Padmasambhava – Realität oder Mythos?*
Bruno Galasek
Innerhalb der buddhistischen Tradition gilt allgemein die Auffassung, dass
der indische Meister des tantrischen Buddhismus Padmasambhava aus O∙iyåna1 von dem tibetischen König Khri-srong-lde'u-btsan (reg. ca. 755-797)
im achten Jahrhundert nach Tibet eingeladen wurde,2 um bei der Etablierung
des Buddhismus zu helfen. Dies soll auf Anraten des Abtes ˜åntarak¹ita geschehen sein, mit dem Hinweis auf Padmasambhavas besondere, durch tantrische Meditation gewonnene, magische Fähigkeiten. Diese sollten bei der
Überwindung der dem Buddhismus feindlich gesinnten und hinderlichen
Kräfte (=„Dämonen“) eingesetzt werden, was schließlich gelingt. Padmasambhava – von den Tibetern auch Gu-ru Rin-po-che, „kostbarer Lehrer“,
genannt – wird der spirituelle Lehrer des Königs und vieler weiterer Schüler,
*
Dieser Aufsatz entstand im Zusammenhang mit einer Lehrveranstaltung unter Leitung
von Bernadette Bröskamp im Sommersemester 2006 am Institut für Orient- und
Asienwissenschaften (IOA), Abteilung für Asiatische und Islamische Kunstgeschichte
der Universität Bonn. Mein herzlichster Dank gilt v.a. Frau B. Bröskamp für ihre
freundliche Unterstützung, Frau Marion Frenger für ihre großzügige Hilfe bei der
Bildbearbeitung, Frau Stephanie Lovász (Museum der Kulturen, Basel) für die Beschaffung des Bildmaterials, sowie Herrn Gerd Mevissen und Dr. Karl-Heinz Golzio
für ihre geduldige Hilfe bei der Durchsicht und Korrektur des Manuskripts. Danken
möchte ich auch den Bibliotheksmitarbeitern der Abteilungen Asiatische und Islamische Kunstgeschichte, Indologie sowie Mongolistik und Tibetstudien des IOA der
Universität Bonn für die generöse Bereitstellung der benötigten Literatur und die kompetente Hilfe bei ihrer Suche.
1
O∙iyåna/U∙∙iyåna, dessen geographische Lokalisierung lange Zeit umstritten war,
konnte Anfang der 1990er Jahre aufgrund epigraphischer Hinweise durch Shoshin
KUWAYAMA als das Swat-Tal identifiziert werden. S. hierzu DAVIDSON 2002: 207ff.
2
„Etwa im Jahre 786 erhielt Padmasambhava eine Einladung des tibetischen Königs
Khri-sro¼ lde-btsan (sic!)“ (SCHUHMANN 1986: 243). Leider nennt der Autor keine
Quellen für die im Zusammenhang mit Padmasambhava genannten Daten.
BERLINER INDOLOGISCHE STUDIEN (BIS) 18 · 2007: 207-240
208
B. Galasek
ist maßgeblich an der Errichtung des ersten tibetischen Klosters bSam-yas3
beteiligt und initiiert daraufhin die groß angelegte Übersetzung indischer
buddhistischer Texte ins Tibetische. Die Verehrung Padmasambhavas und
seine Darstellung in der Kunst nimmt auch heute noch in allen Schulrichtungen des tibetischen Buddhismus, im Besonderen aber in der rNying-ma
Schule, breiten Raum ein.
Die westliche tibetologische Forschung muss anhand der heute zugänglichen Quellen ein etwas abweichendes Bild rekonstruieren. Die Interpretationen (dieser verschiedenen Quellen) reichen von der völligen Leugnung
einer historischen Person Padmasambhava4 über den Versuch der Synthese
von Tradition und wissenschaftlich generierten Fakten durch westliche,
aber in der tibetischen Tradition ausgebildete Buddhisten,5 bis hin zu einer
3
In den Jahren 776-779; s. SNELLGROVE 1987: 409. SCHUHMANN 1986: 243 gibt das
Jahr 810 (s. Fn. 2).
4
BISCHOFF hält Padmasambhava eher für eine spätere tibetische Erfindung, für « une
idéal religieux », u.a. aufgrund der widersprüchlichen Angaben über Padmasambhavas
Verweildauer in Tibet (1978: 31) und dem stark legendenhaften Charakter der bedeutenden, von ihm untersuchten, Biographie Padma-bka'-thang (ein gTer-ma von Orgyan-gling-pa, 14. Jh.; s. hierzu auch infra, Fn. 20). Außerhalb der traditionellen
buddhistischen Überlieferung gebe es keinerlei Hinweise auf eine historisch greifbare
Person Padmasambhava (ibid.). S. hierzu auch KLAUS 1982: Einleitung.
5
Kürzlich z.B. ZANGPO, der die Einwände der neueren tibetologischen Forschung (wie
die in den Quellen zutage tretenden widersprüchlichen Daten für bestimmte Ereignisse,
z.B. der Daten für Padmasambhavas Abreise aus Tibet; vgl. ZANGPO 2002: 50, etc.)
durchaus zur Kenntnis nimmt, aber darauf erwidert, dass „der Buddha nicht in diese
Welt kam, um Geschichte zu lehren“ (ibid.: 28). Er argumentiert relativ überzeugend,
dass die vielen mythenhaften Biographien Padmasambhavas (bKa'-thang) von ihren
„Produzenten“ gar nicht als historiographische Werke verstanden werden wollten, sondern vornehmlich als spirituelle Lehrtexte (ibid.: 53f.). Das Hauptargument des Autors
liegt hier auf der Intention dieser Werke (der gTer-ma) selbst und den Methoden zu
ihrer Interpretation. Das Ziel dieser Texte ist es, den buddhistischen Leser auf seinem
Weg zu Erleuchtung zu unterstützen und zu leiten. Zum richtigen Verständnis der oft
hermeneutischen Texte wurden von buddhistischen Meistern und Gelehrten Methoden
zu ihrer Entschlüsselung entwickelt; z.B. solche Kategorien wie „vorläufige und letztendliche Bedeutung“ (drang-don/ nges-don) von Textstellen (ibid.: 37-47).
Das allein zeigt, dass die tibetischen Autoren oder gTer-ston sich meistens wohl
bewusst darüber waren, was ihre Texte darstellten und was nicht. ZANGPO versucht in
seiner Monographie also, den Blickwinkel des Lesers dahingehend zu verschieben,
seine eigenen Ansprüche an eine Quelle nicht mit ihrer ursprünglichen Intention zu
vermischen. Um die „harten Fakten“ zu finden, müssen also andere Quellen herange-
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Neubewertung der uns nur in legendenhafter Form vorliegenden Biographien
unter Zuhilfenahme kulturtheoretischer Ansätze.6 Diese gehen davon aus,
dass bestimmte (kulturelle) Phänomene, wie z.B. die Rezeption geschichtlicher Ereignisse in einer Kultur, in einem interdisziplinären Gesamtzusammenhang betrachtet und bewertet werden können bzw. müssen.
So kann man – kurz zusammengefasst – nach bisherigem Stand der Forschung wohl davon ausgehen, dass es im Zusammenhang mit der ersten Verbreitung der buddhistischen Lehren nach Tibet (snga-dar) einen charismatischen Meister tantrischer Lehren namens Padmasambhava gegeben hat, und
dieser womöglich mit dem tibetischen König Khri-srong-lde'u-btsan – in
welcher Angelegenheit oder Form auch immer – zusammengetroffen ist.7 An
zogen werden. Dabei übersieht ZANGPO allerdings, dass jede Quelle auch „Überrest“
sein kann (vgl. SCHWIEGER 2000: 945) und, wie DAVIDSON (1991: 227) gezeigt hat,
jeder Mythos auch eine historisch relevante Bedeutungsebene enthalten kann. Zudem
enthält ZANGPOs Buch keinen Index und einen eher unbefriedigenden kritischen Apparat, was das Nachvollziehen und -verfolgen einiger seiner Aussagen sowie der tibetischen Begriffe erschwert.
6
S. hierzu v.a. SCHWIEGER 2000, sowie auch DAVIDSON 2002 und 2005.
7
Die bisher älteste Quelle (wahrscheinlich nach 980; s. hierzu DALTON 2004: 763), die
einen Hinweis auf Padmasambhava („A-ca-rgya Sam-ba-ba“) im Zusammenhang mit
der Einführung der Lehren der tantrischen Meditationsgottheit (yi-dam) Vajrakïlaya,
bietet, ist das Manuskript Pelliot Tibétain 44 (s. KLAUS 1982: 3, sowie ibid. Fn. 6). Für
eine ausführliche Studie dieses Textes siehe BISCHOFF & HARTMAN 1971. – In einem
2004 erschienenen Aufsatz stellt Jacob DALTON zwei weitere, bislang in Bezug auf
Padmasambhava unbeachtete Quellen aus Tun-huang vor: ITJ644 aus der Stein-Sammlung der Tun-huang Dokumente in der British Library, sowie PT 307 der Sammlung
Pelliot in der Bibliothèque nationale. Durch Untersuchung narrativer Elemente und den
Vergleich mit PT44 kommt DALTON zu dem Schluss, dass letztgenannte Quelle sogar
schon (neben dem dBa'-bzhed, dem Testament des dBa', einem relativ frühen historiographischen Text, der eine populäre Version der Padmasambhava-Legende enthält) als
ein Repräsentant der “mythographical tradition” (Ausdruck aus WANGDU & DIEMBERGER, cf. DALTON 2004: 763), also der in Bezug auf Padmasambhava und die Konversion Tibets zum Buddhismus mythologisierenden und idealisierenden späteren tibetischen Geschichtsschreibung gelten könnte. Mit seiner Analyse dieses neuen Materials
leistet DALTON einen wichtigen Beitrag in Richtung der These einer späteren Überhöhung der Person des Padmasambhava aus unterschiedlichen Gründen und Motiven.
Allerdings muss sein Aufsatz an einigen Stellen spekulativ bleiben, so dass uns die
tatsächliche historische Person Padmasambhava weiterhin ungreifbar bleibt. – Eine
sehr lesenswerte Darstellung und Übersicht bezüglich der Bedeutung Padmasambhavas
findet sich in KAPSTEIN 2000: 155ff. Wahrscheinlich wurde ein eher unbedeutendes
210
B. Galasek
anderer Stelle wurde auch die Vermutung geäußert, bei Padmasambhava
habe es sich um einen Adepten der Mahåyoga-Tantras gehandelt, deren Entstehung etwa in das 8. Jahrhundert datiert wird. Diese enthalten meist Unterwerfungsrituale jeglicher Art, deren Protagonisten oft zornvolle Buddha-Aspekte sind. Guru Rinpoche soll die in Nepal verstreuten Traditionen der tantrischen Gottheit Vajrakïla in ein einziges System integriert haben (SNELLGROVE 1987: 485). In einem Kloster der bKa'-gdams-pa-Tradition (Alchi/
A-lci in Ladakh), die die Mahåyoga-Lehren bewahrten, befindet sich auch
ein Wandgemälde Padmasambhavas.8
Während der so genannten späteren Verbreitung (phyi-dar), beginnend im
späten 10. bzw. frühen 11. Jahrhundert, besannen sich vor allem die Anhänger der sich nun langsam formierenden rNying-ma-Sekte auf diesen Meister
und überhöhten seine Bedeutung und sein Wirken wahrscheinlich aus Legitimierungsgründen und einem wachsenden Rechtfertigungsdruck gegenüber
den sich neu etablierenden Schulen (gSar-ma) (SNELLGROVE 1987: 397).
Die tibetische Welt sah sich nach dem Niedergang des tibetischen Königreiches im 9. Jahrhundert einer Krise gegenüber, die sämtliche Lebensbereiche umfasste. Im Rückblick wurden die Zeit des tibetischen Großreiches und
das Konzept seiner göttlichen, mit magischen Fähigkeiten ausgestatteten
Könige zu einem Identität stiftenden Moment. Schon im 8. Jahrhundert, nach
der erfolgreichen Einführung neuer und zentraler buddhistischer Konzepte
wie saºsåra und karma, wurde die idealtypische Verbindung von Macht,
göttlichem Ursprung (altes tibetisches Königtum) und buddhistischer Gelehrsamkeit als ein Zeichen großen spirituellen Verdienstes angesehen. Diejenigen, die im 11. Jahrhundert, nach dem Machtvakuum des 9./10. Jahrhunderts, nach Autorität strebten, beriefen sich zur Legitimierung ihres Anspruches eben auf diesen Idealtypus, wobei sie als besonders autoritativ den
Nachweis einer direkten, authentischen Verbindung ihrer Lehren – als Quelle
ihrer Macht oder spirituellen Fähigkeiten – nach Indien betrachteten. Eben
dieser Umstand, dass Indien bzw. der indische Buddhismus des späten indiund informelles Treffen später zu einem engen und an Konsequenzen reichen LehrerSchüler-Verhältnis hochstilisiert.
8
Seit dem Beginn des 13. Jhs. ist die Präsenz der aus Zentraltibet stammenden 'Brigung-Sekte evident; s. hierzu z.B. GOEPPER 2003. Für eine Abbildung des Wandgemäldes s. PAL/FOURNIER 1982: LS20. Zur Datierung der Malereien des lHa-khang
So-ma siehe infra, Fn. 12-13, sowie LUCZANITS 1998: 153 (fn. 11) und 161.
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211
schen Mittelalters u.a. als das fremde, erneuernde Element in diesem Kulturschaffungsprozess auftrat, bedeutete einen erhöhten Rechtfertigungsdruck für
jene, die ihre Praktiken, Lehren und Schriften auf die erste Verbreitung in
der tibetischen Königszeit zurückführten, deren Authentizität von den Vertretern der gSar-ma Schulen zunehmend angezweifelt wurde.9
Da nun die neue Öffnung Tibets unter anderem durch den Handel mit
Nepal, Kashmir und Indien, und vor allem durch eine neue Generation von
Übersetzern langsam und stetig die erhaltenen Traditionen und religiösen
Einrichtungen der buddhistischen Überlieferung der Königszeit herausforderten (die Kanonisierung der S÷tras und Tantras im 14. Jh. schloss einen nicht
geringen Teil der Texte der rNying-ma-pa aus), musste ein Weg gefunden
werden, das Erbe des alten Reiches neu zu legitimieren. So entstand wahrscheinlich die Literaturgattung der gTer-ma10 im 11. Jahrhundert. Bemerkenswert ist hier wiederum für unseren Zusammenhang, dass die Figur des
Padmasambhava in der Schatz-Literatur gehäuft, und in deutlichen Konturen,
erst langsam ab dem späten 12. Jahrhundert auftritt.11 Eine der vielleicht frühesten Darstellungen ist das bereits erwähnte Wandgemälde im lHa-khang
So-ma, im Klosterkomplex (chos-'khor) von Alchi (A-lci), Ladakh, das von
9
Zunehmende Kritik am Verhalten einiger dieser Vertreter und seltsam anmutende Praktiken, deren Ursprung nicht mehr im (indischen) Buddhismus gesehen werden konnte,
leisteten wohl einen nicht unerheblichen Beitrag zu dieser Entwicklung. S. hierzu
DAVIDSON 2005: 148-154. Dieser vielschichtige und komplexe Prozess der im späten
10. bzw. 11. Jh. beginnenden tibetischen Renaissance wird in der Monographie von
DAVIDSON (2005) ausführlich beschrieben. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive
zeichnet SCHWIEGER in seinem Essay (2000) nach, wie Geschichte in einer weitgehend
zur Stagnation gebrachten Kultur rekonstruiert wird, um Kontinuität herzustellen. S.
hierzu auch KAPSTEIN 2000: 17-20.
10
“[...], the most important parts of the indigenous reaction are the literary trope of the
treasure texts as part of the legacy of the emperors, the rejoinders to questions about
their own textual authenticity, and the defense of the Tibetan doctrines of the Great
Perfection.” (DAVIDSON 2005: 211). Für eine kurze allgemeine Darstellung zu gTer-ma
und gTer-ston, s. KLAUS 1982: 9-13.
11
DAVIDSON 2005: 213. Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang die Beobachtungen von LUCZANITS bezüglich des sich in den Wandmalereien von Alchi spiegelnden neuen Status' des spirituellen Lehrers und der (indischen!) Übermittlungslinie als
Legitimationssystem der neuen Schulen (2003: 31-37, sowie fn. 20-21).
212
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Pratapaditya PAL12 in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert wird, neueren Untersuchungen von Christian LUCZANITS zufolge allerdings später angesetzt werden muss.13
Die frühe Geschichte des tibetischen Königreiches wurde von Matthew
KAPSTEIN sehr anschaulich und treffend mit einem Spiegelkabinett verglichen, in das wir heute schauen.14 Das andere Ende der Halle, die Geschichte
des tibetischen Großreiches, ist von einem löchrigen Vorhang bedeckt. Wir
können nur fragmentarisch, durch die Dokumente aus Tun-huang und die
zentraltibetischen Säuleninschriften (mdo-ring), die historische Wirklichkeit
– das wirkliche Ende der Halle – wahrnehmen. Diese Fragmente flossen
auch in die nach dem Zusammenbruch des Reiches entstandenen (sakralisierten) Geschichtsmythen ein, welche fortan die gesamte historiographische
Literatur Tibets dominieren sollten.15 (Die „Spiegel“ repräsentieren in dieser
Analogie die späteren tibetischen Autoren/Werke ab dem 12./13. Jh.)
Diese Erkenntnisse aus den verschiedenen Bereichen tibetologischer
Forschung legen es nahe, von Padmasambhava als gezielte Konstruktion
12
PAL/FOURNIER 1982: 21ff. PAL vermutet, dass der lHa-khang So-ma („neuer Tempel“!)
später zu dem Klosterkomplex hinzugefügt wurde. Er führt zum einen stilistische
Erwägungen als Begründung an, und zweitens die Assoziierung der Darstellungen mit
der 'Bri-gung-Subsekte der bKa'-brgyud-Schule. Diese Vermutung wird geschichtlich
gestützt durch die Ausbreitung der 'Bri-gung-pa nach Westen Ende des 12./Anfang des
13. Jhs. (Patronat des bKa'-brgyud-pa bLa-ma Rin-chen-dpal [1143-1217] durch den
ladakhischen König dNgos-grub). S. hierzu auch LUCZANITS 2003: 27, und GOEPPER
2003: 18 zur Darstellung des 'Bri-gung-pa Schulgründers 'Jig-rten-mgon-po (11431217) in den Wandmalereien des gSum-brtsegs.
13
S. hierzu LUCZANITS 1998. Wahrscheinlich wird dieses Wandgemälde in die erste
Hälfte des 14. Jhs. zu datieren sein (mündliche Auskunft von Bernadette Bröskamp
vom 26.07.2007). Diese neuen Erkenntnisse machen es allerdings wahrscheinlich, dass
frühere Darstellungen existierten. Dieser Frage wurde hier aber nicht weiter nachgegangen, da sie nicht direkt den Fokus dieses Aufsatzes berührt.
14
KAPSTEIN 2000: 23-25. S. auch DALTON (2004: 796): “Ultimately, to search for an
original Padmasambhava may in fact be less illuminating than to trace his continually
changing manifestations through Tibetan history. Tibetans themselves hold that
Padmasambhava has always acted like a mirror, perfectly reflecting whatever aspect of
the Buddhist teachings are required by his faithful followers. Perhaps we too learn
more by seeing Padmasambhava in this way, less as a historically locatable person than
as a shifting matrix of meanings constantly calling for interpretation.”
15
S. hierzu auch SCHWIEGER 2000: 948-955.
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213
einer historischen/mythischen Persönlichkeit für bestimmte Ziele, Zwecke
und Aufgaben (wie z.B. die oben angesprochene Legitimierung bestimmter
Lehren, Schaffung von Kontinuität/„Konservierung der Kultur“16 im Zusammenhang mit der Legitimierung von Macht, etc.) durch eine bestimmte
Schulrichtung des tibetischen Buddhismus zu sprechen, ohne dabei natürlich
jedwede historische Wirklichkeit einer solchen Person abstreiten zu wollen
oder gar zu können.
Diese kurze – und natürlich nicht erschöpfende – Skizzierung des „Hintergrundes“, den die tibetologische Forschung und themenbezogene Literatur
zum „Bild“ Guru Rinpoches bis jetzt gewonnen hat, soll hier dazu dienen,
das nun zu besprechende Thangka inhaltlich in den übergeordneten Gesamtzusammenhang zu stellen. Dieser soll als Stütze für den einen oder anderen
Punkt der Interpretation der dargestellten Bildinhalte dienen.
Im Folgenden soll eine spezielle Darstellungsform des Padmasambhava,
die des Padma-'byung-gnas, beschrieben und anschließend interpretiert werden. In der Schlussbetrachtung soll dann versucht werden, die erhaltenen Ergebnisse in den oben skizzierten geschichtlichen, politischen und doktrinären
Zusammenhang zu stellen.
Padmasambhava als Vajradhara in der tibetischen Kunst
Das Thangka (Abb. 1) stammt aus einer achtteiligen Serie und befindet sich
nun im Museum der Kulturen Basel.17 Die Bilder wurden vermutlich von drei
verschiedenen Künstlern gemalt. Bei einem von ihnen könnte es sich um den
Sa-skya-pa bLa-ma Kun-dga'-bkra-shis (18. Jh., genaue Lebensdaten unbekannt), gehandelt haben, der vermutlich auch der Auftraggeber der gesamten
Serie war.18 Das Thangka, das Padmasambhava in seinem Aspekt als Padma'byung-gnas zeigt, ist das erste Bild der Reihe. Alle Werke sind inhaltlich
miteinander verknüpft – den Rahmen für die zentralen acht Aspekte des Guru
16
Ibid.: 953.
17
Ausführlich publiziert in ESSEN/THINGO 1991: 15-25, Farbabb. auf S. 66, sowie kurz
erfasst in ESSEN/THINGO 1989: 90, Nr. II-194.
18
ESSEN/THINGO 1991: 112. Das lässt sich aus der Darstellung Kun-dga'-bkra-shis' zusammen mit dem rNying-ma-pa gTer-ston gTer-bdag-gling-pa (1646-1714), dessen
Schüler er war, am unteren Bildrand des Thangka Nr. VII schließen. Stilistische Merkmale verweisen die Thangka-Serie nach ESSEN eindeutig in das Osttibet des 18. Jhs.
214
B. Galasek
Rinpoche (gu-ru mtshan-brgyad ) bilden fortlaufende Ereignisse aus seiner
Vita – und tragen Inschriften in drei verschiedenen Farben (gold, rot und
schwarz) auf den Rückseiten. Der Text der Inschriften, der wohl Grundlage
für die Bildinhalte war, stammt aus zwei verschiedenen, bedeutenden Werken
zur Biographie Padmasambhavas,19 zum einen aus dem von dem gTer-ston
O-rgyan-gling-pa (1323-1360) im 14. Jahrhundert entdeckten gTer-maText Padma-bka'-thang,20 zum anderen aus dem „Siebenkapitel-Gebet“, Le'ubdun-ma, einem Text, der sich in Form eines Wunschgebetes an fünf Hauptschüler des Meisters richtet und zahlreiche seiner Wundertaten erzählt.21 Die
Bilder wurden mit Gouache auf Leinen gemalt und traditionell in Brokat gerahmt. Sie besitzen die Maße 90 mal 63 cm (ohne Rahmung).22
Die Bildkomposition lässt sich in drei horizontal abzugrenzende Abschnitte unterteilen. Der obere und mittlere Bereich, die beide in den Himmelsraum platziert sind, zeigen zahlreiche Buddhas, Bodhisattvas und Meditationsgottheiten (yi-dam), einige davon sind von Wolken umgeben; im unteren Bereich sind verschiedene erzählende Szenen in unterschiedliche Landschaftsformen eingebettet.
19
Ibid.: 8.
20
O-rgyan-gling-pa gilt als einer der acht großen gTer-ston. Über ihn ist wenig bekannt.
KAPSTEIN (2000: 166) erwähnt nur das Geburtsjahr 1323 als relativ gesichert. Das
Padma-bka'-thang soll ursprünglich von der tibetischen Gefährtin Padmasambhavas,
der Prinzessin Ye-shes-mtsho-rgyal, aufgeschrieben und als Schatztext verborgen
worden sein. – Die Padmasambhava-Biographie bildet den einen Teil des Paares,
welches insgesamt aus sechs Texten besteht und die bekanntesten Werke aus der Feder
des O-rgyan-gling-pa sind. Der andere, aus fünf Texten bestehende Teil ist das bKa'thang-sde-lnga, in dem verschiedene Ereignisse des Padma-bka'-thang aus anderen Perspektiven (des Königs, der Minister usw.) wiederholt werden. – Der volle Titel des
Padma-bka'-thang, auf dem die Übersetzung von Gustave-Charles TOUSSAINT fußt
(s. URGYAN LINGPA 1933), lautet: o-rgyan gu-ru padma 'byung-gnas kyi skyes-rabs
rnam-par thar-pa rgyas-par bkod-pa padma bka'i-thang yig. Es ist auch bekannt unter
dem Titel: pad-ma-bka'i-thang-yig yar-klungs-shel-brag-ma, weil es in der sog. Kristallhöhle im Yarlung-Tal entdeckt wurde.
21
Bei diesem Text handelt es sich um ein gTer-ma von sprul-sku bZang-po-grags-pa (s.
ESSEN/THINGO 1991: 8), einem gTer-ston des 14. Jhs. und Zeitgenosse des bekannteren Rig-'dzin-rgod-ldem (1337-1408), dem Finder des sog. „Nördlichen Schatzes“
(byang-gter). Der Text soll etwa um das Jahr 810 entstanden sein. Sein voller Titel
lautet: slob-dpon sangs-rgyas-gnyis-pa'i gsol-'debs le'u-bdun-ma.
22
ESSEN/THINGO 1991: 151.
Padmasambhava – Realität oderMythos?
215
Abb. 1 Padmasambhava als Padma-'byung-gnas. Thangka-Gemälde von Tzorkye
Dorje, Foto: Hans Meyer-Veden; IId 13781 c. Museum der Kulturen, Basel, Schweiz
Im Zentrum der Komposition befindet sich Padmasambhava in seiner Erscheinungsform als Padma-'byung-gnas in Vereinigung mit seiner Gefährtin23
23
ESSEN/THINGO (1991: 15) identifizieren die Gefährtin Padmasambhavas als Mandåravå.
In seinem Verzeichnis der Inschriften (S. 24) findet sie jedoch keine Erwähnung! Ich
vermute, dass die Autoren hier an die Begegnung Padmasambhavas mit der Prinzessin
des Königs von Za-hor denken. In dieser Episode soll das Paar lebendig verbrannt
werden, da die Liaison vom König und den Untertanen nicht gebilligt wird. Nachdem
der Scheiterhaufen abgebrannt ist, sitzt das Paar jedoch unversehrt auf einer Lotosblüte
in Mitten eines selbst entstandenen Sees (s. TSOGYAL 1996: 47ff.). Hier treffen wir auf
216
B. Galasek
(yab-yum24) (Abb. 2: Nr. 1-2). Die sexuelle Vereinigung (yuganaddha) von
Mann und Frau ist ein wichtiges Symbol im Vajrayåna-Buddhismus und bedeutet die harmonische Vereinigung von Gegensätzen und ihre Transzendierung hin zu einer höheren Ebene oder Sicht von Wirklichkeit. Auf der Ebene
der Mahåyåna-Lehre karu½å und ¸÷nyatå genannt, stellt es die (notwendige)
Verbindung von Methode und Weisheit, upåya und prajñå (thabs und shesrab) im Vajrayåna, zum Erreichen der Erleuchtung dar.25
Padma-'byung-gnas selbst ist von tiefblauer Körperfarbe, seine Gefährtin
weiß. Das Paar ist der Hauptaspekt auf diesem Thangka, das Hauptaugenmerk für den Betrachter, und verbindet schon durch die Größe seiner Darstellung die drei Bildbereiche (und somit symbolisch die drei Buddha-Zustände; s.u.) miteinander. Sie sitzen auf einer Mondscheibe inmitten einer geöffneten, mit vielfarbigen, goldumrandeten Blütenblättern versehenen Lotosblüte, deren Stängel aus einem in einer grünen Berglandschaft gelegenen See
aus dem unteren Bilddrittel emporwächst. Auf diesem wunderbaren Gewässer, das teilweise von Wolken umgeben ist, befinden sich Wasservögel, und
wunscherfüllende Juwelen tauchen daraus auf, was bedeutet, dass es sich
nicht um einen gewöhnlichen See handelt, sondern (wahrscheinlich) um den
See Dhanako¸a in U∙∙iyåna, dem wunderbaren Geburtsort Padmasambhavas
aus der Legende (s. URGYAN LINGPA 1933: Canto 14).
Von dem Paar gehen durch feine Wellenlinien in Goldfarbe angedeutete
Strahlen auf dem Hintergrund einer grünen Mandorla aus. Die Strahlen enden
an einem roten und einem blauen Band, welche die grüne Mandorla einrahmen, und setzen sich danach in einem äußeren, orangefarbenen Kranz fort.
(Bei genauerem Hinsehen entsprechen die Farben des Nimbus exakt denen
der Tathågatas darüber.) Padma-'byung-gnas hat einen orangefarbenen Nimbus mit blauer Umrandung und einem abschließenden Kranz aus goldenen
eine erste Ungereimtheit: Die verschiedenen Biographien und Darstellungen stimmen
an dieser Stelle nicht überein. Tatsächlich existiert aber in URGYAN LINGPA 1933: 207
auf dem dort reproduzierten Thangka, das den Aspekt Nyi-ma-'od-zer zeigt (Plate 13)
eine Darstellung von rDo-rje-'chang (Vajradhara) yab-yum in der linken oberen Ecke
des Bildes, die besagte Szene darstellen könnte. Sie ist leider nicht beschriftet.
24
„yab“ und „yum“ sind höfliche Ausdrücke für Vater bzw. Mutter im Tibetischen. In der
Ikonographie werden sie im Kompositum (yab-yum) zur respektvollen Bezeichnung
der Darstellung eines Buddha-Aspektes in sexueller Vereinigung verwendet.
25
Für eine ausführliche Darstellung hierzu s. DASGUPTA 1958: 90-121.
Padmasambhava – Realität oderMythos?
217
Spiralmustern.26 Er sitzt im vollen Lotossitz (vajråsana/rdo-rje skyil-krung).
Die Stabilität dieser Sitzhaltung wirkt durch eine dynamische Körperbiegung
nicht steif. Die daraus resultierende geschwungene Linie in der Körperachse
bewirkt eine Auflockerung und gleichzeitige Dynamisierung der Figur.
In seiner rechten Hand hält er, den Arm vom Körper weg erhoben, einen
fünfspitzigen vajra (rdo-rje rtse-nga) und in der Linken eine Glocke (gha½¶å/
dril-bu) mit der Öffnung nach oben vor seiner Brust bzw. vor dem Rücken
seiner Partnerin. Er ist geschmückt mit Seidengewändern und Juwelen, die
zusammen den Saºbhogakåya-Schmuck ausmachen.27 Padma-'byung-gnas
trägt ein fünfspitziges Diadem, bestehend aus fünf, von der Mitte nach außen
hin kleiner werdenden lanzettförmigen Einfassungen aus Gold, in denen sich
Edelsteine befinden, welche für die fünf Tathågatas stehen. Die Einfassungen
sind auf einem Seidenband befestigt, das als an seinem Hinterkopf verknotet
vorgestellt werden muss (wie z.B. bei tibetisch-buddhistischen Statuen zu
sehen). Hinter der Krone sind die Haare zu zwei Knoten auf dem Scheitel gebunden und mit Juwelen geschmückt. Der Gesichtsausdruck ist leider nicht
mehr klar zu erkennen, da das Thangka an dieser Stelle beschädigt ist. Es
müsste sich aber um einen friedvollen Ausdruck (zhi-ba) mit halb geschlossenen Augen handeln. Er trägt goldene Armreifen an den Handgelenken
(phyag-gdub).
Der rote, mit Gold durchwirkte Schulterüberwurf mit rosafarbenem Innenfutter und Goldborte stellt wohl eine Kombination aus ,Tanzjacke‘ (gar-gyi
phu-dung) und ,Seidenschal‘ (dpyang-bgrang) dar und gehört zum Saºbhogakåya-Schmuck. Von dem Überwurf, der fast bis zu den Ellbogen reicht,
setzen sich zu beiden Seiten flatternde Schärpen fort, die dem dargestellten
Aspekt zusätzliche Dynamik verleihen sollen. Man findet diese Art der Darstellung häufig auf osttibetischen Thangkas des 18./19. Jahrhunderts. Die
Beinkleider mit ihrem voluminösen Faltenwurf bestehen aus einem orange26
ESSEN/THINGO (1991: 17) interpretieren das Orange als eine Anspielung auf die Wesensgleichheit des Padma-'byung-gnas mit dem Bodhisattva Mañju¸rï, der links im Bild
dargestellt ist. Orange als Farbe für den Nimbus ist in der Tat eher ungewöhnlich (s.
LAVIZZARI-RAEUBER 1984: 109).
27
S. Glossar in KULTURSTIFTUNG 2006: 622. Dieser besteht (zumindest theoretisch) aus
13 Teilen (longs-spyod rdzogs-pa'i rgyan bcu-gsum): fünf verschiedenen Seidengewändern (dar-gyi chos-gos lnga) und dem achtteiligen Juwelenschmuck (rin-po-che'i
rgyan-brgyad).
218
Abb. 2
B. Galasek
Padmasambhava-Thanka aus Abb. 1 mit Nummerierung der Figuren
Padmasambhava – Realität oderMythos?
219
farbenen, ebenfalls golddurchwirkten, knöchellangen „Unterrock“ und einem
roten „Überrock“ mit grünem Saum und Goldborte.
Der Juwelenschmuck, den der männliche Aspekt (yab) am Oberkörper
tragen sollte, ist von seiner Gefährtin (2) verdeckt, die, ihm zugewandt, auf
seinem Schoß sitzt. Sie ist strahlend weiß und trägt als einzige Kleidungsstücke den Seidenschal (dpyang-bgrang) und ein kurzes, blaues Hüftgewand,
mit Gold bestickt und rotem Innenfutter versehen. Dieses ist wegen ihrer Sitzhaltung auf dem Schoß ihres Partners, in der sie ihre Beine um seine Körpermitte geschlungen hat, bis auf ihre Hüften hoch gerutscht. Die Gefährtin
(yum) vollzieht die gleiche Biegung im Oberkörper wie ihr yab, wodurch sie
eng an ihn geschmiegt wirkt. Hingebungsvoll hat sie den Kopf in den Nacken
gelegt und berührt mit ihren Lippen die seinen. Die Blicke des Paares scheinen sich ruhig und tief zu begegnen. Wo ihr Schal endet, ist nicht zu erkennen. In ihrer linken Hand hält sie eine mit Flüssigkeit (am¡ta?) gefüllte Schädelschale (thod-pa/kapåla), die sie ihrem Partner anzubieten scheint. Sie trägt
große, runde Ohrringe und die fünfspitzige Juwelenkrone (Diadem). Ihr
schwarzes Haar ist auf ihrem Kopf zu zwei Knoten zusammengebunden und
wird von goldenem Haarschmuck zusammengehalten. An ihrem linken Oberarm und Handgelenk trägt sie goldene Armreifen. Der rechte Arm ist nicht
zu sehen, da sie damit den Hals ihres Partners umschlingt.
Der Stängel des Lotos, auf dem das Paar sitzt, setzt sich in Form von
Lotosranken mit teilweise geöffneten, teilweise als Knospen erscheinenden
Blüten auf der mittleren Achse des Bildes nach oben hin fort, und verbindet
so die Figuren darüber mit dem zentralen, vereinigten Aspekt. Lotos und
Ranken durchziehen also auf der Mittelachse der Komposition die drei Bildbereiche und verbinden diese miteinander.
Durch dieses Element wird auch hier, in den oberen zwei Dritteln des
Bildes, eine hierarchische Gliederung deutlich gemacht, die für die Schule der
rNying-ma-pa typische Darstellung der spirituellen Übermittlungslinie: der
Ådi-buddha Kun-tu-bzang-po (Samantabhadra) (3), rDo-rje-sems-dpa' (Vajrasattva) (4) und gu-ru pad-'byung yab-yum28 (1-2) bzw. Padma-'byung-gnas
28
So lautet der Name des dargestellten Aspektes in der rückseitigen Bildinschrift (ESSEN/
THINGO 1991: 24). Beim Vergleich mit einer anderen Bildserie in URGYAN LINGPA
(1933: 196) fällt auf, dass ein unserem hier besprochenen Bildwerk entsprechendes
Thangka den Titel „Guru Urgyan Dorje Chang“ trägt. Die Bezeichnung Padma 'byunggnas jedoch bezieht sich auf eine völlig anders geartete Darstellung am oberen rechten
220
B. Galasek
sitzen auf Blüten ein und desselben Lotos. Sie entsprechen in der TrikåyaLehre (i.e. die Lehre von den drei Körpern bzw. Zuständen des Buddhas)
jeweils dem chos-sku (dharmakåya), longs-sku (saºbhogakåya) und sprul-sku
(nirmå½akåya).
Kun-tu-bzang-po (3) ist von tiefblauer Körperfarbe und nackt, auf einem
Lotos- und Mondthron sitzend. Im vollen Lotossitz hält er die Hände im
Schoß in der Meditationshaltung (dhyåna-mudrå). Direkt unter ihm befindet
sich der weiße Vajrasattva in Vereinigung mit seiner Gefährtin (Vajrasattvåtmikå) (4), ebenfalls auf einer Mondscheibe in einer geöffneten Lotosblüte
sitzend, welche zum Teil durch den auffälligen Kopfnimbus des Padma'byung-gnas verdeckt wird.
Wie mit dem Lotosstängel (s.o.) werden Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren auch durch Farben hergestellt: Die Mandorla der Zentralfigur
besteht aus den gleichen Farben wie die Körper der vier Tathågatas, die Kuntu-bzang-po und rDo-rje-sems-dpa' flankieren. Die vier Buddhas sitzen in
Vereinigung mit ihren jeweiligen Partnerinnen in runden, regenbogenfarbigen Lichtsphären (thig-le) und tragen Saºbhogakåya-Schmuck. Abgebildet
sind: (links neben Kun-tu-bzang-po) der goldene bzw. gelbe Ratnasambhava
(Rin-chen-'byung-gnas) mit seiner Gefährtin Måmakï (Må-ma-kï) (5), darunter der blaue Ak¹obhya (Mi-skyod-pa) mit Locanå (Sangs-rgyas-spyan-ma)
(6), (rechts neben Kun-tu-bzang-po) der rote Amitåbha ('Od-dpag-med/
sNang-ba-mtha'-yas) mit På½∙arå (Gos-dkar-mo) (7) und schließlich darunter der grüne Amoghasiddhi (Don-yod-grub-pa) mit Tårå (sGrol-ma) (8). Die
Tathågatas sind jeweils von vier Bodhisattvas in den vier Hauptrichtungen
umgeben. Man vermisst im Zentrum als fünften Buddha den weißen Vairocana (rNam-par-snang-mdzad) mit seiner Gefährtin Vajradhåtvï¸varï. Doch
dieser kann hier durch den ebenfalls als Saºbhogkåya-Aspekt dargestellten
Vajrasattva (6) „ersetzt“ werden.29
Bildrand: ein weißer, nackter, jugendlicher Buddha auf einem strahlend weißen Lotos
in der Mitte eines Sees sitzend, von einem Kreis aus regenbogenfarbigem Licht umgeben. Auf dem Gewässer sieht man Schiffe. Diese Szene entspricht also im Padmabka'-thang dem Canto 17 (URGYAN LINGPA 1933: 94).
29
Etwa ab dem 10. Jh. taucht im indischen Buddhismus das Konzept des Vajrasattva und
(wahrscheinlich etwas später) des Vajradhara als Ådibuddha auf. Zuerst wurde im
Verlauf der Entwicklung des Ådibuddha-Konzeptes diese Rolle dem im Zentrum des
Vajradhåtu-ma½∙ala residierenden Buddha Vairocana zugeschrieben. Manchmal wird
Padmasambhava – Realität oderMythos?
221
Im oberen Bildabschnitt, links und rechts der Tathågatas, befindet sich
eine Gruppe von jeweils vier tantrischen Meditationsgottheiten (yi-dam)
(9).30 Sechs von ihnen erscheinen sehr zornvoll (khro-ba) im Ausdruck,
Flammen umlodern sie, sie stehen im Ausfallschritt (pratyålï∙ha) auf Sonnenscheiben, die in Lotosblüten liegen, umarmen je eine Partnerin und alle
männlichen Aspekte haben zusätzlich Flügel auf ihren Rücken. Sie trampeln
kleine menschliche Figuren in die Sonnenscheiben. Alle sind mit dem
Schmuck der Leichenstätten geschmückt.31 Die beiden übrigen sind als der
friedvolle, rote Buddha Amitåyus (Tshe-dpag-med) im SaºbhogakåyaSchmuck und als die rote Form der Vajravåråhï eindeutig zu identifizieren.32
Es handelt sich bei diesen acht Gottheiten um die so genannten bKa'brgyad. Diese Meditationsformen wurden Padmasambhava in Indien von
acht verschiedenen Meistern im Zusammenhang mit acht Tantras überliefert
(s. hierzu KLAUS 1982: 59). Der (mythischen) Tradition zufolge gehen diese
auf den Ådibuddha Kunt-tu-bzang-po zurück, der diese dem rDor-rje-semsdpa' übermittelte. dGa’-rab-rdo-rje gilt in der rNying-ma-Tradition als der
erste menschliche Lehrer dieser yi-dam und ihrer sådhanas (sgrub sde
brgyad ) (ibid.: 57). In dieser Überlieferung gehören sie der Tantraklasse des
Mahåyoga an und werden wie folgt benannt:33
Vajradhara (in den gSar-ma-Schulen) oder Vajrasattva (häufiger in der alten Schule)
oberhalb von Vairocana angesiedelt, manchmal aber auch ganz ersetzt. In der späteren
Entwicklung ist bei der rNying-ma-Schule Samantabhadra der Ådibuddha, und Vajradhara kann zu seinem Saºbhogakåya-Aspekt werden (KLAUS 1982: 40 u. 47). Vgl.
hierzu SCHUHMANN 1986: 106, und BHATTACHARYYA 1964: 127.
30
Eine exakte Identifizierung aller yi-dam anhand der Publikation von ESSEN/THINGO
1991 war mir aufgrund von leichten Beschädigungen des Thangka an entsprechenden
Stellen nicht möglich. Da diese Aspekte aber bekannt sind und in entsprechender
Fachliteratur publiziert, habe ich mich hier auf ihre Nennung beschränkt.
31
Zu den „Neun Ornamenten der Leichenstätten“ (dur-khrod chas-dgu) s. Glossar in
KULTURSTIFTUNG 2005: 625.
32
Zu beachten ist, dass diese Aspekte in diesem Mahåyoga-Kontext der bKa'-brgyad,
also der „alten“ Überlieferung, andere Namen tragen (infra).
33
KLAUS 1982: 57ff., sowie Glossar in KULTURSTIFTUNG 2005: 621 („Acht SådhanaZyklen“). S. hierzu auch DAVIDSON 2005: 74ff.
222
B. Galasek
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Yamåntaka ('Jam-dpal-sku),
Hayagrïva (Padma-gsung),
˜rï-Heruka (Yang-dag-thugs),
Vajråm¡ta (bDud-rtsi-yon-tan),
Vajrakïla (Phur-pa-phrin-las) oder Vajrakumåra (rDo-rje-zhon-nu),
Måtaraµ (Ma-mo-rbod-gtong),
Vajramantrabhïru (dMod-pa-drag-sngags),
Lokastotrap÷ja ('Jig-rten-mchod-bstod).
Unterhalb von diesen, etwa auf einer Höhe mit der zentralen Figur, kann
man zwei weitere, in sich thematisch zusammenhängende Gruppen von Buddhas und Bodhisattvas erkennen. Auf der linken Seite befindet sich ein goldener Buddha ˜åkyamuni (10), auf Lotos und Mondscheibe in der vollen Lotos-Sitzhaltung (vajråsana) thronend, die Erdberührungsgeste (bh÷mispar¸amudrå) ausführend. Er hat Nimbus und Mandorla und sitzt vor (d.h. in!)
einem himmlischen Palast, der von Wolken umgeben ist. Links und rechts
unterhalb von ˜åkyamuni sieht man die beiden Bodhisattvas Mañju¸rï ('Jamdpal dbyangs) (11), erkennbar an seinen Attributen Schwert (kha∙ga/shesrab ral-gri) und Buch (pustaka/phyag-dpe), sowie Avalokite¸vara (sPyanras-gzigs) (12) in seiner vierarmigen Gestalt als ™a∙ak¹arï-Loke¸vara. Zu
ihren Füßen befinden sich zwei Adoranten; den Inschriften zufolge handelt
es sich um den Götter-König Indra (lHa-dbang-brgyal-byin) (13) und den
Någaråja Tak¹aka (Klu-rgyal-'gyog-po) (14).34 Diese Dreiergruppe steht für
die vom historischen Buddha ˜åkyamuni offenbarten (bzw. „wiederentdeckten“) Lehren.
Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich – in analoger Weise platziert und dargestellt – die zweite Dreiergruppe mit dGa'-rab-rdo-rje (15),
dem ersten menschlichen Lehrer auch der „Großen Vollkommenheit“ (tib.
rdzogs-pa chen-po oder kurz rDzogs-chen), an der Spitze. Er ist hier ikonographisch als Buddha mit weißer Köperfarbe dargestellt, trägt Roben und
hält in der Linken eine Almosenschale (påtra/lhung-bzed ), mit der rechten
Hand die Geste der Furchtlosigkeit (abhaya-mudrå) ausführend. Zu identifizieren ist er in dieser Darstellungsform an dem Haarknoten als ,Schädelwulst‘ (u¹½ï¹a). Unter ihm sind links sein Schüler Padmasambhava (16), in
34
ESSEN/THINGO 1991: 24, Nr. 46 u. 47.
Padmasambhava – Realität oderMythos?
223
der Kleidung des Königs von Za-hor als der „große Lehrer von O-rgyan“,35
und rechts daneben der Bodhisattva Vajrapå½i (Phyag-na-rdo-rje/Lag-nardo-rje) (17), in seiner blauen, friedvollen Form, dargestellt. Diese FigurenGruppe steht für die Übermittlung der Vajrayåna-, und insbesondere der
rDzogs-chen-Lehren, in unserer Welt.36
Die Beschreibung des unteren Bilddrittels (Abb. 3), also des „irdischen“
Bereichs des Thangka (18), soll zum besseren Verständnis des Dargestellten
im folgenden Abschnitt im Zusammenhang mit einer Zusammenfassung des
Inhalts der Szenerie erfolgen.
Der Mythos des Rudra
Der Mythos des Rudra ist der am häufigsten aufgenommene und modifizierte
Mythos im Diamant-Fahrzeug. Sein Vorläufer ist in den indischen Literaturen
des Vajrayåna zu suchen. Sein Ursprung in einem bedeutenden Text des esoterischen Buddhismus, dem Sarvatathågata-tattvasaºgraha (kurz: Tattvasaºgraha) aus dem 8. Jahrhundert. Dort wird die Unterwerfung und „Bekehrung“ des Hindu-Gottes Mahe¸vara (˜iva) durch den Buddha Vairocana, bzw.
– als Ausführenden – Vajrapå½i, erzählt.37 Mahe¸vara wird nach seiner voll35
KLAUS 1982: 26. Diese Darstellung Padmasambhavas ist wohl die bekannteste. Von
ihr existieren einige Varianten (s. SCHUHMANN 1986: 243ff.). Wenn er in ardhaparya¼ka-Haltung sitzt und den vajra drohend nach unten richtet, wird er sNang-sridzil-gnon („der [alle] Erscheinung und Existenz (saºsåra) (mit seiner Pracht) überwältigt“) genannt (KLAUS 1982: 41). Seine Kleidung besteht aus einem weißen (,geheimen‘) Untergewand (gsang-gos), einem blauen phod-ka (,Prunk‘-) Gewand, dem roten
Flickengewand der einfachen Mönche (chos-gos rnam-gsum) und einem schweren,
braunen Brokatumhang (ber-phyam/ber-dung) (ibid.: 110). Als Attribute hält er rechts
den fünfspitzigen vajra und in der Linken eine mit Unsterblichkeitsnektar (am¡ta)
gefüllte Schädelschale. In seiner linken Armbeuge lehnt ein (kha¶vå¼ga)-Stab als geheimes Symbol für seine tantrische Partnerin. Diese Kleidung wurde ihm in Anerkennung von dem König von Za-hor überreicht (URGYAN LINGPA 1933: Canto 41).
36
Zur rDzogs-chen-Übertragungslinie s. KLAUS 1982: 30, sowie für einen kurzen Überblick NAMKHAI NORBU 1999: 243-247.
37
S. DAVIDSON 1991. Die Form des Mythos zeigt die offensichtliche Rivalität zwischen
hinduistischen und tantrisch-buddhistischen Strömungen des indischen Mittelalters.
Jede der beiden Seiten versuchte, die Gottheiten des anderen Systems in Form von
Mythen zu unterwerfen und in das eigene einzuverleiben, um so seine Überlegenheit
zu demonstrieren. S. dazu auch SCHNEIDER 1995.
224
B. Galasek
ständigen Unterwerfung durch Vajrapå½i schließlich – nach seiner Segnung
durch denselben – zum Tathågata Bhasme¸vara-nirgho¹a.38 Anschließend
werden noch die anderen (weltlichen) Götter wie Nåråya½a (Vi¹½u, K¡¹½a?)
usw. dazu gezwungen, das Ma½∙ala zu betreten und ,vereidigt‘, ihre Zuflucht
zu Buddha, Dharma und Sa¼gha zu nehmen. Als Verifikationsinstrument
dient dieser Mythos auch in dem bedeutenden Lehrzyklus des Cakrasaºvara,
wo er die Geburt des Heruka beschreibt.39 Die gewalttätigeren Ausformulierungen finden sich in zwei späteren Texten, dem Candraguhyatilaka-mahåtantraråja und – noch extremer – im Guhyagarbha-tattvavini¸caya. Auf diese
Vorlagen dürfte die Version des Padma-bka'-thang zurückgehen.40 Die folgende Zusammenfassung der Geburt Rudras und seiner anschließenden
Unterwerfung folgt den Cantos 5 und 6 des Padma-bka'-thang.41
38
[...] tac ca vajrapå½i-påda-tala-spar¸am anuttara-siddhy-abhi¹eka-samådhi-vimok¹adhåra½ï-jñånåbhijñåvåptaye yåvat tathågatatvåya saºv¡tta iti/ atha mahådevo bhagavat-påda-tala-spar¸åt sarva-tathågata-samådhi-dhåra½ï-vimok¹a-sukhåny anubhavanta mahå-deva-kåyaº vajrapå½i-påda-m÷le nipåtayitvå, adhaståd dvåtri»¸adga¼gå-nadï-vålukopama-lokadhåtu-paramå½u-rajaµ-samå [sic!] lokadhåtavo-'tikramya, bhasma-cchatrå nåma lokadhåtus tatra bhasme¸vara-nirgho¹o nåma tathågata
utpannaµ/ [...] (CHANDRA 1987: 59, 6-10). Vgl. hierzu auch die Version im Kåra½∙avy÷ha S÷tra, wo Mahe¸vara (˜iva) eine Prophezeiung (vyåkara½a) seiner zukünftigen
Buddhaschaft als der Tathågata Bhasme¸vara von dem Bodhisattva Avalokite¸vara
erhält (VAIDYA 1961: 303, 32 bis 304, 10). S. hierzu auch STUDHOLME 2002: insbes.
S. 31.
39
DAVIDSON 1991: 204. Interessanterweise kann DAVIDSON für diese Version nur tibetische Quellen ausfindig machen (ibid.: fn. 14). Es ist also möglich, dass diese Form
des Mythos in Tibet nach indischen Vorbildern (z.B. den Purå½as) entstanden ist. S.
hierzu z.B. DAVIDSON 2002: 72-73 usw.
40
DAVIDSON 1991: 203-04, sowie fns. 11, 12 u. 13. Besonders prominent ist im Candraguhyatilaka wie im Padma bka'-thang das wiederkehrende Motiv des „Verdauens“: Im
Candraguhyatilaka verspeist Heruka Mahe¸vara und scheidet ihn anschließend wieder
aus. Das erneute Verspeistwerden Mahe¸varas von einer Figur aus dem niederen
Gefolge Herukas reicht dann für seine endgültige Unterwerfung aus!
41
Bzw. der Übersetzung in URGYAN LINGPA 1933: 26-47. Die Wiedergabe der tibetischen und indischen Namen wurde aus der englischen Übersetzung The Life and Liberation of Padmasambhava der französischen Originalausgabe von Gustave-Charles
TOUSSAINT (s. URGYAN LINGPA 1933: Literaturverzeichnis) übernommen. Wie KAPSTEIN (2000: Ch. 9, fn. 26) angemerkt hat, sollte man der Verlockung widerstehen, die
Namen in TOUSSAINTs Übersetzung und Interpretation zu übernehmen, da sie nicht als
textkritisch gesicherte Lesarten gelten können.
Padmasambhava – Realität oderMythos?
225
Die ersten Kapitel des Padma-bka'-thang stellen eine Art Ursprungsmythos dar. Zu Beginn der Geschichte des Rudra wird der Leser über den
zeitlichen Abschnitt, in dem sich die Geschichte ereignet, informiert. Es ist
das Ende der Ära des Samantabhadra. Da Samantabhadra der Ådibuddha ist,
kann man davon ausgehen, dass es sich hier um eine „Zeit jenseits der Zeit“
handelt, also eigentlich zum einen um eine Zeit vor der unseren, zum anderen
aber auch um einen Vorgang jenseits der Zeit.42
Im Land Dujong Tsam lebte ein Haushälter namens Kaukåla. Der hatte
einen Sohn und einen Diener, Kau Kuntri und Brahmadeva. Padmasambhava
nahm die Gestalt des Lehrers und Mönchs Tubka Shunukyuwa an (Szene im
kleinen Tempel, am linken Bildrand etwa in der Mitte des Thangka) (a). Als
dieser hatte er aufgrund seiner Fähigkeiten große Berühmtheit erlangt. Der
Sohn und der Diener machen sich nun auf, um bei diesem Meister in die Lehre zu gehen, um ebenfalls die Befreiung zu erlangen. Nachdem er sie angenommen hat, werden sie ordiniert, und Kau Kuntri erhält den Namen Tarpa
Nakpo, Brahmadeva den Namen Den Pag (der Tempelkomplex darunter). Sie
folgen den Ausführungen Tubka Shunukyuwas, doch schon bald kommt es
bei Tarpa Nakpo zu einem falschen Verständnis des Gehörten. Die Lehre des
Meisters über die mühelose, von allem Relativen – sogar von jeglichem
Ethik-Begriff – freie Qualität des Absoluten versteht Tarpa als Freibrief, einfach das zu tun, wonach es ihn gerade verlangt und wie es seinen üblen Neigungen entspricht, ohne jedoch diesen absoluten Zustand wirklich in sich
selbst kultiviert oder verstanden zu haben.43 Den Pag jedoch, obwohl er äußerlich nicht von einem gewöhnlichen Mann zu unterscheiden ist, lebt innerlich in vollkommenem Einklang mit den wahren Lehren. Es ergibt sich, dass
Tarpa Nakpo und Den Pag sich wegen ihres unterschiedlichen Verhaltens
auseinander leben, und schließlich kommt es zwischen ihnen zum offenen
42
Jedenfalls kann es sich nicht um historische Zeit handeln, denn es ist in den Listen der
Vorzeitbuddhas kein Buddha mit dem Namen Samantabhadra vorhanden (vgl. SCHUHMANN 1986: 82). Siehe hierzu auch infra.
43
“In the Uncontrived Nature of Existence, in order that attachment to the four realities
may be nothing more than a cloud in the sky, there is the road of Holy Application. If
one does not know it, there is no other order of views in the three worlds.” (URGYAN
LINGPA 1933: 27-28). Nach dem Padma-bka'-thang ist Tubka mitnichten ein „Irrlehrer“, wie es bei ESSEN/THINGO (1991: 18) heißt. Seine Lehren werden lediglich falsch
verstanden.
226
B. Galasek
Abb. 3 Detail von Abb. 2
Streit über die unterschiedlichen Positionen (in dem dreistöckigen Palast links
im Bild) (b). Die Meinungsverschiedenheit ist unauflösbar für die beiden,
und sie tragen ihren Disput vor ihren Meister. Als dieser Den Pags Sicht als
korrekt bestätigt, wird Tarpa so wütend, dass er die Verbindung zu seinem
Meister und seinem Diener völlig abbricht, sogar schwört, den Meister Tubka
Shunu zu vertreiben. Fortan gibt sich Tarpa allen nur üblen Taten hin, von der
Jagd bis hin zum Menschenmord (Szenen um das dreistöckige Gebäude links
im Bild; Den Pag versucht noch beschwichtigend einzugreifen, während
Tarpa auf einen nackten, am Boden liegenden Menschen einprügelt) (c).
Sein äußerst negatives Verhalten über einen sehr langen Zeitraum führt
dazu, dass er fortan, für die Dauer von 20.000 Existenzen, in niederen Daseinsbereichen wiedergeboren wird (URGYAN LINGPA 1933: 31). Diese umfassen die Bereiche der verschiedenen Tierwelten, der hungrigen Geister
(preta) und der zahlreichen buddhistischen Höllenvorstellungen (unten links
jeweils der Reihe nach untereinander dargestellt, beginnend mit dem Reich
Padmasambhava – Realität oderMythos?
227
der Tiere zu Land und im Wasser: die Hungergeister z.B. sind als Wesen mit
sehr kleinen Mündern und riesigen Mägen zu sehen. Darunter sieht man verschieden Höllendarstellungen44) (d).
Schließlich, im Zwischenzeitalter (antarakalpa) nach dem Buddha Dïpaºkara und vor dem Erscheinen des historischen Buddha ˜åkyamuni, erscheint in dem Land der Menschenfresser mit dem Namen La¼kåpura Tarpa
Nakpo wieder in der Menschenwelt als Sohn der Kurtisane Kuntugyu. Diese
hat im Verlauf einer Nacht Verkehr mit einem Måra, einem Dämon und
einem Geist. Doch aufgrund dieser Verbindungen gebärt sie nach neun Monaten keinen menschlichen Sohn, sondern ein Monstrum mit drei Köpfen,
sechs Armen, vier Beinen, drei Augen in jedem Kopf und Flügeln, die aus
seinem Rücken wachsen (auf dem Thangka in der Szene auf dem Hügel
unterhalb des Sees, aus dem der Lotos von Padma-'byung-gnas wächst, dargestellt) (e). Die Geburt ist von vielen schlechten Omen begleitet, zahlreiche
Krankheiten breiten sich in La¼kå aus, Kriege und Hungersnöte brechen aus.
Neun Monate nach der Geburt wird das „Kind“ jedoch krank, und die Mutter
Kuntugyu stirbt. Die Leute des Landes beschließen, das Unglück bringende
Monster zusammen mit seiner Mutter auf einem Furcht erregenden Leichenacker in einem Steingrab einzuschließen (Szene rechts neben den Höllendarstellungen) (f). Doch der Sohn Kuntugyus überlebt, indem er sich von der
Leiche seiner Mutter 42 Tage lang ernährt. Und er wächst und wächst und
zertrümmert schließlich das Grab. Er streift sich die Haut seiner Mutter über,
benutzt Schlangen als Arm- und Fußreifen und Halsketten. Er isst einen toten
Elefanten auf und trägt dessen Haut als Umhang und das Fell eines Tigers,
dessen Blut er getrunken hat, um die Hüfte.45 Um seinen Hals trägt er eine
Girlande aus abgeschlagenen Menschenköpfen. Seine Erscheinungsform (19)
ist in jeder Weise schrecklich, und aus all seinen Körperöffnungen entlässt
er Krankheiten und übelste Gerüche. So durch die Lande ziehend, wird er
Måtaraºga genannt („der seine Mutter verzehrt hat“; URGYAN LINGPA 1933:
44
Zu den buddhistischen Höllenzuständen und ihren Beschreibungen s. GAMPOPA 1989:
70-75.
45
Die Verwandtschaft mit den zornvollen Gottheiten der bKa'-brgyad ist hier schon
offensichtlich. Sie entspricht dem Prinzip der Anuttara- bzw. Yoginï-Tantras: “[...]
Heruka has preached the Yoginï-tantras specifically to convert all those addicted to
perversity. Heruka intentionally imitates their behaviour and espouses its practice to
win their commitment to the Buddhist dispensation.” (DAVIDSON 1991: 204).
228
B. Galasek
34), und er versammelt eine riesige Armee von nicht-menschlichen Geisterwesen um sich (g), um die ganze Welt zu erobern in seinem grenzenlosen
Stolz, der seinen Geist verdunkelt. Er erfährt von einem letzten würdigen
Gegner auf Erden: dem König der Menschenfresser im Lande La¼kå, der auf
dem Berggipfel Malaya im Lande Chan Lag auf dem roten Plateau lebt und
ein berühmter Schüler des Vorzeitbuddha Dïpaºkara ist. Rudra führt sein
wildes Geisterheer gegen diesen (am rechten Bildrand in der Landschaft aus
roten Felsen dargestellt) (h) und unterwirft ihn schließlich. Doch damit nur
kurzeitig zufrieden gestellt, greift er die Welt der Titanen (asura) an. Den
König der Halbgötter tötet er diesmal nicht mit roher Gewalt, sondern mit
seinem Atem, der alle Arten von Krankheiten enthält. In der besiegten Welt
der Halbgötter errichtet Rudra seinen Palast, der mit menschlichen Schädeln
geschmückt ist (oberhalb der roten Felsenlandschaft) (i).
Von seiner Festung aus aber kann Rudra den Berg Meru (20) sehen, wo
die Götter leben, und voller Wut ruft er: „Gibt es in dieser Welt einen, der
größer ist als ich, Rudra, der seine Mutter verspeist hat?“ (ibid.: 38). Da umarmt ihn jedoch Dampa Tokar, der zu dieser Zeit den Thron des Dharma im
Trayastriº¸a, dem „Himmel der 33 Götter“, innehat,46 als wolle er ihn ins
Universum werfen (ibid.). Er zeigt Rudra, der nun in dieser Lage schwach ist,
die Negativität seines Verhaltens auf. Rudra kann Dampa Tokar nicht besiegen. Dieser macht daraufhin die Voraussage (lung-bstan), dass jener besiegt
werden wird. Mitun Nyenpo (?) wird sich als Dorje Tagochen inkarnieren,
Den Pag als der Tathågata Vajrapå½i und Tubka Shunukyuwa wird Vajrasattva in tiefer Meditation sein. Er selbst wird als ein weißer Elefant (21) in
Måyådevï eingehen, um sich als vollkommen Erwachter in dieser Welt zum
Nutzen aller Wesen zu manifestieren (ibid.: 39). So wird ein neues Weltzeitalter (kalpa), in dem der Buddha-Dharma vorhanden ist, eingeleitet.
46
Durch den „Himmel der Dreiunddreißig“ wird hier auf die Episode in der Buddha-Vita
angespielt, in der der Buddha diesen Himmel besucht, um seiner Mutter, die nach
ihrem Tod dort wiedergeboren wurde, den Dharma zu lehren (s. SCHUHMANN 1986:
64). Ich gehe aber davon aus, dass hier eigentlich, weil im Verlauf der Geschichte
Dampa Tokar in Form eines weißen Elefanten in den Mutterschoß der Måyådevï eingehen wird und somit bekanntermaßen als der Buddha ˜åkyamuni Geburt annimmt,
der Tu¹ita-Himmel gemeint sein müsste, da alle zukünftigen Buddhas die Zeit bis zu
ihrem Erdenauftritt dort verbringen. Zurzeit hält sich der Tradition zufolge der Bodhisattva Maitreya dort auf (ibid.: 139).
Padmasambhava – Realität oderMythos?
229
Alle Buddhas des Dharmakåya, Saºbhogakåya und Nirmå½akåya versammeln sich nun (20) und beschließen, aus Mitgefühl, zum Wohl der Wesen
und des Dharma, Rudra endlich zu unterwerfen. Die Versammlung der Buddhas erteilt Tubka die Weihe in Vajrasattva und Den Pag die in Vajrapå½i
und bestimmt diese beiden dazu, Rudra in der Form des Hayagrïva (rTamgrin) und seiner Partnerin Vajravåråhï (rDo-rje-phag-mo) zu vernichten
(ibid.: 42). Sie fliegen zum Malaya-Gipfel, wo die Festung Rudras steht, und
verwandeln sich in rTa-mgrin yab-yum (dargestellt im vereinigten, zornvollen
Buddha-Aspekt in dem mit Schädeln verzierten Palast in der Burg Rudras,
oberhalb der Darstellung des roten Gebirges) (i). Sie dringen durch die unteren Öffnungen in Rudras Körper ein, und dadurch, dass sie sich in demselben
aufrichten und ausdehnen, erleidet dieser unerträgliche Hitze und Schmerzen.
Er stürzt, überwältigt, tief in das Reich der Någas. Dort entsteht ein Wünsche
erfüllender Baum, der bis in das Reich der der asuras hinaufreicht. Tubka
und Den Pag segnen alle Aspekte (Körper, Rede, Geist etc.) Tarpa Nakpos
und kehren zurück in die Dharmakåya-Ebene der Existenz (ibid.: 44). Aber
Tarpa ist noch nicht völlig besiegt. Seine Armee von Geistern, die sich auf
Rudras Hilferuf hin versammeln, wird unterworfen. Dann schleudert Vajrapå½i ihn in seine Festung zurück und unterwirft ihn dort vollständig, bindet
ihn per Versprechen an den Dharma und weiht seinen Körper, seine Rede und
seinen Geist, nachdem Rudra seine Missetaten bekannt und bereut hat. Von
nun an existiert er als der Schützer der budhhistischen Lehren (dharmapåla)
Mahåkåla (ibid.: 45f.).
Auf dem Thangka gibt es noch eine zusätzliche, im Padma-bka'-thang
nicht erwähnte Szene: An der Mauer der Rudra-Festung kann man den yidam Vajrakïla (phur-pa-phrin-las) (22) erkennen. Dieser soll den unterworfenen Körper Rudras in acht Teile zerteilt und diese auf die acht Leichenstätten
verteilt haben.47
Die acht Leichenstätten, auf denen im späteren Verlauf seiner Lebensgeschichte Padmasambhava dann die Ermächtigungen in die bKa'-brgyad
47
ESSEN/THINGO 1991: 21 (ohne Angabe einer Quelle für diese Aussage). Es erscheint
aber angesichts der Tatsache, dass auf dem Thangka die acht Leichenstätten abgebildet
sind, einleuchtend. Im Padma-bka'-thang ist diese Episode nicht beschrieben. Dort
wird lediglich erwähnt, dass durch die Unterwerfung Rudras die acht Aspekte der
bKa'-brgyad auf den acht Leichenstätten entstanden seien (URGYAN LINGPA 1933: 44),
aber nicht, wie das geschah.
230
B. Galasek
erhalten und seine Lehrtätigkeit entfalten wird, sind am unteren Rand des
Thangka rechts (j) dargestellt: Thukara (tho-gar-yul), Ceylon (sing-ga-la-yiyul), Khotan (li-yul), Zahor (za-hor-yul), Ka¸mïr (kha-che'i yul), O∙iyåna
(o-rgyan-yul), Nepal (bal-yul) und Bengalen (bha-ga-la'i yul).48
Ein buddhistischer Schöpfungsmythos und die
Lösung eines ontologischen Problems
Es stellt sich nun die Frage, wie man das auf diesem Thangka Dargestellte
verstehen kann, welche Bedeutung es für die Figur des Padmasambhava hat,
die in der Einleitung kurz skizziert wurde.
Zunächst muss aber die Frage geklärt werden, um welchen Aspekt des
Gurus es sich hier eigentlich handelt. ESSEN/THINGO (1991: 15-24) gehen davon aus, dass hier Padmasambhava als mTsho-skyes-rdo-rje dargestellt ist.
Dies stimmt jedoch weder mit unserer Quelle für die Lebensgeschichte des
Gurus, dem Padma-bka'-thang, noch mit dem Vergleichsmaterial überein.
Wie bereits oben erwähnt (s. Fn. 28), trägt das unserem Bild entsprechende Thangka einer ähnlichen Serie in TOUSSAINTs Padma-bka'-thang-Übersetzung (s. URGYAN LINGPA 1933: 196) die Bezeichnung „Guru Urgyan Dorje
Chang“. Der Titel mTsho-skyes-rdo-rje bezieht sich auf die Darstellung eines
nackten weißen Buddha am oberen rechten Bildrand. Diese Darstellung entspricht dem Canto 17 im Padma-bka'-thang, in dem der König Indrabh÷ti bei
seiner Rückkehr von der Juweleninsel einen auf magische Weise geborenen
Jungen (=Padmasambhava) in einer Lotosblüte sitzend entdeckt und an Sohnes statt annimmt (ibid.: 95). Es handelt sich also um ein Kind, und nicht um
eine Saºbhogakåya-Emanation in yab-yum. Wie ebenfalls schon oben an
derselben Stelle erwähnt, findet sich der Name mTsho-skyes-rdo-rje auch
nicht in dem Inschriftenverzeichnis zu diesem Thangka in ESSEN/THINGO
(1991: 24). Ein weiterer Beleg für die Bezeichnung „Guru Urgyan Dorje
Chang“ findet sich in einer Illustration zu der Lebensgeschichte der Ye-shes-
48
ESSEN/THINGO 1991: 24, Nr. 19-26. In diesen Ländern verweilte Padmasambhava auf
den verschiedenen Leichenstätten, wo er Einweihungen und Belehrungen von —åkinïs
sowie seine „acht Namen“ (mtshan-brgyad) (Erscheinungsformen) erhielt. S. URGYAN
LINGPA 1933: Cantos 28-34.
Padmasambhava – Realität oderMythos?
231
mtsho-rgyal. Dort wird eine ähnliche Darstellung im Dreiviertel-Profil als
„Orgyan rDo-rje 'Chang“ bezeichnet.49
Zieht man Christa KLAUS' partielle Rin-chen gter-mdzod-Übersetzung
(1982) zu Rate, so zeigt sich, dass keines der sådhanas, in denen Padmasambhava als mTsho-skyes-rdo-rje beschrieben wird, mit der hier vorliegenden Darstellung übereinstimmt.50 Allerdings ergibt sich meist Übereinstimmung mit Texten, in denen rDo-rje-'chang oder Padma-'byung-gnas erwähnt
sind.51 Der auf unserem Thangka dargestellte Aspekt ist eigentlich deckungsgleich mit der ikonographischen Beschreibung Vajradharas.52
Es spricht also einiges dafür, den hier besprochenen Aspekt als Padmasambhava in der Form des (O-rgyan-)rDo-rje-'chang zu deuten. Diese Annahme erhält zusätzliche Unterstützung, wenn man sich in Erinnerung ruft,
an welcher Stelle wir uns im auf dem Thangka illustrierten Mythos befinden.
Die Episode der Unterwerfung des Rudra spielt sich am Ende des Zeitalters
Samantabhadras ab (URGYAN LINGPA 1933: 26-46, Cantos 5 u. 6). Die Manifestation Padmasambhavas als mTsho-skyes rdo-rje in der Welt findet aber
erst später statt (ibid.: 83 u. 94f., Cantos 13 u. 17).
49
SNYING-PO 1983: 10. Eine dieser wiederum ähnliche Darstellung findet man in
SCHUHMANN 1986: 248 (245).
50
KLAUS 1982: 40, 45 (aus der zu diesem Text gehörenden Tabelle auf S. 49 ist ersichtlich, dass der hier beschriebene Aspekt von weißer (!) Körperfarbe sei, als Attribute in
der rechten Hand einen vajra vor dem Herzen und in der linken eine Langlebensvase
in der Geste des Gleichmuts halte), sowie 89 und 119.
51
Ibid.: 41 (Text 9.7: Padma-thod-phreng-rtsal (=Nirmå½akåya-Form des Padmasambhava als Vereinigung aller Buddhas der zehn Richtungen; Ikonographie cf. supra, Fn.
35) verwandelt sich dort in Vajradhara; seine Gefährtin heißt hier rDo-rje-phag-mo);
47 (Text 6.1), 50 ([20a] u. [20b] entsprechen abgesehen von ,Drohgeste‘ und ,Knochenschmuck‘ eher unserer Darstellung); 45 (Text 11,1) u. 54 (Verschmelzung der Aspekte Padma-'byung-gnas, Kun-tu-bzang-po und rDo-rje-'chang zu Padma-kun-tu'chang, stellt den Dharmakåya dar und seine Gefährtin ist dByings-phyug-ma (Vajradhåtvï¸varï); 57 u. 62 (Text 8.2: dort ist rDo-rje-thod-phreng-rtsal als die Vereinigung
von Padma-'byung-gnas und Kun-tu-bzang-po in der Form von Kun-tu-bzang-po
(Vajradhara) mit rdo-rje und Glocke seine yum umarmend beschrieben; ein Hinweis
darauf, dass diese Formen untrennbar voneinander sind), 98 (zu Text 6.2).
52
Vgl. SCHUHMANN 1986: 108-109. Die Abweichung, dass die Arme Padma-'byunggnas’ auf unserem Thangka nicht überkreuzt sind, lässt sich dadurch erklären, dass die
überkreuzten Arme die Vereinigung des männlichen und weiblichen Prinzips darstellen
(zung-'jug). Ist die yum jedoch mit dargestellt, kann dieses Element entfallen.
232
B. Galasek
Man könnte jedoch einwenden, dass auf dem Thangka auch Aspekte dargestellt sind, die ebenfalls erst im späteren Verlauf des Padma-bka'-thang in
Erscheinung treten. Im Laufe meiner Interpretation wird dieser Einwand vielleicht geklärt werden.
Wenn man sich bei der Deutung dieses Thangka näher an die doktrinäre
Ausrichtung der rNying-ma-Schule anlehnt – und insbesondere an die Lehre
von der „Großen Vollkommenheit“ (rDzogs-chen) – als an das allgemein bekannte buddhistische Weltbild,53 könnte sich folgendes Bild ergeben: Vor dem
Auge des Betrachters entfaltet sich ein so genannter Schöpfungs- oder Ursprungsmythos.54 Dieser soll eine Erklärung dafür liefern, wie bestimmte
buddhistische Lehren – hier: bestimmte Tantras, insbesondere die bKa'-brgyad
und das rDzogs-chen – in die uns bekannte Welt kamen. Von den Vorläufern
oder möglichen Modellen hierfür war weiter oben schon die Rede (s. S. 223224). Dabei haben wir es hier genau genommen mit einer Kombination zweier
Mythen zu tun. Der Rudra-Mythos ist eine Beschreibung dafür, wie ,das Böse‘
(= Rudra) in die Welt kam. Oder in anderen Worten: Er beschreibt saºsåra
und seine Entstehung (auch wenn es sich hier zugegebenermaßen um ein
äußerst dramatisches und brutales ,saºsåra‘ handelt). Der zweite ist in den
oberen zwei Dritteln des Thangka dargestellt. Matthew KAPSTEIN (2000: 168)
hat ihn „den Mythos des Samantabhadra“ genannt. Er stellt die für die
rNying-ma-pa- bzw. rDzogs-chen-Tradition eigentümliche Antwort auf grundlegende ontologische Probleme und Fragestellungen des Buddhismus dar. Die
gesamte Existenz (saºsåra wie nirvå½a) geht aus einem einzigen Urgrund
(gdod-ma'i gzhi) hervor. Dieser ist der Grund des Individuums wie des gesamten Universums (NAMKHAI NORBU 1998a: 96), und er ist vollkommen jenseits
53
Was das meiner Meinung nach bei ESSEN/THINGO (1991: 17-23) der Fall ist.
54
Die Funktion von Mythen im Buddhismus unterscheidet sich z.B. von der in den Religionen des Nahen Ostens. Hier ist die Funktion von Mythos gemeint, wie sie DAVIDSON formuliert hat: “Specifically, the ideology of an encapsulated temporal sequence,
involving a definite creation event, a closed revelation, and an approaching millenium
are all foreign to Buddhist mythic processes, which verify an open-ended spatio-temporal system wherein all phenomena continually participate in the expression of truth.
In general, Buddhist myth does not reveal a cosmology of creation and judgment, with
all the attendant personality issues of creator and soul. Instead, it seeks to focus the
attention of the audience on paradigms exemplifying the potential for immanent
rectification [...]. Thus, [...], Buddhist myths partly reinforce and are partially informed
by the doctrinal structure; [...]” (DAVIDSON 1991: 197-198).
Padmasambhava – Realität oderMythos?
233
von Zeit, oder er ist „unbestimmte Zeit“ (dus-med/ ma-nges-pa'i dus). Und
eben das ist die ,Zeit‘, in der sich die in der oberen Hälfte des Thangka dargestellten Episoden ereignen. Der Urgrund ist seinem Wesen nach leer (ngobo stong), besitzt jedoch unbegrenzte Potentialität (chos ci-yang 'char-pa/ciyang snang-ba), alles kann sich aus/in ihm manifestieren. Das wird auch seine
„Natur“ oder „Klarheit“ (rang-bzhin gsal) genannt. Diese Kraft, die das dem
Urgrund innewohnende Potential ,erwecken‘ kann, wird rtsal genannt und
besitzt zudem aus sich selbst die Eigenschaft, sich selbst erkennen zu können
(rang-ngo-shes). Weil sie dem zeitlosen Urgrund immanent ist, welcher vollkommene Buddhaschaft ist, muss auch diese Selbsterkenntnis Buddhaschaft
sein. Und Samantabhadra ist diese uranfängliche Erlangung der Buddhaschaft
und der Selbsterkenntnis (rig-pa)55 des Urgrundes. Er enthält und drückt natürlicherweise die auch in den anderen tibetisch-buddhistischen Traditionen
bekannten drei Körper (sku-gsum/trikåya) aus.
Die Entsprechungen zu diesem Modell sind also nun wie folgt: Die tiefblaue Farbe des Körpers Samantabhadras wie auch des Vajradhara sind ein
Symbol für die ,unveränderliche dharmatå‘ (chos-nyid 'gyur-med) und damit
für den Dharmakåya (KLAUS 1982: 127, 4.2). Padmasambhava als Vajradhara stellt zwar hier den Saºbhogakåya-Aspekt des Samantabhadra dar, ist aber
eigentlich nicht verschieden von ihm. Samantabhadra stellt in der rNying-maTradition auch die Quelle des Stromes der Übermittlung der Lehren dar: Er
übermittelte die Erkenntnis direkt ,von Geist zu Geist‘ dem Saºbhogakåya
Vajrasattva (= rgyal-ba'i dgongs-brgyud). Dieser offenbarte sie auf symbolische Art und Weise (= rig-'dzin brda-bgyud) (z.B. in Form der bKa'-brgyad
in unserem Thangka) dem Nirmå½akåya dGa'-rab-rdo-rje, welcher sie wiederum an die Folge der menschlichen Halter dieser Tradition weitergab
(gang-zag snyan-brgyud), wie z.B. Padmasambhava.56 Diese Übermittlung
wird in dem Thangka (der Reihe nach) durch Samantabhadra an der Spitze,
Vajrasattva darunter, den bKa'-brgyad, die wie im ,tibetischen Totenbuch‘
(Bar-do thos-grol) auch direkte Emanationen des Samantabhadra sein
können,57 und schließlich der Dreiergruppe am rechten Bildrand in der Mitte,
55
Zu rig-pa cf. DAVIDSON 2005: 235-242.
56
Vgl. hierzu KAPSTEIN 2000: 164, KLAUS 1982: 57, sowie NAMKHAI NORBU 1998b: 28.
57
KULTURSTIFTUNG 2005: 386.
234
B. Galasek
dargestellt.58 Die vier bzw. (mit Vajrasattva in der Mitte) fünf Tathågatas sind
schon durch ihre farbliche Korrespondenz als zu Vajradhara gehörig zu erkennen. Er besitzt das Wesen aller Tathågatas. Sie sind seine Emanationen.
Die Übertragungslinie ist hier also nicht linear von oben nach unten zu lesen
(wie man ,gewohnheitsmäßig‘ beim Betrachten eines Thangka zur Feststellung der Zugehörigkeit und/oder Übertragungslinie des dargestellten Aspektes geneigt ist). Vielmehr ist Padmasambhava als Vajradhara im Zentrum des
Bildes als das bewusste Prinzip des Urgrundes selbst zu sehen, als nicht verschieden von ihm.59 Er ist das Prinzip der Erleuchtung, jenseits von Zeit (dusmed) und daher ständig vorhanden. Er muss nur erkannt werden.
Doch das geschieht nicht selbsttätig, denn der Grund (gzhi) bzw. das
Prinzip des rtsal bringt gleichzeitig damit, dass es sich selbst erkennt, auch
ein Erkennen hervor, das sich nicht selbst erkennt; somit verkennt es, dass
eine Einheit mit dem Urgrund besteht, und so werden die Emanationen für
etwas Wesensfremdes gehalten, für das „Andere“, und „Verwirrung“ (tib.
'khrul-pa) entsteht als Grundlage für saºsåra (KAPSTEIN 2000: 169). Das ist
Rudra, dessen Entstehung in eindrücklicher Weise im Padma-bka'-thang als
das Missverständnis des Tarpa Nakpo, seine Unwissenheit (ma-rig-pa) in Bezug auf Tubka Shunukyuwas Lehren über die absolute Natur der Dinge, erzählt wird. Die Erkenntnis, dass dem Urgrund beides innewohnt, Verwirrung
wie Erwachen, ist die Grundlage für die Auffassung in den rDzogs-chenLehren, dass Erleuchtung grundsätzlich und jederzeit jedem Individuum
inhärent ist. Das deutet Padmasambhavas Position im Zentrum des Bildes an.
Er verbindet die ,beiden Seiten der Münze‘ miteinander. Das optische Bindeglied ist dabei sein Lotosthron, der aus dem ,saºsårischen‘ Bereich in den
Bereich der Reinheit emporwächst. Das inhaltliche Bindeglied besteht in der
Entstehungsgeschichte der bKa'-brgyad: Da hier eigentlich eine Transformation des Negativen (Rudra wird zu Mahåkåla) stattfindet, statt seiner Zerstörung, bedeutet das auf der doktrinären Ebene, dass Rudra (= ma-rig-pa)
und Buddhaschaft/Samantabhadra bzw. Vajradhara (rig-pa) in ihrer Essenz
identisch sind. Das ist der Grund dafür, weshalb die yi-dam die gleiche
58
Die Dreiergruppe mit Buddha ˜åkyamuni an der Spitze auf der linken Seite dient dazu,
eine Beziehung zum ,orthodoxen‘ Mahåyåna-Buddhismus herzustellen. Man könnte
dies als ,apologetische Funktion‘ in diesem Thangka betrachten (infra, Schlußteil).
59
Im Text 7.4 des Rin-chen gter-mdzod trägt Vajradhara das Attribut rang-rig („selbsterkennend“, oder „der sich selbst Erkennende“) (KLAUS 1982: 121).
Padmasambhava – Realität oderMythos?
235
ikonographische Beschreibung wie Rudra besitzen. Mehr noch: Im RudraMythos sind Hayagrïva und Vajravåråhï in ihn eingedrungen, haben sich mit
seinem Wesen bildlich-symbolisch vereint. Das Negative hat also in sich
keine dauerhafte, wirkliche Existenz, wie auch in der Episode im Götterhimmel deutlich wird.60 Der Betrachter des Thangka, der im Idealfall ein praktizierender Buddhist in der rNying-ma-Tradition ist, sollte sich dies vielleicht
beim Betrachten des Bildes bewusst machen – in Tibet dienten Thangkas ja
als Meditationshilfen.
Der historische Rahmen
Die Figur des Rudra hat für ein Ungleichgewicht in der Welt gesorgt. Er
stellte eine ernste Bedrohung dar. Diese hat aber wiederum – hier quasi als
selbsttätiger Prozess – durch das Eingreifen, die Reaktion der Buddhas auf
die Bedrohung aus Mitgefühl zur Entstehung der bKa'-brgyad geführt. Diese
mussten entstehen, weil die Erleuchtung, oder der Ådibuddha, aus philosophischen und logischen Gründen nicht selbst tätig werden kann.61 Die Ausstrahlungen des Urgrundes können jedoch als aktive Prinzipien auftreten.
Diese stellen demnach den Pfad, die Methode (upåya/thabs) dar, durch welche es dem Adepten möglich ist, ebenfalls den Zustand von Samantabhadra
zu erlangen.
Stellt man sich nun vor dem geschichtlichen Hintergrund die Frage nach
der Funktion solcher Mythen, kann man zu folgenden Schlüssen kommen:
Mythen haben eine lange Tradition im Buddhismus. Dabei zeichnet sie die
ungeheure Flexibilität aus, eine Vielzahl von Funktionen und Variationen anzunehmen (DAVIDSON 1991: 198). Ihre Ursprünge sowie jedes einzelne Erzählelement müssen nicht unbedingt analysiert und auf bestimmte Autoren
(bzw. Urheber) festgelegt werden, da man wohl davon ausgehen kann, dass
es sich dabei um bereits allgemein bekanntes Erzählgut der Zeit (nämlich im
Tibet des 14. Jahrhunderts, in dem das Padma-bka'-thang verfasst wurde)
handelt. Wie Mathew KAPSTEIN (2000: 163-165) festgestellt hat, entstand die
60
URGYAN LINGPA 1933: 39, oben: “But in the presence of the perfect Buddhas the
world of hate dissolves, and its crimes are dissolved.”
61
S. hierzu DAVIDSON 1991: 217. In ähnlicher Weise, so DAVIDSON, verursachten die
Verfehlungen der frühen Mönchsgemeinde die Entstehung des vinaya.
236
B. Galasek
bedeutende Padmasambhava-Biographie aus der Feder des O-rgyan-gling-pa
in einer Zeit des politischen Umbruchs und der sozialen Instabilität aufgrund
des Untergangs der Mongolen-Herrschaft in China (1368). Abgesehen von
der äußeren Bedrohung fielen große Teile Tibets durch das (mit dem Kollaps
der Yuan-Dynastie verbundene) Ende der Sa-skya-pa-Hegemonie in einen
Bürgerkrieg. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass solche Umstände das
Entstehen von quasi-historischen Werken begünstigt haben mögen, die ein
Loblied auf den Glanz und die Größe des alten tibetischen Königreiches anstimmten und dem Mythos von der Bekehrung Tibets durch Padmasambhava
eine Renaissance bescherten.
Im Lichte der besonderen Position der rNying-ma-pa-Schule, nämlich,
dass sie sich schon seit dem Beginn der tibetischen Renaissance im 10./11.
Jahrhundert immer wieder einem besonderen apologetischen Zwang/Drang
ausgesetzt sah, lassen sich im Wesentlichen zwei Funktionen der besprochenen Mythen ausmachen:62 Zum Ersten ist die Erleuchtung – in Anbetracht des
Zustandes der Welt (=Rudra) – ein besonders erstrebenswertes und, wie wir
im Rudra-Mythos gesehen haben, auch ein durchaus mögliches Ziel. Zweitens stellt es sich im weiteren Verlauf (des Padma-bka'-thang) heraus, dass
die rNying-ma-Tradition im Besonderen der Garant für die Erreichung dieses
Ziels ist. Denn sie ist ,im Besitz‘ (oder hat Zugang zu) der uranfänglichen,
nicht an Zeit und Raum gebundenen Übermittlung bestimmter Lehren (=Samantabhadra). Diese kann sich zu jeder Zeit in Form von Vajradhara (auf
unserem Thangka) bis hinunter zu einer Reihe menschlicher Lehrer offenbaren. So ergibt sich auch eine Erklärung für die gTer-ma-Tradition.63
Die Geschichte und Funktion von Vajradhara in diesem (rNying-ma-pa-)
Zusammenhang zu untersuchen, der ja eigentlich erst in den ,neuen Schulen‘
die Funktion eines Ådibuddha erhält, und seine Übernahme in das System der
62
Dies vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass der Rudra-Mythos ja auf die Unterwerfung des Mahe¸vara zurückgeführt werden kann (supra S. 223-224) In einem
anderen Zusammenhang dient dann die gleiche Grundlage für die Legitimierung einer
ganz anderen Tradition, nämlich der des Cakrasaºvara durch seine Unterwerfung
˜ivas bei Grags-pa-rgyal-mtshan (1167-1216) (DAVIDSON 1991: 204).
63
Vgl. hierzu SCHWIEGER (2000: 956): „Diesen Konzepten liegt ein Verständnis von Zeit
zugrunde, welches in ihr nicht das gleichförmige Maß einer kontinuierlichen Abfolge
von Ereignissen sieht. Die Zeit besitzt vielmehr Löcher, durch die die ,Macht der
heiligen Ursprünge‘ sich immer wieder unmittelbar und spontan in der Gegenwart
manifestieren kann.“
Padmasambhava – Realität oderMythos?
237
rNying-ma-pa würde den hier gesteckten Rahmen sprengen. Jedenfalls könnte ihm auch eine apologetische Funktion zugeschrieben werden, da er ja frühestens im 10./11. Jahrhundert in die ,Schule der Alten‘ „übernommen“ worden sein kann.
Abschließend bleibt also zu sagen, dass es sich bei der Figur des Padmasambhava so, wie er uns in der tibetischen Kunst und (späteren gTer-ma-)
Literatur entgegentritt, wahrscheinlich um ein religiöses Konstrukt/Konzept
handelt (und damit vielleicht um eine Art kulturelles Gedächtnis, das zur
Schaffung von Kontinuität in einer wechselhaften Geschichte den Mythos
von der Bekehrung Tibets aufrecht erhalten soll), dass dieses Konstrukt jedoch eigentlich für ein nicht gerade primitiv zu nennendes philosophisches
Konzept steht, das seine spezielle Formulierung in der rNying-ma-Schule
gefunden hat.
Eine solche Untersuchung (im Hinblick auf spezielle Funktionen und Zusammenhänge) könnte wahrscheinlich auch für die anderen Manifestationen
Padmasambhavas (mtshan-brgyad) aufschlußreich sein.
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