Swarzenski, Georg

Lebensdaten
1876 – 1957
Geburtsort
Dresden
Sterbeort
Brookline bei Boston (Massachusetts, USA)
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker ; Museumsdirektor ; Publizist ; Hochschullehrer
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119020602 | OGND | VIAF: 114460197
Namensvarianten

  • Swarzenski, Georg
  • Swarzenski, G.
  • Swarzenski, George

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Zitierweise

Swarzenski, Georg, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119020602.html [22.11.2024].

CC0

  • Swarzenski, Georg

    Kunsthistoriker, * 11. 1. 1876 Dresden, 14. 6. 1957 Brookline bei Boston (Massachusetts, USA).

  • Genealogie

    Aus jüd. Fam.;
    V Adolf Hans, Kaufm. in D.;
    M Auguste Beck;
    1) 1899 Ella Perec-Wilcynska (Pertz-Wilcynska), 2) Marie (1889–1967, s. P), T d. Viktor Mössinger (1857–1915), Kaufm. in Frankfurt/M., Kunstsammler, Mäzen, Vorstandsmitgl. d. Städelschen Mus.ver., Mitgl. d. Freien Dt. Hochstifts;
    1 T aus 1) Uta Elisabeth (* 1900), 1 S aus 1) Hanns (s. 2), 2 S aus 2) Wolfgang Victor (* 1917), Geol., Wilhelm Gottfried (* 1920).

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Gymnasium zum Heiligen Kreuz in Dresden studierte S. 1893–96 Rechtswissenschaft in Berlin, Freiburg (Br.), Leipzig, München und Heidelberg, wo er zum Dr. iur. promoviert wurde. Bis 1900 absolvierte er ein Studium der Kunstgeschichte, Klass. Archäologie und Musikwissenschaft in Wien und Berlin, das er mit einer Promotion bei Henry Thode (1857–1920) wieder in Heidelberg beendete. In seiner Dissertation über „Die Regensburger Buchmalerei des X. und XI. Jahrhunderts“ (1901) bezeichnete S. jedoch Adolph Goldschmidt (1863–1944) als seinen Lehrer, dankte ihm wie auch Arthur Haseloff (1872–1955) und Ludwig Traube (1861–1907) als seinen Mentoren. 1901–06 war S. wiss. Assistent an den kgl. Museen in Berlin und am dt. Kunsthistorischen Institut in Florenz. 1906 wurde er Direktor des Städelschen Kunstinstituts in Frankfurt/M. und ergriff noch im selben Jahr die Initiative zur Gründung der Städtischen Galerie. Damit begann er den Aufbau einer Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, für die er durchaus riskant große Werke wie z. B. das Portrait Dr. Gachet von Vincent van Gogh erwarb. 1909 rundete S. die Frankfurter Sammlungen durch die Einrichtung der Skulpturensammlung Liebieghaus ab. Zusammen mit Gustav Pauli (1866–1938) und Karl Koetschau (1868–1949) rief er 1917 den Dt. Museumsbund ins Leben.

    Seit 1908 in der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften als kunsthistorischer Dozent engagiert, wurde S. unmittelbar nach der Gründung der Univ. Frankfurt 1914 zum o. Honorarprofessor für Kunstgeschichte ernannt. Im Städel schuf er Raum für den kunsthistorischen Apparat und den Lehrstuhl für Kunstgeschichte, auf den 1915 Rudolf Kautzsch (1868–1945) berufen wurde. 1921 begründete S. das „Städel Jahrbuch“ und gab 1928–36 zusammen mit Kautzsch, Wilhelm Pinder (1878–1947) und Karl Maria Swoboda (1889–1977) die Zeitschrift „kritische berichte zur kunstgeschichtlichen literatur“ heraus.

    Schon in den ersten Frankfurter Jahren befreundete sich S. mit dem Journalisten und späteren Verleger der Frankfurter Zeitung Heinrich Simon (1880–1941). Mit ihm und Rudolf G. Binding (1867–1938) pflegte er nach dem 1. Weltkrieg mit wechselnden Gästen den „Freitagstisch“, von dem das Frankfurter Geistesleben stark geprägt wurde. Zu S.s Frankfurter Freunden zählte u. a. Max Beckmann (1884–1950).

    1928 zum Generaldirektor der Frankfurter Museen ernannt, übernahm S. die Verantwortung auch für das Historische Museum der Stadt und das Kunstgewerbemuseum. Erneut diskutierte er hochdifferenziert die Funktion der öffentlichen Museen (Museumsfragen, 1928). Die Kunstmuseen begriff er analog zu Konzerträumen als Stätten eines reinen Kunsterlebnisses und achtete daher bei seinen zahlreichen Ankäufen auf höchste ästhetische Qualität. Im Historischen Museum dagegen machte er den Widerspruch zwischen schriftlichen und materiellen Zeugnissen der Geschichte deutlich. Im Kunstgewerbemuseum ging es ihm darum,|den Wandel vom gebrauchten Gegenstand zum Kunstwerk zu belegen. Wie sein älterer Berliner Gegenpart und konzeptioneller Gegner Wilhelm v. Bode (1845–1929) beriet auch S. zahlreiche private Sammler, ordnete und katalogisierte deren Kunstbesitz.

    Seiner jüd. Vorfahren wegen wurde S. 1933 seiner städt. Ämter enthoben. Die Universität entzog ihm die Honorarprofessur. Die private Stiftung des Städelschen Kunstinstituts behielt ihn bis 1938 als Direktor. Anfang Sept. 1938 folgte S. mit der Familie seinem Sohn Hanns in die Emigration zunächst nach Princeton (New Jersey, USA). Dort versah er einen Lehrauftrag, wurde jedoch bereits ein Jahr später als Fellow for Research in Medieval Art and Sculpture an das Museum of Fine Arts in Boston berufen. Er katalogisierte die Mittelalter-Sammlung, präsentierte sie zusammen mit Leihgaben 1940 in einer aufsehenerregenden Ausstellung und sorgte für den Ankauf hochwertiger Stücke, über die er im Bulletin des Museums und in anderen Zeitschriften berichtete. Wie schon in Frankfurt interessierte und engagierte sich S. für die zeitgenössische Kunst- und Galerienszene und ebnete v. a. Max Beckmann manchen Weg in den Vereinigten Staaten. S., bis zu seinem Tod im Dienst des Museums, wurde dort seines hohen Qualitätsmaßstabs und seiner großen persönlichen Bescheidenheit wegen gern „the gentle doctor“ (Edwin J. Hipkiss, 1951) genannt.

  • Werke

    Weitere W Die Salzburger Malerei v. d. ersten Anfängen bis z. Blütezeit d. roman. Stils, Studien z. Gesch. d. dt. Malerei u. Hss.kunde d. MA, 1908 u. 1913;
    Einf. in d. moderne Kunst, 1917 (mit F. Burger u. A. Grisebach);
    Die Kunstslg. im Heylshof zu Worms, 1920;
    Meisterwerke d. Bildhauerkunst in Frankfurter Privatbes., Bd. I: Dt. u. franz. Plastik d. MA, 1921, Bd. II: Bildwerke d. 16. bis 18. Jh., vornehml. dt. Barockplastik, 1924 (mit O. Schmidt);
    Niccolo Pisano, 1926;
    Kolbes Beethovendenkmal, 1928;
    Mus.fragen, Ein Btr. z. Neugestaltung d. städt. Kunstbes. in Frankfurt a. M., 1928;
    Der Welfenschatz, 1930 (mit O. v. Falke u. R. Schmidt);
    Meisterwerke alter Malerei im Städelschen Kunstinst. in Frankfurt a. M., 1932;
    Introduction, in: Arts of the Middle Ages, 1940;
    Beckmann, 1946.

  • Literatur

    O. Götz (Hg.), Essays in Honor of G. S., 1951 (Bi bliogr. S. 261–67);
    Nachrufe
    in: New York Times v. 16. 6. 1957, S. 84;
    E. Holzinger, Zur Erinnerung an G. S., 1957;
    P. T. Rathbone, in: Bull. Mus. of Fine Arts Boston LV, 1957, Nr. 301 f., S. 51–119;
    H. P. Rossiter, in: Art Quarterly XX, 1957, S. 328;
    E. Schilling, in: Burlington Mag. C, 1958, Nr. 664, S. 251 f.;
    H. Voss, in: Frankfurter Neue Presse, 18. 6. 1957;
    – K. McClintock, ,Arts of the Middle Ages` and the S.s, in: Medieval Art in America, Patterns of Collecting 1800–1940, hg. v. E. Bradford Smith, K. McClintock u. A. R. Rottne, 1996, S. 203–08;
    M. Sonnabend, G. S. u. d. Liebieghaus, 1990;
    B. v. Bismarck, G. S. u. d. Rezeption d. Franz. Impressionismus in Frankfurt, Eine Stadt „im Kampf um d. Kunst“?, in: Revision, Die Moderne im Städel 1906–1937, 1991, S. 31–40;
    B. Maaz, „Fahrten ins Unbekannte u. Wunderbare“, G. S. in Frankfurt am Main, in: Johann Prinz v. Hohenzollern u. P.-K. Schuster (Hg.), Manet bis van Gogh, Hugo v. Tschudi u. d. Kampf um die Moderne, 1996, S. 308–12 (P);
    Mus. im Widerspruch, Das Städel u. d. NS, hg. v. U. Fleckner u. M. Hollein, 2011 (P);
    Biogr. Hdb. Kunsthist.;
    BHdE II;
    Metzler Kunsthist. Lex.;
    Dict. of Art.

  • Porträts

    drei Fotogrr., nach 1906, um 1920 u. um 1929, Abb. in: Mus. im Widerspruch (s. L), S. 32, 101 u. 110;
    Bildnis v. G. Kolbe, Bronze, 1915 (Frankfurt/M., Städel Mus.);
    Lith. v. M. Beckmann, 1921 (ebd.), Abb. in: Mus. im Widerspruch (s. L), S. 4, u. Kaltnadel v. dems., 1928, Abb. in: Max Beckmann, Catalogue raisonné of his prints, hg. v. J. Hofmaier, Bd. 2, Nr. 313, S. 766 f.;
    G. u. Hanns S. im Gespräch mit Ernst Buschbeck, Foto, 1952 (Princeton, Archiv Gerda Panofsky);
    zu Marie:
    Lith. v. M. Beckmann, 1923, Abb. in: Max Beckmann, Catalogue raisonné of his prints, hg. v. J. Hofmaier, Bd. 2, Nr. 290, S. 716 f.;
    Pastell v. dems., 1927 (Frankfurt/M., Städel Mus.).

  • Zitierweise

    Dilly, Heinrich, "Swarzenski, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 727-728 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119020602.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA