DE RE CON STRUIRE
Stadtteilaktivierung durch aneignungsoffene Raumkonzepte am Beispiel eines historischen Bestandsgebäudes in Graz
DIPLOMARBEIT
DE RE CON STRUIRE
ausgeführt zum Zwecke der Erlangung des akademischen
Grades eines Diplom-Ingenieurs unter der Leitung von
Senior Lecturer Dipl.-Arch. Dr. techn. Lorenzo De Chiffre
e253.4 Forschungsbereich Hochbau und Entwerfen
Institut für Architektur und Entwerfen
eingereicht an der Technischen Universität Wien
Fakultät für Architektur und Raumplanung von
Fabian Karl Haslinger
00909643
Wien, Juni 2021
Diese Arbeit befasst sich mit der Revi-
talisierung eines Grundstücks in Graz,
Österreich mit historischer Bebauung.
Durch eine tiefgehende Analyse der
The main focus of this work is the revi- örtlichen Gegebenheiten vom großen
talization of a historic property in Graz, A städtischen Maßstab bis hin zu einzel-
profound analysis of all local conditions nen Details des Baukörpers werden
from an urban to a detail scale gives an sämtliche Entwicklungsschritte bis
overview of all relevant developments zum aktuellen Bestand sichtbar ge-
including the current condition. In additi- macht und bewertet. Zudem werden
on related topics such as urban upgra- verwandte Themen wie städtebauliche
4 ABSTRACT ding processes, adaptability of the city Aufwertungsprozesse, Anpassbarkeit 5
and it‘s architecture, neigbourhood-ac- von Stadt und Architektur, Stadtteilak-
tivation, communal living concepts and tivierung und gemeinschaftliche Wohn-
restoration strategies are being investi- formen erläutert. Außerdem werden
gated regarding the project. In a con- Methoden für den Umgang mit histori-
sequence all relevant findings are put schem Bestand hinsichtlich zukünftiger
together with personal thoughts into a Vorhaben erörtert. Letztlich wird an-
new concept for the historic estate. hand dieser gewonnenen Erkenntnisse
sowie weiterführender und persönlicher
Gedanken ein Entwurf für die Nutzung
des historischen Gebäudes ausgear-
beitet.
Ich widme diese Arbeit meinen Eltern
Margit und Horst Haslinger
„Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen
dürfe, es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den
erweiterten Elementen des Vergangenen gestaltet,
und die echte Sehnsucht muss stets produktiv
sein, ein neues Besseres zu erschaffen.“
Johann Wolfgang Goethe, 1823
TOPOS
Stadt und Bezirk 14
Grundstück 22
THEMEN
Aufwertungsprozesse in Gries 46
Anpassbarkeit Stadt/Architektur 52
Stadtteilaktivierung 56
Gemeinschaftliches Wohnen 62
10 Inhalt Umgang mit historischem Baubestand 70
FÜRLER FABRIK
Fazit + Konzept 78
Entwurf 88
Modelle 116
QUELLEN
Bildverzeichnis 138
Literaturverzeichnis 140
TOPOS
14 Stadt und Bezirk
1 Gratz, Franziszeische
Landesaufnahme, 1820-25
Landeshaupstadt Graz Mitte des 19. Jahrhunderts begann
ein neues Zeitalter in der Stadt Graz.
Die erste historisch belegbare Blüte
Die Industrialisierung und stark stei-
der Stadt Graz begann im 14. Jahr-
gende Bevölkerungszahlen führten
hundert, als die Stadt unter die Herr-
zur Expansion und Veränderung des
schaft der Habsburger geriet. Es kam
Stadtbilds. Neue große Betriebe zo-
zu einer regen Bautätigkeit in der heu-
gen die Menschen in die Stadt – die
tigen Altstadt mit Bauprojekten wie
Arbeiterklasse entstand und mit ihr
dem Neubau der Burg und des Doms.
kamen gesellschaftliche Veränderun-
Mit dem zweiten habsburgischen Tei-
gen.2 In dieser Zeit wurde die Stadt
lungsvertrag im 16. Jahrhundert wur-
über das Ufer der Mur in die damalige
5 Erweiterungsgebiet West
de Innerösterreich, dem das heutige - Murvorstadt
Murvorstadt erweitert.3 (Abb. 5)
Bundesland Steiermark angehörte,
Kaiser Karl II. zugesprochen (Abb. 2). 2 Provinz Innerösterreich,
Zweiter habsburgischer In den folgenden Jahrzehnten kam
In dieser Zeit wurde Graz eine beson- Teilungsvertrag
es zu einem industriellen Boom in der
dere Stellung zur Sicherung der habs-
Stadt. Besonders die Entwicklung und
burgischen Grenze zuteil, besonders
Produktion technischer Erzeugnisse
um die Türkeneinfälle abzuwehren.
erlebte einen enormen Aufschwung
und legte das Fundament für den
16 Beim Ausbau der Stadtbefestigung 17
bis heute präsenten wirtschaftlichen
und des Schlossberges wurde ein ita-
Schwerpunkt in der Region. Die Grün-
lienisches Bastionärsystem gewählt
dung der heutigen Andritz AG und der
und infolgedessen wurden italieni-
heutigen Magna Steyr, Erzeuger der
sche Architekten für dessen Bau und 6 Puchwerke, industrielle
Herstellung von Fahrräderm, Puch-Produkte (Abb. 6), aber auch
andere Neu- und Umbauten heran- 3 Landhaus Steiermark, Motorrädern und später
Graz, 1531/57 erbaut Automobile der Technischen Universität waren
gezogen. Aus dieser Phase stammt
starke Impulsgeber für die Stadt.4
der Einfluss der italienischen Renais-
sance auf die Grazer Architektur. Das
Gravierende Einschnitte erlebte die
Landhaus Steiermark (Abb. 3) zählt
Stadt zur Zeit des ersten und zweiten
beispielsweise zu den bedeutends-
Weltkrieges. Im ersten Weltkrieg wur-
ten Renaissancebauten außerhalb
de bei der Auflösung der österreichi-
Italiens. Ende des 18. Jahrhunderts
schen Reichshälfte5 Österreich-Un-
wurde die Stadt von den napoleoni-
garns ein Drittel des steirischen
schen Truppen eingenommen (Abb.
Gebietes dem neu geschaffenen
4) und die Schlossbergfestung muss-
Jugoslawien zugesprochen.
te geschliffen werden. 1
4 Angriff Schlossbergfes- 7 Bombenangriff auf
tung 1809 Graz, 1944
2 Vgl.Graz Museum, Epochen
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. ebd.
1 Vgl. Strahalm / Laukhardt, 2008, S. 46ff. 5 Vgl. Österreichische UNESCO-Kommission, 2014
Graz wurde damit zur Grenzstadt ‚Puch Steyr‘ - mit 170.000 Mitarbei-
eines Kleinstaates degradiert und es tern weltweit.
entstanden Versorgungsprobleme.
Unter nationalsozialistischer Herr- Nach der Jahrtausendwende kam es
schaft galt Graz als eine „mustergül- zu einem Höhepunkt der jüngeren
tige deutsche Stadt“ und wurde mit Geschichte: Graz wurde 2003 zur Kul-
einer Ehrenauszeichnung zur ‚Stadt turhauptstadt Europas und 2011 zur
der Volkserhebung‘ ernannt. Während UNESCO ‚City of Design‘ ernannt.7
des zweiten Weltkriegs geriet Graz Sowohl das architektonische Erbe als
stark unter Beschuss der alliierten auch zeitgemäße Entwicklungen gel-
Luftfront und besonders die Indust- ten als progressiv. (Abb. 9,10)
riegebiete im Westen (wie Gries) und
Süden wurden massiv zerstört. Nach 8 Zerstörte Häuser im 10 Café Limarutti, DI
Bahnhofsareal, April 1945 Norbert Müller, 1989
Stadtbezirk Gries
dem Ende des Kriegs war jedes dritte
Gebäude zerstört.6 (Abb. 7, 8) Nach dem Historiker Gerhard Dienes
leitet sich der Name von dem Über-
In den folgenden Jahrzehnten war die schwemmungsgebiet und der Auen-
Stadtentwicklung geprägt vom Wie- landschaft am rechten Ufer der Mur
deraufbau und der Aufarbeitung des ab, denn Gries bedeutet Flußsand,
18 19
Geschehenen. Graz entwickelte sich Sandkorn, Geschiebe, Schotter‘.8 In
zu einer Drehscheibe für Migration, alten Aufzeichnungen sind die Be-
viele dieser Menschen blieben in der zirke Gries und Lend (nördlich von
Stadt. Die letzte große Migrationsbe- Gries) unter dem Begriff ‚Murvorstadt‘
wegung gab es in den 1990er Jahren zu finden.9
aus dem ehemaligen Jugoslawien
nach Österreich. Bis heute stellen- Dank der Ufersicherung im 15. Jahr-
stehen das Thema Migration und die hundert konnte das Gebiet vermehrt
damit verknüpften Stadtbezirke (wie zu Wohnzwecken genutzt werden.
Gries) im Fokus der Stadtverwaltung. Trotz des bald florierenden Handels
1995 wurde schließlich der ‚Migran- und Gewerbes entlang der wenigen
tenbeirat‘ eingerichtet. Straßenzüge blieb der Bezirk vorerst
9 Besucherzentrum Aufenthaltsort für die ärmere Bevöle-
Joanneumsviertel, Nieto
Technische Innovation und Produk- Sobejano Arquitectos und 11 ‚Urbane Loungemöbell‘,
rung. Im 16. Jahrhundert wurde der
eep Architekten Designmonat Graz, 2018
tion sind nach wie vor Schlüssel- Stadtteil auch bei Adel und Klerus be-
branchen der Stadt. Viele Unterneh- liebter und wurde zum Ort der Som-
men haben international expandiert, merresidenzen.
wie ‚Magna International‘ - ehemals 7 Vgl. Graz Museum: Epochen
8 Vgl. Dienes,1991, S. 10 ff.
6 Vgl. Strahalm / Laukhardt, 2008, S. 74ff. 9 Vgl. Münzer,1979, S. 8-9
Ein neuerlicher Aufschwung für Han-
del und Gewerbe erfolgte im 18.
Jahrhundert durch den Bau der Kom-
merzialstraße Wien-Triest. Viele Gast-
stätten und Herbergen entstanden
und erste Kasernen und militärische
Anlagen wurden errichtet. Der ver- Erst Ende des 20. Jahrhunderts gab
stärkte Andrang hatte jedoch auch es wieder einen maßgeblichen Auf-
Schattenseiten: die ständigen Neue- schwung in der Entwicklung von Gries,
rungen führten zu Unübersichtlichkeit wozu das EU-Förderprogramm ‚UR-
und boten Raum für Kriminalität und BAN‘ einen bedeutenden Beitrag leis-
Prostitution. In den folgenden Jahr- tete. Es war speziell für solche städ-
zehnten wurde die Unvereinbarkeit tischen Problemgebiete im EU-Raum
beider Entwicklungen immer deutli- konzipiert und in diesem Rahmen
12 Ansicht Griesplatz, 1917
cher: einerseits entwickelte sich Gries wurden mehr als 50 Maßnahmen um-
zu einem modernen Bezirk mit Bahn- gesetzt. Der Bau einiger öffentlicher
anbindung, gutem Straßenausbau Einrichtungen wie beispielsweise des
und vielen Betrieben. 10
Andererseits Bezirksgerichts, des Geriatrischen
20 21
verstärkten besonders die damit ein- Krankenhauses, der Einrichtung eines
hergehende funktionale Trennung von Parkes, etc. erwiesen sich als sehr
Arbeits- und Wohnstätte sowie die sinnvolle Maßnahmen zur Aufwertung
präsenten Verkehrswege durch den des Stadtbezirks.12 Dies wird detail-
Bezirk die stadträumliche Polarität. 14 Oeverseepark lierter im Kapitel ‚Aufwertungsprozes-
Der Bezirk entwickelte sich zuneh- se in Gries‘ dargestellt.
mend industriell mit Substandardun-
terkünften und hoher Emissions- und
Lärmbelastung. Der resultierende Ver-
lust an Wohnqualität führte zu einer
Abwanderung der mittleren Bevölke-
rungsschichten und teilweise auch
Betrieben. Die Zerstörungen im zwei- 13 Ansicht Griesplatz, 2018
ten Weltkrieg bildeten den Tiefpunkt
der Entwicklung.11
10 Vgl. Persoglio:, 2001, S. 16 ff.
11 Vgl. Ferstl, 1999, S. 54 ff. 12 Vgl. Ferstl,2001, S.79
22 Grundstück - Entwicklung 23
15 Franziszeische Landes-
aufnahme, 1820-25
Der Tuchscherermeister Franz Fürler folgenden Jahren zwischen circa das Geschäft in der Kühgasse (heute
aus Graz erwies sich als ein wichtiger 1851-1855 immer mehr erweitert. Dreihackengasse)7 und bezog einen
Akteur in der steirischen Textilwirt- (Abb. 19-22) Besonders bedeutend anderen, vermutlich kleineren Stand-
schaft des 19. Jahrhunderts. Er nutzte war zu dieser Zeit der Einbau einer ort in der Harrachergasse 1019.8
für den Aufbau seines Unternehmens „Dampfkraftmaschine mit 18 Pferde-
die Triebkraft des wirtschaftlichen kraft“.5 (Abb. 18) Fürler war zum da- In der Folge wechselte das Gebäu-
und technologischen Entwicklungs- maligen Zeitpunkt einer der ersten de mehrmals den Eigentümer und
schubes zu Mitte des Jahrhunderts, zehn Besitzer einer solchen Anlage. kam schließlich in den Besitz der
auch als „erste Gründerzeit“ bekannt, Das Potenzial dieser Anschaffung Stadt Graz. Diese veranlasste 1864
welcher unter anderem durch den verdeutlicht ein anderer Besitzer die- eine Nutzungsänderung zur Kaserne
Einsatz von Elektrizität und den Fall ser Anlage: der Maschinenfabrikant und wenig später wurde der Südtrakt
der Zollgrenzen gegen Ungarn beför- Josef Körösi, Gründer der „Andritzer zwischen die bestehenden Trakte ge-
dert wurde.1 Maschinenfabrik“ (heute Andritz AG, baut.9 (Abb. 24, 25)
250 Werkstätten weltweit).6
1844 erhielt er ein Patent auf ein Pro- 1919 wurden in dem Komplex Woh-
dukt namens ‚Steyrischer Azor‘, eine In weiterer Folge wurden diverse Ne- nungen eingerichtet und wieder einige
„feine Sorte“ Lodenstoff aus gewöhn- bengebäude auf dem Areal errichtet Jahre später wurde das Areal mehr-
17 Situationsplan
29.1. 1851
licher „steyrscher Landwolle“. Wenige und bestehende Gebäude einverleibt, fach geteilt und an private Eigentümer
Jahre später bereiste er Industrieaus- wie beispielsweise die angrenzende verkauft, in deren Hand es sich nach
24 25
stellungen in London2 und Dresden, ehemalige Leinwanddruckerei, später wie vor befindet.10 (Abb. 26)
wurde sogar vom König von Sachsen als Gasthaus genutzt. (Abb. 23)
für seine Produkte ausgezeichnet.3
Über die Jahre hinweg wurden auch
1839 kaufte er ein Grundstück im einige Bauvorhaben eingereicht und
heutigen Stadtteil Gries und errichte- nie ausgeführt wie beispielsweise ein
te dort in der ehemaligen Kühgasse, Anbau an den zum damaligen Zeit-
heute Dreihackengasse 32, um circa punkt einstöckigen Südtrakt mit der
1850 ein zunächst zweistöckiges Fa- Anmutung eines Portals. (Abb. 27-29)
brikgebäude als Loden-, Azor- und
Teppichfabrik. 4 Von diesem Gebäude Mit dem Niedergang der steirischen
sind heute keine Pläne mehr vorhan- Textilindustrie, wahrscheinlich aus-
den. gelöst durch die sich verhärtenden 16 Annonce in der Grazer
Zeitung im März 1858,
wirtschaftlichen Beziehungen zur Bekanntgabe der Ge-
schäftsauflösung
Dank der prosperierenden Textil- ungarischen Monarchiehälfte, be-
industrie wurde das Gebäude in den endete Franz Fürler im April 1858
18 Einreichung 18.8.1853
Einbau Dampfmaschine
1 Vgl. F. Tremel, 1965, S. 1 ff. 7 Grazer Zeitung, 18.3.1858, S. 10
2 Vgl. Illustrierte Zeitung, 17.5.1851, S. 22 5 Vgl. Wochenblatt der k.k. Steiermärkischen Landwirtschafts- 8 Tagespost, 15.7.1860, S. 8
3 Wiener Zeitung, 12. Juli 1850, S. 1 gesellschaft, 2.2.1854, S.7. 9 Vgl.Bouvier, 1984, S. 138-39
4 Vgl.Bouvier, 1984, S. 138-39 6 Vgl. Roth, 1973, 3ff. 10 Vgl.Bouvier, 1984, S. 138-39
21 Einreichung, 31.6.1854,
Ausbau Westtrakt
19 Einreichung Osttrakt
vermutlich Juni 1854
26 27
20 Auswechselplan 22 Erweiterung Westtrakt,
Westtrakt, 21.6.1854 20.2.1855
25 Postkarte
Ansicht Nord,1903, Nut-
zung als „Drei-Hacken-Ca-
serne „ ersichtlich
23 Einreichung
vermutlich 1854, ehemalige
Leinwanddruckerei
28 29
https://delcampe-static.net/img_large/aucti-
on/000/427/488/507_001.jpg?v=0
24 Einreichplan
Kanalisierung, 1864, 26 Einreichplan EG, 1919,
erstmalige Erwähnung als Umbau zur Einrichtung von
„Militär-Kaserne“ „Kleinstwohnungen“
27 Einreichung, 29.1.1854,
Schnitt, nicht ausgeführt
30 31
29 Einreichung
Anbau Südtrakt, nicht
ausgeführt
28 Einreichung, 29.1.1854,
Grundriss EG, nicht aus-
geführt
32 Grundstück - Bestand
30 Vogelperspektive
Grundstück und Umgebung
Der große Gebäudekomplex weist
einen U-förmigen Grundriss auf, mit
15- bzw. 17-achsigen schmucklosen
Fronten Richtung Osten und Westen
und hofseitig im Südtrakt sieben-
achsige Pfeilerarkaden und 12-ach-
sige Fronten mit Holzfenstern in
historischer Optik an den seitlichen
Hof-Fronten. Im Osttrakt befindet sich
33 Laubengang, Mitteltrakt
ein Zweipfeilerstiegenhaus und in den
anderen Trakten jeweils ein Vierpfei-
lerstiegenhaus, vermutlich aus der
Umbauzeit 1864.1 Der großzügige Gang im Südtrakt
31 Straßenansicht
aus Nord-Ost
wird kaum genutzt, trotz des hohen
Die allgemeine Erscheinung ist karg Aufenthaltspotenzials und einer Breite
und teilweise sanierungsbedürftig. von 3,50 m. Die anderen Gänge haben
Einige historische Elemente wurden auch eine hohe Aufenthaltsqualität
34 35
im Laufe der Jahrzehnte zerstört oder dank der Hofausrichtung, sind aber
überformt. Lediglich die Hoffassaden ebenfalls ungenutzt. Der Boden im
vermitteln den Eindruck der ehema- Gang ist desolat, besteht aus einem
ligen Erscheinung. Auch das Dach Flickwerk von Belägen und teilweise
zeigt mit der für Graz charakteristi- sind die Bretter zu erkennen. Im Süd-
34 Gang OG, Westtrakt
schen Tonschindeldeckung ein Stück trakt ist ein Betonboden vorzufinden.
Geschichte. Die Geschossniveaus
des Süd- und Westtraktes unter-
scheiden sich von denen im Osttrakt,
die Anschlusspunkte sind pragma-
tisch gelöst. Der nachträglich gebau-
te Südtrakt an dessen Südseite auch
beinahe unmittelbar das Nachbarge-
bäude anschließt, generiert viele Be-
lichtungsprobleme. 32 Hofansicht aus Nord
35 Gang EG, Osttrakt
1 Vgl.Bouvier, Friedrich: Die städtebauliche Struktur der Mur-
vorstadt ab 1848, Graz, 1984, S. 138-39
39 Vermauerte und
umgenutzte Öffnungen zum
36 Stiegenhaus, Osttrakt Süd-/ Mitteltrakt
An den Anschlussstellen der Längs-
Die Stiegenhäuser weisen eine hohe trakte (Ost- und Westtrakt) zum Süd-
räumliche Qualität auf und sind in gu- trakt finden sich noch die mittlerweile
tem Zustand, die Trittstufen wurden in vermauerten, ehemaligen Öffnungen
Holzoptik erneuert, die ursprüngliche zum Hof samt Fensterlaibung.
Ästhetik wurde dabei jedoch nicht er-
reicht. Die größtenteils Kleinstwohnungen
36 37
im Ost- und Westtrakt sind in einen
Die Eingänge zu den Wohnungen wei- schwach belichteten Raum zum
sen größtenteils ein durchgängiges Gang ohne direktes Licht und einen
Prinzip auf mit einer Wohnungsein- nach außen orientierten Raum mit
gangstür und einem danebenliegen- einer größeren Öffnung durch die tra-
40 Beispiel 1
37 Stiegenhaus, Südtrakt
de Fenster, vereinzelt in historischer Wohnungsinnenraum
gende Mittelachse gegliedert. In den
Optik mit Holzrahmen, meist jedoch meisten Fällen befindet sich im ersten
Standardprodukte aus den letzten Raum eine Küche und ein Badezim-
Jahrzehnten. mer. Vereinzelt finden sich noch Sub-
standard-Wohnungen ohne Bad vor.
38 Ansicht
41 Beispiel 2
Wohnungseingangstür
Wohnungsinnenraum
45 Dachstuhl Westtrakt,
Die Mittelachse besteht größtenteils 42 Konstruktion liegender Stuhl mit Kehlbal-
ken, Stich und Wechsel
Mittelachse, Westtrakt
aus Holz und zählt durch ihre histo-
rische Anmutung und die teils be-
achtliche Ausformulierung zu den
charakteristischen Elementen des
Gebäudes. Die verwendeten Mate- Das Dachgeschoss ist nicht ausge-
rialien, Oberflächen und Elemente zur baut und nicht genutzt. Die Konst-
Ausstattung der Wohnungen sind von ruktionen der jeweiligen Dachstühle
38 39
minderer Qualität, die heutigen Fens- variieren je Trakt und bieten unter-
ter nicht adäquat. schiedliche Raumqualitäten.
Die räumliche Gliederung im Südtrakt
46 Dachstuhl Südtrakt
ist ähnlich, jedoch gibt es anstelle 43 Konstruktion
(Westtrakt ident),
Pfettendach mit Spreng-
Mittelachse, Osttrakt und Hängewerk
der tragenden Mittelachse kleintei-
lige Raumstrukturen. Der natürliche
Lichteintrag des zum „Lichthof“ ori-
entierten Raumes funktioniert kaum,
da sich im Abstand von 50 cm bis
maximal 3,50 m die Feuermauer des
Nachbargebäudes befindet.
44 Schmaler Hof 47 Durchbruch Osttrakt
hinter Südtrakt zu Südtrakt
51 Blick zum Hof
48 Blick gen Westen aus dem Südtrakt
Private Freiräume bietet der Komplex
momentan nicht. Die Gangflächen
Durch die kleinen Öffnungen im Dach- des Südtraktes werden vereinzelt
stuhl lässt sich der Baukörper in sei- zum Aufenthalt genutzt, jedoch nicht
ner Gesamtheit gut erfassen. Zudem entsprechend des eigentlichen Po-
40 41
wird der potenzielle Ausblick auf den tenzials. Der Hof würde ebenfalls die
Schlossberg und die kleinteilige Be- Möglichkeit für die Ausbildung eines
bauungsstruktur vor dem Gebäude großzügigen Freiraumes darstellen,
erkennbar. jedoch wird dieser momentan als
52 Garten zum Parkfläche genutzt.
49 Blick gen Osten Nachbargrundstück
53 Lichthof hinter
50 Blick gen Norden dem Südtrakt
42 43
THEMEN
46 Aufwertungsprozesse im Bezirk
54 Der Glückshafen Gries
ist ein Stadtteilbüro, wel-
ches sich um Vermittlung
bemüht
Die beiden Architekten Hoffmann les der ansässigen Bewohner und die Albert-Schweitzer-Klinik II, eine sowie verschiedenen Einrichtungen
und Krasser unterteilen den Bezirk Umstrukturierungen im Interesse der Synagoge, ein Neubau für Volks- und des Landes Steiermark und der Stadt
in elf Quartiere. Im Zuge der Analyse temporär Anwesenden wie z.B. die Sozialhilfe, die Revitalisierung des Graz. Am Nikolaiplatz an der Mur gibt
wird ein Fokus auf die dem Zentrum anwesenden Beschäftigten und Tou- Bades zur Sonne, u.a. waren we- es einen Zuzug höherwertiger gastro-
nahe ‘Murvorstadt’ gelegt. Sie wird risten. Die funktionale Aufwertung sentliche Impulse für das Quartier. nomischer Betriebe. Im nordwest-
als potenzielles Gentrification-Gebiet umfasst die Ansiedelung hochwerti- Viele dieser Prozesse geschahen im lichen Bereich der beiden Quartiere
bewertet, unter anderem wegen ihrer ger Unternehmen im tertiären Sektor Zuge des Projekts ‚URBAN‘. Am Ni- wurde ebenfalls im Zuge von ‚URBAN‘
teilweise attraktiven Bausubstanz, z.B. Einzelhandelsunternehmen, gas- kolaiplatz im Nordosten des Gebiets im Jahre 1999 das Projekt “Einkaufs-
der Präsenz wichtiger Verwaltungs- tronomische Einrichtungen, Dienst- und direkt am Grieskai, spricht man straßenmarketing” ins Leben gerufen
bauten, hervorragender Infrastruktur, leistungsunternehmen, Etablierung mittlerweile sogar von ‘Grieshattan’, und ein Versuch zur Aufwertung der
guter Verkehrsanbindung und seiner von kulturellen Einrichtungen und da dort innerhalb von wenigen Jah- Einkaufsstraße Annenstraße durch
Lage zwischen Mur und Mühlgang. Änderung des generellen Warenan- ren eine extreme Dichte an baulichen die Beruhigung des Verkehrs und
55 Unterteilung des
Die teilweise schon umgesetzte At- gebots. Die symbolische Aufwertung Stadtbezirks in Quartiere lt.
57 Albert-Schweit-
Aufwertungen stattgefunden hat. Im weitere Maßnahmen gestartet. Nach
Hoffmann/Krasser
zer-Hospiz
traktivierung der Annenstraße könnte kann als “Resultat raumbezogener Quartier ‘Idlhofgasse’ wurden durch wenigen Wochen wurde dieser An-
einen wesentlichen Impuls bringen Kommunikationsprozesse” beschrie- die Modernisierung einiger Gebäude satz allerdings von Anrainern und Ge-
und die Innenstadt und den bereits ben werden, z.B. in Form von me- im nordwestlichen Teil gegenüber des schäftsleuten wieder zu Fall gebracht.
aufgewerteten Teil im Nordosten dialer Berichterstattung seitens der Bahnhofs an der Annenstraße, dem Veranstaltungen wie das Grätzelfest
des Quartiers ‘Murvorstadt’ mit dem Politik, Medien, Wirtschaft, Kultur und Bau des Oeverseeparks im Rahmen ‘Grieskram’, Hinterhofflohmärkte5
Bahnhofsareal verbinden.1 Wissenschaft.3 von ‚URBAN‘ sowie dem Neubau des und Bürgerbeteiligungsprozesse z.B.
48 49
Arbeitsmarktservices ebenfalls wich- ‘Social Safaris’ führen zur kulturel-
Laut dem Geographen Christian Kra- Die Aufwertungsprozesse im Quartier tige Impulse gesetzt. len Belebung der Umgebung. Diver-
jewski2 lassen sich Aufwertungspro- ‘Murvorstadt’ sind von baulicher Sei- se andere Vereine und Einrichtungen
zesse wie folgt einteilen: bauliche, te gegeben. Zahlreiche Renovierun- Die sozialen Aufwertungsprozesse wie das ‘Seddwell Learning Center’,
soziale, funktionale und symbolische gen und Modernisierungen sind zu in den beiden Quartieren entwickeln ‘Glückshafen Gries’, der Verein ‘rotor’
Aufwertungen. Zu baulichen Pro- beobachten, vor allem im Bereich des sich langsamer, z.B. durch den Zu- und die TU-Graz mit dem Institut für
zessen zählen vorrangig die Sanie- Grieskai und der Annenstraße, also zug finanzkräftigerer Bevölkerungs- Wohnbau sind für diese und weitere
rung und Modernisierung von Ge- im nordöstlichen Teil des Gebiets, schichten - sogenannte Pioniere, wie Aktionen verantwortlich. Die 2009 im
bäuden, Neubau und Ausbau sowie sind zu beobachten. Aktuell gibt es unlängst bei einem Neubau in der Rahmen des Projekts ‘Die Kunst des
Aufwertungen des Umfeldes, infra- noch keine erhöhte Dichte, allerdings Griesgasse berichtet wurde.4 Neue urbanen Handelns’ des Kunstvereins
strukturelle Verbesserungen und die lassen sich Tendenzen erkennen, die Betriebe an der Annenstraße, am Kai ‘rotor’ entstandene mediale Plattform
Umwandlung von Miet- in Eigen- auf eine ansteigende Wertschätzung 56 Bad Zur Sonne, Arch.
sowie im Bereich der Griesgasse, sor- ‘Annenpost’, die seit 2011 von Stu-
Fritz Lorenz
tumsverhältnisse. Die soziale Auf- des Quartiers als Wohnraum und 58 Innenraum Hospiz gen temporär für ein kaufkräftigeres dierenden und Lehrenden des Stu-
wertung beschreibt alle Änderungen Standort für Einzelhandel und Dienst- Publikum. diengangs Journalismus & PR der FH
in der Sozialstruktur, z.B. den Zuzug leistungsbetriebe schließen lassen. Joanneum geführt wird, ist ebenfalls
einkommensstarker Haushalte und Vor allem öffentliche Bauten wie das Zu den funktionalen Aufwertungs- ein wichtiger Akteur im kulturellen
dadurch die Abwanderung eines Tei- Bezirksgericht Graz-West, das Geria- prozessen gehören der Zuzug von Vernetzungsprozess. Das darin pro-
trische Krankenhaus der Stadt Graz, Unternehmen im tertiären Sektor, klamierte ‘Annenviertel’ ist ein fikti-
1 Vgl. Hoffmann/Krasser, 2006
2 Vgl. Krajewski 2006, S. 62 3 Vgl. Krajewski 2006, S. 62-64 4 Vgl. Hecke, 2018 5 Vgl. ebd.
ves Gebiet, das “in seinem Kern die Der Grund dafür ist zu hinterfragen, ungenutzte Potenziale zur Verfügung,
Bezirke Gries und Lend verbindet”. offiziell führte der träge Bewilligungs- Die ‘Stadtgalerie’ im Nordwesten des wie zum Beispiel die ehemalige Mühle
Seit 2016 berichtet die ‚Annenpost‘ prozess der Stadt zum Verkauf des Gebiets wäre möglicherweise ein gu- in der Köstenbaumgasse11.
verstärkt auch aus dem westlich von Grundstücks durch den Projektbe- ter Ansatz gewesen, um schnell Kauf- Die Dichte und vor allem der Einsatz
Gries gelegenen Bezirk Eggenberg, treiber an den Spar-Doyen Friedrich kraft zu generieren, jedoch hätte dies der einzelnen kulturellen Vereine ist
wo sich gerade mit der Bebauung Poppmeier, der auch den benachbar- auch eine Entwertung der aufstre- relativ gut, jedoch scheint hier eine
der Reininghaus-Gründe ein neues ten Citypark betreibt. benden Annenstraße bedeutet. Auch übergreifende Plattform zu fehlen,
Mega-Projekt abspielt.6 Eggenberg die Frage der Nachhaltigkeit wäre eine ‘Marke’ für den Bezirk. Diese
wurde nach Gries der nächste Be- Die bereichsunabhängige Betrach- 59 Eine Quartierszeitung
für ein fikitives Quartier
dabei unbeantwortet geblieben. Be- könnte zu einem gesteigerten Selbst-
nördlich und südlich der
zirk im Fokus des Förderinstruments tung zeigt kleinräumliche Aufwer- Annenstraße sonders lobenswert sind die sozialen bewusstsein der einzelnen Akteure
‚URBAN‘ im Zuge des Projekts ‘UR- tungsprozesse. Flächendeckende und funktionalen Prozesse im Bezirk, führen und den Forderungen gegen-
BAN_Link Graz-West’. Veränderungen bleiben aus, jedoch 62 das ungenützte jedoch scheint es hier noch viel Luft über der politisch-administrativen
Murufer
beginnt das Netz an Prozessen im nach oben zu geben - das ist aller- Seite Nachdruck verleihen. Die vor-
Die symbolische Aufwertung erfolgt Nordosten des fokussierten Gebie- dings direkt verknüpft mit politischen handene Diversität im Bezirk sollte
langsam. Positive Berichte über den tes schon allmählich dicht zu werden. Entscheidungen. Die Problematik der dabei zu einem speziellen Merkmal
Nikolaiplatz, die Projekte im Rahmen Maßgebend war das Projekt ‚URBAN‘ Verkehrssituation beispielsweise am werden, denn es hebt ihn von den
von ‚URBAN‘ und in den letzten Jah- zur Jahrtausendwende. Im Nachhin- Griesplatz10 und am Kai sowie an den meisten anderen ab.
60 Der Verein versucht
ren gelegentliche Artikel zur Aufwer- ein wird das Investitionsvolumen mit u.a. zur Entwicklung des Gürtelstraßen scheint sämtlichen Ent-
Bezirkes beizutragen in
tungsarbeit, Veranstaltungen und der 18,3 Millionen Euro aus öffentlichen dem er auf Probleme wicklungen im Wege zu stehen. Die Insgesamt betrachtet ist die Entwick-
50 aufmerksam macht und 51
Investorentätigkeit bringen dennoch Mitteln beziffert. Demgegenüber ste- diese kreativ zu lösen ver-
scuht, zb. durch ‚Mind-
Versuche den Griesplatz mit seiner lung hier seit Ende des Jahrtausends
maps‘ am Griesplatz
ein verändertes Bild zutage.7 Die ver- hen mehr als 140 Millionen Euro aus hochwertigen Bausubstanz als einen sehr gut verlaufen, vor allem hin-
gleichsweise hohe Kriminalität und privater Hand9. Das Projekt gilt als bespielbaren, erträglichen Aufent- sichtlich des Tempos und der Nach-
damit verbundene Berichte in den ein geglückter Versuch Umstrukturie- haltsort umzugestalten sind bisher haltigkeit. An vielen internationalen
Medien sorgen jedoch immer wieder rungsprozesse sanft einzuleiten und gescheitert. Dem Nutzungsdruck der Beispielen wurde bereits ersichtlich
für eine Abwertung.8 Im westlichen gemäßigt voranzutreiben, ohne da- größtenteils auswärtigen Verkehrsteil- wie zu schnelle und ungelenkte Auf-
Teil des Untersuchungsgebietes be- bei die davon betroffene Bevölkerung nehmer steht jedoch ein immer grö- wertungsprozesse z.B. in Berlin zu
schränkt sich die symbolische Auf- auszuschließen. Die große Bandbrei- ßer werdendes Echo der ortsansässi- sozialen Missständen führen kön-
wertung größtenteils auf den Auf- te an Einsatzgebieten der Fördermit- gen Bewohner gegenüber. Auch das nen, indem finanzschwächere Bevöl-
wertungseffekt der Sanierung des tel in z.B. öffentliche Bauten, soziale 61 Dieser im Haus Potenzial des Grieskai scheint ab- kerungsgruppen plötzlich verdrängt
ansässige gemeinnüt- 63 Rendering Stadterwei-
Leiner- bzw. Merkur-Gebäudes. Das Einrichtungen, Marketing bis hin zu zige Verein bietet unter terungsgebiet Reininghaus gesehen von dem kleinen Abschnitt werden. Bei einer langsamen Ent-
anderem Sprachkurse
ursprünglich geplante Projekt der rechtlichen und wirtschaftspolitischen und verschiedenste
öffentliche Veranstaltun-
des Nikolaiplatzes noch vollkommen wicklung und einem langsamen Be-
‘Stadtgalerie’, ein Versuch die Ab- Entscheidungsprozessen ist verant- ungenutzt. Das gesamte Murufer auf völkerungsaustausch ist es diesen
wanderung der Unternehmerstruktur wortlich dafür, dass der Bezirk und dieser Seite ist nicht erschlossen, Gruppen leichter möglich an der Auf-
in die Einkaufszentren der Peripherie im speziellen die genannten Quartiere was einen erheblichen Grün- und wertung teilzuhaben bzw. sich einzu-
aufzuhalten, wurde 2009 abgesagt. auf einem guten Weg zur Entwicklung Erholungsraum für das Gebiet dar- bringen.
zu durchmischten Gebieten sind. stellen könnte. Auch von privatwirt-
6 http://www.annenpost.at/2019/01/30/graz-reininghaus-
schluss-mit-stillstand/ schaftlicher Seite stehen hier noch
7 Vgl. Hecke, 2018
8 vgl. Plank 2007, S. 100 9 Vgl. Magistrat Graz, 2007 10 Vgl. Strassegger, 2018 11 Vgl. Hecke, 2018
52 Anpassbarkeit
53
64 „Zeitgenössische
Stadt für drei Millionen
Einwohner“,
Le Corbusier, 1922
1933 wurde die Charta von Athen Der Wiener Architekt Werner Neuwirth
durch den IV. Kongress der CIAM ver- attestiert, es sei kein Zufall, dass die
abschiedet. Im Wesentlichen wollte Gründerzeitbauten sich heute beson-
man unter dem Titel ‚Die funktiona- derer Beliebtheit erfreuen. Sie sei-
le Stadt‘ eine Auflösung des klassi- en für unterschiedlichste Nutzungen
schen Urbanismus und die funktiona- geeignet und ihre bauliche Struktur
le Trennung von Stadtquartieren nach einfach anpassbar. Die Räume sei-
Wohnungen, Büros, Einkaufsmöglich- en wohlproportioniert in Größe und
keiten, Gewerbe und Industrie her- Höhe, der Lichteintrag sei ausrei-
beiführen und dem Ideal der ‚auto- chend, das Luftvolumen stimme und
gerechten Stadt‘ näherkommen. Die die Türen seien groß genug. Dem
Entflechtung der Funktionen inner- entgegen stünden die monofunktio-
halb der Stadt wurde in den nächs- nalen Bauten der Moderne, die trotz
ten Jahrzehnten, während der Auf- brauchbarer Bausubstanz immer öfter
bruchsstimmung nach dem zweiten 67 Anpassbare Räume in abgerissen werden müssen. Neuwirth
„Wohnen am Mühlgrund“,
W. Neuwirth
Weltkrieg in großem Maße vorange- 65 Raummodell C-21, W.
vergleicht beispielsweise Wohnun-
Neuwirth
trieben. 1
gen der Dreißiger- und Fünfzigerjahre
in Zürich mit Maßanzügen die heute
Ende des 20. Jahrhunderts gab es nicht mehr passen.3
54 55
einen Paradigmenwechsel in der
Stadtplanung. Der Wiener Projektent- Hahn und Neuwirth proklamieren die
wickler Robert Hahn erklärt, dass die ‚Leere‘ als Raum für Potenziale, so-
funktionale Segregation des urbanen wohl im großen Maßstab des Quar-
Raumes, die damit einhergehende tiers als auch im kleinen der einzelnen
Abhängigkeit vom Individualverkehr Räume. Bauliche Strukturen und Rah-
in Kombination mit dem massiven menbedingungen sollen so flexibel
Wachstum des städtischen Lebens- geschafften werden, dass sie durch
raums tödlich für Urbanität sei. Die ein hohes Maß an Flexibilität auch für
Homogenität der Nutzungen führt die nächsten Generationen angepasst
lediglich zur temporären Belebung werden können. Ein Raum sollte nicht
66 Reduktion auf das
eines Quartiers zum Beispiel abends Notwendigste beim Projekt durch seine funktionale Nutzung son-
‚Erlenmatt Ost Buastein 5‘ in
nach 18 Uhr. Die Veränderung mani- Luzern, Degelo Architekten dern durch Qualitäten definiert wer-
festiert sich heute beispielsweise in den.4
68 Aneignung der Lau-
den Wettbewerbsthemen der Initia- bengänge ebd.
tive ‚Europan‘, z.B. ‚die anpassbare
Stadt‘ und ‚die produktive Stadt‘.2
1 Vgl EFL Stiftung/gta Archiv der ETH Zürich, S. 4-8 3 Vgl. Hahn / Neuwirth, 2018, S. 66 ff.
2 Vgl. Hahn / Neuwirth, 2018, S. 66 ff. 4 Vgl. ebd.
56 Stadtteilaktivierung
69 Nordbahnhalle, ehe-
maliges Zwischennutzungs-
projekt in Wien
Die Gestaltung und Entwicklung städ- Die Finanzierung dieser Orte wird oft trag.13 Die Förderinstrumente der öf- rastruktur wie bei Co-Working-Orten,
tischer Räume und die Verantwortung mit öffentlichen Mitteln auf direktem fentlichen Institutionen gehen aber sondern auch einen Rundum-Service
für deren Steuerungsfunktion wird zu- oder indirektem Weg bestritten, so- oft mit einer Vermarktung durch die und gute Kontakte bereitstellen. Ähn-
nehmend von VertreterInnen privat- wohl kurzfristige Zwischennutzun- Werbebranche und die Immobilien- lich wie an Universitäten unterschei-
wirtschaftlicher, intermediärer oder gen als auch langfristige Nutzungen wirtschaft und einer dadurch forcier- det man zwischen ‚Residents‘ und
zivilgesellschaftlicher Interessen vo- von Flächen. Standortgemeinschaf- ten Imageprägung einher. Selbstorga- ‚Graduates‘, wodurch eine Art För-
73 Revitalisierung der
Tabakfabrik in Linz zu einem
rangetrieben.1 Die kreative Klasse2 ten wie Gründerzentren, Inkubatoren neuartigen Wohn- Arbeits-
nisierte Formen kollektiver Aneignung derprogramm für den ‚Nachwuchs‘
und Freizeitgelände.
und die damit verbundenen Räume3 oder Coworking Spaces gelten dabei preisgünstiger Immobilien und die und eine Vernetzungsplattform für
70 Schnittstellen für Wert-
gelten seit einigen Jahren als Treiber oft als besonders förderungswürdig.9 schöpfungsprozesse und
Lerneffekte kreativer Kleinst-
Möglichkeiten zur kreativen Gestal- ehemalige Benutzer entstehen soll.17
unternehmen
für die sozio-ökonomische Gesamt- tung von Stadträumen gehen dabei
entwicklung von Städten und Regio- In dem Beispielprojekt ‚FS2‘ im ame- oft verloren.14
Temporäre Nutzungen
nen. Gemeinschaftliche Arbeitspro- rikanischen Küstenort Charleston,
zesse mit wechselseitigem Austausch South Carolina hat sich unter ande- Eine rasante Entwicklung birgt die In den 1990er Jahren wurde nach
und ohne strenge Hierarchien4 sind in rem auch die Stadt Charleston mit- Gefahr von Preisanstiegen, Vertei- dem Mauerfall in Berlin ein großer
der Kreativwirtschaft durch die vielen eingemietet um als Schnittstelle zwi- lungskonflikten und somit dem Ver- Bauboom prognostiziert und zahlrei-
Kleinstunternehmen Alltag. Ihre Fä- schen Nutzern, Investoren, Experten lust offener Orte.15 Die resultierenden che Masterpläne und Planungen initi-
higkeit schöpferischen Denkens und und Politikern zu fungieren. 10
Städti- Abwanderungen können kreative iert. Der Boom blieb vorerst aus, viele
Handelns basiert auf individuellen, sche Akteure vermitteln auch andern- Kleinunternehmer selbst oder jene Pläne blieben Fiktion aber die Stadt
kollektiven und auch städtebaulichen orts und stellen häufig Personal und Betriebe, welche für Lerneffekte und entwickelte sich in einem Ausmaß
58 59
Ressourcen.5 Sie nutzen Stadträume Expertise zur Kommunkatio, z.B. in 71 Manifattura Tabacchi,
74 Temporäre Veranstaltung
Wertschöpfungsprozesse kreativer wie selten zuvor. Die vielen Brach-
Florenz, Revitalisierung einer
am Gelände der ehem.
nicht nur als Bühne, sondern gestal- Form von Informations-, Beratungs- ehemaligen Tabakfabrik
Tabakfabrik Milieus relevant sind, betreffen. Dazu flächen und Zwischenräume wurden
ten diese aktiv mit6 und sollten daher und Vernetzungsveranstaltungen zur zählen unter anderem wissensar- von einer lebendigen Szene temporä-
von Planungsbehörden und Wirt- Verfügung. 11
Die genannten Förder- me und wissensintensive Unterneh- rer Nutzer bespielt und es entstanden
schaftsförderungsorganisationen an- instrumente sind oft mit der Hoffnung mungsdienstleistungen, kleinere Pro- neue Formen und Orte der Freizeitkul-
gemessen Beachtung finden. 7
verbunden dass das Image einer er- duktionsunternehmen, KünstlerInnen, tur.18 „Die Zwischennutzer sind dabei
folgreichen Stadt positiv zur Trans- Handel und Gastronomie.16 oft Pioniere anderer Raumnutzungen
Die Kultur- und Kreativwirtschaft als formation von Stadgebieten und/oder und zunehmend instabiler, ent-in-
aktiv eingesetztes städtebauliches Neudefinition örtlicher Identitäten bei- stitutionalisierter Lebensweisen.“19
Inkubatoren
Entwicklungsinstrument gibt es seit trägt. 12
Um unter anderem den skeptischen
der Jahrtausendwende in europäi- Die Autorin Tanja Pabelick beschreibt öffentlichen Institutionen die Poten-
72 Manifattura Tabacchi,
schen Städten. Anwendung findet es Wichtig für die Entwicklung solcher Teile des Geländes wurden
ebendiese als Brutstätten für neue ziale dieser Bewegungen aufzuzei-
zu innovativen Arbeitsräu-
men umgestaltet.
oft bei der Revitalisierung ehemaliger Orte ist ein gewisses Maß an Offen- Ideen, die innovativen Start-Ups gen wurde in den 1990er Jahren das
Areale der Industrieproduktion, Ha- heit. Die Aneignung durch kreative aus dem Dienstleistungssektor, dem Forschungsprojekt ‚Urban Catalyst‘
fenflächen oder Kasernen.8 Akteure ist ein entscheidender Bei- technologischen Bereich und der Kre- an der TU Berlin gestartet. Im Gegen-
1 Vgl. Knieling, 2003, S. 4
2 Vgl. Florida, 2002 ativbranche nicht nur Raum und Inf- satz zu den Protestbewegungen der
75 Tabakfabrik Linz
3 Vgl. Lange, 2007 NDSM-Werft in Amsterdam-Noord und die ehemalige Linzer
4 Vgl. Schreiner, 2018, S. 43 Tabakfabrik. 1960er, 1970er und 1980er Jahre ha-
5 Vgl. Frey, 2009 S.36ff. und Overmeyer, 2011, S.68 9 Vgl. Liebmann 2003, S. 134 13 Vgl. Frey, 2009, S. 145ff.
6 Vgl. Hesse 2011, S.40ff. 10 Vgl. Pabelick, 2012 14 Vgl. Overmeyer, 2011 S.68 17 Vgl. Pabelick, 2012
7 Vgl. Hesse, 2011, Kunzmann, 2009 11 Vgl. Liebmann, 2003, S.134 15 Vgl. ebd. 18 Vgl. Oswalt /, Overmeyer /.. , 2014, S. 7f.
8 Beispiele sind die IBA Hamburg 2013, die ehemalige 12 Vgl. ebd. 16 Vgl. Kunzmann 2006, S.6 19 Vgl. Oswalt /, Overmeyer /.. , 2014, S. 9
ben die heutigen temporären Nutzer trag bieten. Die Vorassetzung ist das senschaftler Dr. Chrstoph Leitl be- bei. Aber auch Städte und Regionen
selten politische Ambitionen, sondern kostengünstige Angebot der Res- zeichnet sie sogar als ‚Quintessenz profitieren maßgeblich indem sie an
vermehrt persönliche Visionen. Sie source Raum.22 des unternehmerischen Handelns‘.24 Attraktivität als Standort gewinnen.26
agieren auch konträr, indem sie sich Makerspaces, innovative gemein-
nicht in Enklaven absondern, sondern In ‚Urban Catalyst‘ werden verschie- Die Kreativwirtschaft hat, wie kaum schaftliche Werkstätten, haben einen
zum öffentlichen Gemeinwohl beitra- dene Zwischennutzungsprojekte eine andere Branche, in den ver- hohen Wert in der kreativ-technischen
gen wollen. Die von diesen Gruppen aufgezeigt und bewertet und in be- gangenen Jahren als Wirtschafts- Entwicklung. Sie sind Orte zur Er-
generierten Räume und Program- stimmte Gruppen eingeteilt - von und Wettbewerbsfaktor innerhalb probung innovativer Fertigungstech-
me spielen für die Identität und das kurzweiligen Nutzungen ohne dauer- der europäischen Union an Bedeu- nologien wie z.B. dem Umgang mit
Image der jeweiligen Umgebung oft hafte Auswirkungen mit einfacher 3D-Druckern, CNC-Fräsen, Lasercut-
eine signifikante Rolle. 20 Genehmigung, parasitären Bewe- tern, Industrierobotern, etc.27
gungen die an vorhandene dauer-
Heute erfreuen sich Zwischennutzun- hafte Strukturen andocken, bis hin 76 Temporäre Nutzung der Einer der Leuchttürme der österrei-
Nordbahnhalle als Theater
gen großer Beliebtheit und sind zu zu Nutzungen, die sich verfestigen chichen Kreativwirtschaft befindet
einem festen Bestandteil der Stadt- und mit dauerhaften Verträgen ope- sich unweit der Stadt Graz in Pöllau in
planung geworden. Auch die Immobi- rieren, subversive Bewegungen wie der Steiermark – der Fenster- Türen-
lienwirtschaft operiert heute in enger Besetzungen eines Ortes oder die und Möbelhersteller KAPO. Die Firma
Kooperation mit ebensolchen Raum- temporäre Auslagerung bestehender arbeitet in enger Kooperation mit di-
nutzern. Jedoch werden die operie- Nutzungen zugunsten einer program- versen Unternehmen aus der Bran-
60 61
renden Akteure häufig lediglich unter matischen Erneuerung.23 che und zählt zu einem aktiven Förde-
dem Begriff ‚Kreativwirtschaft‘ subsu- rer von Kreativen.28 Andere relevante
miert, also nur jene die unternehme- Treibkräfte gehen beispielsweise von
Kreativwirtschaft in Österreich 78 Netzwerke der österrei-
risch tätig sind anerkannt und geför- chischen Kreativwirtschaft Creative Industries Styria, Designfo-
dert. Andere Akteure, die z.B. in der rum Steiermark, der FH Joanneum,
Grauzone des Non-Profit-Bereichs im Die Kreativwirtschaft umfasst er- tung gewonnen.25 Österreich ist eine dem HDA, Diagonale, Assembly und
Sozialwesen tätig sind, werden dabei werbsorientierte Unternehmen, die kleinstrukturierte, exportorientier- weiteren oder auf nationaler Ebene
oft vernachlässigt.21 sich mit der Schaffung, Produktion te Volkswirtschaft und ist durch die von der aws Kreativwirtschaft, evolve,
und Distribution von kreativen und 77 Nordbahnhalle: Um- Umbrüche, die Globalisierung und Kreativwirtschaft Austria der WKÖ,
gestaltung der Lagerhalle zu
Die Bemühungen, die Stadtbewohner kulturellen Gütern und Dienstleistun- einer Werkstatt Digitalisierung mit sich bringen auf der AUSSENWIRTSCHAFT Kreativ-
durch partizipative Prozesse in die gen beschäftigen. Die Branche gilt eine hohe Innovationsdynamik ange- wirtschaft und der WKO aus.
Stadtplanung miteinzubeziehen stel- als Innovationstreiber, der für viele wiesen. Die Kreativwirtschaft unter-
len oft für beide Seiten unbefriedigen- Branchen durch ein hohes Maß an stützt diese maßgeblich und hat auch
de Lösungen dar. Temporäre Nutzun- internationaler Vernetzung positive eine transformative Kraft. Sie trägt
gen können auch hier ein wichtiges Übertragungseffekte bringt wie einen beispielsweise zur Entstehung zu-
Instrument sein, da sie die Möglich- kooperativen und vernetzenden Ef- kunftsfähiger Arbeitsplätze, vor allem
keit zum direkten, persönlichen Bei- fekt. Der Sozial- und Wirtschaftswis- in kleinen und mittleren Unternehmen
26 Vgl. ebd.
20 Vgl. Oswalt /, Overmeyer /.. , 2014, S. 7ff. 22 ebd. 24 Vgl. Bundesministerium,2016, S.6-10 27 Vgl. ebd.
21 ebd. 23 ebd. 25 Vgl. Bundesministerium,2016, S.10 28 Vgl. Müller, S. 45
„Communitarian action goes beyond self-suffi-
ciency and intervenes in urban infrastructure.“
62 Gemeinschaftliches Wohnen
„Kommunitäres Handeln geht über
Selbstgenügsamkeit hinaus und greift in die städti-
sche Infrastruktur ein.“
Nikolaus Kuhnert et al.
„Ökonomische und demografische der Reproduktion, gemeint ist die Dank des Internets kann man die Welt
Veränderungen bezüglich der Haus- Bevorratung von Lebensmitteln, Ko- bzw. Öffentlichkeit aber auch direkt
halts- und Familientypen, das Wech- chen, Waschen, Putzen und familiäre ins Schlafzimmer holen. Somit verän-
selspiel von Wohnen und Arbeiten Aufgaben wie Pflege oder Kinder- dert sich das Verständnis des Wohn-
und die Integration neuer Nutzergrup- erziehung. Lediglich die Rekreation orts als ein Ort der Intimität.9 Gemein-
pen in den Wohnungsmarkt haben bleibt ein siginfikanter Zweck eines schaftlicher Raum ist im Gegensatz
seit der Industrialisierung das ge- Wohnraums. Nur noch ein Viertel der
3
zum öffentlichen Raum als Außen-
meinschaftliche Zusammenleben ver- sozialen Wohneinheiten in Zentral- und Innenraum einer Siedlung oder
ändert und zu der erhöhten Nachfra- europa wird nach dem Konzept der Bewohnerschaft definiert. Menschen
ge nach dieser Lebensform geführt.“ 1 ‚Kernfamilie‘ bewohnt.4 die am Gemeinschaftsleben teilhaben
Dennoch gibt es das mit verbundene erhalten Zugang zu diesen Orten.10
Stigma des Lebens außerhalb der Über die Jahrzehnte hinweg haben Die Stadt mit ihrem vielschichtigen
Norm. Im Gegensatz zum individu- sich die Grenzen von Privatheit und Aufbau bietet dabei einen idealen
ellen Wohnen bietet es eine größere Intimität maßgeblich verändert. Vor Kontext für gemeinschaftliches Le-
80 Central Beheer -
Bandbreite an Wohnmodellen und Bürogebäude, Hermann zweihundert Jahren war jegliche
79 Die lesende Maria Mag- Hertzberger, 1972 ben und die geteilten Ressourcen
differenzierte Qualitäten, Nutzungen
dalena, R. van der Weyden,
Form von Körperlichkeit und Intimi-
1435-38 ihrer expansiven Infrastruktur bieten
und Gradienten von Öffentlichkeit tät auf den privaten Rückzugsraum
1215 wurde beim Vierten
Laterankonzil verkündet,
vielerorts die Möglichkeit als Stadtbe-
an. Die Zielgruppe solcher Orte sind dass Konfessionen zur beschränkt.5 Aus räumlicher Sicht
Pflicht für die Massen wer- wohner anzudocken.11
Menschen, die derartige Lebensfor-
den sollten. Diese einfluss- gab es diesbezüglich seitdem nur zö-
64 reiche Handlung der katho- 65
men gezielt suchen, weil sie es z.B.
lischen Kirche sorgte für die
gerliche Veränderungen. Der private
Verbreitung des Konzeptes Laut dem Soziologen Hans Paul
der Inneren Moral über ganz
aus der Vergangenheit so kennen Europa. Wohnraum ist durchschnittlich sogar
Bahrdt ist die Dualität von diesen
oder solche, die in einem gewissen gewachsen als Resultat der vierten
„Der Apparat der morali- beiden Faktoren die Keimzelle von
Lebensabschnitt daran Gefallen fin-
schen Steuerung wurde industriellen Revolution. Durch die
nach innen verlagert, in Urbanität. Je ausgeprägter die Inter-
einen privaten Raum, der
den. Es entstehen offene und inter- Digitalisierung und die neuen Kom-
nichts mehr mit der Ge- aktion der beiden Faktoren ist, des-
meinschaft zu tun hatte.“
aktive Orte, in denen individuelle und sagt der Autor Peter Loy. munikationstechnologien verwischen
Einsamkeit hatte von da an
to urbaner wird das Leben in einem
kollektive Bedürfnisse neu verhandelt einen starken Verbündeten. die Grenzen zwischen Wohnen und
Gebäude, einer Siedlung oder einer
werden und eine Vielzahl von Optio- Arbeiten jedoch drastisch.6 Auch die
Nachbarschaft.12 Zugänglichkeit und
nen der Partizipation geboten wird.2 Bedeutungsverschiebung des städti-
damit die Abstufung zwischen öffent-
81 Central Beheer - schen Raums führte zu einer teilwei-
Bürogebäude, Foyer als
lich und privat kann durch Architektur,
Der Zweck eines Wohnraums hat Zwischenraum sen Verlagerung privater Aktivitäten.7
“Privacy — the ultimate achievement of the renaissance” räumliches Design und dem Aushan-
sich dabei aus zweierlei Perspektiven Ein öffentlicher Raum kann also privat
„Privatsphäre ist die ultimative Errungenschaft der Renaissance“ deln der Nutzer erfolgen.13 Ein Raum
maßgeblich verändert: zum einen ist werden, z.B. bei einem Picknick im
ist dabei so lange neutral, bis er mit
seit dem industriellen Zeitalter das Park.8 gewissen Aktivitäten bespielt wird.14
Geschichtswissenschaftler Peter Smith
Zuhause nicht mehr ein Ort der Pro- Die niederländischen, strukturalis-
duktion, also des Gewerbes, und zum
3 Vgl. Brändle-Ströh, 1999, S. 17 9 Vgl. Schmid, 2019, S.10
anderen ist er immer seltener ein Ort 4 Vgl. Zibell, 2007, S. 63 10 Vgl. Häußermann, 2019, S. 17
5 Vgl. Häußermann, 2000, S. 23 11 Vgl. Avermaete, 2018, S. 33
6 Vgl. Schmid, 2019, S.10 12 Vgl. Ulfert, S. 122
1 Spellerberg, 2017, S. 8 7 Vgl. Häußermann, 2019, S. 17 13 Vgl. Krosse, S. 38, 59
2 Vgl. Schmid, 2019, S.10 8 Vgl. ebd. 14 Vgl. Gerheuser, Schumann, 1989, S. 59
Durch Vorfertigung und den Entfall
der Ausbauphase konnten die pro-
gnostizierten Baukosten mit 700€
pro Quadratmeter sehr gering ge-
halten werden. Die mehrgeschossige
Skelettkonstruktion wird im Inneren
lediglich durch ein System von „be-
wohnbaren Wänden“ zoniert, welche
die wesentlichen intimen Wohnfunk-
82 Serge Chermayeff,
1943, „eine alternative tionen, d.h. Schlafen und Waschen
Lösung zu sozialen Prob-
lemen“
bedienen und Stauraum für Kleidung
und Arbeitsmaterialien bieten. Außer-
tischen Architekten Herman Hertz- Hierarchisierung. 17
Für das Projekt 84 Communal Villa, Dogma
+ Realism Working Group, dem trennen sie den privaten Raum
Räumliche Großzügigkeit
berger und Aldo van Eyck brachten ‚Communal Villa‘ gemeinsam mit dem durch kollektive Rauumnut-
zung und Industriebauweise
vom gemeinsamen Zentrum.20
diesbezüglich den Zwischenraum in Künstlerkollektiv ‚Realism Working
den Diskurs ein. Ein Raum als Über- Group‘ wurde ein Konzept für ein Ge-
Co-Living
gangszone zwischen innen und au- bäude zum Leben und Arbeiten für
ßen soll das Eintrittserlebnis führen.15
eine große Gruppe aus größtenteils
Susanne Schmid beschreibt dieses
Der russisch-amerikanische Architekt Kulturschaffenden und Kreativen er-
Wohnmodell als das jüngste und ak-
66 67
Serge Chermayeff differenzierte das arbeitet. Die Finanzierung sollte durch
tuellste, es exisitiert circa seit den
Thema noch genauer indem er sechs das Mietshäuser-Syndikat18 erfolgen.
2010er Jahren und unterscheidet sich
Ebenen in der Beziehung Stadt zu Die Bezeichnung ‚Villa‘ ist hierbei als
durch eine verstärkte Dezentralisie-
Privatsphäre definierte: „urban-pub- Kritik an dem bourgeoisen Bautyp
rung, Interaktivität mit der Nachbar-
lic, urban-semi-public, group-public, und seinem Nachfolger, dem Einfami-
schaft und erweitert sich sogar in den
group-private, family-private and in- lienhaus, zu erachten und wird durch
städtischen Raum. Kollektive Wohn-
dividual-private“. 16
die Ergänzung ‚Communal‘ zu einem
räume und -funktionen zerstreuen
gegensätzlichen Symbol. Es sollte
sich und Zusatzfunktionen verteilen
Die Architekten Pier Vittorio Aureli der Beweis angestellt werden, dass
sich über die gesamte Stadt. 21
83 Serge Chermayeff, 1991
und Martino Tattara (Dogma) artiku- räumliche Großzügigkeit keine Luxus-
lieren viele dieser Themen des Mit- erscheinung ist und auch durch das
Bisher sind diese Ort besonders von
einander Lebens in ihrem Beitrag Teilen eines Ortes möglich ist. 19
der Gruppe der yuppies, also young
zur Ausstellung Wohnungsfrage im
urban professionals gefragt. Sie nut-
Jahr 2015. Sie definieren den Wohn- Es wurden zwei Prototypen erstellt:
85 Communal Villa, Einbau zen dieses Wohnmodell um sich in
raum als ‚Epizentrum der Produktion‘ die urbane und die suburbane Villa mit elementaren Wohn-
funktionen einer Stadt einzuleben und Zugehö-
und befreien die beiden Orte aus der und passende Grundstücke gesucht.
rigkeit zu einer Gruppe zu finden.
konstruierten Gegensätzlichkeit bzw.
17 Fezer/ Hirsch/Kühn/Peleg, 2017, S.1ff.
Die gebildeten und oft unternehme-
18 Das auf das österreichische Recht angepasste Pendant
heiß ‚Habitat‘ und ist mittlerweile eine immer gefragteres
15 Hertzberger, 1995, S. 15 Modell. 20 Vgl. Aureli /Tattara, 2015
16 Chermayeff: 1972, S. 109 f. 19 ww 21 Vgl. Schmid, 2019, S.272
risch tätigen Bewohner mit interna- Angebot von Services wie Wäsche- Zwischenzone, die aus einem Bade-
tionalem Hintergrund sind technisch und Umzugservice sowie bürokrati- zimmer und einer Küche besteht und
versiert und suchen Gleichgesinnte sche Abwicklungen wie Meldeservice den Privatraum von den allgemeinen
zum Austausch.22 Es bestehen ge- oder Versicherung. Die Aufenhalts- Bewegungsflächen trennt. Diese wird
wisse Ähnlichkeiten zum Modell dauer für derartige Wohnformen ist oft von zwei Parteien geteilt. Die Pri-
des Boarding House, das vor circa häufig kurz, daher ist die Partizipation vaträume haben minimale Raumgrö-
100 Jahren einem ähnlichen Klientel oft nur oberflächlich. Das tägliche Zu- ßen, im Gegensatz gibt es großzügige
diente - jungen, gut gebildeten Men- sammenleben wird von einer vorge- Allgemeinflächen mit Gemeinschafts-
schen.23 Kinder sind bisher nicht in benen Struktur definiert.28 küchen, Ess- und Lounge-Bereichen,
dieses Wohnmodell integriert.24 Am Beispiel des ‚Poolhaus‘ in Wien eine Bibliothek, einen Ruheraum, ein
manifestiert sich der Diskurs zwischen Kino, einen Spielraum, ein Spa und
Co-Living steht in engem Zusammen- öffentlich und privat sehr prägnant: einen Waschraum quer durch das Ge-
hang mit digitalen Arbeitsprozessen alle Bewegungsflächen des neun- bäude verteilt. Ein Concierge-Service
und der räumlichen Unabhängigkeit stöckigen Gebäudes sind öffentlich bei Tag und Nacht, sowie ein Restau-
vom Arbeitsplatz und somit der Mög- zugänglich und führen direkt an den rant und zahlreiche Arbeitsbereiche
lichkeit Wohnen und Arbeiten räum- Allgemeinflächen vorbei bis man zum ergänzen das Angebot.30
lich zu verbinden.25 Die klassischen großen Dachpool gelangt. Gemein-
Hausarbeiten werden dabei zuneh- schaftsorte wie Fitnessstudio, Sauna
mend ausgelagert, nur das Kochen und Pool sind für die Öffentlichkeit
68 69
als Freizeitaktivität und als sozialer zugänglich und spielen eine relevante
Faktor bleibt erhalten. Die Küche wird Rolle in der Interaktion mit der Nach-
dabei jedoch zu einem linearen Ac- barschaft. Nur die Gemeinschaftskü-
cessoir des Wohnzimmers.26 Private
chen, Hobby- und Waschräume sind
Zimmer mit unterschiedlichen An-
lediglich für die Hausbewohner zu-
sprüchen an Privatsphäre sind vor-
gänglich. Die Nutzung Arbeit wurde
zufinden - von der Zwei-Raum-Woh-
hier räumlich nicht integriert.29
nung, zur Garçonniere bis hin zum
Schlafsaal. Sie werden mit einem ge- 86 Poolhaus Co-Living,
‚The Collective‘ ist eine Co-Living-Or- poolarchitekten, Wien
meinschaftlichen Wohn-Essbereich
ganisation mit mehreren Standorten.
oder sonstigen Formen von Gesell-
Der Standort ‚Old Oak‘ in London
schaftsräumen vervollständigt.27
verbindet hier Co-Living mit Co-Wor-
king mit der Ambition eine neue Form
Innerhalb der Komplexe sorgen oft
des Zusammenarbeitens und -lebens
Community Manager für kommuna-
in Gemeinschaft zu generieren. Es
le Aktivitäten und ein weitreichendes
gibt eine Bandbreite an individuel-
22 Vgl. Schmid, 2019, S.272 ff.
23 Vgl. ebd. len Wohnungstypen mit jeweils einer
24 Vgl. ebd.
25 Vgl. Gautreau/Morio, 2018, S. 3
26 Vgl. Schmid, 2019, S.273 28 Vgl. Gautreau/Morio, 2018, S. 3
27 Vgl. ebd. 29 Vgl. Schmid, 2019, S.276 30 Vgl. Schmid, 2019, S.284
70 Umgang mit historischem Bestand
87 Conical Intersect,
G. Matta-Clark, Paris -
Beaubourg, 1975, aktionis-
tisch-kreative Eingriffe
Schichtung Feld, welches ohne den Einsatz räum- Die Decke gilt zugleich als „Antithese
licher Elemente auskommt. Dabei kann und ‚Komplize‘ des Bodens“. Neben
In Anne-Katrin Schultz‘ Disserta-
man zwei Effekte erzielen: einerseits die ihrer pragmatischen Funktion des
tion zum zum „Schichtungsprozess
Zonierung innerhalb eines Raumes oder Schutzes kann sie auch bedeutungs-
im Werk von Carlo Scarpa“ wird der
die räumliche Durchdringung durch Zu- tragend und symbolhaft sein. In Ihrer
Schichtungsbegriff detailliert analysiert:
gehörigkeit einer Boden-, Wand- oder Unerreichbarkeit ist sie oft ein „Ort für
Für Scarpa wird die Schichtung vom
Deckenfläche zu zwei Räumen.4 Träume, Ideale und Heiliges“.
„Werkzeug der Betrachtung“1 zur Denk-
und Entwurfsweise. Es bezeichnet die
Bei Scarpas Projekt Castelvecchio Rückbau
gleichzeitige Separation und Relation
bedient er sich beispielsweise dieser
von Elementen. Scarpa schrieb: „Um Die belgischen Architekten De Vylder
Technik, indem er die oberste Bo-
etwas zu erreichen, müssen wir Be- Vinck Taillieu wenden bei ihrem Projekt
denschicht durch eine Rinne von den
ziehungen erfinden.“ Räumliche und
2
der PC Caritas, eine Psychatrie in Gent,
Wänden trennt und wie einen Teppich 88 Museo Civico di Castel-
vecchio, Verona
materielle Schichtung dient nicht nur Belgien, eine Methode an, die sich eine
säumt. In seinen Arbeiten lässt sich
der Raumbildung, sondern auch der Nische zwischen Abriss und Neubau
konstatieren, dass die Differenzierung
Formulierung einer bestimmten Atmo- sucht. „Der Verfall wird dabei zum Pro-
der Bodenschichten „begehbare Flä-
90 PC Caritas, de Vylder
sphäre, die Tradition und Vergangen- Vinck Tailleu, 2016, Rück- gramm.“ Entsprechend der Nutzung
chen von unbegehbaren unterschei- bau + Einbau
heit mit der Gegenwart verbindet. Das war das Motto „Die Zeit heilt nicht alle
den, Raumformen ändern oder beto-
Prozesshafte steht im Mittelpunkt Scar- Wunden - soll sie auch gar nicht“.7
nen und Räume zusammenschließen
72 pas Architekturverständnis. Ein Eingriff 73
oder betonen“.5
ist für ihn nur eine Station im Entste- „Der marode Bestand wird weiter rück-
hungsverlauf des Bauwerkes. Die Me- gebaut, bis auf den Kern ausgehöhlt
Die Wand gilt als „vertikales Element der
chanik der Schichtung nutzt Scarpa und rundum geöffnet. Was bleibt, sind
physischen Raumbegrenzung“, wel-
um die zeitlich aufeinanderfolgenden rohe, zum Teil mit Betonziegeln geflick-
ches die Bewegung lenkt und Objekte
Ebenen und formalen Gegebenheiten te Backsteinwände.“ schreibt Edina
und Nutzer eines Raumes umschließt.
zu visualisieren. Sein Entwurfsprozess Obermoser. Die grünen Stützen und
Zusätzliche Wandschichten können
wird auch im Verlauf der Realisierung Träger der neuen Tragstruktur lassen
die genannten Effekte ermöglichen. Im
nicht abgebrochen, sondern besteht die hinzugefügten Elemente auf den
Palazzo Abatellis beispielsweise bilden
in permanenter Modifikation, die durch ersten Blick erkennen. Bis auf die ein-
Paneele eine zusätzliche Schicht, die
die Flexibilität des Schichtungsprinzips gefügten Glashäuser sind alle Bereiche
Ausstellungsstücke umgeben und mit
möglich wird. 3
kalt.8
diesen eine neue Sphäre in dem jeweili- 89 Palazzo Abatellis,
Palermo, zusätzliches
Wandschichten für eine
gen Raum bilden. „Ein ‚virtueller‘ Raum neues Raumkontinuum 91 PC Caritas, de Vylder
Bei Scarpas Arbeiten kann man von Vinck Tailleu
umgibt das Kunstwerk und entzieht es
einem „virtuellen“ Raum sprechen, also
der Beliebigkeit des Kontextes.6
ein durch Material und Farbe der Bo-
dengestaltung wirksam umgrenztes
1 Vgl. Rowe / Slutzky, 1968, S. 48 4 Vgl. ebd.
2 Vgl. dal Co / Mazzariol, Carlo Scarpa1985 5 Vgl. ebd. 7 Vgl. Obermoser, 2019
3 Vgl. Schultz, 1999, S. 19-22 6 Vgl. ebd. 8 Vgl. ebd.
74 75
FÜRLER FABRIK
78 Fazit + Konzept
Fazit Topos
Aus der historischen Untersuchung
ergibt sich das Bild einer Stadt mit
dem Fokus auf Kultur, technischer
Innovation und Produktion, sozia-
len Agenden wie Integration und der
Das zu bearbeitende Areal entspricht
geopolitschen Bedeutung als Tor zum
diesem ambivalenten Bild, lässt je-
Süd-Osten der Europäischen Union.
doch auf den zweiten Blick ein star-
kes Potenzial erahnen.
Besonders auf Bezirksebene hat das
Thema Migration und Integration ein
Die Positionierung des Baukörpers
starkes Gewicht, findet aber von Sei-
schafft eine direkte Beziehung des
ten der Stadtverwaltung nur wenig
Hauses zu der kleinteiligen Bebauung
Aufmerksamkeit. Das historisch ge-
im Norden des Areals, es entsteht da-
wachsene Stigma des Bezirks als
durch eine starke Abhängigkeit.
Durchzugsgebiet (K&K Wien-Triest,
Identität der Stadt
Bahnhof, Gürtelstraßen) und Scher-
Der massive Altbau erweist sich in sei-
benviertel und die damit einhergehen-
nem Inneren als größtenteils flexibel,
80 de Abwertung sind nach wie vor ein 81
sowohl in seiner Proportion mit hohen
Thema des subjektiven Ortsbilds. Das
Räumen von 3,20-3,80 m, als auch in
Image als Ort der Innovation wie zur
seinem Potenzial zur baulichen An-
Gründerzeit Mitte des 19. Jahrhun-
passung dank der überwiegenden
derts (Eisenbahn, Industrie) ist längst
Holzkonstruktion. Die vielfachen Aus-
verjährt. Öffentliche Orte sind nur
baustufen und Nutzungsveränderun-
spärlich vorhanden und die Mehrheit
gen haben bauliche Spuren hinter-
der Bewohner lässt sich der bildungs-
lassen, die teilweise für mangelhafte
fernen Gruppe zuordnen. Impulse zur
funktionale Zustände sorgen und von
Aufwertung sind vorhanden, aller-
minderer Ausführungsqualität sind.
dings nicht in ausreichender Dichte
Diese sorgen für schlechte Lichtver-
und von baulicher Seite nicht im zu
hältnisse, Erschließungsmöglichkei-
bearbeitenden Quartier. Das Image
ten und fehlende Querverbindungen.
ist nach wie vor ambivalent im städ-
tischen Vergleich und das Bild eines
Charakteristika des Bezirks
verwahrlosten städtischen Bereichs
vorherrschend, der aber offiziell als
Charakteristika des Bestands
Schwellenzone klassifiziert wird.
Szenario Ortsentwicklung mittelbaren Umgebung, ein Ort des Bewegungen etablieren sich. Diese
Produzierens, Vernetzens - so offen Entwicklung ermöglicht es den Be-
Ein weitsichtiges Nutzungskonzept
wie möglich und so privat wie nötig. wohnern sich das Gebäude anzu- Methode
soll als Handlungsmanuskript für eine
eignen. Bewohner mit dem Bedürfnis
erfolgreiche Entwicklung des Areals Das Gebäude mit seiner Flexibilität
II- Export/Import nach Rückzug, z.B. Familien, Senio-
und der unmittelbaren Umgebung bietet dabei den idealen Spielraum für
ren oder Arbeitsgemeinschaften, die
dienen. Diese soll in drei Phasen ver- Die Belebung der unmittelbaren ein innovatives Raum- und Nutzungs-
Konzentration suchen, bekommen
laufen: Umgebung wird angeregt oder konzept. Die baulichen Maßnahmen
nun ebenfalls Raum dafür. Sein ur-
entwickelt sich von selbst und es sollen einerseits diesem Konzept
sprünglicher inklusiver Charakter
geschieht ein reger Austausch mit dienen, jedoch auch zu einer funk-
sollte jedoch bestenfalls erhalten
I - Import, Brutkasten ebendiesen neuen Impulsen. Auch tionalen Aufwertung der Bausubstanz
bleiben.
intern geschehen neue Entwicklun- führen. Die Maßnahmen lassen sich in
Entsprechend der Identität seiner
gen. drei Gruppen einteilen:
Umgebung soll in der ersten Phase Der nachfolgende Entwurf zielt ledig-
ein Ort des Ankommens und Wei- lich auf Phase I und II ab.
III Verfestigung 1. Destruktive Maßnahmen wie das
terziehens entstehen, ein Impuls,
Entfernen und Durchbrechen von
ein Brutkasten für Innovation und Das Areal wird Teil eines großes
Wänden und Decken einerseits zur
Produktion, ein Drehkreuz zwischen Netzwerks ebensolcher Impulse,
Optimierung der natürlichen Belich-
einer speziellen Fachwelt und der un- andere mancherorts auch stärkere
tung und Erschließung von Räumen,
82 andererseits um vertikale Raumver- 83
bindungen für ein großzügiges und in-
teraktives Raumgefühl zu erschaffen;
2. Rekonstruktive Maßnahmen die
sich an alten Bauzuständen ableiten
Dekonstruktion lassen und so Eingriffe mit geringem
Rekonstruktion
Konstruktion
Aufwand ermöglichen, wie dem Ent-
fernen der Trennwände zwischen
Wohnung und Gang und dem Wieder-
herstellen ehemaliger Öffnungen;
3. Konstruktive Maßnahmen die zu
dem bestehenden Raumgefüge neue
raumbildende Elemente hinzufügen.
Vom Brutkasten zum
Netzwerk
Zusammenhang von Raumkonzept in der ersten Phase nicht gestattet Öffentlich/Privat
und Nutzer werden. Auch die Verweildauer der
Abgesehen von den privaten Rück-
einzelnen Nutzer wird dadurch ver-
Der Raum soll dabei zuerst als Attrak- zugsräumen können zu Betriebszeiten
mutlich begrenzt, was die Funktion
tor für eine spezielle Zielgruppe und beinahe alle Räume des Gebäudes
des Gebäudes als Drehscheibe zur
später als Inspiration für die Arbeit im öffentlich betreten werden. Durch die
Umgebung erhält.
Gebäude dienen. Ein mittelschwelli- strategische Positionierung gewisser
ger Ausbaustandard ist dafür vorge- Raumfunktionen beispielsweise im
sehen. Die Theorie, dass auch groß- Erdgeschoss oder in klarer Sichtbe-
zügige Räume leistbar sein können, ziehung und mit großen Fenstern zum
durch die Minimierung individueller Hof werden öffentlichere Zonen aus-
Räume mit moderaten Mitteln bildet gewiesen, Räume mit komplexerer Er-
dabei das Leitkonzept. reichbarkeit sollen mehr Privatsphäre
bieten. So kann eine Bandbreite an
Die Annahme ist, dass sich durch Abstufungen von Privatsphäre, von
individueller Verzicht zum
dieses Konzept eine spezielle Grup- Gewinn für die Gemeinschaft exklusiv privaten Räumen bis zu Räu-
pe mit kreativem, innovativem und men für die Stadtöffentlichkeit entste-
experimentierfreudigem Geist, ho- hen. Das hohe Maß an Öffentlichkeit
hem Interesse an Austausch und Öffentlichkeitsebenen soll die Interaktion mit der Umgebung
84 Vernetzung, beziehungsweise einem begünstigen und eine spätere An- 85
sozial-inklusiven Denken und der Be- eignung ebendieser fördern, über die
reitschaft zur Aneignung angezogen Grenzen des Fürler-Areals hinaus.
fühlt. Zudem soll die Ergänzung des
Raumprogramms durch eine große Entsprechend dem Bedeutungswan-
allgemein-zugängliche Werkstatt mit del des ‚Zuhause‘ als Ort der Erho-
Austausch zwischen internen
innovativen Geräten die Verbindung und externen Nutzern, in- lung/Rekreation und des Arbeitens/
klusive Wirkung
zum Thema Technik bilden. Produktion, nicht aber als Ort der
Versorgung/Reproduktion, also ein
Durch das offene Raumkonzept wer- Ort für Tätigkeiten wie der Bevorra-
den voraussichtlich gewisse Gruppen tung von Lebensmitteln, Kochen, Wa-
wie Familien oder ältere Menschen schen, Putzen und familiären Aufga-
mit einem gesteigertem Bedürfnis ben wie Pflege und Kindererziehung,
nach Privatsphäre als Bewohner ver- werden keinerlei entsprechende Ein-
mutlich nicht angezogen, können je- richtungen vorgegeben. Dies soll zu-
doch als externe Nutzer mitwirken. sätzlich für die Interaktion mit der
Die bauliche Abschottung gewisser Gemeinschaftliches Leben Umgebung sorgen z.B. Restaurants,
Interaktion mit der Stadt
Nutzergruppen durch z.B. den Bau Waschsalone etc.
entsprechender Zwischenwände soll
Leere/Aneignung
Die nicht-öffentlichen Räume sind als
ein Ort der Leere konzipiert, um den
Nutzern den nötigen Freiraum zur
räumlichen Aneignung zu geben, An-
schlüsse für Wasser und Strom sind
gegeben, ob die Nutzer dort Räume
zum Arbeiten, zur Erholung oder Aus-
stellungsflächen, etc. einrichten, soll
sich in einem kollektiven Aneignungs-
Leere
prozess ungeplant entwickeln.
86 Zwischennutzung / 87
Temporäre Nutzungen
Die öffentlicheren Bereiche des Ge-
bäudes, sowohl innen als auch außen,
sollen auch von externen Gruppen
temporär bespielt werden können.
Kollaborationen, z.B. mit Forschungs-
einrichtungen, lokalen Vereinen, Inter-
essensvertretungen sowie inoffiziellen
Gruppen oder kommerziellen Betrie-
ben z.B. Pop-Up-Restaurants u.a. mit
einem überzeugendem Konzept sol-
len hier Raum zum Experimentieren
Raum für Experimente
bekommen.
88 Entwurf 89
0 30m
90 Ansicht Ost | Straße 91
Die straßenseitige Erscheinung ist
geprägt von dem Gegensatz einer
kalt und roh anmutenden, grob ge-
schlämmten Kalkputzfassade zu den
glatt veputzten Faschen welche die
Fensterprofile aus heller Fichte um-
rahmen sowie der feingliedrigen Holz-
konstruktion im Norden. Diese bildet
einen neuen Abschluss des Areals
und ist gleichzeitig ein Filter zwischen
Stadt und Gebäude. Gleichzeitig ent-
steht hier ein permanter öffentlicher
Eingang. Die abgehobene Wirkung
des Ziegeldachs wird verstärkt durch
unterschiedlich dimensionierte Kuben
mit farbengleicher Blechverkleidung.
0 10
92 Ansicht Nord | Stadtregal 93
Die Holzkonstruktion stellt sowohl
optisch als auch funktional einen
Filter zwischen Stadt und Gebäude
dar. Die Konstruktion löst sich aus
der Umgebung und tritt neu damit in
Verbindung. Sie generiert neue, auch
südseitig ausgerichtete Freiräume,
für die Nutzer und dient zum gemein-
schaftlichen Aufenthalt, zur Kultivie-
rung von Pflanzen als auch als Raum
zur Arbeit. Wilder Wein rankt entlang
der Stahlschnüre empor und bietet
ein differenziertes Farbenspiel je nach
Jahreszeit.
0 10
94 Das Stadtregal 95
10
0
5e
1
9
2
5d
6
5c
7
96 Erdgeschoss 97
Das Stadtregal bildet eine neue öf- setzung der Ideen der Nutzer. Schwimmteich, aus dem benach-
fentliche Haupterschließungsachse. barten Bach gespeist, bildet einen 5b
Der Südtrakt soll im alltäglichen Be-
Abschluss des Platzes vor der promi-
Hier wird ein Maximum an Öffentlich- trieb als Kantine der Versorgungs-
nenten Bogenfassade und verleiht ihr
keit geboten. Die straßenseitigen foy- mittelpunkt des Hauses und der Um-
zusätzliche Präsenz. Die Rankpflan- 3 2
erartigen Räume stellen den elemen- gebung werden. Die großen, neuen
zen am Stadtregal erfrischen das Bild.
taren Raum zur Aktion, kollektiven Atrien und der breite Korridor können 9
4
Aneignung und Interaktion mit der aber auch temporär für Veranstaltun- Der Garten westseitig bietet ein wild- 4
5a
Umgebung dar. Sie werden eigenver- gen genutzt werden. gewachsenes Dickicht an Pflanzen,
antwortlich von den Nutzern bespielt. ein Wald- und Pflanzenbad.
Der große Hof wird in seiner öffent-
Im Westtrakt findet eine neue, offene lichen Platzfunktion gestärkt. Große Der kleine Lichthof hinter dem Süd- 8
Werkstatt (FabLab) Platz. Sie bietet Steinplatten erzeugen einen Ort der trakt wird in seiner Kuriosität gestärkt
die notwendigen Instrumente zur Um- vielfach bespielt werden kann. Ein und soll wie gegossen wirken.
0 Erschließungsachse neu 5a Fablab: Werkbereiche 6 Hof
1 Community Management 5b Fablab I 7 Garten
2 Aktion + Aneignung 5c Fablab II 8 Hof klein
3 Kantine 5d Materiallager 9 WCs
4 Atrien 5e Umkleiden 10 Müll, Räder 0 10
98 Die Atrien
Entstanden durch die Notwendigkeit der
natürlichen Belichtung bieten diese Räu-
me nun wichtige Sichtverbindungen zwi-
schen den Hausfunktionen. So findet eine
visuelle Verbindung zwischen Studios,
Kantine und Wintergarten, Co-Working
aber auch vereinzelten Rückzusgräumen
statt.
5
1
100 Obergeschoss 1 101
1 1
Die erhöhte Lage führt zu einer Zunahme Der Mitteltrakt wird, vor allem wegen sei- Raumgefühl und ausreichende Belich-
der Privatsphäre, die jedoch von den of- ner überwiegenden Nordausrichtung, zu tungsverhältnisse.
fenen Gängen und der vertikalen Verbin- einem Ort für konventionellere Schreib-
Das Stadtregal bietet allen Nutzern des
dung aller Geschoße gebrochen wird. tischarbeit und bietet außerdem zuschalt-
Geschosses Freiräume, sorgt für zusätz-
bare Räume wie Besprechungsräume 2
Im Ost und Westtrakt befinden sich die liche Querverbindungen und sorgt für In-
und kleine Denkstuben für konzentriertes
Studios. Sie bieten große Räume zum kol- teraktion mit dem Hof und der Stadt. 6
Arbeiten. Externe Nutzer können sich hier 4
lektiven Arbeiten und Leben und werden
temporär zum Arbeiten einmieten, ähnlich
jeweils von den aussteifenden Wänden
dem Konzept eines Co-Working-Spaces. 3 3
zoniert. Je Studio gibt es einen Aufgang
zu den oberen Geschoßen mit noch priva- Die Sichtbeziehungen zu den beiden Hö-
teren Räumen und Rückzugsräumen. Die- fen und den beiden Atrien sind gegeben
se Anordnung sorgt für Clusterbildungen. und sorgen auch hier für ein interaktives
1 Studios 4 Besprechungsraum
2 Co-Working 5 Stadtregal
3 Denkstube 6 WC
0 10
102 Studios / Cluster
Diese Räume bilden den eigentlichen
Kern des Raumprogramms. Sie sind die
Orte des gemeinschaftlichen Produzie-
rens und Interagierens. Jeweils 3-6 priva-
ten Rückzugsräumen ist ein Studio-Raum
vorgelagert. Sie bilden eine ‚Base‘ von der
aus die verschiedenen Hausfunktionen
erschlossen werden können. Durch den
offenen Gang bleiben sie auch ständig mit
der restlichen Hausgemeinschaft verbun-
den.
8
3
1
1
104 Obergeschoss 2 2 105
1
Wiederum sorgt die erhöhte Lage für mehr Im Osttrakt gibt es vor dem Filter noch 2 1
Intimität. kleine Flächen die als gruppenöffentlich
zu verstehen sind, also nur von den Be-
In den beiden Seitentrakten wird diese
wohnern des jeweiligen Clusters benutzt
durch eine bescheidene Erschließungsge-
werden. Jeder Cluster bietet Platz für min- 4 2
ste, bzw eine kleine steile Treppe unter-
destens zwei und maximal 10 Personen. 1
stützt.
7 6 3
Im Mitteltrakt und im Stadtregal wieder- 2
Eine Holzkonstruktion bildet einen Filter 1
holt sich das Programm weitgehend, je-
zu den gänzlich privaten Räumen. Dieser 5
doch ergibt sich durch die ausschließlich 5
beinhaltet private Versorgungsfunktionen
vertikale Erschließung der Geschoße (es
wie Schlafen, Waschen, und Stauraum.
gibt keine Gänge in den Seitentrakten)
Hinter dem Filter befindet sich ein kleiner
auch hier eine höheres Maß an Intimität
privater Aufenthaltsraum.
1 Filter 4 Co-working 7 WC
2 Privatraum 5 Denkstube 8 Stadtregal
3 Gruppenraum 6 Besprechungsraum
0 10
4
106 Dachgeschoss 1 107
Das untere Dachgeschoß wird einerseits hervorragenden Belichtungsverhältnisse wohl durch die Studios/Cluster als auch
1 1
intimer durch die Höhe im Gebäude (3. sowie großzügige allgemeine Einrichtun- durch den Co-Working-Space erschlos-
Obergeschoß) und erfährt andererseits gen wie eine Gemeinschaftsküche und sen. Dieser Raum hat durch seine Lage
durch die vielen darüberliegenden priva- Waschräume inklusive Sauna sollen das Sichtbeziehungen zu allen Geschoßen
ten Rückzugsräume ohne Sektionierung sehr geringe Maß an Privatsphäre durch und sämtlichen Nutzungen im besonde-
ein höheres Maß an gruppenöffentlicher andere Qualitäten aufwiegen. ren zum Hof und den beiden Atrien.
2
Nutzung. 9-18 Menschen bewohnen je-
5
weils einen der beiden Seitentrakte. Auch der direkt vorgelagerte Freiraum des
2
Stadtregals hat einen besonders großzü-
Die Anordnung der darüberliegenden Ku-
3
gigen Charakter mit 7,00 m zwischen Bo-
ben ergibt jeweils einen lichtdurchflute-
den und grünem Dach.
ten Bereich mit offenem Raum bis unters
Dach, der je zwei Einheiten vorgelagert ist. Der Mitteltrakt beherbergt einen großen 3
Die räumliche Großzügigkeit inklusive Wintergarten mit Dachcafé. Er wird so-
1 Studio 4 Stadtregal
2 Gemeinschaftsküche 5 Wintergarten/Dachcafé
3 Waschräume
0 10
1
108 Dachgeschoss 2 109
1
1
In diesem Geschoß herrscht Ruhe. Die
Nutzer der großen Cluster finden hier Er-
holung.
Über die Leiter und eine Klappe im Bo-
den wird dieser Raum erschlossen. Es
gibt lediglich Zenitlicht durch Öffnungen
im Dach der Kuben. Der räumliche Rück-
zug fördert die individuelle Privatsphäre.
Elementares Mobiliar wie Bett, Tisch und
Stauraum sind hier vorhanden. Variation 1
bietet die unterschiedliche Ausformulie-
rung des Zenitlichtes und die damit ver-
bundende Raumform.
1 Privatraum 0 10
5
2
2
5 4
3 4 5
110 Schnitt 1 111
2 2
Die jeweils den Rückzugsräumen zuge-
ordneten Studios bilden den alltäglichen 1 1 7 6 8
Ausgangspunkt zu den verschiedenen
Hausfunktionen.
Die Aktionsräume, die Katine und das Fa-
blab im Erdgeschoß, die verschiedenen
Freiräume (Höfe, Stadtregal, Garten), das
Co-Working und der Wintergarten, aber
auch die einzelnen Studioräume im 1. OG
und 1. DG bieten funktionale Erweiterun-
gen dazu.
1 Aktion + Aneignung 6 Fablab
2 Studios 7 Hof
3 Gruppenraum 8 Garten
4 Filter
5 Privatraum 0 10
112 Hof 113
Als zentraler Ort am Grundstück und
durch seine neue Öffnung zur Stadt wird
der Hof ein starke Nachfrage und einen
hohen Grad der Aneignung erfahren. Hier
wird beispielsweise eine temporäre Nut-
zung des Hofes als Ort für Musik und Dar-
stellende Kunst gezeigt. Die Arkaden bie-
ten dabei eine charakteristische Kulisse.
4
3
114 Schnitt 2 115
Der Südtrakt mit Kantine und den
3 8
Atrien bildet eine funktionale Einheit
mit dem Hof. Sie sind Orte des stadt-
öffentlichen Geschehens.
5 1 2
6 0
Die darüberliegenden Geschoße
7
bleiben der Stadt und externen Nut-
zern zugänglich, mit Ausnahme des
Wintergarten/Cafés regen sie jedoch
ein höheres Maß an Intimität an.
0 Erschließungsachse, neu 5 Hof, klein
1 Atrium 6 Hof
2 Kantine 7 Schwimmteich
3 Co-Working 8 Stadtregal
4 Wintergarten 0 10
116 Modelle 117
118 119
120 121
122 123
124 125
126 127
128 129
130 131
132 133
134 135
QUELLEN
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Dank an
Lorenzo
Julian
Felix und Uta
meine Familie
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142 143
Anna, Mathias
Katharina, Johannes
Elfriede Huber-Reismann
Wilfried Peinhaupt
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In Erinnerung an meinen Großvater Karl Pühringer