Die Gedichte
Von Theodor Storm
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Über dieses E-Book
Neben seinen bekannten Novellen und Märchen schrieb Theodor Storm noch meisterhaft Lyrik.
In dieser Sammlung finden Sie Korrektur gelesen, alphabetisch geordnet und in neuer deutscher Rechtschreibung mehr als 300 seiner stimmungsvollen Gedichte.
Coverbild: NotionPic / Shutterstock.com
Theodor Storm
Hans Theodor Woldsen Storm (Geb. 14. September 1817 in Husum; Gest. 4. Juli 1888 in Hanerau-Hademarschen) war ein deutscher Schriftsteller, der als Lyriker und als Autor von Novellen und Prosa des deutschen Realismus mit norddeutscher Prägung bedeutend war. Im bürgerlichen Beruf war Storm Jurist.
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Die Gedichte - Theodor Storm
Zum Buch
Neben seinen bekannten Novellen und Märchen schrieb Theodor Storm noch meisterhaft Lyrik.
In dieser Sammlung finden Sie Korrektur gelesen, alphabetisch geordnet und in neuer deutscher Rechtschreibung mehr als 300 seiner stimmungsvollen Gedichte.
Coverbild: NotionPic / Shutterstock.com
A
Abends (1)
Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;
Halb träumend schwankt im Silberschein die Rose.
Der Abendfalter schwingt sich sacht heran,
Im Flug zu ruhn an ihrem zarten Moose.
Nun schwirrt er auf – doch sieh! – er muss zurück;
Die Rose zwingt ihn mit gefeitem Zügel.
An ihrem Kelche hängt der Schmetterling,
Vergessend sich und seine bunten Flügel.
Die Drossel singt, im Garten scheint der Mond;
Halb träumend wiegst du dich in meinen Armen.
O gönne mir der Lippen feuchte Glut,
Erschließ den Rosenkelch, den liebewarmen!
Du bist die Blume, die mich einzig reizt!
Dein heller Blick ist ein gefeiter Zügel!
An deinen Lippen hängt der Schmetterling,
Sich selbst vergessend und die bunten Flügel.
Abends (2)
Warum duften die Levkojen so viel schöner bei der Nacht!
Warum brennen deine Lippen so viel röter bei der Nacht?
Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht auferwacht
Diese brennend roten Lippen dir zu küssen bei der Nacht?
Abschied
1853
Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,
Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;
Die Stunde drängt, gerüstet steht der Wagen,
Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.
Geht immerhin – denn eure Tat ist euer –
Und widerruft, was einst das Herz gebot;
Und kauft, wenn dieser Preis euch nicht zu teuer,
Dafür euch in der Heimat euer Brot!
Ich aber kann des Landes nicht, des eignen,
In Schmerz verstummte Klagen missverstehn;
Ich kann die stillen Gräber nicht verleugnen,
Wie tief sie jetzt in Unkraut auch vergehn.
Du, deren zarte Augen mich befragen –
Der dich mir gab, gesegnet sei der Tag!
Lass nur dein Herz an meinem Herzen schlagen,
Und zage nicht! Es ist derselbe Schlag.
Es strömt die Luft – die Knaben stehn und lauschen,
Vom Strand herüber dringt ein Möwenschrei;
Das ist die Flut! Das ist des Meeres Rauschen!
Ihr kennt es wohl; wir waren oft dabei.
Von meinem Arm in dieser letzten Stunde
Blickt einmal noch ins weite Land hinaus,
Und merkt es wohl, es steht auf diesem Grunde,
Wo wir auch weilen, unser Vaterhaus.
Wir scheiden jetzt, bis dieser Zeit Beschwerde
Ein andrer Tag, ein besserer, gesühnt;
Denn Raum ist auf der heimatlichen Erde
Für Fremde nur und was den Fremden dient.
Doch ist’s das flehendste von den Gebeten,
Ihr mögt dereinst, wenn mir es nicht vergönnt,
Mit festem Fuß auf diese Scholle treten,
Von der sich jetzt mein heißes Auge trennt!
Und du mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege
Auch noch auf diesem teuren Boden stand,
Hör mich! – denn alles andere ist Lüge –
Kein Mann gedeihet ohne Vaterland!
Kannst du den Sinn, den diese Worte führen,
Mit deiner Kinderseele nicht verstehn,
So soll es wie ein Schauer dich berühren,
Und wie ein Pulsschlag in dein Leben gehn!
Abschied
mit Liedern
1
Was zu glücklich um zu leben,
Was zu scheu um Klang zu geben,
Was zu lieblich zum Entstehen,
Was geboren zum Vergehen,
Was die Monde nimmer bieten,
Rosen aus verwelkten Blüten,
Tränen dann aus jungem Leide
Und ein Klang verlorner Freude.
2
Du weißt es, alle, die da sterben
Und die für immer scheiden gehn,
Die müssen, wär’s auch zum Verderben,
Die Wahrheit ohne Hehl gestehn.
So leg ich’s denn in deine Hände,
Was immer mir das Herz bewegt;
Es ist die letzte Blumenspende,
Auf ein geliebtes Grab gelegt.
Abseits
Es ist so still; die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale;
Die Kräuter blühn; der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch
In ihren goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel schwirren aus dem Kraut –
Die Luft ist voller Lerchenlaut.
Ein halb verfallen niedrig Haus
Steht einsam hier und sonnbeschienen;
Der Kätner lehnt zur Tür hinaus,
Behaglich blinzelnd nach den Bienen;
Sein Junge auf dem Stein davor
Schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr.
Kaum zittert durch die Mittagsruh
Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;
Dem Alten fällt die Wimper zu,
Er träumt von seinen Honigernten.
Kein Klang der aufgeregten Zeit
Drang noch in diese Einsamkeit.
1864
Ein Raunen erst und dann ein Reden;
Von allen Seiten kam’s herbei,
Des Volkes Mund ward laut und lauter,
Die Luft schlug Wellen von Geschrei.
Und die sich stets entgegenstemmen
Dem Geist, der größer ist als sie,
Sie waren in den Kampf gerissen,
Und wussten selber kaum noch wie.
Sie standen an den deutschen Marken
Dem Feind entgegen unverwandt,
Und waren, eh sie es bedachten,
Das Schwert in ihres Volkes Hand.
Agnes
Die Türe klang, und sie erschien
Urplötzlich wie ein reizend Wunder;
Zum Gruß mir gab sie beide Hände hin,
Und ließ sich dann den leichten Mädchenplunder
Stummlächelnd von den Schultern ziehn.
Ihr Bruder war gekommen über Nacht;
Der hatte ein golden Armband ihr gebracht!
Das war das Erste, was sie mir erzählte.
Ich sah es wohl, getroffen war es just;
Sie strahlte ganz in frischer Kinderlust,
Ein lieblich Rätsel, das noch nichts verhehlte.
Sie plauderte; ich aber dachte immer:
Nur wissen möcht ich, wie sie fühlt,
Dass um ihr Antlitz solch ein Schimmer
Von unbewusster Anmut spielt.
All meine Lieder
All meine Lieder will ich
Zum flammenden Herde tragen,
Da soll um sie die rote
Verzehrende Flamme schlagen,
Sie sind ja welke Blüten,
Die keine Früchte tragen –
Was sollen welke Blüten
In frischen Sommertagen.
Am Aktentisch
Da hab ich den ganzen Tag dekretiert;
Und es hätte mich fast wie so manchen verführt,
Ich spürte das kleine dumme Vergnügen,
Was abzumachen, was fertigzukriegen.
Am Fenster lehn ich
Am Fenster lehn ich, müd verwacht.
Da ruft es so weithin durch die Nacht.
Hoch oben hinter Wolkenflug
Hinschwimmt ein Wandervogelzug.
Sie fahren dahin mit hellem Schrei
Hoch unter den Sternen in Lüften frei.
Sie sehn von fern den Frühling blühn,
Wild rauschen sie über die Lande hin.
O Herz, was ist’s denn, das dich hält?
Flieg mit, hoch über der schönen Welt!
Dem wilden Schwarm gesell dich zu;
Vielleicht siehst auch den Frühling du!
Dann gib noch einmal aus Herzensdrang
Einen Laut, ein Lied, wie es einstens klang!
Am Geburtstage
Es heißt wohl: Vierzig Jahr ein Mann!
Doch Vierzig fängt die Fünfzig an.
Es liegt die frische Morgenzeit
Im Dunkel unter mir so weit,
Dass ich erschrecke, wenn ein Strahl
In diese Tiefe fällt einmal.
Schon weht ein Lüftlein von der Gruft,
Das bringt den Herbst-Resedaduft.
An Agnes Preller
Als ich abends einen Rosenstrauß
auf meinem Zimmer fand
Die Tage sind gezählt, vorüber bald
Ist alles, was das Leben einst versüßt;
Was will ich mehr, als dass vorm Schlafengehn
Die Jugend mich mit frischen Rosen grüßt.
An Auguste von Krogh
So löst du denn, was früher du verbunden,
Und schließt aufs Neu den innigsten Verein.
Nimm das zum Abschied: Alle guten Stunden,
Die ich dir danke, sollen mit dir sein.
Doch darfst du nicht so leicht von hinnen gehen,
So leicht erwerben nicht dein neues Glück,
Den Himmel musst du erst durch Tränen sehen,
Denn viele Liebe lässt du hier zurück.
O dass dir stets ein solcher Wechsel bliebe;
Von Liebe scheiden, gehen zu der Liebe.
An die entfernte M
Eilende Winde,
Wieget euch linde,
Säuselt mein Liedchen der Lieblichen vor;
Vögelein, singet,
Vögelein, bringet
Töne der Lust vor ihr lauschendes Ohr!
Öffne dich, Rose,
Schwellet, ihr Moose,
Reiht euch, ihr Blumen, zum duftigen Strauß;
Weilt ihr am Herzen,
Horcht ihren Scherzen,
Bannet den trübenden Kummer hinaus.
Schimmernde Sterne,
Strahlt aus der Ferne
Himmlischer Höhen ihr Freude und Lust,
Freundliche Sterne,
Wärt ihr nicht ferne,
Leuchtet ihr, tröstend die liebende Brust.
An die Freunde
Wieder einmal ausgeflogen,
Wieder einmal heimgekehrt;
Fand ich doch die alten Freunde
Und die Herzen unversehrt.
Wird uns wieder wohl vereinen
Frischer Ost und frischer West?
Auch die losesten der Vögel
Tragen allgemach zu Nest.
Immer schwerer wird das Päckchen,
Kaum noch trägt es sich allein;
Und in immer engre Fesseln
Schlinget uns die Heimat ein.
Und an seines Hauses Schwelle
Wird ein jeder festgebannt;
Aber Liebesfäden spinnen
Heimlich sich von Land zu Land.
An diesen Blättern meiner Liebe
An diesen Blättern meiner Liebe hangen
Deine süßen Augen mit Innigkeit –
Sprich!
Bangt dir vor keiner Zeit,
Wo du sie weit,
Weit weg aus deiner Nähe könntst verlangen?
Wo du Vergessenheit,
Vergessenheit für alles könntst verlangen,
Was jetzt dir lieb?
Für diese Hand, die dir die Lieder schrieb,
Für diese Stunde, die dann längst vergangen?
An eine weibliche Maske
Sprich, wer bist du, schlanke Gestalt in der flüchtigen Maske?
Zähl ich den Grazien dich, zähl ich den Musen dich bei! –
Aber die Göttinnen waren aus Erz und kaltem Gesteine,
Und in der marmornen Brust klopfte kein fühlendes Herz.
An einem schönen Sommerabende
Lieblich senkt die Sonne sich,
Alles freut sich wonniglich
In des Abends Kühle!
Du gibst jedem Freud und Rast,
Labst ihn nach des Tages Last
Und des Tages Schwüle.
Horch, es lockt die Nachtigall,
Und des Echos Widerhall
Doppelt ihre Lieder!
Und das Lämmchen hüpft im Tal,
Freude ist jetzt überall,
Wonne senkt sich nieder!
Wonne in des Menschen Brust,
Der der Freud ist sich bewusst,
Die ihm Gott gegeben,
Die du jedem Menschen schufst,
Den aus nichts hervor du rufst
Auf zum ewgen Leben.
An Emilie Petersen
Die jungen Rosen sind gewiss
Meine jungen Freundinnen beide,
In voller Blüte stehen sie
Und leuchten ganz in Freude.
Die weiße, die im Schatten liegt,
Möcht ich für mich erlosen,
Schimmert es hold herüber doch
Von den jungen roten Rosen.
An Emma
Willst mich meiden
Grausam scheiden,
Nun Ade!
Ach kein Scherzen
Heilt die