Das automatische
Atmosphärenkorrekturverfahren
„DurchBlick“ *
Thomas HOLZER-POPP, Michael BITTNER, Erik BORG, Stefan DECH,
Thilo ERBERTSEDER, Bernd FICHTELMANN, Marion SCHROEDTER
1
Einleitung
1.1 Operationalisierung der Fernerkundung
Die Intensität und das Ausmaß, mit der die Menschheit die Umwelt verändert hat, führte in
letzter Zeit zu immer größerer Besorgnis um die Auswirkungen auf das empfindliche
Klimasystem der Erde und die Nachhaltigkeit der menschlichen Einflussnahme. Die
Entwicklung
und
der
Betrieb
von
satellitengetragenen
Sensoren
und
Fernerkundungsmethoden bieten herausragende Möglichkeiten, viele in diesem
Zusammenhang stehenden Prozesse auf der Erdoberfläche zu beobachten. Aus diesem
Grund
empfängt,
verarbeitet,
veredelt
und
archiviert
das
Deutsche
Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) eine Vielzahl unterschiedlicher Erdbeobachtungsdaten von Satelliten wie NOAA,
Landsat, ERS, Terra/Aqua und zukünftig ENVISAT. Die Qualität der Analyse der
Erdoberfläche sowie ihrer Prozesse mit Satellitendaten wird jedoch durch Kenntnis um den
Zustand der Atmosphäre zum jeweiligen Aufnahmezeitpunkt bestimmt.
Absorptions- und Streuprozesse in der Atmosphäre beeinträchtigen den Transport der
Solarstrahlung entlang ihres Weges von der Sonne zur Erdoberfläche und von der
Erdoberfläche zum Sensor. Das am Sensor gemessene Signal wird hierdurch je nach
Wellenlänge und Zusammensetzung der Atmosphäre verändert. Um genaue Informationen
über die Erdoberfläche zu erhalten und optische Fernerkundungsdaten räumlich und zeitlich
vergleichbar zu machen, muss der Einfluss der Atmosphäre korrigiert werden.
Hierzu muss der Zustand der Atmosphäre für jedes vom Sensor aufgenommene
Bildelement (Pixel) bekannt sein. Nur so ist es möglich, den Weg der Strahlung
("Strahlungstransport") mit mathematischen Modellen nachzuvollziehen und die spektralen
Eigenschaften der Erdoberfläche ohne Störung zu rekonstruieren. Dies bringt zwei große
Probleme mit sich: (1) Strahlungstransportmodelle sind rechenzeitaufwendig, was die
Anwendung auf große Datenmengen immer noch erschwert. (2) Die Atmosphäre ist ein
hochdynamisches, komplexes System, dessen auf kleinsten Skalen variieren.
Eine der Hauptforderungen zur operationellen Nutzung von Fernerkundungsdaten besteht
deshalb darin, große Datenmengen in immer gleicher Qualität ohne menschliche Interaktion
zu verarbeiten.. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die verschiedenen
*
Fernerkundung und GIS: Neue Sensoren – innovative Methoden, H. Wichmann Verlag,
Heidelberg,2001 / patentrechtlich geschützt: United States Patent No. US 6,484,099 B1 Nov. 19,
2002
2
T. Holzer-Popp et al.
Verarbeitungsstufen durch automatische Verarbeitungsketten zu realisieren. Eine
Atmosphärenkorrektur ist dabei wesentliche Voraussetzung, um aus Fernerkundungsdaten
quantitative geo- und biowissenschaftliche Parameter und Indikatoren abzuleiten, um diese
dann regelmäßig in Prozess- und Umweltmodelle einzubeziehen.
Gegenwärtig gibt es eine Reihe wissenschaftlicher (z.B. SMAC, RAHMAN/DEDIEU, 1994;
EXACT, POPP , 1993 und 1995; 6S, VERMOTE et al. 1997) und/oder interaktiver (z.B.
ATCOR, RICHTER, 1996 und 1997) Korrekturverfahren, die aber geschultes Personal und
manuelle Optimierungsschritte voraussetzen. Trotz der hohen Qualität dieser Verfahren
führt die Wiederholung der Verarbeitungsschritte auf verschiedene, zeitlich entfernte
Datensätze in der Regel zu subjektiv bedingten Abweichungen. „DurchBlick“ zielt
hingegen erstmals auf die vollautomatische Korrektur großer Datenmengen durch die
Einbeziehung aktueller Zusatzdaten zum Aufnahmezeitpunkt (z.B. Wasserdampf, Ozon,
Höhenmodell, Aerosolmenge und –typ, Wolken/Schatten, Bodentyp), um so operationell
und standardisiert große Datenmengen verarbeiten zu können.
1.2 Atmosphärische Einflüsse auf die Messung der Bodenalbedo
Vergleicht man das ungestörte Sonnenspektrum am Oberrand der Atmosphäre mit dem
Spektrum nach Durchdringung der Erdatmosphäre wird deutlich, dass das Spektrum in
seiner spektralen und Zusammensetzung beim Durchgang durch die Atmosphäre
modifiziert wurde. Die wichtigsten Absorptionsbanden der Erdatmosphäre im solaren
Spektrum werden dabei durch Wasserdampf, Ozon, Sauerstoff, Kohlendioxid und Methan
verursacht. Außerdem bewirken Aerosole (feste und flüssige Partikel in der Atmosphäre)
und Moleküle eine breitbandige Abschwächung der solaren Einstrahlung.
Tab. 1:
Maximale Fehler der korrigierten Albedo in Abhängigkeit von Variationen des
Atmosphärenzustandes. Wesentliche Fehler sind grau unterlegt; ein „X“ zeigt
große Sensitivität, für die aber kein Zahlenwert berechnet wurde.
Parameter
(Wertebereich,
Einheit)
Ozongehalt
(250-500
D. U.)
Blauer Kanal
(TM1)
Roter Kanal
(TM3, AVHRR1)
13.5%
Nahinfrarot Kanal
(TM4, AVHRR2)
0.5%
Mittler
Infrarot
Kanal (TM5, TM7)
Vegetationsindex
+
NDVI=0.05
0.07
Vegetationsindex
+
NDVI=0.85
0.017
Geforderte
Genauigkeit
(für Ergebnis50 D. U.
fehler<0.01)
Wasserdampf
(0.5-4.0
g cm –2)
4.4%
22%
X
0.12
0.038
1 gcm-2
Meereshöhe
(02000m)
+
X
+
0.07
+
0.04
AerosolAerosol- Bodenmenge
typ (-)
typ
(0.05-0.8
(-)
bei 550nm)
+
X
0.14
0.04
+
0.12
X
+
0.083
0.02
0.12
0.04
0.09
0.26
0.08
0.34
250 m
0.1
0.30
SonnenZenit
(0-70°)
<0.01
0.10
0.10
X
X
BestBestmöglich möglich
1°
Das Automatische Atmosphärenkorrekturverfahren „DurchBlick“
3
Die atmosphärischen Prozesse der Absorption und Streuung führen zur komplexen
Zusammensetzung des am Sensor gemessenen Signals und zur Modifizierung bis hin zur
völligen "Maskierung" der Reflexionseigenschaften der Erdoberfläche. Die Effekte sind um
so drastischer, je höher der Gehalt der Atmosphäre an Streupartikeln und absorbierenden
Gasen ist. Der Grad der Maskierung ist aber auch in starkem Masse von der
Aufnahmegeometrie des Systems Sonne-Erdoberfläche-Sensor abhängig.
Da die atmosphärischen Konstituenten hohe Variabilitäten aufweisen, ist die
Fernerkundung der Atmosphäre der erste Schritt zur Fernerkundung der Erdoberfläche. Im
DFD werden hochwertige Produkte atmosphärischer Größen, wie z.B. Gesamtozonsäulen,
Aerosolverteilungskarten oder Karten des Wasserdampfgehalts erzeugt. Diese Daten dienen
als elementare Eingabegrößen für die Atmosphärenkorrektur. Der Zustand der Atmosphäre
über einem Untersuchungsgebiet auf der Erdoberfläche zur exakten Zeit des jeweiligen
Satellitenüberfluges wird durch verschiedene Verfahren (z.B. physikalisch-chemische
Modelle in Kombination mit Assimilationstechniken) ermittelt. Dies ist erforderlich, weil
nicht alle zur Korrektur benötigten Daten auch zur selben Tageszeit aufgezeichnet werden.
Die große atmosphärische Variabilität kann bei der Auswertung der Messungen in den
verschiedenen Spektralkanälen zu erheblichen Fehlern führen. Tabelle 1 gibt einen
Überblick über den möglichen Einfluss der wichtigsten Atmosphärenparameter Ozon,
Wasserdampf, Molekülstreuung (Rayleigh) und Aerosolstreuung sowie der
Richtungsabhängigkeit der Bodenreflexion und des Sonnenzenitwinkels auf Daten der
spektralen Reflektanz (nach POPP , 1993) und des Normalized Differential Vegetation Index
(NDVI) der Sensoren TM und AVHRR (nach VERMOTE 1996 und ERBERTSEDER 1998).
Für das Beispiel
Landsat5-TM
30.06.1993
09:35 UTC
Geländemodell
Ozon
Wasserdampf, Feuchte
Externe Zusatzdaten
via Online-Verbindung
StrahlungsTransportModell
Vorklassifikator
Original Rohdaten
RGB-Kanäle=321
Korrigierte Daten
Datenbank
Aerosole
Wolken,Schatten
Anisotropieklasse
Interne Zusatzdaten
abgeleitet aus den Rohdaten
Abb. 1 :
Schematischer Überblick über das Verfahren
4
2
T. Holzer-Popp et al.
Das automatische Korrekturverfahren
2.1 Überblick
Das "DurchBlick"-Verfahren besteht aus 3 wesentlichen Komponenten (siehe Abbildung
1). Eine Vorklassifikation dient der Erkennung von Wolken, Wolkenschatten und
Dunstgebieten sowie der Unterscheidung verschiedener Landbedeckungsklassen. Mittels
einer Kombination von verschiedenen Schwellwert- und fuzzy-basierten Algorithmen wird
eine grobe Vorsortierung der Einzelpixel erreicht. Eine automatische Schnittstelle wird zur
Assimilation von externen Zusatzdaten, die im DFD operationell generiert werden, genutzt.
So stehen Karten der Verteilungen der Gesamtsäulen von Ozon (aus ERS-2-GOME-Daten)
und Wasserdampf (aus NOAA-(A)TOVS-Daten) einschließlich der relativen Luftfeuchte
zum Zeitpunkt der Aufnahme des zu untersuchenden Datensatzes sowie ein digitales
Höhenmodell (aus verschiedenen interferometrisch verarbeiteten SAR-Daten sowie
Standardmodellen wie Globe30) passend zum jeweiligen Bildausschnitt bereit. Ein
Strahlungstransportmodell
wird
zur
Invertierung
des
Satellitensignals
in
Bodenreflexionsgrade eingesetzt; dabei wird der Einfluss von Rayleigh- und
Aerosolstreuung, Absorption durch Wasserdampf und Ozon, Feuchtequellung der Aerosole
und die Anisotropie pro Landnutzungsklasse (bidirektionale Reflexionsverteilung am
Boden) berücksichtigt. Die notwendige Wolken- und Wolkenschattenmaske sowie die
Bodentypkarte werden aus den Ergebnissen der Vorklassifikation gewonnen. Eine
Dunstmaske, die Aussagen zur optischen Dicke und zum Typ der Aerosole liefert, wird
mittels Strahlungstransportrechnungen an automatisch detektierten "Dunkelfeldern" (z.B.
dunkle Vegetation wie dichte Kiefernwälder oder Wasseroberflächen ohne
Sonnenspiegelung) aus den Rohdaten abgeleitet.
Die Satelliten-Rohdaten, mit denen DurchBlick arbeiten kann müssen grob (etwa +/- 1
Pixel bzw. +/- 1 Grad) mit der geographischen Position (Länge, Breite) und der
Beobachtungsgeometrie (Beobachtungszenit und -azimut) jedes einzelnen Pixels annotiert
sein. Als Interpolationsverfahren bei eventueller vorheriger Umprojektion werden allenfalls
„nearest neighbour“ Verfahren verwendet. Die Rohdaten müssen multispektral sein und
mindestens einen Kanal im sichtbaren Licht und einen weiteren im nahen Infrarot
aufweisen. Optimal ist zusätzlich ein Kanal im mittleren Infrarot für eine Optimierung des
Dunkelfeldverfahren sowie ein weiterer Kanal im sichtbaren Licht zur genaueren spektralen
Interpolation der aerosoloptischen Dicke. Zu den Beobachtungsdaten muss die genaue
Aufnahmezeit bereitgestellt werden, um den Sonnenstand berechnen zu können. Alternativ
kann auch der Zenit- und Azimutwinkel der Sonne zu jedem Pixel als zusätzlicher Kanal
verwendet werden. Als Ergebnis liefert das Verfahren ein Bild der
(atmosphärenkorrigierten) Bodenreflexion unter Berücksichtigung von atmosphärischen
Zusatzdaten, anisotroper Reflexionseigenschaften verschiedener Bodentypklassen und der
Geländehöhe. Die Messungen aller Sensoren mit solaren Kanälen im atmosphärischen
Fenster, die eine mittlere Kanalbreite von 1-100 nm FWHM aufweisen, können mit
DurchBlick atmosphärenkorrigiert werden. Derzeit wird im DFD das DurchBlickVerfahren für die Sensoren NOAA-AVHRR, Landsat-5-TM, Landsat7-ETM+, IRS-1CLISS und Terra-MODIS vorbereitet. Weitere mögliche Sensoren sind ATSR-2, AATSR,
MSS, HRV, MERIS und ATM.
Das Automatische Atmosphärenkorrekturverfahren „DurchBlick“
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2.2 Vorklassifikation
Die Vorklassifikation besteht aus zwei Algorithmen: „spektrale Signaturanalyse“ und
„geometrische Strukturanalyse“. Bei der spektralen Signaturanalyse erfolgt eine Zuweisung
der Pixel auf der Grundlage generalisierter Modellspektren für fernerkundbare Objekte
entsprechend vorab ermittelter Zugehörigkeitswahrscheinlichkeiten. Die für diese Analyse
erforderlichen Modellspektren und Sensorspezifikationen sind in einer Datenbank
gespeichert. Basierend auf diesen Informationen erfolgt eine Identifikation geeigneter
Landnutzungstypen (Laub- und Nadelwald, unbedeckter und bedeckter Boden, Wasser,
Siedlung, verschiedene landwirtschaftliche Flächen; Klassen Agrar 1-4 in Abbildung 2) für
die dann bei der Korrekturrechnung eine geeignete Funktion zur Modellierung der anisotropen Bodenreflexion ausgewählt wird. Weiterhin werden Wolken, Dunst, und Wolkenschatten durch die spektrale Siganturanalyse als "sichere" Klassen.erfaßt Darüber hinaus
wird pixelbezogen die Zugehörigkeitswahrscheinlichkeit zu den verschiedenen Klassen
bereitgestellt, so dass jederzeit auf dieser Grundlage eine Neuzuordnung falsch
zugewiesener Pixel erfolgen kann.
Kanäle 4,5,3 als rgb-Darstellung
Ergebnis
Wolke
Nadelwald
Agrar 1
Dicker Dunst
Laub- u. Mischwald
Agrar 2
Dünner Dunst
Schatten
Agrar 3
Wasser
Nackter Boden/Siedlung
Agrar 4
Abb. 2 :
W < 1% oder
2 Klassen
gleichwahrscheinlich
Eingabedaten und Ergebnisdaten der Vorklassifikation
Die geometrische Strukturanalyse umfasst eine Homogenitätsanalyse, eine Gebietsgrößenund Formanalyse sowie eine Nachbarschaftsanalyse identifizierter Referenzgebiete.
Verschiedenen Analysen haben gezeigt, dass die Einbeziehung strukturanalytischer Ansätze
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T. Holzer-Popp et al.
zu einer verbesserten Bildauswertung beitragen kann (BORG ET AL ., 1998; BORG UND
FICHTELMANN, 1998). Das Ziel ist hier die Erfassung von Misch- und Störpixeln, die
gesondert bezüglich ihrer Zugehörigkeit zu den angrenzenden Objekten behandelt werden.
Abbildung 2 zeigt ein Ergebnis der Vorklassifikation (Landsat-5 TM-Teilszene). In der
Szene wurden undurchsichtige Wolken, noch durchsichtiger dicker Dunst und stark
durchsichtiger Dunst codiert. Dabei zeigt sich, dass auch hochliegende Zirruswolken in der
Mitte der Abbildung durch den Algorithmus als dicker bzw. dünner Dunst ausgewiesen
werden. Es wird ebenfalls ersichtlich, wie in den wolken- und dunstfreien Gebieten die
Zuordnung zu verschiedenen Landnutzungsklassen erfolgt. Als Basis dienen die Rohdaten,
umgerechnet in spektrale Reflektanzen am Oberrand der Atmosphäre, wodurch die
Algorithmen auf äquivalente Sensorkanäle anderer Sensoren einfach übertragbar sind.
2.3 Gewinnung der Zusatzdaten
Vor der Korrektur erfolgt die pixelweise Bereitstellung der benötigten Zusatzdaten. Dazu
werden Resultate der Vorklassifikation als interne Zusatzdaten verwendet. Das Verfahren
bereitet die über eine Schnittstelle (Online über WWW oder CD-ROM) vom Deutschen
Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) bereitgestellten Atmo sphärendaten als externe
Zusatzdaten für die weitere Verwendung auf. Die Aerosoloptische Dicke und dessen Typ
werden in sichtbaren Kanälen über den in mittleren Infrarot liegenden Kanälen automatisch
ermittelten Referenzflächen durch die oben erläuterte Dunkelfeldmethode ermittelt. iMt
geeigneten Interpolationsroutinen aus der Datenbank wird diese Information dann auf alle
Pixel der verschiedenen Spektralkanäle übertragen. Als Ergebnis entsteht eine
Trübungsmaske. Bei der räumlichen Interpolation we rden die von der Vorklassifikation
ermittelten
zusammenhängenden
Gebiete
ähnlicher
Atmo sphärenbedingungen
berücksichtigt. Die jeweilige Bodentypklasse wird zur Auswahl der geeigneten
Modellfunktion der anisotropen Reflexionseigenschaften verwendet (Bodenmaske). Von
der Vorklassifikation bestimmte Wolken- und Schattengebiete werden als „nicht zu
korrigierende Pixel“ in einer Ausschlussmaske indiziert.
Tab. 2:
Quellen der benötigten Zusatzdaten und deren derzeit erreichte Genauigkeit
Abzuleitender
Parameter
Wolken, Schatten
Aerosol:
Menge / Typ
Methodik
Erreichte
Genauigkeit
Ergebnis aus der Vorklassifikation der Rohdaten
Ergebnis aus der multispektralen Inversion über < 0.1 / automatisch ermittelten und charakterisierten
Dunkelfeldern in den Rohdaten
Ozon
Absorptionsspektroskopie und Datenassimilation aus < 20 D. U.
Satellitensensoren GOME, SCIAMACHY, GOME2
Wasserdampf
Profilretrieval
und
Interpolation
aus < 1 g cm-2
Satellitensensoren TOVS, ATOVS, MODIS, MSG
Digitales
GLOBE30-Datensatz;
<100m
Höhenmodell
Künftig differentielle Interferometrie aus SAR-Daten
Anisotropie
der Kriebel et al., 1977, 7 Klassen, zugeordnet nach den Bodenreflexion
Ergebnissen der Vorklassifikation
Das Automatische Atmosphärenkorrekturverfahren „DurchBlick“
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Über eine Online-Schnittstelle oder via CD-ROM werden Ozon- und
Wasserdampfgesamtsäulen, die operationell täglich aus Satellitendaten im DFD abgeleitet
wurden, bereitgestellt. Mit geeigneten Assimilationsverfahren wie z. B. dem Kalmanfilter
(BITTNER ET AL., 1998) werden diese Messungen anschließend auf den Zeitpunkt und den
geographischen Ort der Rohdaten interpoliert und in Spurengasmasken abgelegt. Über die
selbe Schnittstelle wird ein geeigneter Ausschnitt eines digitalen Höhenmodells erhoben
und auf die jeweilige Geometrie der zu korrigierenden Szenen umprojeziert. Es werden
somit pixelweise folgende Zusatzdaten bestimmt: Trübungsmaske, Bodenmaske,
Ausschlussmaske, Spurengasmasken und Geländemodell.
Tageskomposit
GOME Ozonsäulen
Zusatzdatenaufbereitung:
Ozon
Synoptische
Ozonkarte
Assimilation
Dobson Units
Datenverteilung
heterogen in
Raum und Zeit
Zusatzdatenaufbereitung:
Wasserdampf
Interpolation
Tageskomposit
TOVS-Wasserdampfsäulen Europa
Abb. 3 :
Ozonfeld für einen
bestimmten Zeitpunkt
Synoptische
Wasserdampfkarte
Besipiel für die Gewinnung von Bildmasken der atmosphärischen Zusatzdaten
Ozonsäulengehalt (oben) und Wasserdampfsäulengehalt (unten)
Als Basismessungen für die benötigten Zusatzdaten kommen die in Tabelle 2 aufgelisteten
Sensoren in Frage. Vergleicht man die aufgelistete, derzeit erreichte Genauigkeit mit den
Anforderungen (letzte Zeile von Tabelle 1), so ist ersichtlich, dass die verfügbaren
Zusatzdaten den Anforderungen durchaus genügen. Verbesserungen in der räumlichen und
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T. Holzer-Popp et al.
zeitlichen Auflösung (und damit der Genauigkeit bei kleinskaligen Extremwerten) sind
durch die nächste Generation von Satellitensensoren zu erwarten.
Ein Beispiel der atmosphärischen Zusatzdaten über Europa aus operationellen DFDProzessketten zeigt Abbildung 3. Aus den mit dem Global Ozone Monitoring Experiment
(GOME) gemessenen Ozonsäulen in Dobson Einheiten (engl. Dobson Units, D.U.) eines
Tages entlang der Umlaufbahnen des ERS-2 Satelliten (linkes Bild oben) wurde mit Hilfe
des Kalman-Filters die globale Ozonverteilung für einen frei wählbaren Zeitpunkt bestimmt
(rechtes Bild oben). Der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre wird aus Messungen des
NOAA-TIROS Operational Vertical Sounders (TOVS) oder des Advanced TOVS
(ATOVS; Li et al. 2000) gewonnen. Im linken unteren Bildteil sind die einzelnen
(A)TOVS-Messungen mit Kästchen markiert. Ihre Farbe repräsentiert die
Wasserdampfsäule (engl. precipitable water) in mm. Im rechten unteren Bildteil ist das aus
den Einzelmessungen interpolierte Feld des Wasserdampfgehalts zu sehen. Zur
Interpolation wurde eine abstandsgewichtete Mittelung durchgeführt.
2.4 Korrekturrechnung
Bei der Korrekturrechnung wird die pixelweise Korrektur aller nicht in der
Ausschlussmaske markierten Pixel mit Hilfe der Zusatzdaten durchgeführt. Alle
Zusatzdaten liegen dabei als Masken für die zu korrigierende Szene vor. Für die Korrektur
werden mit dem Strahlungstransportprogramm SOS (NAGEL ET AL ., 1978) vorab
berechnete Lookup-Tabellen verwendet. SOS zeichnet sich nach unseren Erfahrungen
insbesondere durch Schnelligkeit bei gleichzeitig guter Genauigkeit aus.
Zunächst wird so für jedes Pixel der Rohdaten eine Umrechnung des am Oberrand der
Atmosphäre gemessenen Wertes in einen Reflexionskoeffizienten am Boden durchgeführt.
Dabei werden die Pixelwerte der Trübungsmaske, der Bodenmaske, der Spurengasmaske
und des Höhenmodells verwendet. Außerdem berücksichtigt wird die Anisotropie der
Reflexion an der Erdoberfläche durch Verwendung einer geeigneten Modellfunktion
(KRIEBEL 1977) für jeden in der Vorklassifikation bestimmten Bodentyp. Für
hochauflösende Sensoren ist außerdem eine Korrektur der Einstrahlung in das Gesichtsfeld
des Sensors aus benachbarten Pixeln notwendig. Hierfür wird ein einfacher Filter unter
Verwendung der Trübungsmaske (Ansatz nach KAUFMAN 1984) eingesetzt.
Ein Beispiel für die Atmosphärenkorrektur des Einflusses von Aerosolen, Ozon und
Wasserdampf gibt Abbildung 4. Eine Landsat-Teilszene vom 30. Juni 1993 im Raum
Göttingen wurde beispielhaft korrigiert. Auf der linken Bildseite ist die unkorrigierte
Landsat-Szene zu sehen, auf der rechten Bildseite die atmosphärenkorrigierte Szene.
Deutlich kann man die kontrastreichere Signatur (z. B. in Waldgebieten) erkennen. Nach
der Atmosphärenkorrektur weiterhin bestehende Farbunterschiede sind auf verbleibende
Zirreneinflüsse zurückzuführen. Deutlich ist aber auch zu sehen, wie die
Atmosphärenkorrektur die Helligkeitsunterschiede der verschiedenen Szenenbereiche
sichtbar reduziert. Multitemporale Analysen sind somit auch auf quantitativer Basis
möglich.
Das Automatische Atmosphärenkorrekturverfahren „DurchBlick“
Abb. 4 :
3
9
Originalbild (RGB=321) und Korrekturergebnis einer Landsat-5-Teilszene
Diskussion und Ausblick
Ein Demonstrator des Verfahrens, der aus einer Reihe noch nicht verbundener
automatischer Teilmodule besteht, wurde im implementiert. Insbesondere werden
operationelle Zusatzdaten zur genauen Charakterisierung des Atmosphärenzustandes
aufbereitet. Es wurden eine Reihe von Testdaten verschiedener Sensoren (TM, ETM+,
MODIS, AVHRR, LISS) durch Anwendung von DurchBlick erfolgreich korrigiert und so
die grundsätzliche Funktionalität aufgezeigt. Gegenwärtig wird das Verfahren optimiert
und validiert. Im Rahmen einer Industriekooperation soll das zum Patent angemeldete
Verfahren (HOLZER-POPP ET AL. 1999) dann vollautomatische implementiert werden.
Durch den zunehmenden Bedarf an flächendeckenden quantitativen Datenbeständen zur
Integration in Umweltmodelle wird die Atmosphärenkorrektur von Fernerkundungsdaten in
den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Dieser Bedarf wird nur dann gedeckt
werden können, wenn die Atmosphärenkorrektur wissensbasiert, automatisiert und
unmittelbar in die Produkterstellung eingebunden wird. Auf diese Weise ist eine schnelle
Datenbereitstellung in hoher Qualität für den Nutzer möglich. Außerdem können die bisher
notwendigen Bodenmessungen bzw. die dadurch entstehenden Kosten minimiert werden.
DurchBlick wurde für diesen Ansatz konzipiert.
Der vorgestellte Prozessor zur automatischen Atmosphärenkorrektur ist geeignet, um in
Prozessketten zur Produkterstellung eingebunden zu werden. Neu an diesem Verfahren ist
die Verknüpfung einer empirischen, ereignisgesteuerten Vorklassifikation, auf deren
Ergebnisse die eigentliche Korrektur aufbaut sowie die Einbeziehung flächendeckender
Informationen zum aktuellen Atmosphärenzustand (z.B. Ozon, Wasserdampf, Aerosole,
Wolken), die aus externen Zusatzdaten oder direkt aus den Fernerkundungsdaten abgeleitet
werden. Interaktive Eingriffe in den Prozessor oder zusätzliches Expertenwissen sind nicht
mehr notwendig. Alle Module des neuen Prozessors existieren und sind getestet; es bleibt
die Integration in ein anwendungsspezifisches Gesamtsystem.
10
4
T. Holzer-Popp et al.
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