prägen und kommunizieren,
schätzt eine Studie des
Britischen »Department for
Business, Innovation and
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Andreas Unteidig
Skills« das Budget für SmartCity-Projekte bis 2020 auf
Design im
Dunstkreis der
Smart City
15 min.
Lachende Familien, souveräne Konsumenten, entspannte
Berufstätige und dazwischen: Sensoren, unsichtbare
Datenströme, die alles regeln – pure Efizienz. Das Auto
weiß, wo es zu parken hat, das Geschäft läuft reibungslos, die städtische Versorgung ist wie auch der Verkehr
automatisiert, jeder hat unbegrenzten Zugang zu Wissen und die Menschen können endlich glücklich sein und
sich auf das Wesentliche konzentrieren. So und so
ähnlich erzählen Unternehmen wie Google, Telefonica,
Microsoft, Cisco, IBM, Hitachi oder Oracle die Geschichten der städtische Zukunft, der Smart City. Dabei
lächeln sie natürlich recht freundlich, sie haben schließlich allen Grund dazu:
Während der Markt für
»intelligente« Infrastrukturen
sich immer deutlicher auf eine
Handvoll Unternehmen
verteilt, die die dazugehörigen,
gesellschaftlichen Narrative
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408 Billionen Dollar.
Dem Design dürfte davon einiges zuteil werden, verlangt
dieser Markt doch sicher nach Myriaden neuer Objekte,
Interfaces und Services. Und obgleich oder gerade weil
es in der Verwirklichung der gleichermaßen romantisierten
wie machtvollen Vision der Smart City ohne Zweifel zu
zahlreichen veritablen Projekten für Designerinnen und
Designer kommen wird, lohnt es sich, das Verhältnis
von Design, Technologie und der Stadt zu hinterfragen,
um möglicherweise spannendere und gesellschaftlich
relevantere Positionen für das Design zu antizipieren.
Doch über was sollen wir nachdenken, wenn wir von
der Stadt sprechen?
Gibt es doch unzählige Konzepte, Theorien, Bücher,
Artikel, Deinitionen und Gegendeinitionen zum Thema. Betrachten wir sie aus der Perspektive des Designs,
scheint es sinnvoll, den Fokus auf das Urbane zu richten,
also auf das Leben, welches sich in der Stadt abspielt
und welches die Stadt produziert; statt auf die Steine,
Straßen und Kabel, aus welchen eine Stadt eben auch
besteht, blicken wir auf die Stadt als soziale Praktik, als
Produkt der urbanen Gesellschaft.
Der US-amerikanische Soziologe Louis Wirth beschrieb
eben diese Gesellschaft bereits 1938 als groß, dicht
und heterogen – die Stadt also als Ort, an dem eine große
Menge unterschiedlichster Menschen und Gruppierungen aufeinandertreffen, mit verschiedenen Hintergründen,
Weltanschauungen, Interessen, Ideologien, Wünschen,
Bedürfnissen und Perspektiven. Als Ort, wo diese Menschen, ohne sich zu kennen, permanent miteinander
in Kontakt kommen und Wege des gemeinsamen Auskommens inden müssen: das städtische Leben als
gesellschaftlicher Aushandlungsprozess.
Bazon Brock geht so weit, die Stadt als den Ort zu bezeichnen, an den wir kommen, um uns zu vergewissern,
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dass die Anderen auch keine Antwort auf die wirklich
wichtigen – weil unlösbaren – Probleme kennen. Damit
sieht er die Stadt als den Ort der Ungewissheit, des
Widerspruchs, der Ambivalenz und der Infragestellung
und damit als Gegenthese zu inalen Antworten, etwa
aus der Religion oder der Ideologie.
Das heißt nun sicher nicht, dass die Stadt der Ort ist,
an welchem das Aushalten dieser Widersprüchlichkeit
reibungslos funktioniert, im Gegenteil: Stadt ist
Reibung, Spannung und Komplexität, und die Möglichkeit, an den daraus resultierenden Aushandlungsprozessen teilzunehmen, unterliegt ständigen Kämpfen
und Hegemonieansprüchen (man denke beispielsweise
an die Prozesse um das Tempelhofer Feld in Berlin,
die Kämpfe um Stuttgart 21 oder die Frage, wieviel Mitbestimmungsrechte Immigranten, Wenigverdiener
oder anderweitig marginalisierte Gruppen dieser Gesellschaft haben).
Eine inhaltliche Klammer, die zur Umschreibung dieser
Kämpfe neuerdings wieder öfter genutzt wird, ist
das 1968 von Henri Lefebvre formulierte »Recht auf
Stadt«, das, grob verkürzt, das Recht bezeichnet, an
den Qualitäten und Werde-Prozessen des Städtischen
Anteil nehmen zu können. Dieses Recht ist in mannigfaltiger Form der Gegenstand, über welchen in den
Städten der Welt, mal gänzlich unterschiedlich, mal
recht ähnlich, Kämpfe geführt werden – um bezahlbaren
Wohnraum, um Freilächen für Subkulturen und die
Künste, um Bebauungspläne oder um anderweitige Fragen des Zusammenlebens in der städtischen Zukunft.
Die Grundlage dieser Kämpfe ist die prinzipielle Unmöglichkeit eines abschließenden, allgemeingültigen Konsenses an einem Ort, an welchem unzählige Leben und
Geschichten gleichzeitig stattinden, gelebt von einer
Gruppe von Menschen, die durch die urbanen Attribute
groß, dicht und heterogen gekennzeichnet ist – während
ein permanentes Bis-auf-Weiteres, ein ständiges Verschieben der Machtfelder Ausdruck demokratischer, ja
politischer Prozesse ist.
Die Gleichzeitigkeit also, welche die Stadt prägt, erzeugt
Spannungen und Reibungen, die wir zu verhandeln
suchen, und für eine produktive Verhandlung benötigen
wir eine lebendige Öffentlichkeit – oder besser: viele
lebendige Öffentlichkeiten, die unabdingbar sind für
eine Gesellschaft, die sich selbst als offen, dynamisch,
gerecht, lebendig und demokratisch bezeichnen möchte.
Im republikanischen Ideal sind Öffentlichkeiten gar
der Nukleus jeglicher Idee des Städtischen, in welcher
der Bürger sich für die öffentliche Sache, die Res
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Publica interessiert und entsprechend öffentliche Funktionen übernimmt. Nun hat sich die Art und Weise,
wie diese Funktionen performiert werden, stetig und rapide gewandelt: Von der Agora über die Salons und
die Massenmedien hin zur rasant steigenden Komplexität
unserer heutigen, sich immer weiter urbanisierenden
und hypervernetzten Welt. Unsere Gesellschaften wachsen
nicht nur im materiellen Sinne zusammen, werden größer, dichter und heterogener – urbaner –, sondern auch in
zunehmendem Maße hybrid: Gegenständliche, urbane
Räume verschmelzen mit virtuellen Ebenen, in welchen
der Raum durch Algorithmen vermittelt und koproduziert wird. Städtische Infrastrukturen operieren auf der
Basis von Daten, Stadtbewohner bewegen sich und
kommunizieren durch Daten und sind unentwegt dabei,
Daten zu produzieren. Längst bildet Technologie einen
grundlegenden Parameter für die Art und Weise, wie wir
wahrnehmen, kommunizieren, uns bewegen, wie wir
interagieren und wie unsere politischen Gedanken und
Positionen entstehen und sich verändern – gegenwärtig
erleben wir nun den Aufschwung des Digitalen zu einer
zentralen Einlussgröße in der Produktion urbaner Räume.
Bedenken wir unter diesen Gesichtspunkten den eingangs
skizzierten Hype um die smarte Stadt in Zusammenhang mit der gleichzeitig stattindenden Privatisierun des
Internets durch mitunter dieselben Unternehmen,
drängen sich Fragen auf: offensichtliche Fragen, wie etwa
nach Autorschaft, Besitz, nach Zensur, Privatsphäre
und Überwachung, aber auch Fragen über Zugänge und
Anschlussfähigkeiten. Denn neben der Problematik
der Hegemonie, also der Frage, wer welche technosozialen
Realitäten erschafft und wer diese leben muss, wer
über die Infrastruktur, das Kapital und das Wissen verfügt,
und für wen die stumme Nutzung vorgesehen ist, präsentiert sich die Problematik der Exklusion: Wenn mehr
und mehr soziale, politische und kulturelle Prozesse
digitalisiert werden, müssen wir darüber nachdenken, für
wen diese Prozesse gestaltet sind und wer überhaupt
teilnehmen kann. Bezeichnungen wie »Digital Strangers«
oder das vielbeschworene »Digital Gap« fungieren als
Überschrift für die verschiedenen Formen der Ausgrenzung, der Trennung zwischen zwei gesellschaftlichen
Welten, die der Brite Danny Kruger schon 1997 – damals
noch mit Blick auf die steigende Popularität der Kreditkarte – als die Gruppen der »information haves« und
»information have-nots« bezeichnete, während letztere
typischerweise aus den alten, armen und bildungsfernen
Mitgliedern einer Gesellschaft besteht.
Um den Bogen zurück zur Öffentlichkeit (und alsbald
zum Design) zu spannen, stellen wir uns die tatsächli-
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chen oder imaginären Transformationen im Politischen
vor, die uns seit einigen Jahren in der Gestalt von
Plattformen wie Adhocracy, Neighborland oder auch der
»althergebrachten« Dienste wie Facebook und Twitter
begegnen und nicht nur im Nahen und Mittleren Osten
Veränderungen in den Selbstverständnissen von
Staatsbürgerinnen evoziert haben. Technologie hat Anteil an einem sich vollziehenden Paradigmenwechsel
in gesellschaftspolitischen Prozessen, welche nach neuen, scheinbar informelleren Formen der Organisation
suchen, während die tradierten Formen gesellschaftlichen
Engagements, wie etwa das Parteibuch, an Bedeutung
verlieren. Aber auch diese neuen Paradigmen sind ideologisch vorgeformt, etwa durch Vorstellungen über
den Einsatz der besprochenen Technologien, über die
Beschaffenheit gesunder Öffentlichkeiten und darüber,
wie das städtische Leben verhandelt werden soll – denn
so, wie im urbanen Europa des 18. Jahrhunderts das
soziale und ökonomische Kapital nötig war, um in den
Öffentlichkeiten der Salons, Cafés, Theater und Konferenzen teilzunehmen, brauchen wir heute das entsprechende Kapital, das Wissen und die Infrastruktur, um
an den Verheißungen der Techno-Demokratie teilzuhaben.
Das Ganze ist also alles andere als unproblematisch und momentan stehen wir als
Designerinnen, Technologen, Politikerinnen,
Aktivisten oder anderweitig interessierte
Mitglieder der Gesellschaft vor den sich verändernden Tatsachen ein wenig wie Carl
Spitzwegs‘ »Gnom, Eisenbahn betrachtend«:
skeptisch-distanziert, etwas sentimental und
hin- und hergerissen zwischen der erwartungsvollen Faszination fürs Neue und der
vergeblichen Hoffnung, dass alles wieder
ein bisschen so wird, wie man es kannte.
Für uns Designerinnen bringen die gezeichneten Entwicklungen freilich Unmengen an neuen Fragestellungen,
Herausforderungen und Möglichkeiten mit sich, an der
Gestaltung von Kommunikationstechnologien und
den entsprechend vermittelten Interaktionen teilzuhaben.
Mit Blick auf die anfangs beschriebenen Narrative, die
aus monetären Interes-senslagen geprägt vor allen Dingen
die Simpliizierung und Efizienzsteigerung – oder,
wie Richard Sennett es begreift, geschlossene Systeme –
im Blick haben, sollten wir uns mitunter die Frage
stellen, wie wir Technologien und technologisch vermittelte Interaktionen derart gestalten können, dass sie
die Bildung und Aufrechterhaltung komplexer, offener
und pluralistischer Öffentlichkeiten unterstützen. Dabei
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ist es zunächst beinahe nebensächlich, ob wir der immer
vollständigeren technologischen Durchdringung unserer
Lebenswelt wohlwollend oder auch ablehnend gegenüberstehen – angesichts der rapide sich vollziehenden
Naturalisierung technologischer Vermittlung sollten
wir versuchen, die richtigen Fragen zu stellen, die uns
gebotenen Erzählweisen zu dekonstruieren und mit den
uns zur Verfügung stehenden, designerischen Mitteln
eigene Narrative entwickeln.
Gerade mit Blick auf den wachsenden Einluss gestalteter
Technologie auf die Bildung und Transformation von
Öffentlichkeiten ist es wichtig, mit differenziertem Blick
zu agieren und nicht ausschließlich kulturpessimistische
Positionen zu beziehen, die uns heute ironischerweise am
leichtesten fallen. Gerade dafür jedoch ist es unabdingbar,
die technologische Vermittlung des städtischen Lebens
eben nicht nur aus der Perspektive kapitalistischer
Verwertungslogiken und technodeterministischer Efizienzdynamiken zu denken. Dass dieses Denken und
der Wunsch nach Handlungsmacht und Autonomie für
diejenigen, die in den Städten leben, auch dem Design
nicht nur alte und neue, jedenfalls kritische Positionen
abverlangt, sondern auch produktive Allianzen etwa
mit der Forschung, den bildenden und darstellenden
Künsten, der Open-Source-Bewegung und den politischen Initiativen unserer Städte, liegt auf der Hand.
Um von der Rhetorik der intelligente Stadt
zu einer Perspektive zu gelangen, in
welcher urbane Technologie die Intelligenz
von Individuen und Kollektiven fördert
und fordert, sollte auch das Design darüber
nachdenken, wie neue, lokale Strukturen
geschaffen und gelebt werden können, welche
die skizzierten Wandlungsprozesse demokratischer und zugänglicher machen. Denn
eine »smarte« Stadt muss sich permanent
aus der sozialen Praxis ihrer Bewohnerinnen
hervorbringen, die politisch denken, Autorschaft erleben und ergreifen und an der
Produktion ihrer eigenen Lebenswelten
teilnehmen.
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