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Ein Erzherzog mit Methode. Ludwig Salvator der Wissenschaftler.

Katalogbeitrag zur Ausstellung JO, L'ARXIDUC. El desig d'anar més lluny. CASA SOLLERIC 28.02.-14.06.2015, PALMA DE MALLORCA. Un arxiduc amb mètode. Lluis Salvador el cientific pp.112-125; Un archiduque con método. Luis Salvador el científico pp. 278-286; An Archduke with Method. Ludwig Salvator, Man of Scienze pp. 277-284 (CD). in: Jo, L'Arxiduc. El desig d'anar més lluny. Catàleg. Institut d'Estudis Baleàrics, Palma de Mallorca 2015.

1 „Dio ci guardi dagli scienziati!“ , schrieb Eugenio Sforza im April des Jahres 1878 seiner 2 Nichte Menichina aus Zindis bei San Rocco, wo er auf Ludwig Salvators unweit von Triest 3 befindlichen Besitzung weilte, und unter den spartanischen Wohnverhältnissen, die durch die damals 4 herrschende kalte und stürmische Wetterlage noch verschärft wurde, litt. „Questo mio Signore non sa proprio vivere ne lasciar vivere, mentre la Provvidenza le (sic!) avrebbe dato tutti i mezzi per star 5 bene“ , klagte er über die widrigen Zustände in Zindis, während sich „Sua Altezza“ wieder auf Reisen befand und Sforza anstelle einer Nachricht neun Kisten aus Suez nach Triest sandte, die mit „cose 6 pregevolissime“ , wie antiken römischen Gefäßen, Muscheln aus dem Roten Meer und Vogelbälgen gefüllt waren. Nur zu gut kannte Sforza seinen „Signore“ aus eigener, langjähriger Erfahrung, um zu wissen, dass in dessen Leben seit jeher Reisen, Forschen und Schreiben an erster Stelle standen. 7 Eugenio Sforza (1820-1894) war nämlich 1854 zum Erzieher Ludwig Salvators ernannt worden und blieb mit seinem Zögling, später auch zu dessen Kammervorsteher bestellt, bis zu seinem Tod geradezu väterlich verbunden. Nach dem Studium der Naturwissenschaften in Lucca trat er bereits als 23jähriger am 5. Kongress italienischer Wissenschaftler (Lucca 1843) hervor und wurde 8 bald als Assistent von Alessandro Carina (1808-1881) im Gabinetto di Storia naturale am I.e.R. Liceo in Lucca verpflichtet. Der familiären Überlieferung zufolge, war Großherzogin Maria Antonietta (18141898) von der Persönlichkeit und wissenschaftlichen Kompetenz Sforzas, den sie anlässlich eines Besuches im Florentiner Museo La Specola bei einer Führung durch die Entomologische Sammlung beobachten konnte, derart angetan, dass sie Sforza zum Erzieher für ihren damals siebenjährigen 9 Sohn Luigi erkor . Eugenio Sforza (Foto Privatbesitz) * Deutsche Originalfassung des Katalogbeitrages Un arxiduc amb mètode. LLuís Salvador el científic. zur Ausstellung Jo, L'Arxiduc El desig d'anar més lluny (Casa Solleric, Planta Noble, 28.02.2015-14.06.2015, Palma de Mallorca) mit sämtlichen ursprünglich vorgesehenen Abbildungen und der im Katalog fehlenden Literatur, die vom Herausgeber, dem Institut d'Estudis Baleàrics, offenbar im Layout vergessen wurde! 1 Alle hier vorkommenden Zitate werden in Sprache, Grammatik und Orthographie im Original wiedergegeben. 2 „Menichina“ Domenica Sforza Lazzoni Ě1Ř56-1881) war die Tochter von Eugenio Sforzas Bruder Lodovico. Freundliche Mitteilung von Corrado Giunti, Montignoso. 3 Ludwig Salvator hatte sich im Herbst 1876 in San Rocco bei Muggia angesiedelt, wo er nahezu vier Jahrzehnte regelmäßig die Sommermonate verbrachte. Mader (1998). 4 Typisch für diese Gegend ist das häufige Auftreten der Bora, eines böigen Fallwindes aus NNO, dessen Geschwindigkeit bis gegen 200km/h erreichen kann. 5 Zitiert nach Giunti (2009, p. 40). 6 Zitiert nach Giunti (2009, p. 41). 7 Zur Biographie des aus Montignoso bei Massa Carrara (Toskana) stammenden Eugenio Sforza siehe Giunti (2009, pp.31-33) und (Sforza 2000, p. 105). 8 Giunti (2009, p. 45, Note 6). 9 Giunti (2009, p. 32). Tatsächlich jedoch war es nicht allein die Begeisterung der Mutter, die zu Sforzas Berufung an den großherzoglichen Hof in Florenz führte, es war vor allem auch das eigens für Ludwig Salvators intellektuelle Erziehung ausgearbeitete Konzept, die Traccia per l’andamento progressivo degli Studi intellettuali di S. A. l’Arciduca Luigi, in dem der naturwissenschaftlichen Ausbildung besondere 10 Bedeutung zukam . Als zweitjüngster Sohn des letzten regierenden Großherzogs in Toskana, Leopold II. (179711 1870), entsprang Ludwig Salvator der habsburgisch-lothringischen Toskanalinie , deren Angehörige sich durch ein Nahverhältnis zu den Wissenschaften, insbesondere den Naturwissenschaften, auszeichneten, die sie nicht nur häufig persönlich betrieben, sondern in erster Linie als „nützliche 12 13 Wissenschaften“ zum Wohle des Landes und ihrer Untertanen nach Kräften förderten . Eine vom Geist der Aufklärung bestimmte Tradition, die ausgehend von Franz Stephan von Lothringen (170814 15 1765) , ihre Blüte unter dessen Sohn Großherzog Pietro Leopoldo (1747-1792) erlebte, und schließlich auch noch im Wirken von Ludwig Salvators Vater deutlichen Niederschlag fand. Leopold II., selbst lebhaftest an Physik interessiert, befasste sich von frühester Jugend mit 16 Galileio Galilei, bereitete eine Gesamtedition dessen Werke in 16 Bänden vor und erweiterte das von 17 Pietro Leopoldo in Florenz begründete Museo di Fisica e di Storia Naturale . Sein besonderer Stolz aber galt den seit 1839 regelmäßig stattfindenden Kongressen italienischer Wissenschaftler, die er 18 einzig zum Zwecke „di acrescere il patrimonio del sapere a vantaggio della vita sociale“ ins Leben gerufen hatte. Leopold, der sich als Souverän nicht nur als Protektor der Wissenschaften, sondern auch der Gelehrten - unabhängig von deren persönlicher politischer Meinung - verstand, führte in diesem Sinne auch eine umfassende Neuordnung der toskanischen Universitäten und Hochschulen durch, die die Einrichtung zusätzlicher Lehrkanzeln und erstmals feste Gehälter für deren Inhaber vorsah. Und schließlich war es auch Leopold II., der gemeinsam mit Frankreich die 1828/29 von Jean François Champollion (1790-1832) geleitete Expedition nach Ägypten und Nubien finanzierte, deren 19 archäologische Ausbeute und hervorragende zeichnerische Dokumentation in der Folge den 20 Grundstock des Ägyptischen Museums von Florenz bilden sollten . 10 Das von Cavalliere Antinori ausgearbeitete Konzept umfasst nahezu 60 Seiten. Neben dem Studium der Sprachen und Literaturen, Philosophie, Ökonomie, Religionsgeschichte, Psychologie, Logik und Moraltheorie war der Unterricht aus Anatomie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Kristallographie, Chemie, Physik und Astronomie vorgesehen (NA Praha, RAT, Leopold II. sign. 214). 11 Das Großherzogtum Toskana kam 1737 an Österreich. Franz Stephan von Lothringen, der spätere römischdeutsche Kaiser Franz I., wurde mit dem erledigten Erbe der Medici belehnt und übernahm als Großherzog der Toskana die Regentschaft (1737-1765). Mit Einrichtung der Secundogenitur folgte jeweils der Zweitgeborene auf den großherzoglichen Thron: Pietro Leopoldo (1765-1790), Ferdinand III. (1791-1799 und 1814-1824) und schließlich Leopold II. (1824), unter dem die österreichische Zeit in der Toskana infolge der italienischen Einigungsbestrebungen 1859 zu Ende ging. 12 Wandruszka (1965, vol. II, pp. 54f.). 13 Zu den wissenschaftlichen Aktivitäten der „Toskaner“ siehe Wandruszka Ě1ř62, pp. 355-364) und Wandruszka (1965); Pesendorfer (1987a, b); Mader (2002a, pp. 20-25). 14 Franz Stephan von Lothringen, der spätere römisch deutsche Kaiser Franz. I. (1745) stammte aus Lothringen, das unter seinem Vater Herzog Leopold Joseph (1679-1729) als Musterland der Aufklärung galt. Mader (2002, p. 20). 15 Zu Biographie und Wirken Pietro Leopoldos, des späteren Kaisers Leopold II. (1790) siehe Wandruszka (1965). 16 Die Schriftensammlung wurde von Eugenio Albéri (1807-1878) unter dem Titel Le opere complete di Galileio Galilei (1842-1856) herausgegeben. 17 Auf Initiative Leopold II. geht die sogenannte „Tribuna“, eine Galilei gewidmete Ehrengalerie, in der auch dessen Instrumente ausgestellt sind. 18 Pesendorfer (1987b, p. 227). 19 An der Expedition nahmen der Pisaner Ägyptologe und Professor für Orientalische Sprachen, Hippolito Rosellini (1800-1843) und der Botaniker Giuseppe Raddi (1770-1829) sowie drei Maler und Zeichner teil. Mader (2002a, p. 24f.). 20 Mader (2002a, p. 24f.). Großherzog Leopold II. (Foto Privatbesitz) Gleichermaßen galt es, auch in der eigenen Familie Wissen anzusammeln und zu vermehren, weshalb Leopold nach dem Muster der von Pietro Leopoldo für die eigene Nachkommenschaft entwickelten Erziehungskonzepte auch für seine Kinder Lehrpläne erarbeiten ließ, 21 was ihn jedoch, wie die rege Korrespondenz mit Ludwig Salvator bezeugt , nicht davon abhielt, sich auch persönlich mit der Erziehung seines Sohnes Luigi zu befassen, der bereits im Alter von 8 Jahren 22 danach trachtete, „di arricchire sempre meglio il mio piccolo Museo“ , um mit 14, dem väterlichen 23 24 Vorbild folgend, erstmals Reisebeobachtungen zu Papier zu bringen . Ludwig Salvator mit zwei Vogelstopfpräparaten, Venedig um 1861. (Foto Privatbesitz) Vor diesem familiären Hintergrund scheint es daher nicht verwunderlich, dass Ludwig Salvator sich schon früh den Naturwissenschaften zuwandte, und nach Abschluss des häuslichen Erziehungsprogrammes den Wunsch äußerte, seine Studien auf Universitätsebene fortzuführen. Im Frühsommer des Jahres 1865 unterrichte daher Leopold II. seinen Neffen Kaiser Franz 25 Joseph I. von den Plänen seines Sohnes, dem es, wie er versicherte, „nie an Fleiß gemangelt“ hatte, vielmehr mussten ihn seine Eltern „mehrmals von angestrengter und dauernder Arbeit zurückhalten“, 26 27 da „seine Gesundheit zu leiden anfing“ . 21 Vgl. dazu die Korrespondenz Leopold II. – Ludwig Salvator (NA Praha, RAT, Ludvik Salvator). NA Praha, RAT, Ludvik Salvator, Ludwig Salvator – Leopold II., Firenze Palazzo Reale 22.11.1855. 23 Pesendorfer (1987, p. 54f.). 24 Mader (2002a, p. 27f.). 25 Franz Joseph war nicht nur Kaiser sondern auch Oberhaupt der Familie Habsburg, weshalb familiäre Entscheidungen auch seiner Einwilligung bedurften. 26 Ludwig Salvators Gesundheitszustand war offenbar durch den Klimawechsel, den die Übersiedlung aus der Toskana nach Böhmen zur Folge hatte, geschwächt, weshalb ihm die Ärzte Seebäder an der Adria verordneten. 22 Franz Joseph entsprach dem Wunsch Ludwig Salvators und ließ „durch den Prager Universitätsprofessor Schier“, den er eigens zu diesem Zwecke zu sich nach Wien bestellt hatte, „einen Studienplan für die philosophischen und juridischen Gegenstände ausarbeiten“. Er beauftragte ihn auch, „die für die verschiedenen Fächer geeigneten Professoren der Prager Universität vorzuschlagen“. Einzig „ein Besuchen der gewöhnlichen öffentlichen Vorlesungen“ fand Franz Joseph für einen Angehörigen des Kaiserhauses „durchaus nicht passend“, weshalb Ludwig Salvator privaten Unterricht erhalten und lediglich solchen Lehrveranstaltungen beiwohnen sollte, „bei welchen, behufs von Experimenten, Instrumente und ähnliche Lehrmittel benützt werden müssen, die nicht leicht 28 transportiert werden könnten.“ 29 Der von Johann Nepomuk Schier (1823-1879) erstellte fünfjährige Studienplan, der neben 30 31 den Fächern Jus und Philosophie auch jene der Naturwissenschaften umfasste, fand sowohl Leopolds als auch Sforzas vollste Zustimmung. Ludwig Salvator jedoch schlug, um „seine Zeit best möglich anzuwenden“ vor, vom ersten bis zum vierten Jahr jeweils Schwerpunkte in Zoologie, Botanik, Geologie und Mineralogie zu setzen, während das vorlesungsfreie letzte Jahr der Ergänzung und 32 Vervollkommnung des Lehrstoffes dienen sollte . 33 34 Im Herbst 1865 begann Ludwig Salvator mit dem Studium in Prag . Seine „Lieblingsstudien“ 35 absolvierte er bei Friedrich von Stein (1818-1885) , Entomologe und Ordinarius für Zoologie, Vincenz 36 Franz Kosteletzky (1801-1887) , Mediziner, Botaniker und Ordinarius für medizinisch37 pharmazeutische Botanik, Victor von Zepharovich (1830-1890) , Geologe und Mineraloge und 27 NA Praha, RAT, Leopold II. sign. 217, Leopold II. - Franz Joseph I., Brandeis 21.06.1865. NA Praha, RAT, Leopold II. sign. 217, Franz Joseph I. – Leopold II., Laxenburg 11.06.1865. 29 J. N. Schier war an der k.k. Carl Ferdinands-Universität in Prag Ordinarius für österreichisches Verfassungsrecht und österreichische Verwaltungs-Gesetzkunde. Handbuch (1868, p. 401). 30 An der juridischen Ausbildung war neben Schier Antonín von Randa (1834-1914), Professor für österreichisches Civil-, Handels- und Wechselrecht beteiligt. Mader (2002a, p. 30). 31 Philosophie hörte Ludwig Salvator bei Johann Heinrich Löwe (1808-1892), Ordinarius für Philosophie und in späteren Jahren auch Rektor der Prager Universität. Löwe war Vertreter des gemäßigten Güntherianismus, er verfasste unter anderem ein Lehrbuch der Logik (1881), als sein bedeutendstes Werk gilt seine Studie über Die Philosophie Fichte`s nach dem Gesammtergebnisse ihrer Entwicklung und in ihrem Verhältnisse zu Kant und Spinoza (1862). ÖBL (1972, p. 288); Mader (2002a, p. 30). 32 NA Praha, RAT, Leopold II. sign. 217, Leopold II.- Franz Joseph I., Brandeis 21.06.1865. 33 Der politischen Umstände wegen blieb Ludwig Salvator die Möglichkeit, ein Studium an den toskanischen Universitäten aufzunehmen, verschlossen. Da die Familie seit 1859 in Böhmen lebte, wo sie zuerst auf dem seit Großherzog Ferdinand III. in Familienbesitz befindlichen Schloss Schlackenwerth (Ostrov) bei Karlsbad (Karlovy Vary) und seit 1860 auf Schloss Brandeis (Brandýs nad Labem) ihren Wohnsitz genommen hatte, bot sich das nahegelegene Prag als Studienort an. In Prag wohnte Ludwig Salvator im Palais Kinsky am Altstätter Ring (Starom stské nám stíě. 34 Zitiert nach Mader (2002a, p. 30). 35 Friedrich Johann Philipp Emil von Stein wurde in Preußen geboren, studierte in Berlin Naturwissenschaften und Medizin, habilitierte sich 1848 ebendort mit einer Arbeit zur Vergleichenden Anatomie und Physiologie der Insecten. Nach seiner Kustodentätigkeit am Zoologischen Museum der Universität Berlin wurde er 1850 zum ordentlichen Professor für Zoologie und Botanik an der sächsischen Akademie für Forst- und Landwirtschaft in Tharandt ernannt und erhielt 1855 das Ordinariat für Zoologie an der Universität in Prag, wo sein Hauptwerk Der Organismus der Infusionsthiere, nach eigenen Forschungen in systematischer Reihenfolge bearbeitet . . . in 4 Bänden (1859) entstand. Er galt als hervorragender Lehrer, unternahm zahlreiche Forschungs- bzw. Sammelreisen nach Kleinasien, Griechenland, Dalmatien und Rumänien und publizierte zahlreiche Aufsätze über Insekten. Wurzbach (1879, pp. 27-31); ÖBL (2008, p. 150). 36 Kosteletzky wurde bei Brünn (Brno) geboren, studierte in Prag Medizin, promovierte 1824 und begann anschließend als Assistent bei Johann Christian Mikan (1769-1844), dem Inhaber des Lehrstuhl für Botanik an der medizinischen Fakultät, die Universitätslaufbahn. Nach Mikans Ruhestand (1831) übernahm er dessen Supplenz und wurde vier Jahre später zum Ordinarius für medizinisch-pharmazeutische Botanik ernannt (1834). Er publizierte wenig, seine Stärken aber lagen in der Lehre, der Betreuung des botanischen Gartens, vor allem jedoch in seinen systematischen Scharfblick, Dank dessen er eine in manchen Fällen noch heute gültige Nomenklatur prägte. ÖBL (1974, p. 280) und ÖBL (1967, p. 154). 37 Victor Leopold von Zepharovich wurde in Wien geboren, wo er das Schottengymnasium besuchte und danach mit dem Jusstudium begann. Der Schwerpunkt seiner Interessen lag jedoch auf Geologie und Mineralogie, weshalb er 1849 an Wilhelm von Haidingers (1795-1871) letztem Lehrgang am k.k. montanistischen Museum (Lehr- und Fortbildungsanstalt für Bergbeamte und speziell interessierte Hörer und Vorgänger der k.k. Geologischen Reichsanstaltě teilnahm. Nach Absolvierung der Bergakademie in Schemnitz ĚBanská Štiavnica, Slowakei) trat er in den Dienst der kaiserlichen geologischen Reichsanstalt in Wien, wo er als sog. Sectionsgeologe tätig war (1852-1857). 1857 wurde er als Professor für Mineralogie an die Universität Krakau berufen, in selber Funktion 1861 nach Graz und 1864 an die Karl Ferdinands Universität in Prag, wo er bis an sein Lebensende verblieb und auch Vorstand des mineralogischen Kabinetts war. Er verfasste zahlreiche mineralogische und kristallographische Abhandlungen und gab ein dreibändiges Mineralogisches Lexikon für das Kaiserthum Oesterreich (1859,1873,1893) heraus. Wurzbach (1890, pp. 326-328); Exel (2006, pp. 173-194). 28 38 Ordinarius für Mineralogie und Wilhelm Matzka (1798-1891) , Mathematiker und Ordinarius für 39 Mathematik . W. Matzkas Werk Zur Lehre der Parallelprojection und der Flächen mit Widmung vom „ehemal[igen] Professor“ (Schlossbibliothek Brandýs nad Labem) Fotos B. Mader Ein für Ludwig Salvators späteres Schaffen bestimmender Teil seines Studiums bestand in der zusätzlichen künstlerischen Ausbildung, die er durch den Rektor der Prager Akademie der Bildenden Künste, den Historien- und Kirchenmaler sowie Vertreter des historischen Romantizismus, 40 Antonín Lhota (1812-1905) erhielt . Während seiner Studienjahre hatte Ludwig Salvator auch Gelegenheit, auf zahlreichen gleichermaßen seiner Gesundheit und der Ergänzung des theoretischen Unterrichts dienenden Reisen die vielfältige Welt des Mediterrans kennen zu lernen und schon damals den Entschluss gefasst, sich in Hinkunft der Erforschung und Beschreibung des Mittelmeerraumes zu widmen. 1868 brachte er sein erstes Buch, die Excursions artistiques dans la Vénetie et le Littoral beim Prager Verlag Heinrich Mercy heraus, und noch im selben Jahr ließ er eine zweite kürzere Abhandlung unter dem Titel Süden und Norden im Selbstverlag folgen. Im Unterschied zu seiner ersten Arbeit über Venetien, die sich vor allem auf die Schilderung kunsthistorischer Sehenswürdigkeiten konzentriert, zeigt sich in diesem auf Reisebeobachtungen in Helgoland und 41 Spanien basierenden Werk bereits ganz deutlich der den Naturwissenschaften zugeneigte Autor . In diesen Jahren hatte auch Dalmatien Ludwig Salvator in seinen Bann gezogen. Seit seinem ersten Besuch, 1864, hatte er die südlichen Küsten der östlichen Adria wiederholt bereist und 42 beabsichtigte, Dalmatien einer umfangreichen Beschreibung zu unterziehen . 38 Wilhelm Matzka stammte aus Mähren, studierte Philosophie und Mathematik in Prag (1817-1819), trat danach in Wien in den Militärdienst, während dessen er an der Universität Vorlesungen zur wissenschaftlichen und praktischen Astronomie, höherer Mathematik, Physik und Mineralogie besuchte und am Polytechnikum, der späteren Technische Hochschule, Technologie studierte. 1843 promovierte Matzka in Olmütz. Seine im Militärdienst begonnene Lehrtätigkeit als Professor für Mathematik führte ihn über die philosophische Lehranstalt in Tarnow nach Prag, wo er 1849 zum ordentlichen Professor für Elementarmathematik und praktische Geometrie am Polytechnikum ernannt wurde. Im Jahr darauf folgte der Ruf als Ordinarius für Mathematik an die Prager Universität, wo er Algebra und höhere Mathematik mit besonderem Bezug auf Differential- und Integralrechnung und ihre geometrischen und physikalischen Anwendungen vortrug. Weitere Schwerpunkte seiner Vorlesungen waren neben Stereometrie und Planimetrie die analytische Geometrie, sphärische Trigonometrie und ihre Anwendungen in Geographie und Astronomie. Wurzbach (1867, pp. 126-128); Chocholová & Stoll (2011, pp. 225-232). 39 Mader (2002a, p. 30). 40 Vollmer (1929, p. 179f.). 41 Ludwig Salvator stellte darin die „sirenenhafte Anziehung“ Spaniens, die er am Beispiel des üppigen Lebens und munteren Treibens Valencias wiedergab, der Natur und „unerschöpflichen Fülle des Meeres“ von Helgoland gegenüber, wo er selbst „jeden Winkel des kleinen Felseneilandes eifrig durchkrochen“ hatte. Zitiert nach Mader (2002a, p. 28). 42 Zu Ludwig Salvators geplantem Dalmatienwerk siehe Mader (2000, p. 335). Frau aus Sebenico ĚŠibenik, Kroatieně ĚLudwig Salvator, Das was verschwindet. Trachten aus den Bergen und Inseln der Adria, Leipzig s. a.). Foto B. Mader In seiner, wie Sforza es nannte, „avidità di completare meglio possibile il suo lungo lavoro 43 sopra quell’interessante paese“ , plante Ludwig Salvator für 1867 einen weiteren längeren Aufenthalt 44 in Dalmatien, der jedoch durch den Ausbruch der Cholera verhindert wurde . Auf der Suche nach einem Ersatzziel fiel schließlich die Wahl auf die Balearen. Eine für Ludwig Salvator in vielfacher Hinsicht schicksalhafte Entscheidung. Denn während Erzherzog Ferdinand Maximilian (1832-1867), der anlässlich seines Besuches von Mallorca und Menora im Mai 1Ř52 wenig begeistert vermerkte, „Die Balearen sind jetzt im Verfalle, und nichts 45 erinnert an jene Zeiten des Glanzes und der Macht, in denen sie Königreich Mallorca hießen“ , war Ludwig Salvator von der Inselgruppe, deren Natur und Bevölkerung, derart angetan, dass er sofort den Entschluss fasste, sie durch eine ausführliche Darstellung einem größeren Kreise zugänglich zu machen. Als Resultat des ersten Aufenthaltes und gewissermaßen Nebenprodukt der damals begonnenen topographisch-statistischen Erhebungen brachte Ludwig Salvator zwei Jahre später seinen Beitrag zur Kenntnis der Coleopteren-Fauna der Balearen heraus, der auf der eigenen Aufsammlung von Käfern fussend durch die „Nothwendigkeit“ entstanden war, „bei der topographischen Schilderung jener Inseln auch etwas tiefer in die Fauna und Flora derselben eingehen zu müssen“, weshalb er auch „für die Ordnung und Bestimmung des gesammten Materials 46 sorgen musste“ , und den durch Sammelreisen mit den Balearen bereits vertrauten deutschen 47 Entomologen Ludwig W. Schaufuss (1833-1890) mit dieser Aufgabe betraute. 43 NA Praha, RAT, Leopold II., Eugenio Sforza – Leopold II., Prag 15.07.1867. Mader (2002a, p. 31) . 45 Ferdinand Maximilian (1867, p. 80). 46 Ludwig Salvator (1869, p. 3). 47 L.W. Schaufuss, gelernter Drogist, wandte sich aus Liebhaberei den Naturwissenschaft zu. Er spezialisierte sich auf Entomologie, unternahm ausgedehnte Forschungs- und Sammelreisen, betrieb eingehende Studien und veröffentlichte nach einer Reihe von Aufsätzen in verschiedenen Zeitschriften 1866 seine Monographie der Scydmaeniden Central- und Südamerika’s. Im selben Jahr erhielt er an der Leipziger Universität das Doktorat. Zu Schaufuss‘ intensiver Forschungs- und Publikationstätigkeit siehe: Index Litteraturae entomologicae Serie II, Bd. 4 (S-Z), Berlin: 1968, pp. 34-36: Schaufuss, Ludwig Wilhelm. Schaufuss, der sich als Naturalienhändler ein beträchtliches Vermögen verdiente, gründete 1876 in Oberblasewitz bei Dresden das Museum Ludwig Salvator, ein naturkundlich-ethnographisch-prähistorisches Museum mit angeschlossener Gemäldegallerie, das auch dem Anschauungsunterricht von Schulen dienen sollte. Nekrolog (1891, pp. 213-217). 44 Ludwig Wilhelm Schaufuss (Nekrolog 1891) Foto B. Mader 1869 erschien schließlich auch der erste Band des insgesamt siebenbändigen Balearenwerkes Die Balearen in Wort und Bild geschildert, die den Auftakt zu einer langen Reihe zum Teil geradezu enzyklopädisch anmutender Werke bildeten. Im Bestreben durch Reisebeschreibungen und umfassende Monographien die Aufmerksamkeit auf bisher wenig beachtete oder überhaupt unbekannte mediterrane Inseln und Küstenstriche zu lenken, schuf Ludwig Salvator im Laufe von 45 Jahren rund 50, häufig mehrbändige, Werke über Alboran, die Columbretes, Giglio, Ustica, die Liparischen Inseln, den Kvarner, Dalmatien, die Ionischen Inseln (Paxi, Andípaxi, Lafkáda, Itháki, Zákynthos), Parga, Santoríni, den Golf von Korinth, Zypern und die nordafrikanische Küste (Ramleh, bei Alexandria, die Syrten, Tunis, Bensert und Bougie), wo ihn die arabische Kultur, deren Einfluss er auch auf den Balearen und Äolen 48 nachging, ganz besonders interessierte . Zwar nicht dem mediterranen Raum zugehörig, aber aus demselben Beweggrund entstanden, sind hier, nicht zuletzt der Vollständigkeit halber, auch Ludwig 49 Salvators Beschreibungen von San Francisco und Tasmanien anzuführen. Noch nicht in ihrem vollen Umfang erschienen, wurden die Balearen bereits 1878 auf der 50 Weltausstellung in Paris ausgezeichnet . „Es ist in der That eine unvergleichliche Arbeit in Hinblick auf die Schönheit der Ausführung, des geographischen, ethnographischen, statistischen und künstlerischen Werthes“, schwärmte Jules Verne Ě1Ř2Ř-1ř05ě und hielt es sogar für „nicht nöthig“, sich dorthin „auf Reisen zu begeben“, da es vielmehr genügen würde, den „eingehenden und verläßlichen Text“ zu lesen und die „farbigen Stiche, Ansichten, Skizzen, Pläne und Karten [...] 51 anzusehen“ . 48 Vgl. dazu Ludwig Salvators Beitrag über die Arabismen anlässlich des XII. Orientalistenkongresses in Florenz 1901 und seine Ausführungen in den Liparischen Inseln. 49 Ludwig Salvator finanzierte seine Werke, die anonym und gewöhnlich in einer Auflage von 1000 Stück erschienen, selbst. Sie wurden an Universitätsinstitute, Bibliotheken, Museen, wissenschaftliche Gesellschaften, Gelehrte, Mitarbeiter sowie im interessierten Freundes- und im Familienkreis verschenkt. Einige Werke wurden später mit Ludwig Salvators Genehmigung vom Leipziger Verleger, Leo Woerl, unter Nennung des Autors in Neuauflage herausgegeben. Die beiden Werke über Los Angeles (1878) und Tasmanien (1886) entstanden als Resultat seiner Besuche der Weltausstellungen von Philadelphia (1876) und Melbourne (1881) und sollten möglichen Auswanderern als Information und Anreiz dienen. 50 1875 hatte Ludwig Salvator bereits am Geographenkongress in Paris die höchste Auszeichnung erhalten, 1878 folgte die Goldmedaille auf der Weltausstellung und 1881 wurde der k.k. Geographischen Gesellschaft in Wien auf der in Venedig stattfindenden Esposizione Geografica Internazionale für die Präsentation der Balearen und anderer Reisewerke das Ehrendiplom I. Klasse verliehen. 51 Verne (o. J., p. 91); Mader (2006/2007, 261f.). In entsprechender Weise verwendete Verne auch Ludwig Salvators Beschreibungen für seinen zum Teil auf Mallorca angesiedelten Roman Clovis Dardentor (Paris 1896). Clovis Dardentor Jules Vernes zum Teil auf Mallorca angesiedelter Roman, wofür Verne Ludwig Salvators Beschreibungen der Balearen verwendete. (Cover der deutschsprachigen Hartleben Ausgabe) Foto B. Mader Um ein derartiges Werk auf die Beine zu stellen, bedurfte es freilich einer Methode! Und gerade diese Methode ist es, die Ludwig Salvator in seinem Schaffen als Wissenschaftler auszeichnet, die ihn grundlegend vom ambitiösen, einem „elitären“ Zeitvertreib nachgehenden Dilettanten, aber auch jenen in Adelskreisen immer wieder anzutreffenden Reiseschriftstellern unterscheidet, die sich lediglich in einfachen Schilderungen ergehen, damit jedoch kein höheres Ziel verfolgen. Von Anbeginn seiner Studien stützte sich Ludwig Salvator auf die Feldforschung, eine Methode, die für sein gesamtes Werk bestimmend wurde, und für die er schon früh ein speziell auf sein Vorhaben ausgerichtetes Instrument ersonnen. Aufgrund seiner Herkunft und Erziehung mit historisch-topographisch-ethnographischen Landesbeschreibungen aber auch den in Absolutismus 52 und Aufklärung zur Blüte gediehenen Landeserhebungen vertraut , entwickelte er nach dem Muster des in der Kameralistik zur systematischen Bestandsaufnahme des Staates und seiner Bewohner 53 54 übliche Fragebogensystems die Tabulae Ludovicianae: auf den Mittelmeerraum zugeschnittene , in drei Sprachen – deutsch, französisch und italienisch – abgefasste Tabellen zur umfassenden topographisch-kulturhistorischen Erhebung einer Region, die mit der Bitte um möglichst detaillierte Angaben an jeweils ortskundige Spezialisten und ansässige Gewährsmänner verteilt wurden, und so als Basis zur Erstellung seiner Werke dienten. Die Tabulae, die Ludwig Salvator zwecks praktischerer Handhabung 1869 in Prag im Selbstverlag herausbrachte, stellen ein höchst beeindruckendes Kompendium von 100 großformatigen ĚA3ě Druckseiten dar, das in einen „allgemeinen“ und einen „speciellen Theil“ gegliedert über 100 Rubriken zu den übergeordneten Bereichen Topographie, Naturkunde, 55 Geschichte, Bevölkerung, Kultur, Wirtschaft und Verwaltung umfasst . 52 So befindet sich beispielsweise das mehrbändige, reich illustrierte Werk Die Ehre des Herzogthums Crain (Laybach 1869) des Universalgelehrten, Zeichners und Topographen Johann Weichard Valvasors (1641-1693) in der Brandeiser Schlossbibliothek aus dem Besitz Leopold II. und Ludwig Salvators. Mader (2007/2007, p. 262, Note 2). 53 Auch Erzherzog Johann (1782-1859), ebenfalls ein Spross der Toskanalinie und Ludwig Salvators Urgroßonkel, hatte dieses Fragebogensystem zu Beginn des 19. Jhs zur statistischen Landesaufnahme Innerösterreichs verwendet und dafür einen Entwurf ausgearbeitet, wofür er eine Reihe von Fragen, vor allem zu volkskundlichen Themen, selbst formulierte. Katschnig-Fasch (1982, pp. 363-366). 54 Z. B. speziell hier gedeihende Pflanzen und deren Nutzung, Fischerei, Salzgewinnung, Schiffbau, Schifffahrt etc. Vgl. Mader (2009a, pp. 109-121). 55 Zu den einzelnen Stichwörtern siehe: Ludwig Salvator (1868); in Zusammenfassung bei Mader (2006/2007, pp. 264f.). Eine ausgefüllte Seite aus den Tabulae Ludovicianae als Grundlage für Ludwig Salvators Werk Anmerkungen über Levkas, Prag 1908. Foto B. Mader 56 In der Überzeugung, dass es nie ein Zuviel an Informationen geben könne , legte Ludwig Salvator besonderen Wert darauf, Daten aus möglichst vielen und unterschiedlichen Quellen zu erhalten, und beschränkte sich daher nicht allein auf die an Hand der Tabulae gewonnenen Daten, sondern bezog auch Archivrecherchen und bibliographische Studien in die Vorbereitung seiner Werke ein. Vor allem aber bereiste und durchwanderte er die von ihm zur Durchforschung erwählten 57 Landstriche und Inseln stets selbst und verbrachte gewöhnlich mehrere Monate an Ort und Stelle . 56 In diesem Sinn äußerte sich Ludwig Salvator in einem Brief an den Entomologen und Molluskenforscher Francesc Cardona i Orfila (1833-1892) aus Mahon (Menorca). Trias Mercant (2001, p. 31). 57 Zumeist an Bord seiner beiden Dampfyachten NIXE, die Ludwig Salvator nicht nur als Fortbewegungsmittel sondern auch Studierstube auf See dienten. Mader (2002a, pp. 49-59) und Mader (2005a). Ludwig Salvator der Feldforscher (N. S. Caňellas Serrano, El paisatge de l’Arxiduc. Mallorca 1řř7, p. 26, fig. 11.ě Dampfyacht NIXE, Studierstube auf See. Foto Privatbesitz Er beobachtete die Natur, das Leben und Treiben der Bevölkerung, unterhielt sich mit den Einheimischen, deren Sprache er auch stets zu erlernen bestrebt war, stellte sachkundige Fragen, hörte zu und schrieb auf, was er in direktem Kontakt gesehen und erfahren hatte. Parallel dazu fertigte 58 er Skizzen und Zeichnungen an, die ihm später auch zur Illustration seiner Bücher dienten. 58 Die von Ludwig Salvator vor Ort angefertigten Federzeichnungen wurden überwiegend in Form von Xylographien wiedergegeben, erst in seinen späteren Werken wurden sie auch direkt im Original abgebildet. Mader (2006a, p. 295, Note 6). Architekturskizzen Ludwig Salvators aus Nordafrika, entstanden während der Syrtenreise 1873. (NA Praha, RAT, Ludvik Salvator) Eine besonders wichtige Rolle in der Konzeption der Werke kommt Ludwig Salvators „Wort59 Bild-Prinzip“ zu , das in den Beschreibungen bäuerlich-landwirtschaftlicher, handwerklicher und häuslicher Tätigkeiten, Räumlichkeiten, Gerätschaften und Produkte Anwendung findet: stets werden die ortsüblichen Bezeichnungen eingeführt und durch Abbildungen eindeutig definiert. "Mallorquinische Ackerbaugeräthe“ aus Ludwig Salvator Ě1Řř7, 226ě Foto B. Mader 59 Mader (2006a, p. 297). „Mallorquinische Möbel“ aus Ludwig Salvator Ě1Řř7, 1Ř1ě Foto B. Mader „Häufig habe ich mehr meinem Bleistift als meiner Feder vertraut und mich deshalb bemüht, in einer großen Anzahl von Bildern sowohl den landschaftlichen Charakter und die Kunstdenkmäler jener Inseln, wie auch das häusliche Leben, die Trachten und die Gebräuche ihrer Bewohner möglichst getreu darzustellen“, schreibt Ludwig Salvator im Vorwort zur zweibändigen Ausgabe seines Werkes 60 Die Balearen in Wort und Bild geschildert und folgt damit jenem Prinzip, das Denis Diderot (17131784) in den Tafelbänden der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers so eindrucksvoll zum Ausdruck bringt: Ohne bildliche Darstellungen, die auf einen Blick mehr als eine ganze Textseite zu sagen vermögen, würde ein noch so gut geschriebenes Nachschlagewerk 61 in seiner Aussage stets vage und unklar bleiben! 62 Diderots Enzyklopädie war Ludwig Salvator zweifellos nicht nur bekannt, sondern diente ihm offenbar auch als unmittelbare Anregung in der Konzeption seiner Abbildungen, die, wie die Gegenüberstellung deutlich zeigt, sowohl in der graphischen Komposition als auch der Art Tätigkeits63 bzw. Funktionsabläufe darzustellen, Diderots Vorlage aufnimmt . 60 Ludwig Salvator (1897, p. I.) Diese bei Leo Woerl erschienene Ausgabe stellt eine im wesentlichen unveränderte (ohne Farbtafeln und statistisches Material), aber viel handlichere Neuauflage in zwei Bänden der ursprünglich siebenbändigen bei Brockhaus in Leipzig erschienenen Prachtausgabe (1869-1884). 61 Carnevali (2002, p. XIX); Mader (2002a, pp. 32f.). 62 Ludwig Salvators Urgroßvater, Großherzog Pietro Leopoldo, gestattete nicht nur die Herausgabe der dritten Auflage der Encyclopédie in Livorno (1770-1780), er förderte sie auch finanziell, wofür die Livorner Ausgabe ihm zum Dank gewidmet wurde. Wandruszka (1965, pp. 280f.). 63 Mader (2006a, pp. 295-297). Baumwollbearbeitung, Diderot & D’Alembert, Encyclopédie. (Carnevali 2002, 21) Tayador de Tabac“, Ludwig Salvator Ě1Řř7, II, 315ě Windmühle in Diderot & D’Alembert, Encyclopédie. (Carnevali 2002, 16) Windmühle in Ludwig Salvator (1897, I. 342) Foto B. Mader 64 Bemerkenswert erscheint Ludwig Salvators „Wort-Bild-Prinzip“ auch vor dem Hintergrund der Methode „Wörter und Sachen“, die sich zur Erforschung der Herkunft, Geschichte und Bedeutung 65 66 von Wörtern und Sachen desselben Prinzips bedient und parallel entwickelt wurde . Hugo Schuchardt (1842-1927), Romanist und gemeinsam mit dem Indogermanisten Rudolf Meringer (185967 1ř31ě Hauptvertreter der Richtung „Wörter und Sachen“ , hatte nämlich 1869, gleichzeitig mit dem Erscheinen der Tabulae und ein Jahr vor Veröffentlichung des ersten Bandes der Balearen in Wort und Bild, damit begonnen, Sachkunde mit Wortforschung zu verbinden. Während bei etymologischen Untersuchungen bisher die rein linguistische Ableitung eines Wortes im Vordergrund stand, forderte Schuchardt, nun auch dem Bezeichnungswandel nachzugehen, da „sich ja von Ort zu Ort die äußeren Beziehungen der Menschen zu dem Dinge ändern“ und sich „mit ihnen“ auch „sein Name“ ändert. Daraus leitete er auch die „Verpflichtung“ ab, „dem Wort das Bild hinzuzufügen“ und so „illustrierte 68 Etymologien zu liefern“ . Eine Verpflichtung, der auch Ludwig Salvator, in seinen bebilderten Beschreibungen von Hausrat, Werkzeugen, Gerätschaft und dergleichen, stets nachgekommen ist, 69 ohne jedoch mit Schuchardt und Meringer in Kontakt getreten zu sein . In entsprechender Weise fügte er ebenso seiner für den XII. Orientalistenkongress in Florenz (1911) verfassten Abhandlung 70 über die Voci di origine araba nella lingua delle Baleari im Falles des Zimmermannsterminus „alfarda“ eine einfache Zeichnung zur eindeutigen Klärung des Begriffes hinzu. 64 Mader (2006a, pp. 297-300) mit Beispielen. Rudolf Meringer gibt für „Sachen“ folgende Definition: „Unter Sachen verstehen wir nicht nur die räumlichen Gegenstände, sondern ebensowohl Gedanken, Vorstellungen und Institutionen, die in irgendeinem Worte ihren sprachlichen Ausdruck finden.“ Meringer Ě1ř0ř, vol. I, p. 1ě. 66 Mader (2006a, p. 301). 67 Zur Geschichte des Forschungsprinzips „Wörter und Sachen“ vgl. Meringer Ě1ř0řě; Moser Ě1řř2ě und SchmidtWiegand (1992). 68 Schuchardt zitiert nach Lochner-Hüttenbach (1992, p. 78). 69 Im Zuge meiner Forschungen über Ludwig Salvator konnte ich bisher keine Hinweise auf Kontakte finden. 70 Nach einer kurzen historischen Einleitung folgt ein „Dizionaretto“ bzw. Katalog von 223 Arabismen unter Anführung der jeweiligen Etymologie. 65 Stichwort „alfarda“ mit erklärender Abbildung aus Ludwig Salvators Voci di origine araba nella lingua delle Baleari (1911, 33) Foto B. Mader 71 Die Verbindung von Ethnographie und Linguistik, ein fixer Bestandteil in Ludwig Salvators Beschreibungen, zeichnet auch zwei dieser Aufgabenstellung speziell gewidmeten Werke aus: die Zärtlichkeits-Ausdrücke und Koseworte in der Friulanischen Sprache und die Rondayes de Mallorca, eine aus 54 Texten bestehende Sammlung von „eigentlichen“ Märchen ĚRondayesě, Erzählungen ĚCuentosě und „wahren Geschichtchen“ ĚFets und Cuatre Motsě, die Ludwig Salvator durch Antonio Peña, den Sohn des mallorquinischen Schriftstellers Pere d‘ Alcàntara Penya i Nicolau ĚPedro de Alcantara Peña 1823-1ř06ě, in allen Ortschaften der Inseln sammeln und „wörtlich nachschreiben“ ließ, „wie sie aus dem Volksmund kamen“ ohne die gesprochene Sprache stilistisch zu glätten oder 72 durch die „korrektere“ und „reinere, gemeinsame Sprache Aragons“ zu ersetzen . Mit Ortsangaben zur jeweiligen Herkunft, Anmerkungen zu historischem Hintergrund sowie Funktion der erzählten Geschichten und Erklärungen bestimmter Ausdrücke versehen, stellen die 1895 erschienenen 73 Rondayes de Mallorca, noch lange bevor der katalanische Linguist Antoní Griera i Gaja (1887-1974) 74 mit seiner Arbeit am katalanischen Sprachatlas begann (1912), die erste Veröffentlichung und 75 zugleich Materialsammlung zur mallorquinischen Ausformung des Katalanischen dar . Im Bewusstsein um die Bedeutung der ungezwungenen „Sprache im Munde des Volkes“ für linguistische und volkskundliche Forschungen entstanden zwei Jahrzehnte später die Zärtlichkeits76 Ausdrücke und Koseworte in der Friulanischen Sprache . Anlässlich eines längeren Aufenthaltes in 77 Görz erinnerte sich Ludwig Salvator das Friulanische vor rund 40 Jahren in Muggia noch im familiären Gebrauch gehört zu haben, seither aber hatte sich dessen Verbreitungsgebiet zunehmend 78 verringert und mancher vernachlässigte seine Muttersprache . 71 Vgl. z.B. die Wiedergabe von Märchen in Ustica (Ludwig Salvator 1898, 36-48) oder der Volkslieder und Sprichwörter in den Werken über die ionischen Inseln. 72 Zitiert nach der Einleitung zu der ein Jahr nach der Originalversion erschienenen deutschen Ausgabe. Ludwig Salvator (1896, p. IX). 73 Antoní Griera i Gaja gehörte übrigens auch zu den Mitarbeitern von „Wörter und Sachen“. Lochner von Hüttenbach (1992, p. 67). 74 Atlas lingüístic de Catalunya, 8.vol. Abadia de Montserrat etc. 1923-1964. Goebl (1992, p. 269). 75 Zum Mallorquinischen vgl. Katalanisch: Externe Sprachgeschichte und Katalanisch: Areallinguistik. In: Lexikon der Romanischen Linguistik (LRL), vol. V., Tübingen 1991, 232ff. und 243ff. Zur zeitgenössischen Rezeption der mallorquinischen Märchen durch den berühmte Physiologen und Anthropologen, Paolo Mantegazza (1831- 1910), siehe Mader (2006a, pp. 311f. und Note 51). Ludwig Salvator ist mit seiner Märchensammlung auch in Band 8 der Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung. Berlin-New York 1996, Spalte 1246-1248 vertreten. 76 Ludwig Salvator (1915, pp. 3-26). 77 Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste Ludwig Salvator seine Besitzung in San Rocco (Muggia) bei Triest aus Sicherheitsgründen verlassen und hielt sich fast ein Jahr in Görz (heute Gorizia/Italien) auf, wo neben italienisch, deutsch und slowenisch auch friulanisch gesprochen wurde. Mader (1998, pp. 159f.); CoroniniCronberg (1891, pp. 162f.). 78 Ludwig Salvator (1915, p. 7). Zur Bewahrung und Belebung des Friulanischen, das er ganz selbstverständlich wie 79 richtigerweise als eigenständige Sprache und nicht Dialekt ansah , hatte Ludwig Salvator unter 80 81 Mitwirkung der beiden Friulaner Ugo Pellis (1882-1943) und Dolfo Zorzut (1891-1960) eine reiche Sammlung von „Zärtlichkeitsausdrücken und Koseworten“ zwischen „Mutter und Kind“ sowie unter „Liebhabern“ zusammengestellt, wobei die Ausdrücke nach semantischen Kriterien geordnet und zum 82 überwiegenden Teil im vollständigen Satzkontext wiedergegeben werden. Auf diese Weise wird der Leser nicht nur in die Sprache und Redensart der Friulaner eingeführt, sondern erhält auch Einblick in 83 deren alltägliche Lebensgewohnheiten und Bräuche . Ugo Pellis (letzte Reihe, zweiter von rechts, mit Hut) 1915 auf Schloss Brandeis mit Familie Vives. Foto Privatbesitz Ähnliche erhellende Einblicke zu vermitteln bemühte sich Ludwig Salvator in seinem Bilderwerk über die Trachten aus den Bergen und Inseln der Adria. So wie er die „märchenhaften Erzählungen“ Mallorcas „noch bevor der nivellirende Wind moderner Kultur das alles weggefegt haben wird“ festhalten wollte, erschien es ihm von dringender Notwendigkeit, „das was verschwindet“ auch „auf jener Küstenstrecke, die sich vom Quarnero bis zum nördlichen Albanien hinzieht und die aus einem Teile von Kroatien, der Herzegowina und Albanien gebildet wird“, rechtzeitig zu dokumentieren, und so die „vielleicht in keinem Lande Europas“ so einzigartige, aber bereits „allmählich“ abnehmende 84 „Mannigfaltigkeit der Trachten“ zumindest in Abbildungen „aufzubewahren“ . 79 Ludwig Salvator gibt eine dem damals neuesten Stand der Romanistik entsprechende Einführung zur Stellung des Friulanischen innerhalb der Romania, zitiert Ascoli und Gartner, erklärt die Termini „ladino“ und „rätoromanisch“ und stellt sogar gewisse Ähnlichkeiten mit dem Katalanischen fest. Ludwig Salvator Ě1ř15, pp. 36, 8). 80 Ugo Pellis, damals noch Gymnasialprofessor in Triest, wurde später vor allem als Initiator und Präsident der Società filologica friulana und Mitarbeiter am Atlante linguistico italiano, der jedoch unveröffentlicht blieb, bekannt. Er bediente sich der Photographie zur bildlichen Fixierung von Gegenständen des alltäglichen Gebrauches in Friaul und hinterließ ein reiches Photoarchiv. Ellero & Zannier (1999). 81 Dolfo Zorzut, damals noch Student, beschäftigte sich später als Lehrer eingehend mit dem Friulanischen und betrieb auch ethnographischen Studien und sammelte Märchen. 82 Die Ausnahme bilden 2Ř Wörter aus der Kindersprache, die sogenannten „Pasch“- oder „Lallwörter“. 83 Mader (2006a, pp. 305-307). Zur modernen Bedeutung des Werkes vgl. Elwert (1986). Ludwig Salvators Sammlung an Zärtlichkeitsausdrücken und Koseworten wurde auch in den Nuovo Pirona, das als Standardwerk geltende Wörterbuch des Friulanischen aufgenommen, vgl. Il nuovo Pirona. Vocabolario Friulano, Udine: 1935, XXVIII. 84 Ludwig Salvator (1904, p. III).  Bleistiftskizze Ludwig Salvators ĚPrivatbesitzě als Grundlage zur Abbildung „Frau aus der Umgebung von Zara" (Zadar, Kroatien) Foto B. Mader "Frau aus der Umgebung von Zara“, Tafel Nr. 13 (Ludwig Salvator 1904) Foto B. Mader Dabei beschränkte er sich jedoch nicht nur auf die reine Darstellung der Trachten und ihrer Träger, sondern präsentierte sie stets in ihrem typischen Umfeld und verfasste zu jeder Abbildung einen kurzen die Lebensverhältnisse erläuternden Text. „Mann aus der Umgebung von Zengg“ ĚSenj, Kroatieně ĚLudwig Salvator 1ř04, Tafel 4) Foto B. Mader Ludwig Salvator war sich nur allzu bewusst, dass Kulturwandel und Modernisierung häufig 85 auch Verfall der Volkskultur bedeuten . Ererbtes Kulturgut zu dokumentieren und gleichsam in „Wort und Bild“ zu bewahren war ihm daher ein vorrangiges Anliegen. Aus demselben Beweggrund rief Ludwig Salvator auch zwei kleine Museen ins Leben. Angeregt durch Weltausstellungen und ähnliche Großveranstaltungen, deren 86 leidenschaftlicher Besucher er war, beschloss er 1888, auf seiner mallorquinischen Besitzung Son Moragues ein öffentlich zugängliches Landwirtschafts- und Industriemuseum der Balearen, das Museo Agrícola Balear Industrial, einzurichten, das vor allem den Fremden einen Überblick über „die Produkte dieser Inseln und ihrer Manufakturen“ vermitteln und in einer speziell der Ethnographie 87 gewidmeten Sektion „die Trachten und Objekte der Bevölkerung“ vorstellen sollte. Alle Bewohner waren aufgerufen, mit Ausstellungsstücken zur Realisierung des Museums beizutragen. Schließlich kam das Museo Balear in einem viel kleineren als ursprünglich geplanten Rahmen zustande. Es wurde jedoch häufig und stets gerne von Reisenden besucht, die die „Zimmer“ im Obergeschoß des Herrschaftshauses „mit mallorquinischen Möbeln und Hausrat, allerhand Steinzeitlichem, alten und neuen Industrieprodukten (unter ihnen große Prunkvasen aus Felanitx mit ihrer durchbrochenen Spitzenmusterornamentik und fabelhaften Vögeln) und einer sehr hübschen Sammlung 88 zeitgenössischer mallorquinischer Gemälde angefüllt“ vorfanden . 89 Sieben Jahre später erwarb Ludwig Salvator 1Řř5 in Prerau an der Elbe ĚP erov nad Labemě das aus dem Jahre 1736 stammende Haus des Dorfschmiedes, um hier nach dem Vorbild des 1891 in 90 Stockholm gegründeten „Skansen Museums“ , ein Freilichtmuseum zur Erhaltung der ländlichen Bausubstanz und Vorführung von Handwerken einzurichten, und legte mit dieser Initiative den 85 Wie sehr er sich dessen bewusst war, zeigt allein schon der hohe volkskundliche Anteil der Tavolae Ludovicianae. Rund ein Viertel aller Stichwörter betrifft Forschungsbereiche der Ethnographie und damit eng verbundene linguistische Fragestellungen. 86 Ludwig Salvator besuchte im Laufe seines Lebens gut 30 derartiger Ausstellungen. Siehe auch Mader (2002b und 2005b) und Ludwig Salvator (1911). 87 March Cencillo (1998, pp. 242f.) 88 Bürger Ě1ř24, p. 247ě erwähnt ebenda, dass sich unter den Gemälden neben Landschaften auch „Volkstypen und Gemälde, die auf Gebräuche Bezuge nehmen, wie die roten Trommler des Municipio von Palma“ fanden. 89 Schloss Prerau gehörte zur Domäne Brandeis an der Elbe, die Ludwig Salvator 1870 von seinem Vater geerbt hatte. 90 Das „Skansen Museum“ wurde nach dem Muster der damals auf Weltausstellungen üblichen ethnografischen Dörfer als erste Ausstellung translozierter Bauernhäuser und Handwerksbetriebe unter freiem Himmel errichtet. Mader (2006a, p. 313, Note 59). Grundstein zu dem in P erov heute noch existierenden und inzwischen mehrere historische 91 Haustypen umfassenden Freilichtmuseums Skanzen . Haus des Dorfschmiedes im P erov, Freilichtmuseum Skanzen. Foto B. Mader Nicht unerwähnt in diesem Kontext dürfen auch Ludwig Salvators naturkundliche und archäologische Sammlungen bleiben, die er auf seinen Wohnsitzen und in kleinerem Rahmen sogar 92 an Bord seiner Dampfyachten untergebracht hatte. Die umfangreichsten Kollektionen befanden sich auf Schloss Brandeis in Böhmen. In den Verlassenschaftsabhandlungen nach Ludwig Salvators Tod im Oktober 1915 ist vom „Erkergemach“ des sogenannten „Laboratoriums des verstorbenen Erzherzogs“ die Rede, das eine „hervorragende Sammlung von Schmetterlingen, Käfern, Insekten und Muscheln in tadellosem Zustand“ beherbergt. Aus Ludwig Salvators Brandeiser Käfersammlung. Foto B. Mader 91 92 Hrabĕtova Ě2002ě. Mader (2006b, p. 88f.). Ein „präparirtes Krokodill“ hingegen hatte in einem anderen Raum in einem Glaskasten Platz gefunden, und im Gang sowie in einigen Räumen des zweiten Stockes waren Kästen mit Mineralien und Meeresgewächsen, Stopfpräparate von Reptilien, Vögeln und exotischen Tieren sowie 93 verschiedene Tierskelette untergebracht . Sammlung auf Schloss Brandeis, historische Ansicht (Archiv Kreismuseum Brandeis a. d. Elbe/Okresní muzeum Brandýs nad Labem) Als regelrechtes „Museum der Ausgrabungen“ mit einem geschätzten Wert von mindestens 10.000 Kronen aber wurde die archäologische Sammlung bezeichnet, die sich ebenfalls im zweiten Stock in Vitrinen befand und heute mit insgesamt 526 Inventarnummern nahezu vollständig in der 94 Antiken-Abteilung des Prager Nationalmuseums vertreten ist. Archäologische Sammlung auf Schloss Brandeis, zwei historische Ansichten (Archiv Kreismuseum Brandeis a. d. Elbe/Okresní muzeum Brandýs nad Labem) 93 ÖStA, HHStA, OMaA III/B 224, 509 Brandeis; Mader (2006b, p. 89). ÖStA, HHStA, OMaA III/B 224, 509; Mader (2006b, p. 89) und Mader (2006/2007, p. 271); Svobodová (1994 und 2002). 94 Im Gegensatz zur archäologischen Kollektion gelangten aus der naturkundlichen Sammlung 95 lediglich einige ausgestopfte Vögel Tauben aus Ludwig Salvators ornithologischer Kollektion im Prager Nationalmuseum. Foto B. Mader und vier Kassetten mit Exemplaren vorwiegend exotischer Käferarten in das 96 Nationalmuseum . 95 Zur Wiederauffindung weiterer Exemplare aus Ludwig Salvators ornithologischer Sammlung siehe Mader (2006/2007, p. 271). 96 Mader (2006/2007, p. 271). Brandeiser Käfersammlung im Prager Nationalmuseum. Foto B. Mader Sammelobjekte verschiedenen Charakters finden sich auch in Ludwig Salvators Mallorquiner Besitzungen, darunter auf Son Masroig eine rund 80 Fundstücke umfassende archäologische 97 Sammlung, die sich vor allem durch eine ansehnliche Kollektion griechischer Vasen auszeichnet . Archäologische Sammlung auf Son Masroig (Mallorca). Foto B. Mader Ludwig Salvator bewahrte Archäologie jedoch nicht nur in Vitrinen, sondern seiner Methode gemäß auch in „Wort und Bild“. Neben seinen ausführlichen Beschreibungen und Darstellungen 98 antiker Baureste im Mittelmeerraum – vor allem auf nordafrikanischem Boden – 97 98 Trias (1993, pp. 273-284). Vgl. Mader (2009b, pp. 94-110); Ludwig Salvator (1873). Amphitheater von El Djem (Tunesien), Zeichnung Ludwig Salvator (1874) Foto B. Mader kommt gerade jenen der prähistorischen Megalithbauten auf Mallorca und Menorca größte Bedeutung zu, war Ludwig Salvator doch der erste, der in seinem Balearenwerk alle damals bekannten Trockensteinbauwerke (Talaiots, Tavles und Navetas) der prätalayotischen und 99 talayotischen Kultur systematisch aufnahm und deren damaligen Zustand bildlich dokumentierte. Haupteingang in die Tumuli – Einfassung bei Artá“ ĚTalayot Siedlung Ses PaÏsses bei Artá) Ludwig Salvator (1897, II, 143) Foto B. Mader Und dies zu einem Zeitpunkt (1870-1890), als die prähistorische Archäologie als selbständige wissenschaftliche Disziplin gerade erst am Anfang stand. Entsprechend anerkennend äußerte sich 99 Die prätalayotische Kultur (1700-1300 v. Chr.) wird von der talayotischen Kultur abgelöst, die mit der römischen Eroberung Mallorcas (123 v. Chr.) endet. Arrabu-Garriudo-Sastre (1998, p. 24); Rosseló-Bordoy (1979). Emil Cartailhac (1845-1921), einer der Begründer und bedeutendsten Protagonisten der frühen 100 französischen Urgeschichtsforschung , über „Ce grand et magnifique ouvrage“, in dem „les 101 102 monuments primitifs tiennent leur bonne place“ , über die er 1892 selbst ein umfangreiches Werk 103 herausgab. Und Ferdinand von Hochstetter (1829-1884) , Intendant des k.k. naturhistorischen Hofmuseums sowie Vorsitzender der auf seine Initiative ins Leben gerufenen Prähistorischen Kommission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (1878), war „für die interessanten Bemerkungen über die Tumuli auf den Balearen“ so „sehr dankbar“, dass er die Bitte wagte, „ob Kaiserliche Hoheit Sich nicht bestimmen liessen, Ihre Beobachtungen und Erfahrungen über diese Tumuli in einem besonderen Aufsatz für die Mittheilungen unserer Anthropologischen Gesellschaft 104 zusammenzustellen“ . Ferdinand von Hochstetter. Foto Privatbesitz Gleichzeitig hätte er Ludwig Salvator nur zu gerne zu weiteren Forschungen an der marokkanischen Küste veranlasst, wo „zahlreiche alte Grabhügel Ětumuliě vorkommen“ sollten, „die 105 noch unerforscht“ waren. Ein Ansinnen, das er, obwohl Ludwig Salvator dem Vorschlag nicht 106 nachgekommen war, zwei Jahre später bezüglich Bosnien wiederholte . Ludwig Salvator war kein Ausgräber und fühlte sich offenbar auch nicht zur systematischen Erforschung archäologischer Fundstellen berufen. Stets um höchste Kompetenz bemüht aber lud er die klassischen Archäologen Botti und Dörpfeld zur Mitarbeit an seinen Werken ein. So bat er Giuseppe Botti (1852-1903), den ersten Direktor in der Geschichte des 1892 gegründeten Museums der griechisch-römischen Altertümer in Alexandrien, für sein Buch über 107 Ramleh als Winteraufenthalt eine längere Abhandlung zur antiken Geschichte und Archäologie des 108 Nildeltas zu verfassen . Und der deutsche Architekt, Archäologe, Mitarbeiter und Nachfolger Heinrich Schliemanns auf Troja, Wilhelm Dörpfeld (1853-1940), trug mit einem Bericht über seine Ausgrabungen auf den Ionischen Inseln Levkas (Lafkáda) und Ithaka (Itháki) zu Ludwig Salvators 109 Wintertage auf Ithaka bei. 100 Filip (1966, p. 204). Cartailhac (1892, p. 10). 102 Cartailhac, der sich bereits in frühester Jugend mit den Domen in Aveyron beschäftigt hatte, verfasste die Monuments primitifs des îles Baléares, worin er sich auch auf Ludwig Salvator bezog. 103 Ferdinand von Hochstetter war Geologe und Mineraloge und maßgeblich am Aufbau der österreichischen Urgeschichtsforschung beteiligt. Zu seinem prähistorischen Werdegang und Wirken vgl. Andrian (1884, pp. [78][82]); Mader (2015). 104 ÖStA, HHStA, Ludwig Salvator K6, Konv. 1, Hochstetter-Ludwig Salvator, Wien 04.12.1877. 105 ÖStA, HHStA, Ludwig Salvator K6, Konv. 1, Hochstetter-Ludwig Salvator, Wien 14.11.1877. 106 ÖStA, HHStA, Ludwig Salvator K6, Konv. 1, Hochstetter-Ludwig Salvator , Wien - Oberdöbling 04.05.1879. 107 Ludwig Salvator (1900). 108 Ludwig Salvator (1900, pp. 103-148). 109 Ludwig Salvator (1905, pp. 301-310). 101 Wilhelm Dörpfeld (Duchêne 1996,107) Aus Anlass des mit der Entdeckung Trojas entflammten wissenschaftlichen Disput um die Identifizierung der Heimat Odysseus‘, für die Dörpfeld die Insel Levkas vorgeschlagen hatte, fügte Ludwig Salvator den Wintertagen auf Ithaka auch ein Kapitel unter dem Titel Archäologische Plaudereien und geschichtliche Winke hinzu, in dem er nicht nur seine persönlichen Überlegungen zu diesem Thema darlegte, sondern vor allem auch Dörpfelds neueste Forschungsergebnisse samt einem kurzen Abriss von dessen Levkas-Theorie vorstellte. Konnte er auch bei „aller Verehrung für Dörpfelds Wissen“ dieser Theorie nicht zustimmen, so wollte er diese dem Leser, der dann „nach 110 eigenem Ermessen urtheilen könne“, dennoch zur Kenntnis bringen . Die Mitarbeit hochrangiger Forscher und Gelehrte war nicht allein auf den archäologischen Bereich beschränkt. Von Anfang an war Ludwig Salvator bestrebt, über die aus den Tabulae gewonnenen Resultate hinaus auch selbständige Beiträge bzw. Abhandlungen anerkannter Spezialisten, vor allem aus den Reihen der Naturwissenschaften, in seine Werke einzubeziehen. Und wie er bereits Schaufuss für sein Coleopterenbüchlein verpflichtet hatte, so konnte er auch später immer wieder Experten verschiedener Disziplinen zur Mitarbeit gewinnen. Dazu zählten unter anderen Antonio Borzi (1852-1921), Professor für Botanik an den 111 Universitäten Messina und Palermo, der einen Katalog der auf Ustica vorkommenden Pflanzen erstellte, der Botaniker, Prähistoriker und langjährige Direktor des Naturhistorischen Museums in 112 Triest, Carlo Marchesetti (1850-1926), der ein Verzeichnis der Flora von Ramleh bei Alexandrien verfasste, Friedrich Becke (1855-1935), Inhaber des Lehrstuhls für Mineralogie und Petrographie an den Universitäten Prag und Wien und späterer Generalsekretär der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, der als Spezialist für Eruptivgestein und Mineraloptik an mehreren Werken Ludwig 113 Salvators mit eigenen Abhandlungen und Gesteinsanalysen beteiligt war , Friedrich Becke. Foto Privatbesitz Ludwig Ganglbauer (1856-1912), Entomologe am k.k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien, 114 der die Bestimmung der auf den Columbretes gefangenen Insekten durchführte und Theodor Fuchs (1842-1925), Direktor der geologisch-paläontologischen Abteilung des Hofmusems, der sich mit dem 115 geologischen Aufbau der Küste bei Alexandrien befasste. 110 Ludwig Salvator (1905, p. 301). Ludwig Salvator (1898, pp. 3-26). 112 Ludwig Salvator (1900, pp. 25-28). 113 Mader (2002a, p. 35). 114 Ludwig Salvator (1995b, pp. 93-109). 115 Ludwig Salvator (1900, pp. 16f.) 111 Theodor Fuchs. Foto Privatbesitz Hier sei auch Giovanni Pitrè (1841-1916), der Begründer des ethnographischen Museums in Palermo (1910), genannt, der durch sein 25bändiges Werk, die Biblioteca delle tradizioni popolari siciliani Berühmtheit erlangte und als „eminenter Kenner des sicilianischen Volkes“ Ludwig Salvators 116 Beschreibung von Ustica und der Liparischen Inseln durch wertvolle Hinweise unterstützte . Nicht zuletzt sollen auch Éduard Alfred Martel (1859-1938), der Begründer der modernen Speläologie, Éduard Alfred Martel ĚAndré & Duthu, L’homme qui voyageait pour les gouffres. Archives Départementales de la Lozère, Mende 1999) und Friedrich Will, Balearenreisender und dilettierender Entomologe, erwähnt werden. Während nämlich Martel 1896 von Ludwig Salvator mit der wissenschaftlichen Erforschung der 117 Cuevas del Drach (Coves del Drac) auf Mallorca beauftragt wurde , hatte Will bereits 1880 Untersuchungen in den Drachenhöhlen durchgeführt und den ersten Plan dieses Höhlensystems erstellt, der nicht nur Ludwig Salvator für sein Balearenwerk diente, sondern auch Martel für die 118 Durchforschung der Coves von Nutzen sein sollte . 116 Mader (2006a, p. 312); Ludwig Salvator (1893, p. IV). Zur freundschaftlichen Beziehung und Zusammenarbeit zwischen É. A. Martel und Ludwig Salvator vgl. Mader (1994) und Mader (1997). 118 Mader (2005c, pp. 61-70 und Abb. 4, 5). Will ist darüber hinaus auch ein Beispiel für Ludwig Salvators stete Bereitschaft, Forschungen aller Art zu unterstützen und zu fördern. Vgl. Mader (2005c) und Mader (2002a, pp. 43-44). 117 Cuevas del Drach, oben: F. Wills Plan und unten: E. A. Martels Plan (Ginés & Ginés 1992, 6f.; Mader 2005c, 67, Fig. 5) 119 Im Falle Martels, der 1901 in Ludwig Salvators Auftrag noch zwei weitere Höhlen auf Mallorca untersuchen sollte, gestaltete sich die Beziehung nicht einseitig. Ludwig Salvator hatte auf Einladung Martels zur Gründung der 1894 in Paris ins Leben gerufenen Société de Spéléologie 120 beigetragen und war zudem selbst Mitarbeiter der Zeitschrift Spelunca geworden, für die er zwei 121 Beiträge über Höhlen auf Mallorca und Formentera verfasste . Ein Umstand, der auch mit Ludwig Salvators Reputation als Wissenschaftler zu tun hat, eine Reputation, die nicht zuletzt in der langen Liste von Ehrenmitgliedschaften altehrwürdiger Akademien 122 und gelehrter Gesellschaften sowie internationalen Auszeichnungen ihren Ausdruck findet. Ludwig Salvators Dankschreiben an Ritter von Arneth vom 25. August 1889 anlässlich seiner Ernennung zum Ehrenmitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien (Mader 2002a, pp.6-7). „Eine Fülle von Idealen birgt das menschliche Leben und glücklich derjenige, der sie bis an 123 den Abend seiner Tage bewahrt!“ , ein Ausspruch Ludwig Salvators, der auch für ihn selbst Geltung 124 behalten sollte. Bis an sein Lebensende blieb er seinem aufklärerischen Credo der 119 1901 untersuchte Martel zwei weitere Höhlen auf Mallorca, die Cueva del Pirata und die Cueva del Puente. Martel (1903, p. 333). 120 Mader (1999, pp. 314f.). 121 Ludwig Salvator (1898, pp. 83f.) und Ludwig Salvator (1899, pp. 75f.). Zu Ludwig Salvators Interesse für Speläologie, die auch stets in seine Werke Eingang fand, vgl. Mader (2001, pp. 156-179) und Mader (2003, pp. 289-298). 122 Zu Ludwig Salvators Ehrenmitgliedschaften und Auszeichnungen siehe Mader (2002a, p. 18). 123 Ludwig Salvator (1896, vol.7, Stromboli p. 9). 124 Nach den Zärtlichkeitsausdrücken, die 1915 herauskamen, erschien Ludwig Salvators letztes Werk über die Auslug- und Wachttürme Mallorcas erst posthum 1916. Zum Werkverzeichnis Ludwig Salvators vgl. Farolfi (19721973, pp. 373-391). Wissensvermittlung treu und versuchte unermüdlich, wenig Beachtetes wie überhaupt Unbekanntes, aber auch Dahinschwindendes einem breiteren Kreise der Öffentlichkeit in „Wort und Bild“ näher zu bringen. Seine Werke haben bis heute nicht an Bedeutung verloren, vielmehr stellen sie in einer von Schnelllebigkeit und radikaler Veränderung charakterisierten Zeit mehr denn je eine reiche Quelle für zukünftige Projekte aus den Bereichen der Kultur- und Naturwissenschaften dar. Quellen NA Praha, RAT/Leopold II; Ludvik Salvator ÖStA, HHStA, Habsburger Familienarchiv/Nachlass Ludwig Salvator ÖStA, HHStA, OMaA III/Verlassenschaftsabhandlung Ludwig Salvator Literatur ANDRIAN 1884 ANDRIAN, F. Ferdinand von Hochstetter. Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien, Wien: 1884, XIV, pp. [78] - [82]. ARRABU & GARRIDI & SASTRE 1998 ARRABU, J. – GARRIDI, C. – SASTRE, V. Guía arqueológica de Mallorca. Palma de Mallorca: 3 1998 . BAUMHAUSER 2001 BAUMHAUSER, J. F., Hausforschung. In: R. W. BREDNICH, ed., Grundriß der Volkskunde. 3 Einführung in die Forschungsfelder der europäischen Ethnologie. Berlin 2001 , pp. 102 f. 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