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Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia)

2014, Allergologie

Allergen-Steckbrief Allergen profile Allergologie, Jahrgang 37, Nr. 1/2014, S. 33–36 Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) L. Klimek1, W. Becker2 und M. Raulf3 1Zentrum für Rhinologie und Allergologie, Wiesbaden, Borstel, Deutsches Zentrum für Lungenforschung, 3Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IPA), Institut der Ruhr-Universität Bochum 2Forschungszentrum Synonyme Beifuß-Ambrosie – Beifußblättrige Ambrosie – Ambrosia – Traubenkraut – Amerikanisches Traubenkraut – Ragweed – short bzw. common Ragweed Wissenschaftliches Synonym Ambrosia elatior Die Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), die zur Familie der Korbblütler (Asteraceae) gehört, ist einjährig und breitet sich über Samen aus. Die Gattung Ambrosia ist überwiegend in Nord-, Mittel- und Südamerika beheimatet und umfasst etwa 40 Arten, von denen einige Vertreter durch den Menschen in Europa ausgebreitet wurden. Zwei Faktoren scheinen für die Ausbreitung von Ambrosia artemisiifolia in den letzten 10 – 15 Jahren auch in Deutschland entscheidend zu sein: der Vogelfutterimport und der Klimawandel. Im Vergleich zu den angestammten Ursprungsländern, in denen sie bis zu 2 Meter hoch werden kann, bleibt sie in Deutschland meist kleiner und variiert je nach Standortbedingungen in ihrer Wuchshöhe: auf sehr mageren und/oder trockenen Standorten bleibt die Beifuß-Ambrosie oft klein (ca. 10 cm), auf nährstoffreichen und gut mit Wasser versorgten Böden wächst sie hingegen üppig und wird auch in Deutschland ca. 1,50 m hoch. Abb. 1. Blätter und Blütenstände der Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) (mit freundlicher Genehmigung der Projektgruppe Biodiversität, B. Alberternst, S. Nawrath, Friedberg). Blütenstände © 2014 Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle ISSN 0344-5062 DOI 10.5414/ALX01641 Die Sprosse der Beifuß-Ambrosie sind meist verzweigt und tragen Blätter, die bis zu dreifach gefiedert sind (Abb. 1). Die fingerförmigen, grüngelblichen Blütenstände sind getrennt geschlechtlich. Der deutsche Name „Traubenkraut“ stammt von den traubenartig angeordneten männlichen Blütenköpfen, die am Ende der Sprossachse oder der Seitenzweige angeordnet sind und ca. 10 bis 200 Blüten enthalten (Abb. 1). Die Hüllblätter sind zu einem Trichter verwachsen, der die Blüten umgibt. Da die Beifuß-Ambrosie die sehr ineffektive Fortpflanzungsmethode der Windbestäubung verwendet, muss sie eine große Menge an Pollen (bis zu 3 Milliarden je Pflanze) produzieren [1], die aerogen verbreitet werden [5]. Weiter werden pro Pflanze zwischen 1.000 und 6.000 Samen ausgebildet, die mehrere Jahrzehnte lang keimfähig bleiben [5]. Weibliche Blütenköpfe sind einblütig, sitzend und befinden sich am Grund des männlichen Blütenstandes oder in den Achseln der oberen Blätter. Die Beifuß-Ambrosie blüht in Mitteleuropa erst relativ spät im Jahr, die Hauptblütezeit liegt zwischen August und Oktober, einzelne Pflanzen beginnen mit der Blüte aber bereits im Juli und bei manchen Pflanzen wurden Blüten bis zum ersten Frost im November beobachtet. Die Beifuß-Ambrosie ist eine licht- und wärmeliebende Pflanze, die zugleich auch ausreichende Niederschläge im Sommer benötigt [1]. al-641becker-17.12.2013 34 Klimek, Becker und Raulf Tab. 1. Prävalenz (in % gewichtet) und 95%-Konfidenzintervalle von Sensibilisierungen gegen Ambrosia- und Beifuß-Allergene in der deutschen erwachsenen Bevölkerung (n = 7.025). Allergen Prävalenz einer Sensibilisierung % (95%-Konfidenzintervall) Echte Ambrosia (w1) 8,2 (7,4 – 9,0) Ausdauernde Ambrosia (w2) 7,8 (7,0 – 8,6) Dreilappige Ambrosia (w3) 6,7 (6,0 – 7,4) Hauptallergen Ambrosia (nAmb a1) (w230) 0,4 (0,2 – 0,5) Beifuß (w6) 9,0 (8,1 – 9,8) Hauptallergen Beifuß (nArt v1) (w231) 3,9 (3,4 – 4,5) im Vergleich: Lieschgras (g6) Birke (t3) 18,1 (17,0 – 19,2) 17,4 (16,3 – 18,6) Quelle: Haftenberger M et al. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2013; 56: 687 – 697. Tab. 2. Bekannte Major- und Minorallergene der Ambrosia (nach Wopfner, Ruëff und www.allergen.org). Identifikation kDa** Name (biologische Funktion/Familie) Amb a 1* 38 Antigen E (Pectase-Lyase-Familie, Major Allergen) Ehemals als Amb a 2 bezeichnet, Antigen K (65%) Amb a 1.05 38 Übereinstimmung mit Amb a 1 (Major Allergen) Amb a 3 11 Ra3 (Plastocyanin-Familie) Amb a 4 30 Defensin-like-Protein Amb a 5* 5 Ra5 (Minorallergen) Amb a 6 10 LTP (Lipid-Transfer-Protein) Amb a 7 12 Ra 7 (Plastocanain) Amb a 8* 14 Profilin (Actin-bindendes Protein) Amb a 9* 10 Procalcin (Calcium-bindendes Protein, Bet v 4 homolog) Amb a 10 18 Procalcin-ähnliches Protein (4 EF-hands) *Untergruppen/Isoformen vorhanden (Am b 5 auch in Ambrosia trifida (Amb t 5) und in Ambrosia psilostachya (Amb p 5) vorhanden), **Molekulargewicht identifizierter Ragweedallergene. Bedeutung als Allergenquelle Vor allem in Nordamerika gehört Ambrosia (hier als Ragweed bezeichnet) zu den bedeutsamsten inhalativen Allergenen und ist dort wesentlich für die Auslösung von saisonalem Asthma und Rhinoconjunctivitis allergica verantwortlich [9]. In der Allgemeinbevölkerung der USA konnte eine Sensibilisierungsprävalenz gegen Ragweed im Hautpricktest von über 26% nachgewiesen werden, vergleichbar der Häufigkeit von Reaktionen auf andere bedeutsame Allergene wie Hausstaubmilben (27,5%) oder Roggen (26,8%) [2]. Aktuelle Untersuchungen aus Deutschland zur Prävalenz von Sensibilisierungen gegen Inhalations- und Nah- rungsmittelallergene, erhoben an einer bevölkerungsbezogenen Stichprobe von 7.025 18- bis 79-jährigen Erwachsenen mittels spezifischer IgE-Bestimmungen, zeigten eine Sensibilisierungsprävalenz von 8,2% gegen die echte Ambrosia (w1, Ambrosia artemisiifolia), gegen die ausdauernde Ambrosia (w2, Ambrosia psilostachya) von 7,8% und gegen die dreilappige Ambrosia (w3, Ambrosia trifida) von 6,7% (Tab. 1) [7]. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass eine positive Sensibilisierung nicht einer klinischen Relevanz gleichzusetzen ist. Unter bayerischen Patienten mit allergischer Rhinokonjunktivitis zeigten 28,3% eine Ambrosiasensibilisierung, wobei mehr als 50% auch auf Beifuß sensibilisiert waren. 25% der Ambrosia-Sensibilisierten hatten eine klinisch relevante Allergie auf Ambrosia [11]. Monosensibilisierungen werden nur selten beschrieben. Obwohl beim gegenwärtigen Stand der Verbreitung der Ambrosia in Deutschland bislang keine gesicherten Aussagen über die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Risiken möglich sind, sollte im Sinne der Prävention unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit eine weitere Ausbreitung von Ambrosia unterbunden werden [6]. Von den bislang identifizierten 9 Allergenen (Tab. 2) gilt Amb a 1 und seine Isoform Amb a 1.05 (ehemals als Amb a 2 bezeichnet) als Majorallergen (mit ca. 90% und Amb a 1.05 mit ca. 70% Detektion in Seren sensibilisierter Patienten) [10]. Bei Amb a 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 handelt es sich um Minor­ allergene. Ein Zusammenhang zwischen einer Sensibilisierung gegen Ambrosia und Melone, sowie Banane, Zucchini und grünen Salat wurde beschrieben (so genanntes Melone-­ Banane-Ragweed-Syndrom) [4]. Allergenspezifische Immuntherapie (SIT) International (vor allem in den USA) besteht eine sehr große Erfahrung mit einer SIT bei Inhalationsallergien auf Ambrosia. Die Wirksamkeit scheint vergleichbar der SIT bei Gräser- und Birkenpollenallergien zu sein. Allergen-Steckbrief: Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) 35 Abb. 2. Jungpflanze der Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) (mit freundlicher Genehmigung der Projektgruppe Biodiversität, B. Albert­ ernst, S. Nawrath, Friedberg). Abb. 4. Zum Verwechseln ähnlich Ausdauerndes Traubenkraut (Ambrosia coronopifolia) (mit freundlicher Genehmigung der Projektgruppe Biodiversität, B. Alberternst, S. Nawrath, Friedberg). Weitere Verwechslungsmöglichkeiten bestehen mit zwei ebenfalls durch den Menschen ausgebreiteten Pflanzenarten: der Stauden-Ambrosie (Ambrosia coronopifolia) und dem Einjährigen Beifuß (Artemisia annua) (Abb. 3 und 4). Die Stauden-Ambrosie ist im Gegensatz zur Beifuß-Ambrosie mehrjährig und bildet horizontal verlaufende Wurzeln und Wurzelsprosse. Ihre Sprosslänge ist meist kleiner als die von A. artemisiifolia und ihre Blätter sind in der Regel Abb. 3. Zum Verwechseln ähnlich Einjähriger weniger stark gefiedert. Der Einjährige BeiBeifuß (Artemisia annua) (mit freundlicher Genehfuß (Artemisia annua) wird bis 1,50 m groß migung der Projektgruppe Biodiversität, B. Albert­ ernst, S. Nawrath, Friedberg). und hat zwei- bis dreifach gefiederte Blätter. Die Pflanze hat einen sehr intensiven aromatischen Geruch, im Gegensatz zur Beifuß-Ambrosie gelbe Röhrenblüten, ist weich In Deutschland sind kommerzielle SIT-­ behaart und kommt nur in wenigen Regionen Produkte von verschiedenen Herstellern ver- Deutschlands vor. fügbar. Verwechslungsmöglichkeiten bestehen u.a. mit weiteren Beifußarten: –– Gemeiner Beifuß (Artemisia vulgaris): Verwechslungsmöglichkeiten Die Stängel sind unbehaart, die Blattunterseite silbrig. Die Beifuß-Ambrosie ist auf aufgrund – – Weißer Gänsefuß (Chenopodium album): starker Ähnlichkeiten leicht mit dem GemeiDie Stängel sind unbehaart, die Blätter nen Beifuß (Artemisia vulgaris) zu verwechnicht geteilt, die Pflanze weiß bemehlt. seln. 36 Klimek, Becker und Raulf Literatur Alberternst B, Nawrath S, Klingenstein F. Biologie, Verbreitung und Einschleppungswege von Ambrosia artemisiifolia in Deutschland und Bewertung aus Naturschutzsicht. Nachrichtenbl Deut Pflanzenschutzd. 2006; 58: 279-285. [2] Arbes SJ Jr, Gergen PJ, Elliott L, Zeldin DC. Prevalences of positive skin test responses to 10 common allergens in the US population: results from the third National Health and Nutrition Examination Survey. J Allergy Clin Immunol. 2005; 116: 377-383. [3] Bagarozzi DA Jr, Travis J. Ragweed pollen proteolytic enzymes: possible roles in allergies and asthma. Phytochemistry. 1998; 47: 593-598. [4] Enberg RN, Leickly FE, McCullough J, Bailey J, Ownby DR. Watermelon and ragweed share allergens. J Allergy Clin Immunol. 1987; 79: 867-875. [5] Fumanal B, Chauvel B, Bretagnolle F. Estimation of pollen and seed production of common ragweed in France. Ann Agric Environ Med. 2007; 14: 233-236. [6] Gabrio T, Aberternst B, Böhme M, Kaminski U, Nawrath U, Behrendt H. Sensibilisierung gegenüber Allergenen von Ambrosia artemisiifolia-Pollen und weiteren Allergenen bei 10-jährigen Kindern und Erwachsenen in Baden-Württemberg. Umweltmed Forsch Prax. 2010; 15: 15-22. [7] Haftenberger M, Laußmann D, Ellert U, Kacklösch M, Langen U, Schlaud M, Schmitz R, Thamm M. Prävalenz von Sensibilisierungen gegen Inhalations- und Nahrungsmittelallergene. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl. 2013; 56: 687-697. [8] Rueff F et al. Abschlußbericht zum Forschungsvorhaben: Ragweedpollen (Ambrosia artemisiifolia, syn. beifußblättriges Traubenkraut) – ein bedeutsames neues Allergen? Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, 2009. [9] White JF, Bernstein DI. Key pollen allergens in North America. Ann Allergy Asthma Immunol. 2003; 91: 425-435. [10] Wopfner N, Gadermaier G, Egger M, Asero R, Ebner C, Jahn-Schmid B, Ferreira F. The spectrum of allergens in ragweed and mugwort pollen. Int Arch Allergy Immunol. 2005; 138: 337-346. [11] McIntyre MS et al. Ambrosiasensibilisierung in Bayern: Ergebnisse einer dreijährigen Studie zur klinischen Relevanz. Abstract-CD 46. DDG-Tagung FV02/06, 2011. [1] Abb. 5. Gemeiner Beifuß: Blatt-Oberseite grün, Blatt-Unterseite silbrig (mit freundlicher Genehmigung der Projektgruppe Biodiversität, B. Albert­ ernst, S. Nawrath, Friedberg). Abb. 6. Studentenblume (Tagetes spec.) (mit freundlicher Genehmigung der Projektgruppe Biodiversität, B. Alberternst, S. Nawrath, Friedberg). –– Zurückgebogener Amarant (Amaranthus retroflexus): Die Blätter sind nicht geteilt, ganzrandig. –– Studentenblume (Tagetes spec.): meist kleiner Wuchs, auffällige, oft orange-gelbe Blüten. –– Rainfarn (Tanacetum vulgare): Die Blätter haben eine gewisse Ähnlichkeit, Blattschnitt und Blüten sind aber unterschiedlich. Franseria acanthicarpa (falscher Ambrosia) wurde bislang in Deutschland noch nicht beobachtet. Prof. Dr. med. L. Klimek Zentrum für Rhinologie und Allergologie An den Quellen 10 D-65183 Wiesbaden e-mail: Ludger.Klimek@Allergiezentrum.org