`DE UTILITATE
AUGUSTIN,
CREDENDI',
ÜBER DAS VERHÄLTNIS
DES INTERPRETEN
ZUM TEXT
VON
CHRISTOPH
SCHÄUBLIN
I
Augustin verfasste 'De utilitate credendi' als erstes Werk nach seiner
Priesterweihe (391) in Hippo.' Den Zweck der Schrift sieht er darin, seinen Jugendfreund
Honoratus
fur die catholica fides zurückzugewinnen, nachdem die beiden sich zusammen einst durch die Manichaer und
ihre Verheissung, sie verm6chten mera et simplici ratione (2, p. 4,12f.)
zu Gott hinzufiihren,
hatten blenden lassen. Dabei spricht Augustin
durchweg als Philosoph. Er will Rechenschaft ablegen de invenienda ac
retinenda veritate (1, p. 3,12f.) - ganz im Sinne des 'Hortensius'3 -;
Leute, die allein ihren fJnf Sinnen trauen, werden als Epikureer charakterisiert,° die Manichaer gleichsam als akademische Skeptiker, d.h. als
besser bewandert im Widerlegen fremder Meinungen denn im Beweisen
mit
der eigenen; 5 und ein Zitat aus Cicero kundigt sich - fur Kenner einfachem quemadmodum
ille ait an.6 Insgesamt zeigt die Schrift einen
Charakter.' 7
distanziert-rationalen,
vorbereitenden,
ja methodischen
Damit stimmt fberein, dass Augustin am Ende selbst bekennt, er habe
eigentlich noch gar nicht damit angefangen, die nugae der Manichaer
und kaum etwas Bedeutsames
de ipsa catholica
zuruckzuweisen,
eroffnet.1 8
Etwa der dritte Teil der Schrift (cap. 5-13) gilt dem Umstand, dass die
Manichaer das Alte Testament 'zerfetzten und zerfleischten' (4, p. 6, 22
vetus testamentum discerpentes et dilaniantes). Angesichts dessen hdtte
Augustin natfrlich versucht sein konnen, siegesgewiss sogleich die in
den ehrwürdigen Texten enthaltene 'Wahrheit' ins Licht zu stellen. Er
zunachst - der
vor; ihn beschaftigen
geht indes viel behutsamer
erwahnten
von 'De ut. cred.' entsprechend
Grundausrichtung
bestimmte methodische Aspekte des Problems: 1. ein spezieller, nur das
Alte Testament betreffender,
und 2. ein genereller, der im Grunde fur
54
alle Texte gilt, insofern sie gemass ihrer Art irgendeiner Erklarung
bedürfen.
Was das Alte Testament anbelangt, so lasst Augustin seinen Freund
wissen, dass eine sachgerechte und verantwortungsbewusste
Auslegung
vier Kategorien beriicksichtigen und sich nach ihnen ausrichten mfsse
(cap. 5-9): secundum historiam, secundum aetiologiam, secundum analogiam, secundum allegoriam (5, p. 7,26-8,1). Die gleiche Tetras begegnet auch im kurz danach verfassten 'De gen.. ad litt. imperf. liber' 2,
allerdings in der einleuchtenderen
Reihenfolge historia - allegoria Beidemal
analogia
aetiologia.9
legt Augustin auf die Feststellung
Wert, dass die Begriffe griechischen Ursprungs seien und dass er keine
adaquaten lateinischen Wiedergaben kenne. Nun waren historia, allegoria und analogia am Ende des 4. Jh. natürlich längst in der lateinischen
Sprache heimisch und brauchten nicht mehr ubersetzt zu werden; doch
ihre Zusammenstellung
mit aetiologia führt letztlich - wenn auch
direkte Abhangigkeit gewiss auszuschliessen ist - in der Tat wohl auf
griechische exegetische Tradition. Diese scheint sich ihrerseits darauf
berufen zu haben, sie fuhre nur weiter, was schon Christus und die Apostel geübt hatten (6, p. 8, 16f. his omnibus modis dominus noster Iesus
Christus et apostoli usi sunt). Wann freilich und wo eine solche 'Lehre'
formuliert worden sein k6nnte, ist bis heute wohl ungeklart. Einige
Andeutungen mussen deshalb genügen.
Keine Probleme geben die historia und die allegoria auf (die Beispiele
cap. 8 zeigen, dass Augustin die allegoria wesentlich im Sinne unserer
'Typologie' versteht). Dagegen wirken die beiden andern Verfahrensweisen eher unvertraut:
secundum aetiologiam soll deutlich gemacht
werden, 'weswegen etwas getan oder gesagt worden sei' (5, p. 8,10f.),
wahrend die analogia darauf hinauswill, 'dass die beiden Testamente
sich nicht widersprachen'
(5, p. 8, 1 l ff.). Leider bietet Augustin in dem
ihr gewidmeten cap. 7 keine Belege dafur, wie die analogia, qua utriusque testamenti congruentia perspicitur
(7, p. 9,5f.), als exegetisches
Prinzip im Einzelfall zur Geltung gelangt; statt dessen betont er mit
besonderem Nachdruck, sie werde von allen neutestamentlichen
Autoren angewandt. Die Manichaer freilich erklarten die einschlagigen Stellen fur korrupt, ja die 'Actus apostolorum'
wollten sie gesamthaft nicht
in den Kanon aufnehmen: fur Augustin ein Argernis, das einen längern
echtheitskritischen
Exkurs n6tig macht (7, p. 9,23ff.). - Immerhin:
trotz gewisser Unklarheiten mag es am Ende gelingen, sich das praktische Vorgehen zu vergegenwartigen;
ratselhaft bleiben indes die von
55
Augustin benutzten Termini: Nach Ausweis der Lexika spielen a'vocxoyta
und aimo7?oYiain der griechischen Exegese keine Rolle, weder auf der
paganen Seite noch bei Origenes oder den Antiochenern.' ° Somit ist mit
der Behauptung, »dass Augustins Tetras auf Kreise zurilckgehen muss,
in denen antiochenische Formeln mit origenistischen zusammentrafen«,
als Terminus bekundet
nichts gewonnen" (nicht einmal fur a'XX71yoptoc
eine
besondere
Überdies
diirfen
die vier von AuguVorliebe' 2).
Origenes
stin genannten Begriffe schwerlich mit der Lehre »vom vierfachen
Schriftsinn« in Zusammenhang gebracht werden:' 3 die allegoria und die
analogia scheinen sich einigermassen nahe zu stehen und gemeinsam im
Bezug des Alten auf das Neue Testament die historia zu 'überhöhen',
wahrend die aetiologia aufgrund ihres speziellen Ansatzes wohl eine
gewisse Sonderstellung einnimmt; doch hat sie, darf man das einzige
Beispiel 6, p. 8,23ff. (Begrtndung eines mosaischen Gesetzes und seiner
Neufassung durch Christus) verallgemeinern,
moglicherweise ebenfalls
mit dem Verhaltnis der beiden Testamente zueinander zu tun und
erganzt also lediglich die Funktionen von allegoria und analogia. Insgesamt zielt ja die von Augustin hier entwickelte vierfache 'Methode' zumal in dem antimanichaischen
Kontext - darauf ab, das Alte Testament fur die christliche Uberlieferung und Lehre zu 'retten'.
II
Eigentumlich muten im folgenden die allgemeinen Er6rterungen an,
die Augustin Jber das Verhaltnis eines Interpreten
zu seinem Text
anstellt (cap. 10-13). Da sie bisher kaum irgendwelche Aufmerksamkeit
gefunden haben, m6gen sie hier etwas eingehender betrachtet werden.
des Alten
Die Manichaer werfen der catholica ihre Anerkennung
dies ist
Testaments als einer Heiligen Schrift vor und sehen darin
offenbar einen error. Hatte der
Augustins impliziter Ausgangspunkt voranstehende Abschnitt deutlich zu machen versucht, welche Kategorien zu einer angemessenen (christlichen, 'katholischen')
Auslegung des
der
Alten Testaments
verhelfen, so wechselt jetzt gewissermassen
Gesichtswinkel: Augustin fragt nach dem Wesen des unterstellten error
und priift auf diese Weise die Tragfahigkeit der gegnerischen Auffasdient ihm bis zuletzt die thesenartige
sung. Als Orientierungshilfe
- fast etwas unvermittelt mit
der
er
die
Diskussion
Behauptung,
eroffnet
errant,
(10, p. 13,29-14,1) : tria genera sunt erroris, quibus homines
cum aliquid legunt. Der besondere error - wenn es denn einer
56
ist -, der zwischen der catholica und dem Alten Testament waltet, wird
also hypothetisch an allgemein gfltigen Bedingungen gemessen. Gleich
im voraus sei festgehalten, dass samtliche 'Irrtümer' sich in ein hochst
differenziertes Beziehungsgeflecht einordnen; es wird gebildet durch die
tatsachliche sententia des Autors" und ihr Verhaltnis zur objektiven
Wahrheit einerseits, durch die Auffassung des Interpreten, worin die
sententia des Autors bestehe, und ebenfalls ihr Verhdltnis zur objektiven Wahrheit anderseits. Beide, der Autor wie der Interpret, sind je einzeln der Gefahr ausgesetzt, sich zu verfehlen: jener beziiglich der
Wahrheit, dieser bezfglich sowohl der Wahrheit als auch der sententia
des Autors. Im Zusammenspiel dann m6gen ihre 'Irrtümer' sich entweder kumulieren oder geradezu aufheben.
Augustin beleuchtet die drei von ihm festgestellten Formen von error
zuerst im Hinblick auf den Interpreten (cap. 10): 1. Die sententia des
Autors stimmt mit dem objektiven verum uberein; indem der Interpret
die sententia verfehlt (und seine Auffassung für 'wahr' halt), verfehlt er
in der Tat das verum. Beispiel: Der Interpret ist der Auffassung (und
halt sie fur 'wahr'), Vergil habe seine mythische Unterweltsschilderung
w6rtlich gemeint und in Rhadamanthys den Totenrichter gesehen (Aen.
6,566ff.). Dieser Glaube ist objektiv falsch und entspricht auch nicht
Vergils sententia. 2. Die sententia des Autors stimmt mit dem objektiven
verum nicht fberein; indem der Interpret die sententia trifft (und seine
Auffassung fur 'wahr' halt), verfehlt er das verum abermals. Beispiel:
Der Interpret ist der Auffassung (und halt sie fur 'wahr'), Lukrez lehre,
dass die Seele aus Atomen gebildet sei, die sich nach dem Tod wieder
voneinander
losten. Dieser Glaube ist objektiv falsch, obwohl er
Lukrez' sententia genauestens entspricht. - Wer auf die genannten
zwei Arten 'irrt', dem widerfahrt ein noxium und er hat als miser zu gelten.' S - 3. Die sententia des Autors stimmt mit dem objektiven verum
nicht fberein; indem der Interpret die sententia verfehlt (und seine
eigene Auffassung fur 'wahr' halt), trifft er in der Tat das verum. Beispiel : Der Interpret ist der Auffassung (und halt sie fur 'wahr'), Epikur
habe nicht nur etwa beilaufig die continentia gelobt (einer solchen Aussage mag man ja schon einmal begegnen), sondern grundsatzlich das
summum bonum in der virtus gefunden. Der Glaube an ein solches summum bonum ist objektiv zumindest untadelig, lasst sich aber mit Epikurs, des Hedonisten, gesamter sententia nicht vereinbaren. - Dieser
dritte 'Irrtum' richtet keinen Schaden an, ja er stiftet sogar Nutzen,
denn (10, p. 14,8): totus legendi fructus est integer. Abgesehen davon
57
begeht, wer auf diese Weise 'zugunsten' des Autors 'irrt', einen gleichsam 'menschlichen'
Fehler, ist es doch ohnehin Menschenpflicht, in re
dubia eher gut als schlecht über den Mitmenschen zu urteilen (10, p.
14,28-15,19).
Gleich hier schon sei angemerkt, dass Augustin im folgenden beilaufig den drei errores auch zwei Formen richtigen Vorgehens gegenuberstellen wird (11, p. 15,28-16,17), eine niedrigere und die schlechthin
1. Die sententia des Autors stimmt mit dem objektiven
vollkommene:
verum fberein; indem der Interpret die sententia verfehlt (und seine
Auffassung fur 'wahr' halt), trifft er trotzdem ein verum, nur eben ein
anderes als der Autor, zuweilen ein besseres, oft auch ein geringeres. 2.
Die sententia des Autors stimmt mit dem objektiven verum erneut überein ; jetzt aber trifft der Interpret die sententia, hält sie auch für 'wahr'
und gelangt somit in den Besitz des gleichen verum wie der Autor. Dieser beste Fall indes tritt aufgrund der Schwierigkeit der Sache nur ganz
selten ein.
Halten wir fur einen Augenblick inne: Dem Exegeten ist aufgetragen,
sich womoglich der sententia des Autors sowie der objektiven veritas zu
die veritas
vergewissern; auf den Vorrang freilich hat unabdingbar
Anspruch. Was namlich gewinnt der Interpret, wenn er die sententia des
Autors aufdeckt, ihretwegen aber der Wahrheit verlustig geht?'6 Augustin bringt die vielfaltigen Beziehungen, die sich im Auslegungsprozess
zwischen den beiden Grossen ergeben k6nnen, in ein System. Dieses
durfte - angesichts seiner notorischen Vorliebe fur 'Dreierschemata"'
- ihm selbst geh6ren. Ein gewisser 'Systemzwang'
erhellt ja allein
schon aus dem Umstand, dass nicht die ganze Vielfalt der Moglichkeiten
zur Geltung kommt. So ware auf Seiten des error doch auch folgender
Fall denkbar: Die sententia des Autors stimmt mit dem objektiven
verum nicht überein; der Interpret verfehlt diese sententia, wird des
verum aber trotzdem nicht habhaft. Und hinsichtlich des lobenswerten
Verhaltens scheint sogar eine entscheidend wichtige,
interpretatorischen
'wissenschaftliche'
Variante vernachlassigt zu sein: Wieausgesprochen
derum stimmt die sententia des Autors mit dem objektiven verum nicht
tberein; der Interpret seinerseits erfasst die sententia und verweigert ihr
gleichzeitig den Glauben, weil er das objektive verum eben kennt.
Offenbar soll das 'System' heikle methodische Erwagungen ordnen,
vermag ihnen freilich nicht restlos zu genugen. Deshalb ist die Frage
zumindest erlaubt, ob Augustin wohl das hochentwickelte Bewusstsein,
das sich trotz allem in seinen Worten aussert, ja sie recht eigentlich ver-
58
anlasst haben muss, ebenfalls ganz aus sich selbst heraus gebildet hat und dies gleich zu Beginn seiner exegetischen Laufbahn.
Hinzu kommt die Auswahl der Beispiele: Zwar begreift man leicht,
dass Augustin sie nicht dem Alten Testament entnimmt, denn dessen
'Fall' wird ja verhandelt und soll in allgemeine Perspektiven geruckt
werden. Niemand wird ferner sonderlich erstaunt sein, ausgerechnet
Epikur und den Epikureer Lukrez (gar mit dem 3. Buch' 8) - als Vertreter einer unstreitig 'verwerflichen' Lehre auf der Anklagebank sitzen
zu sehen. Auffallig wirkt dagegen die anerkennende
Behandlung, die
dem 6. Buch von Vergils 'Aeneis' zuteil wird: Hinter den mythischen
Unterweltsschilderungen
vermag namlich nur der 'die Wahrheit' zu finder 'Aeneis' bereit ist den, der zu einer allegorischen Interpretation
zu einer Allegorese, werden wir beifügen, in neuplatonischem
Sinn,
deren relativ frfhe Existenz P. Courcelle zumal eben fur das 6. Buch
nachgewiesen hat. ' Und was fur Augustin von einer gewissen Bedeutung sein konnte: derselbe P. Courcelle und in seinem Gefolge P. Hadot
erwogen jedenfalls neu die alte Ansicht, kein Geringerer als Marius Victorinus habe sich um die neuplatonische
verdient
Vergil-Allegorese
im
seiner
meWie
dem
auch
sei:
Rahmen
grundsatzlichen,
gemacht. 20
einen
thodische Fragen umkreisenden und
geschlossenen Komplex bildenden Uberlegungen rechnet Augustin vollig unbefangen damit, dass
man Vergil - besonders hinsichtlich seiner Jenseitsvorstellungen
allegorisch erklaren musse. Diese Aussage verdient insofern erh6hte
als er ihr an einer spatern Stelle geradezu widerAufmerksamkeit,
spricht. In cap. 17 (p. 22,18-23,2) argumentiert er namlich etwa folgendermassen : Scheinbare Anstosse im Alten Testament fallen dahin, wenn
die secreta significatio der
man mittels allegorischer
Interpretation
betreffenden
Stellen aufspurt.
Wer mochte die Berechtigung dieses
Anspruchs leugnen? Schliesslich gesteht man eine solche Betrachtungsweise ohne Bedenken auch Vergil zu - gar einem homoerotischen
Gedicht wie seiner 2. Ekloge -, und dies, obwohl sich sine sacrilegio
die Meinung vertreten liesse, der poeta uberrimus habe libidinosas cantiunculas verfasst. Gewiss, hier stehen keine Jenseitsvorstellungen
in
fast
behutsam
und
druckt
sich
durchaus
massvoll, ja
Frage,
Augustin
aus. Trotzdem ist - im direkten Vergleich mit dem Alten Testament die Selbstverstandlichkeit
der Vergil-Allegorese preisgegeben: wer auf
sie verzichtet, begeht zumindest kein sacrilegium. '
Bevor wir die Fahrt auf das Meer der Spekulationen hinaus fortsetzen, seien Augustins Darlegungen zu Ende betrachtet. Hatte er in cap.
59
10 die tria genera erroris im Hinblick auf den Interpreten untersucht
(oben S. 56), so fragt er in cap. 11(p. 15,20-28), was sie fur die Einschatzung des Autors bedeuten: 1. Er hat utiliter geschrieben, wird aber non
utiliter verstanden (Vergil, Aen. 6); 2. beides geschieht inutiliter (Lukrez
fber die Seele); 3. er hat inutiliter geschrieben, wird aber utiliter verstanden (Epikur uber das summum bonum). Im ersten Fall erfolgt ein Freispruch des Autors, da er ja fur die Fehler seiner Interpreten nicht
haftbar gemacht werden darf. Der dritte Fall sei insofern unerheblich,
als der Autor dabei - mag er noch so Falsches lehren - keinerlei Schaden anrichtet: im Grunde eine zweifelhafte 'Rettung', da nicht einzusewillen
hen ist, weswegen man einen solchen Autor um der 'Wahrheit'
anerkennen soll. Noch viel befremdlicher
lesen, gar als 'kanonisch'
mutet allerdings an, dass Augustin nach diesen kurzen Bemerkungen
unvermittelt den schon erwahnten (oben S. 57) Exkurs uber richtiges
Verhalten eroffnet (11, p. 15, 28ff.), ohne ein Wort
interpretatorisches
fber den zweiten Fall zu verlieren. Denn von ihm her drohte seiner
Sache doch bei weitem die gr6sste Gefahr. Man bedenke: die sententia
des Autors (des Alten Testaments) stimmt mit der objektiven Wahrheit
nicht fberein; indem der Interpret die sententia trifft, verfehlt er (die
catholica) die Wahrheit. Ist es nicht eben dies, worauf die Manichaer
hinauswollten? Der vorliegende Befund lasst wohl nur zwei Deutungen
zu: 1. Entweder mochte Augustin das heisse Eisen nicht anfassen; d.h.
den peinlichen Fall auch nur in Betracht zu ziehen, kam ihm als unzumutbare Konzession vor. Dann aber kann man ihm den Vorwurf nicht
die er sich
ersparen, er sei vor einer Schwierigkeit zurfckgewichen,
selbst - mit der reinen Erwahnung der Moglichkeit - geschaffen hatte.
2. Traut man Augustin eine solche Kleinmutigkeit nicht zu, so bleibt als
Ausweg wohl nur die Ansetzung einer Lfcke im Text (11, p. 15,28 zwischen videam und unum igitur), d.h. die Annahme, Augustin habe in
der Tat auch den zweiten Fall abgehandelt, der fragliche Passus sei aber
Im voraufgrund eines Fehlers in der Überlieferung verlorengegangen.
liegenden Kontext wirkt der logische Bezug, den unum igitur (p. 15,28)
herstellen soll, ohnehin nicht recht einsichtig.
Leider bringt auch das folgende Kapitel (12) die erhoffte Klarung
nicht. In ihm führt Augustin die generellen Erwagungen auf den konkreten Anlass zurfck und fragt, welchem genus erroris das Verhaltnis
zwischen catholica und Altem Testament nun wohl zuzuordnen sei.
Erneut beginnt er mit dem Aspekt des Interpreten (12, p. 16,18-23): Im
ersten Fall lage, trafe er zu, ein schweres crimen vor; doch gentige es,
60
hinzuweisen, dass die catholica das Alte Testament nicht so
deute, wie die Manichaer meinten. Auch der zweite Fall kame einem crimen gleich, doch gelte dieselbe Widerlegung. Das soll offenbar heissen:
auch wenn das Alte Testament irrt, so gelangt die Kirche mit ihrem Verstandnis dennoch zur Wahrheit. Im dritten Fall vermag Augustin kein
crimen zu entdecken. - Nun der 'Autor' (12, p. 16,23ff.): Den ersten
Fall schliesst Augustin gleich im vornherein aus, denn da die Manichaer
das Alte Testament ja verwurfen, billigten sie ihm gewiss den Besitz der
Wahrheit nicht zu. Zum zweiten Fall meint er (12, p. 16,27f.): at hoc
superior defensio satis expugnat. Hinsichtlich des dritten schliesslich
verlangt er, man solle nicht vorschnell Texte, die sich immerhin 'gut'
interpretieren liessen, fur 'schlecht' erklaren: man liege mit ihren langst
verstorbenen
Verfassern ja nicht im Streit. 22 Was nun die zuletzt
des Autors' anbelangt, so wirkt die 'Widerlegung'
des
'Falle
genannten
des
ersten etwas sophistisch, diejenige
dritten keineswegs Jberzeugend,
aber mit beiden mag man sich abfinden. Schwierigkeiten bereitet indes
abermals der zweite Fall. Im Grunde genommen unterscheidet er sich
auf Seiten des Autors nicht vom dritten ('die sententia stimmt nicht mit
dem verum überein') und hatte gleich wie dieser erledigt werden können. Augustin aber verweist auf eine superior defensio. Wo ist sie zu finden ? Schwerlich im voranstehenden
ersten Teil von cap. 12, der die
errores der catholica behandelt;
dort
moglichen interpretatorischen
heisst es zum zweiten Fall ja lediglich (12, p. 16,22f.): sed eadem voce
refellentur, und der error des 'Autors' (des Alten Testaments) bleibt
unbestritten. Nur an einem Ort konnte Augustin den zweiten Fall aus
der Sicht des Autors hinlanglich (satis) 'verteidigt' haben: in cap. 11,
eben dort, wo wir die entsprechende Erorterung vermissten und deswegen einen Textverlust zumindest fur vorstellbar hielten. Fiel ihm, werden wir jetzt fragen, die superior defensio zum Opfer?
Selbst wenn man sich, was zu fehlen scheint, hinzudenkt, so bleibt am
Ende dennoch ein gewisses Unbehagen. Ja man hat fast den Eindruck,
im Gesamten
des betrachteten
Abschnitts
finde ein eigentlicher
'Abstieg' statt: Gut sind die allgemeinen Bemerkungen Jber die genera
erroris beim Interpreten (cap. 10), eher dürftig dagegen diejenigen iiber
den Autor (cap. 11), und die 'Nutzanwendung'
auf die catholica und
das Alte Testament (cap. 12) wirkt zumal in ihrem zweiten, den 'Autor'
Teil gezwungen und unbefriedigend.
Das ist allerdings
betreffenden
kein Wunder, denn dem Versuch, das Alte Testament auch unter der
Bedingung fehlender Wahrheit zu retten, konnte kein Erfolg beschieden
darauf
61
sein. Die Unzulanglichkeiten
ruhren letztlich wohl daher, dass Augustins Überlegungen insgesamt - freilich mit hohem Bewusstsein durchweg die eine Frage nach dem rechten Interpretieren entfalten. Deshalb nochmals (s. oben S. 56): wo, an welchen Texten war ihm deutlich
geworden, dass es sententia und veritas genau zu unterscheiden und ihr
gegenseitiges Verhaltnis zu klaren gelte?
Ist vom Redner die Interpretation
eines Schriftstücks verlangt, so
wird er nach einem Verstandnis suchen, das seinem Fall nützt. 23 Ein
Grammatiker
anderseits zielt wesentlich auf die sententia bzw. die
8c«vo?a des von ihm behandelten Autors.11 Allein der Philosoph lasst es
sich angelegen sein, iiber die 8c«vova hinaus zur
vorzustossen
oder an die 8t6vota den Massstab der
anzulegen. Wer also den
Bereich zu bestimmen sucht, aus dem heraus Augustins Gedankengange
angeregt sein kbnnten, wird in erster Linie generell die philosophische
Exegese ins Auge fassen. Nun lenkte bereits die allegorische Deutung
der Unterweltsschilderung
auf-den NeuVergils unsere Aufmerksamkeit
die ja kein eigenes
platonismus (oben S. 58). Und die Neuplatoniker,
sein und zu diesem Zweck den
'System' bilden, sondern 'Platoniker'
Meister richtig verstehen wollten, mussen in der Tat die Methodendiskussion gefiihrt haben, an der Augustin sich zu beteiligen scheint.
Schliesslich sind die verschiedenen »Richtungen und Schulen im Neuplatonismus« gleichsam durch die Exegese gepragt, die sie je pflegten,25
und daraus resultierte
das auch bei Augustin
'hohe
festgestellte
kahn es im folgenden nicht darum
Bewusstsein'.
Selbstverstandlich
gehen, eine 'Quelle' Augustins zu ermitteln; vielmehr sei einfach auf
einen Ort hingewiesen, an dem sich die vermuteten neuplatonischen
Reflexionen - wenn auch etwas nach Augustins Zeit - zumindest in
nuce fassen lassen.
Der neuplatonische
Lehrbetrieb findet seine Erfiillung in der Exegese.26 Zuerst behandelt man Aristoteles, und zwar die logischen SchrifEroffnet
wird der Kurs fber
die 'Kategorien'.
ten, insbesondere
mit einer allgemeinen, zehn
Aristoteles, d.h. die 'Kategorienvorlesung',
Kapitel umfassenden Einffhrung in die Philosophie des Aristoteles. Wir
kennen sie aus den erhaltenen Kategorienkommentaren
von Ammonios,
Simplikios, Olympiodor, Iohannes Philoponos und Elias.27 Nach Elias'
Ausweis geht das 'Zehnerschema'
auf Proklos (412-485) zurück,28 doch
k6nnte es angesichts der Einheitlichkeit der neuplatonischen
Kommentartradition seit Porphyrios durchaus auch alter sein, und mit SicherIn unserm Zusammenhang
heit widerspiegelt es altere Diskussionen.
62
sind zwei Kapitel daraus von Interesse: das den
(den Lehrer)
und das den «xpoaT?s (den Schiiler) betreffende. Sie tragen bei den verschiedenen Erklarern verschiedene Nummern;3° dagegen variieren ihre
Aussagen abgesehen von grosserer oder geringerer Klarheit oder Ausführlichkeit - nur wenig.
Wir m6chten natürlich vor allem erfahren, welchen Anforderungen
nach neuplatonischer Auffassung der Exeget zu genügen hat; die Pflichten des Schülers brauchen nur erganzend berucksichtigt zu werden. Das
Wesentliche steht am besten bei Ammonios:3' Der Exeget muss seinen
Autor d.h. Aristoteles - vorziiglich kennen32 und ein
ËflCPP<ÙV
sein.33 Derart ausgerustet vermag er einerseits die 6t6cvotocdes Philosophen zu ermitteln, anderseits dessen Aussagen hinsichtlich der darin
enthaltenen
zu prufen. Keineswegs darf er sich gleichsam 'verdingen', sich mit allen Behauptungen abfinden oder gar versuchen, dem
interpretierten Text ausnahmslos Geltung zu verschaffen, 'als ware alles
wahr'. Nein, jeder einzelne Punkt will kritisch gepruft sein, und gegebenenfalls heisst es È.1t(1tpocre?v
9€ae«? 't1¡v
Die zuletzt
kann
auch
in
der
Form
eines
freien
Zitats
genannte Forderung
eigenen
6
aus Aristoteles (Eth.Nic. 1,4 p. 1096 a 16f.) erhoben werden:
To
8E xon 7) al?6eca? &yyoiv 6i (pLXotv6vzotv alpiliov
Aristoteles hatte sich mit diesen Worten gegen Platon und dessen Ideenlehre gewandt;36 hier sind sie gegen ihn selbst gerichtet, und die
Mahnung, die sie vermitteln, ist so wichtig, dass man sie auch dem
Schfler mit auf den Weg gibt.11 Denn auch er soll allein auf die Wahrheit bedacht sein und nicht unbesehen 'den Alten' glauben, sondern
Sokrates, der gesagt hatte (Plat.Phaed.
91c), 'Sokrates verdiene nur
die
Schliesslich mochte man
geringe Sorgen, grosse dagegen
den Gesichtspunkt
vom Autor mit dem alten
der Unabhangigkeit
und dem Exegeten empfehlen,
veranschaulichen
Schauspielervergleich
bei der Erklarung des Aristoteles nicht die Rolle des Aristoteles spielen
zu wollen.'9
Als Exeget wird der Neuplatoniker also stets zuerst um die 8vavovaseines Autors bemfht sein, als Philosoph freilich in einem zweiten Gang
diese 8?&vo?aan der &À?8?LOt
messen. Treten 8?&vovaund
auseinanund gegen
der, so ist es seine unabdingbare Pflicht, sich fiir die
den Autor und seine 8?avoca zu entscheiden. Dieser 'Formel' hatte zweifellos auch Augustin zugestimmt, ja sie bildet in der Tat gleichsam den
Kern seiner Ausführungen
fber das Verhaltnis des Interpreten zum
Text. Angesichts dessen k6nnte man sogar noch einen Schritt weiterge-
63
insistieren darauf, dass der 'Wahrheit'
zum
hen : Die Neuplatoniker
Durchbruch verholfen werden milsse, auch wenn der Interpret sich Ariverbunden filhie. Augustin
stoteles - dem Autor freundschaftlich
seinerseits wünscht sich gleich im folgenden Kapitel (13) einen Interpreten, der keinen Hass gegen seinen Autor empfindet, ihn vielmehr sogar
liebt (13, p. 18,14f. agendum enim tecum prius est, ut auctores ipsos
non oderis, deinde ut ames). Nur unter dieser Bedingung wirke er glaubman moge sich insbesondere den Fall Vergils vergegenwdrtiwurdig gen (13, p. 18,17ff.): quia, si Vergilium odissemus, immo si non eum,
priusquam intellectus esset, maiorum nostrorum commendatione diligeremus, numquam nobis satis fieret. Am Eingang dieser Erwägungen,
die auf Vergil - offenbar erneut allegorisch verstanden4° und das
steht indes ausgerechnet
Alte Testament (13, p. 19,2ff.) hinauslaufen,
Aristoteles (13, p. 17,20f.): quis enim sibi umquam libros Aristotelis
Die Neuplareconditos et obscuros ab eius inimico exponendos putavit?
toniker sagen: 'auch als Freund wird der pflichtbewusste Interpret Aristoteles zuweilen widersprechen';
Augustin erganzt: 'aber sein Freund
muss er immerhin sein'. Da konnte schon ein Zusammenhang
bestehen,
in
doch
einmal
zu
der
'Civitas
dei'
auch
(10,30 Ende)
gibt
Augustin
ihm
'es
dass
die
sei
die
erkennen,
platonisch-aristotelische
Forderung,
Wahrheit uber den Menschen zu stellen', gelaufig ist. 41
Augustin dürfte, trifft das Gesagte zu, mit solchen Gedankengangen
in Mailand vertraut geworden sein. Wie, unter welchen Umstanden dies
geschah, bleibt freilich im Dunkeln: zu wenig lasst er uns Jber die Platonicorum libri, zu wenig auch fber eine allfallige mfndliche Belehrung
wissen.11 Unmittelbare griechische 'Quellen' wird man im vornherein
ausschliessen. Vielmehr führen die verwendeten lateinischen Beispiele
auf die Vorstellung, dass man im Zusammenhang
der Vergilexegese
- Ansatze,
Ansatze
durchdachte
und
formulierte
methodische
gewisse
wie sie eben fur die Aristotelesexegese
entwickelt worden waren (dem
umgekehrten Fall - Beispiele aus Vergil im Dienste der AristotelesexeAuf jeden Fall: Augugese - gebiihrt geringere Wahrscheinlichkeit).
stins antimanichaische
sind in ihrem Gehalt erheblich
Schriften
neuplatonisch gepragt;43 insofern ware nur schon die Erkenntnis, dass
er auch neuplatonische
Methode seiner Sache nutzbar zu machen
suchte, durchaus willkommen und nicht ohne Bedeutung.44
64
ANMERKUNGEN
1 Retract. 1,14(13),1iam vero apud Hipponem Regiumpresbyter scripsi librum de utilitate credendi. Dazu vgl. C. P. Mayer, 'Die antimanichäischenSchriften Augustins. Entstehung, Absicht und kurze Charakteristik der einzelnen Werke unter dem Aspekt der
darin verwendetenZeichentermini,' Augustinianum 14(1974)277ff.,bes. 288ff. - Den
folgenden Ausführungen liegt die Ausgabe von J. Zycha, CSEL 25(1891)3-48zugrunde
(grössere Abschnitte werden zusätzlich nach Kapiteln, kleinere nach Seiten und Zeilen
zitiert); zu vergleichenist überdies immer auch die den BenediktinernfolgendezweisprachigeEdition von (J. Clémenceund) J. Pegon, in: Oeuvresde Saint Augustin 8, Bibliothèque Augustinienne(Paris 1951)208-301.Wer auf ein genauesTextverständnisbedacht ist,
lernt wenigaus P. Batiffol, 'Autour du De utilitate credendide Saint Augustin,' Rev. bibl.
14(1917)9ff.
2 2, p. 4,6ff. est igitur mihi propositum, ut probem tibi, si possum, quod Manichaeisacrilegeac temere invehantur in eos, qui catholicae fideiauctoritatem sequentes, antequam
illud verumquod pura mente conspiciturintueri queant, credendopraemuniuntur et inluminaturo praeparantur deo.
3 1, p. 3,12ff. quid mihi de inveniendaac retinenda veritate videatur, cuius, ut scis, ab
ineunte adulescentiamagno amore flagravimus.Vgl. damit De vit.beat. 1,4 ego ab usque
undevicesimoanno aetatis meae, postquam in schola rhetoris librum illum Ciceronisqui
Hortensius vocatur accepi, tanto amore philosophiaesuccensussum, ut statim ad eam me
ferre meditarer. Zur Wahrheitssucheals Thema des Hortensius vgl. fr. 107 Gr.
4 1, p. 3,17f. quas ab his [sc.
quinque ... nuntiis corporis]plagas atque imaginesacceperunt, eas secum volvunt. Vgl. damit die von H. Usener in den Epicurea unter Nr. 317
gesammeltenBelege»de sentiendo«, z.B. Cic. Nat.deor. 1,107fac imaginesesse quibus
pulsentur animi.
5 2, p. 4,28ff. ipsos quoque animadvertebamplus in refellendisaliis disertos et
copiosos
esse quam in suis probandis firmos et certos manere. Vgl. Cic. Nat.deor. 1,91 et nunc
argumenta quaerenda sunt quibus hoc refellatur. utinam tam facile vera invenirepossim
quam falsa convincere.
6 3, p. 5,26f.; Augustin kombinierthier Cic.Acad. 2,80 mit Pro Cael. 22: vgl. H. Hagendahl, Augustine and the Latin Classics 1 (Göteborg 1967)test. 139 und 82.
7 Das hat O.
Gigon, 'Augustins De utilitate credendi,' in: Catalepton. Festschrift für B.
Wyss (Basel 1985) 138ff. gut herausgearbeitet; seine These freilich, wonach sich in der
Schrift verschiedene'Schichten' unterscheidenliessen,die nicht recht in Übereinstimmung
gebracht seien, wird man mit Vorsicht zur Kenntnis nehmen.
8 36, p. 47,24ff. in quo meminerisvolo nondum me Manichaeoscoepisserefellereet illas
nugas nondum invasisse neque de ipsa catholica magnum aliquid aperuisse. In den
Retract. 1,14(13),6präzisiert Augustin diese Aussage.
9 Ed. J. Zycha, CSEL 28,1(1894)461,6ff.Einleuchtenderist die Reihenfolgehier deswegen, weil historia und allegoria wohl die beiden grundsätzlichen Betrachtungsweisen
benennen, analogia und aetiologia eher spezielleGesichtspunktebeifügen.
10 Eingesehenwurden: Liddell-Scott, A Greek-EnglishLexicon; G. W. H. Lampe, A
Patristic Greek Lexicon, und Stephanus' ThesaurusGraecaeLinguae. Die neuplatonische
Erkenntnis des Einen
(dazu H. D. Saffrey-L. G. Westerink, in: Proclus,
Théologieplatonicienne 2, Paris 1974, 98 Anm. 5) ist hier fernzuhalten.
11 Die Behauptung wurde aufgestellt von E. von Dobschütz, 'Vom vierfachen Schrift-
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sinn. Die Geschichteeiner Theorie,' in: Harnack-Ehrung, Beiträgezur Kirchengeschichte
(Leipzig1921)1ff.,bes. 8, und als Vermutungweitergegebenvon C. Mayer, Art. 'Allegoria,' Augustinus-Lexikon,Bd. 1 Fasc. 1/2 (Basel/Stuttgart 1986)236f. mit Anm. 16.
12 Vgl. B. Neuschäfer, Origenes als
Philologe, Schweiz. Beiträge zur Altertumswiss.
18(Basel1987)1,233ff.
13 Wie das von Dobschütz, a.O. (oben Anm. 11) 2tut; allerdingstritt im
Fortgang seiner
Untersuchung (bes. 7f.) Augustins Sonderstellungdeutlich hervor.
14 Der Begriff selbst begegnetetwa 10, 14,20.27;15,13;er kann auch verbal umschriep.
ben werdenmit sentire (10, p. 14,28; 11,p. 16,3),putare (10, p. 14,2.5),opinari (p. 14,19).
- sententia im Sinne von »main purpose or drift of an author, writing, etc.« (Oxford
Latin Dictionary, s.v. 7b) entspricht griechisch
15Vgl. 10, p. 14,3f. alterum est, quamvisnon tam
late patens, non tamen minus noxium;
p. 14,16f. nam et hic [sc. wer nach dem zweiten genus 'irrt'] non minus miser est.
16 Vgl. 10, p. 14,19f. quid enim huic prodest de auctoris sententia certum esse,
quando
sibi eum non per quem <non> erraret, sed cum quo erraret elegerit? Wohl zu Recht
behaupten Clémenceund Pegon, a.O. (oben Anm. 1) 231 Anm. 1 gegen Zycha, dass es
des zweiten,bei den Benediktinerngefundenennon bedarf »pour l'intelligibilitedu texte«.
17 Vgl. z.B. O. Gigon, 'Überlegungen zu Augustins Soliloquia,' in: Mémorial A.-J.
Festugière. Antiquité païenne et chrétienne. Cahiers d'Orientalisme 10 (Genève
1984)209ff.,bes. 212: »Wo immer er kann, versucht er Triaden aufzubauen.«
18 Dort, wo Laktanz sich gegen die wendet, welchedie Unsterblichkeitder Seelebestritten (Inst. 7,12), setzt er sich im wesentlichenmit dem 3. Buch von Lukrez auseinander:
vgl. H. Hagendahl, Latin Fathers and the Classics (Göteborg 1958)66ff.
19 P. Courcelle, 'Interprétations néo-platonisantesdu livre VI de l'Enéide,' in: Recherches sur la tradition platonicienne, EntretiensFond.Hardt 3 (Genève 1957)95ff.;er nennt
freilichkeine Belegedafür, dass die Allegoresevon Aen. 6,566ff. (Rhadamanthys)ausgegangen sei. Vgl. zusätzlich noch Serv.Aen. 6 Einleitung: totus quidem Vergiliusscientia
plenus est, in qua hic liber possidet principatum.
20 Courcelle, a.O. 118ff., bes. 122; ders., 'Les Peres de l'Eglise devant les enfers
virgiliens,' Archivesd'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 30(1955)5ff.,bes. 69; P.
Hadot, Marius Victorinus.Recherchessur sa vie et ses oeuvres (Paris 1971)215ff.
21 17, p. 22,22ff. nonne cernis, ut Catamitum bucolicorum, cui pastor durus
effluxit,
conentur hominesinterpretari et Aleximpuerum, in quem Plato etiam carmen amatorium
fecisse dicitur, nescio quid magnum significare sed inperitorum iudiciumfugere adfirment, cum sine ullo sacrilegiopoeta uberrimus videripossit libidinosascantiunculas edidisse ?(Der Satz ist nicht ganz leicht zu verstehen, insbesondereut ... A leximpuerum ...
inperitorum iudicium fugereadfirment klingt seltsam.Überdiesmöchte man gerne wissen,
wie die Interpretation des Catamitus bucolicorumsich vollzieht,während die hominesals
Subjekt eigentlich überflüssig sind; also vielleicht: ut Catamitum ... conentur <supra>
hominesinterpretari?) - Das Verdienst,auf die Bedeutungdieser Stellefür unsere Kenntnis der spätantiken Vergil-Allegoresehingewiesenzu haben, gebührt J. Stroux: 'Vier
Zeugnissezur römischen Literaturgeschichteder Kaiserzeit. IV. Zur allegorischenDeutung Vergils,' Philologus 86(1931)363ff.
22 12, p. 16,29ff. quid est aliud (quam m2>vivos, cum quibus res
agitur, adversarios
absolvere atque olim mortuos, cum quibus nulla contentio est, accusare?
23 ZweckdienlichesVerhaltenbei controversiaeex scripti interpretatione lernte der Redner im Rahmen der Stasislehre;vgl. Cic. De inv. 2,116ff. = Hermagoras fr. 20c Matthes.
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Dieser »Praxis der Rhetorenschule«stehen Augustins Überlegungenausgesprochenfern:
gegen Gigon, a.O. (oben Anm. 7) 148.
24 Vgl. z.B. Chr. Schäublin, Mus.Helv. 34(1977)226mit Anm. 22.
25 Vgl. K. Praechter, 'Richtungen und Schulen im Neuplatonismus,' Genethliakonfür
C. Robert (1910)105ff.,bes. 121ff. = Kl. Schriften, hg. von H. Dörrie (Hildesheim/New
York 1973)165ff.,bes. 181ff.; ders., 'Die griech. Aristoteleskommentare,' Byz.Ztschr.
18(1909)516ff.,bes. 533ff. = Kl. Schr. 282ff., bes. 299ff.
Zum folgenden vgl. Praechter, Byz.Ztschr. 18(1909)526ff.= Kl. Schr. 292ff.
27 Ammon. In Aristot.Cat. (CAG 4,4 ed. Busse) p. 1,3ff.; Simplic. In Aristot.Cat.
26
(CAG 8 ed. Kalbfleisch)p.3,18ff.; Olymp. Proleg. (CAG 12,1 ed. Busse)p.1,15ff.; Philop. In Aristot.Cat. (CAG 13,1 ed. Busse)p. 1,6ff. ;El. In Aristot.Cat. (CAG 18,1 ed.
Busse)p. 107,7ff. Zur Chronologievgl. L. G. Westerink, 'Elias on the Prior Analytics,'
MnemosyneS. IV, 14(1961)126ff.= L. G. W., Texts and Studies in Neoplatonism and
Byzantine Literature. Collected Papers (Amsterdam 1980)59ff.; überdies neuestens I.
Hadot, 'La division néoplatoniciennedes écrits d'Aristote,' in: Aristoteles, Werk und
Wirkung2: Kommentierung,Überlieferung,Nachleben, hg. von J. Wiesner(Berlin/New
York 1987)249ff.Hier (Anm. 1) ist auch zu erfahren, dass Arevsatjan, 'L'heritage de
David l'Invincible sous une lumière nouvelle,' Banber Matenadarani 9(1967)7ff. (auf
armenisch) den Kommentar, den Busse in seiner Praefatio VIIff. für Elias in Anspruch
genommen hatte, wieder David, unter dessen Namen er überliefert ist, zurückgegeben
habe. Der Beweissei, nach dem Urteil von J. P. Mahé, »d'une façon tout à fait décisive«
geführt. Da der Autorname in unserm Zusammenhangbedeutungslos,eine eigene Überprüfung unmöglich ist, sei an der eingebürgertenZuweisungzunächst festgehalten.
28 El. p. 107,24ff.
...
...
Dazu Praechter, Byz. Ztschr.
18(1909)528= Kl.Schr. 294Anm. 1; I. Hadot, 'Les introductions aux commentairesexégétiqueschez les auteurs néoplatonicienset les, auteurs chretiens,' in Les règlesde l'interprétation éd. par M. Tardieu (Paris 1987) 99 ff., bes. 102ff. Für die uns hier
interessierenden Punkte ('Lehrer' und 'Schüler': s. gleich im folgenden) vgl. etwa
Procl.Theol.plat. 1,2 (p. 8,17ff.; 9,20ff. S.-W.).
29 Zur Einheitlichkeitder Kommentartraditionvgl. Praechter, Byz.Ztschr. 18(1909)520f.
= Kl.Schr. 286f. Was das vermutetehöhere Alter des 'Zehnerschemas'anbelangt, so mag
man auf den analogen Fall des Schemasverweisen,das nach der allgemeinenEinleitung
im besondern jeweils den Kategorienkommentareröffnet
etc.).
Praechter, a.O. 529ff. = 295ff. hatte geglaubt, es nicht hinter Ammonios zurückführen
zu können. Seither ist aber deutlich geworden,dass bereitsAmmoniosvorgegebenenBahnen folgt: vgl. Neuschäfer,a.O. (oben Anm. 12)57ff.;Hadot, a.O. (oben Anm. 28) 105ff.
110ff. - Zum Alter der Gedanken, die hier in Frage stehen, vgl. auch Anm. 39.
30 Dem
gilt bei Ammonios cap. 10 (ausgeführt p. 8,11ff.), bei Simplikioscap.
8 (p. 7,23ff.), bei Olympiodor cap. 7 (p. 10,24ff.), bei Philoponos cap. 9 (p. 6,30ff.), bei
widmetAmmonios cap. 6 (ausgeführtp. 6,21ff.),
Elias cap. 7 (p. 122,25ff.);dem
Simplikios cap. 9 (p. 7,33ff.), Olympiodor cap. 6 (p. 10,3ff.), Philoponos cap. 8 (p.
6,29f.), Elias cap. 6 (p. 121,20ff.).
31 Ammon. p. 8,12ff.
67
32 Diese Forderung erweitert Elias p. 123,7ff. in dem Sinne, dass der Exeget sich alle
Schriftendes Aristotelesaneignenmüsse, um unter Berücksichtigungihrer innern Einheit
'Aristotelesaus Aristoteles' erklären zu können. Hier klingt die bekannte Formel "O
an (sie ist auch Proklos geläufig: Theol.plat. 1,2 p. 10,2ff. S.-W.):
dazu N. G. Wilson, Scholars of Byzantium (London 1983)47f.,und in weitem Umblick
Neuschäfer, a.O. (oben Anm. 12)276ff.
33 Olympiodor p. 10,25sagt dafür - den beiden Aufgaben entsprechend,die dem Exeund
Vgl. auch El.
geten gestellt sind (s. gleichim folgenden)p. 122,25
34 Vgl. Synes.Epist. 154(p. 276,6f. Garzya)
Wir befinden uns hier also im Einzugsbereichder Formel »amicusPlato
sed magis amica veritas«, deren Geschichtejüngst L. Tarán geschriebenhat: 'Amicus
Plato sed magis amica veritas. From Plato and Aristotle to Cervantes,' Antike und
Abendland 30(1984)93ff.Tarán geht aus (98ff.) von Plat.Phaed. 91 c; Rep. 10, 595 b-c
und Aristot. Eth.Nic. 1,4 (1096a 16f.); die Briefstelledes Synesioserwähnt er 102.
35 Vgl. El. p. 122,34f. und Tarän, a.O. 109.
Vgl. Tarän, a.O. 98.
36 Vgl. El. p. 122,4f.
37
38
Vgl. Olymp. p. 10, 10ff.und El. p. 122,2f.Allgemeineine kritischeHaltung Aristoteles gegenüberverlangt vom Schüler auch Simplikios(p. 7,34
39
Vgl. Olymp. p. 10,30ff.und El. p. 122,27ff.Zum Schauspielervergleich- er begegnet
bereits bei Galen, In Hipp.epid. 3 (CMG V 10,2,1p. 17,2f.; p. 21,29f.) - vgl. Schäublin,
a.O. (oben Anm. 24)222Anm. 5 a; Neuschäfer,a.O. (oben Anm. 12) 2,482f. Anm. 170.
- Gerade der als Interpret hervorragendversierte, überdies philosophischgeschulteArzt
Galen ruft uns übrigensam Beispielder medizinischenExegesenachhaltig in Erinnerung,
dass auch die Neuplatoniker ältere Diskussionenfortsetzen (a.O. p. 17,14ff.):
[sc.der sog. 'I]
Galen unterscheidetschön die
seines Autors von der
Auch er rechnet im Grunde genommen mit 'drei Fällen': Der Exeget kommt 1.
seiner Pflicht vollkommennach, indem er
und
trifft, und er versagt 2. vollkommen, indem er beides verfehlt. Wenn ihm 3. alternativ eine der beiden Grössen entgeht, 'verdirbt er die Hälfte des Ganzen'. Galen sagt hinsichtlichdes dritten Falles nichts
oder der )
schlimdarüber, welcheder beiden möglichenVerfehlungen(der
mer ist; anders als die Neuplatonikerund Augustinverleihter der
keinenabsoluten
Vorrang - zumindest nicht in der exegetischenTheorie. Für die Konvergenzder grundsätzlichenÜberlegungenwird man philosophischeTradition, nicht die in der Spätantike
zu beobachtende Nähe von Philosophie und Medizin verantwortlich machen; zu dieser
vgl. L. G. Westerink, 'Philosophy and Medecinein Late Antiquity,' Janus 51(1964)169ff.
= Texts and Studies ...(oben Anm. 27) 83ff. Ob bereits OlympiodorGalen so gut kannte,
dass er den Schauspielervergleichdirekt von ihm hätte beziehenkönnen, bleibt ungewiss;
68
Elias wäre es aufgrund von WesterinksAusführungen (a.O. 172f. = 86f.)durchaus zuzutrauen, doch hängt er offenkundig von Olympiodor ab.
40 Und zwar scheint diese Allegorese- wie Porphyrios' Homer-Allegorese - in der
Form von
dargeboten worden zu sein: 13, p. 18,19ff. numquam
nobis satis fieret de illis eius quaestionibusinnumerabilibus,quibus grammatici agitari et
perturbari solent... nunc vero cum eas multi ac variepro suo quisque captu aperire conentur, his potissimumplauditur, per quorum expositionemmelior inveniturpoeta, qui non
solum nihil peccasse,sed nihil non laudabilitercecinisse... creditur. F. Bitsch,De Platonicorum quaestionibus quibusdam Vergilianis(Diss. Berlin 1911), auf den Courcelle und
Hadot sich berufen (oben Anm. 19 und 20), hatte im Gefolge von Ed. Norden für Marius
Victorinus eben einen neuplatonischenQuaestionen-Kommentarerschliessenwollen.
41 Aug. Civ.dei 10,30(p. 453,13ff. D.-K.) quod si ita est, ecce Platonicus [sc. Porphyrius] in meliusa Platone dissentit; ecce vidit, quod ille non vidit, nec post talem ac tantum
magistrum refugit correctionem, sed homini praeposuit veritatem. Dazu Tarän, a.O.
(oben Anm. 34) 102 Anm. 37.
42 Vgl. etwa P. Courcelle, Les lettres grecques en Occident (Paris 21948)159ff.; P.
Brown, Augustineof Hippo (London 1967)88ff., bes. 94ff.; Hadot, a.O. (oben Anm. 20)
201 ff.Natürlich hätte man früher zuerst an den Kategorienkommentardes Marius Victorinus denken können, doch ist die ExistenzdiesesWerks mittlerweileaufgrund der Untersuchungen von Hadot, a.O. 105ff. »extremementimprobable« geworden.
43 Vgl. Mayer, a.O. (oben Anm. 1) 280 und passim.
44 Für KlärendeDiskussionenhabe ich Thomas Gelzer, für förderlicheKritik der Redaktion der VigiliaeChristianae zu danken.
CH-3012 Bern, Seminar für klassische Philologie,
Gesellschaftsstrasse
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