestellungen dienen. Geodaten
beschreiben Objekte, welche durch ihre direkte Position anhand von Koordinaten oder durch
Beziehung zu anderen referenzierbar sind. Aus informationstechnischer Sicht stellen
Geodaten eine besondere Herausforderung dar, da sie einen hohen Erfassungsaufwand
erfordern, den Umgang mit großen Datenmengen erforderlich machen. Die Komplexität der
Beziehungen der einzelnen Objekte untereinander und z.B. die geforderten Antwortzeiten
beim Zugriff stellen hohe technische Anforderungen dar.
Geodaten
lassen
sich
nach
DE
LANGE
in
naturbeschreibende
Geodaten
und
artefaktbeschreibende Geodaten unterteilen (DE LANGE 2005, S. 228). Unter Ersteren kann
man die Beschreibung und Bewertung von natürlichen Zuständen und Prozessen, wie z.B.
hydrologische,
hydrogeologische,
bodenkundliche,
atmosphärische,
geologische
und
Bodendaten auf der Erdoberfläche verstehen, unter artefaktbeschreibenden Geodaten fallen
Resultate menschlichen Planens und Wirkens auf der Erdoberfläche, wie z. B.
demographische, verkehrsgeographische, Wirtschafts- und Markt-, Raumordnungs- und
Bauleitplanungs- sowie Landnutzungsdaten. Diese Geodaten sind zunächst Sachdaten.
Geodaten können in zwei große Bereiche untergliedert werden; in Geobasisdaten und in
Geofachdaten. Geofachdaten sind thematisch aufbereitete, anwendungsbezogene Daten, die in
bestimmten Fachdisziplinen erhoben wurden und einen Raumbezug aufweisen. Öffentliche
Verwaltungen der Länder und des Bundes sind aufgrund von Fachgesetzen dazu verpflichtet
Geofachdaten, z. B. für Statistik, Boden, Naturschutz etc., zu führen (BILL u. FRITSCH 1999,
S. 76).
Geobasisdaten sind liegenschaftsbeschreibende und geotopographische Daten, welche
interessenneutral als Grundlage für vielfältige Anwendungen dienen (WESSELS 2002, S. 32).
12
OpenContent: http://www.opencontent.org/definition
9
Sie werden in den Informationssystemen AFIS 13 , ALKIS 14 und ATKIS 15 geführt und zur
Nutzung verfügbar gemacht. Die Liegenschaftskarte bildet die Grundlage zu Planungen und
Bestandsnachweisen in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung (DE LANGE 2005, S. 238).
Geoinformationen sind aus miteinander in Beziehung gestellten Geobasis- und Geofachdaten
abgeleitete Produkte. Im Unterschied zu Geodaten weisen Geoinformationen syntaktische,
strukturelle Aspekte und eine Semantik auf, die sich nach dem Kontext der Anwendung
richtet. So werden Geodaten in der Verknüpfung mit anderen für den Benutzer erst dann zu
Informationen, wenn sie einen Erkenntnisgewinn für diesen darstellen und ihm damit seine
Aufgabenerfüllung erleichtern. Der Mehrwert für Unternehmen entsteht meist erst durch die
Verknüpfung von Sachdaten in einer Karte (FORNEFELD 2004). Diese Verknüpfung stellt das
Ausgangsmaterial für Analysen dar. Die Darstellung und Verarbeitung von Geodaten kann
über folgende webbasierte Dienste geschehen:
•
•
Kartendienste (WMS – Web Map Service: Visualisierungsdienst)
•
Rasterdatendienste (WCS – Web Coverage Service: gitterorientierter Dienst)
•
Ortsuchdienste (WFS-G - Web Feature Service Gazetteer)
•
Vektordatendienste (WFS- Web Feature Service: objektorientierter Dienst)
•
Katalogdienste (CSW - Catalogue Service for the Web)
Koordinatentransformationsdienste (WCT- Web Coordinate Transformation Service)
Freie Informationen des öffentlichen Sektors werden in dieser Arbeit synonym mit Open
Government Data verwendet, wenn sie die in Kapitel 2.1.4 erläuterten „10 Principles of Open
Government Data“ fordern oder erfüllen. Open Data umfasst genuin die Datenbestände
privater wie auch staatlicher Datenbesitzer und wird im sprachlichen Gebrauch sowie in der
Literatur in vielerlei Hinsicht mit Open Government Data (OGD) gleichgesetzt. Der Begriff
Government Data verweist auf die Herkunft der Daten aus dem öffentlichen Sektor (engl.
Public Sector Information - PSI). Gleichzeitig schließt der Begriff Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse, geheime Staatsdaten und solche, die personenbezogene Daten
beinhalten, aus (VON LUCKE 2010, S. 6). Um dem momentanen englischen Sprachgebrauch
rund um den Begriff Open Data gerecht zu werden, wird in dieser Arbeit die Abkürzung
OGGeoD (Open Government Geo Data) synonym mit dem Begriff der offenen amtlichen
13
Amtliches Festpunktinformationssystem
Amtliches Liegenschaftskatasterinformationssystem – ersetzt die automatisierte Liegenschaftskarte und das
automatisierte Liegenschaftsbuch
15
Amtliches Topographisch-Kartographisches Informationssystem
14
10
Geodaten und Geoinformationen verwendet. Auf den kontextabhängigen Gebrauch der
Begriffe frei (free) und offen (open) wird in Kapitel 2.1.3 eingegangen.
public
private
Geo Data
open
geo
data
Open Data
open
government
geo
data
open
government Government
data
Data
Abbildung 1: Teilmengen von Open Data, Geo Data und Government Data
(Eigene Darstellung)
In der Literatur werden unter Open Government Data Arbeitsdaten oder Primärdaten
(Rohdaten), wie z.B. Messdaten, also Datenbestände, die zur täglichen Arbeit von Behörden
unabdingbar sind und dementsprechend auch vorliegen, verstanden. Einen praktischen Ansatz
zur Klassifizierung schlägt LANGKABEL (2010) mit der Einordnung unter Arbeitsdaten (Open
Work Data), Daten über Art, Qualität und Verfügbarkeit von Daten (Open Meta Data) und
Open Performance Data vor. Letztere beschreiben „Leistungsdaten der öffentlichen
Verwaltung“.
Gemeint
sind
demnach
z.B.
Anträge,
Prüfungen,
Genehmigungen,
Zugriffszahlen auf Online-Angebote, Kennzahlen zur Effektivität und Effizienz von
öffentlichen Verwaltungsprozessen etc. Diese Daten liegen, ebenso wie Metadaten, nicht
zwingend oder in höchst unterschiedlicher Qualität vor. Diese Klassifizierung der Daten weist
auf den Kontext der Daten hin und kann etwaigen sprachlichen Missverständnissen im
momentanen Open Data-Diskurs vorbeugen.
Aufgrund der teils hohen Komplexität von Geodaten, besonders bei Geofachdaten, soll hier
die Forderung nach dem Zugriff auf Daten, um die Forderung nach dem Zugriff auf staatliche
Geodateninfrastrukturen, d.h. auch Dienste und Anwendungen, ergänzt werden. Mit der
Öffnung von Datenbeständen ist zunächst eine Veröffentlichung im Sinne einer technisch
11
erreichbaren Online-Ressource gemeint, die mit gängigen Internetbrowsern (Mozilla Firefox,
Windows Internet Explorer, Safari, Opera, Chrome etc.) dargestellt oder auf die zugegriffen
(Download-Link) werden kann. Kontextabhängig kann dies auch den Zugriff auf eine
Datenbank oder Schnittstelle bedeuten.
2.1.2 Die Datenallmende als Beitrag zur Informationsgesellschaft
Der Begriff der Wissens- oder Informationsgesellschaft gehört zu den beliebten Selbstbeschreibungen
moderner Gesellschaften. Informationsgesellschaften sind laut KUHLEN (2004)
„( ..) informationsökonomisch bestimmte Gesellschaften, in denen informationsbezogene
Arbeiten den größten Anteil an der Erstellung des Bruttosozialproduktes und an den
Arbeitsplätzen haben.“ (KUHLEN 2004, S. 85).
Grundlage und Prinzip der Informationsgesellschaft ist der Zugriff auf Informationen, mit der
Absicht sich Wissen anzueignen. Informationen werden demnach in erster Linie als
Innovationsfaktor gesehen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, die
verwendet werden, verändern die Arbeitsweise und damit auch die Betrachtung und Umgang
von Information und Daten.
Laut KUHLEN liegen elektronischen Umgebungen folgende Prinzipien zugrunde (ebd., S. 23):
•
•
das Teilen von Information,
•
von Mittlern
•
und Verwertungsanspruchs,
•
prinzipielle Offenheit für alle in allen Phasen der Produktion
•
•
direkte Kontakte (peer-to-peer) zwischen Netzteilnehmern unter Vernachlässigung
kollaboratives Erarbeiten von Wissen unter Zurückstellung des individuellen Besitz-
hohe Transparenz
Verteilung und Nutzung von Wissen und Information
Belohnungs- und Gratifikationsansprüche werden eher über reputative als über
monetäre Anerkennungsverfahren gesteuert.
Gegenwärtig sind laut KUHLEN (2004) zwei paradoxe Trends festzustellen: auf der einen Seite
die zunehmende Organisation in polyzentrischen, organisationsübergreifenden, kooperativ
angelegten Netzwerken, welche Technologie und Wissen generieren und transferieren. Auf
der anderen Seite besteht ein Trend zur Privatisierung von Wissen und zu restriktiven
Praktiken im Umgang mit Wissen. Waren Geoinformation, wie beispielsweise gedruckte oder
12
gezeichnete Karten, in der vordigitalen Zeit noch ein knappes Gut, dessen Inhalt an eine
physische Form und damit an eine natürlich-endliche Ressource gebunden war, so ist heute
die Speicherung und Weitergabe von digital abgespeicherten Daten und Informationen so
günstig und einfach wie nie zuvor. Mit der fortschreitenden Informatisierung der Gesellschaft
wächst die Nachfrage nach Daten und Information und damit auch der Markt für
Informationen. Staatliche Stellen erheben Daten und sammeln Informationen aus allen
gesellschaftlichen Bereichen ebenso wie private Unternehmen. Der Staat ist der größte
Nachfrager und Erzeuger von Geoinformationen. Dabei bestimmt u. a. die Exklusivität der
Informationen deren Preis, der Preis wiederum exkludiert mögliche Nutzer. Weiterhin stellen
gesetzliche und technische Hürden eine ausgrenzende Funktion dar. Die aus der analogen
Welt in die digitale transferierte Logik des Wirtschaftens und Handelns mit endlichen
Ressourcen
wirft
neue
Fragen
auf.
Laut
SEBALD
sind
„(…)
digitalisierte
Informationsprodukte aufgrund der losen Kopplung an materielle Träger und der damit
gegebenen einfachen Reproduzierbarkeit nicht knapp“ (SEBALD 2008, S. 216).
WEBER diagnostiziert eine Kollision zweier Rechte in Wissensgesellschaften: des Rechts auf
freien und unbegrenzten Zugang zu Informationen und Wissen und des Rechts auf die
Unversehrtheit der Privatsphäre sowie die Unversehrtheit des Urheberrechts (WEBER 2004, S.
4). Wissen wird in kommerzieller Umgebung künstlich verknappt. Die Informationswirtschaft
übt Kontrolle aus, so KUHLEN, unterstützt durch rechtliche Regelungen wie das Patentrecht,
Urheberrecht, Copyright etc. sowie durch Software, indem sie bestimmt, welches Wissen ein
handelbares Informationsprodukt ist (KUHLEN 2004, S. 311). Die Weitergabe ist im Gegensatz
zu materiellen Gütern nicht mit Verzicht verbunden. Nach KUHLEN wird die Nachhaltigkeit
von Wissen und Information „(…) nur zu erreichen sein, wenn der private Anspruch auf die
Verwertung von in der Regel gesellschaftlich produziertem Wissen und von Kulturgütern
allgemein stärker als heute zurückgenommen wird.“ (ebd., S. 79)
Weder ein vollständiger Verzicht auf einen Return on Investment 16 oder Gewinn noch
Verknappungsstrategien können laut KUHLEN als sinnvoll erachtet werden (ebd., S. 61). Die
Digitalisierung erfordere eine Neuordnung im Umgang mit Wissen, indem die
Bestandsinteressen
der
zurückgenommen
werden,
Verwertungsindustrie
um
günstigere
und
Informationswirtschaft
Voraussetzungen
für
eine
stärker
nachhaltige
Wissensgesellschaft zu schaffen (DROSSOU 2004). Der Umgang mit Wissen, wie er in der
16
Return on Investment bezeichnet nach (PHILLIPS u. SCHIRMER 2008) ein Modell zur Messung des Erlöses aus
eingesetztem Kapital
13
F/OSS
17
-Szene
praktiziert
wird,
beeinflusst
laut
SEBALD
auch
Unternehmen.
Betriebsgeheimnisse existieren zwar nach wie vor, jedoch werden unternehmensinterne
Informationen weniger schnell als Betriebsgeheimnis deklariert. SEBALD sagt in diesem
Zusammenhang weiter:
„Es zeigt sich für Unternehmen, das durch den freien und kooperativen Umgang mit Wissen
sich die Kosten-Nutzen-Relationen verschieben, und damit wächst auch die Bereitschaft den
eigenen unternehmensinternen Wissensvorrat zumindest partiell zu öffnen.“ (SEBALD 2008,
S. 205).
Das Prinzip des freien und inkludierenden Informations- und Wissensaustausches ohne
künstliche Restriktionen und Verknappungen bildet die Grundlage des Verständnisses von
Offenheit der Open Data-Philosophie.
2.1.3 Open Data-Philosophie
Open Data bezeichnet eine Kultur des Umgangs mit digitalen Daten. Dieser Umgang enthält
technische, rechtliche und soziokulturelle Dimensionen. Die technische Dimension beinhaltet
die Bereitstellung (Format, Metadaten, Standards), die rechtliche Dimension beinhaltet
Lizenzen, Richtlinien und Gesetze, die soziokulturelle Dimension umfasst das Verständnis
des Staates und des Umgangs mit immateriellen Gütern in sozialen Prozessen. Open Data ist
kurz gefasst die Forderung nach der Veröffentlichung von Datensätzen in strukturierter,
maschinenlesbarer Form oder über eine offene Schnittstelle, sodass sie zugänglich sind,
weiterverarbeitet und weiterverbreitet werden können. Diese Daten sollen keinen
Personenbezug aufweisen oder weitestgehend anonymisiert sein. Der englische Terminus
open steht in erster Hinsicht für die Zugänglichkeit der Information. Open Data bezieht sich in
dieser Arbeit auf Datenbestände des öffentlichen Sektors, kann aber auch auf Unternehmen,
Hochschulen, Medienanstalten etc. bezogen werden. Maßgebend sind im gegenwärtigen
europäischen Open Data-Diskus zwei Stiftungen zu nennen: die SUNLIGHT FOUNDATION und
die OPEN KNOWLEDGE FOUNDATION. Deren Definitionen zu freien Daten und Informationen
dienen als Richtschnur im Open Data-Prozess. Die Definition der OPEN KNOWLEDGE
FOUNDATION zu Open Data lautet:
“A piece of content or data is open if anyone is free to use, reuse, and redistribute it —
subject only, at most, to the requirement to attribute and share-alike.” 18
17
18
Free and Open Source Software
siehe OpenDefinition: http://www.opendefinition.org/
14
Im Gegensatz zu der fast 30 Jahren alten Open Source-Software- bzw. der Free-SoftwareBewegung und der Open Access-Initiative, welche ihren Anfang bereits vor Beginn des 21.
Jahrhunderts hatte, ist der Open Data-Begriff jüngeren Datums. Als Kurzdefinition von
„offene Daten“ (Open Data) kann man alle Datenbestände subsumieren, welche ohne jegliche
Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung
frei zugänglich gemacht werden. Wie bereits in Kapitel 2.1.2 erwähnt muss es sich bei Open
Data nicht ausschließlich um die Daten des öffentlichen Sektors handeln. Laut LUCKE geht es
bei Open Data es auch um „(…) die von privatwirtschaftlich agierenden Unternehmen,
Hochschulen und Rundfunksendern sowie Non‐Profit‐Einrichtungen produzierten Beiträge.“
(VON LUCKE 2010, S. 5). In dieser Arbeit wird sich auf raumbezogene Daten des öffentlichen
Sektors beschränkt, die als Open Data bereitgestellt werden sollen.
2.1.4 Open Data als Bestandteil von Open Government
Die Open Data-Philosophie muss im Zusammenhang mit der Open Government-Policy
verstanden werden. Die von Barack Obama mit der Amtsübernahme 2008 19 postulierte Open
Government-Strategie, welche zusehends auch in Deutschland Zuspruch erhält, beschreibt die
Öffnung des Staates und der öffentlichen Verwaltung. Transparenz, Partizipation und
Kollaboration sind die drei Schlagwörter, welche mit einem Bündel von Maßnahmen einen
Kulturwandel in der öffentlichen Verwaltung lostreten sollen. Open Government kann als
Weiterentwicklung des eGovernment 20-Ansatzes verstanden werden. Laut LUCKE wird Open
Government
„(…) als ein Sammelbegriff für eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte und Visionen
verwendet, die sich mit bestimmten Facetten einer Öffnung von Staat und öffentlicher
Verwaltung auseinander setzen.“
Dazu zählen, so LUCKE weiter, Überlegungen zu
„(…)Transparenz 2.0, Partizipation 2.0 und Kollaboration 2.0, offene Innovationen, die offene
Gesellschaft, Überlegungen zu freien Daten sowie offene Standards, offene Schnittstellen,
quelloffene Software und offene Kommunikationssysteme.“ (VON LUCKE 2010, S. 3)
Freie oder offene Daten aus dem öffentlichen Sektor sind integraler Bestandteil des Open
Government-Ansatzes. LUCKE stellt zusammenfassend fest:
19
Mobil E-Government-Computing: http://mobil.egovernment-computing.de/ressort-artikel/331837/?ref=7270
„Unter Electronic Government verstehen wir die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit
Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über
elektronische Medien.“ (VON LUCKE u. REINERMANN 2000, S. 1)
20
15
„Für eine Öffnung zahlreicher Rohdatenbestände sprechen Forderungen nach mehr
Transparenz, mehr Bürgerorientierung, eine stärkere öffentliche Verwaltungsöffnung und eine
positive Öffentlichkeitsarbeit.“ (ebd., S. 15)
Demnach bilden offene Daten die Voraussetzung für eine nachhaltige Öffnung von Staat und
öffentlicher Verwaltung (DIETRICH 2010, S. 56). Die Offenlegung von Daten des öffentlichen
Sektors verspricht laut LUCKE eine durch frei zugängliches Wissen, Informationen und Daten
informierte Öffentlichkeit. Die damit einhergehende Öffnung stärke die Bürgergesellschaft, so
LUCKE weiter (VON LUCKE 2010, S. 15). Unter dem Begriff Open Government Data sind all
jene Datenbestände des Staates zu verstehen, die im allgemeinen Interesse der Öffentlichkeit
ohne Einschränkung„(…) zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien
Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden“ (ebd., S. 5) und die im Zusammenhang
mit einem Gesetzesauftrag gesammelt werden. Open Government Data beinhaltet somit zwei
Funktionen: Erstens soll der Staat Rechenschaft über sein Handeln ablegen, zweitens soll er
den Bürgern und Unternehmern soziale wirtschaftliche und politische Innovationen
ermöglichen (HILL 2011, S. 59). Viele der geforderten Daten sind bereits zugänglich, aber
noch nicht umfassend online, nicht maschinenlesbar, schwer auffindbar und auf viele Stellen
verteilt. Diese Daten lagern, oft kostenpflichtig, in Form von Textdokumenten in proprietären
Formaten in staatlichen Datensilos.
In Anlehnung an DIETRICH sollen hier die vier wichtigsten Argumente für Open Data
vorgestellt werden (DIETRICH 2010, S. 56f).
Das formale Argument - Im Auftrag des Staates erhobene Daten sind aus Steuergeldern
finanziert,
ergo
gehören
sie
dem
Steuerzahler
und
damit
den
Bürgern.
Das
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sieht vor, dass jede Person einen Rechtsanspruch auf den
Zugang zu behördlichen Daten, ohne Begründung des Interesses, haben und ihr der
entsprechende Zugang gewährleistet werden muss.
Das demokratische Argument - Ein offener Zugang zu Regierungs- und öffentlichen
Verwaltungsdaten bildet die Voraussetzung für eine pluralistische Meinungsbildung der
Bürger. Auf Basis dieser Informationen können Bürger an politischen Prozessen partizipieren
und qualifizierte Entscheidungen treffen. Die politische Willensbildung läuft in einer offenen
Demokratie „von unten nach oben“ ab und basiert auf einer Öffentlichkeit, die
dementsprechend
den
Zugang
zu
Informationen
hat.
Die
Transparenz
und
Nachvollziehbarkeit von Regierungs- und öffentlichem Verwaltungshandeln wird vergrößert.
16
Dies kann zu Pflichtbewusstsein und Rechenschaft seitens der Amtsträger und der
öffentlichen Verwaltung, aber auch zu einem Zuwachs an Vertrauen und Akzeptanz der
Bürger zur Demokratie führen.
Das ökonomische Argument - Der Zugriff auf Daten des öffentlichen Sektors erlaubt es,
schneller und effizienter auf Probleme jeglicher Art zu reagieren, und erleichtert deren
Adressierbarkeit. Aufgaben können auf der politischen Ebene sowie innerbehördlich besser
gelöst werden. Dies kann u.a. zur Verhinderung von doppelter Datenerhebung und zur
Qualitätssicherung beitragen.
Das Innovationsargument - Die vom Staat bereitgestellten Daten werden Innovationspotenzial
anregen, das momentan nicht abschätzbar ist. Sicher ist aber, dass im Fall einer Öffnung von
Datenbeständen
nach
Open
Data-Prinzipien,
neue
Wertschöpfungsketten
und
Dienstleistungen entstehen und innovative Impulse für die Wirtschaft setzen werden.
2.1.5 Zehn Prinzipien offener Regierungsinformationen
Um auf die Besonderheiten der Daten aus dem öffentlichen Sektor Rücksicht zu nehmen,
wurden im Jahre 2007 die Ten Principles for Opening Up Government Information in der
Sebastopol-Liste festgehalten, an der 30 US-amerikanische Open Government-Aktivisten
unter der Leitung von Malamud und O'REILLY mitgewirkt haben (SUNLIGHT FOUNDATION
2010). Diese zehn Prinzipien beschreiben eine bestimmte Form der Offenheit, die Daten aus
dem öffentlichen Sektor besitzen sollten. Diese Prinzipien haben sich zum De-facto-Standard
in der Diskussion um Open Government Data etabliert:
1. Vollständigkeit - Staatliche veröffentlichte Daten sollen dem Anspruch genügen, möglichst
vollständig zu sein, und die ganze Spannweite an Daten beinhalten, die zu einem Thema
erhoben und verarbeitet wurden. Dies beinhaltet auch die Veröffentlichung von Primärdaten
(im Rahmen des Datenschutzgesetzes) inklusive der dazugehörigen Metadaten, sowie
Formeln von Berechnung der Daten.
2. Primärquellen - Die vom Staat veröffentlichten Datensätze sollen Primärquellen sein, um
die Nachprüfbarkeit seitens der Nutzer zu gewährleisten. Weiterhin sollen, ähnlich
wissenschaftlichen Arbeiten, die Art der Datenerfassung sowie die genuinen Quellen der
veröffentlichten Informationen publiziert werden.
17
3. Zeitliche Nähe - Die Veröffentlichung der Daten aus Regierung und öffentlicher
Verwaltung sollte so zeitnah wie möglich geschehen. Besonders nützlich bei Daten, deren
Gebrauch eine hohe Aktualität fordert, wären Updates in Echtzeit.
4. Leichter Zugang - Der Zugang zu amtlichen Datensätzen aller Art sollte so leicht wie
möglich sein, sei es in physischer oder elektronischer Form. Ein erschwerter physischer
Zugang liegt dann vor, wenn die Notwendigkeit besteht, persönlich an einem bestimmten Ort
vorstellig zu werden oder das postale Einreichen von Anfragen vornehmen zu müssen, um an
die Daten zu kommen. In elektronischer Form liegt ein erschwerter Zugang u.a. dann vor,
wenn browserorientierte Technologien verwendet werden wie z.B. Flash, Javascript, Cookies
oder Java applets. Die Daten sollten zudem auch in ihrer Gesamtform heruntergeladen (Bulk
Access) werden und durch angegebene Prüfsummen 21 (checksum) validiert werden können.
Ein weiterer Aspekt ist die Auffindbarkeit der Daten: Die veröffentlichten Daten müssen mit
Metadaten beschrieben werden und indizierbar sein, um von Suchmaschinen gefunden zu
werden. Diese Anforderungen sind abhängig von der zweckmäßigen Repräsentationsform der
Daten. Weiterhin fällt unter diesen Punkt die Zugänglichkeit für Menschen mit
Behinderungen (Barrierefreiheit) und, falls möglich, die Verwendung mehrerer Sprachen
(deutsch, englisch etc.).
5. Maschinenlesbarkeit - Unter der Maschinenlesbarkeit von Daten wird das Format
verstanden, in dem Daten abgespeichert worden sind. In bestimmter Form sind Dateien
maschinell leichter zu verarbeiten. Diese etablierten Formate sollen bevorzugt gebraucht
werden. In Kapitel 2.3.1 wird auf diese technischen Spezifikationen näher eingegangen
werden. Weiterhin sollten für Fachdaten Dokumentationen bereitliegen, die sich auf deren
fachliche Verwendung beziehen.
6. Diskriminierungsfreiheit - Die Diskriminierungsfreiheit bedeutet, dass keine Personen
durch künstliche Restriktionen von der Benutzung der Daten ausgeschlossen werden. Dies
wäre z.B. der Fall wenn die Daten nur über eine Registrierung, eine Mitgliedschaft bzw. ein
autorisiertes Login abrufbar sind oder nur mit dezidierten Anwendungen auf sie zugreifen
können. Jede Person soll zu jeder Zeit auf die Daten zugreifen, ohne Auskunft über ihre
Identität oder sonstige Rechtfertigungen geben zu müssen.
21
Prüfsumme bezeichnet ein technisches Verfahren zur Prüfung der Datenintegrität und Datenspeicherung
18
7. Verwendung offener Standards - Die Daten sollen bevorzugt in Formaten oder
Schnittstellen bereitgestellt werden, welche als offen gelten, um die Unabhängigkeit von
privatwirtschaftlichen Unternehmen zu gewährleisten. In Kapitel 2.3.2 wird auf offene
Standards näher eingegangen werden.
8. Lizenzierung - Die öffentlichen Daten sollten ohne Nutzungsbeschränkungen allgemein
und frei zu Verfügung stehen. Lizenzen sollten einfach und knapp gehalten werden. Die CC0Lizenz (siehe Kapitel 2.2.1) bietet sich hier an.
9. Dauerhaftigkeit - Die Daten sollten nachhaltig bereitgestellt werden. Nachhaltig meint, dass
die Daten dauerhaft in Archiven zur Verfügung gestellt werden. Aktualisierungen oder
Änderungen müssen nachvollziehbar sein. Hierzu eignet sich eine Versionskontrolle der
Dateien (z. B. Apache Subversion
22
). Informationen, die als Datenstrom versendet werden
und nicht archiviert werden, sind in diesem Zusammenhang eine schlechte Wahl.
10. Nutzungskosten - Kommerzielle Nutzung sollte ebenso wie private gebührenfrei sein. Für
Daten, die ohnehin zu Regierungszwecken erhoben werden, macht eine gebührenfinanzierte
Nutzung, und sei die Gebühr noch so gering, kaum Sinn und vergrößert den Kreis derer, die
von diesen Daten ausgeschlossen werden.
2.2. Lizenzmodelle für Open Data
Eine Lizenz ist ein juristischer Text seitens des Urhebers, der Nutzungsbedingungen durch
Dritte festlegt. Dieses Recht, über das Nutzungsrecht ausschließlich zu verfügen, ist nach § 31
UrhG Teil des deutschen Urheberrechts, festgelegt. Im deutschen Rechtsraum gilt dieser
Schutz der geistigen Schöpfung automatisch, auch ohne Copyright-Vermerk. D.h., sind auf
einer Webseite keine der nachfolgend aufgeführten Lizenzen aufgeführt, ist davon
auszugehen, dass mit den Inhalten keine Weiterverarbeitung im Open Data-Sinn rechtens ist.
Wird keine Lizenz erteilt, verbietet dies, beabsichtigt oder nicht, auf der urheberrechtlichen
Ebene alles. Das Fehlen einer ausdrücklichen Lizenz kann eine Weiterverwendung von
Information blockieren und mindert dessen Potenzial erheblich.
Diesem strikten Schutz (oder der Einschränkung) des Urheberrechts ziehen viele
Rechteinhaber flexiblere, einfachere, und verständlichere Modelle, wie z.B. die CreativeCommons-Lizenzen (CC), vor (CREATIVE COMMONS 2010). Eine Nutzungsbedingung im
22
Subversion:. http://subversion.apache.org/
19
Bereich zwischen einem völligen Abtritt von Rechten und dem Ausschluss jeglicher Rechte
an einem Werk war bis zum Bekanntwerden der CC-Lizenzmodelle rechtlich sehr kompliziert
und schwer zu handhaben. Besonders im Web gibt es einen hohen Bedarf und Interesse
seitens der Autoren an der freien Nutzung und Weitergabe von digitalen Werken.
Beispielsweise erreichen junge Künstler schneller eine hohe Popularität, wenn ihre Werke
frei, unter Angaben des Namens, zur Verfügung stehen. Vorreiter dieser offen gestalteten
Lizenzmodelle stammen aus der Free Software (FS) und Open Source Software (OSS)
Community. Einen richtungsweisenden Beitrag leistete STALLMAN mit seiner Free-SoftwareDefinition (STALLMAN et al. 2002, S. 43). Die General Public License (GPL) beinhaltet nach
STALLMAN die Freiheit die Software zu jedem Zweck auszuführen, zu studieren und zu
verändern, zu verbreiten, zu verbessern und diese Verbesserungen zu verbreiten. Eine
Verwertung von Software über Gebühren lehnt die GNU-Lizenz kategorisch ab. Ziel dieser
Lizenzbedingung ist es, den Quellcode von Software allgemein zugänglich zu halten und die
Exklusion von Menschen von Wissen zu verhindern. Stallmans Definition war zwar
ursprünglich für die Lizenzierung von Software gedacht und findet sich in der Definition zu
offenem Wissen 23 der OPEN KNOWLEDGE FOUNDATION (OKNF) wieder. Weite Teile dieser
Definition stammen ebenfalls aus der Open Source-Definition 24 der Open Source-Initiative
(OSI) und wurden entsprechend angepasst. Eine Weiternutzung und Weiterverbreitung der
Daten kann über ein entsprechendes Lizenzmodell, wie z.B. die Creative Commons oder
Open License, erfolgen. In den zwei folgenden Kapiteln werden die meistdiskutierten und
teils schon etablierten Modelle, um Daten im Open Data-Sinne zu veröffentlichen, aufgezeigt.
2.2.1 Creative Commons Licenses
Die Creative Commons ist eine Organisation, welche vorgefertigte Lizenzverträge anbietet. 25
Die Lizenzen sind modulartig, aufgebaut und bestehen aus kurzen und einfachen
Lizenzverträgen, die der Rechteinhaber durch das entsprechende Symbol im Werk kenntlich
macht. Weiterhin besteht die Möglichkeit die Lizenzform in den Metadaten der zu
lizenzierenden Datei zu hinterlegen, damit Suchmaschinen diese indizieren können und die
Lizenz der Datei unabhängig von der Webseite ausfindig gemacht werden kann. Hier können
Einschränkungen getätigt werden: i. ob eine kommerzielle Nutzung erlaubt wird oder nicht, ii.
ob Bearbeitungen erlaubt sind oder nicht und iii. ob Bearbeitungen unter gleichen
23
OpenDefinition: http://opendefinition.org/
OpenSource: http://www.opensource.org/docs/osd
25
Creative Commons: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode
24
20
Bedingungen
weitergegeben
werden
müssen
oder
nicht.
Aus
diesen
Kombinationsmöglichkeiten ergeben sich sechs mögliche Lizenzformen (CREATIVE
COMMONS 2010):
•
CC BY: Diese Lizenz erlaubt das Werk zu ändern, es weiter zu verbreiten, es einzubinden,
sowie kommerzielle Nutzung bei Nennung des Urhebers.
CC BY-SA: Diese Lizenz erlaubt das Werk zu ändern, es weiter zu verbreiten, es einzubinden,
sowie kommerzielle Nutzung bei Nennung des Urhebers unter der Bedingung, dass neue
•
•
Werke unter der gleichen Lizenz weitergegeben werden.
CC BY-NC: Diese Lizenz erlaubt das Werk zu ändern, es weiterzuverbreiten, und es
einzubinden bei Nennung des Urhebers. Die kommerzielle Nutzung ist untersagt
CC BY-NC-ND: Diese Lizenz verbietet jegliche Bearbeitung des Werkes sowie dessen
kommerzielle Verwendung. Das Weiterverbreiten muss unter der Nennung des Urhebers
•
erfolgen.
CC BY-ND: Diese Lizenz erlaubt die kommerzielle wie nichtkommerzielle Weitergabe des
Werkes. Veränderungen am Original sind nicht gestattet. Die Weiterverbreitung muss immer
•
unter Nennung des Urhebers erfolgen.
CC BY-NC-SA: Diese Lizenz erlaubt die Weitergabe, Veränderung und Einbindung, solange
dies nichtkommerziell erfolgt, der Urheber genannt wird und das neue Werk unter den
gleichen Lizenzbedingungen weitergereicht wird.
Die einfachste Lizenzform verlangt immer die Nennung des Urhebers. Jede der genannten
Bedingungen kann aufgehoben bzw. anders ausgelegt werden, wenn der Eigentümer
ausdrücklich einwilligt. Diese Lizenzen haben allerdings keinen Einfluss auf rechtliche
Schranken des Urheberrechts. Die CC-Lizenzen haben sich bereits im Web etabliert. Jedoch
bieten sich nur zwei der sechs möglichen Kombinationen der CC aus Open Data an. Das
Verbot, das Werk kommerziell zu nutzen, und das Verbot, es weiterzubearbeiten, verstoßen
gegen fundamentale Open Data-Prinzipien. Eine weitere Form der Lizenzen bietet Creative
Commons unter der Public Domain Dedication License - CC0 an. Unter Einbindung der CC01.0 Public Domain Dedication-Lizenz entlässt der Autor seine Daten bzw. sein Werk in die
Gemeinfreiheit. 26 Die Public Domain 27 ist keine Lizenz im ursprünglichen Sinne, sondern
beschreibt generell den Verzicht des Autors auf jegliche Urheberrechte zugunsten der
Allgemeinheit. Im Gegensatz zu den USA, wo Werke unter Public Domain gestellt werden
können, ist dies in Deutschland nicht möglich.
26
Creative Commons: http://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/
Public Domain bedeutet den vollständigen Rechtsverzicht des Rechteinhabers eines Werkes. Damit besteht die
Möglichkeit der Kopie und der Weiterverarbeitung zu jedem Zweck („the „righttocopy“) (BOYLE 2008).
27
21
Gemeinfrei sind Werke in Deutschland nach § 64 UrhG dann, wenn der Urheberrechtsschutz
70 Jahren nach dem Tod des Urhebers abgelaufen ist. Das Urheberrecht schützt keine Ideen
oder sachlichen Informationen, sondern die Form, in der sie gegeben sind. Dass dieser Schutz
nicht unproblematisch ist, zeigt das Beispiel der 1996 eingeführten EU-Richtlinie, jedoch
nicht über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (96/9/EG). Diese Richtlinie stärkte die
Rechte von Urhebern von Datenbanken, die nicht unter das Urheberrecht fielen. Ziel war es,
Investitionen in neue europäische Datenbanken zu fördern, in der Annahme, dass ohne diesen
Schutz nur wenige Unternehmen dazu bereit wären. Seit der Einführung der Richtlinie ist die
Menge der Datenbanken EU-weit nicht gestiegen, wogegen sie in den USA, die kein
derartiges Recht vorsehen, enorm gewachsen ist (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2005). Dies soll
verdeutlichen, dass ein striktes Urheberrecht innovationshemmend ein kann. Die CreativeCommons-Lizenzen eignen sich nicht für Datenbanken oder Rohdatendaten, da diese,
vereinfacht ausgedrückt, in Deutschland nicht als schutzwürdige Werke unter das
Urheberrecht, sondern als Sammlungen unter das Leistungsschutzrecht fallen. Weiterhin ist
die als virale Lizenz oder Copyleft zu bezeichnende „Weitergabe unter gleichen
Bedingungen“ der CC-BY-SA-Lizenz, besonders unter kommerziellen Gesichtspunkten, als
fraglich einzustufen, da z.B., wenn ein Layer einer Karte, welche unter CC-BY-SA Lizenz
steht, in Kombination mit proprietären Daten gebraucht würde, eine Weitergabe unter
gleichen Lizenzbedingungen erfolgen müsste (FREE SOFTWARE FOUNDATION 2001). Dies
macht es unmöglich Werke oder Datenbanken unter dieser Lizenzform zu verwenden. Das
Projekt OpenStreetMap (OSM) stand vor dem Problem, dass die CC-BY-SA nicht
ausreichend die Rechte an der Sammlung von Fakten schützt. 28 Die CC-Lizenzen sind für
kreative Schöpfungen entwickelt worden, wie für geschriebene Dokumente, Bilder, Fotos und
Musik. Für Datenbanken ist die Rechtslage dieser Lizenz weitgehend unklar. Angestrebt wird
von OSM ein Lizenzwechsel von der CC-BY-SA-Lizenz zu der von der OKNF entwickelten
Open Database License (ODbL), um dieser Schieflage zu entgehen.
28
Wiki OpenStreetMap: http://wiki.OpenStreetMap.org/wiki/DE:ODbL/Wir_wechseln_die_Lizenz
22
2.2.2 Open Licenses
Open Data Commons (ODC) ist ein Projekt der Open Knowledge Foundation (OPEN
KNOWLEDGE FOUNDATION 2007). Das Projekt widmet sich rechtlichen Fragestellungen zu
offene Datenbanken und stellt Lizenzverträge für diese bereit. Drei Lizenzverträge wurden
bisher veröffentlicht. Die Public Domain Dedication and License (PDDL) ist eine Lizenz,
welche den Verzicht auf alle Urheberrechte ermöglicht. Diese ist das analoge Modell der
CC0-Lizenz für offene Datenbanken. Die Open Database License (ODC-ODbL, ODbL) ist
eine freie Datenbank-Lizenz, welche das Kopieren, Weitergeben und Benutzen und das
Ableiten von Werken aus der Datenbank erlaubt. Ferner sind das Modifizieren,
Transformieren und der Aufbau einer eigenen Datenbank aus dieser gestattet, wenn folgende
Bedingungen erfüllt werden: Der Besitzer der Datenbank muss bei einer Weiterverwendung
der Daten genannt werden, die Weitergabe erfolgt unter den gleichen Bedingungen. Des
Weiteren muss die abgeleitete Datenbank ohne Restriktionen zur Verfügung stehen. Diese
Lizenz kann als Datenbank-Pendant zur CC-BY-SA betrachtet werden. Die Attribution
License (ODC-BY) enthält die gleichen Nutzungsrechte wie die ODbL, verlangt bei der
Verwendung jedoch nur die Namensnennung der Datenbankerstellers, jedoch ohne die
Copyleft-Bestimmungen. Aus Open Data-Sicht ist die PDDL, die auf sämtliche Urheberrechte
bzw. Leistungsschutzrechte verzichtet, die beste Wahl. Dasselbe gilt für die ODC-BY-Lizenz,
die lediglich die Namensnennung des Urhebers erfordert. Eine virale Lizenz wie die ODbL ist
aus wirtschaftlicher Sicht besonders problematisch. Diese fordert, dass abgeleitete
Datenbanken ebenfalls unter der Lizenz stehen. Dies wäre zwar im Sinne einer wachsenden
Datenallmende im Netz. Unternehmen könnten bereits rein rechtliche Schwierigkeiten
bekommen die Daten zu nutzen, wenn Datenbanken mit klassischem Copyright und einer
ODb- License versehen zusammengeführt würden. Diese müssten demnach auch unter
gleicher ODb- License stehen. Die folgende Abbildung veranschaulicht, welche der vorhin
aufgeführten Lizenzen für offene Daten (Open Licenses) in Frage kommen.
23
Public Licenses
Open Licenses
Creative
Commons
ODC
PDDL
ODbL
ODC-Attribution
CC-BY-SA CC-NC-SA
CC-BY-NC
CC-BY
CC-NC-ND
CC-ND
Abbildung 2: Open Licenses und Public Licenses
(Eigene Darstellung, Quelle: Hatcher, 2010)
Open Data-Aktivisten betonen, dass die Datenfreigabe wichtiger ist, als die Form bzw. das
Format. Demnach würden Dritte für die technische Aufbereitung von technisch suboptimal
aufbereiteten Daten des öffentlichen Sektors sorgen, wenn diese unter einer freien Lizenz
veröffentlicht würden. Die Herausgabe auf rechtlich eindeutiger Basis mit freier Lizenz ist
demnach
wichtiger
zu
sein
als
die
Publikation
in
der
technisch
günstigsten
Repräsentationsform.
2.3 Technische Grundlagen für Open Data
Neben den nutzungsrechtlichen Anforderungen stellt die Bereitstellung von Daten unter Open
Data eine Reihe technischer Anforderungen, um dem Begriff der Offenheit gerecht zu
werden. Hierbei spielen folgende Punkte eine entscheidende Rolle:
•
•
•
Repräsentationsform der Datenressourcen (Datenformat, Schnittstelle),
Auffindbarkeit und Beschreibung der Datenressourcen (Adressierung, Metadaten).
semantische Verknüpfung (Linked Data).
Offene und maschinenlesbare Datenformate bilden die Grundlage für Entwickler von
Software. Sie können Dienste entwickeln, die auf offene Inhalte zugreifen, prozessieren und
diese für einen bestimmten Zweck ausgeben lassen. Datenveredlern reicht die
24
Veröffentlichung von Daten nicht. Sie müssen Veränderungen an den bestehenden
Datensätzen vornehmen und diese auch weiterverkaufen dürfen.
2.3.1 Repräsentationsform der Datenressourcen
Sichergestellt wird dies durch Verwendung offener Industrie-Standards. Eine übergreifende
Nutzung von Geodaten ist nur unter Einhaltung von Standards möglich, da diese meist aus
verschiedenen Quellen stammen. Sie bilden die Voraussetzung für Interoperabilität zwischen
heterogenen Systemen. Datenformate, die offenen Standards entsprechen, sollen gemäß den
OGD- Prinzipien bevorzugt werden. Das Open Spatial Consortium (OGC) entwickelt offene
Standards im Bereich der raumbezogenen Informationsverarbeitung.
Offene Dateiformate
Informationen werden in kodierter Form abgespeichert. Die Wahl der Codierung ist eine
willkürliche und keine natürliche Wahl. In Abhängigkeit von den Vereinbarungen eines
Standards könnte die Zahl 234 den Buchstaben f oder p darstellen. „Alle Formate und
Protokolle sind ihrer Natur nach willkürlich, müssen aber genau nachvollzogen werden, um
in ihnen gespeicherte Daten wiederherstellen zu können.“ (GREVE 2006, S. 4). Daraus folgt,
dass Daten, die in einem spezifischen Format codiert wurden, auch nur von einer Software
gelesen werden können, die dieses Format implementiert hat. Kommt es zu geringen
Abweichungen von den Konventionen des Formates, führt dies unter Umständen zur
Korrumpierung der gespeicherten Daten.
Ein Datenformat ist eine bestimmte Spezifikation der Datenverarbeitung. Diese legt fest, wie
die Interpretation von Daten beim Laden, Speichern oder Verarbeiten zu erfolgen hat.
Dagegen wird beim Dateiformat die Form bei der Abspeicherung von Computerdaten
bestimmt.
Offene Daten- und Dateiformate dagegen basieren auf klar definierten offenen Standards, die
von einer Formungsorganisation (z.B. ISO, OASIS oder OGC) verwaltet werden. Die
Offenlegung dieser Standards ermöglicht es, Softwarelösungen von Dritten zu konzipieren.
Offene Formate müssen sowohl von proprietärer als auch von Freier Software
29
implementierbar sein. Ohne solche offenen Formate wäre das World Wide Web in dieser
heutigen Form schwer vorstellbar; nur weil der Internet-Protokollstandard TCP/IP offen
dokumentiert ist, können Benutzer unterschiedlicher Betriebssysteme ungehindert über das
29
Free, Libre und Open Source Software (FLOSS )- „Freie Software bedeutet die Freiheit des Benutzers, die
Software zu benutzen, zu kopieren, sie zu vertreiben, zu studieren, zu verändern und zu verbessern.“ (FREE
SOFTWARE FOUNDATION 2008).
25
Internet kommunizieren. Der World-Wide-Web-Dienst (www), setzt mit HTML und XHTML
ebenfalls auf offene Formate. Datensätze können als strukturierte, semistrukturierte und
unstrukturierte Daten vorliegen. Strukturierte Daten weisen eine eindeutige Datenstruktur auf.
Die einzelnen Spalten der Tabelle einer Datenbank sind eindeutig bezeichnet und die Daten
können gefiltert, sortiert und bearbeitet werden.
Semistrukturierte Daten sind automatisiert maschinenlesbare Daten (beispielsweise im XMLFormat), die nicht in Tabellenform vorliegen, sondern per Auszeichnung gekennzeichnet sind.
Unstrukturierte Daten sind beispielsweise Schriftstücke, die als Text- oder Bilddatei
vorliegen (etwa eingescannte Dokumente). Entsprechend Punkt 7 der 10 Prinzipien von Open
Government Data sollen für amtliche Daten keine proprietären Dateiformate gewählt werden.
WALES (2004) vertritt die Ansicht, dass ein freier Zugang zu Wissen freie Software und
offene Dateiformate 30 bedingt. Der Unterschied zwischen offenen und proprietären Formaten
liegt nur in der Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit einer öffentlichen Spezifikation des
Formates. Der Großteil aller Daten weltweit wird mit und in proprietären Daten- oder
Dateiformaten verarbeitet oder abgespeichert. Der Einsatz solcher Formate kann eine
Abhängigkeit zwischen den Datenbeständen und den Herstellern herstellen, da diese Formate
nicht offen dokumentiert werden und ihr Aufbau geheim gehalten wird. Dies kann zu einem
Vendor Lock-In führen, weshalb besonders staatliche Anstalten zunehmend auf offene
Standards setzen (GLÜCKLER u. BATHELT 2003, S. 164). Im äußersten Fall kann dies
bedeuten, dass in proprietär abgespeicherten Formaten Informationen nicht oder nur mit
spezieller, teurer Software ausgelesen werden können. Ein weiterer Vorteil von offenen
Formaten ergibt sich aus der Möglichkeit, dass Softwareentwickler mehrere Softwarepakete
mit diesem Dateiformat entwickeln und somit eine Weiterverwendung der Daten ermöglicht
wird. In der Tabelle 1 sind gängige Dateiformate unter den Gesichtspunkten der
Maschinenlesbarkeit, der Offenheit und der Verfügbarkeit von Spezifikationen aufgeführt.
30
OpenFormats: www.openformats.org
26
Texte, Tabellen, Bilder (+ ja - nein)
Text (.txt)
Comma Separated Value (.csv)
Hypertext Markup Language (.html)
Extensible Markup Language (.xml)
Resource Description Framework (.rdf)
Open Document Formats (.odt, .ods)
Newsfeed / Webfeed Syndication (.rss)
Portable Document Format (.pdf)
Microsoft Word (.doc, .docx)
Microsoft Excel (.xls, .xlsx)
Microsoft Rich Text Format (.rtf)
Graphics Interchange Format (.gif)
JPEG Format (.jpg / .jpeg)
Portable Networks Graphics (.png)
Tagged Image File Format (.tiff, .tif)
Geo-TIFF Format (.geotiff)
maschinen- Spezifikationen offenes
lesbar
verfügbar
Format
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
-
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Geodaten/CAD
Geography Markup Language (.gml)
GPS Exchange Format (.gpx)
Keyhole Markup Language (.kml)
Drawing Interchange File Format (.dxf)
Autodesk Drawing Format (.dwg)
ESRI Shapefile Format (.shp, .shx, .dbf)
Enhanced Compression Wavelet (.ecw)
MrSID Format (.sid)
Normbas. Exchangeinterface (NAS)
Unified Database Interface (EDBS)
BGRUND (Geospital agency BaWü)
WLDGE-Format (.wld)
Scalable Vector Graphics (.svg)
Tabelle 1: Dateiformate aufgeschlüsselt nach Maschinenlesbarkeit, Verfügbarkeit der Spezifikationen,
und Offenheit (Eigene Darstellung Quelle: von Lucke/Geiger 2010, S. 9; Gray 2010, S. 10)
27
Schnittstellen und Dienste
Geodaten können digital in Form von Downloads (z.B. Shapefiles oder SVG) bereitgestellt
werden, per Vollzugriff auf eine Datenbank (z.B. PostgreSQL & PostGIS) oder per offene
Schnittstelle. Schnittstellen halten Funktionen eines Systems für andere Systeme oder
Programme bereit, um diese auf sie zugreifen zu lassen. Besonders bei Geobasisdaten (siehe
Kapitel 2.4.1) bietet sich statt eines Downloads die Möglichkeit eines Zugriffs via einer
webbasierten, offenen, standardisierten API
31
an. Die Rekombination von Daten
verschiedener Quellen und deren Neukombination wird als Mashup
32
bezeichnet.
Drittanbieter haben die Möglichkeit die Anwendung mit zusätzlichen Funktionen zu
erweitern. Seitens der Benutzer können nach Bedarf ebenfalls Anpassungen vorgenommen
werden. Öffentliche Verwaltungen können von dieser Technik, die verhältnismäßig wenig
Aufwand und Programmierkenntnisse erfordert, sowohl intern als auch extern profitieren
(RÖCHERT-VOGT u. BERG 2010, S. 30).
Für den Bereich der raumbezogenen Daten eigenen sich die von der OGC (2006)
empfohlenen Standards, wenn es um ein hohes Maß an Interoperabilität
33
und
Herstellerunabhängigkeit geht. Interoperabilität ist die Fähigkeit von Systemen und
Maschinen, Informationen korrekt auszutauschen, zu verarbeiten und auszuwerten. Dabei ist
zu berücksichtigen, dass Geodaten häufig mit unterschiedlichen Anwendungen zu
unterschiedlichen Zwecken erhoben, verarbeitet und gespeichert wurden. Die strukturellen,
semantischen und geometrischen Unterschiede zwischen den Daten müssen berücksichtigt
werden (SESTER et al. 2007, S. 54). Eine Integration erfolgt dann, wenn die Inhalte sinnvoll
vergleichbar gemacht werden können. Für die Öffnung von Geodatenbeständen hieße das
nicht zwingend, einen direkten Zugriff auf die Datenbanken zu ermöglichen, sondern ein
Konzept von Zugriffsmethoden. Die je nach Anwendungszweck unterschiedlichen Methoden
des Zugriffs und der Analyse erfordern ebenfalls verschiedene Schnittstellen. Semantisch und
ontologisch bedingte Unterschiede, die sich in der Repräsentationsform bzw. in der
Speicherung der Geodatensätze einzelner Fachbereiche widerspiegeln, können mithilfe von
Schnittstellen interoperabel gemacht werden.
31
Eine API (application programming interface) ist Teil einer Software, welche eine Schnittstelle für andere
Programme zur Anbindung an ein System zur Verfügung stellt. Die Nutzung von APIs erlaubt es
Softwareentwicklern, Anwendungen zu schreiben und dabei bereits vorhandene, standardisierte
Bibliotheksroutinen zu nutzen.
32
„In Mashups werden einzelne unabhängig voneinander betriebene Inhalte und Services nahtlos integriert und
als neue Gesamtanwendung angeboten.“ (HILDEBRAND u. HOFMANN 2006, S. 110).
33
Der Begriff Interoperabilität betrifft neben den technischen, auch die rechtlichen, organisatorischen und
semantischen Aspekte des Umgangs mit Daten.
28
2.3.2 Auffindbarkeit und Beschreibung der Datenressourcen
Damit Daten durch den Nutzer gefunden werden, sollten sie von gängigen Suchmaschinen
indiziert werden können. Dies kann durch die Maschinenlesbarkeit der Daten selbst
gewährleistet sein, indem sie ohne Passwortschutz, strukturiert und mit Metadaten versehen
werden. Im Falle von Geodaten beschreiben Metadaten Eigenschaften wie Identifikation,
Bedeutung, Qualität, räumlichen Bezug, Produktion, Entitäten und Attribute Metadaten
werden nach DE LANGE als solche
„Angaben verstanden, die zum Nachweis und Zugriff auf Datenbestände erforderlich
sind bzw. in formalisierter Form die Beschreibung komplexer Informationen
erlauben.“ (DE LANGE 2005, S. 220).
Sie spielen für eine langfristige Werterhaltung eine entscheidende Rolle, da besonders
Sammlungen von Rohdaten ohne Metadaten praktisch wertlos sind. Standardisierte Metadaten
erleichtern die Datenpflege und verbessern die Vergleichbarkeit von Datenbeständen.
Mehrfacherhebungen durch öffentliche Verwaltung können durch einen einfachen Vergleich
in entsprechend zugänglichen Katalogen vermieden werden. Metadaten sind für Dokumente
auf Open Basis wichtig, für Geodaten sind sie essentiell. Zur Verbesserung der nachhaltigen
Erreichbarkeit von Dateien im Web empfiehlt sich laut BERNERS-LEE (1998) die Verwendung
von Cool URIs zur nachhaltigen und eindeutigen Referenzieren einer Ressource.
Metadatenkataloge und Datenkataloge sowie die Errichtung von Datenportalen mit
spezifischer Suchfunktion dienen ebenfalls der besseren Erreichbarkeit von Datensätzen. Die
potentere Form, aus Open Data-Sicht, bildet die Datenbereitstellung von Daten im Web in
Form von Linked Data.
2.3.3 Linked Data
Das Konzept von Linked Data geht auf BERNERS LEE (2006) zurück. Linked Data (vernetzte
Daten) ist ein entscheidender Beitrag zum Semantic Web und eine Kernkomponente von
Open Data (BERNERS-LEE et al. 2001, S. 26). Aus dem WWW, dem Netz aus Webseiten, soll
das Semantic Web, das Netz aus Daten, entstehen. Das Prinzip von Linked Data ist,
vereinfacht ausgedrückt, die Vernetzung von unterschiedlichen Datenbeständen aus
heterogenen Quellen. Die Quellen können sich z. B. aus Statistiken, Karten und Publikationen
zusammenstellen, die automatisiert kombiniert werden und einen Mehrwert durch einen
Erkenntnisgewinn aus den neuen Zusammenhängen generieren. Basis dieses Ansatzes ist eine
leichte Adressierbarkeit von strukturierten Datensätzen im Web. Diese Daten sollen
29
referenzierbar und eindeutig verknüpfbar sein. Das Semantic Web soll im Web verfügbare
Ressourcen maschinell (z. B. durch Suchmaschinen) verständlich wie auch für Menschen
nutzbar machen. Um dies zu gewährleisten, müssen Ressourcen mit zusätzlichen
Informationen angereichert werden, um diese maschinell und sinnvoll in Verbindung bringen
zu können. Dabei treten besonders im Bereich der raumbezogenen Daten Probleme der
Semantik auf. Bspw. kann ein Objekt unter Krankenhaus oder Spital beschrieben sein
(SEESTER 2007). Diese Herausforderungen hinsichtlich des Semantic Web und Linked Data
sind für den Bereich der öffentlichen Verwaltungen eine enorme Herausforderung, welche
noch keinen Einzug in die Tagesordnungspunkte der geodatenhaltenden Stellen gefunden hat.
Laut LUCKE ist unter dem Begriff Linked Open Government Geo Data folgendes zu
verstehen:
„Vernetzte offene Geodaten der Verwaltung sind jene Geodatenbestände des öffentlichen
Sektors, die von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede
Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung
frei zugänglich gemacht und über das World Wide Web miteinander vernetzt sind.“ (VON
LUCKE 2011, S. 8).
Die Open Data-Standards können als rechtliche Grundlage für die Nutzung und Kombination
der im Netz bereitgestellten Daten und die Linked Data-Standards als Maßnahme für die
technische Komptabilität zwischen den verteilten Ressourcen verstanden werden.
2.4 Gesetzliche Rahmenbedingungen zu Daten des öffentlichen
Sektors
Der föderale Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland bedingt eine Verteilung der
Aufgaben zwischen Bund und Ländern. Aufgaben des Bundes sind die Außenvertretung zur
EU oder den Vereinten Nationen und Aufgaben von gesamtstaatlicher Bedeutung, wie die
Bundesgrenzen der BRD. Die Bereitstellung von Geodaten ist, mit Ausnahme der Landkreise
und
kreisfreien
Städte,
Sache
der
Länder.
Aufgabe
der
Kataster-
und
Vermessungsverwaltungen der Bundesländer ist es, Geobasisdaten zu erheben, zu halten und
sie für die weitere Nutzung bereitzustellen. Sie sind, je nach den jeweiligen
Vermessungsgesetzen der einzelnen Länder, gesetzlich dazu verpflichtet, topographische
Landeskartenwerke und das Liegenschaftskataster 34 zu führen. Die verschiedenen Ressorts
auf Landesebene halten Geofachdaten für ihre spezifischen Zwecke bereit. Kommunen
34
Das Liegenschaftskataster gewährleistet im täglichen Grundstücksverkehr das im Grundgesetz verankerte,
ausgeprägte Grundrecht zur Sicherung des Eigentums an Grund und Boden.
30
erheben, verarbeiten und speichern Daten, welche zwar nicht zwingend in jeder öffentliche
Verwaltungseinheit in Form eines GIS gepflegt werden, jedoch zum großen Teil einen
Raumbezug innerhalb ihrer Gebietskörperschaft haben (z. B. statistische Daten und solche,
die in anderweitiger Repräsentationsform (Text, Tabelle) aufbereitet werden). Aus
verfassungsrechtlichen Gründen müssen die Länder jeweils eigene Landesgesetze erlassen.
Die Folge ist eine Diversität von Regelungen, die die Einsicht, die Nutzung und
Weiterverwendung von Geodaten des öffentlichen Sektors unterschiedlich präzise regeln.
In
den
folgenden
Abschnitten
wird
kompakt
auf
die
wichtigsten
gesetzlichen
Rahmenbedingungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene eingegangen werden, die sich mit
der Veröffentlichung, Nutzung und Weiterverwendung von Daten des öffentlichen Sektors
und speziell mit Geodaten und Geodateninfrastrukturen befassen. Darunter fallen die von der
EU verabschiedete Public Sector Information -Richtlinie (PSI) und deren Umsetzung ins
deutsche Informationsweitergabegesetz (IWG), das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und das
Umweltinformationsgesetz (UIG) sowie die europäische Infrastructure for Spatial Information
in the European Community-Richtlinie (INSPIRE) und deren Umsetzung ins deutsche
Geodatenzugangsgesetz (GeoZG).
2.4.1 PSI und IWG
Die am 17. November 2003 verabschiedete Richtlinie über die Weiterverwendung von
Informationen des öffentlichen Sektors, Richtlinie 2003/98/EG, kurz PSI-Richtlinie, hat zum
Ziel, Informationen aus dem öffentlichen Sektor der Öffentlichkeit zugänglicher zu machen
und einheitliche Grundprinzipien zur Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen
Sektors zu schaffen, um damit die Wirtschaft zu stärken. Seit dem Jahr 2008 ist die PSIRichtlinie in allen Mitgliedstaaten umgesetzt worden. Innerhalb der EU sollen die
Bedingungen zum Zugang und zur Weiterverwendung amtlicher Daten angeglichen und
damit die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber US-amerikanischen Unternehmen verbessert
werden, welche auf ein gut funktionierendes System öffentlicher Informationen zurückgreifen
können (FALLENBÖCK et al. 2005). Laut einer Schätzung der PIRA-Studie betrug der Wert
von PSI im Jahre 2000 in Europa 68 Milliarden Euro (PIRA INTERNATIONAL LTD. 2000, S. 6).
Ein wichtiger Punkt der PSI-Richtlinie ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Demnach
dürfen Entgelte und Bedingungen für die Weiterverwendung von Daten aus dem öffentlichen
Sektor für eine vergleichbare Weiterverwendung (Exklusivrechte) andere Teilnehmer nicht
31
ausschließen. Die öffentliche Stelle soll einem Unternehmen oder einer anderen öffentlichen
Stelle vergleichbare Daten zum gleichen Preis (oder kostenlos) weitergeben. Ob Entgelte
erhoben werden dürfen oder nicht, wird der öffentlichen Stelle freigestellt. Keinerlei
Eingriffsmöglichkeit bietet sie der EU hinsichtlich der Eigentumsrechte der Mitgliedstaaten.
Die Entscheidung darüber, ob eine Weiterverwendung amtlicher Daten genehmigt wird, bleibt
in der Hand des Mitgliedstaates oder der entsprechenden Behörde.
Das IWG (Informationsweiterverwendungsgesetz) aus dem Jahre 2006 setzt die PSIRichtlinie auf Bundesebene um. Das Informationsweiterverwendungsgesetz soll Transparenz,
Wettbewerb und die Weiterverwendung von Daten aus dem öffentlichen Sektor ermöglichen.
Das IWG trifft Aussagen über die Weiterverwendung von Daten, nicht geregelt ist jedoch der
Anspruch auf Zugang. Geregelt werden nur die Rahmenbedingungen der Weiterverwendung,
einen Anspruch auf Zugang zu und Weiterverwendung von behördlichen Daten gibt es damit
aber nicht. Somit begründet es keine Verpflichtung zur Bereitstellung von Daten oder
Informationen auf Seiten der öffentlichen Verwaltungen.
Die PSI-Richtlinie soll dem Umstand begegnen, dass das ökonomische Potenzial von
Informationen des öffentlichen Sektors aufgrund von rechtlichen und praktischen
Hindernissen nicht genutzt werden kann (FALLENBÖCK et al. 2005). Transparenz und fairer
Wettbewerb bilden die beiden Säulen der PSI-Richtlinie.
2.4.2 INSPIRE und GeoZG
Mit der im Jahre 2007 in Kraft gesetzten INSPIRE 35-Rahmenrichtlinie sollen künftig EU-weit
relevante, harmonisierte und hochwertige Geoinformation verfügbar gemacht werden, um die
grenzübergreifende Nutzung von Geodaten zu erleichtern. Weiterhin wurden allgemeine
Bestimmungen zur Schaffung einer europaweiten Geodateninfrastruktur zum Zwecke
gemeinsamer Umweltpolitik erlassen.
INSPIRE baut u. a. auf folgenden Leitlinien auf (GDI-DE 2010):
•
•
•
Die Datenerfassung soll nur einmal stattfinden.
Die Datenpflege soll an der zuständigen, optimal geeigneten Stelle stattfinden.
Geoinformationen unterschiedlichster Quellen sollen über Ländergrenzen hinweg
kombinierbar sein.
35
Infrastructure for Spatial Information in Europe
32
•
•
•
Die Datennutzung soll über administrative Ebenen hinweg gemeinsam erfolgen.
Die Bereitstellung der Geoinformationen soll ohne Restriktionen erfolgen.
Metainformationen sollen bereitgestellt werden, um die Nutzung zu verbessern.
Betroffen sind laut Artikel 4 der Richtlinie Geodaten, welche einer Behörde bereits in
elektronischer Form vorliegen und sich auf den Hoheitsbereich des Staates beziehen.
INSPIRE wurde 2009 auf Bundesebene in das nationale Geodatenzugangsgesetz überführt
(2007/2/EG). Das Geodatenzugangsgesetz(GeoZG) bildet den rechtlichen Rahmen für den
Zugang zu und die Nutzung von Geodaten, Geodiensten, Metadaten von „(…)
geodatenhaltenden Stellen des Bundes und der bundesunmittelbaren juristischen Personen
des öffentlichen Recht“ (GeoZG §2 Abs. 1), insbesondere solchen, die Auswirkungen auf die
Umwelt haben können. Die Europäische Union verpflichtet alle Mitgliedstaaten mit der
INSPIRE-Richtlinie zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur (INTERMINISTERIELLER
AUSSCHUSS
FÜR
DAS
GEOINFORMATIONSWESEN
2011,
S.
10).
Die
GDI-DE
(Geodateninfrastruktur Deutschland) hat zum Ziel, die Bereitstellung und Nutzung der
verschiedenen geodatenhaltenden Stellen in den öffentlichen Verwaltungen auf Bundes-,
Länder- und Kommunen-Ebene zu verbessern. Dies geschieht z. B. durch Vereinbarungen
bezüglich Nutzung, Verwendung und Zugang zu Geodaten, Metadaten, Geodatendiensten und
Netzdiensten sowie Koordinierungs- und Überwachungsmechanismen. Erforderlich dazu sind
neben technischen und finanziellen Ressourcen auch rechtliche wie Gesetzesgrundlagen und
institutionelle Maßnahmen wie Koordinierungsstellen.
Aus technischer Sicht führen heterogene Datenformate, inkompatible Schnittstellen und
unterschiedliche Taxonomien zu Problemen hinsichtlich eines behördenübergreifenden
Austauschs und einer behördenübergreifenden Nutzung. Isolierte Datenbestände können zu
einer Mehrfacherhebungen und Redundanz zu einer ineffektiven Datenhaltung führen.
Verschiedene Erfassungsziele, Erfassungsmethoden und Datenqualitäten sowie eine
unzureichende Qualität von Metadaten erschweren nach DE LANGE die Mehrfachnutzung von
Geodaten (DE LANGE 2005, S. 228). Um die Nutzung von Geodaten und Geoinformationen zu
verbessern, werden Geodaten, Geometadaten, Geodatendienste sowie Netzdienste und technologien zu einer Geodateninfrastruktur (GDI) zusammengefasst, welche nationalen und
internationalen Normen und Standards entspricht. Laut BERNARD (et al. 2004) werden
Effizienzsteigerungen
in
einer
GDI
besonders
durch
die
Vermeidung
von
Mehrfacherhebungen, geringere Kosten für die Datenproduktion, geringeren Zeit- und
Arbeitsaufwand für den Datenzugriff, einen verbesserten Austausch der Daten und eine
33
effizientere
Datennutzung
erreicht.
Komponenten
einer
GDI
sind
Portale,
Transformationsdienste, Metadatenbroker, Metadatenkataloge, standardisierte Schnittstellen
oder -dienste sowie eine nationale Geodatenbasis, die wiederum aus Geobasisdaten,
Geofachdaten und deren Metadaten besteht. Essentieller Teil einer GDI ist laut BERNARD
(ebd.) also die Nutzung von standardisierten, interoperablen Diensten in Form von WebServices. Eine GDI kann als ein Aufbau eines zwischen öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft
und Bürgern geschaffenen Systems zur Nutzung von Geoinformationen verstanden werden
(ADV 2002, S. 4).
2.4.3 IFG und UIG
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) regelt nach § 1 Abs. 1 S.1 IFG den Zugang zu
amtlichen Informationen. Demnach soll jeder Person ein Rechtsanspruch auf den Zugang zu
behördlichen Daten ohne Begründung des Interesses gewährleistet werden. Im IFG werden u.
a. der Schutz personenbezogener Daten und der Schutz des geistigen Eigentums geregelt. Auf
Bundesebene ist es seit 2005 in Kraft getreten. Die Umsetzung auf Landesebene verläuft sehr
unterschiedlich. Nicht alle Länder haben Informationsfreiheitsgesetze. Bayern, BadenWürttemberg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Berlin haben kein entsprechendes IFG,
das den individuellen Zugangsanspruch regelt.
Das Umweltinformationsgesetz (UIG) wurde als novelliertes Umweltinformationsgesetz auf
Bundesebene im Jahre 2004 sowie in Form von Landesumweltinformationsgesetzen in den
Ländern in den Jahren 2005 bis 2007 umgesetzt. Dies war das Resultat der EU-Richtlinie
2003/4/EG über den „Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen“, welche 2003
verabschiedet wurde. Ziel der Richtlinie ist es, durch das Recht des Bürgers auf freien Zugang
zu Umweltinformationen die Bürgerbeteiligung in der Umweltpolitik zu stärken und die
Informationspflicht der Ämter zu intensivieren. Freier Zugang bedeutet, dass der Antragsteller
zu keiner Begründung verpflichtet ist und die Daten kostenfrei für nichtkommerzielle Zwecke
erhält. Die Informationen sollen leicht zugänglich, verständlich, strukturiert und, wenn
möglich, per Web verfügbar sein. Betroffen sind alle umweltinformationshaltenden Stellen,
sowohl im öffentlichen Bereich als auch private Stellen, die als Dienstleister für staatliche
Aufgaben fungieren (STADT LINZ 2011). Das UIG und das IFG können den
Auskunftsanspruch beschränken, wenn schutzwürdige Interessen Dritter bestehen (vgl. § 5 I
IFG u. § 9 I UIG). Eine Abwägung zwischen Informationsrechten(vgl. Art. 5 I Satz 1 GG)
und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Grundrechten (vgl. Art. 2 I GG
34
LV.m. 1 I GG) sehen beide Gesetze vor. Überwiegen die Interessen an einer Auskunft nach
dieser Abwägung, so wird diese erteilt. In der Abbildung 3 werden die Zusammenhänge
zwischen den politischen Ebenen, den beschlossenen Gesetzen und Richtlinien und deren
inhaltlichen Bezügen zu Open Data relevanten Bezügen des Zugangs, der Weiterverarbeitung
und Nutzung die OGGeoD betrifft dargestellt.
Europa
Weiterverwendung
Länder
IFG
IFG
UIG
INSPIRE
GeoZG
PSI
IWG
GeoZG
Open-Data Grundsätze
Zugang/
Bereitstellung
Bund
Schutz von personenbezogenen Daten
Konkrete
Nutzung
Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Ausschluss bestimmter Nutzungsarten/
Urheberrecht
Abbildung 3: Bestehender Rechtsrahmen für Open Government Geo Data
(Eigene Darstellung , Quelle: GRAUDENZ et al. 2010)
2.5 Untersuchungsperspektive und Ableitung der Fragestellung
Aus den theoretischen Vorüberlegungen zu Open Data und OGGeoD auf nationaler Ebene
und den Hindernissen zur Öffnung der vorhandenen Datenbestände ist anzunehmen, dass
institutionelle, rechtliche sowie technische Faktoren in unterschiedlicher Weise wirken und
den Prozess zur Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen wechselseitig beeinflussen. Dabei
ist anzunehmen, dass die folgenden Faktoren diesen Prozess entscheidend beeinflussen:
Kosten, Weiterverwendung von Geodaten (Lizenzen), Informationsfreiheit, Datenschutz,
Partizipation und Kollaboration. Anhand der Analyse des Interviewmaterials und der
vorhandenen Literatur soll überprüft werden, inwieweit diese Vermutung zutrifft (welche
Bedeutung bekommen sie von den Experten zugewiesen), inwieweit diese Faktoren in einem
35
Spannungsverhältnis zueinander stehen, welche Öffnungshindernisse sich daraus ergeben und
wie die Open Data-Paradigmen zur Modernisierung der Weitergabe- und verwendung von
amtlichen raumbezogenen Daten beitragen. Zur Strukturierung der Analyse dienen die
folgenden Forschungsfragen:
•
Wie konstituieren sich die einzelnen Einflussfaktoren im Verlauf der Öffnung von
amtlichen Geodatenbeständen zueinander und welche Spannungsfelder ergeben sich
•
daraus?
•
Prozess der Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen?
•
existieren und welche Bedeutung haben diese für den jeweiligen Stakeholder?
Wodurch sind die Spannungsfelder gekennzeichnet und wie beeinflussen sie den
Welche konkreten Hindernisse in der Öffnung von amtlichen Geodatenbeständen
Welchen Beitrag kann die Open Data-Philosophie im Hinblick auf die Öffnung von
Geodaten
des
öffentlichen
Sektors
leisten
und
welche
Herausforderungen von Open Government Geo Data existieren?
Chancen
und
36
3. Methodik
3.1 Datenherkunft - Nichtstandardisierte Experteninterviews
Zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes wurde ein qualitativ-explorativer Zugang
gewählt, da wie unter Kapitel 1.2 dieser Arbeit erläutert, der Stand der Forschung zum Thema
dieser Arbeit noch mangelhaft ist. Die in der Analyse (Kapitel 4) verwendeten „Daten“
stammen von den für diese Arbeit durchgeführten nichtstandardisierten Experteninterviews.
Das Experteninterview bietet sich besonders an, um unterschiedliche und kontroverse
Perspektiven auf soziale Fragestellungen auszuleuchten (SCHNELL 2005, S. 353). Es
ermöglicht neue Daten zu generieren und Informationslücken zu schließen und es verhilft zu
einer Verortung des Themas im aktuellen Diskurs (d.h. Beziehung Open Data – Open Geo
Data). Es wurde das nichtstandardisiert Experteninterview gewählt, da es sich nach Döring et
al. aufgrund der Unstrukturiertheit der Interviewfragen besonders zur Exploration von neuen
und schwierigen Themenfeldern eignet (DÖRING u. BORTZ 2006, S. 237). Expertenwissen
muss aus den Äußerungen der Befragten rekonstruiert werden und kann nicht direkt abgefragt
werden.
3.2 Datenerhebung
Konzeption der Interviewfragen und Pretest
Die empirische Sozialforschung versteht sich als „systematische Erfassung und Deutung
sozialer Erscheinungen“ (ATTESLANDER 2000, S. 9). Dabei wird bei der Erhebung der Daten
zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung unterschieden. Die qualitative
Sozialforschung geht induktiv vor. Nach LAMNEKS (2005) „zirkulärer Strategie“ wurden für
die Konzeption der Interviewfragen mehrere Forschungsschritte durchlaufen. Jeder dieser
Schritte hing von dem vorherigen ab. Diese Vorgehensweise diente dazu, die bisher
erforschten und bearbeiteten Themenfelder um einen neuen Aspekt zu bereichern. Abbildung
4 verdeutlicht diesen Prozess.
37
Vorverständnis
Auswahl
der Methode
Auswertung
der Daten
Auswahl
der
Interviewpartner
Erhebung
der Daten
Theorieentwicklung
Abbildung 4: Zirkuläre Theorieentwicklung
(Eigene Darstellung)
Es wurden neue Fragestellungen generiert, die im Verlauf noch weiter modifiziert wurden.
Dieser Vorgang hatte auch Konsequenzen für die Auswahl der Gesprächspartner. Die
Leitfragen wurden in einem ersten Entwurf an einer Person getestet, die sich beruflich und
privat mit Themen der IT und Netzkultur befasst, getestet. Dabei wurde zur Übung des
Interviewers eine Gesprächssituation simuliert. Der Pretest eines Leitfadens ist laut PORST
„(…) eine unabdingbare Voraussetzung zur Vorbereitung der Hauptbefragung (…)“. Eine solche
Vorabbefragung hilft bei der Übersetzung der Interviewfragen von der Sprache des Forschers,
in die der Befragten (Porst 2008, S. 186). Die Leitfragen wurden nach dem Pretest nochmals
modifiziert und je nach beruflicher Herkunft und Tätigkeit auf die Befragten angepasst.
Auswahl der Interviewpartner
In der Literatur finden sich unterschiedliche Definitionen, wer als Experte gelten kann.
Konsens gibt es dahingehend, dass die Definition abhängig von der Forschungsfrage und dem
Handlungsfeld, in dem die Experten agieren, ist. Ein Experte definiert sich dadurch, dass er
durch seine berufliche Position, Ausbildung oder Erfahrung über eine hohe Kompetenz zu
einem Thema verfügt. Er kann aber auch durch die ihm vom Forscher zugeschriebenen
Attribute zum Experten ernannt werden (MEUSER u. NAGEL 1991, S. 481).
38
Als Experten wurden Personen ausgewählt, die sich jahrelang beruflich im Kontext mit
Geodaten und PSI befasst haben. Es wurde versucht die Thematik mit einem möglichst
breiten Spektrum an Perspektiven und inhaltlichen Zugängen auszuleuchten, d.h. eine weite
Streuung der Tätigkeitsbereiche der Interviewpartner zu erreichen (Vertreter aus Wirtschaft,
öffentliche Verwaltung, Politik, Forschung). Weiterhin wurde bei der Auswahl der Befragten
darauf geachtet, ob sich die befragten Personen in theoretischer oder praktischer Weise mit
dem zu untersuchenden Thema auseinandersetzen und inwieweit sie sich am öffentlichen
Diskurs beteiligen.
Die unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkte der Befragten wurden bei der Konzeption der
Leitfragen berücksichtig (GLÄSER u. LAUDEL 2006, S. 117). Während der Befragung wurden
dem Interviewer noch weitere Interviewpartner empfohlen.
Kontaktaufnahme und Interviewdurchführung
Die Kontaktaufnahme fand im ersten Schritt telefonisch statt. Angesichts des Umstandes, dass
eine Anfrage per E-Mail eher unbeantwortet blieb, schien dieser Weg erfolgversprechender.
Scheiterte
die
telefonische
Kontaktaufnahme,
wurde
versucht
per
E-Mail
einen
Interviewpartner zu gewinnen. Als nützlich erwiesen sich Empfehlungen besonders dann,
wenn es um die Stimme aus einer Behörde ging. Es wurden 11 Interviews durchgeführt,
davon acht telefonisch und drei face-to-face. Eine Person hat die Fragen schriftlich
beantwortet. Vorab wurde den Befragten ein Leitfaden per E-Mail zugesandt. Während des
Interviews wurde auf die interne Aufnahmefunktion des Mobiltelefons Nokia E71
zurückgegriffen. Bei den Face-to-face-Interviews wurde ein zweites Aufnahmegerät als
Sicherung benutzt. In dem gewonnenen Tonmaterial wurden Dynamikanpassungen aufgrund
von Pegelschwankungen sowie die Beseitigung von Störgeräuschen mit der Software Adobe
Audition 3.0 vorgenommen.
Am Anfang des Interviews wird auf den Audio-Mitschnitt und dessen vertrauliche
Behandlung hingewiesen. Um eine einseitige inhaltliche Beeinflussung zu vermeiden, wurde
versucht die Fragen allgemein zu halten. Die Reihenfolge der Fragen wurde der
Gesprächssituation angepasst, um nicht in einen Frage-Antwort-Dialog zu treten und dem
Befragten Raum für seine möglichen zusätzlichen relevanten Themen und das Hervorbringen
seiner persönlichen Relevanzstrukturen zu lassen (FRIEBERTSHÄUSER u. PRENGEL 1997, S.
377).
39
Innerhalb der Struktur der verschiedenen Themenblöcke konnten die Experten, gelenkt von
offenen Fragen, frei erzählen. Der Leitfaden diente dem Interviewer als Gedankenstütze, um
die wesentlichen Aspekte im Fokus zu bewahren (ebd.). So wurden ohne Störung des
Redeflusses durch vorformulierte Fragen alle relevanten Themen angesprochen. Dadurch
konnten weniger wichtige Fragen gestrichen und andere, abhängig vom jeweiligen Kontext,
relevantere Fragen vertieft werden. Es wurde versucht den natürlichen Gesprächsverlauf zu
unterstützen, um Einblicke in subjektive Deutungen und Perspektiven zu erhalten (MAYRING
2002, S. 67). Es stellte sich einige Male heraus, dass die Befragten keine Angaben zu
Sachverhalten machen konnten, oder es wurde im Gesprächsverlauf ersichtlich, dass zu
bestimmten Themen keine inhaltlichen Neuerungen zu erwarten waren. Daraufhin griff der
Interviewer auf Fragen allgemeinerer Art zurück, um eine inhaltliche Neuausrichtung
während des Gespräches zu ermöglichen und andere Themenblöcke zu fokussieren. Nach
dem Interview wurden die Formulierungen im Leitfaden entsprechend überall dort verbessert,
wo eine inhaltliche oder sprachliche Schärfung sinnvoll erschien (GLÄSER u. LAUDEL 2006, S.
152).
3.3 Datenaufbereitung und Datenauswertung
Transkription
Die Transkription der Interviews wurde mit dem Programm f4 vorgenommen. Die Interviews
wurden mit Ausnahme der Begrüßung und Abschiedsformeln vollständig transkribiert. Auf
die Transkription von Sprechpausen, Dialektfärbungen, sprachlichen Betonungen, nicht
vollständig ausgesprochenen Worten wurde verzichtet, da sie nicht relevant bezüglich der
Auswertung des Materials sind (MAYRING 2002).
Um den erbetenen Schutz der persönlichen Identität zu gewährleisten, wurden die
Interviewpartner teilanonymisiert. Die vergebenen Kürzel sind der Tabelle 2 zu entnehmen.
Bei den Experten wurde auf die weitere Beschreibung der ausgeführten Stelle verzichtet, um
die Möglichkeit einer Rückverfolgung zu Personen auszuschließen. Diesem Wunsch wurde
auf Bitten der Interviewpartner nachgegangen. Zwecks Nachvollziehbarkeit wurden Zitate in
der Auswertung mit Abschnittsnummern versehen.
40
Bereich
Kürzel
Wissenschaft
Leibniz-Universität Hannover - Jurist
Wis_1
Zeppelin University Friedrichshafen - Wirtschaftsinformatiker
Wis_2
Wirtschaft
Unternehmer im GIS-Bereich: lat/lon
Eco_1
Unternehmer im GIS-Bereich: where group
Eco_2
Berater im GIS-Bereich/Open Geospatial Consortium
Eco_3
Redakteur der Zeitung Behördenspiegel
M_1
Open Data-Aktivist/Journalist der Zeit
M_2
Medien
Öffentlicher Dienst
Mitarbeiter des Landesamts für Vermessung und Geobasisinformation - RLP
ÖD_1
Mitarbeiter des Bundesministeriums des Inneren
ÖD_2
Mitarbeiter einer Kreisverwaltung in Niedersachsen
ÖD_3
Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
ÖD_4
Mitarbeiter des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie
ÖD_5
Tabelle 2: Übersicht der Interviewpartner
(Eigene Darstellung)
Kodierung und Kategorienbildung
Die Auswertung des Interviewmaterials wurde mit Hilfe von MAXQDA, ein Softwaretool zur
computergestützten qualitativen Daten- und Textanalyse, durchgeführt. Die Kodierung und
der Transkripte wurde nach KUCKARTZ vorgenommen (KUCKARTZ 1999, S. 60 ff.). Die
Kodierung geschah auf Basis der Grounded Theory. Diese Methode ermöglichte eine
systematische Strukturierung der Interviewtranskripte mit dem Ziel die theoretischen
(Vor)Überlegungen zum Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zu strukturieren und
inhaltlich zu bereichern.
Die Interviewtranskripte wurden anschließend mit Hilfe der strukturierten, qualitativen
Inhaltsanalyse nach MAYRING ausgewertet (MAYRING 2002, S. 118). Mit diesem Verfahren
wurde ein Kategoriensystem gebildet und das erhobene Material weiter strukturiert. Das
gebildete Kategoriensystem speist sich aus den theoretischen Vorüberlegungen, die im
zweiten Kapitel dieser Arbeit vorgenommen wurden (GLÄSER u. LAUDEL 2006, S. 195ff). Im
Zuge der Kategorienbildung wurde das Material abstrahiert und verallgemeinert (MAYRING
2002, S. 114). Abbildung 5 stellt diesen Prozess der Kategorienbildung nach MAYRING dar.
41
Fragestellung
Festlegung der
Kategoriendefinitionen
Kategorien werden nach Sichtung der
Interviews in Bezug auf die Kategoriedefinitionen gebildet. Prozess der Kategorienneubildung- u. Kategorienzusammenfassung.
Überarbeitung der Kategorien
nach der Hälfte der Interviews
Gefundenen Kategorien werden in
einem erneuten Durchgang der
ersten drei Interviews überarbeitet
Bearbeitung aller Interviews
Das zusammengefasste Material
wird mit dem Ausgangsmaterial
auf Übereinstimmung verglichen
Auswertung
Abbildung 5: Ablaufmodell induktiver Kategorienbildung
(Eigene Darstellung , Quelle Mayring, 2000)
Grundlage dafür ist das dieser Arbeit zugrunde liegende Erkenntnisinteresse, die sich daraus
ableitenden Forschungsfragen und die operationalisierten Fragen aus dem Interviewleitfaden.
Bei der Sichtung des Materials wurde das System modifiziert und um weitere Kategorien
erweitert. Die Aussagen der Interviewten wurden miteinander verglichen und in Beziehung
gebracht. Ziel dieser Übung ist es im Analyseteil dieser Arbeit, die Aussagen der Befragten zu
systematisieren, zu kontextualisieren und zu vergleichen. Dabei werden Gemeinsamkeiten,
Differenzen und Tendenzen eruiert.
Die für die Analyse gebildeten Kategorien lassen sich als Spannungsfelder verstehen, die den
Prozess der Öffnung von Geodatenbeständen öffentlicher Verwaltungen kennzeichnen. Sie
strukturieren sich wie folgt: i. Informationsfreiheit versus Datenschutz, ii. ePartizipation und
eCollaboration
versus
traditionelle
Verwaltungskultur
im
öffentlichen
Sektor,
ii.
Kommerzielle Weiterverwendung versus Refinanzierung. Die Kategorien verhelfen den Open
Data Diskurs um Geodaten einzuordnen und zu analysieren.
42
4. Analyse
In diesem Kapitel werden die Interviewtranskripte ausgewertet. Für die Analyse
kristallisierten sich drei Hauptkategorien mit jeweils zwei diametralen Positionen heraus. Die
Hauptkategorien werden, wie unter Kapitel 3.3 erläutert als Spannungsfelder (siehe
Abbildung 6) bezeichnet. Zu jeder der einzelnen Positionen in den Spannungsfeldern werden
die Stellungnahmen der Experten einander gegenübergestellt und mit Hilfe der vorhandenen
Literatur kontextualisiert. In diesem Zusammenhang soll auch die Bedeutung der Open-DataPhilosophie auf die Weitergabe und Weiterverwendung von Geodaten des öffentlichen
Sektors eruiert und Chancen und Herausforderungen von Open Government Geo Data
aufgezeigt werden. In der folgenden Abbildung werden die Spannungsfelder im Open
Government Geo Data-Diskurs dargestellt:
Informationsfreiheit
traditionelle
Verwaltungskultur
Kultur
K
Kult
Kultur
Kul
t
tur
Refinanzierung
der datenhaltenden Stellen
ze
Li
nz
Gesetze
Gesetze
Kultur
ze
Li
ePartizipation
&
eCollaboration
nz
Datenschutz
Abbildung 6: Spannungsfelder im Open Government Geo Data-Diskurs
(Eigene Darstellung)
Weiterverwertbarkeit der
Daten
43
4.1 Spannungsfeld I - Informationsfreiheit versus Datenschutz
In diesem Abschnitt wird die Wechselwirkung zwischen den rechtlichen Rahmenbedingungen
für den Zugang auf offene staatliche Geodaten und dem Recht eines jeden Bürgers auf
Zugang zu amtlichen Informationen untersucht. Dazu wird zunächst der Begriff
personenbezogenen
Datums
und
die
damit
verbundenen
datenschutzrechtlichen
Bestimmungen geklärt (siehe Kapitel 4.1.1) und auch nichtpersonenbezogene Geodaten
aufgeführt, die unter Umständen geheimhaltungswürdig sind (siehe Kapitel 4.1.2). Des
Weiteren wird das Gesetz und die Richtlinien, die den Zugang zu Daten des öffentlichen
Sektors regeln, und auf die dadurch erhoffte Transparenz staatlichen Handelns eingegangen
(siehe Kapitel 4.1.3).
Informationsfreiheit ist ein Bürgerrecht und bedeutet nach dem IFG § 1 Abs. 1, dass jeder
Bürger einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat. Der Terminus
Informationsfreiheit wurde statt dem im Open Data-und Open-Government-Diskurs oftmals
verwendeten Terminus Transparenz vorgezogen. Informationsfreiheit stellt eine notwendige,
aber keine hinreichende Bedingung für Transparenz dar. Transparenz kann ein Effekt des IFG
sein. Ein erhöhter Zugang zu Informationen (z.B. artefaktbeschreibende Geodaten) muss
jedoch nicht zwingend staatliche Transparenz erhöhen.
4.1.1 Personenbezogene Geodaten
Im Open Data-Diskurs wird stets von nichtpersonenbezogenen Daten gesprochen, die
zugänglich gemacht werden sollten. Dennoch stellt sich die Frage, ob diese Daten überhaupt
und, falls ja, unter welchen Umständen auch Sachdaten ein personenbezogenes Datum
enthalten können. Eine Öffnung der Datenbestände des öffentlichen Sektors kann zu massiven
datenschutzrechtlichen Problemen führen. Das Risiko, dass personenbezogene Daten
veröffentlicht werden, besteht besonders dann, wenn Daten verschiedener Behörden
miteinander verschnitten werden können. Betroffen davon wären laut HÖCHTL u. a.
Firmendaten, Grundstücksdaten, Mobilfunkbewegungsdaten, Förderungsdaten (Höchtl et al.
2011). Diese mögen einzeln betrachtet unbedenklich im Sinne eines Personenbezugs sein, im
Verschnitt aber können sie Rückschlüsse auf Personen zulassen. Nach SCHAAR gibt es keine
freien Daten, die nicht schützenswert und frei von Datenschutzregeln sind. Demnach können
Daten, die als unbedenklich gelten, kontextspezifisch die Persönlichkeitsrechte stark
beeinträchtigen. (z.B. das Geschlecht von Transsexuellen oder die Adresse adoptierter
44
Kinder) (SCHAAR 2007, S. 102). Die Zusammenführung und die Analyse von Daten
verschiedener Behörden können Muster zu erkennen geben, die zu einer Stigmatisierung der
dortigen Bevölkerung oder von ganzen Quartieren führen. ÖD_3 sieht dies aufgrund der
heutigen Praxis im Umgang mit persönlichen Daten im Netz weniger kritisch:
„Ja, da muss man gucken, was macht Google Maps mit seinen Daten, was macht Google mit
den Streetview-Daten, werden die nicht mit anderen Daten verschnitten? Das muss man
besonnen betrachten“ (ÖD_3, Abschn. 35).
Der Forderung seitens der Open Data-Bewegung nach Bereitstellung von Rohdaten in
höchster Granularität stehen Bedenken der Datenschützer hinsichtlich der Selbstbedienung
durch die Nutzer entgegen. ÖD_2 (ÖD_2, Abschn. 50) betonte mehrmals die Notwendigkeit
eines gesellschaftlichen Diskurses darüber, welche Daten veröffentlicht werden sollten,
können. Hierbei geht es insbesondere um jene Daten, mittels derer eine Stigmatisierung von
Personengruppen vorgenommen werden kann:
„Natürlich ist es kritisch, was als App angeboten wird, dass man sich die Location bekannter
Sexualstraftäter in der Nachbarschaft ausschmeißen lässt und solche Dinge, solche
Selbstjustizfeatures sind auch kritisch zu beäugen, müssen wir aber auch aushalten.“ (ÖD_2,
Abschn. 51).
Hier erscheint die Gefahr für Personengruppen größer als der mögliche Nutzen, so M_1
(M_1,
Abschn.
58)
Geomarketing-
und
Rating-Agenturen
arbeiten
heute
mit
mikrogeographischen Daten, welche die Stadtlandschaft „(…) in kleine, möglichst homogene
geographische Zellen, deren Lage und Abgrenzung durch ihre Straßenzüge definiert und
deren Charakteristik durch Merkmale des Wohnumfelds“ bestimmt ist, zerlegen (HERTER u.
MÜHLBAUER 2008, S. 8). Die feingranulierten Daten wären scheinbar ungeeignet für Open
Data, da sie die Privatsphäre verletzen (SCHELLONG u. STEPANETS 2011, S. 27).
Aus Open Data-Perspektive stellt sich die Frage, wie Daten aggregiert werden müssen, damit
der Personenbezug entfällt. Praktisch heißt das: Ab welcher Maßstabsebene einer Karte liegt
ein Personenbezug vor? Aus datenschutzrechtlicher Sicht gibt es mehrere Möglichkeiten: Der
Datenschutz unterscheidet zwischen anonymen und pseudoanonymen Daten. Eine
Anonymisierung der Daten bedeutet, dass sie so stark verändert werden, dass die
Informationen gar nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand einer Person
zugeordnet werden können (vgl. §3 Abs. 6 BDSG). Bei der Pseudoanonymisierung von
persönlichen Daten werden Identifikationsmerkmale wie z.B. der Name durch einen Schlüssel
ersetzt (vgl. §3 Abs. 6a BDSG). Dadurch soll eine Rückverfolgung zu der Person
weitestgehend verhindert werden.
45
Im Falle von Geodaten besteht in der Literatur teils Uneinigkeit, welche Geodaten
Personenbezug aufweisen und daher unter das Bundesdatenschutzgesetz fallen. Laut § 3 Abs.
1 des BDSG sind
„(…) personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse
einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener).“
Diese Daten unterliegen grundsätzlich der informationellen Selbstbestimmung und dürfen
nicht nach Belieben erhoben, gespeichert und verarbeitet werden. Die Datenschutzgesetze
gelten nur für personenbezogene Angaben (vgl. BDSG §1 Abs. 1 und 2 und §3 Abs. 7). Unter
dem Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit ist zu verstehen, dass keine oder
so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben, zu speichern und zu verarbeiten
sind, um damit Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Voraus
zu reduzieren (vgl. § 3a Satz 1 BDSG).
Eine weitere Möglichkeit, den Personenbezug aus Geodaten zu lösen, ist Daten zu
aggregieren (KARG 2008, S. 23). Aggregierte Daten sind nicht per se anonymisiert, sondern
sie bezeichnen lediglich die Zusammenfassung von Daten. Der Begriff der aggregierten
Daten bildet laut FORGÓ, im Gegensatz zur Verwendung in der Literatur, keinen Gegenpol
zum Begriff der nichtpersonenbezogenen Daten (FORGÓ et al. 2008, S. 9). Rückschlüsse auf
Personen sind auch von aggregierten Daten aus möglich. Eine Möglichkeit ist laut ÖD_4,
bestimmte Schwellenwerte zu definieren:
„Diese können z.B. sein: ein Maßstab kleiner als 1:5.000 (Karten), eine Bodenauflösung
größer als 20 cm (Luftbilder), mindestens auf vier Objekte aggregierte
Liegenschaftsinformationen Bei statischen/demographischen Daten ist es sicher sinnvoll ein
Raster in Abhängigkeit von der Bevölkerungsdichte zu definieren.“ (ÖD_4, Abschn. 42)
In Bezug auf Personendaten empfiehlt Weichert die Zusammenfassung von mindestens 4
Personen und in Bezug auf Grundstücke ebenfalls von vier oder mehr, um die
Reidentifizierung von Personen zu erschweren. Je mehr Angaben zusammengefasst würden,
desto geringer sei die Chance einer Rückführung auf Einzelne. Weiterhin scheint unklar, ob
beim Aggregieren von Daten der Personenbezug tatsächlich entfällt (ebd.). Laut FORGÓ kann
in der behördlichen Praxis und der rechtswissenschaftlichen Literatur keine Einigkeit darüber
erzielt
werden,
„(…)
ob
die
Angaben
zu
drei,
vier,
zehn
oder
gar
mehr
Personen/Grundstücken zusammengefasst werden müssen, damit keine Einzelangabe im Sinne
von § 3 Abs. 1 BDSG mehr vorliegt.“ (ebd., S. 12).
Der im Datenschutz verankerte Grundsatz der Zweckgebundenheit besagt, dass Daten mit
Personenbezug nur zu den Zwecken verarbeitet werden dürfen, für die sie erhoben und
46
gespeichert wurden (vgl. §14 BDSG Abs. 1). Eine Zweckänderung, etwa beim
Weiterverarbeiten,
ist
nur
dann
zulässig,
wenn
diese
mit
der
ursprünglichen
Zweckbestimmung vereinbar ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. EG-DSRL). Damit sollen
Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung so weit wie möglich
reduziert werden. Der Grundsatz der Zweckgebundenheit steht im Widerspruch zu dem der
Open Government Principles, nach dem eine Weiterverwendung von Daten zu jedem Zweck
erfolgen muss. Das Gesetz sieht jedoch Ausnahmen vor. Eine verbindliche Klärung des
personenbezogenen Datums steht noch aus. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
besagt, dass der Bürger grundsätzlich das Recht hat über die Erhebung, Speicherung,
Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Die Formulierung
grundsätzlich besagt aber weiterhin auch, dass es Daten mit Personenbezug gibt, über deren
Freigabe der Betroffene nicht selbst bestimmen kann (vgl. BVerfGE 65, 1–71).
Mit diesem Recht, das im Zuge des Volkzählungsurteils von 1983 als eine weitere
Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes anerkannt wurde, sollte der Einzelne
davor geschützt werden, dass seine persönlichen Daten unbegrenzt erhoben, gespeichert,
verwendet und weitergegeben werden (vgl. BVerfG, 13.04.1983 – 1 BvR 209/83). Eine
Abgrenzung im Vorfeld, welche Daten zu schützen und welche freigegeben sind, ist laut
BVerfG nicht möglich. Dies könne nur im Einzelfall geprüft werden. Eine Einschränkung der
Freiheit kann im Fall eines überwiegenden Interesses der Allgemeinheit (z. B. Sicherheit des
Staates) stattfinden. Grundsätzlich besteht bei Abwägung des privaten und öffentlichen
Interesses die Möglichkeit der Einsicht in Daten mit Personenbezug. Im GeoZG - in Absatz 2
für den Zugang der Öffentlichkeit zu Geodatendiensten - gelten die Zugangsbeschränkungen
nach § 8 und § 9 des Umweltinformationsgesetzes. Laut Wis_1(Wis_1, Abschn. 26) besteht
im UIG die Möglichkeit durch die Angabe eines öffentlichen begründeten Interesses, Einsicht
in personenbezogene Daten zu erhalten. Schwieriger sei es mit privaten Interessen; auch wenn
derjenige, über den Auskunft erteilt werden solle, dem Antrag zustimme, sei dies mit UIG
nicht zu begründen:
„Das Überraschende ist ja, ob Daten herausgegeben werden, kommt auf das Interesse des
Betroffenen an und andererseits das Interesse desjenigen, der den Antrag stellt: Ich möchte
die Daten haben. Das wäre ja naheliegend, dass die Abwägung zwischen diesen beiden
Personen erfolgen muss. Das UIG sagt aber überraschenderweise, dass es auf das öffentliche
Interesse ankommt. Eigentlich, wenn Sie sich an eine Behörde wenden und wollen
Umweltinformationen heraushaben, dann haben Sie kein öffentliches Interesse, sondern ein
privates Interesse.“ (Wis_1, Abschn. 26)
Der oft in dieser Hinsicht verwendete Terminus der Freigabe persönlicher Daten suggeriert
deren möglichen Besitz. Laut Urteil des BGH hat der Einzelne
47
„keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über ‚seine‘ Daten, weil er seine Persönlichkeit
innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, in der auch personenbezogene Informationen
einen Teil der sozialen Realität darstellen, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein
zugeordnet werden kann“ (vgl. BGH NJW 1991, 1532; NJW 2004 762)
Bspw. ist demnach unklar wem das Bewegungsprofil einer anonymen Person gehört. Das
verdeutlicht, dass eine rein individualisierte Sicht auf den Datenschutz, die persönliche Daten
als Besitz versteht, den sozialen Zusammenhängen und Widersprüchen nicht gerecht wird.
Durch Mobilfunkanbieter erstellte Bewegungsprofile 36 befinden sich nicht im Besitz des
Kunden, sondern gehören, nach deutschem Recht, ohne Einwilligung des Betroffenen nicht in
die Datenbestände des Unternehmens. In der vielzitierten Ampelstudie des Unabhängigen
Landeszentrums für Datenschutz schlägt KARG (2008) vor, dass Personenbezug von Geodaten
anhand eines Ergebnis-, Zweck, - oder Inhaltskontextes bestimmt werden könne. In dieser
Reihenfolge wird das Gefährdungspotenzial, im Hinblick auf das Recht informationeller
Selbstbestimmung, aufsteigend gefährlicher eingestuft (ebd., S. 19). Der Ergebniskontext sei
dann gegeben, wenn einem Objekt bspw. ein Denkmalwert zugewiesen wird. Für den
Eigentümer beschränke dies zwar seine Rechte, das Objekt baulich zu ändern, wirke sich aber
laut KARG nicht auf ihn selbst aus. Der Ergebniskontext sei dann gegeben, wenn „die
rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen (Außen-) Beziehungen der betroffenen Person“
betroffen sind. KARG weiter:
„Geodaten, die sich inhaltlich auf Rechte oder Interessen einer Person auswirken, berühren
damit neben den allgemeinen Persönlichkeitsrechten z. B. auch die Grundrechte auf
Eigentumsschutz (Art. 14 GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und auf Unverletzlichkeit der
Wohnung (Art. 13 GG).“ (ebd., S. 21).
Geodaten, die eine Klassifizierung und Bewertung des räumlichen Umfeldes einer Person
vornehmen, fallen unter den Zweckkontext. Sie beschreiben zwar nicht die Person selbst,
treffen aber Aussagen über deren soziales Umfeld. Ein Inhaltskontext dagegen tritt dann auf,
wenn Geodaten Auskunft über das tatsächliche Verhalten oder über Zustände der Betroffenen
geben. Dazu zählen laut KARG:
„( ..) sämtliche Profilinformationen. Bewegungs- und Verhaltensprofile fallen ebenso darunter
wie auch Angaben über Kauf- und Konsumverhalten, Lebensgewohnheiten, Herkunft,
kulturelle und ethnische Identität, Gesundheits- und Sozialdaten sowie politische, religiöse
oder philosophische Ansichten und sexuelle Orientierung.“ (ebd., S. 22).
Diese Daten sollten laut Ampelstudie den höchsten Schutz genießen. Geodaten, die in keinem
der drei Kontexte zu einer Person stehen, wären demnach nicht personenbezogen. Dies wäre
selbst dann nicht der Fall, wenn sie einer Person zuzuordnen wären. FORGÓ erläutert es mit
36
Zeit: http://www.zeit.de/datenschutz/malte-spitz-vorratsdaten
48
dem Beispiel, dass es nicht vorstellbar sei, dass eine Straßenlaterne vor der Wohnung einer
Person X inhaltliche Aussagen über die Person zulasse (FORGÓ et al. 2008, S. 21). Eine
räumliche Zuordnung eines Objektes zu einer Person wäre zwar gegeben, nicht aber im Sinne
personenbezogener Daten.
FORGÓ stuft Geodaten dann als personenbezogen ein, wenn sie kumulativ drei Bedingungen
erfüllen: i. wenn sie einer Person, ganz gleich ob bestimmbar oder nicht, von der
datenverarbeitenden Stelle zugeordnet werden können, ii. wenn sie in der Lage sind, ein
sachliches Verhältnis einer Person auszudrücken, und iii. wenn die Person ohne
unverhältnismäßig hohen Aufwand identifiziert werden kann (FORGÓ u. KRÜGEL 2010, S. 22).
Treffen diese Aussagen nicht oder nur teilweise zu, handelt es sich demnach um reine
Sachdaten.
Laut SCHAAR (2007) reicht die bloße Nützlichkeit von Daten nicht aus. Die
Verhältnismäßigkeit und die Voraussetzungen und der Umfang der Datenverarbeitung der
Behörden müssen von den Bürgern nachvollziehbar sein. Daten sollen nur so verarbeitet
werden, wie es zur Erfüllung der Aufgabe notwendig ist. Eco_2 gab an, dass täglich fahrlässig
eine große Anzahl persönlicher Daten, oft mit Raumbezug, im Web preisgegeben werde, über
deren datenschutzrechtliche Praxis völlige Unklarheit herrsche. In Anbetracht aktueller
Praktiken auf individueller Ebene relativierte Eco_2 die Relevanz in der gegenwärtigen
Diskussion um Open Data des Datenschutzes in Bezug auf Geodaten:
„(…) wenn ich bei Facebook ein Konto hab’, brauche ich mir über so was kein Sorgen zu
machen.“ (Eco_2, Abschn. 20)
Und weiter:
„Das Argument ist relativ schwach, wenn man sich anguckt, was die Leute sonst noch mit
ihrem Computer machen. Wie leichtfertig Menschen mit ihrem Computer im Netz umgehen.
Diese Bedrohung, die durch die Verschneidung von irgendwelchen Geodaten besteht, ist
dagegen relativ klein. Ich glaube, das größte Problem ist vor dem Computer. Das ist was sich
selber schadet.“( Eco_1, Abschn. 62)
Entsprechend dieser Logik könnte der Staat transparent, auf rechtlicher Basis und zur
Information aller Bürger ebenfalls Datenbestände öffnen, welche einen Personenbezug
aufweisen. Im Gegensatz zu den USA, wo Informationen grundsätzlich frei sind und nur mit
ausdrücklicher Genehmigung eingeschränkt werden dürfen, steht dies im starken Kontrast zu
dem Konzept des Datenschutzes und damit der Geheimhaltung von Daten in vielen Staaten
der EU (RAUCH 1998, S. 55). M_2 (M_2, Abschn. 22) attestierte Deutschland ein
kompliziertes Verhältnis zum Datenschutz. Ursache sei die deutsche Geschichte in den Zeiten
49
des Dritten Reiches und der DDR. Dies mache in Deutschland einen fundamentalen
Unterschied zur angelsächsischen Kultur hinsichtlich der Persönlichkeitsrechte gegenüber
dem Staat aus. Zwar unterstrichen einige Interviewpartner (M_1, ÖD_2, Eco_1, Eco_2) die
Wichtigkeit, Persönlichkeitsrechte zu wahren, sahen aber anhand bereits bestehender
Praktiken und technischer Möglichkeiten im Web nicht die Möglichkeit einer vollständigen
Sicherstellung..
Beispiel: Crimemaps
Mit Open Data wäre eine Verknüpfung von polizeilichen Daten über kriminelle Tatbestände
mit räumlichen Daten denkbar. Delikte könnten so adressiert und kartographisch im Web
dargestellt werden. Die Webseiten Metropolitan Police Crime Mapping 37für die Stadt London
oder Crimemapping 38 für die Bundesstaaten in den USA stellen solche Deliktkarten auf Basis
von PSI-Daten bereit. Die auf Open Data-Basis beruhende Webseite Metropolitan Police
Crime Mapping fungierten in den Interviews als Beispiel für eine mögliche Stigmatisierung
die von Open Data ausgehen könnte. Zu diesem Thema gab es eine Vielfalt an Aussagen. Der
Großteil der Befragten stimmte einer möglichen Stigmatisierung, die von solchen Karten
ausgehen könne, zu. Lediglich ein Befragter äußerte keine Bedenken, betonte aber, dass
besonders Polizeistatistiken stark interpretationsbedürftig seien:
„Kriminalität gibt es nur dort, wo die Polizei hinguckt. Weil die PKS eine reine
Anzeigestatistik ist; ob jemand verurteilt wird, wird damit gar nicht abgedeckt, sondern nur
die Aufnahme und was die Polizei aufnimmt - hängt davon ab, wo die Polizisten herumlaufen
und ob die Sachen sehen wollen oder nicht." (Wis_1, Abschn. 32)
Andere Befragte stimmten prinzipiell dem stigmatisierenden Potenzial zu, sahen darin aber
keinen Grund solche Daten nicht als Open Data zu veröffentlichen:
„Wenn einer meint diese Daten visualisieren zu wollen - warum nicht? Das führt zu einer
Stigmatisierung - ja. Ich war auf einer Veranstaltung, da gab es eine Hochglanzbroschüre, in
der stand, dass Köln Deutz nicht so ein tolles Viertel wäre. Da gab es einen Sturm der
Entrüstung… das ist dann halt so.“ (Eco_2, Abschn. 40)
M_2 sieht dagegen die Gefahr einer mangelnden Medienkompetenz im Umgang mit sensiblen
Daten:
„Es führt natürlich zu einer Stigmatisierung und es bedeutet ja nicht, dass da wirklich eine
kriminelle Tat begangen wurde, sondern nur, dass da wahrscheinlich jemand angeklagt
wurde. Deshalb ist es sehr unscharf und kein guter Journalismus. (…) Das müsste
dazugehören, wenn man mit Datensätzen arbeitet, auch wenn sie roh sind, sind sie nicht
wahr.“ (M_2, Abschn. 26)
37
Maps: http://maps.met.police.uk
CrimeMapping: http://www.crimemapping.com
38
50
Denkbar
wäre
laut
M_2
(M_2,
Abschn.
22)
eine
Clearingstelle,
die
eine
Anonymisierungsleistung erbrächte. Er empfahl einen Daten-TÜV oder eine Clearingstelle,
der/die die bereitgestellten Daten auf datenschutzbedenkliche Daten prüfe. Diese(r) solle sich
aus Vertretern der staatlichen Verwaltung und Vertretern der Zivilgesellschaft sowie
Unternehmen zusammensetzen.
Mehrere Befragte (Eco_3, ÖD_2, M_1) waren der Meinung, dass Diskussionen um
bedenkliche Verschneidungen erst nach einer Veröffentlichung geführt werden könnten.
(Eco_1, Abschn. 64, M_1, Abschn. 22) Zwar müssten datenschutzkritische Informationen von
der Veröffentlichung ausgenommen werden, aber ein kleinteiliges Vorprüfen würde den Open
Data-Prozess blockieren. Die Öffnung von Geodaten sollte nach dem Prinzip Privacy by
design verlaufen (SCHAAR 2010). Privacy by design meint, dass bereits bei der Konzeption
von Technologien datenschutzrechtliche Belange umfassend miteinzubeziehen sind. So soll
eine nachträgliche Korrektur vermieden werden, die erfahrungsgemäß sehr viel Aufwand
fordert und im ungünstigsten Fall für die Betroffenen zu spät kommt.
4.1.2 Nichtpersonenbezogene Geodaten
Der offene Zugang zu staatlichen Geodaten bedeutet nicht nur eine Transparenz staatlichen
Handelns, sondern mitunter auch eine mögliche höhere Transparenz unter den Bürgern.
Besonders
raumbezogene
Umweltdaten
können
direkte
Auswirkungen
auf
den
Immobilienmarkt haben: Grundstückspreise und Immobilienwerte können sinken, wenn
Daten zur Bodenkontaminationen, zu Schadstoffemissionen oder Überflutungsrisiken
kartographisch sichtbar gemacht werden. Was gemeinschaftlich zum Wohl beiträgt, indem es
Personen befähigt, die richtige Entscheidung zu treffen, kann individuell einen Verlust in
vielerlei Hinsicht bedeuten. Dies ist mitnichten eine Frage der entsprechenden
Gesetzesgrundlage, sondern sollte öffentlich verhandelt werden. (M_2, Abschn. 22). Auf die
Frage nach möglichen Konsequenzen der Veröffentlichung von fein ziselierten Karten von
Hangrutschgefahren, Überschwemmungsgebieten etc. fielen die Aussagen der Befragten
(Eco_1, Abschn.48/M_1, Abschn. 14/ÖD_2 Abschn. 52) eindeutig aus: Geoinformationen zu
Naturrisiken sollen ohne Rücksicht auf mögliche Bedenken der Immobilienwirtschaft oder
einen möglichen Imageschaden eines Wirtschaftsstandortes veröffentlicht werden (Eco_1,
Abschn. 48). ÖD_2 wies auf darauf hin, dass bei Veröffentlichung entsprechender Karten ein
„Aufschrei durch die Gesellschaft gehe“, der sich aber daraufhin wieder lege. Dies solle einer
51
Veröffentlichung brisanten, aber wichtigen Datenmaterials nicht im Wege stehen (ÖD_2,
Abschn. 52).
Informationen
und
Daten
aus
der
öffentlichen
Verwaltung
können
sensible,
sicherheitsrelevante Daten enthalten, welche eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die
Staatsorgane darstellen. Militärische oder geheimdienstliche Staatsgeheimnisse fallen nicht
unter die Open Data-Forderung nach freien Daten und werden daher nicht berücksichtigt.
Ausnahmeregelungen sind laut ÖD_4 (ÖD_4, Abschn. 40) durch die bestehenden
Rahmengesetzgebungen wie das Geodatenzugangsgesetz des Bundes (GeoZG) für den
Zugang zu Informationen vorgesehen. Diese untersagen die Veröffentlichung von Daten, die
Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen, bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen
Sicherheit oder die Verteidigung haben können. Obwohl Deutschland gegenwärtig nicht als
militärisches Einsatzgebiet vorstellbar sei, soll laut Wis_2 die Auswirkung von Open
Government Geo Data auf die äußere und innere Sicherheit hinterfragt werden:
„Da aber auch die durchaus berechtigten Fragestellungen: Was passiert, wenn die Chinesen
oder die Russen oder die Albaner, die Araber… Weil mit den Daten kann man relativ schnell
eine Infrastruktur flachlegen. Militärisch ist das alles andere als fördernswert.“ (Wis_2,
Abschn. 23)
ÖD_2 äußert sich ebenfalls kritisch gegenüber der potenziellen Gefahr, die von offenen
Geodaten für die innere Sicherheit ausgeht:
„Natürlich führt Open Geo Data dazu, dass es einen leichteren Zugang zu Anschlagszielen
gibt. Es gibt immer wieder, auch bei den Emissionsinventaren, die wir veröffentlichen,
Bestrebungen, die Ansage der chemischen Industrie, dass wir doch bitte die Koordinate des
Schornsteins verschieben möchten, weil man ansonsten befürchtet, dass es unnötig leicht
gemacht wird Angreifern Ziele zu identifizieren.“ (ÖD_2, Abschn. 54)
Später betonte er allerdings, dass die Gefahr eines Missbrauchs von staatlichen Daten ein
Umstand sei, den eine offene Gesellschaft auszuhalten habe, und viele der als kritisch
betrachteten Informationen beschafft werden könnten:
„Aber auch da gilt: Das muss man aushalten. Aber machen wir uns nichts vor: Die Daten sind
omnipräsent verfügbar. Das heißt, wenn ich die kriminelle Energie aufbringe, eine solche
Anlage in die Luft jagen zu wollen, käme ich auch auf anderen Wegen an die Informationen
heran.“ (ÖD_2, Abschn. 54)
Ambivalent betrachtet werden georeferenzierte Datensätze aus dem Umweltbereich, welche
Areale geschützter Arten hochauflösend darstellen. Karten auf denen geschützte Arten
aufgezeigt werden, können zum einen dem Schutz der Arten dienen, zum anderen
Trophäenjäger und Sammler anlocken. Weiterhin kann es besonders im Sinne des
Naturschutzes sein, wenn veröffentlichte Karten von Arealen besonders geschützter Tier- und
52
Pflanzenarten keine hohe Granularität aufweisen. Als weitere sensible Datenbestände wurden
archäologische Karten erwähnt, die Schutz vor möglichen Grabräubern genießen müssten.
Ähnlich der Artenschutz-Problematik sei diesen mit technischen Möglichkeiten wie der
Einschränkung der Maßstabsebene oder einer Punktverschiebung einfach beizukommen, so
ein befragter Techniker (ÖD_1, Abschn. 46). Neben den Geodatenzugangsgesetzen des
Bundes und der Länder bestehen zahlreiche Gesetze, wie etwa zum Denkmalschutz, zur
Vermessung oder zu Bodenschätzen, die den Zugang zu Geofachdaten speziell regeln (ÖD_4,
Abschn. 22).
4.1.3 Rechtlicher Zugang zu Geodaten des öffentlichen Sektors
Die in Kapitel 2.5 dargestellten Gesetze und Richtlinien zum Zugang und Gebrauch von
Informationen aus dem öffentlichen Sektor wurden in Bezug auf Open Government Geo Data
angeführt. Grundsätzlich bilden die aus der INSPIRE- und den PSI-Richtlinien resultierenden
Maßnahmen und Regelungen eine notwendige Bedingung für staatliche Open DataInitiativen, da sie die Verbesserung der Nutzbarkeit von Datensätzen und Diensten forcieren
und einen gebührenfreien Austausch von Geodaten fördern. Besonders in Hinblick auf die
technischen Gegebenheiten ist die INSPIRE-Richtlinie ein Schritt in Richtung OGGeoD.
ÖD_2 sieht die Umsetzung von INSPIRE als zielführend in der Auseinandersetzung mit
freien Geodaten:
„Ich glaube, auch der INSPIRE-Prozess ist bei aller Kritik vielversprechend. Weil einfach
Dinge in Bewegung kommen, über die geredet wird." (ÖD_2, Abschn. 46)
Interessant sei der Aspekt eines Juristen, dass INSPIRE immer wieder in Verbindung mit
Open Government Data gebracht werde, da die EU keine Gesetzgebungskompetenz im
Bereich der Länder habe. Somit dürfe die EU-Kommission keine Regelungen bezüglich Open
Data treffen. Bei der INSPIRE-Richtlinie stützt sich die Kommission auf die Umweltpolitik.
INSPIRE werde im Rahmen dieser zwar umgesetzt, bei genauerer Betrachtung räume sich die
EU-Kommission mit dieser Richtlinie aber primär selber den Zugriff auf die Geodaten ein,
mit Open Data habe dies wenig zu tun (Eco_1, Abschn. 70).
Obwohl die INSPIRE-Richtlinie originär nur Umweltdaten betraf, betreffe sie de facto
weitestgehend alle Geodaten, die in der öffentlichen Verwaltung liegen. (Wis_1, Abschn. 10).
Jedoch bezieht sich INSPIRE lediglich auf den Austausch auf der Ebene des öffentlichen
Sektors (Government-to-Government). Der freie Zugang im Sinne von Open Data wird für
Bürger nicht geregelt.
53
Das IWG, regelt es für den Fall eines berechtigten Anspruches den Umgang mit Daten aus
behördlicher Sicht. Die Anspruchsteller sollen gleich behandelt werden. Weiterhin soll laut
IWG die Herausgabe von Daten in der Regel elektronisch erfolgen. Zu einem Anspruch auf
die Daten wird keine Regelung getroffen. Ohne einen Anspruch auf die Daten tritt das IWG
nach Meinung von Wis_1 nicht in Kraft:
„Das IWG bringt meiner Meinung nach gar nichts(…). Im IWG steht nichts drin, was es nicht
auch schon vorher gab." (Wis_1, Abschn. 28)
Das Umweltinformations-(UIG) und das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) regeln zwar den
Anspruch auf den Zugang zu öffentlichen Daten, nicht aber die Repräsentationsform der
Daten oder der Möglichkeiten zur Weiterverwendung (FORNEFELD et al. 2010). Eine
Bereitstellung von Geodaten kann auch in Papierform erbracht werden. Trotz entsprechender
Gesetze zur Offenlegung von Daten im Allgemeinen und Geodaten im Speziellen auf
europäischer (EWG) und nationaler Ebene (IWG), ist es weiterhin schwierig auf Geodaten
zuzugreifen und sie zu verarbeiten. Die Forderung nach Daten des öffentlichen Sektors setzt
die Kenntnis der vorhandenen Daten voraus. Die EU-PSI-Richtlinie (2003/98/EG ) und die
INSPIRE-Richtlinie schreiben die Erstellung von Katalogen und Verzeichnissen vor. Benötigt
werden laut Open Government Data-Prinzipien Daten-und Metadatenkataloge, welche Daten
des öffentlichen Sektors auffindbar machen (siehe Kapitel 2.3.2). ÖD_4 betont die
Wichtigkeit des Auffindens der gesuchten Ressource. Dies sei die Voraussetzung von
OGGeoD:
„Neben den bekannten Definitionen geht es zunächst erst einmal schlicht darum, dass bekannt
ist, wo welche Daten vorhanden sind, und dass ihr Bezug einfach und einheitlich ist. Was so
leicht klingt, ist es leider nicht: diese Information tatsächlich zu finden." (ÖD_4, Abschn. 8)
Die Frage nach der Haftung bei möglichen Fehlern in den Daten und daraus resultierenden
Folgen ist noch unklar. Großbritannien hat die Frage nach der Haftung mit
Haftungsausschlüssen versehen und schließt alle Zusicherungen, Gewährleistungen,
Verpflichtungen und Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Information bis zum
maximalen gesetzlichen Umfang aus (KRABINA u. PROROK 2011, S. 15). Der
Informationsanbieter haftet weder für fehlerhafte Daten noch für mögliche Verluste oder
Schäden jeglicher Art, die durch die Verwendung der bereitgestellten Daten entstehen.
Möglichen Regressforderungen aus der Wirtschaft, z. B. bei Ausfall eines Datenservers, auf
dessen Grundlage des Geschäftsmodells eines datenveredelnden Unternehmens beruht, wird
so entgegengetreten. Dies sei in Deutschland nicht endgültig geklärt. M_1 fasst die
Befürchtungen der Verwaltungen zusammen:
54
„Da sitzt die Stadt Leipzig zumindest mit drin. Was mache ich, wenn mein Server ausfällt?
Diese privatwirtschaftliche Firma kann auf einmal ihre Anwendungen nicht mehr anbieten.
Was passiert denn dann? Was passiert mit Regressforderungen? Verklagen die mich?" (M_1,
Abschn. 14)
Das IWG trifft keinerlei Vorgaben für die Fehler in der Weiterverwendung von Daten
öffentlicher Stellen. Das IFG des Bundes dagegen schließt eine Haftung auf Bundesebene für
den Fall von fehlerhaften Datensätzen aus (IFG-Bund § 7 Abs. 3, S. 2.). Die Hoffnung, viele
Geodaten des öffentlichen Sektors durch das IFG des Bundes zu erlangen, ist nach Ansicht
des Juristen (Wis_1, Abschn. 12) wenig erfolgversprechend. Der Bund hat zwar ein IFG
erlassen, die meisten Geodaten aber hätten die Länder, von denen aber nur acht ein IFG
haben.
Fälschlicherweise wird im Open Data-Diskurs davon ausgegangen, dass die öffentlichen
Verwaltungen nicht nur über Nutzungs-, sondern auch Verwertungsrechte an den
vorhandenen Daten verfügten. So können Verwaltungsdokumente andere Werke wie z. B.
Fotos enthalten, die nur für den internen Gebrauch freigegeben worden sind. Dies kann in
Zukunft durch Verträge, die eine offene Lizenz als Standard definieren, umgangen werden,
aber für bestehende Daten hinderlich sein.
4.1.4 Transparenz durch Open Government Geo Data?
Ein offener Zugang zu Regierungs- und öffentlichen Verwaltungsdaten bildet die
Voraussetzung für eine pluralistische Meinungsbildung der Bürger. Auf Basis dieser
Informationen können Bürger an politischen Prozessen partizipieren und qualifizierte
Entscheidungen treffen. Die politische Willensbildung läuft in einer offenen Demokratie „von
unten nach oben“ ab und basiert auf einer Öffentlichkeit, die dementsprechend Zugang zu
Informationen hat. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Regierungs- und
öffentlichem Verwaltungshandeln wird vergrößert. Dies kann zu Pflichtbewusstsein und
Rechenschaft seitens der Amtsträger und der öffentlichen Verwaltung, aber auch zu einem
Zuwachs an Akzeptanz und Vertrauen der Bürger bezüglich der Demokratie führen.
Vielversprechend in dieser Hinsicht sind besonders Datenbestände, die als Open Performance
Data klassifiziert werden können (siehe Kapitel 2.1.2). Mit diesen Daten erhalten die Bürger
ein neues Instrument der Kontrolle gegenüber der öffentlichen Verwaltung. Verschwendung,
Missbrauch oder Fehler können durch Öffentlichkeit und Presse leichter entdeckt und verfolgt
werden. Dies soll Vertrauen schaffen und die Bereitschaft zur Bürgerbeteiligung stärken
(INTERNET & GESELLSCHAFT COLLABORATORY 2010, S. 50). Diese Art der Überwachung löst
55
bei den betreffenden Stellen Ängste und Abwehrhaltungen aus (siehe Kapitel 4.2.1). Die
Neuordnung der Informationsverarbeitung, die durch virtuelle Umgebungen und das Web
entstand, spiegelt sich auch in neuen Formen gesellschaftlichen Handelns wider. Dazu äußerte
sich ÖD_1:
„Das heißt, Transparenz und Bürgerbeteiligung ist in aller Munde, auch in der Politik, und
das wird sich auch auf die Informationsbereitstellung in der öffentlichen Verwaltung
auswirken.“ (ÖD_1, Abschn. 30)
DIETRICH hält einen Paradigmenwechseln in Bezug auf den Umgang mit Daten des
öffentlichen Sektors für notwendig (DIETRICH 2010, S. 55). Nach dem alten Paradigma
werden alle jene Daten als geheim eingestuft, welche nicht ausdrücklich als öffentlich
gekennzeichnet sind. So soll nach dem neuen Paradigma vice versa alles veröffentlicht
werden, was nicht ausdrücklich als geheim gekennzeichnet ist. Ausnahmen zwecks Schutzes
von Personen und der Geheimhaltung müssen begründet werden. Dies wird unter dem Begriff
open by default verstanden. Ein weiterer Paradigmenwechsel steht laut DIETRICH bevor, was
die Art, den Umfang und den Veröffentlichungszeitpunkt von Daten des öffentlichen Sektors
betrifft. Im alten Paradigma bestimmt die einzelne Behörde selbst den Umfang und Zeitpunkt
der Veröffentlichung. Eine Akteneinsicht, die laut dem IFG gestattet ist, erfolgt erst nach
expliziter Anfrage. Deshalb soll das neue Paradigma nach DIETRICH lauten: „Alle Daten, die
keiner berechtigten Datenschutz- oder Sicherheitsbeschränkung unterliegen, werden proaktiv,
in vollem Umfang und zeitnah veröffentlicht.“ (ebd.).
Von hohem Stellenwert sei die Transparenz von öffentlichen Entscheidungsprozessen, die
nachhaltig aufbereitet als Informationsbasis in Form von offenen Daten zur Verfügung
stünden. Hierzu gehören u.a. Prozesse in der Stadt- und Raumplanung. Wenn Fakten in der
Planungs- und Entwicklungsphase öffentlich werden, wird dies seitens der Politik oftmals als
störend empfunden, eine offensivere Informationspolitik zur Aufklärung findet dagegen selten
statt. Alle Interviewpartner sahen in der Open Data-Initiative einen wichtigen Beitrag zur
Transparenz des Staates. Über die Konsequenz dieser Transparenz äußerten drei der
Interviewpartner (M_2/ÖD_2/M_1), das mit unangenehmen Folgen für die Verwaltung und
Politik zu rechnen sei:
„ Wenn Sie bestimmte Daten veröffentlichen, lösen Sie politische Verwerfungen aus.
Mir ist ein Fall aus Niedersachsen bekannt, da hat das Land eine Hochwasserkarte
aktualisiert und tatsächlich meldete sich ein Kommunalpolitiker, der gesagt hat, so
was dürfe man nicht veröffentlichen. Das geht doch nicht. Das war keine rechtliche
Frage, sondern ein politisches Statement - so was soll man nicht veröffentlichen weil
irgendjemand davon betroffen ist.“ (Wis_1, Abschn. 30)
56
Die Verwendung des Begriffes Open Data in der Politik wird laut einem M_2 verwendet,
ohne dessen inhaltliche Bedeutung zu kennen, oder wird mit der traditionellen
Veröffentlichung von Daten gleichgesetzt. Open Data sei ein Hype und ein Modebegriff, mit
dem man sich in der Politik und Verwaltung gerne schmücke (M_2, Abschn. 16.).
HILL konstatiert, dass im angelsächsischen und skandinavischen Bereich die Möglichkeit der
Einsicht in Behördenakten die öffentliche Verwaltungskultur bereits seit längerer Zeit geprägt
hat, dagegen gehe es in Deutschland nur langsam in Richtung eines offenen Staates voran
(HILL 2011, S. 60f). Historisch bedingt, bestehe ein anderes Grundverständnis zu Transparenz
als im angelsächsischen Sprachraum. Mehrere Befragte (M_1/Wis_2/M_2) erklärten, dass die
Open Data-Philosophie im amerikanischen Sprachraum gewachsen sei und in Deutschland
entsprechend interpretiert werden solle. Einer 1:1-Übertragung der Open Data-Kultur steht
der Wis_2 skeptisch gegenüber:
„(…) das wird die deutsche öffentliche Verwaltung nicht mit sich machen lassen. Die
wird sich nicht irgendwelche angelsächsischen Modelle überstülpen lassen.“ (Wis_2,
Abschn. 21)
Viele
der
Befragten
begrüßten
die
Rolle
des
Staates
als
Datenbereitsteller
(M_1/ÖD_1/Wis_2/M_2). ÖD_2 zweifelte dagegen an solch einer grundsätzlichen Ansicht
und verwies auf die Kerngeschäfte des Staates (ÖD_2, Abschn. 54). Der Staat solle nur
Leistungen erbringen, zu denen er gesetzlich verpflichtet sei. Alle anderen Aktivitäten solle er
anderen Akteuren überlassen, die diese besser und effizienter erledigen könnten. Er
übernimmt die Aufgaben, die der private Sektor nicht erfüllen kann oder soll und übernimmt
die Rolle des Service-Providers (M_2, Abschn. 30).
Bei den Open Government Data-Prinzipien geht es nach Ansicht eines Wissenschaftlers
(Wis_2) aber nicht um ein Ja oder Nein, sondern eher um eine Fuzzylogik. Geodaten des
öffentlichen Sektors werden demnach nicht die 10 Prinzipien von OGD zu 100% erfüllen,
sondern zu 0%, 20% oder 80%. Der erste Schritt zu Open Data soll seitens der Politik
erfolgen, welche die entsprechenden Gesetzesgrundlagen zu schaffen hat, um der öffentlichen
Verwaltung ein rechtlich abgesichertes Arbeiten zu ermöglichen (Wis_2, Abschn. 21).
57
4.1.5 Technische Transparenz für OGGeoD
Nach BRÖHMER erfordert Transparenz nicht nur die Erhöhung einer abstrakten
Informationsmenge, „( ..) sondern auch die Strukturierung der Information, das heißt deren
Aufbereitung in einer Art und Weise, die sie für die Bürger auch tatsachlich nutzbar und
fruchtbar macht.“ (BRÖHMER 2004 S. 18f). Somit ist das Format der Repräsentation einer
Datenressource von entscheidender Bedeutung. Dies wird in den Open GovernmentPrinzipien durch die technischen Anforderungen ausgedrückt. ÖD_4 (ÖD_4 Abschn. 24) war
der Meinung, dass die Open Government Data-Prinzipien für den Bereich der Geodaten
überdacht werden müssten. Ein vollständiger Download des Originaldatenbestandes, wie in
den Prinzipien erwünscht, sei für viele Anwendungen. z.B. Web-Mapping-Dienste nicht
erforderlich, nicht möglich oder nicht zielführend. Ein anderer Befragter betonte die
wegweisende Rolle des Open Geospatial Consortium in Richtung eines OGGeoD. Ein
Großteil der Verwaltungen sehe den Bedarf an offenen Standards für ihre IT und setze diese
auch ein. Der Terminus der Machinenlesbarkeit müsse auf die „Welt der Geodaten“
übertragen und genauer spezifiziert werden. Um die Weiterverwendbarkeit zu erhöhen
betonten viele Befragte die Wichtigkeit der Metadaten und Dokumentationen von Geodaten
(ÖD_4 Abschn. 10/ ÖD_1 Abschn. 8).
ÖD_5 unterstrich die Bedeutung von Nutzungsbedingungen in den Metadaten, dies schaffe
Klarheit für den Benutzer dieser Daten und erhöhe die Weiterverwertbarkeit. (ÖD_5 Abschn.
4). Unterschiedlich kritisch betrachtet wurden die Forderungen der Open Data-Initiativen
nach Rohdaten. Diese spiegelten zwar den Bedarf einer digitalen Elite wieder, nicht aber die
Allgemeinheit an zuverlässigen Informationen:
„Partizipation und Transparenz wird zu hoch gehängt. Wenn man sich dann anguckt wer da
mit diesen Daten anfangen kann, das sind ja Rohdaten. Also wer mit Rohdaten was anfangen
kann. Das ist ein Mini-Teil dieser Gesellschaft.“ (M_1 Abschn. 40)
Besonders bei Geodaten sei eine offene Schnittstelle sinnvoller als der Zugriff auf Rohdaten.
Rohdaten können nur über den Umweg von Datenveredlern zu einer Verbesserung der
Transparenz führen. (ÖD_3 Abschn. 32) Dem entgegen steht das Verständnis von staatlichen
erhobenen Rohdaten als Grundlage für unabhängige Datenveredler, deren informationell
aufbereitete Werke einen Beitrag zur Meinungsvielfalt darstellen sollen. Nicht primär die
Neuinterpretation, welches bei Geodaten Expertenwissen voraussetzt, steht für den Bürger im
Vordergrund, sondern der Zugang zu verschiedenen Neuinterpretationen der Daten durch
Dritte. Diese Informationen können als Basis für eine mediale Vielfalt und öffentlicher
58
Meinungsbildung dienen. Der freie Zugang zu Geodaten ist laut eines Mitarbeiters des ÖD_5,
deshalb meinungsbildend, weil
„(…)dadurch auch transparent wird mit welchen Daten die Verwaltung arbeitet und auf
welcher Basis die Entscheidungen gefällt werden. Die Transparenz ist aus meiner Sicht auch
nötig.“ (ÖD_5 Abschn. 41)
Laut KUHLEN ist die mediale Vielfalt und die Bildung öffentlicher Meinung die
Voraussetzung für die Entwicklung demokratischer Gesellschaften dar (KUHLEN 2004, S. 6).
Die pluralisierte Meinungsbildung sei der eigentliche Zugewinn für eine Gesellschaft die von
freien Informationen ausgehen kann. Eco_2 unterstrich die Wichtigkeit des Zugriffes auf die
Rohdaten für die Geoinformationswirtschaft. Eine Visualisierung der Daten wäre weniger
entscheidend, da diese schon interpretative Element der Behörde enthalte. (Eco_2 Abschn. 24)
Einen Beitrag zur Transparenz könnten besonders Geofachdaten zur Umwelt, Pläne zur
Stadtentwicklung und Raumplanung sowie Katasterdaten leisten (ÖD_3 Abschn. 32).
Informationen könnten von Behörden bereitgestellt und interpretiert werden, Dritte sollen es
laut einem GIS-Berater, auch dazu in der Lage sein:
„(…) stellt die öffentliche Verwaltung ein PDF-Dokument mit dem Ergebnis der
Informationen zur Verfügung ohne die Rohdaten die dahin geführt haben. Meiner Ansicht
nach müssen die Rohdaten zur Verfügung stehen, wenn die Behörde die Informationserhebung
machen möchte, in stadtplanerischen Dinge mag das sinnvoll sein, dann ist das sicherlich gut,
ändert aber nichts daran dass die Rohdaten bereit gestellt werden müssen.“ (Eco_3 Abschn.
56)
Jenseits der Frage nach Rohdaten müsse auf Basis einer Bedarfsanalyse eine Prioritätenliste
erstellt werden, nach der Geodaten von besonders hoher Nachfrage schneller zugänglich nach
Open Data Kriterien gemacht werden sollen (ÖD_2 Abschn. 54).
4.2 Spannungsfeld II - Traditionelle Verwaltungskultur versus
eParticipation & eCollaboration
Im folgenden Abschnitt wird das Spannungsverhältnis im Bereich Informations- und
Datenverarbeitung zwischen der öffentlichen Verwaltung und neuen gesellschaftlichen
Formen der Partizipation und Kollaboration im Web untersucht.
59
4.2.1 Die Verwaltungskultur des öffentlichen Sektors in Deutschland
Der Erhalt komplexer sozialer Systeme wird durch ein validiertes Werte- und Normengefüge
unterstützt. Solche Konventionen werden in einer staatlichen öffentlichen Verwaltung über
lange Zeiträume mitgetragen und schaffen dort die Grundlage für eine spezifische
Organisationskultur.
„Jede Kultur bringt mit der Zeit dezidierte Kommunikations-, Denk-, Handlungsmuster
hervor, die auch als Konventionen beschrieben werden können.“ (DIETRICH 2010, S. 62).
Um vom bisherigen Geheimhaltungsgrundsatz zu einer transparenteren öffentlichen
Verwaltung zu kommen, bedarf es laut KRABINA einen Paradigmenwechsel (KRABINA 2010,
S. 8). Dieser Wechsel umfasst alle Hierarchie- und Fachebenen und erfordert ein Umdenken,
welches „(…) konträr zu gewohnten und seit langer Zeit eingeschliffenen Prinzipien steht.“
(DIETRICH 2010, S. 62). Laut DIETRICH ist bei der Umsetzung von Open Data im öffentlichen
Verwaltungs- und behördlichen Bereich mit kulturellen Widerständen zu rechnen.
Die Schwächen in Bezug auf einen innovativen Wandel des öffentlichen Sektors in
Deutschland
liegen
laut
NASCHOLD
in
der
mangelnden
Berücksichtigung
der
Kostenstrukturen und einer geringen kundenbezogenen Qualitäts- und Innovationsdynamik
(NASCHOLD u. BOGUMIL 2000, S. 40ff). Im internationalen Vergleich zeichnet sich der
öffentliche Sektor durch „die Beharrlichkeit eines bürokratischen Regelsteuerungssystems
gegenüber allen Varianten einer Ergebnissteuerung“ (ebd.) aus. Seitdem sind viele Versuche
unternommen worden die öffentliche Verwaltung zu modernisieren (THEUVSEN u. ARENS
2011, S. 151). Im Vergleich zu der liberalen Kultur in Skandinavien und im angelsächsischen
Sprachraum bewertete Wis_2 die deutsche öffentliche Verwaltungskultur als eher konservativ
und risikoscheu. Entwicklungen im Open Data-Kontext scheinen momentan schwer
abschätzbar. Dies bedeute Unsicherheiten, die öffentliche Verwaltungen tunlichst vermeiden
wollen (Wis_2, Abschn. 7). Ein weiteres Hindernis für einen Wandel im Umgang mit offenen
Daten sieht er in der Besetzung der Führungsspitzen der Vermessungsverwaltungen:
„( ..) Sie können mal gucken, wer wirklich in den Spitzenpositionen in den Ministerien sitzt
und in den Einrichtungen der Vermessungsverwaltung, die Geodatenverwaltung vereinnahmt.
Sie werden dort jede Menge Juristen haben, die von ihrer Ausbildung her auf diese
Risikoscheue hingepolt werden und überall erst mal Probleme und Risiken sehen, die man
nach Möglichkeit vermeiden sollte.“ (Wis_2, Abschn. 43)
60
Staatliche Daten gelten in den öffentlichen Verwaltungen als Herrschaftswissen mit
exklusiven Rechten. Falls dieses preisgegeben wird, geschieht dies unter der Wahrung der
eigenen Deutungshoheit. Die Herausgabe von Roh- oder Primärdaten käme einem Verlust der
Kontrolle über diese Daten gleich. Ein solcher Verlust des Daten- und Deutungsprivilegs kann
zu neuen Machtstrukturen innerhalb einer Organisation oder einer Gesellschaft führen. Der
Anspruch von Behörden auf das Interpretationsmonopol von staatlichen Geodaten wird in der
Aussage eines Mitarbeiters des ÖD_3 deutlich:
„(…) dass falsche Interpretationen reingebracht werden in die Rohdaten. Da sehe ich eine
gewisse Gefahr drin. Wenn man das einfach dann so rausgibt und ich habe einfach keinen
Bezug mehr zu Informationen, die da irgendwie vorliegen, die eine ganz andere Beurteilung
ergeben.“ (ÖD_3, Abschn. 14.)
Die Öffnung von Datenbeständen des öffentlichen Sektors setzt einen Wandel des
Selbstverständnisses der öffentlichen Verwaltung und Politik vom Hoheitsträger zum
Dienstleister voraus. Damit Open Government-Strategien erfolgreich werden, bedarf es eines
Kulturwandels innerhalb der öffentlichen Verwaltung. Diese Aussagen wurden von der
Mehrheit der Befragten getätigt oder bestätigt (ÖD_4, Abschn.16/Wis_2, Abschn. 43/Eco_2,
Abschn. 14/Eco_1, Abschn./OGC, Abschn. 24/M_1, Abschn. 26/M_2, Abschn.29/ÖD_1,
Abschn. 56/ÖD_5, Abschn. 47). Die Verunsicherungen, die im Hinblick auf die proklamierte
Offenheit von staatlichen Daten zur Geltung gebracht werden, gehen auf eine innerhalb der
deutschen
öffentlichen
Verwaltung
fehlenden
Kultur
des
Wandels
zurück.
Der
Informationszugang soll laut DIETRICH von der Ausnahme zur Regel werden; dies solle nicht
nur weitere verpflichtende Gesetze und Regularien für die öffentliche Verwaltung, sondern
auch Anreizsysteme für einen offenen Umgang mit Daten beinhalten. Zu einem möglichen
Wandel in der Verwaltung äußert sich ein Journalist dagegen skeptisch:
„(…) die (gemeint ist die amerikanische öffentliche Verwaltung - Anm. d. A.) haben nicht
dieses sehr Beständige und den Glauben an die Bürokratie hier in Deutschland, sondern da ist
mehr marktwirtschaftliches Denken mit drin. Also, man kann da schneller einwirken auf den
ganzen Apparat. Das ist erst mal gut. Das ist gut in diesen Ländern. Man sollte sich seiner
Vorteile der öffentlichen Verwaltung in Deutschland bewusst sein. Es wirklich erfolgreich in
die Tat umzusetzen ist dort mindestens genauso schwer wie hier.“ ( M_1, Abschn. 26)
Die Bereitschaft der Veränderung seitens der öffentlichen Verwaltung hinsichtlich einer
neuen Daten- und Informationskultur wird von den meisten Befragten als eher gering
eingestuft:
„ Aus meinen Seminaren weiß ich, dass es geringe Bereitschaft gibt, an den bisherigen
Strukturen irgendwas zu ändern. Aus den öffentlichen Verwaltungen wird die nicht kommen,
61
die werden sagen: Wir haben genug zu tun. Wir haben unseren gesetzlichen Auftrag, das führt
dazu, dass ich auf meinem Schreibtisch dazu… dass ich mehr Arbeit hab’, wenn ich anfange
mit innovativen Ideen zu kommen.“ (Wis_1, Abschn. 20)
Dass die öffentliche Verwaltung immer auf der Höhe der Zeit sei, könne man nicht verlangen,
da dort Innovationszyklen zu lang seien. Skepsis gegenüber der Öffnung von Daten existiert
auch aufgrund der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, so M_1 (M_2, Abschn. 10)
Diese Ängste herrschen seit der Einführung der EDV in den 80er Jahren, als viele
Arbeitsstellen
überflüssig
wurden.
Technologischer
Fortschritt
sei
eng
mit
der
Existenzberechtigung des Arbeitsplatzes verbunden. (Eco_1, Abschn. 32) Der Stellenabbau in
den Kataster- und Vermessungsämtern führe zu Verlustängsten, die keinen Raum für
gesamtgesellschaftliche Wohltaten ließen. Die rasanten Entwicklungen in der Informationsund Kommunikationstechnologien bedeuten für die weniger technikaffinen Mitarbeiter einen
zusätzlichen Aufwand an Anpassung, um mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten.
Der Altersdurchschnitt der Beschäftigten in den öffentlichen Verwaltungen ist laut einer
Studie der Robert-Bosch-Stiftung aus dem Jahre 2009 vergleichsweise hoch. Dies ist auf
Bundesebene u. a. durch das Regierungsprogramm der Bundesverwaltung von 1998
„Moderner Staat - moderne Verwaltung“ zurückzuführen, welches laut Haushaltsgesetz 1,5%
der Planstellen einzusparen vorsieht. Die größte Alterskohorte in der Bundesverwaltung
bildete im Jahr 2005 die Altersgruppe der 43-Jährigen, im Jahre 2020 werden es die 58Jährigen sein. Einstellungsstopps und Stellenkürzungen werden zu Pensionierungswellen in
den personenstarken Mitarbeiterkohorten der Altersjahrgänge 50 plus in den nächsten Jahren
führen (ROBERT BOSCH STIFTUNG 2009, S. 27). Der Altersdurchschnitt in den Vermessungsund Katasterämtern liegt in Rheinland-Pfalz im Jahr 2001 bei etwa 51 Jahren. Änderungen im
öffentlichen Verwaltungswesen versprechen laut einem Befragten die Neueinstellungen, die
aufgrund der anstehenden Pensionierungswellen einen Wandel ermöglichen (M_1, Abschn.
46).
ÖD_1 ist gegenüber dem anstehenden Generationswechsel und der damit verbundenen
Hoffnung eines Wandels in den Vermessungs- und Katasterämtern skeptisch:
„Die ziehen sich da die Leute groß, die die da brauchen können. Da werden die Leute
eingestellt, die konform sind, die da reinpassen. Die auch immer das tun, was man ihnen sagt.
Die das Gegenteil tun, die haben kaum Chancen.“ (ÖD_1, Abschn. 58)
Neues Personal würde im Abgleich der (älteren) Vorgesetzten ausgewählt und nicht in der
Absicht eines Wandels der behördlichen Tradition. Eine radikalere Kritik an den bestehenden
Strukturen wurde seitens eines Mitarbeiters des ÖD_1 geäußert:
62
„In den öffentlichen Verwaltungen gibt es kein Leistungsprinzip. Leistung wird nicht bewertet.
(…) Der Impuls muss von außen kommen. (…) Das althergebrachte Prinzip des
Berufsbeamtentums, das ganze Dienstrecht muss überarbeitet werden, damit effizient
gearbeitet werden kann. Das geht sonst einfach nicht. Führungsaufgaben dürften auch nicht
auf Dauer übertragen werden. Die müssen auf Zeit übertragen werden. Dann nach Leistung.
Das ist aber nicht machbar im öffentlichen Dienst. Das führt dann zu den verkrusteten
Strukturen.“ (ÖD_1, Abschn. 58)
Mehrmals wurde von den Befragten betont, dass sich Teile der öffentlichen Verwaltungen
aber auch konstruktiv mit den Themen des Open Government-Ansatzes auseinandersetzen.
Die Befragten aus den Behörden standen einer Öffnung von Datenbeständen prinzipiell
positiv gegenüber und sähen diese als fortschrittlich an (ÖD_3, Abschn. 28).
„Die Aussage ist: Man muss es nicht gleich verteufeln, nur weil man sich nicht selber
vorstellen kann, dass es tatsächlich einen Nutzen dafür gibt. (lacht) Die Verwaltungen haben
den Service- und Veröffentlichungscharakter überhaupt noch nicht verinnerlicht. Dem ist mit
Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz schon Genüge getan, da es die
schon lange gibt.“ (ÖD_2, Abschn. 54)
Der Staat bzw. die staatlichen Vermessungsämter könnten sich auf ihre Kernaufgabe
konzentrieren und z. B. das Erstellen von Karten für die Freizeitaktivitäten privaten
Dienstleistern überlassen so ÖD_2 (ÖD_2, Abschn. 54). Kommerziell oder nichtkommerziell
motivierte Anbieter könnten diese Leistungen näher am Konsumenten und damit besser
gestalten.
Die Arbeitsorganisation der deutschen öffentlichen Verwaltung ist laut NASCHOLD durch ein
„hohes Maß an horizontaler Abschottung und vertikaler Hierarchie bestimmt.“ (NASCHOLD
u. BOGUMIL 2000, S. 40). Fehlerhafte Einträge in den Datenbeständen würden aufgedeckt und
könnten Konsequenzen für die Verantwortlichen nach sich ziehen. Verschnittene Daten, die
von Laien zusammengetragen würden, könnten zur Verwirrung bei möglichen Nutzern führen
(HILL 2011, S. 60). Der hohe Anspruch, den die öffentlichen Verwaltungen an sich stellen,
wird in diesem Satz deutlich:
„Ich finde das ist auch die Aufgabe einer Behörde, und auch meines Büros, dass man wirklich
qualitätsgeprüfte, vernünftige Geodaten, wenn man sie denn zeigen will, auch präsentiert. Das
muss allen klar sein und auch allen Beteiligten bewusst sein, die daran arbeiten. Wenn ich es
darüber hinaus noch als wiederverarbeitbares Material ausgebe, muss man noch von der
Sorgfalt einen draufsetzen.“ (ÖD_3, Abschn. 12)
Open Data-Befürworter befürchten, dass diese Haltung dazu führe, dass Daten erst nach
aufwendigen und zeitraubenden Verfahren veröffentlicht bzw. freigegeben werden. Vielfach
wurde von den Befragten erwähnt, dass eine unzureichende Qualität der Geodaten aus Sicht
der Behörden ein Hindernis für die Öffnung darstelle. ÖD_2 war der Ansicht, dass die
63
Verwaltung lieber davon absehe Information rauszugeben als dass sie einen Fehler in Kauf
nähme. Besonders dann wenn davon auszugehen sei dass die Daten viele Fehler enthielten:
„Also, die Behörden tun sich insofern schwer, weil sie der Meinung sind, dass sie von der
Qualität her nicht ausreichend sind, um sie freizugeben.“ (ÖD_2, Abschn. 35)
Dazu Eco_1:
„Ja, man muss sich im Klaren sein, dass sich die öffentliche Verwaltung auch sträuben wird
die Daten herauszugeben, weil sie wissen, wie schlecht sie sind.“ (Eco_1, Abschn. 54)
Die Entwicklung einer Fehlerkultur 39 in der öffentlichen Verwaltung könne diesen Umstand
abfedern. Die Verwaltung soll laut Open Government Data-Prinzipien auch Daten freigeben,
deren Qualität fraglich sei oder die unvollständig seien. Mit geeigneten FeedbackMechanismen werde mit Hilfe von Nutzern die Datenqualität verbessert. Möglich sei laut
Aussage von ÖD_3 auch die Zusammenarbeit mit Crowd-Sourced-Community-Projekten wie
der OpenStreetMap:
„Ich sehe da großes Potenzial drin, in großen verdichteten Städten und Siedlungsgebiete,
muss man sagen, da können die beide voneinander profitieren. Sei es das amtliche
Vermessungswesen, sei es jetzt auch die OpenStreetMap Community, dass keiner von beiden
sagt, weil OpenStreetMap ist ja in den letzten Jahren enorm gestiegen an den Möglichkeiten,
die da drin sind, bzw. die Akzeptanz hat ja deutlich zugenommen. Es gibt ja Kommunen, die
ihre Anfahrtsskizzen auf dieser Basis präsentieren. Die sind ja unter vielen Digitalisierern
qualitätsgeprüft und da sollte man ein gutes Miteinander führen. Da sehe ich auf jeden Fall
Chancen drin.“ (ÖD_3, Abschn. 38.)
In dieser Hinsicht zeigen einzelne Akteure in der Verwaltungslandschaft laut Wis_2 auch
andere Wege auf:
„Aus der Mitte ist eine ganze Menge, da gibt Verwaltungsmitarbeiter, die sagen: Das finden
wir gut. Beispielsweise im Bodenseekreis. Die meisten Geodaten, die Sie zum Bodenseekreis
finden, haben Mitarbeiter des Landratsamtes in OpenStreetMap reingestellt. Das heißt,
innerhalb der Mitarbeiterschaft ist schon eine Begeisterung für solche Unterfangen da.“
(Wis_2, Abschn. 43.)
Eine Möglichkeit, diesen Vorbehalten auf rechtlichem Wege zu entgegnen, wäre, Lizenzen
für offene Daten mit einem Haftungsausschluss zu versehen. Dies wurde bereits in Kapitel
4.1.3 beschrieben. Nach LUCKE sollten Behörden in einem demokratischen Rechtsstaat diesen
Legitimationsdruck aushalten können (VON LUCKE 2010, S. 6).
„Die größten Bedenken zurzeit sind von der öffentlichen Verwaltung, was Lizenzrecht angeht,
was Copyright angeht, was Verlustängste angeht - wenn ich das weggebe, habe ich keine
Kontrolle mehr darüber." (Eco_3, Abschn. 50)
39
„Die Fehlerkultur bezeichnet die ungeschriebenen Regeln eines Arbeitsklimas, dass mit Fehlern in einer
Organisation offen umgegangen wird, um hieraus für die Zukunft zu lernen. Fehler werden in so einer Kultur zu
einem Erfolgsfaktor.“ (LIES 2001, S. 152).
64
Eco_1 fasst seine Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Verwaltungen wie folgt
zusammen:
„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur wenige verstanden haben, dass das wichtig ist,
und die machen das auch und die meisten machen es nicht. Bei denen, die es nicht machen,
gibt es zwei Haltungen, warum sie es nicht machen: Die einen ziehen sich zurück und sagen,
das dürfen wir gar nicht, die geben sich gar keine Mühe, um zu sehen, ob sie es vielleicht doch
dürften. Die anderen glauben, dass die öffentliche Verwaltung da einen großen Schatz in der
Hand hat, mit dem man Geld einnehmen kann." (Eco_1, Abschn. 20)
Dies weist auf den Punkt der rechtlichen Unsicherheit und fehlender Kenntnisse in Fragen der
Informationsfreigabe hin. Weiterhin typisiert der Eco_1 eine Verwaltungshaltung, auf deren
Argumentation in Kapitel 4.2.1 eingegangen wird.
Ein zentraler Punkt bei Open Data war die Frage nach der Deutungshoheit des Staates über
Geodaten. Hier kristallisierten sich unter den Befragten, trotz der mehrheitlichen Ablehnung
einer staatlichen Bevormundung durch das Interpretationsmonopol, unterschiedliche
Perspektiven heraus. Technisch gelöst werden können Fehlinterpretationen laut einem
Befragten aus dem Eco_3-Kontext bei Primärdaten durch eine Dokumentation und durch eine
Beschreibung in den Metadaten. Der Staat solle Interpretationen zulassen. Nötig dafür sei
allerdings der Zugriff auf die Rohdaten. ÖD_3 führt als Grund für den Erhalt der
Deutungshoheit eine mögliche mangelnde Medienkompetenz der Bürger an und befürchtet
eine Überforderung der Benutzer, wenn alle Fachattribute auch im Web zugänglich gemacht
würden (ÖD_3, Abschn. 12). Weiterhin vermutete er, dass „einige Teile der Bevölkerung“
Schwierigkeiten hätten „eine Karte richtig zu lesen“ (ÖD_3, Abschn. 30). Ihm zufolge
bestünde die Gefahr, dass Daten fehlinterpretiert würden und es zu einer Mobilisierung der
Massen aufgrund von Falschaussagen käme. Dazu ergänzt er seine Befürchtung um den
Aspekt einer möglichen Dekontextualisierung von Daten:
„Da sehe ich eine gewisse Gefahr drin. Wenn man das einfach dann so rausgibt und ich habe
einfach keinen Bezug mehr zu Informationen, die da irgendwie vorliegen, die eine ganz andere
Beurteilung ergeben.“ (ÖD_3, Abschn. 14)
Und weiter:
„Ne .. das dann jeder .. ne, dann müsste man schon als Kommune schon die Hoheit drüber
haben, wer was dann wie bekommt. Ich befürchte die Konsequenzen, wenn jeder mit den
Daten tun und lassen kann, was er will. Da hab’ ich einfach keine gesicherten Informationen."
(ÖD_3, Abschn. 22)
65
Nach M_2 sei eine hohen Medien- und Datenkompetenz für die Auswertung von amtlichen
Geodaten nötig:
„Insofern zeigt es auf einen Aspekt hin, wo es meiner Meinung nach mangelt, dass es im
Bildungssystem keine großartige Medienkompetenz gibt oder auch keine Datenkompetenz,
letztendlich muss es eine Kultur dafür geben, Daten zu diskutieren und auch eine kritische
Datendiskussion zu haben. Dieser Datensatz hat diese Vorteile, aber hat auch die Mängel.
Das müsste dazugehören, wenn man mit Datensätzen arbeitet .. auch wenn sie roh sind, sind
sie nicht wahr.“ (M_2 Abschn. 26)
Auf Unverständnis stieß der Anspruch der Deutungshoheit bei den meisten der Befragten.
Wis_1 warf den Gedanken ein, wo der Maßstab für die Frage nach möglicher Falschnutzung
anzulegen sei (Wis_1 Abschn.30) Die Möglichkeit einer Fehlinterpretation sei kein Grund,
Daten und Informationen vorzuenthalten, auf die der Bürger ein Recht besitze (ebd.). Daten
nach dem Prinzip der eindeutigen Interpretationsmöglichkeit zu veröffentlichen sei laut
Aussage von Eco_1 absurd:
„Nutzung durch Dumme ausschließen? Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass die
Menschen verschieden sind und dass es Menschen geben wird, die Daten unsachgemäß
benutzen.(Eco_1, Abschn. 50)
Trotzdem sei besonders bei Geofachdaten eine weitreichende Expertise zur vernünftigen
Auswertung und Visualisierung notwendig (ebd.). Ob ein Report über CO2-Belastung im
Vierfarbenglanzprospekt publiziert werde oder die Rohdaten zugänglich gemacht würden,
seien zwei sehr verschiedene Dinge. Hier sei nach den unterschiedlichen Zwecken der Daten
zu unterscheiden.
Ein Verständnis dafür, dass Daten auch außerhalb des bisherigen Einsatzgebietes verwendet
werden könnten, überstieg die Vorstellungskraft von ÖD_3:
„Wenn ich einfach Rohdaten habe, ich habe irgendwo meinen Punkt gemacht, Biogasanlage.
Solche Rohdaten brauch’ ich nicht rausgeben. Das ist schwierig, darüber hinaus was
Interessantes zu machen.“ (ÖD_3, Abschn. 14)
Eco_1 bekräftigte dagegen dass er sich nicht vorstellen könne, dass es Geodaten gebe, die
nicht interessant seien und von Dritten neu in Wert umgesetzt werden könnten. Daten
auszuschließen, weil nach Einschätzung der Verwaltung keine öffentliches Interesse bestünde
sei, nach Ansicht des von Eco_3 unklug, da der Datenbereitsteller nicht den Umfang
möglicher Anwendungsbereiche abschätzen könne (Eco_3, Abschn. 42). So können vormals
marginal nachgefragte oder genutzte Datensätze als in Form von Linked Geo Data (siehe
Kapitel 2.3.3) bereitgestellt werden. Durch ihre technischen Möglichkeiten der Vernetzung,
können Datensätze im Linked Data Format eine hohe Nachfrage erfahren und Nischendaten
66
auch für Laien attraktiv werden. Der Bürger sei zudem an öffentlichen Verwaltungs- und
Regierungshandeln interessiert (Eco_1, Abschn. 16).
ÖD_2 bewertet die Möglichkeiten des seitens der Open Data-Bewegung proklamierten
Innovationspotenzials von offenen Daten als bescheiden. Den Grund dafür sah er in der
mangelnden Innovationsfähigkeit der Verwaltungen:
„Das die öffentliche Verwaltung eine Dienstleistung für die Gesellschaft darstellt, ist bei
vielen noch gar nicht angekommen, auch wenn es naheliegend ist. Der Gedanke wird sich
auch gar nicht gemacht, dass man sich da draußen bedienen kann. Die sitzen so im eigenen
Saft. Man kann die Hemmnisse abbauen, aber man soll nicht erwarten, dass da ein Feuerwerk
an Innovationen entsteht.“ (ÖD_2, Abschn. 54)
4.2.2 Bürgerbeteiligung im Web auf Basis von OGGeoD
Der Trend im Web ging in den letzten Jahren laut ZIPF zu mehr „neogeographischen
GeoWeb-2.0-Anwendungen mit User-Generated Content und eigenen Schnittstellen und
Formaten (ZIPF u. AUER 2011, S. 1). Das Interesse an Vernetzbarkeit, Nutzung und
Weiterverwendung von Geodaten steigt. Ein weiterer wichtiger Baustein der Open DataPhilosophie ist die Überzeugung, dass offene Daten das Potenzial besitzen, Menschen zu
gemeinsamem Handeln zu befähigen. Es gehe demnach um mehr als eine simple
Veröffentlichung von Daten, sondern auch darum, Daten als Plattform für die Organisation
von gemeinsamen, kreativen Prozessen zum Zwecke der Produktion von neuen Gemeingütern
zu begreifen und dementsprechend darzustellen. Die oft zitierte Weisheit der Vielen kann von
der öffentlichen Verwaltung als Quelle wichtiger Erkenntnisse zur Prüfung der Qualität,
Nutzung und des Bedarfs liefern (SUROWIECKI 2004). Probleme werden im Netz
veröffentlicht, zusammen mit den Aufforderungen, Lösungen zu entwickeln. Der Bürger soll
sich im Web über Vorgänge staatlichen Handels informieren, das Handeln überwachen (z. B.
Bebauungspläne, Schutzgebiete, Verkehrsdaten etc.) und im Idealfall zur Partizipation
befähigt werden. Dies beinhaltet nicht nur eine unverbindliche, beratende Funktion, sondern
die Möglichkeit einer Mitentscheidung und Mitwirkung (OBAMA 2009). Dies wird nach HILL
dann erreicht, wenn Behördeninformationen
„(…) ergänzt, kommentiert oder eben in neuen Zusammenhängen aufbereitet werden, aber
auch dadurch, dass Bürger sich als Teil einer ‚neuen Staatskunst‘ in öffentlichen
Angelegenheiten untereinander austauschen.“ (HILL 2011, S. 59f)
Partizipation ist ein schillernder Begriff, der unterschiedlich verstanden oder gebraucht wird
und nicht selten als Legitimation von politischer Macht missbraucht wird. Laut NOHLEN U.
SCHULTZE können unter Partizipation jene Tätigkeiten subsumiert werden, welche „(…) die
67
Bürger freiwillig mit dem Ziel unternehmen, Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen des
politischen Systems zu beeinflussen.“ (NOHLEN u. SCHULTZE 1985, S. 682). Planungsprozesse,
bei denen Bürgerbeteiligung gesetzlich vorgeschrieben ist, erwecken laut DANGSCHAT U.
HAMEDINGER eher den Eindruck einer Beschwichtigung der Bürger als den Versuch zu deren
politisch wirksamer Beteiligung (DANGSCHAT u. HAMEDINGER 2007, S. 229). Kritische
Meinungen seitens Dritter werden angehört, haben aber hinsichtlich weiterer Entscheidungen
keine Verbindlichkeit. Politiker verstünden Partizipation eher als Form der Mitsprache,
Bürger dagegen oft in der Form der Mitentscheidung, der Bürgerbeteiligungen. Unter EPartizipation versteht KUHN:
„(…) alle freiwilligen Aktivitäten von Privatpersonen mit dem Ziel, Sach- und
Personalentscheidungen auf verschiedenen Ebenen des politischen Systems zu beeinflussen
oder unmittelbar an derartigen Entscheidungen teilzunehmen.“ (KUHN 2006, S. 26)
E-Partizipation oder e-Participation kann als internetgestützte Bürgerbeteiligung verstanden
werden. Zur Vorstufe der E-partizipation zählt auch die politische Information des Bürgers.
Daten und Informationen, die z.B. bei Planungsvorhaben vorenthalten werden können den
Graben zwischen Entscheidern in der Politik und den Bürgern erweitern. Falls keine
Kenntnisse über bestehende Daten vorliegen oder die Schwelle trotz IFG so hoch ist weil
Gebühren verlangt werden oder Ausnahmeregelungen greifen, reduziert sich das Potenzial
von Bürgern zur Verbesserung des Staatshandeln mitzuwirken. Der dadurch entstandene
Wissensvorsprung auf Seiten der Planer kann den Eindruck entstehen lassen, dass fachliches
Wissen einer allgemeinen Öffentlichkeit nur schwer zu vermitteln sei und wichtige Fragen
weiter obrigkeitsstaatlich zu behandeln sind. Ergo kann der Bürger auch nicht in vollem
Umfang an Entscheidungen teilhaben. Diese Trennung von Fachwissen und Laienwissen ist
angesichts zunehmend pluralisierter Meinungsbildung und dem Umstand, dass immer mehr
Menschen Zugang zu validen Informationen haben, kaum haltbar. Partizipative Prozesse, die
unter Ausschluss von Akteuren (der Kreis wird aufgrund nicht veröffentlichter Daten
künstlich auf lokale Akteure eingegrenzt) oder der bewussten Desinformation (beschränkter
Zugang zu Informationen, Geheimhaltungsinteressen) stattfinden, können ihr Potenzial nicht
entwickeln und werden eher als hemmend denn als kreativ und innovativ betrachtet.
Doch besonders die Masse an Menschen mit verschiedenen Wissens- und Kenntnisbereichen
führte in den vergangenen Jahren, parallel zur Wirtschaft, Wissenschaft und Staat, zum
Aufbau mehrerer Projekt im Internet, in denen durch eine Netzwerke von Freiwilligen eine
unkoordiniert Daten und Informationen erhoben und verarbeitet wurden, die qualitativ und
quantitativ beachtlich und damit gesellschaftsrelevant sind. (siehe Abbildung 7).
68
Open Data
Crowdsourcing Data (OSM, Wikipedia, etc.)
Private Data (Google Maps, Teleatlas, Bing etc.)
Public Data
2000
2006
2011
Abbildung 7: Entwicklung von Datenbereitsteller im Web
(Eigene Darstellung, Quelle: Fornefeld, 2011)
GOODCHILD beschreibt das volunteered geographic information als ein Netzwerk mit 6
Milliarden Sensoren, das in der Lage ist, seine Umgebung lokal zu beschreiben und zu
verorten (GOODCHILD 2007, S. 218). Verbindet man diese intelligenten Sensoren mit lokalem
Expertenwissen und Techniken des Web 2.0 40, entstehen kollaborative Projekte wie die freie
Weltkarte OpenStreetMap. Durch die zunehmende Vernetzung und den Gebrauch von
mobilen Location Based Services 41 -fähigen Endgeräten (LBS) haben benutzergenerierte
Daten
eine
weitere
Dimension
erhalten.
Moderne
Informations-
und
Kommunikationstechnologien haben die Transaktionskosten für partizipative Plattformen
stark gesenkt (HILL 2011, S. 60). Nun können breite Bevölkerungsschichten Informationen
mobil nicht nur lesen, sondern auch neue Daten generieren, speichern und weiterverarbeiten.
Dadurch wird der Nutzer eines LBS-fähigen Endgerätes in die Lage versetzt mit
entsprechenden Applikationen räumlich verortete Informationen mit eigenen Inhalten oder
Bewertungen zu anzureichern.
Für Behörden können die vormals genannten Technologien für die Verbesserung der eigenen
Aufgaben eingesetzt werden. Ein modernes Anliegen- und Beschwerdemanagement auf Basis
von Open Government Geo Data kann als Plattform für kollaborative Prozesse zwischen
Verwaltung und Bürger betrachtet werden. Mit einem mobilen Endgerät kann ein Mangel
direkt vor Ort ohne großen technischen Aufwand der Verwaltung gemeldet werden. Die
40
Unter Web 2.0 ist eine Reihe interaktiver, kollaborativer und kommunikativer Elemente des Internets gemeint,
bei denen die Nutzer Inhalte selber generieren, bewerten, verarbeiten und vernetzen.
41
Unter Location Based Services (LBS) sind standortbezogene Dienste zu verstehen, die dem Benutzer selektive
Informationen mittels zeit- und positionsabhängiger Daten zur Verfügung stellen.
69
aktuelle Position wird mittels GPS automatisch ermittelt und Missstände werden der
Verwaltung optional mit Foto und Kommentar versehen übermittelt. Alle Einträge werden
bearbeitet und für die Nutzer sichtbar beantwortet. Durch moderne Informations- und
Kommunikationstechnologien
kann
das
Wissen
von
vielen
Einwohnern
für
Verwaltungsaufgaben benutzt werden. Feedbacklösungen zu freien amtlichen Geodaten
bieten der Politik die Chancen, neue Personengruppen zu erreichen, die ihr politisches
Handeln vor allem im Web vollziehen und mit klassischen Bürgerbeteiligungsverfahren nicht
zu erreichen sind. Vorzuziehen sind laut ÖD_1 wechselseitige Feedbacklösungen; diese geben
auf einen Eintrag eines Bürgers, z. B. zu einem Mangel im Stadtbild, eine Rückkopplung zu
diesem Eintrag. Ein solches Verfahren erhöht die Anreize da ein einseitiges Feedbacksystem
lediglich zur politischen Imagebildung taugen würde, dazu ÖD_1:
„Das Problem war, dass das ganz eine Farce war, weil die Karten beim Druck schon 6 Jahre
alt waren. Da muss was passieren, wie OpenStreetMap, dass die Informationen die in der
Datenbank vorliegen, auch topaktuell in die Informationsgrafik überführt werden können.
Solange das nicht der Fall ist, ist das schwierig, das sind ja alte Karten und da sollen die
Leute melden, da hat sich was geändert. Interessiert ja auch keinen. Man sieht auch gar nicht,
ob da was getan wurde, es gibt keine Rückkoppler. Das ist bei OpenStreetMap ganz anders.“
(ÖD_1, Abschn. 32)
Dies kann die Akzeptanz und das Vertrauen steigern und erhöht die Legitimation der
Entscheider in der Politik. Das Portal Maerker 42 des Landes Brandenburg stellt Bürgern einen
Dienst zur Verfügung, mit dem Missstände und Probleme im öffentlichen Raum gemdeldet
und der Status der Mitteilung verfolgt werden kann. Ein ähnliches Projekt ist in England unter
FixMyStreet 43 bekannt und wird von vielen Bürgern genutzt.
Ein weiteres erfolgreiches Beispiel für solche Feedbacklösungen ist das Beschwerdeportal
Unortkataster aus Köln. Das Projekt stellt Bürgern ein Instrument zur Verfügung, mit dem sie
Mängel im Stadtbild markieren, beschreiben und bewerten können.
44
Als Kartengrundlage
wird die Google Maps-API verwendet. Die Dienste werden allerdings nur für private Zwecke
zugelassen. Die Nutzungsrechte an den eingestellten Daten des Nutzers werden an den
Besitzer der Plattform übertragen. Dieses Beispiel zeigt, dass Crowd-Sourcing Technologies 45
und User Genererated Content erfolgreiche Modelle zur Generierung von Inhalten sein
können und die Erfüllung staatlicher Aufgaben effizienter gestalten können. Sie ersetzen nicht
42
Maerker: http://maerker.brandenburg.de
FixMyStreet: http://www.fixmystreet.com
44
Unortkataster: http://unortkataster.de/
45
„Crowdsourcing ist eine interaktive Form der Leistungserbringung, die kollaborativ oder
wettbewerbsorientiert organisiert ist und eine große Anzahl extrinsisch oder intrinsisch motivierter Akteure
unterschiedlichen Wissensstands unter Verwendung moderner IuK-Systeme auf Basis des Web 2.0 einbezieht.“
(MARTIN 2008, S. 6)
43
70
hoheitliche Aufgaben, sondern tragen symbiotisch zu deren Verbesserung bei. Die
Nachhaltigkeit solcher Projekte ist aber besonders dann fraglich, wenn i. die Rohdaten der
beteiligten Akteure nicht eingesehen werden können, ii. proprietäre Daten und Systeme
verwendet werden, iii. deren Nutzung nur privat zulässig und iv. deren Weiternutzung
ausgeschlossen ist. Software oder Webseiten veralten schnell, technologieneutrale (Roh-)
Daten hingegen können weiter genutzt oder archiviert werden. Technologieneutral bedeutet,
dass keine Sackgassentechnik verwendet wird, sodass Datenbestände auch nachhaltig nutzbar
und unabhängig von Herstellern bereitgestellt werden. Der Staat kann nachhaltiger als die
Wirtschaft zum nachhaltigen Bestand von Daten zum Nutze aller beitragen, da er zur
Archivierung bestimmter Datenbestände gesetzlich verpflichtet ist (vgl. § 1 BarchG). In
diesem Zusammenhang ist auch die Aussage von Eco_3 zu verstehen:
„Die Software ist irrelevant, was zählt, sind die Daten.“( Eco_3, Abschn. 6)
Einen wichtigen Beitrag im Open Government-Ansatz bieten die Erhebung und Verarbeitung
von Daten durch den Bürger, die von HILGERS und IHL als Citizen-Sourcing bezeichnete wird
(HILGERS u. IHL 2010). Die Bürger werden zukünftig nicht mehr nur als Empfänger von
Information
betrachtet,
sondern
nehmen
zunehmend
eine
aktive
Rolle
in
Gestaltungsprozessen ein, indem sie Daten erheben, weiterverarbeiten, bewerten und
weitergeben. Dies wird unter dem Begriff der E-Kollaboration oder eCollaboration
verstanden.
Die Privatwirtschaft hat unter dem Begriff Open Innovation erkannt, dass gute Ideen und
Fachwissen nicht in zentralen Behörden, sondern in der Gesellschaft verteilt sind. Ein
Rückgriff auf externe Wissensquellen findet in der Privatwirtschaft seit längerem statt.
Unternehmen öffnen ihre Wissensbestände, um von externen, innovativen Impulsen und
komplementärem Wissen bereichert Zeit und Kosten zu sparen. Kunden werden in Teile der
Prozesskette eingebunden und können an Produktverbesserungen teilnehmen oder gar die
Produktgestaltung übernehmen. Nutzer werden innovativ, wenn extrinsische Motive (z.B.
materielle Anreize), sowie intrinsische Motive (z.B. Aussicht auf die Nutzung der Inhalte)
bestehen. Die aufgewendete Zeit muss durch den erwarteten Nutzen ausgeglichen werden
(FABER 2008, S. 61-62).
Weiterhin wurde erkannt, dass externe Lösungen außer in quantitativer auch in qualitativer
Hinsicht eine Bereicherung für Prozesse darstellen (HILGERS u. IHL 2010, S. 70). Die
Anforderungen an den öffentlichen Sektor und die Bereitstellung von Gemeingütern
unterscheiden sich jedoch von der Privatwirtschaft. Es wird nicht ein Produkt, sondern eine
71
große Zahl von unterschiedlichen Dienstleistungen erwartet. Die Wünsche und Bedürfnisse
des Bürgers sind weitaus heterogener. Zusätzlich steht entgegen den privatwirtschaftlich
agierenden Akteuren das Gemeinwohl im Mittelpunkt der öffentlichen Verwaltungen.
Besonders der regelmäßige Kontakt zum Bürger und die andauernde Diskussion um die
Effizienz von Verwaltungshandeln machen den Open Innovation-Ansatz für öffentliche
Verwaltungen attraktiv. Grundlage von Open Innovation-Prozessen sind Daten und
Informationen, die es zu teilen gilt. Die Integration von Bürgerwissen in den
Innovationsprozess erfordert eine Interaktionskompetenz der beteiligten Akteure (FABER
2008, S. 70). Dies ist technisch durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien
zu leisten. Die Einbeziehung externer Ressourcen ist auch in Verwaltungen kein neuer
Vorgang und wird seit Jahren betrieben. Der Unterschied besteht aber darin, dass Transparenz
und Einbindung der Bürger per se stattfinden soll. ÖD_2 dazu:
„Es geht da nicht um Daten, sondern um Ergänzung. Also wenn praktisch über Emission einer
in der Nachbarschaft in einer Form eine behördliche Präsentation macht und sich eine Schule
im Rahmen eines Projektes dieses Gebiets vornimmt und genauer nachkartiert oder eine
eigene Initiative bildet, um dort auch entsprechende Informationen praktisch hinzuzufügen,
dass die eine Möglichkeit bekommen, solche Projekte quasi anzubieten. Dass muss dann zwar
qualitätsgesichert sein, das heißt, die Behörde muss gucken welche Ziele, werden mit dem
Projekt verfolgt (…).“ (ÖD_2, Abschn. 4)
Umfangreiche Qualitätsprüfungen, die sehr zeit-und kostenintensiv sind, können durch
externe Quellen betrieben werden. Dies werde künftig auch eine Rolle für die Datenqualität 46
der amtlichen Geodaten spiele (ÖD_5, Abschn. 18ff.). ÖD_5 vertrat die Auffassung, dass die
Qualität der Daten vom Nutzer am besten bewertet werden könne, da es immer auf den
Anwendungszweck ankomme, ob Daten eine gute oder schlechte Qualität aufwiesen.
Demnach ist der Zugang zu Daten wichtiger als eine wie auch immer als unzureichend
bewertete Qualität. Als Schlussfolgerung sollten, u. U. mit entsprechender Kommentierung
versehen, besonders die staatlichen Geodatenbestände geöffnet werden, deren Qualität durch
Crowd-Sourcing Technologies verbessert werden könnte. Um solche Innovationsspielräume
zu öffnen, sollen Basis- und Grunddaten frei zur Verwendung bereitgestellt werden (HÖCHTL
et al. 2011, S. 18). Dass die Kompetenz auch oder besonders außerhalb der Fachbehörden
liegt, verdeutlichen folgende Aussagen von Eco_1:
„Da wird so ein Expertentum hochgehalten, wo man aber doch eingestehen muss, dass so ein
Expertentum auch unter den Laien bestehen kann. Manchmal ist es sogar größer, also mehr
Wissen vorhanden als bei den vermeintlichen Experten.“ ( Eco_1, Abschn. 50)
46
Datenqualität ist eine komplexe Maßnahme von Daten aus verschiedenen Eigenschaften oder Dimensionen.
Sie umfasst die Vollständigkeit, Genauigkeit, Glaubwürdigkeit, Aktualität, Übereinstimmung und Integrität von
Daten.
72
„Das heißt, je mehr ich Daten in Benutzung gebe, desto mehr Feedback bekomme ich auch
und desto mehr kann ich auch im Bereich der Qualitätssicherung die Daten verbessern.“
(ebd.)
Ein solches Feedback als Maßnahme zur Qualitätssicherung sei eigentlich gar nicht bezahlbar.
Ein weiterer Experte sah eine Bereitstellung der Daten mit Feedbacklösungen ebenfalls als
Instrument der Qualitätssicherung durch die Nutzer (ÖD_1, Abschn. 32). Die Qualität ist so
definiert, dass, wenn es dort fehlerhafte Daten gibt, des transparent gemacht werden soll, um
Druck aufzubauen, die Qualität zu verbessern.
4.3 Spannungsfeld III - Refinanzierung versus Kommerzielle
Weiterverwendung
Das dritte Spannungsfeld besteht in der Frage kommerzielle Weiterverwendung von OGGeoD
und den daraus resultierenden Fragen der Refinanzierung bzw. des Geschäftsmodells. Hier
soll speziell der Frage nach den Nutzungsbedingungen für OGGeoD nachgegangen werden
und Hindernisse und Chancen zur Schaffung einer gemeinfreien Geodatenallmende betrachtet
werden.
4.3.1 Staatliche Geodaten auf dem Markt
Die Forderung, staatliche Geodaten kostenfrei zur Verfügung zu stellen, ist in Deutschland
von wirtschaftlicher Seite schon weit vor der Open Data-Bewegung geäußert worden (GREVE
u. NAUJOKAT 2003). Der Geobusiness-Markt hat seinen Umsatz von 1 Mrd. Euro im Jahre
2000 auf 1,7 Mrd. im Jahre 2009 ausbauen können. (siehe Abbildung 8) Durch die
Hochpreispolitik und Restriktionen u.a. der Vermessungsverwaltungen haben sich in
Deutschland im Gegensatz zu anderen Staaten, wie den USA und Australien, keine ähnlich
starken Industrien um die freigegebenen Geodaten entwickeln können.
73
2000
2009
Planungs- und
DokumentationsSysteme
561 Mio. €
Geomarketing
200 Mio. €
Planungs- und
DokumentationsSysteme
450 Mio. €
Geomarketing
323 Mio. €
Navigation
350 Mio. €
Navigation
816 Mio. €
Total 1,0 Mrd €
Total 1,7 Mrd €
Abbildung 8: Entwicklung des Geobusiness-Marktes in Deutschland
(Eigene Darstellung, Quelle: FORNEFELD et al. 2010)
Besonders bei der Frage nach einer Freigabe staatlicher Geodaten gibt es gegenwärtig die
größten Bedenken und Widerstände der Vermessungsämter (siehe Kapitel 4.3.2). Nicht
zuletzt festigte die vielzitierte MICUS-Studie das Bild einer potenten Geldquelle für die
Landesvermessungsverwaltungen und andere Behörden. Lizenz- und Vergütungsmodelle sind
seit Jahren ein Dauerthema in der Geoinformationsbranche (FORNEFELD et al. 2004, S. 6).
FORNEFELD et al. stellt in der MICUS-Studie 2009 fest, dass Weiterverwender von Geodaten
häufig über die restriktiven Lizenzbedingungen und hohen Preise klagen. Besonders für
kleine oder finanzschwache Unternehmen im Softwarebereich bedeuten Geodaten aus
staatlichen
Stellen
ein
finanziell
unüberwindbares
Hindernis.
Deren
mögliches
Innovationspotenzial wird durch eine Hochpreispolitik seitens der Landesvermessungsämter
gehemmt, da Software ohne entsprechend bezahlbare oder einfach zugängliche Daten nahezu
unbrauchbar ist. Häufig scheiterten GIS-Projekte an der Anschaffung teurer Geodaten (ÖD_5,
Abschn. 2 u. Eco_1, Abschn. 20).
Eines der größten Probleme sind fehlende durchgängige Produktions- und Vertriebsstrukturen
auf Regierungsebene des Bundes, der Länder und der Kommunen. Die Folge sind
uneinheitliche
Datenbestände
mit
unterschiedlichen
Preismodellen
und
Nutzungsbedingungen. Überregionaler Informationsbedarf seitens bestimmter Kunden könne
aufgrund dieser Fragmentierung nur unter erschwerten Bedingungen gedeckt werden.
74
Die Schwierigkeiten können nach FORNEFELD et al. (2009) wie folgt zusammengefasst
werden:
•
•
Der Zugang zu den Daten ist nur einem autorisierten Benutzerkreis zugänglich.
•
oder sie sind schreibgeschützt.
•
meisten Nutzern nicht zur Verfügung steht.
Die Daten sind nicht in offenen oder maschinell auswertbaren Formaten abgespeichert
Die weitere Verarbeitung der Daten setzt eine technische Ausstattung voraus, die den
Die Vielfalt der unterschiedlichen Lizenzmodelle der Behörden in den 16 Ländern und
den 12.400 Kommunen macht eine anbieterübergreifende Nutzung der bestehenden
•
Geodaten (wirtschaftlich) praktisch unmöglich. Die Kostenmodelle sind intransparent.
•
Die Datenschutzbedingungen sind länderweit unterschiedlich.
•
Das Angebot der Datenanbieter ist länderspezifisch unterschiedlich.
Es bestehen Schwierigkeiten die entsprechenden Daten zu finden.
Großes Interesse besteht seitens der öffentlichen Verwaltungen und der Wirtschaft
Geobasisdaten länderübergreifend zu nutzen. Dies soll durch die Umsetzung der INSPIRERichtlinie ermöglicht werden. Zwar sind viele Geoportale online und für den privaten
Gebrauch freigegeben, die kommerzielle Nutzung von öffentlicher Geoinformation unterliegt
in Deutschland dagegen sehr restriktiven Nutzungsbedingungen.
Landsberg sieht das innovative Potenzial von öffentlichen Daten nur zu einem kleinen Teil
ausgeschöpft (LANDSBERG 2004, S. 135). Nach seiner Ansicht liegen Wachstums- und
Entwicklungschancen besonders in neuen und oder unbekannten Feldern. Schwierig scheint
demnach das Potenzial monetär zu berechnen, das von freien Geodaten ausgeht. In der Form
des Return-of-Investment kann ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn von Innovationen nicht
abgebildet werden. Der gesamtgesellschaftliche Nutzen, der aus innovativen Produkten
entstehe, die Einnahmen der datenverkaufenden Behörden. Studien aus den USA haben
gezeigt, dass dort, wo Daten in kostenlosem Umfang genutzt werden dürfen, neue Märkte und
Geschäftsmodelle entstehen. Die Vernetzung von Datenbeständen kann Interpretationen von
Dritten erlauben, die durch die Behörden bislang nicht vorgenommen wurden.
Werden
Daten zu Wissen verdichtet, so steigt ihr Wert für eine Gesellschaft (SCHELLONG u.
STEPANETS 2011).
75
4.3.2 Refinanzierung von datenhaltenden Stellen
Innovationen können zum monetären Gewinn Einzelner führen und in Form von Steuern zum
gesellschaftlichen Nutzen beitragen, so das Hauptargument von Open Data-Befürwortern.
Eine Refinanzierung der datenhaltenden Stellen würde laut ÖD_4 durch steigende
Steuereinnahmen auf der volkswirtschaftlichen Ebene gedeckt:
„(…)weil dies im Sinne eines volkswirtschaftlichen Ansatzes nur vernünftig und sinnvoll wäre.
Volkswirtschaftlich meint dabei, dass Wertschöpfung aus staatlichen Informationen bei den
Unternehmen erzielt wird und der Allgemeinheit über Umsatzsteuer und Arbeitsplätze wieder
zugeführt wird. Einnahmen der öffentlichen Hand in Form von Gebühren oder Entgelten für
Daten sind im Vergleich dazu vernachlässigbar. Hohe Kosten für Daten, die ja ohnehin alle
bereits mit Steuergeldern bezahlt worden sind, führen in der Wirtschaft zur Hemmung von
Aktivitäten. Insgesamt ist der Ansatz, für staatliche Leistungen noch einmal Geld zu
verlangen, aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß.“ (ÖD_4, Abschn. 12)
Dieses sah ein ÖD_2 anders:
„Das endet spätestens dann, wenn ein US-amerikanisches Unternehmen mit Steuergeldern
bezahlten Geodaten sein Vermögen im Ausland macht. Im Netz greifen diese klassische
Modelle nicht.“ (ÖD_2, Abschn. 22)
Der Zugang zu raumbezogenen Informationen kommt aus Open Data-Sicht aber lokalen
Entscheidern stärker zugute. Die Annahme dass ein datenveredelndes Unternehmen keinen
Sitz in Deutschland habe und die Daten gebrauche 47 wiederspricht dem zum einen dem
Duktus des WorldWideWeb als inklusive und ortsunabhängige Informationsstruktur, und zum
anderen sind Geoinformationen Grundlage für Entscheiderwissen das lokal eingesetzt wird.
Demzufolge ist OGGeoD aus Open Data Sicht als Datenallmende ohne Ausschlussprinzipien
zu betrachten. Geoinformationen kommen wie bereits in Kapitel 4.3.1 erläutert, besonders der
lokalen Wirtschaft zugute und somit auch den Steuerzahlern.
Die Produktion und Aktualisierung von z.B. Geobasisdaten, ist aufwendig und benötigt große
finanzielle und personelle Ressourcen. Der in Kapitel 4.2.1 beschriebene Personalabbau im
öffentlichen Sektor soll helfen Ausgaben zu senken. Die Konsequenz dieser Direktive sei, laut
einem Befragten des ÖD_2, dass z. B. die Vermessungsverwaltungen versuchen, sich über
den Erlös von angebotenen Dienstleistung zu refinanzieren, um die Abhängigkeit von
staatlichen Mitteln zu reduzieren (vgl. § 7 LHO NRW, Abs. 1).
Aus der Sicht der Vermessungsverwaltungen käme eine Öffnung der Daten nach Open DataKriterien einem kompletten Bruch des bisherigen Geschäftsmodells gleich (Wis_2, Abschn. 9
47
Aus diesem Zusammenhang heraus kann der Begriff des Gebrauchs irreführend sein. Er leitet sich ab aus dem
Verbrauch eines Gutes. Nach KUHLEN (2004) kann eine digitale Information nicht verbraucht werden.
76
u. ÖD_5, Abschn. 6). Eco_1 bezweifelte diesen Bruch, da das Geschäftsmodell ohnehin nicht
funktioniere:
„Ne, ich glaube nicht, das würde zu Recht verschwinden. Ein Wolkenkuckucksheim würde
verschwinden. Es ist ja sowieso nur heiße Luft. Dann wäre das entlarvt. Das ist Quatsch mit
dem Geschäftsmodell. Es wird ja eh kein Geld eingenommen." (Eco_1, Abschn. 56)
Die Nebeneffekte, die durch die Öffnung von freien Geodaten einstünden, würden nicht
berücksichtigt, da die erhofften gesamtgesellschaftlichen oder gesamtwirtschaftlichen
Gewinne auf einer höheren Ebene anfallen würden und nicht direkt in den Haushalt der
datenbereitstellenden öffentlichen Verwaltung zurückfließen. Die erhofften Effekte eines
Wachstumsschubs der Wirtschaft würde nicht den datenhaltenden Stellen zugutekommen,
sondern in erster Linie dem Finanzministerium auf Bundesebene. M_1 fragte in dem
Zusammenhang, ob das Innovations-Argument (siehe Kapitel 2.1.4) aus Open Data-Sicht
zielführend sei:
„Das ist Unsinn. Damit werden Sie niemanden überzeugen können, Geodaten freizugeben.
Weil der volkswirtschaftliche Gewinn auf einer ganz anderen Ebene stattfindet als die Kosten.
Also, der volkswirtschaftliche Gewinn geht erstmal an den Bund, dann an die Länder und
Kommunen." (M_1, Abschn. 36)
Es bestehe in den Verwaltungen keine Notwendigkeit einer Änderung, da die bisherigen
Geschäftsmodelle Erlöse erzielten und Veränderungen nicht erwünscht seien. Der Ertrag aus
dem Verkauf von Geodaten wird deutschlandweit als verhältnismäßig gering eingestuft im
Vergleich zu den anfallenden Ausgaben. Mehrere Befragte(Eco_3, Abschn. 54 u. ÖD_1,
Abschn.
16)
relativierten
einen
möglichen
finanziellen
Verlust
der
Vermessungsverwaltungen:
„Vor allem kommt auch, wenn man die Refinanzierung beachtet, nicht viel bei rum. Das ist
Realität, die Einnahmen sind sehr gering. Das, was die Vermessungsverwaltungen
hauptsächlich immer wieder bringen als Argument, ist, dass sie die Einnahmen nutzen, um
ihre Sachmittel gegenzufinanzieren, das ist so die Hauptargumentation, wenn wir jetzt keine
Einnahmen mehr haben, da sagt das Finanzministerium: wir kriegen keine neuen Rechner.“
(ÖD_1, Abschn. 16)
Als weiteres mögliches Hindernis auf dem Weg zu OGGeoD wurde Wis_1 das
Äquivalenzprinzip genannt. Das Äquivalenzprinzip ist die Sicht des Staates auf die
Inanspruchnahme von vorhandenem Material. Es besagt, dass die Leistung des Staates mit der
Gegenleistung des Bürgers übereinstimmen soll. Derjenige, der von einer Leistung besonders
profitiert, hat dem Umfang dieses Vorteils entsprechende Abgaben zur Finanzierung dieser
Leistung zu leisten. Nach dem Äquivalenzprinzip hängt die Gebühr für die erhobenen Daten
von dem zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen ab. Marktwirtschaftliche Prinzipien werden
damit auf staatliche Leistungen angewendet (Wis_1, Abschn. 4). Ist der erwartete finanzielle
77
Nutzen eines Datenbestandes groß steigen die zu entrichtenden Gebühren. Dies kann sich als
entwicklungshemmend besonders für finanzschwache Unternehmen oder für Projekte
auswirken deren Return-on-Investment gering oder unklar ist. Für Innovationen stellt das
Äquivalenzprinzip in dieser Form der Gebührenabgabe für Daten somit ein Hindernis dar. Die
Gleichheit von Leistung und Gegenleistung gewährleisten nach Open Data-Philosophie die
Steuereinnahmen, die durch ein wirtschaftliches Wachstum aufgrund der freien Daten
entständen. ÖD_1 wies darauf hin dass der finanzielle Aufwand zur Datenpflege höher sei als
der damit erwirtschaftete Ertrag (ÖD_1, Abschn. 16).
„Die Sachen werden ja auch schon in vielfältiger Hinsicht rausgegeben, an Institutionen wie
TomTom oder Navtech, natürlich zu einem gewissen Entgelt, muss man sagen. Aber zu einem
geringen Teil im Gegensatz zu den Herstellungskosten. Aber da kommt der Staat diesen
entgegen.“ (ÖD_1, Abschn. 14)
Die Praxis öffentlicher Verwaltungen, durch Steuergelder finanzierte Geodaten zwar an
Unternehmen zu verkaufen, diese Daten aber nicht dem Steuerzahler bereitzustellen wurde
von mehreren Befragten kritisiert.
Der An- und Verkauf von Geodaten im Government-2-Government-Bereich wurde von
mehreren Befragten scharf kritisiert. Geodaten werden zwischen den öffentlichen
Verwaltungen teilweise gegen Gebühren bereitgestellt. Volkswirtschaftlich betrachtet fallen
damit zusätzliche Kosten an, um die Abwicklungen dieser Transaktionen zu leisten. Kommen
rechtliche
Prüfungen
aufgrund
ungenauer
Gesetzeslage
oder
komplizierter
Nutzungsbedingungen der Geodaten hinzu, erhöhen sich diese Kosten. Der innerbehördliche
Vertrieb von Daten ist ein Mehraufwand, den der Steuerzahler zu tragen hat. Dazu äußert sich
ÖD_2 kritisch:
„Das ist volkswirtschaftlicher Unsinn, das ist in der Tat so, weil für den jeweiligen Haushalt
ist das rechte Tasche linke Tasche, und es schmälert das Budget des einen zugunsten eines
anderen und am Ende fehlen im operativen Bereich finanzielle Mittel, die sich aber faktisch
nicht mehren. Das könnte man echt bleiben lassen. Man müsste zu anderen Modellen der
Einkommensübertragung kommen, die volkswirtschaftlich zu geringeren Wohlfahrtsverlusten
führen. Man braucht ein anderes Modell, in dem man keine Reibungsverluste durch
zusätzlichen Verwaltungsaufwand hat. (…) In der volkswirtschaftlichen Betrachtung nennt
man solche Schlupflöcher bei der Effizienz bei der Übertragung Gesamtwohlfahrtsverluste.“
(ÖD_2, Abschn. 32)
Erhebliche Zweifel an der Effizienz dieser Praktik, die durch OGGeoD obsolet würde,
bestehen nach Meinung von Eco_1:
„Wenn man aber erlebt, was da so passiert, dann ist das dann ja furchtbar .. da entwickelt
sich ein Overhead, der wahrscheinlich mehr Kosten produziert, als dass der sozusagen unterm
Strich was bringt. (…) Nach allem, was ich erlebt hab’, ist das ineffizient.“ (Eco_1, Abschn.
18)
78
Aus Sicht von ÖD_2 existiere dieser Overhead de facto nicht:
„Ich glaube, dass der Overhead virtuell ist. Auf Seiten der Geodatenanbietern, bis auf ganz
wenige Ausnahmen, wo man ohnehin Geld verdient und der Kunde kommt, wenn man
schlechten Service anbietet: sprich, der braucht die Katasterdaten, ob ihm das gefällt oder
nicht. Die haben überhaupt kein Interesse daran die Daten zu vermarkten, weil in der
Verwaltung .. Gewinne werden abgeführt, das heißt, die verschwinden irgendwo im Haushalt,
das heißt, die Behörden, die was anbieten, haben nichts davon. Dementsprechend sind die
Services teilweise nicht gut und teilweise teuer. Der Overhead existiert aber mangels
Nachfrage nicht.“ (ÖD_2, Abschn. 30)
Bevor positive ökonomische Effekte zum Tragen kommen ist für die Umsetzung von
OGGeoD zunächst mit Investitionskosten auf verschiedenen Ebenen zu rechnen. Diese
können je nach Ausgangslage der Behörde durch Bedarfe an Schulungen, Weiterbildungen
von Angestellten, Marketing und Organisation anfallen. Zusätzlich würden für die Behörden
Einnahmen aus Gebühren wegfallen, wenn auch die kommerzielle Nutzung von Geodaten
durch entsprechende offene Lizenzen ermöglicht würde. Eine technische und organisatorische
Umstellung auf eine konsequente Open Data-Philosophie wäre demnach mit Kosten für die
betroffene Behörde verbunden. Laut ÖD_1, der als technischer Berater fungiert, seien diese
aber gering:
„Minimal, der Aufwand wird immer als teuer verkauft und was auch immer, ich arbeite seit 6
Jahren im Bereich der GDI. Ich unterstütze unendliche viele Verwaltungen in Rheinland-Pfalz
solche Bereitstellungssystem und Datenbanken aufzusetzen. Der Aufwand ist minimal. Der
Aufwand ist absolut minimal. " (ÖD_1, Abschn. 36)
Weitere Hindernisse zur gebührenfreien kommerziellen Abgabe von Geodaten bilden
haushaltsrechtliche Verordnungen wie bspw. der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nach § 7
LHO NRW, nach dem „jegliches Verwaltungshandeln sich nach den Grundsätzen der
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ zu richten hat (vgl. § 7 LHO NRW, VV 1.1.).
Vermögensgegenstände sollen möglichst wirtschaftlich genutzt werden. Eine kommerzielle
Weiterverwendung von Geodaten erfordert nach dem Haushaltsrecht eine Erhebung von
Entgelten. Eine kostenlose Überlassung der Daten ist nur lückenhaft geregelt.
Ein weiteres Argument der öffentlichen Verwaltungen ist, dass Geodaten nicht kostenlos
angeboten werden sollten, da nicht die breite Bevölkerung, sondern nur einige wenige davon
profitierten (Wis_2, Abschn. 13). Wis_2 stellt dieses Argument angesichts von
OpenStreetMap in Frage:
„Wenn die OpenStreetMaps so hochwertig sind, das sind sie derzeit noch nicht, und dadurch
attraktiv genug zu wechseln, verändern sich hier eben auch Geschäftsmodelle, die
Begründung, sag’ ich, ist, dass wir mit der Bereitstellung mit Geodaten einige wenige
beglücken, die in der Lage sind diese Geodaten zu nutzen, sondern in Zeiten von Open Data
stellen wir die Geodaten offen der gesamten Bevölkerung zur Verfügung. Und damit zählt das
79
Argument nicht mehr, wir würden einige wenige beglücken. Sondern wir beglücken jetzt alle,
dadurch dass wir kollektive Angebote haben, die alle kollektiv nutzen können.“ (Wis_2,
Abschn. 17)
Auch Wis_1 verweist auf die Kollaborationsmöglichkeiten von offenen Daten und den damit
einhergehenden gesamtgesellschaftlichen Effekten:
„Mittel, die ihr zur Verfügung stellt, davon profitiert ja nicht die Bevölkerung insgesamt,
sondern nur einige wenige. Nämlich die direkten Nutzer. Warum sollen die bevorzugt werden
gegenüber einem Steuerpflichtigen? Das, was man im Prinzip haben will, geht in Richtung…
Und damit zählt das Argument nicht mehr, wir würden einige wenige beglücken. Sondern wir
beglücken jetzt alle, dadurch dass wir kollektive Angebote haben, die alle kollektiv nutzen
können." (Wis_1, Abschn. 4)
Weiterhin wichtig sei nach Wis_1 (ebd.), ob der Staat alle Geodaten überhaupt kostenlos zur
Verfügung stellen dürfe. Wettbewerbsrechtliche Fragen stellten sich nach seiner Auffassung,
wenn der Staat in Konkurrenz zur Privatwirtschaft seine Daten kostenlos auf den Markt
abgebe. Nach diesem Recht sei es zweifelhaft, ob der Staat seine Ressourcen öffnen dürfe.
Andererseits sei in Deutschland der Staat der größte Erheber von Geodaten und die
Konkurrenz auf dem Markt sei marginal. Daher würde eine Öffnung von staatlichen
Geodatenbeständen nicht zwangsläufig zu einer Erosion auf dem Geodatenmarkt führen. Bei
einer einmaligen kostenfreie Abgabe von Geodaten, wie es beim Landesbetrieb Straßenbau
NRW mit der Abgabe an das Projekt OpenStreetMap im Jahre 2008 geschehen ist, kämen laut
Wis_1 noch weitere mögliche Konsequenzen zum Tragen:
„Der Gleichstellungsgrundsatz wäre verletzt. Das heißt, in Zukunft hätten Firmen wie
Teleatlas einen Anspruch genauso behandelt zu werden wie die von OpenStreetMap, die
Daten umsonst bekommen haben. Auch das ist ein Aspekt - Gleichbehandlung, wenn man die
Daten freigibt - dann für alle." (Wis_1, Abschn. 6)
Die Überführung von amtlichen Daten in Projekten wie OpenStreetMap hat weitere
Nachteile. Die Migration der Daten in ein fremdes System ist aufwendig, fehleranfällig und
veraltet.
Ein Preismodell, das sich nach den Grenzkosten richtet, ist nach Open Data-Kriterien
zulässig, aber im Hinblick auf digitale Daten tendieren diese Kosten gegen Null. 48 M_2
schlägt als mögliches Modell zur Refinanzierung datenbereitstellender Behörden ein AffiliateSystem. Dieses Modell basiert auf einer erfolgsorientierten Vergütung zwischen
Geschäftspartnern.
Ähnlich
einer
Vermittlungsprovision
werden
zwischen
dem
Datenbereitsteller und dem Werber Prämien für eine erfolgreiche Weiterleitung auf das
Angebot gezahlt. Gebühren würden nur bei Gewinn erhoben (M_2 Abschn. 34). In
48
Grenzkosten sind Kosten, die eine zusätzlich abgesetzte Einheit verursacht. Im Fall von digitalen Gütern
tendieren sie gegen null.
80
Abhängigkeit der Nutzung eines Unternehmens, die sich anhand des Datenvolumens oder
dem Zugriff auf Daten ergibt, ist auch Freemium-Modell denkbar. Dies bedeute dass der
private Nutzer (i.d.R. geringe Datenmenge - niedrige Zugriffszahlen) einen kostenfreien
Zugang erhält und der performance- und volumenstarke Datenverkehr mit hohen
Zugriffszahlen der von Unternehmen anfällt kostenpflichtige Accounts benötigt.
4.3.3 Nutzungsrechte von OGGeoD
Ein Problem in der Praxis der Informationsverarbeitung ist die Grenzziehung zwischen der
kommerziellen und privaten Nutzung. Auch eine klare Trennung von staatlicher
Dienstleistung und privatwirtschaftlichem Handeln wird zunehmend schwieriger. Die Open
Data-Philosophie macht hingegen keinen Unterschied zwischen kommerzieller und privater
Nutzung von Daten (DIETRICH 2010).
Alle Befragten stimmten prinzipiell einer Öffnung von Geodatenbeständen des öffentlichen
Sektors zu. Entscheidende Unterschiede unter den Befragten ergaben sich bei der Frage der
kommerziellen
Nachnutzung.
ÖD_5
stimmte
einer
gebührenfreien,
kommerziellen
Weiterverwendung unter der Bedingung der Kenntlichmachung der Quelle zu (ÖD_5,
Abschn. 12). Allerdings forderte er Veränderungen gegenüber dem Originaldatensatz bei
einer Weitergabe der Daten kenntlich zu machen. Weitere Befragte verwiesen auf die 10
Prinzipien zu Open Government Data, die unter Punkt 8 gemeinfreie Daten fordern (M_1,
Abschn. 8, M_2 Abschn. 16, ÖD_2, Abschn. 10 und Eco_3 Abschn. 10). ÖD_1 sähe Open
Government Data dann realisiert, wenn Geodaten veröffentlicht und visualisiert für den
privaten Gebrauch zur Verfügung stünden (ÖD_1, Abschn. 4). Zwei weitere Befragte stellten
vor allem transparente, einfache, einheitliche und praktikable Lizenzen in den Vordergrund
(ÖD_5, Abschn. 36). Laut ÖD_4 sollten staatliche Geodatenbestände mitunter eine Open
Data-Lizenz enthalten (vgl. ÖD_4, Abschn. 28). Weitere Restriktionen für den kommerziellen
Gebrauch könnten sinnvoll sein und seien deshalb nicht definitorisch auszuschließen (ebd.).
Ganz nach der Free-Software-Lizenz richtet ein Eco_1 seine Definition von Open
Government Geo Data:
„Man kann sie zu beliebigen Zwecken verwenden, man kann sie beliebig oft einsetzen, man
kann sie verändern und verbessern für seine Zwecke, man kann sie weitergeben. Man kann
herausfinden, wie sie funktionieren. Das ist alles das, was die Freie Software License auch
sagt." (Eco_1, Abschn. 6)
81
Virale Lizenzen, wie das CC-BY-SA, wurden von Eco_2 als hemmend für eine kommerzielle
Weiternutzung eingestuft:
„Was ich nicht so gut finde, sind die gerade im Umlauf befindlichen CY-CC-SA-Lizenzen bzw.
Lizenzverfahren. Das ist Quatsch. Weiß ich nicht, das ist so fehlinterpretiertes Gehampel. (…)
Da kann ich es nicht nutzen. Das würde ja dazu führen, dass es keiner mehr macht. Man
spricht dann von einer Infizierung. Das gibt’s bei Open Source Software ja auch und das ist
für uns ja auch nicht zielführend." (Eco_2, Abschn. 24)
M_2 differenzierte weiter aus und sah in den viralen Lizenzmodellen keine Hindernisse für
die Nutzung (M_2 Abschn. 18). Er könne sich aber solche vorstellen, dass eine Share-AlikeBedingung (Weitergabe nur unter gleichen Bedingungen) in bestimmten Anwendungsfällen
keinen Sinn ergebe. Seiner Empfehlung nach sollte aber das, was als Open Data verarbeitet
wurde, prinzipiell auch als Open Data weitergegeben werden (ebd.). Diesem Gedanken
schloss sich auch Eco_1 an und betonte die Wichtigkeit möglicher Ausnahmeregelungen
(Eco_1, Abschn. 28).
Einen Versuch der einfachen Lizenzierungsform und einer Öffnung in Richtung Open Data
stellt die Task Force-„Geo-Lizenz“ der GIW-Kommission 49 mit der Geo-Lizenz - V1.1 50vor.
Ähnlich der Creative-Commons-Lizenz (siehe Kapitel 2.2.1) bilden drei Bausteine
(kommerzielle Nutzung - Weiterverarbeitung - Nutzung in öffentlichen Netzwerken) in ihren
zwei Ausprägungen (erlaubt - nicht erlaubt) die Grundlage der acht möglichen Lizenzen.
Zusätzliche Regelungen (z. B. zu Datenschutz, Datenqualität etc.) soll außerhalb der Lizenz
über spezifische Attribuierungen des jeweiligen Produktes erfolgen. Die anfallenden
Gebühren richten sich für den kommerziellen Nutzer nach dem kommerziellen Ertrag und
dem Aufwand für die Datengewinnung und die Pflege der Daten. Die unterste Lizenz regelt
den freien Zugang für wissenschaftliche Zwecke und steigt je nach Verwendungszweck und
Art aufsteigend zur obersten der acht Lizenzen an, deren Nutzung eine rein kommerzielle ist.
Entscheidend sei, laut ÖD_2 bei dieser Lizenz jedoch die Vereinheitlichung, Zugangsagilität
und Transparenz der Gebühren:
„(…) wenn ich in dem einen Land den Datensatz X kaufe, dann kann ich mich darauf
verlassen, dass der Länderdatensatz y nicht mehr oder weniger kostet, sondern dass das
abgestimmt ist. Also eine gewisse Planungssicherheit. Damit sind auch die Kosten abgegolten.
Wie man das technisch von der Infrastruktur löst, mit Lizenzierungsserver, und es soll EBusiness-fähig sein… ich soll mich an einem Portal anmelden können und sagen, ich möchte
eine Lizenz erwerben, XY in der Menge, in der Güte für die Nutzung. Wenn ich bezahlt habe,
habe ich unmittelbar Zugriff. E-Business und Lizenzmanagement soll dann praktisch auf
49
Die Kommission für Geoinformationswirtschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
versteht sich als Schaltstelle zwischen Wirtschaft und Verwaltung.
50
GeoLizenz: https://www.geolizenz.org/index/lizenzen.php
82
einem Webservice laufen, der dann überprüft, ob die Daten, die dann genutzt wurden, auch
mit der entsprechenden Lizenz erworben worden sind.“ (ÖD_2, Abschn. 24)
Nach den in Kapitel 4.3.1 aufgeführten Problemen bei der überregionalen Geodatennutzung
stellt dieses Modell eine willkommene Vereinfachung dar. Allerdings erfüllt aus Open DataSicht erfüllt lediglich Lizenz die sogenannte GeoLizenz V1.1 – Ia wichtige Open DataKriterien wie die Erlaubnis zum kommerziellen Nutzen, Weiterverarbeitung und
Weiterverbreiten der Daten.
83
5. Schlussbetrachtung
Die Chancen und Herausforderungen im Bereich von Open Government Geo Data zeigen sich
in drei großen Spannungsfeldern (siehe Abbildung 6). Der Großteil der angesprochenen
Herausforderungen ist stark soziokulturell dominiert. Technische Herausforderungen spielen
dagegen eine eher untergeordnete Rolle.
Spannungsfeld I - Informationsfreiheit versus Datenschutz
Auf der rechtlichen Ebene bestehen Unklarheiten einzelner Rechtslagen im Zusammenhang
mit den Informationsfreiheitsgesetzen und den Datenschutzgesetzen. Diese werden durch die
16 Länder und den Bund mit jeweils eigenen oder fehlenden Gesetzen zu Datenschutz und
Informationsfreiheit noch verschärft und stellen die einfachen Open Data-Strategien vor große
Herausforderungen.
Die zu dieser Strategie erlassenen Gesetzen und Richtlinien können auf drei Wegen erfolgen.
Erstens auf dem Weg einer Vereinheitlichung der bestehenden Gesetze auf Länderebene. Dies
wurde seit Jahren vor allem für den Bereich der geodatenhaltenden Stellen gefordert. Die
Umsetzung einer solchen Vereinheitlichung zu koordinieren erscheint, selbst mit hohem
politischem Druck, sehr kompliziert und zeitaufwändig. Ein anderer Weg wäre laut der
Befragten Anreize für Länder und Kommunen zu schaffen im Rahmen der bestehenden
Gesetze, einen Schritt in Richtung Open Data selbst zu gestalten. Mit Pilot- und
Modellprojekten wie zum Beispiel dem Wettbewerb Apps für Deutschland sollen
Softwareentwickler zur Programmierung von Applikationen anregt werden, die auf Open
Data zugreifen. Die Motivation dieser Wettbewerbe ist es das Potenzial von Daten des
öffentlichen Sektors aufzuzeigen. Öffentliche Stellen sollen ohne politischen Druck motiviert
werden Daten zur Weiterverarbeitung und -verwendung bereitzustellen.
Die Bestimmung der Personenbezogenheit von Geodaten ist komplex, aber möglich und kann
z. B. durch Methoden der Aggregation von Daten oder Anonymisierungsdienste aufgehoben
werden. Hier sollte seitens der Open Data-Initiativen eine Schärfung oder Festlegung des
Begriffes erfolgen. Hier können Forgó’s Definitionen helfen die begriffliche Unschärfe zu
beseitigen. Weiterhin wichtig ist der Aspekt, dass auch Daten mit Personenbezug unter Open
Data-Gesichtspunkten interessant sein können, ohne dass es dazu einer Einschränkung der
Persönlichkeitsrechte kommen muss. Die Frage nach möglichen Stigmatisierungen oder
Einschränkungen der informationellen Selbstbestimmung wird, unter Abwägung des
gesamtgesellschaftlichen Nutzens, von den Interviewpartnern als Kehrseite von Open
84
Government betrachtet. Die Frage, inwieweit personenbezogene Geodaten als Open Data
veröffentlicht werden, sollte nicht nur als rechtliche Frage verstanden werden. Neue
technische Möglichkeiten bergen Chancen und Risiken für eine Gesellschaft, die es
abzuwägen gilt. Das Konstrukt der Privatsphäre kann gesellschaftlich u. U. neu betrachtet
werden. Dies kann in Hinblick auf Open Data zu einem offeneren Umgang mit
personenbezogenen Daten führen oder aber zu einer höheren Sensibilität und damit zu
restriktiveren
datenschutzrechtlichen
Maßnahmen
führen.
Dieser
Diskurs
ist
gesamtgesellschaftlich zu führen und sollte nicht obrigkeitsstaatlich oktroyiert werden.
Auch der Prozess der Transparenz sollte im Sinne der Open Data Philosophie mehrere
gesellschaftliche Ebenen miteinbeziehen. Jede Instanz ist in einem Stadium der Prozesskette
eingebettet und trägt nach Vorleistung der Vorherigen zur Transparenz staatlichen Handelns
bei. Dieser Prozess kann idealtypisch als Kreislauf bezeichnet werden (siehe Abbildung 8).
Die Bedeutung der OGGeoD setzt anfangs bei den Behörden an. Von dort aus werden die
Daten aufbereitet, interpretiert, veredelt, kommentiert, kontextualisiert und bilden die
Grundlage für Entscheidungen der nächsten Instanz.
Gesetzgeber
Gesetze
erlassen
Behörden
Gesetzesentwürfe Behörden
erarbeiten
und externe
Experten
Daten
organisieren
Lösungen
erarbeiten
Organisierte
Zivilgesellschaft
TRANSPARENZKREISLAUF
Softwareentwickler
Daten
zugänglich
machen
Grafiker
Designer
Organisieren
und aktiv werden
Kontext
herstellen
öffentliches
Bewusstsein
schaffen
Engagierte
Bürger
Journalisten
und Blogger
Abbildung 9: Der Transparenzkreislauf auf Basis von Open Government Data
(Eigene Darstellung, Quelle: SUNLIGHT FOUNDATION, 2010)
85
Geodaten, insbesondere Planungs- und Entscheidungsinformationen, können zur Transparenz
von staatlichem Handeln beitragen. In diesem Zusammenhang sei auf die begrifflichen
Unschärfen in der Literatur hingewiesen. Begriff Open Government Geo Data umfasst sowohl
reine Sachdaten mit Raumbezug (z. B. Geodatenbanken) als auch Dokumente der
Verwaltung, die Katasterdaten enthalten (z. B. Bauleitpläne). Hinsichtlich ihrer Transparenz
sind diese Daten unterschiedlich zu bewerten. Sinnvoll ist es die Daten nicht nur nach den
inhaltlichen Aussagen zu beschreiben sondern auch nach dem Zweck, welchen die
Informationen innerhalb der Behörde erfüllen. Es erscheint plausibel, dass ein Bebauungsplan
oder eine Karte zu Altlasten, eine größere Aussagekraft für politische Beschlüsse haben als es
bspw. Geobasisdaten. Die in Kapitel 2.1.1 vorgeschlagenen Definitionen von Roh- oder
Arbeitsdaten und Leistungsdaten können in Bezug auf das formale Argument (siehe Kapitel
2.1.3) die Unterschiede des Potenzials von OGGoD verdeutlichen. Leistungsdaten dienen in
erster Linie zur Beschreibung von Verwaltungshandeln und sind für die Frage der
Transparenz wichtiger als Rohdaten.
Spannungsfeld
II
-
Traditionelle
Verwaltungskultur
versus
eParticipation
&
eCollaboration
Open Data sollte nicht nur auf die Veröffentlichung von Daten in einem offenen Format mit
einer offenen Lizenz reduziert werden. Open Government Geo Data sollte bei der
Bereitstellung in einer Umgebung in kollaborative Web-Techniken eingebunden werden (z.
B. Feedback-Mechanismen, Web 2.0-Technologien (Folksonomy 51 )). Ein Hindernis im
Auffinden und Nutzen von Geodaten ist oft die unterschiedlich verwendete Terminologie
bzgl. Datenproduzenten und -nutzern. Diese semantischen Probleme bestehen im Umgang mit
den Daten, aber auch im Umgang mit den Metadaten. Im Zuge einer Öffnung von
öffentlichen Geodatenbeständen sollte diesem Punkt Beachtung geschenkt werden.
Anzudenken wäre bei einer getrennten Daten- und Metadaten-Speicherung, neben einer
fachlichen Verschlagwortung in den Metadaten, eine Verschlagwortung (tagging) 52 im Sinne
einer Folksonomy in den Metadaten vorzunehmen. Unter Folksonomy wird eine Taxonomie
51
„Systeme, in denen kollektive Tags zu Objekten hinzugefügt werden, bezeichnet man als Folksonomy. Dabei
entwickeln sich Folksonomy von reinen Anwendungen zum Verwalten und Teilen von Inhalten zu komplexen
Empfehlungssystemen im Internet.“ siehe (FLECK & KIRCHHOFFE 2008, S. 189)
52
„Tags sind von Nutzern erstellte Metadaten, die das Verwalten und Teilen von Objekten im Internet
erleichtern. Das Hinzufügen von Tags unterliegt keinen Regeln und auch keiner Form von terminologischer
Kontrolle.“ (ebd.)
86
verstanden, die im Web mit Hilfe von Social-Software-Anwendungen entsteht und die von
Nutzern festgelegt und aufrechterhalten wird. Die Systematik wird dabei nicht a priori
festgelegt, sondern ergibt sich organisch. Abbildung 10 stellt ein Schema eines kollaborativen
Netzwerkes auf Basis von bereits veredelten OGGeoD und offenen (Geo)-Rohdaten dar. Es
existieren Tagging- und Feedbackmöglichkeiten für den Nutzer. Die Qualität der
weiterverarbeiteten Rohdaten durch Crowd-Sourced-Data (z. B. der OpenStreetMap) kann
durch den Abgleich mit den amtlichen Rohdaten verbessert werden.
Datengenerierung
CGD
Datengenerierung
DATENVEREDLER
PROSUMENT
(privater Sektor)
(Bürger)
Webseite/App
OGGD - Content
Ta
gg
ing
Bereitstellung
Fee
dba
ck
MD
Bereitstellung
ack
edb
Fe
Bereitstellung
ng
llu
tste
rei
Be
Be
rei
tste
llu
ng
Qualitätscheck
MD
Fachbegriffe Folksonomy
Berei
tstellu
ng
Qualitätscheck
Qualitätscheck
OGGD
RD
UGC
RD = Raw Data
MD = Metadata
CGD = Crowdsourced Geo Data
UGC = User Generated Content
OGGD = Open Government Geo Data
UGC
(öffentlicher Sektor)
DATENBEREITSTELLER
Abbildung 10: Schema eines kollaborativen Open Government Geo Data Netzwerkes
(Eigene Darstellung)
Was wie eine erneute Forderung an die öffentlichen Verwaltung klingen mag, ist im eigenen
Interesse der Verwaltung. Bisher gab es wenig Anreize für Verwaltungen, Geodaten als Open
Data bereitzustellen. Besonders der Aspekt der Datenqualität ist durch geeignete FeedbackMechanismen ein Anreizsystem für datenerhebende Behörden. Kollaborative Umgebungen
sind nicht nur als Software zu verstehen sondern setzen auch den adäquaten Gebrauch durch
ihren Nutzer voraus. Für Open Data ist deshalb die Agilität einer Organisation hinsichtlich
ihrer Fähigkeit zum technischen und sozialen Wandel von großer Bedeutung. Eine
87
Vernetzung der Daten in solchen kollaborativen Umgebungen erhöht die Chance einer
breiteren Nutzung von staatlichen Geodaten als es bislang der Fall war.
Eine gesellschaftlich breite Nutzung der Daten ist aus Sicht der Verwaltung nicht nur aus
finanzhaushälterischer Argumentation innerhalb des Ressorts vorteilhaft; sie dient auch als
Legitimation und Verankerung (Bürgernähe) innerhalb der Gesellschaft. Die Effekte, die
durch kollaborative Prozesse zustande kommen werden allerdings Zeit brauchen, um wirksam
zu werden.
Eine Änderung der Verwaltungskultur kann weder durch ein Gesetz auferlegt, noch durch
Einsatz kollaborativer Software herbeigeführt werden. Die Betriebssysteme der öffentlichen
Verwaltungen brauchen intrinsische Anreize um einen inklusiven und offenen Umgang mit
Daten zu fördern. In den Interviews wurde die Notwendigkeit von Pilotprojekten betont, die
vor allem den Nutzen für die Verwaltung selbst in den Vordergrund stellt. Eine Strategie, die
zurzeit diskutiert wird, ist die Möglichkeit die Eigeninitiativen von Open Data interessierten
Behörden und Kommunen innerhalb ihrer gesetzlichen Rahmenbedingungen zu stärken. Aus
den Erfahrungen können andere Behörden lernen und erfolgreiche Projekte können
nachgeahmt werden. Speziell ist für den Fall von Geodaten anzumerken, dass es fraglich
erscheint, ob fragmentierte Geodatenbestände ihr wirtschaftliches Potenzial entfalten können.
Das Interpretationsmonopol bzw. die Deutungshoheit wurde von den Befragten als nicht
zeitgemäß und unvereinbar mit ihrem Staatsverständnis betrachtet. Dem von behördlicher
Seite attestierte Mangel an Medien- und Fachkompetenz der potenziellen Nutzer, kann in den
vorhin beschrieben kollaborativen Netzwerken mit einem regen Austausch via vorhandener
Kommunikationskanäle und Social-Software begegnet werden. Das Interpretationsmonopol
wird beim OGGeoD sowohl als Chance im Sinn von neueren Erkenntnissen als auch als
Risiko im Sinne von Fehlinterpretationen wahrgenommen. Als weitere Maßnahmen wären
hier Kooperationen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu nennen, die eine
fundierte Vielfalt von Interpretationen auf wissenschaftlicher Ebene leisten können. Dies kann
auch als Maßnahme zur Sicherung der Datenqualität verstanden werden. Voraussetzungen
dafür sind geeignete Feedback-Lösungen.
Der Technikzentrismus in Teilen der Open Data Community birgt die Gefahr einer Forderung
nach einer überidealisierten staatlichen Dateninfrastruktur, die nach dem momentanen Open
Data-Hype an der praktischen Umsetzung kleinteilig scheitert. Hier kann die Empfehlung
ausgesprochen werden, die Zusammenarbeit mit Stakeholdern zu verbessern, um auch
88
nachhaltig von Open Data-Beständen profitieren zu können. Wichtig ist es, Bedenken der
datenhaltenden Stellen mit einer Fehlerkultur zu begegnen. Unvollständige, leicht fehlerhafte
oder veraltete Daten können und sollen veröffentlicht werden, ohne dass die Verwaltung
Rechenschaft ablegen oder dafür haften muss. Fehler sollten als Bestandsteil von Prozessen
und Lerneffekten angesehen werden, mit denen offen und konstruktiv umgegangen wird.
Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sollen Daten innerhalb der bestehenden Gesetze
freigeben dürfen ohne als Nestbeschmutzer zu gelten oder berufliche Konsequenzen fürchten
zu müssen.
Spannungsfeld III - Refinanzierung versus Kommerzielle Weiterverwendung
Fundamentaler Baustein der Open Data-Philosophie ist die Frage nach Nutzungsrechten der
Daten. Zu privaten Zwecken, da waren sich die Befragten einig, können diese weiter
ausgeweitet werden. Aus Open Data-Sicht soll Bürgern der Zugang zu Daten staatlicher
Stellen gebührenlos und ohne vorherige Registrierung, Anmeldung etc. ermöglicht werden.
Begründet wird dies mit möglichst niedrigschwelligem Zugang zu Daten und der dadurch
erhöhten Nutzbarkeit seitens der Bürger. Selbst geringe Entgelte können eine prohibitive
Wirkung für die Nutzer haben. Kontrovers dagegen diskutiert wurde die kommerzielle
Weiterverwendung von Geodaten. Besonders hier macht die Unterscheidung zwischen
Rohdaten und veredelten Daten Sinn. Ein Argument ist, dass Rohdaten weniger für die Bürger
als vielmehr für Datenveredler von direktem Nutzen sind. Kommerzielle Nutzer sollen für die
Nutzung der Rohdaten Gebühren entrichten. Grundsätzlich standen die Interviewpartner einer
finanziellen Beteiligung von kommerziellen Nutzern an staatlichen Daten positiv gegenüber.
Diese Abgabe sollte sich an dem erwirtschafteten Gewinn des Unternehmens orientieren.
Freemium- Modelle und Affiliate-Systeme wurden als Möglichkeit betrachtet, die
traditionellen Geschäftsmodelle ablösen. Der Auffassung nach, dass Gebühren bei der
Weiterverwendung von stattlichen Daten zu kommerziellen Zwecken zu entrichten sind,
standen mehrere Argumente entgegen. Gebühren stellen, seien sie auch noch so gering,
zunächst ein Hindernis für viele kleine Unternehmungen dar, was aus der Open DataPerspektive dem Prinzip der Zugänglichkeit (siehe Kapitel 2.1.5) widerspricht. Die
Zahlungsbereitschaft für Daten und Informationen in virtuellen Umgebungen ist gering.
Micro-Payment- Geschäftsmodelle, die sich an Kleinstbeträgen orientieren, haben sich im
Web bisher nicht durchsetzen können. Für Unternehmen mit dünner Kapitaldecke wirken
Gebühren abschreckend. Innovationen im Web sind tendenziell durch ein vielfaches aber
89
dafür kostengünstiges Scheitern gekennzeichnet. Wenige (finanziell) erfolgreiche Projekte im
Web stehen einer Vielzahl an gescheiterten Unternehmungen gegenüber. Eine Datenallmende
nach
Open
Data-Philosophie
begünstigt
damit
Unternehmungen,
die
sich
im
Experimentierstadium bewegen und damit Innovationen vorantreiben. Doch nicht nur
kommerzielle Nutzer können an Wertschöpfungsketten auf Grundlage von OGGeoD
teilhaben. Ein Wertschöpfungsnetzwerk, in dem OGGeoD die Basis in Form von Rohdaten
darstellen, setzt sich aus Mitgliedern der öffentlichen Verwaltung, der Wirtschaft, der
Wissenschaft und der Zivilgesellschaft zusammen, die an der Erhebung, Verarbeitung,
Bereitstellung und Nutzung von Open Data beteiligt sind. Einer freien Nutzung von
staatlichen Rohdaten kommt in diesem Zusammenhang eine gesamtgesellschaftliche
Bedeutung zu. Damit wäre auch das Argument der geodatenhaltenden auf Stellen, freie
Geodaten würden nur wenigen nützen, relativiert (siehe Abbildung 11).
= verarbeitete Rohdaten
Rohdaten
1. Wertschöpfung
öffentliche
Verwaltung
A
= eigene Daten
A,B,C,D = Wertschöpfung
öffentliche
Verwaltung
2. Wertschöpfung
B1
(D)
Forschung
&
Wissenschaft
Bürger
&
NGO´s
Wirtschaft
B2
Erhebung
B3
Verarbeitung
B4
Bereitstellung
Website/App
Website/App
Website/App
Wirtschaft
Bürger
&
NGO´s
Website/App
3. Wertschöpfung
öffentliche
Verwaltung
C1
C2
Nutzung
Forschung
&
Wissenschaft
C3
Abbildung 11: Wertschöpfungsnetzwerk für Open Government Geo Data
(Eigene Darstellung verändert nach GRAUDENZ et al., 2010)
C4
90
Der Nutzen von offenen Geodaten wurde von allen Befragten zweifellos anerkannt. Die Frage
der kommerziellen Weiterverwendung von staatlichen Geodaten ist zunächst eine
Herausforderung der datenhaltenden Stellen. Die momentane Haushaltslage der Kommunen
und Länder macht es schwer auf zusätzliche Einkünfte zu verzichten, seien sie, gemessen an
den Ausgaben, noch so gering. Hier tritt ein weiteres Problem auf: die Unternehmen werden
im Falle einer Umsetzung von OGGeoD mit freien Geodaten versorgt, mit denen die
Unternehmen ihr Gewinne erwirtschaften. Die steigenden Steuereinnahmen fallen allerdings
zuerst dem Finanzministerium zu. Die Einnahmen, die vorher durch Gebühren an die
geodatenhaltende Stelle entrichtet wurden, fallen nach der Öffnung der Geodatenbestände
völlig aus. Die Behörde geht aus diesem Szenario als Verlierer hervor.
Rohdaten, die ohnehin im gesetzlichen Rahmen erhoben wurden, sollten kostenfrei sein.
Andere betonten, dass Rohdaten nur für Unternehmer verwertet werden könnten und damit
Gebühren erhoben werden könnten. Hier zeigen sich zwei Auffassungen von Open Data: die
eine Auffassung stellt das Verhältnis des Staates zum Bürger in den Mittelpunkt und damit
die Themen der Transparenz, Partizipation und Kollaboration; die andere Auffassung
fokussiert den wirtschaftlichen Aspekt von Open Data, der Unternehmen begünstigen soll.
Der Gedanke, Open Data als wirtschaftlichen Impuls anzusehen, ist in der deutschen
Diskussion seltener anzutreffen. Mit der Erweiterung der Nutzungsrechte an Daten und deren
technisch geeigneter Aufbereitung (siehe Kapitel 2.3) ändert sich auch deren Potenzial zu
gesellschaftlichen Wandlungsprozessen beizutragen. Dieser Zusammenhang wird in
Abbildung 12 dargestellt.
Transparenz
+ Daten veröffentlicht
Partizipation
+ Daten veröffentlicht
+ Feedback-Möglichkeit
Kollaboration
Innovation
+ Daten veröffentlicht
+ Daten veröffentlicht
+ Feedback-Anwendung
+ Feedback-Möglichkeit
+ technisch weiterverarbeitbar + technisch weiterverarbeitbar
+ kommerzielle Nutzung
Abbildung 12: Prozessfolge bei Ausweitung der Nutzungsrechte für Daten des öffentliche Sektors
(Eigene Darstellung)
Zweifel an den möglichen wirtschaftlichen Impulsen, die besonders von freien Geodaten
ausgehen, gibt es nicht. In Deutschland sind die staatlichen geodatenhaltenden Stellen gut
91
organisiert. Ein Ausscheren einzelner Behörden im Sinne einer Open Data-Öffnung scheint
schwierig. Angesichts der zahlreichen Vorbehalte, die in den Interviews gegenüber Open Data
in den Vermessungsverwaltungen geäußert wurden, ist die vorgestellte GeoLizenz ein
wichtiger Schritt in Richtung Open Data in diesem Bereich. Im angelsächsischen Sprachraum
ist mit der public domain ein Nutzugsrecht verankert, was es in Deutschland nicht gibt.
Solche gemeinfreien Lizenzen bergen die Chance den Overhead, der bei dem Vertrieb von
Daten entsteht, einzuschränken oder zu beseitigen. Transaktionskosten im G2G-Bereich
würden dadurch gesenkt und die Verwaltung effizienter gestaltet. In diesem Punkt bildet die
Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie eine wichtige Voraussetzung. Auf der juristischen Seite
sind wettbewerbsrechtliche Folgen sowie haushaltsrechtliche Fragen bei der Übergabe der
Daten in die Gemeinfreiheit zu klären.
In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach den Kernaufgaben des Staates zu stellen.
Soll er weiterhin als Datenveredler auftreten oder in Zukunft vermehrt in die Rolle des
Datenbereitstellers schlüpfen?
Ausblick
Der Open Data-Diskurs in Deutschland findet auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen
statt. Auf der Ebene der Politik wird vor allem gesetzgeberisch die Angleichung der Länder
bzw. die konsequente Umsetzung bereits bestehender Gesetze gefordert. Als gesetzliche
Grundlage der Verwaltungen müssen eindeutige und einfache Regelungen gefunden werden,
die die Open Government Geo Data-Forderungen weitestgehend unterstützen. Bedingungen
an Open Government Geo Data sind einfache und offene Lizenzmodelle, um die Nutzung der
Daten abschließend zu ermöglichen. Bundes- und Länderverordnungen sind unbedingt im
Hinblick auf die kommerzielle Nutzung von Geodaten zu synchronisieren. Einige der Open
Government Data-Prinzipien müssen entsprechend der spezifischen Anforderungen von
Geodaten überdacht und angepasst werden. Hier wäre eine Fokussierung auf den Zugang zu
einer Geodateninfrastruktur aus Sicht des Bürgers sinnvoller als die alleinige Bereitstellung
von Datensätzen, da Dienste und Anwendungen im Bereich der raumbezogenen Daten
zunehmend im Mittelpunkt stehen. Aus Sicht der Datenveredler soll aber auch der Zugriff auf
Rohdaten bestehen; entweder als Download oder als offene Schnittstelle. Fragen des
Datenschutzes sollten bereits beim Design der Technik vorab beachtet werden. Zu betonen sei
weiterhin die nachhaltige Bereitstellung und Aktualisierung der Datenressourcen. Die Daten
sollten softwareunabhängig als Ressourcen zu verstehen sein, die dauerhaft im Netz zur
92
Verfügung stehen. Weiterhin wären feste Adressierungen der einzelnen Datensätze oder gar
Objektentitäten
als
Linked
Data
wünschenswert.
Einfache
Repräsentationen
von
Informationen können eine größere Befähigung zur Datenverarbeitung (Kollaboration)
ermöglichen, als es zahlreiche und komplizierte Features (All-in-one-Solutions) tun. Zudem
sollten die möglichen Einsatzmöglichkeiten von OGGeoD elaboriert werden. Auf diesen
Erfahrungen beruhend können weitere Entwicklungen aufbauen. Das bedeutet aber auch, dass
Open Data nur ein erster Schritt in Richtung einer gesellschaftlich umfassend genutzten
Dateninfrastruktur ist. Damit ist es jedoch nicht getan: Von den öffentlichen Verwaltungen
wird neben einem Kulturwandel auch ein Bruch mit dem bisherigen Geschäftsmodell
erwartet. Hier muss im Falle einer Umsetzung von OGGeoD eine Umverteilung der
Steuereinnahmen auf Bundesebene stattfinden, damit die geodatenhaltenden Stellen ebenfalls
an den Mehreinnahmen des Staates durch die Wirtschaft beteiligt werden.
Eine nationale Geodateninfrastruktur kann als technischer Wegbereiter, die Open Government
Data-Prinzipien darüber hinaus als Maßstab für die Öffnung von Geodatenbeständen des
öffentlichen Sektors, dienen. Open Data ist nach dieser Auffassung kein IT-Projekt sondern
eine Infrastrukturmaßnahme. Ähnlich wie die vom Bund geförderte deutschlandweite
Versorgung von Breitbandanschlüssen ist eine infrastrukturelle Maßnahme zur Verbesserung
und Nutzung des Internets. Open Government Geo Data kann analog dazu als wichtiger
Beitrag zu einer digitalen staatlichen Daten- und Informationsinfrastruktur betrachtet werden.
Open Government Geo Data kann als Rohstoff für eine daten- und informationsverarbeitende
Gesellschaft dienen und innovative Impulse für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft
aussenden. Freie amtliche Geodaten und Geoinformationen können als ein Substrat einer
hochgradig vernetzten, globalen und datenzentrierten Zivilgesellschaft verstanden werden, die
gerade zu verstehen beginnt, welche Dynamik von offenen und vernetzten Daten ausgehen
kann.
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102
Anhang
Leitfaden
Eingangsfragen
Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit dem Thema Open Data befasst?
Was verstehen Sie unter dem Begriff Open Data?
Was ist Ihr persönlicher Schwerpunkt beim Thema Open Geo Data?
Was ist für Sie das spannendste Projekt im Bereich Open Geo Data oder im Zusammenhang
mit staatlichen Geodaten?
Staatsverständnis / Verwaltungskultur
Brauchen Geodaten die Deutungshoheit des Staates/der Behörde?
Wäre ein Weg für die Verwaltung weniger Daten zu Informationen zu verarbeiten und
stattdessen weitestgehend nur die Rohdaten zur Verfügung zu stellen?
Kann und sollte der Staat die Rolle des gemeinfreien Datenbereitstellers übernehmen?
Sollten Regierung und Behörden, ihrer Meinung nach, Geodaten der Allgemeinheit kostenfrei
zur Verfügung stellen?
Warum fällt es deutschen Behörden schwer, Geodatenbestände zu öffnen?
Wo ist in diesem Zusammenhang mit den größten Widerständen zu rechnen?
Sensible Geodaten
Welche Geodaten oder Geoinformationen sollten nicht als Open Data zur Verfügung gestellt
werden?
Welche Daten dürfen freigegeben werden? -> Bsp. Karten für Hangrutschungen,
Überschwemmungskarten, Kriminalität
Kann die Veröffentlichung von Geoinformationen wie z.B. crimemaps zur Stigmatisierung
bestimmter Stadtviertel führen?
Der bei der Erhebung der Daten einmal festgelegte Verwendungszweck beschreibt nicht die
abschließenden Verwendungsmöglichkeiten. Personenbezogene Daten dürfen nur für einen
bestimmten Zweck erhoben werden. Verschneidungen, so wie das Semantic Web sie vorsieht,
wären demnach nicht möglich?
103
Zugang & Voraussetzung
Wo liegen die grundsätzlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den INSPIRERichtlinien und der Open Data-Initiative, was die Öffnung von staatlichen Geodaten betrifft?
Welchen Grad von Offenheit macht ihrer Meinung nach Sinn für offene staatliche Geodaten?
Welcher Grad an Offenheit erfordert unverhältnismäßig viel Aufwand bei der
Aufbereitung/Veröffentlichung von staatlichen Geodaten?
Wie steht es mit den Daten aus, die der öffentliche Sektor an private Dienstleister auslagert in
Bezug auf die Lizenzen?
Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei der Aufbereitung und Bereitstellung staatlicher
Geodaten als Linked Data?
Potenzial & Lizenz
Unter welchen Lizenzbestimmungen sollte der Staat Geodaten veröffentlichen?
Ist das Urheber- und Patenrechtrecht ihrer Meinung nach reformbedürftig?
Welche Restriktionen machen Ihrer Meinung nach Sinn, welche nicht?
Wer würde besonders von freien Geodaten profitieren?
Welche Geodaten sind von besonderem Interesse – welche nicht?
Welche Geschäftsmodelle können an Open Data anknüpfen?
Offene Fragen
Sind die Schwierigkeiten eine Freigabe von staatlichen Geodaten rechtlicher, finanzieller,
politischer oder technischer Art?
Welche Konsequenzen haben die Forderungen nach Open Geo Data?
Wie ist die deutsche Situation im Kontext der Entwicklung von offenen Geodaten in anderen
europäischen Ländern zu bewerten?
Wo sehen Sie die größten Umsetzungshindernisse von Open Geo Data?
Welche Besonderheiten sind bei Geodaten gegenüber nicht-Geodaten festzustellen bzgl. einer
Veröffentlichung im OpenData Sinne?
Welche Besonderheiten sind bei der Öffnung von Geodatenbeständen zu beachten in Bezug
auf die 11 Prinzipien (siehe S. 3) von Open Data?
Welche Einwände gibt es gegen Open Geo Data?
104
Könnten Sie bitte ein Beispiel dazu geben?
Welche Entwicklung sehen Sie mit Sorge?
Welche Entwicklungen sind vielversprechend?
Kollaboration & Partizipation
Wird Open Source Software mit „Crowd-Sourced Geodata“ und amtlichen Informationen
stärker zusammenwachsen?
Ist Maptivism auch in staatlichen Daten vorstellbar?
Kann die Kombination von Open Data und Web 2.0 Feedback Optionen die Quantität und
Qualität von staatlichen Geodaten verbessern?
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