Story in a Book by Oliver Adam
Wieder ein Morgen ohne Notfallbehandlung. Keiner, der sich geschwollener Wange und tränenverquoll... more Wieder ein Morgen ohne Notfallbehandlung. Keiner, der sich geschwollener Wange und tränenverquollenen Gesichts nach Erlösung sehnte. Keine, die nach schmerzvoll durchwachter Nacht geröteten Auges zu ihm bangend aufblickte und deren schmerzverzerrtes Antlitz flehentlich zu morgendlicher Eile mahnte. Das Wartezimmer noch fast leer. Nur zwei vorbestellte Patienten harren artig und gelassen ihrer pünktlichen Behandlung. Ein Tag wie so viele, seither er seine Zahnarztpraxis eröffnet hatte. Anfangs war es noch spannend für ihn, in immer neuen erwartungsvoll-ängstlich aufgesperrten Mündern gegen Karies und Zahnstein anzukämpfen. Mitfühlend setzte er den Bohrer an des Zahnes hässliches Fäulnisschwarz, krönte golden er den Stumpf, schlug Brücke, wo die Lücke klaffte. Über so manchen strengen Mundgeruch roch rücksichtsvoll er hinweg, ganz der Füllung eines zuvor noch hoffnungslos verrottet scheinenden Backenzahnes hingegeben. Natürlich übersah er bei seiner Arbeit nicht das Drumherum eines jeden geöffneten Mundes. Die zarten Züge eines zu demonstrativem Mutigsein erbärmlich verkrampften Jünglings, die in ängstlich kurzem Atmen rhythmisch bebende feste Brust eines Mädchens. Zog er einen langen Schneidezahn aus dem Munde eines gealterten ächzenden Charakterkopfes, hoffte er bisweilen heimlich, einem solchen Manne im Alter einstmals zu gleichen, statt ein ausdrucksloses Durchschnittsgesicht in den Tod führen zu müssen. Die Arbeit am Gebiss war schon nach seinem Geschmack. Mochte sie eine an vergänglichem Werke sein, so befriedigte sie ihn doch
In: Styx 96, Nr. 1: … im Fluss brennend. Anthologie -Kurzprosa und Lyrik. Hrsg. Caroline Rusch, C... more In: Styx 96, Nr. 1: … im Fluss brennend. Anthologie -Kurzprosa und Lyrik. Hrsg. Caroline Rusch, Claudius Wiedemann u. a., Verlag Styx 96, Augsburg 1997, ISBN 3-932811-00-3, S. 67 -82. 1 Nicht, dass Jens A. zum Anarchisten erzogen worden wäre, nein! Elternwille war mit Politik der herrschenden Partei in Konfrontation nie getreten. Auch Lehrerauftrag dufte als erfüllt gelten. Mochte sich Staat einzelner Lehrer nicht vollkommen sicher wissen, so doch der Wirkung seiner Gesamtheit von Bildungsund Erziehungsinstitutionen. Im Auftrag des Parteienblocks galt es, der Schüler Denken brav in gewiesene Rinne zu treiben. Grenzen der Ideologie waren ebenso klar zu achten wie weitergehende Fragen entschieden zu ächten. Allseitig entwickelte sozialistische Persönlichkeit hieß das Plansoll, das zu erzielende, wohlnormierte Produkt. Hohes Ziel erwies sich stets durch Zweifel gefährdet und von rechtem Maße Erziehung empfindlich abhängig. Nicht nur zurechtgeängstigte Labile sollten am Ende des Bildungsweges abgeforderte Phrasen ohne innere Überzeugung spucken, nein. Frei und unbeschwert offenen Blickes sollte die sozialistische Persönlichkeit in emporgestählter Überzeugungskraft freiwillig künden, was ihr zu denken vorgegeben, dass straff geschienter Geist, gerade angesichts der Feinde der DDR und deren ideologischer Diversion, jedem Angriffe unerschütterliches Bollwerk böte. Wie Arbeiterfleiß in der Planerfüllung nie frei von Ausschuss war, so auch der Lehrer Arbeit nicht lückenlos von Erfolg gekrönt. Besonders ärgerlich die krassen Fehlentwicklungen: die Unbekümmerten. Sie nahmen Begriffe aus dem Trost-Vokabular der Ideologie ernst und lachten gar zur Unzeit. Sie hörten "sozialistische Oliver Adam Eines Anarchisten legalistischer Weg. Episoden aus einem hinwegdemonstrierten Staat 2 Demokratie" und vergaßen frech, dass diese als "Diktatur der Arbeiterklasse" definiert war. Sie lasen "Diktatur der Arbeiterklasse" und fragten, was der Arbeiter denn im Staate zu bestimmen habe oder was geringer man werden könne als Arbeiter. Und so hoffnungslos weiter. Solche Unbekümmerten setzten sich schnell dem berechtigten Verdachte aus, die wissenschaftliche Weltanschauung durch undialektische Wirklichkeitsbezüge lächerlich machen zu wollen. Als sei das Netz der Ideologie nicht fein genug geknüpft gewesen, um ihr Denken und Handeln eng zu fassen, mussten sie den funktionierenden Gliedern der Gesellschaft wie Gespenster anmuten. Wer unbehindert festgemauerte Wände unverhofft und unwirklich zu durchschreiten pflegt und spielerisch das Gehege missachtet, darf sich nicht wundern, wenn Absicht ihm unterstellt wird, selbst dann, wenn sie fehlt. Jens A. gehörte zu diesen Unbekümmerten. Dabei konnte seinen Eltern durchaus kein Vorwurf gemacht werden, dass er so geraten war. Die beiden Genossen sprachen in den Wänden ihrer Wohnung zwar offen, was sie wirklich dachten, doch wer nicht? Solch heimliche Vergnügen leisteten sich doch auch die Konformsten daheim in der Strickjacke. Schon das unter Genossen selbstironisch
Poetry by Oliver Adam
Des trunkenen Boldes Sang - Infinite Lyrik (1989)
Teaching Documents by Oliver Adam
Carl Sternheim Guter Prosastil 1921 Es gibt darüber nur ein einziges zu sagen: Stil ist nichts al... more Carl Sternheim Guter Prosastil 1921 Es gibt darüber nur ein einziges zu sagen: Stil ist nichts als ins Wort umgesetzte, wirklich zu Ende erkannte Erkenntnis oder zu Ende geschaute Anschauung, je nachdem ich eine absolute Notwendigkeit oder meine freie Vision niederschreiben will. Es ist Niederschrift, nicht ein primärer, sondern ein sekundärer Vorgang, und ihr Rang hängt von der Qualität des ersten ab.
Er streckt sein runzliges Gesicht den Küssen der Sonne entgegen. O lila Sonne, wie schön ist dies... more Er streckt sein runzliges Gesicht den Küssen der Sonne entgegen. O lila Sonne, wie schön ist dieses Leben! Am Ufer sich balgen! nackend! und schmausen. Lasset die Kleinen zu mir kommen!
1892-1940) I. Wer an die Niederschrift eines größeren Werks zu gehen beabsichtigt, lasse sich´s w... more 1892-1940) I. Wer an die Niederschrift eines größeren Werks zu gehen beabsichtigt, lasse sich´s wohl sein und gewähre sich nach erledigtem Pensum alles, was die Fortführung nicht beeinträchtigt. II. Sprich vom Geleisteten, wenn du willst, jedoch lies während des Verlaufs der Arbeit nicht daraus vor. Jede Gnugtuung, die du dir hierdurch verschaffst, hemmt dein Tempo. Bei der Verfolgung dieses Regimes wird der zunehmende Wunsch nach Mitteilung zuletzt ein Motor der Vollendung. III. In den Arbeitsumständen suche dem Mittelmaß des Alltags zu entgehen. Halbe Ruhe, von schalen Geräuschen begleitet, entwürdigt. Dagegen vermag die Begleitung einer Etüde oder von Stimmengewirr der Arbeit ebenso bedeutsam zu werden, wie die vernehmliche Stille der Nacht. Schärft diese das innere Ohr, so wird jene zum Prüfstein einer Diktion, deren Fülle selbst die exzentrischen Geräusche in sich begräbt. IV. Meide beliebiges Handwerkszeug. Pedantisches Beharren bei gewissen Papieren, Federn, Tinten ist von Nutzen. Nicht Luxus, aber Fülle dieser Utensilien ist unerläßlich. V. Laß dir keinen Gedanken inkognito passieren und führe dein Notizheft so streng wie die Behörde das Fremdenregister. VI. Mache deine Feder spröde gegen die Eingebung, und sie wird mit der Kraft des Magneten sie an sich ziehen. Je besonnener du mit der Niederschrift eines Einfalls verziehst, desto reifer entfaltet wird er sich dir ausliefern. Die Rede erobert den Gedanken, aber die Schrift beherrscht ihn. VII. Höre niemals mit Schreiben auf, weil dir nichts mehr einfällt. Es ist ein Gebot der literarischen Ehre, nur dann abzubrechen, wenn ein Termin (eine Mahlzeit, eine Verabredung) einzuhalten oder das Werk beendet ist. VIII. Das Aussetzen der Eingebung fülle aus mit der sauberen Abschrift des Geleisteten. Die Intuition wird darüber erwachen. IX. Nulla dies sine linea -wohl aber Wochen. X. Betrachte niemals ein Werk als vollkommen, über dem du nicht einmal vom Abend bis zum hellen Tag gesessen hast. XI. Den Abschluß des Werkes schreibe nicht im gewohnten Arbeitsraume nieder. Du würdest den Mut dazu in ihm nicht finden. XII. Stufen der Abfassung: Gedanken -Stil -Schrift. Es ist der Sinn der Reinschrift, daß in ihrer Fixierung die Aufmerksamkeit nur mehr der Kalligraphie gilt. Der Gedanke tötet die Eingebung, der Stil fesselt den Gedanken, die Schrift entlohnt den Stil. XIII. Das Werk ist die Totenmaske der Konzeption.
Hilfsmittel zum Umgang mit der Bargfel-CD und der Zitation aus Werken von Arno Schmidt / Empfehlu... more Hilfsmittel zum Umgang mit der Bargfel-CD und der Zitation aus Werken von Arno Schmidt / Empfehlung zum Thema: http://www.damaschke.de
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