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DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS
Dies ist ein digitaler Sonderdruck des Beitrags / This is a digital offprint of the article
Felix Pirson
Pergamon, Türkei. Pergamon. Die Arbeiten des Jahres 2019
aus / from
e-Forschungsberichte
Ausgabe / Issue 3 • 2020
Seite / Page 111–121
Umfang / Length § 1–17
urn:nbn:de:0048-efb.v0i3.1012.5 • 10.34780/efb.v0i3.1012
Verantwortliche Redaktion / Publishing editor
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111
PERGAMON, TÜRKEI
Pergamon
Die Arbeiten des Jahres 2019
Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts
von Felix Pirson
e -FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
Kooperationen: HTW Berlin, Grabungstechnik; FU Berlin, Chemie und Biochemie; FU Berlin,
Klassische Archäologie; HU Berlin, Klassische Archäologie; KIT Karlsruhe, Geodäsie; LMU
München, Vor- und Frühgeschichte und Archeobiocenter; Hochschule Regensburg, Bauforschung; Universität Köln, Klassische Archäologie und Informatik Kulturwissenschaften; BTU
Cottbus, Darstellungslehre; Österreichische Akademie der Wissenschaften, Institut für Orientalische und Europäische Archäologie; UMR 8546 »Archéologie et philologie d’Orient et
d’Occident« École normale supérieure; British School at Rome; University Southampton,
Archaeology; Mimar Sinan Universität Istanbul, Klassische Archäologie; Celal Bayar Universität
Manisa, Archäologie; DAI, AEK; Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kulturund Tourismusministeriums der Republik Türkei; Museum Bergama.
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (TransPergMikro).
Leitung des Projektes: F. Pirson, G. Ateş (türk. Stellvertreterin Gesamtleitung – Kazı Başkanı
Yardımcı), U. Mania (Stellv. Leitung).
Team: S. Acarcı, E. Acarkanlı, Z. S. Akdemir, M. Z. Aksan, S. Alatepeli, F. Așkın, H. Aslan, G. Ateș,
D. Aybala, H. Bağlar, R. Barnea, K. Başak, İ. Bayar, F. Becker, A.-S. Benack, Ph. Bes, D. Beygüler,
M. Blechschmidt, L. Böttger, B. Cağlar Eryurt, A. Çelebi, N. Ҫelik, S. Çergel, J. Chameroy,
M. Çilingir, M. Deckert, J. Diemke, C. R. F. Dimai, J. Eber, A. Eckhardt, F. Ehmer, B. Engin,
E. Erdem, N. Ç. Ergün, A. Erkul, E. Erkul, Y. E. Esel, S. L. Fischer, S. Foroutan, G. K. Friedmann,
In 2019, the Pergamon Excavation concentrated on works within the new
research programme »The Transformation of the Pergamon Micro-region
between Hellenism and the Roman Empire« (TransPergMikro). The completion
of the excavations of the so-called Banqueting House on the eastern slope of
the city-hill has yielded important new results on the construction, equipment
and use of this unusual site. The first systematic excavations in the amphitheatre of Pergamon revealed a niched wall as limitation of the arena, the floor of
the arena and a construction to accumulate water in its interior. Archaeological
building research continued in the amphitheatre as well as in the extra-urban
thermal bath. The archaeological and geophysical follow-up investigations on
the tumuli Yığma Tepe and X-Tepe were completed. A new project in the
surroundings of the Asklepieion has provided initial insights into land use and
development structure. The work in the area surrounding Pergamon through
archaeology and physical geography concentrated on exemplary sections of
the landscape as well as on individual outstanding sites and their natural context on the south-western edge of the valley of the Kaikos (Bakırçay).
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
112
K. Göttsch, İ. Gül, G. Günay, A. Günzel, N. Gür, N. Gürbey, U. Herrmann, J. Hochholzer, S. Japp, 1
M. Kayan, N. Kempf, A. Keweloh-Kaletta, D. Knitter, C. Köprülü, Y. B. Korkut, J. Krasel, U. Kunnert,
J. Lang, B. Ludwig, E. S. Mercangöz, M. Meinecke, P. Michalski, S. Monz, N. Neuenfeld,
İ. Ötgün, S. Özdemir, H. Özel, Ş. Öztürk, T. Öztürk, H. Peters, K. Piesker, A. Pirson, W. Rabbel,
Th. Rafflenbeul, İ. Şahin, G. Şakar, A. Schiefer, J. G. Schneider, J. Schreyer, Th. Schulz-Brize,
B. Schütt, A. Skolik, R. M. Springer, J. Steglich, H. Stümpel, M. Talı, W.-R. Teegen, S. Tezer-Altay,
Y. C. Toktay, M. Tozan, B. Uyan, Ş. Uysal, S. Völkel, V. Walser, X. Yang, İ. Yeneroğlu, E. Yildiz,
Ü. Yilmaz, R. Zirlewagen.
Nach Vorbereitungen in den vergangenen Jahren wurde in der Kampagne
2019 mit den Arbeiten im Rahmen des neuen Forschungsprogramms der
Pergamongrabung unter dem Titel »Die Transformation der Mikroregion
Pergamon ↗ zwischen Hellenismus und römischer Kaiserzeit« (TransPergMikro) begonnen [1]. Im Folgenden wird in knapper Form über einen
Ausschnitt der vielfältigen Aktivitäten der Pergamongrabung berichtet, die
ganz überwiegend bereits im Kontext des neuen Programms stehen [2].
Als Meilenstein in der Erforschung Pergamons kann die Vorlage einer
neuen archäologischen Karte gelten, die demnächst in verschiedenen
analogen und digitalen Formaten publiziert werden soll. Hier dient sie als
kartographische Grundlage für die Darstellung der Arbeitsgebiete in 2019
(Abb. 1).
Ausgrabungen im sog. Banketthaus
2 Am oberen nördlichen Osthang des Stadtberges von Pergamon liegt inmitten eines (mutmaßlichen) Ensembles aus Felsheiligtümern eine Terrassenanlage, die nach ihrer partiellen Freilegung über mehrere Grabungskampagnen hinweg vorläufig als Banketthaus angesprochen werden kann [3].
Nachdem der Befund zum Ausgangspunkt eines neuen Dissertationsvorhabens im Kontext der Pergamongrabung geworden ist, fanden in 2019
archäologische Nachuntersuchungen statt [4]. Von einer kompletten Ausgrabung der Anlage, die infolge ihrer Lage an einem äußerst steilen Abhang
zu erheblichen Teilen abgestürzt und damit verloren ist, musste aus Sicherheitsgründen und wegen der schwierigen Bedingungen für eine dauerhafte
Erhaltung der Befunde abgesehen werden. Vor diesem Hintergrund sollten
Sondagen an neuralgischen Punkten der Anlage offene Fragen zu ihrer
Grundstruktur klären (Abb. 2). Um die Funktion des Hauptraumes mit aufwendiger Wanddekoration im Inkrustationsstil bestimmen zu können,
wurden mikroarchäologische Grabungen im Fußboden aus gestampftem
Lehm durchgeführt.
Die Ergebnisse aus den Sondagen haben das hohe Niveau der Ausstattung
3
des Gebäudes bestätigt. Dies gilt nicht nur für den Hauptraum, sondern auch
für einzelne Nebenräume, die ebenfalls im Inkrustationsstil dekoriert waren.
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
che
113
uer
Nordnekropole
Ma
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Akropolis
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Theater
Großer Altar
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Ausgrabungen und Bauaufnahme im Amphitheater
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Eumenische
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Obere Agora
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Südostnekropole
Untere Agora
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Amphitheater
Eumenisches Tor
Exedra
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römisches
Theater
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Rote
Halle
Thermen
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Rundbau
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Odeion?
Asklepieion
Dikili T.
Südnekropole
Ausgrabung
Maltepe
Baudenkmalpflege
Bauforschung
Geophysik
Survey
Pergamon 2019
Yiğma Tepe
Arbeiten der Grabungskampagne
Maßstab: 1:15.000
0
1
250
500
Der Nachweis unterschiedlicher Begehungsniveaus zeigt die Anpassung der
Architektur an das nur schwer zu bebauende Terrain, das in Hinblick auf die
Logistik der Baustelle und die statische Planung eine besondere
Herausforderung darstellte (Abb. 3). Die mikroarchäologischen Grabungen
lassen erste Differenzierungen in der Fundverteilung erkennen, die mit
der spezifischen Nutzung des Hauptraumes zusammenhängen könnten. Hier
gilt es jedoch, die weitere Auswertung abzuwarten.
750m
Pergamon. Arbeitsgebiete 2019 gesamt. (Abb.: N. Neuenfeld nach V. Stappmanns u. a.,
Pergamonarchiv)
4 Die erstmalige Durchführung von Grabungsarbeiten im bislang weitest-
gehend unerforschten Amphitheater ist ein weiterer Meilenstein in
der Geschichte der Forschungen in Pergamon. Die Arbeiten sind Bestandteil eines Teilprojektes von TransPergMikro, in dessen Rahmen eine
bauforscherische Dissertation zu dem kaiserzeitlichen Großbau entsteht [5].
In dieser Kampagne wurden drei Sondagen und drei Säuberungen innerhalb
von cavea und Arena angelegt (Abb. 4), während sich die Bauforschung auf
die Anfertigung von Aufmaßplänen und die Erstellung des verformungsgerechten Grundrisses konzentrierte und daneben verschiedene Formen von
Sitzstufen dokumentieren konnte.
Neben Einblicken in die Nutzungsgeschichte des Hügels Musalla Mezarlığı,
5
in den der Bau eingebettet ist, haben sich Aufschlüsse zur Bau- und Zerstörungsgeschichte des Amphitheaters ergeben. Weiterführende Erkenntnisse
betreffen vor allem die Untersuchungen im Randbereich der Arena: In einer
Sondage im Westen der Spielfläche konnte ihre Begrenzung in Gestalt einer
Wand mit vorgeblendeten Nischen dokumentiert werden (Abb. 5). Die Verschüttung einer Nische und des vorgelagerten Arena-Bodens, in dessen
Oberfläche zahlreiche Schuhnägel gefunden wurden, mit Lagen eingeschwemmter Sedimente hat nach Hinzuziehung der Projektbeteiligten aus
der Physischen Geographie (s. u.) zu der Hypothese geführt, dass katastrophale Wetterereignisse zum Ende des Spielbetriebs beigetragen haben
könnten.
An der Ostseite der Arena wurde die Untersuchung eines
6
Befundes fortgesetzt, der bereits im Vorjahr unsere Aufmerksamkeit erregt
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
hatte (Abb. 6) [6]. Es handelt sich offenbar um die Reste einer Vorrichtung
aus zwei langrechteckigen Steinblöcken mit eingearbeiteten Führungsrinnen zum Anstauen des Baches, der in der Antike wie heute (mittlerweile
bereichert um moderne Abwässer) durch die Arena fließt. Dieser
Befund erlaubt Rückschlüsse auf spezielle Nutzungsvarianten des
Amphitheaters wie die Aufführung von Naumachien. Oberhalb von
Ablagerungen fluvialer Sedimente zog man später einen Boden aus Ziegelestrich ein, als dessen Begrenzung eine Bruchsteinmauer fungierte,
die die Vorrichtung zum Anstauen außer Betrieb setzte. Ob das
jüngere Becken noch aus der Nutzungsphase des Amphitheaters als
Spielstätte stammt oder von einer Nachnutzung zeugt, muss vorerst offen
bleiben.
4331231.4
Nivellements in Meter über NN
1 184.89
2 182.53
3 180.06
4 181.71
5 180.62
6 183.33
7 182.94
8 182.62
9 180.85
10 182.09
11 183.66
12 186.06
13 190.06
13
10
12
1
19
r0
-A
PE
9
4331223.9
8
11
7
6
4331216.4
2
5
4
PE
19
-S
o0
7
3
1
1
19
-S
114
Pergamon 2019
o1
so genanntes Banketthaus
SW-Bereich
Maßstab: 1:100
Bauaufnahme: 2010, 2014-15, 2019
Bearbeitung: K. Başak, N. Neuenfeld
PE
4331208.9
0
1
2
3
4m
516315.1
516307.6
516300.1
2
3
2
Pergamon, Stadtberg. Osthang, sog. Banketthaus. Areal 1, Sondage 7 und 11. Plan (M. 1:100).
(Abb.: K. Başak nach A. Fischer – N. Neuenfeld – T. Topal – İ. Yeneroğlu, Pergamonarchiv)
3
Pergamon, Stadtberg. Osthang, sog. Banketthaus. Sondage 7, Ansicht nach Abschluss der
Grabung. (Abb.: K. Başak, Pergamonarchiv)
Nachuntersuchungen an den Tumuli Yığma Tepe und X-Tepe
7 Die geophysikalischen Untersuchungen des Yığma Tepe und des X-Tepe der
Vorjahre wurden 2019 um magnetische Kartierungen ergänzt und damit
abgeschlossen [7]. Am Yığma Tepe ging es dabei vorrangig um die
Verdichtung von Informationen zu den sog. seismischen Objekten von
archäologischem Interesse (SOI), deren Genese und funktionale Bestimmung
noch ausstand. Dieses Ziel konnte erreicht werden, wobei die ausführliche
Interpretation der SOI andernorts erfolgt [8]. Auch am X-Tepe wurden die
vorhandenen seismischen und geoelektrischen Profilmessungen durch eine
magnetische Kartierung ergänzt. Dabei konnte die Existenz großer Anomalien, die von Felsformationen, aber auch von Einbauten herrühren könnten,
nochmals bestätigt. Dem besseren Verständnis der Anomalien soll in Zukunft
die Anfertigung von Modellrechnungen dienen.
Zur archäologischen Abklärung einer geophysikalisch prospektierten
8
Anomalie, die ihren Ausgang an der Krepis nimmt und im Vorjahr unter
Vorbehalten als Fortsetzung einer ›Rampe‹ interpretiert worden war, wurde
eine kleinräumige Sondage geöffnet (Abb. 7. Abb. 8). Anstelle einer Fortsetzung der Rampe wurde hier jedoch eine tiefgreifende Störung der
antiken Aufschüttung beobachtet, die offenbar für die Anomalie verantwortlich ist.
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
115
Ausgrabungen und Bauaufnahme Kleopatra Hamamı
9 In der zweiten Kampagne zur Erforschung des extraurbanen antiken
4330793.1
4330743.1
4330693.2
Pergamon 2019
0
20
5
515112.9
4
51505062.8
5
Amphitheater
Grundriss
Maßstab: 1/1000
40m
Survey Asklepieion
10 Zu den zentralen Aufgaben in der Erforschung von Siedlungsgeschichte und
Urbanistik Pergamons zählt die möglichst präzise Bestimmung der Ausdehnung der kaiserzeitlichen Stadterweiterung zu Füßen des Stadtberges [10].
Um dazu auf den wenigen noch nicht modern überbauten Flächen in den
Randbereichen der antiken Stadt einen Beitrag zu leisten, wurde mit einem
interdisziplinären Survey, an dem neben der Archäologie auch Geophysik,
Physische Geographie und Alte Geschichte beteiligt sind, im Umfeld des
extraurbanen Asklepios-Heiligtums begonnen [11]. Weitere Zielsetzungen
betreffen die Untersuchung der Beschaffenheit des Umfeldes des Heiligtums
in der Antike sowie seine Einbettung in die umgebende Landschaft inklusive
der Nutzung von natürlichen Ressourcen wie z. B. Stein.
Im Jahr 2019 konnte eine Fläche von 190 ha überwiegend nordwestlich
11
des Heiligtums begangen werden (Abb. 11). Dabei zeigte sich, dass wir
Pergamon, Amphitheater. Lage der Sondagen und Säuberungen in der Kampagne 2019.
zumindest
nach Nordosten entlang der Prozessionsstraße zwischen
Plan (M. 1:1000). (Abb.: İ. Yeneroğlu, Pergamonarchiv)
Asklepieion und dem römischen Theater (Viran Kapı) mit einer Fortsetzung
Pergamon, Amphitheater. Sondage 09. Vor der Nische ist in einer künstlich angelegten Stufe die
fast homogene Sandschicht zu erkennen. Ansicht von Osten. (Foto: M. Blechschmidt,
dichter, vermutlich urbaner Bebauung rechnen müssen. Geophysikalische
Pergamonarchiv)
Untersuchungen unmittelbar östlich des Heiligtums unterhalb der
515012.8
4
Thermalbades und seiner Nachnutzung in osmanischer Zeit wurden in 2019
sowohl die Baudokumentation, als auch die Anlage von Sondagen und Säuberungen fortgesetzt (Abb. 9) [9]. Die Auswertung von Fundmaterial aus
dem großen Warmbaderaum legt nahe, dass dessen Zerstörung in das
4. Jahrhundert n. Chr. fällt. Eine Sondage im Südosten der Anlage nahe der
Ostmauer des großen zentralen Raumes konnte bestätigen, dass sich im
Zentrum der antiken Anlage ein Wasserbecken befand (Abb. 10), das von
drei Stufen aus Kalksteinquadern begrenzt war. Mit Methoden aus der
archäologischen Bauforschung war es möglich, an der Nordseite des großen
Zentralraumes eine Nische nachzuweisen. Geophysikalische Prospektionen,
die zur weiteren Klärung der Gestalt der Nische beitragen sollten, haben
leider keine weiteren Erkenntnisse erbracht.
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
116
Prozessionsstraße haben eine lockere Bebauung vermutlich aus großen
Wohnbauten (mit Badeanlage?) erbracht (Abb. 12). Hierbei könnte es sich
um Funktionsbauten im engsten Umfeld des Heiligtums handeln [12].
An den sanft ansteigenden Hängen nordwestlich des Heiligtums wurden
12
vor allem Reste von Gräbern und Spuren von Steinabbau beobachtet,
daneben fanden sich aber auch Hinweise auf Siedlungstätigkeit. Eine größere
Terrassenanlage (Abb. 11, Fst. 02) mit Orientierung auf das Asklepieion
könnte zu einer weiteren aufwendigen Grabanlage, vielleicht aber auch zu
einem kleinen Heiligtum gehören. Reste von Baugliedern aus Andesit weisen
jedenfalls auf eine anspruchsvolle architektonische Gestaltung hin.
6
PE17 Säu 01
So 05
PE19 So 01
0
5m
Pergamon - Yığma Tepe
Sondagen 2017-2019
Datum: 27.11.2019
Bearbeitung: M. Meinecke
7
8
6
Pergamon, Amphitheater. Säuberung 13. Reste einer mehrphasigen Wasserinstallation unterhalb des Arenabodens. Zuunterst der abgearbeitete Fels als Boden eines Kanals mit verschließbarer Öffnung im Norden. Darüber Becken mit Boden aus Ziegelmörtel und gemauerter
Begrenzung im Norden. Ansicht von Westen. (Foto: M. Blechschmidt, Pergamonarchiv)
7
Pergamon, Tumulus Yığma Tepe. Säuberung 01/Sondage 05 (2017) und Sondage 01 (2019):
Lage. Krepis und Rampe sowie Radargramm der Georadarmessungen (0–2 m Tiefe).
(Abb.: E. Erkul – R. Mecking – M. Meinecke, Pergamonarchiv)
8
Pergamon, Tumulus Yığma Tepe. Sondage 01 mit Schichten aus Kies. SfM-Modell von Nordwesten. (Foto: M. Meinecke – M. Stöwe, Pergamonarchiv)
Survey Umland
13 Nach Abschluss der vorangegangenen Survey-Projekte im Jahr 2018 startete
in diesem Jahr ein archäologischer Umland-Survey im Rahmen von
TransPergMikro [13]. Sein Ziel ist die Verdichtung der Informationen zur
antiken Siedlungs- und Nutzungsgeschichte der Mikroregion Pergamon mit
besonderem Schwerpunkt auf dem ländlichen Bereich. Die Geländearbeiten
konzentrierten sich auf zwei Survey-Areale und mehrere zum Teil bekannte,
aber bislang kaum untersuchte Fundstellen (Abb. 13).
Im Tekkedere-Tal (Survey-Areal A) wurden insgesamt sechs Fundplätze
14
entdeckt und dokumentiert (Abb. 14). Sie bezeugen eine kontinuierliche
Siedlungsabfolge von der Bronzezeit bis in die Gegenwart. Bronzezeitliche
Keramik am Fundplatz von Kuyulu Kaya (Fundstelle 2019/01) markiert den
Beginn einer mehrere Jahrtausende währenden Siedlungsgeschichte, die bis
in die spätbyzantinische Zeit reicht. Aufgrund dieses Umstands, vor allem
aber wegen seiner Lage und Größe kann der Platz als die antike Hauptsiedlung des Tals gelten. Mit der Gründung der Siedlung Yukarı Kışlak am nordöstlichen Rand des Tales in spät- bis nachbyzantinischer Zeit beginnt eine
Entwicklung der Siedlungsverlagerung nach Westen, die über Aşağı Kışlak
und Eski Tekkedere bis zum heutigen Dorf Tekkedere reicht, das erst in der
Mitte des 20. Jahrhunderts am äußersten nordwestlichen Rand des Tals
angelegt wurde und offenbar die Nähe zu den Hauptverkehrswegen im Tal
des Kaikos (Bakır Çay) suchte.
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
117
Im Gegensatz zum engen Tekkedere-Tal, das landwirtschaftlich ausschließlich für Olivenkulturen genutzt wird, findet in dem eher offenen
Becken von Çalıbahçe (Abb. 13) vornehmlich Ackerbau statt. Das SurveyAreal B (Abb. 15) wurde so gewählt, dass auf kleinem Raum möglichst unterschiedliche Landschaftszenarien untersucht werden konnten. Um dies in
kurzer Zeit zu realisieren, wurde ein ost-westlich orientierter Korridor durch
das gesamte Becken gelegt und auf einer Fläche von insgesamt 34 ha intensiv
begangen. Nur auf dieser kleinen Fläche zeichneten sich allein schon drei
Fundkonzentrationen ab, die als Fundstellen definiert worden sind (Abb. 15).
Dabei verdient besonders die Fundstelle 2019/10 unsere Aufmerksamkeit,
die durch eine Presse oder ein Mörser und dessen Gegengewicht sowie das
Fragment eines Mosaiks gekennzeichnet ist. Beides lässt auf eine landwirtschaftliche Produktionsstätte schließen, deren Ausstattung zugleich den
Ansprüchen gehobenen Wohnens genügte.
Unter den bereits bekannten Fundplätzen, die 2019 für eine erneute
16
intensivere Untersuchung ausgewählt wurden, ist ein Olivenhain ca. 1,7 km
nordwestlich des Dorfes Bozköy für unsere Kenntnis der Besiedlungsformen
des ländlichen Raumes und seiner vielfältigen wirtschaftlichen Nutzung von
besonderem Interesse. Die Fundstelle liegt auf einem nach Norden hin leicht
abfallenden Hang mit Blick auf die Ebene und bis nach Pergamon (Abb. 13).
Eine intensive Begehung und geophysikalische Prospektionen haben gezeigt,
dass es sich um einen kaiserzeitlichen Landsitz aus mehreren großen Einzelgebäuden handeln könnte, der aufwendige Repräsentationsarchitektur in
bester Lage mit Blick in die Ebene und auf den Stadtberg von Pergamon
ebenso umfasste wie Einrichtungen für die Keramikherstellung.
In enger Abstimmung mit dem archäologischen Survey fanden Gelände17
arbeiten eines Teams der Physischen Geographie statt, dessen Fokus besonders auf der rezenten Morphodynamik und der Aufnahme von Sedimentprofilen lag [14]. Ein weiterer intensiver archäologischer Survey im Stadtgebiet
von Çandarlı, dem antiken Pitane, galt der Untersuchung von Art, Umfang
Pergamon, Amphitheater. Übersicht der bislang dokumentierten Sitzstufen der cavea (M. 1:50).
(Abb.: H. Arslan – İ. Yeneroğlu, Pergamonarchiv)
und Dauer der kaiserzeitlichen Keramikproduktion an diesem Ort (Abb. 16)
Pergamon, extraurbanes Thermalbad. Sondage 03 nach Abschluss der Arbeiten. Messbild
[15]. Die in 2019 begonnenen Arbeiten sind auf drei Kampagnen angesetzt
(M. 1:20). (Abb.: M. Stöwe – M. Deckert, Pergamonarchiv)
und sollen nach vielversprechendem Start 2020 fortgesetzt werden.
15
9
10
9
10
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
118
Literatur
Conze u. a. 1912–13 ↗
A. Conze – O. Berlet – A. Philippson – C. Schuchhardt – F. Gräber, Stadt und
Landschaft, AvP 1, 1–2 (Berlin 1912–13)
Pirson 2008 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2007, AA
2008/2, 83–155
Pirson 2010 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2009, AA
2010/2, 139–236
11
Pirson 2011 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2010, AA
2011/2, 81–212
Pirson 2012 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2011, AA
2012/2, 175–274
Pirson 2013 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2012, AA
2013/2, 79–164
12
11 Pergamon, Umfeld Asklepieion. Ausdehnung des Untersuchungsgebiets und Lage der Fundstellen. (Abb.: B. Korkut – R. Springer auf Grundlage von Google Earth ©2020 Maxar
Technologies, Pergamonarchiv)
12 Pergamon, Umfeld Asklepieion. Ergebnisse der Prospektionen mit dem Georadar südlich der
Säulenstraße bzw. östlich des Heiligtums. (Abb.: B. Korkut – E. Erkul – H. Stümpel, Pergamonarchiv)
Pirson 2016 ↗
F. Pirson, Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2015, AA
2016/2, 135–223
Pirson 2017 ↗
F. Pirson, Die Siedlungsgeschichte Pergamons. Überblick und kritische
Revision, Mit einem Appendix von Anneke Keweloh-Kaletta, IstMitt 67,
2017, 43–130
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
119
Pirson 2018 ↗
F. Pirson u. a., Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne 2017,
AA 2018/2, 109–192
Pirson u. a. im Druck
R. Mecking – M. Meinecke – E. Erkul – F. Pirson – W. Rabbel, The Yığma Tepe
of Pergamon: Internal Construction of a Monumental Tumulus from Shear
Wave Reflection Sounding and Wavefield Modelling, Archaeological
Prospection (im Druck)
13
14
13 Umland. Übersicht über die Fundstellen und Survey-Areale 2019. (Abb.: B. Ludwig, Datengrundlage: TanDEM-X 2017 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V., Pergamonarchiv)
14 Umland, Survey-Areal A. Kartierung aller Keramikfunde. (Abb.: B. Ludwig, Pergamonarchiv)
Endnoten
[1] Das gleichnamige DFG-Langfristprojekt wird gemeinsam von Brigitta
Schütt (FU Berlin, Geographie), Thekla Schulz-Brize (TU Berlin, Historische
Bauforschung) und dem Verf. geleitet.
[2] Der hier vorgelegte Kurzbericht stützt sich zum Teil auf die Berichte von
Projektmitarbeiter*innen. Ein ausführlicher Bericht über alle Aktivitäten
der Pergamongrabung in 2019 mit Beiträgen zahlreicher Koautor*innen
erscheint im zweiten Teilband des Archäologischen Anzeiger 2019. Die
Maßnahmen der Baudenkmalpflege und des Kulturerhalts werden zudem
in einem eigenen Beitrag im e-Forschungsbericht vorgestellt. Für aktuelle
Informationen siehe auch TransPergMikro-Blog ↗ (12.06.2020).
[3] Zuletzt F. Pirson u. a., Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der
Kampagne 2015, AA 2016/2, 139–141; A. J. Schwarz, in: Pirson 2016,
141–146.
[4] Dissertationsvorhaben von Nicole Neuenfeld (Istanbul).
[5] Thekla Schulz-Brize und İhsan Yeneroğlu (Berlin) sowie Verf. (archäologische Sondagen).
[6] F. Pirson u. a., Pergamon – Bericht über die Arbeiten in der Kampagne
2017, AA 2018/2, 109 Abb. 23.
[7] Geophysikalische Untersuchungen durch die CAU Kiel, Geowissenschaften.
Leitung Wolfgang Rabbel, örtliche Leitung Ercan Erkul und Harald Stümpel
(Kiel).
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
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15 Umland, Survey-Areal B. Kartierung aller Keramikfunde. (Abb.: B. Ludwig, Pergamonarchiv)
16 Pitane, Survey. Halbinsel Çandarlı. Das Untersuchungsgebiet des Surveys befindet sich im
Bereich der unbebauten Parzellen im Zentrum des Luftbildes. Die in diesem Jahr bearbeiteten
Fundstellen 01 und 02 sind weiß markiert. (Luftbild: A. Weiser, Pergamonarchiv)
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[8] R. Mecking – M. Meinecke – E. Erkul – F. Pirson – W. Rabbel, The Yığma
Tepe of Pergamon: Internal Construction of a Monumental Tumulus from
Shear Wave Reflection Sounding and Wavefield Modelling, Archaeological
Prospection (im Druck).
[9] Leitung Stefan Feuser (CAU Kiel, Klassische Archäologie) in Kooperation
mit Katja Piesker (DAI Zentrale, Architekturreferat). Förderung durch die
Gerda Henkel Stiftung.
[10] Siehe dazu F. Pirson, Die Siedlungsgeschichte Pergamons. Überblick und
kritische Revision. Mit einem Appendix von Anneke Keweloh-Kaletta,
IstMitt 67, 2017, 96–98 Abb. 39 (letzte Arbeitshypothese zur Ausdehnung).
[11] TransPergMikro, Leitung des Teilprojektes Ulrich Mania (DAI Istanbul).
Zu den geophysikalischen Prospektionen siehe Anm. 7.
[12] Pirson 2017, 96–98 mit Anm. 172.
[13] TransPergMikro, Leitung des archäologischen Teilprojektes Verf. und
Güler Ateş (Manisa), örtliche Leitung Bernhard Ludwig (Berlin).
[14] Teilprojekt TransPergMikro. Leitung Brigitta Schütt (Berlin) und
Daniel Knitter (Kiel), örtliche Leitung Fabian Becker (Berlin).
[15] TransPergMikro, Leitung des Teilprojektes Verf. und Güler Ateş, örtliche
Leitung Philipp Bes (Den Haag) und Anneke Keweloh-Kaletta (Berlin).
e · FORSCHUNGSBERICHTE DES DAI 2020 · Faszikel 3
Autor
Prof. Dr. Felix Pirson
Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Istanbul
Inönü Cad. 10,
34437 Istanbul
Türkei
Felix.Pirson@dainst.de
GND: http://d-nb.info/gnd/5033510-8 ↗
Metadaten
Title/title: Pergamon, Türkei. Pergamon. Die Arbeiten des Jahres 2019
Band/issue: e-Forschungsberichte 2020-3
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follows: F. Pirson, Pergamon, Türkei. Pergamon. Die Arbeiten des Jahres
2019, eDAI-F 2020-3, § 1–17, https://doi.org/10.34780/efb.v0i3.1012
Copyright: CC-BY-NC-ND 4.0
Online veröffentlicht am/Online published on: 16.12.2020
DOI: https://doi.org/10.34780/efb.v0i3.1012
URN: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0048-efb.v0i3.1012.5
Bibliographischer Datensatz/Bibliographic reference: https://zenon.dainst.
org/Record/002007664
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