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Pirandellos Theorie des Humors

Abstract

Proseminar: Italianistik "Modalitäten des Komischen" Literaturwissenschaft F. Janowski PIRANDELLOS THEORIE DES HUMORS IM VERGLEICH "Naturam expellas furca, tamen usque recurret" Peter Hauff Sommersemester 1994 1. BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN Was auf der Hand liegt, braucht eigentlich nicht gesagt zu werden. Dennoch ist es sinnvoll, vor einer Besprechung von Pirandellos Theorie des Humors (verglichen mit anderen Theorien des Komischen und des Lachens) zunächst auf einige biologische Grundlagen des Lachens einzugehen. Von drei Punkten sei die Rede, die mit schöner Literatur nicht unmittelbar zusammenhängen, aber als Hintergrund wesentlich sind: Von den Reflexbewegungen, vom Aspekt der Unbetroffenheit, und vom zwiespältigen Eindruck der Angst und des Vertrauens. Erstens gehört das Lachen, biologisch gesehen, wie das Weinen zu den Reflexbewegungen. Und zwar deshalb, weil beides unwillkürliche Bewegungen sind. Das heißt, Lachen und Weinen lassen sich nicht durch unseren festen Willen planengenauso wenig wie das Husten und Niesen, das wir, wenn überhaupt, nur unvollkommen nachahmen können. Reflexbewegungen laufen automatisch ab und sind deshalb schwer zu unterdrücken. Ganz wesentlich für das Lachen und Weinen ist ihre Auslösung im Inneren des Menschen: Sie sind körperlich sichtbare Antworten auf innere Reize; obwohl der Reflex des Lachens natürlich gleichzeitig durch äußere Einwirkung, im Sinne von Kitzeln, künstlich hervorgerufen werden kann. Die gewohnte, durch innere Reize ausgelöste Form des Lachens wurde von dem Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) damit erklärt, "daß unser Gehirn, wenn es eine plötzliche Inkongruenz einer anschaulichen mit einer ihr sonst angemessenen abstrakten Vorstellung erkennt, die daraus folgende Reflexbewegung des Lachens auslöst". 1 Eine kürzere Definition des Lachens dürfte schwer zu finden sein; diese Definition kommt auch Pirandellos Theorie vom "avvertimento e sentimento del contrario" am nächsten. Der zweitens zu nennende Punkt -der Aspekt der Unbetroffenheit -hängt mit dem drittens folgenden "zwiespältigen Eindruck von Angst und Vertrauen" sehr eng zusammen, und ist seit der Antike bekannt. Aristoteles zufolge besteht das Lächerliche Die von Morris genannten Beobachtungen sprechen alle gegen einen Versuch, das Komische (auch in der schönen Literatur) nur als objektive Erscheinung ganz bestimmter Zusammenhänge zu beurteilen. Soweit man heute feststellen kann, ist das Komische subjektiv ausgelöst und beruht auf dem zwiespältigen Eindruck der Sicherheit und Unsicherheit, der Angst und des Vertrauens, der Vorstellung und der

Universität Stuttgart Proseminar: INHALT Italianistik "Modalitäten des Komischen" Literaturwissenschaft F. Janowski 1. Biologische Grundlagen des Lachens (Einleitung) 2. Autor und Entstehungsgeschichte des Essays 3. Benedetto Croce als Gegenpol Pirandellos 4. Mitteilen oder Mitfühlen PIRANDELLOS THEORIE DES HUMORS (avvertimento e sentimento) IM VERGLEICH 5. Denken in Kontrasten "Naturam expellas furca, tamen usque recurret" (il contrario) 6. Die Welt als Illusion 7. Bibliographie Peter Hauff Sommersemester 1994 nämlich "in einer weder Schmerz noch Schaden erzeugenden Verfehlung und Entstellung"2. Das 1. BIOLOGISCHE GRUNDLAGEN heißt, als wirklich Mitleidende oder unmittelbar Betroffene können wir gar nicht lachen. Wir müssten uns erst distanzieren. Und doch hängt das Lachen - für uns vielleicht unerwartet - mit Zuständen der Bedrohung, des Schmerzes, der Unsicherheit, Was auf der Hand liegt, braucht eigentlich nicht gesagt zu werden. Dennoch ist es der Angst ... zusammen. sinnvoll, vor einer Besprechung von Pirandellos Theorie des Humors (verglichen mit anderen Theorien des Komischen und des Lachens) zunächst auf einige biologische Dieser (drittens) zu erwähnende Zusammenhang ergibt sich aus Untersuchungen amerikanischer Psychologen. Sie untersuchten das Lachen bei kleinen Kindern. Grundlagen des Lachens einzugehen. Von drei Punkten sei die Rede, die mit schöner Literatur nicht unmittelbar zusammenhängen, aber als Hintergrund wesentlich sind: Interessant sind diese Beobachtungen nicht nur deshalb, weil Kinder gern und viel öfter Von den Reflexbewegungen, vom Aspekt der Unbetroffenheit, und vom zwiespältigen lachen als Erwachsene - sondern vor allem, weil Kinder noch am geringsten von Erziehung, kulturellen Einflüssen oder eigenen Denkprozessen beeinflusst sind. Das Eindruck der Angst und des Vertrauens. heißt, hier treten die wesentlichen Ursachen und Funktionen des Lachens wahrscheinlich am schärfsten hervor. Erstens gehört das Lachen, biologisch gesehen, wie das Weinen zu den Reflexbewegungen. Und zwar deshalb, weil beides unwillkürliche Bewegungen sind. Jeder kann sich mühelos einiger Beispiele kindlichen Lachens entsinnen: Kinder finden Das heißt, Lachen und Weinen lassen sich nicht durch unseren festen Willen planen - es lustig, davonzurennen, wenn eine vertraute Person sie fängt. Sie haben lautstarkes genauso wenig wie das Husten und Niesen, das wir, wenn überhaupt, nur Vergnügen an Micky-Maus-Filmen, solange sie Phantasie und Wirklichkeit voneinander unvollkommen nachahmen können. trennen können. Sie balgen sich gerne "im Spaß" und vieles mehr. Die Grenze zum Reflexbewegungen laufen automatisch ab und sind deshalb schwer zu unterdrücken. Weinen ist dabei häufig sehr nahe; ja Lachen und Weinen schließen sich nicht einmal Ganz wesentlich für das Lachen und Weinen ist ihre Auslösung im Inneren des aus. Menschen: Sie sind körperlich sichtbare Antworten auf innere Reize; obwohl der Reflex Der Verhaltensforscher Desmond Morris hat deshalb auf die enge Verbindung des Lachens natürlich gleichzeitig durch äußere Einwirkung, im Sinne von Kitzeln, zwischen Angst und Lachen aufmerksam gemacht: "Es sieht so aus, als habe sich das künstlich hervorgerufen werden kann. Lachen ... aus dem Schreien entwickelt". Nach den Worten von Morris erscheint das Die gewohnte, durch innere Reize ausgelöste Form des Lachens wurde von dem Lachen "genau zu der Zeit, da das Kind gelernt hat, die eigene Mutter zu erkennen" und fällt in Philosophen Arthur Schopenhauer (1788-1860) damit erklärt, "daß unser Gehirn, wenn es eine relativ späte Entwicklungsstufe unseres menschlichen Werdens: "Das Schreien eine plötzliche Inkongruenz einer anschaulichen mit einer ihr sonst angemessenen abstrakten beginnt bei der Geburt, das Lächeln mit etwa fünf Wochen, und das Lachen tritt erst im vierten Vorstellung erkennt, die daraus folgende Reflexbewegung des Lachens auslöst".1 Eine kürzere oder fünften Lebensmonat auf".3 Definition des Lachens dürfte schwer zu finden sein; diese Definition kommt auch Pirandellos Theorie vom "avvertimento e sentimento del contrario" am nächsten. Die von Morris genannten Beobachtungen sprechen alle gegen einen Versuch, das Komische (auch in der schönen Literatur) nur als objektive Erscheinung ganz bestimmter Zusammenhänge zu beurteilen. Soweit man heute feststellen kann, ist das Der zweitens zu nennende Punkt - der Aspekt der Unbetroffenheit - hängt mit dem Komische subjektiv ausgelöst und beruht auf dem zwiespältigen Eindruck der drittens folgenden "zwiespältigen Eindruck von Angst und Vertrauen" sehr eng zusammen, und ist seit der Antike bekannt. Aristoteles zufolge besteht das Lächerliche Sicherheit und Unsicherheit, der Angst und des Vertrauens, der Vorstellung und der 2 Aristoteles, Poetik, Buch V. 1 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille, Zweiter Band, Kapitel 8, Seite 99 ff. 3 Desmond Morris, Der Mensch mit dem wir leben, München 1978, Seite 257 Wirklichkeit... Dies ist kurzgefasst die Synthese der vorausgegangenen Gedanken: 2. AUTOR UND ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES ESSAYS Komik äußert sich nicht aus den Situationen, die wir sehen und verstehen könnten, sondern subjektiv aus der Seele des Menschen. Mag sein, dass es genau deshalb nicht glücken kann, alle Modalitäten des Komischen Luigi Pirandello wurde 1867 in Agrigent geboren; er starb 1936 in Rom. Der Sohn allgemein gültig zusammenzufassen.4 Denn der Mensch, als historisches, kulturelles und eines Schwefelminen-Besitzers studierte Philologie in Italien und Deutschland, schrieb individuelles Wesen, verändert sich dauernd und überall - mit den Zeiten, mit seiner vor allem Theaterwerke und Novellen und erhielt 1934 für sein Schaffen den Umwelt, und sogar während seines eigenen, kleinen Lebens. Das heißt aber, die Nobelpreis. möglichen Formen der Komik steigen damit ins Unendliche. Komik und Humor sind kein ästhetisches, sondern ein psychologisches Problem. Die Theorie des Humors ist auch aufschlußreich für sein eigenes humoristisches Werk. ------Zu beachten ist, dass dieser Essay aus dem Jahre 1908 "deswegen geschrieben wurde, weil Was erforschbar wäre, sind die seelischen und biologischen Voraussetzungen und er seinem Autor zu einer Professur auf Lebenszeit an der römischen Lehrer-Akademie verhelfen Abläufe beim Erleben komischer Effekte. Solange diese Grundlagen des Lachens nicht sollte".5 Pirandello knüpfte an die Veröffentlichung also möglicherweise auch erforscht sind, haben Kulturphilosophen oder Literaturwissenschaftler keine andere Karrierehoffnungen - obwohl er durch sein Elternhaus finanziell gut abgesichert war. Wahl: Sie müssen "ad hoc" ganz persönlich beurteilen, ob und warum ein literarisches Werk komisch, humoristisch oder auf andere Weise lustig ist. Wenn man diese Möglichkeit einräumt, dann würde sein Aufsatz über humoristische Dichtung nicht zuletzt auch eine Art akademischen Streit beinhalten. So ist es: Vor Sowohl das Lachen wie das Komische oder Humoristische entzieht sich bisher dem allem im zweiten Kapitel nimmt Pirandello deutlich gegen Benedetto Croce Stellung, Zugriff der Wissenschaft. Insofern ist auch von den folgenden Theorien, Pirandellos der in seiner "teoria del comico" einen zuvor erschienenen Aufsatz Pirandellos kritisiert mit eingeschlossen, keine stichfeste Erklärung für "das Komische" zu erwarten. Wir sind hatte. Benedetto Croces Aufsatz schließt mit dem Fazit, dass eine philosophisch auf empirische Methoden, persönliche Vermutungen, Andeutungen und Einfälle gesicherte Definition des Humors ganz unmöglich sei - einfach deshalb, weil es angewiesen, ob und warum irgendetwas als "komisch" gelten kann. unzählige Möglichkeiten gebe, Komisches auszudrücken. Pirandellos Untersuchung zielt aber nicht auf objektive Ursachen und Erscheinungsformen des Humors (die auch ihm unerschöpflich vorkommen) - sondern beleuchtet die subjektive Seite des Humors und der Komik. Ausgangspunkt seiner Analyse ist der Schriftsteller. Wie in der Einleitung bereits betont wurde, beruht das Lächerliche ja nicht auf der lustigen Ausstrahlung der Dinge an sich, sondern auf der inneren Einstellung dessen, der etwas als komisch oder nicht komisch erkennt. Genau diesen Ansatz, den subjektiven Ansatz, verfolgt nun Pirandello. Der italienische Novellist und Dramatiker nähert sich darin Ansichten des französischen Dichters Charles Baudelaire, der seine ästhetische Abhandlung "De l´Essence du Rire" ebenfalls von der subjektiven Seite ansetzte: "Le comique, la puissance du rire est dans le rieur et nullement dans l´objet du rire".6 5 Pirandello, Der Humor, Nachwort von Johannes Thomas, Mindelheim 1986, Seite 210. 4 z.B. Vladimir Propp, comicità e riso, letteratura e vita quotidiana, Torino 1988 6 Charles Baudelaire, De l´Essence du Rire, Œuvres, Paris 1926, (Curiosités Esthétiques) Seite 379. 3. BENEDETTO CROCE ALS GEGENPOL PIRANDELLOS in esse definitivamente assodato; e anzi nessuna di esse ha fatto mai scuola. Ciascun teorizzatore ricomincia da capo e parla per suo uso privato ..."10 Stimmt es wirklich, dass keine Theorie des Komischen sich durchgesetzt hat? Wenn Die Positionen von Benedetto Croce und Pirandello liegen beide nicht so weit man Schopenhauers Theorie des Lächerlichen mit Pirandellos Aufsatz über den auseinander, wie es wegen der eingangs bemerkten, akademischen oder beruflichen Humorismus vergleicht, dann ergeben sich frappante Gemeinsamkeiten, die Croces Ambitionen des Dichters vielleicht scheinen könnte: Der Feststellung Croces, dass Urteil ziemlich entkräften. Erstens: Das Komische beruht auf einem Kontrast; zweitens: Humor überhaupt nicht zu definieren sei, liegt nämlich die gleiche Erkenntnis Es ist immer subjektiv, wie Croce ja selbst feststellt. Diese Prämissen sind ohne Zweifel zugrunde, von der auch Pirandello ausgeht: Die Subjektivität jeder Komik. zwei "punti assodati", die sich aus dem Vergleich z. B. der Theorien Schopenhauers und - Pirandellos ergeben. Croce stellt ausdrücklich fest, dass Komik nie objektiv ist, sondern auf persönlichen Gefühlen beruht: "Si ammetterà facilmente, sol che vi si rifletta un´istante, che le cose non sono Gerade Schopenhauers "Theorie des Lächerlichen" (von der später noch einmal die per sé comiche o non comiche - ma che la comicità nasce unicamente dal nostro modo di trattarle, Rede sein wird) findet sich unabhängig bei anderen Denkern bestätigt. Als mittlerweile cioè dal nostro sentire".7 Allerdings zieht Croce daraus völlig andere Konsequenzen, als erhärtete Theorie dürfte vor allem seine Bewertung der Inkongruenz beim Entstehen Pirandello. des Komischen gelten. Als beispielhaftes Zeichen der von Croce vermißten "punti assodati" sei der russische Psychologe S. L. Rubinstein zitiert, der genau diesen Croce lehnt aus den genannten Gründen eine philosophische Erklärung des Gedanken der Inkongruenz in seinem Buch über die "Grundlagen der allgemeinen Komischen völlig ab, und erklärt Komik zu einem festen Begriff, wie Schwarz oder Blau, Psychologie" wiederholt, und ihn dadurch bekräftigt: der gar nicht -mehr hinterfragt werden muß: "Del comico non è possibile teoria e non è possibile definizione: intendiamo teoria e definizione filosofiche. La sua definizione è il suo nome "Das Gefühl des Komischen, das man nicht mit Humor oder Ironie verwechseln darf, enthält als stesso".8 Damit ist das Problem für Croce erledigt. wesentliche Komponente ein intellektuelles Moment. Es entsteht durch eine plötzlich sich auftuende Inkongruenz zwischen der scheinbaren Bedeutsamkeit einer handelnden Person und der Pirandellos empirische Untersuchung des Komischen und Humoristischen fängt genau Nichtigkeit, der Ungeschicklichkeit, überhaupt der Ungereimtheit ihres Verhaltens, also etwa an diesem Punkt erst richtig an: "Inanzi tutto, perché sono indefinibili gli stati psicologici?", zwischen dem Verhalten, das einer bedeutsamen Situation entspricht, und der Bedeutungslosigkeit hält er dagegen, "saranno forse indefinibili per un filosofo, ma l´artista, in fondo, non fa altro der vorhandenen Situation. Komisch und lächerlich wirkt dabei, dass das Verhalten zunächst che definire e rappresentare stati psicologici".9 In der Tat schließt ja die unerschöpfliche bedeutsam erscheint und seine Nichtigkeit dann offenbar wird. Die Inkongruenz und Vielfalt, die sich aus der Subjektivität alles Komischen ergibt, keineswegs aus, dass eine Ungereimtheit, die in der Regel im Komischen enthalten sind, bringen an sich diesen Eindruck allgemein gültige Erklärung dafür, wie Komik und Humor entstehen, möglich ist. noch nicht hervor. Zur Entstehung des Gefühls der Komik gehört außerdem, dass ein unbegründeter Anspruch entlarvt wird. [...] Beträchtlich komplizierter als das Gefühl des Croce ist der Meinung, solche Erklärungen des Komischen seien nutzlos, weil dabei nur Komischen ist das Gefühl des Humors und der Ironie. Der Humor setzt voraus, dass man das mit persönlichen Begriffen gespielt werde, ohne zu einer allgemein gültigen Erkenntnis Lächerliche, die Unzulänglichkeit als etwas Positives, Anziehendes empfindet."11 zu gelangen: "Cioè che quelle teorie non formano catena ... Nessun punto puo dirsi che sia stato 7 Benedetto Croce, la teoria del comico, ultimi saggi, Seite 286. 10 Benedetto Croce, teoria del comico, Seite 291. 8 ebd. Seite 289. 11 Sergej Leonidoviç Rubinstein, Grundlagen der allgemeinen Psychologie, Berlin 1973, Seite 612 (Kapitel: Die 9 Pirandello, l´umorismo (opere, saggi) Verona 1953, Seite 124. Emotionen) Nicht nur die Idee der Inkongruenz, sondern auch die ganz wesentliche 4. MITTEILEN ODER MITFÜHLEN - AVVERTIMENTO E SENTIMENTO Unterscheidung zwischen Komik und Humor, welche gerade Pirandello betont, wird von dem russischen Psychologen wiederholt. Soweit zur Verteidigung von Pirandellos Unternehmen, eine allgemein gültige Theorie des Humors zu entwerfen. Hiermit stellen wir fest, dass es genügende Übereinstimmungen zwischen Philosophie, Wie lautet Pirandellos Theorie des Humors? Kurz gesagt, ist Komik in seinen Augen Psychologie und Literatur gibt, die ein solches Unternehmen rechtfertigten. immer ein "avvertimento del contrario", während Humor als "sentimento del contrario" entsteht. Beide Spielarten des Lächerlichen sind in den künstlerischen Erst auf der Grundlage solcher Parallelen, das heißt im Vergleich mit anderen Theorien Schöpfungsprozeß eingebettet, betont der Autor. Während jedoch auf der einen Seite, und Einsichten, wird es möglich, Pirandellos Aufsatz über die komische und beim Schreiben komischer Werke, der zum Lachen bringende Kontrast nur mitgeteilt humoristische Einstellung des Schriftstellers besser zu verstehen und seine Leistung zu wird, wird beim humoristischen Schreiben der Kontrast auch mitgefühlt. werten. Wer sich an diese Methode wagt, muß allerdings auf Widersprüche und Irrtümer gefaßt sein. Eine Zauberformel zum endgültigen Verstehen der lächerlichen, Während beim komischen Schreiben der Kontrast, über den wir lachen, also unter dem komischen und humoristischen Phänomene, ist sowieso nicht zu finden. "Le travail est Aspekt eigener Unbetroffenheit dargestellt wird, gibt es beim humoristischen Schreiben encore à faire, car les essais publiés jusqu´à présent ne sont guère que des matériaux".12 Besinnung und Verständnis für menschliche Hintergründe. Gleichzeitig weckt diese Einstellung das Mitgefühl auch beim Leser. Das heißt, der Humorist und sein Leser nehmen beim Schreiben persönlichen Anteil am Geschehen und an den dargestellten Figuren. Der Komiker hingegen schreibt, laut Pirandello, ohne wahre Teilnahme zu zeigen. Dieser Unterschied ist die zentrale These in seiner Theorie des literarischen Humors: "Il comico è appunto un avvertimento del contrario. Ma se ora interviene in me la riflessione, e mi suggerisce che quella vecchia signora non prova forse nessun piacere a pararsi così come un papagallo, ma che forse ne soffre e lo fa soltanto perché pietosamente s´inganna, [...] ecco che io non posso piu riderne come prima, perché appunto la riflessione [...] mi ha fatto andar oltre: da quel primo avvertimento del contrario mi ha fatto passare a questo sentimento del contrario. Ed è tutta qui la differenza tra il comico e l´umoristico." Mit dem Sinnbild einer häßlichen Frau, die schön sein will, führt uns Pirandello (bewußt oder unbewußt) auf eine uralte poetische Überlegung zurück. Sie betrifft die Theorie der antiken Komödie: Aristoteles hat, wie wir bereits in der Einleitung bemerkten, die Komik als einen Zustand definiert, der notwendig mit dem Aspekt der Unbetroffenheit verbunden sei. In seiner Poetik spielt, ähnlich wie bei Pirandello, das Mitgefühl, oder besser die Abwesenheit von Mitgefühl in der Komik, eine tragende Rolle. Theoretischer Ausgangspunkt ist allerdings nicht ein subjektiver Kontrast (contrario) sondern das objektiv Häßliche und Fehlerhafte. 12 Charles Baudelaire, De l´Essence du Rire, Œuvres, Paris 1926, (Curiosités Esthétiques) Seite 369 f. Im fünften Buch seiner "Poetik" stellt der griechische Philosoph diesen angeblich nachfühlen: "Il riso non ci viene alle labbra schietto e facile; sentiamo che qualcosa ce lo turba e objektiven Bezug zwischen Häßlichkeit und Komik genau heraus. Das Sinnbild der ce l´ostacola".16 komischen Maske, als Beispiel nicht schmerzlich betreffender Häßlichkeit, erinnert Auch am Beispiel Don Abbondios versucht Pirandello uns klarzumachen, wie durch verblüffend an Pirandellos eigenes Gleichnis der komisch geschminkten Frau. Kurz und Einfühlungsvermögen die Komik in Humor umschlagen kann. Durch geschickte einfach zusammengefaßt, stellt die Komödie laut Aristoteles niedrige, das heißt Führung Manzonis tauchen wir in die innere Welt des ängstlichen Priesters ein, der die innerlich und äußerlich häßliche Menschen dar. Das Komische entstehe aber nicht aus verbotene Trauung von Renzo und Lucia nicht durchführen will. Wir fühlen mit ihm. allem, was häßlich ist - sondern lediglich "aus Fehlern und Häßlichkeiten, die weder Über einen bloßen Angsthasen könnte man vielleicht lachen - nur solange jedoch, als schmerzen, noch zerstören." Komische Masken seien ein gutes Beispiel: Sie seien mißraten man dessen Ängste nicht nachvollzieht und verstehen kann. Pirandello betont, "che il und häßlich, ohne Schmerz mitzuteilen.13 pauroso è ridicolo, è comico, quando si crea rischi e pericoli immaginarii: ma quando un pauroso ha veramente ragione d´aver paura, [...] questo pauroso non è piú comico soltanto".17 Was die Komik betrifft, ist Pirandello wie Aristoteles der Ansicht, dass sie ohne Anteilnahme entsteht. Anteilnahme oder Mitgefühl spielt dagegen für humoristische Auch in diesem literarischen Beispiel trägt das Komische ernsthafte Züge, weil sich das Schöpfungen eine Rolle. Dieses Mitfühlen wird vom Verstand wie von einem Schatten Gefühl der Komik mit menschlichem Verständnis mischt: "Ridendo e compatendo nello begleitet: "L´umorista bada al corpo e all´ombra, e talvolta piú all´ombra che al corpo".14 So stesso tempo", meint Pirandello, "il poeta viene anche a ridere amaramente di questa povera entstehen die typischen Kontraste, die ein humoristisches Werk kennzeichnen. natura umana inferma di tante debolezze".18 Die Komik erhält einen bitteren Beigeschmack; das Ergebnis heißt Humor. Pirandello zeigt anhand von Werken vor allem der spanischen und italienischen Literatur, dass dieses Hineinfühlen in die Figuren und Situationen ein wesentliches Prüft man die zwei genannten Beispiele aus der Literatur (Don Quichotte und Don Erkennungszeichen für jeden humoristischen Schriftsteller ist. Vor allem Cervantes Abbondio) einmal nach psychologischen Maßstäben, so fällt eines ins Auge: Sie "Don Quichotte" und Manzonis "Promessi sposi" dienen dabei als Quellen. spiegeln die zwei wesentlichen Ursprünge des Lachens wieder. Unbewußt oder bewußt, wählt Pirandello erstens ein Beispiel menschlicher Aggression, und zweitens ein Beispiel Die Anteilnahme des Autors und Lesers besteht im "Don Quichotte" aus einer menschlicher Angst, um die jeweilige Wirkung des Lächerlichen in seiner Ambivalenz zwischen komischen und nachvollziehbar heroischen Momenten: "È un humoristischen Form zu erklären. senso di commiserazione, di pena e anche d´ammirazione, sí, perché se le eroiche avventure di questo povero hidalgo sono ridicolissime, pur non v´ha dubbio che egli nella sua ridicolaggine è Die Verhaltens-Psychologie hat (wie eingangs bemerkt) auf mimische Gemeinsamkeiten veramente eroico."15 Humor muß also nicht unbedingt positiv sein, sondern kann des Lachens mit dem Schreien aufmerksam gemacht. In der Tat sieht die Wissenschaft durchaus tragische Züge enthalten. Das Lachen werde dabei durch den Umstand sowohl im Gefühl der Angst als auch in Äußerungen der Aggressivität mögliche erschwert, dass wir die Geschehnisse gleichzeitig ernst nehmen, wenn wir sie Wurzeln des Lachens. Gerade diese zwei biologischen Reaktionsmöglichkeiten auf bedrohliche oder fremdartige Eindrücke, Angst und Aggressivität, dienen in Pirandellos Aufsatz als Illustration! 13 Aristote, La Poétique, Paris 1980: "La comédie est, comme nous l´avons dit, la représentation d´hommes bas; cependant elle ne Die Suche nach ernsten Hintergründen kennzeichnet Pirandello dennoch weniger im couvre pas toute bassesse: Le comique n´est qu´une partie du laid; en effet le comique consiste en un défaut ou une allgemeinen bezüglich des Lachens, sondern vielmehr im einzelnen - das heißt bezüglich laideur qui ne causent ni douleur ni destruction; un exemple évident est le masque comique: il est laid et difforme sans exprimer la douleur." (Seite 49, chapitre 5, 49a 32-36) 16 ebd. Seite 129. 14 L´umorismo, Seite 160. 17 ebd. Seite 143. 15 ebd. Seite 129. 18 L´umorismo, Seite 144. humoristischer Werke: Der Humor ist besonders deutlich mit ernsten Momenten 5. IN KONTRASTEN DENKEN (IL CONTRARIO) verbunden. Während gewöhnliche Komik unbeschwertes Lachen ermöglicht, zielt Humor auf die nachdenkliche Seite des Menschen, oder mit Schopenhauer ausgedrückt, "ist jede poetische Darstellung einer komischen Szene, als deren Hintergrund jedoch ein ernster Gedanke durchschimmert, humoristisch".19 Nichts anderes ist auch mit dem Wie bereits festgestellt, beruht die humoristische Einstellung auf einem "sentimento del Wasserspiegel-Gleichnis im dritten Kapitel des Aufsatzes gemeint, wo die psychischen contrario". Aber warum und in wem entsteht dieses Gefühl des Gegenteiligen? Auf jeden Abläufe beim Schreiben und Lesen humoristischer Werke sinnbildlich erklärt werden: Fall nicht in den Objekten selbst. Laut Pirandello beruht es ganz auf der eigenartigen Psyche des Humoristen: "Tanto il comico quanto il suo contrario sono nella disposizione "Nella concezione d´un opera d´arte, la riflessione è quasi una forma del sentimento, quasi uno d´animo stessa".21 Das typisch humoristische Gefühl sei ein Denken in Kontrasten. Es specchio in cui il sentimento si rimira. [...] Nella concezione umoristica, la riflessione è, sí, come beruhe auf der ständigen Reflektierung der dargestellten Gefühle. Diese Reflektierung uno specchio, ma d´acqua diaccia, in cui la fiamma del sentimento non si rimira soltanto, ma si "scompone l´immagine creata da un primo sentimento per far sorgere da questa scomposizione e tuffa e si smorza".20 presentarne un altro contrario".22 Die Reflektierung (riflessione) spielt beim Entstehen eines humoristischen Werkes also Der Autor gewährt uns mit dieser Beschreibung einen Einblick in die Psyche des eine entscheidende Rolle. Erst in der gedanklichen Spiegelung, das heißt durch den Dichters. Und nur dort, im subjektiven Schöpfungsprozeß, nicht in der objektiven inneren Abstand zu Figuren und Situationen, entsteht der Humor. Wo diese Darstellung, sind die Ursachen des Humors zu suchen. Pirandello unternimmt keine "Reflexion" genau waltet, auf welche Dinge sie bezogen ist, und schließlich: was mit dem Psychoanalyse, sondern arbeitet mit witzigen Vergleichen. Die von Kontrasten Stichwort des Gegenteils (il contrario) gemeint ist, das wir bisher ganz allgemein mit beherrschte Gefühlswelt des Humoristen vergleicht er zum Beispiel mit dem Eindruck, "Kontrast" umschreiben, und in der Einleitung als Inkongruenz eines geistigen Begriffes seelisch gleichzeitig Geige und Kontrabaß zu sein. Es komme dem Humoristen so vor, mit der menschlichen Wirklichkeit bezeichnet haben, dies soll im anschließenden als spiele er zur gleichen Zeit auf zwei verschiedenen Notenschlüsseln. Kapitel herausgearbeitet werden. Die Grenzen der Komik werden durch diese Einstellung gesprengt, bitter ernste Grundlagen werden sichtbar: "Non può esser che amaramente comica la condizione d´un uomo che si trova ad esser sempre quasi fuori di chiave, ad essere a un tempo violino e contrabasso; d´un uomo a cui un pensiero non può nascere, che subito non gliene nasca un altro opposto, contrario".23 Dieser Kontrast, der sich zunächst in der Psyche des Schriftstellers befindet, überträgt sich auf die humoristische Wirkung seiner Figuren und geschilderten Situationen. Der Eindruck des Dichters, sich in mehrere Ansichten zu spalten, erinnert an Pirandellos Bühnenstück "Così è se vi pare". Dort wird eine einzige Persönlichkeit in mehrere Figuren gespalten, die sich alle bewahrheiten. Diese Spaltung wird auf der Bühne zum alles beherrschenden Hauptmotiv. "Io sono realmente come mi vede lei", sagt Lamberto 21 L´umorismo, Seite 138 19 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille, Erstes Buch, Kapitel 8, Seite 111. 22 ebd. Seite 135. 20 L´umorismo, Seite 132. 23 L´umorismo, Seite 138. Laudisi zu einer Dame, "ma ciò non toglie [...] che io non sia anche realmente come mi vede suo Im Gegensatz zum russischen Psychologen Rubinstein ist der Erzähler und marito, mia sorella, mia nipote e la signora qua".24 Bühnenautor Pirandello somit keineswegs der Ansicht, daß man beim Humor notgedrungen "das Lächerliche, die Unzulänglichkeit als etwas Positives, Anziehendes Die Willkürlichkeit unserer Ansichten wird vom Humoristen ganz ähnlich gefühlt und empfindet".29 Am Beispiel Don Abbondios stellt er dies in Frage. - Ist Humor wirklich erkannt. Daraus wächst sein Bedürfnis, die anderen Seiten der Medaille zu zeigen, seine heiter? Ist er nachsichtig? "Lasciamo star codeste considerazioni, che sono in fondo estranee e Gefühle umzukehren, und fortwährend in Kontrasten zu denken. Das Denken in superficiali", fordert der Autor, "sí, ha compatimento il Manzoni per questo pover´uomo di don Kontrasten geschieht dabei als unbewußte, nicht als bewußte Reflexion. Der Künstler Abbondio; ma è un compatimento [...] che nello stesso tempo fa strazio".30 entwirft nicht abstrakte Ideen, sondern bleibt auch als Humorist "un critico fantastico".25 Das "verhöhnende Mitleid" Manzonis ist in Pirandellos Augen kein Zeichen der bloßen Mit diesem Argument spitzt Pirandello noch einmal die Klinge gegen seinen Kritiker Gutmütigkeit, des heiteren Denkens. Im Gegenteil, je tiefer der Leser in den Benedetto Croce - der den Begriff der Reflektierung (riflessione) der poetischen Gefühle humoristischen Kern der Figur vordringt, desto mehr schlage sein Gefühl zwischen und Bilder offensichtlich als Reflexion im allgemeinen Sinne (nämlich als logisches Lachen und Weinen in hoffnungslose Traurigkeit um, desto verschwommener Hinterfragen) mißverstand. Für Pirandello ist, wie mehrfach betont, keine objektive empfinde er die Wirkung des Komischen, und desto weniger könne er lachen: "Quella Komik, sondern die subjektive Einstellung des Schriftstellers entscheidend: "Io parlo pietà, in fondo, è spietata".31 d´una attività intrinseca della riflessione", unterstreicht Pirandello, "e non della riflessione come materia componente dell´opera d´arte".26 Die desillusionistische Deutung des Humors teilt Pirandello mit Arthur Schopenhauer: Humor sei der hinter den Scherz versteckte Ernst.32 "Fängt die Ironie mit ernster Miene an Der eigenartige Drang des Humoristen, durch diese Art Reflexion auf Kontraste zu und endigt mit lächelnder, so hält der Humor es umgekehrt".33 Die innere Verwandtschaft des stoßen, die er gleichzeitig mitempfindet, hat weltanschauliches Ausmaß: "Induce a italienischen Dichters mit dem deutschen Philosophen zeigt sich vor allem auf riflettere che la vita, non avendo fatalmente per la ragione umana un fine chiaro e determinato, weltanschaulicher Seite. Daß unsere Welt nur aus eigener Vorstellung besteht - diese bisogna che [...] ne abbia uno fittizio, illusorio, per ciascun uomo".27 Ansicht ist Pirandello aus dem eigenem Denken vertraut: "Manca affatto alla nostra conoscenza del mondo e di noi stessi quel valore obiettivo che comunemente presumiamo di Humor muß nicht einmal positiv sein. Die Lebenseinstellung des Humoristen, sagt attribuirle. È una costruzione illusoria continua".34 Pirandello, beruhe keineswegs auf nachsichtiger Sympathie, die über Schwächen und Fehler der Welt gewissermassen hinweglächelt. Sie beruhe auf dem chronischen Die Welt als Illusion zu entlarven, das ist Pirandellos unterschwellige Neigung. Nicht Zwiespalt der Gefühle. - Diese Haltung kann schlechten Erfahrungen mit dem Leben nur in seinen literarischen Schöpfungen - auch als Essayist. Dieser Umstand mag und den Menschen entsprungen sein. Jedenfalls ist sie Ergebnis der Reife: "Non permette Vorwürfe rechtfertigen, wie von Umberto Eco, der Pirandellos Definition des Humors più al sentimento ingenuo di metter le ali e di levarsi come un´allodola perché lanci un trillo nel als "ungenau und verfehlt"35 bezeichnet. Eco wirft Pirandello vor, in der zweiten Hälfte sole, senza ch´essa la trattenga per la coda nell´atto di spiccare il volo."28 Die endgültige seines Essays nur allgemeine Definitionen der Kunst zu liefern, und durch Einsicht, daß die Welt aus menschlichen Illusionen besteht, veranlaßt den Humoristen so zu sein, wie er ist. 29 vgl. "Benedetto Croce als Gegenpol Pirandellos" 30 L´umorismo, Seite 144. 24 Luigi Pirandello, opere, drammi, Seite 1017. 31 ebd. Seite 145. 25 L´umorismo, Seite 133 32 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille, Zweiter Band, Kapitel 8, Seite 109 26 ebd. Seite 136. 33 ebd. Seite 110. 27 ebd. Seite 138. 34 L´umorismo, Seite 146. 28 ebd. 35 Umberto Eco, Über Spiegel, Pirandello ridens, München 1988, Seite 246. weltanschauliche Dinge vom Thema abzuschweifen. "Statt den Humor zu definieren", 6. DIE WELT ALS ILLUSION meint Eco, "definiert er die Kunst im allgemeinen - und das Leben".36 Tatsächlich bleibt uns Pirandello erstens Erklärungen über wichtige Einzelheiten schuldig, wie zum Beispiel über seinen Begriff des Gegenteiligen (il contrario). Wessen Um den Humoristen zu verstehen, setzt Pirandello ein Weltbild voraus, aus welchem Gegenteil? Kann man Gegenteile mitfühlen? Zweitens erscheint es zumindest einseitig, angeblich auch die Empfindung des Gegenteiligen (sentimento del contrario) beim im Humor ganz grundsätzlich ein Mittel zur Desillusion zu sehen. Als poetische humoristischen Schöpfungsprozeß entspringt. Dieses Weltbild kommt der Philosophie Grundüberlegung erscheint uns der Gedanke, die Welt und das Leben in Frage zu Schopenhauers von allen Lebensansichten am nächsten: Unsere Welt und die stellen, nicht uninteressant. Aber ist dies noch eine Definition des Humors? Oder ist es Erkenntnis des eigenen Daseins besteht demnach nur aus der Vorstellung, die wir eine Definition der Kunst? davon haben. Wir sehen uns nicht so, wie wir sind, sondern wie wir sein möchten. Alles menschliche Denken, Handeln und Leben geschieht auf der Basis von Illusionen. Mit fortschreitender Entwicklung des Essays scheint nicht nur der Leser, sondern auch der Autor das Thema des Anfangs aus dem Auge zu verlieren: Der Humorist wird ganz Der Humorist, so schreibt Pirandello weiter, erkenne diese Inkongruenz zwischen allmählich zum dichtenden Philosophen stilisiert - wobei die subjektiven Grundlagen unserer Vorstellung und der Realität. Anders als der Komiker oder Satiriker, und Wirkungsweisen der Komik und der humoristischen Literatur in den Hintergrund beschränke er sich jedoch nicht darauf, einfach darüber zu lachen, sondern versuche treten: "La riflessione può scoprire tanto al comico e al satirico quanto all´umorista questa gleichzeitig, zu verstehen. "L´umorista va piú addentro, e ride senza sdegnarsi scoprendo come, costruzione illusoria", behauptet Pirandello, "l´umorista, attraverso il ridicolo di questa scoperta [...] per opera d´una finzione spontanea, noi siamo indotti a interpretar come vero riguardo, come vedrà il lato serio e doloroso; smonterà questa costruzione, [...] e in luogo di sdegnarsene, magari, vero sentimento morale, ciò che non è altro, in realtà, se non riguardo o sentimento di ridendo, compatirà".37 convenienza".39 Mit dieser Betrachtung im fünften Kapitel setzen gleichzeitig weltanschauliche Man kann gültige Ideen auch zur Ideologie aufblasen! Der Gedanke, dass unsere Abschweifungen ein; denn plötzlich ist von Desillusion, von der ernsten Seite des menschliche Erkenntnis stets auf subjektive Möglichkeiten beschränkt ist, mag Lebens, von Schmerzen die Rede. Philosophische Fragen gewinnen die Oberhand. Es unbestritten sein. Es gibt nicht viel zu lachen, wenn die menschliche Existenz so ist, wie geht nicht mehr "nur" um Humor. Es geht auch nicht mehr um Komik, sondern um Pirandello sie darstellt: Voller Lügen, Einbildungen und Scheinbarkeiten. "L´umorista Kunst. Pirandellos ästhetische und Lebens-Ansichten brennen mit ihm durch, und aus coglie subito queste varie simulazioni per la lotta della vita; si diverte a smascherarle; non se einem Essay über den Humorismus wird ein "groteskes Drama einer unmöglichen n´indigna: è cosí", schildert Pirandello.40 Definition".38 Ist diese desillusionistische Weltanschauung aber wirklich grundsätzlich notwendig, damit humoristische Werke entstehen? Reißt der Humorist zwangsläufig dem Leben die Maske ab? Ist humoristisches Lachen tatsächlich bitter? Ist normaler Humor nicht auch einfach, "wenn man trotzdem lacht"? Pirandello reduziert seine Definition des Humors auf eine Weltanschauung, die auch in seinen Novellen und Bühnenwerken enthalten ist. 36 Umberto Eco, Über Spiegel, Pirandello ridens, München 1988, Seite 251. 37 L´umorismo, Seite 146. 39 L´umorismo, Seite 147. 38 Umberto Eco, Über Spiegel, Pirandello ridens, München 1988, Seite 253. 40 L´umorismo, Seite 148. "Im Prinzip wäre die einzige Art, über das Leben zu sprechen, die humoristische", stellt Umberto halbblinden Zustand unseres Bewußtseins plötzlich in eine ganz andere, unbekannte Eco fest, "denn das Leben ist komisch - es ist nichts anderes als ein ständiges Zerbrechen der Wirklichkeit bringt. "In certi momenti di silenzio interiore, in cui l´anima nostra si spoglia di erwarteten Ordnung".41 Gleichzeitig kritisiert er jedoch, dass Pirandellos Definition auf tutte le finzioni abituali, [...] noi vediamo noi stessi nella vita, [...] quasi in una nudità arida, eine Art bitteren Humor hinausläuft, der keine erkennbaren Unterschiede zum inquietante; ci sentiamo assaltare da una strana impressione, come se, in un baleno, ci si chiarisse Tragischen aufzeige: "Die Gründe, aus denen man lächelt, sind dieselben, aus denen man una realtà diversa da quella che normalmente percepiamo".45 weint".42 Diese Feststellung ist eine nähere Prüfung wert. Der Humor ruft geistige Möglichkeiten wach, die aus unserer Vorstellung verbannt "Ti draso" (was soll ich tun?) lautet die Frage des Orest in dem gleichnamigen Drama von waren. Durch ihn werden steife Denkgewohnheiten in der Phantasie wieder beweglich Aischylos - der tragische Held ist ratlos und unentschlossen. Unentschlossen ist, aus der gemacht: "La vita è un flusso continuo che noi cerchiamo d´arrestare, di fissare in forme stabili e Sicht Pirandellos, auch der Humorist. Der Humorist ist es aber deshalb, weil er sich so determinate, dentro e fuori di noi, perché noi già siamo forme fissate", erinnert Pirandello, "ma in die Figuren und Situationen hineinversetzt, und sich innerlich spaltet, daß er dentro di noi stessi, in ciò che noi chiamiamo anima, e che è la vita in noi, il flusso continua , schließlich konträr zu fühlen beginnt. "È proprio dell´umorista, per la speciale attività che indistinto, sotto gli argini, oltre i limiti che noi imponiamo, componendoci una coscienza, assume in lui la riflessione, generando il sentimento del contrario, il non saper piú da qual parte costruendoci una personalità".46 tenere, la perplessità, lo stato irresoluto della coscienza".43 Auch Henri Bergson hat bekanntlich das Lachen als Reaktion auf die Steife der Inwiefern die Unentschlossenheit des Humoristen wirklich tragisch, das heißt auf eine Bewegungen, des Geistes und des Charakters interpretiert. So verfehlt der ausweglose Lage gegründet ist, die zum Handeln zwingt, sei dahingestellt. Es wurde philosophische Ansatz des Franzosen ist, die Ursachen des Lachens in der objektiven bereits in der Einleitung zu dieser Arbeit betont, daß Pirandellos Essay über den Wirklichkeit zu suchen; immerhin trifft er wichtige Wahrheiten, die sich in Pirandellos Humor subjektive Empfindungen behandelt. Der Humor ist keine ästhetisch faßbare Essay wiederfinden. Dem Begriff der "forme fissate" einerseits entspricht auf der anderen Erscheinung, sondern zunächst mal ein Problem der Psychologie oder Philosophie. Seite der Begriff der "raideurs". Ein Unterschied beider Theorien liegt im übrigen darin, daß Bergson hauptsächlich die soziale Funktion des Lachens zu ergründen versucht - Wenden wir uns trotz der Bedenken, zusammen mit dem Autor das eigentliche Thema während Pirandello den Unterschied zwischen (literarischer) Komik und Humor zu verfehlen, der Lebensauffassung und poetischen Weltsicht Pirandellos zu! herausarbeitet. Schließlich übernimmt sie die Hauptrolle in den zwei letzten Kapiteln. Das Phänomen des Humors spielt zwar im Hintergrund mit, dient aber vielmehr dazu, nun die Die Theorie des französischen Philosophen läuft auf die These hinaus, das Lachen sei Grenzen logischer Vorstellungskraft zu zeigen. "Le barriere, i limiti che noi poniamo alla eine Korrekturmaßnahme der Natur, um die Steifheit und Unlebendigkeit zu nostra coscienza, sono anch´essi illusioni, sono le condizioni dell´apparir della nostra bekämpfen. Nach Bergson wehrt sich im Lachen unser sozialer Instinkt; das Komische individualità relativa", schreibt Pirandello, "ma, nella realtà, quei limiti non esistono punto".44 besteht immer aus einem Verstoß gegen ein gewohntes Prinzip der Allgemeinheit. "Si l´on trace un cercle autour des actions et dispositions qui compromettent la vie individuelle ou Der illusionären Wahrheit unserer sogenannten Realität stellt er damit die Welt des sociale, [...] il reste en dehors de ce terrain d´émotion et de lutte [...] une certaine raideur du corps, Möglichen entgegen - die Welt der Phantasie. Der Humor wäre diejenige Kraft, die de l´esprit et du caractère, que la société voudrait encore éliminer pour obtenir de ses membres la unsere imaginären Grenzen verläßt, und die uns für einen Augenblick aus dem plus grande elasticité et la plus haute sociabilité possibles. Cette raideur est le comique et le rire en est le châtiment".47 41 Umberto Eco, Über Spiegel, Pirandello ridens, München 1988, Seite 253. 42 Umberto Eco, Über Spiegel, Pirandello ridens, München 1988, Seite 254. 45 L´umorismo, Seite 152. 43 L´umorismo, Seite 145. 46 L´umorismo, Seite 151. 44 L´umorismo, Seite 149. 47 Henri Bergson, Le Rire, Seite 81. 7. BIBLIOGRAPHIE Worin genau die Steife besteht, die Bergson schildert, wird im Zusammenhang mit Pirandellos Theorie des Humors erst richtig deutlich. Der geistige Ansatz liegt hier nicht in der objektiven Wirklichkeit, sondern umgekehrt in der menschlichen Psyche: "L´uomo non ha della vita un´idea, una nozione assoluta, bensí un sentimento mutabile e vario, secondo i tempi, i casi, la fortuna", erklärt Pirandello, "ora la logica, astraendo dai sentimenti le idee, tende appunto a fissare quel che è mobile, mutabile, fluido; tende a dare un valore assoluto a PRIMÄR-LITERATUR: ciò che è relativo".48 Pirandello, Opere, Saggi: "L´umorismo" (S. 120-160), Verona 1953 Das Lachen straft unsere Vorstellung Lügen. Denn Komik und Humor erlauben uns, aus den logischen Grenzen der eigenen Vorstellung auszubrechen. Daß diese Leistung Pirandello, Der Humor, aus d. Ital. von Johannes Thomas, Mindelheim 1986 subjektiv ist, und nicht eine Folge objektiver Umstände, mag selbstverständlich klingen. Pirandellos Originalität liegt genau in dieser Tatsache: die Subjektivität nicht nur des Komischen, sondern auch des Humors als essayistichen Ansatz konsequent durchgehalten zu haben. Hiermit schließt sich nun unser Kreis der Argumente. Im Zusammenhang mit der Philosophie Schopenhauers, mit Erkenntnissen der modernen SEKUNDÄR-LITERATUR: Psychologie und mit sozialen Theorien Bergsons, aber auch dank der offenen Kritik Umberto Ecos, gewinnen die Bilder und Begriffe Pirandellos über die humoristische Kunst eine klare Bedeutung, die a priori nicht besteht. Aristote, La Poétique, Paris 1980 Charles Baudelaire, Œuvres, Curiosités Esthétiques: "De l´Essence du Rire", Paris 1926 Die sehr subjektive Deutung des Humorismus, in den Grenzen von Pirandellos eigener Henri Bergson, Le Rire, Paris 1982 Weltanschauung, mag ein zusätzlicher Beweis dafür sein, wie "relativ" die Wirklichkeit in Wirklichkeit ist - ein bewegender Fluß verschiedener Wahrheiten, den der Benedetto Croce, opere, ultimi saggi: "La teoria del comico", Bari 1963 (humoristische) Dichter nicht zur erstarrten Erkenntnis, sondern ganz im Gegenteil in Umberto Eco, Über Spiegel und andere Phänomene: "Pirandello ridens", München gedankliche Bewegung bringen muß. 1988 Nicht nur der Humor ist subjektiv: Pirandellos Definition des Humors ist es ebenfalls - Desmond Morris, Der Mensch mit dem wir leben, München 1978 und womöglich noch subjektiver, als der Autor selbst erkannte. Sergej Leonidoviç Rubinstein, Grundlagen der allgemeinen Psychologie, Berlin 1973 Arthur Schopenhauer, Sämtl. Werke: Die Welt als Wille, Bd. I + II, Frankfurt/M. 1973 48 L´umorismo, Seite 155.