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Fremdheit: Eine mehrdimensionale Perspektive

2013, Robert Badenberg

Eine mehrdimensionale Perspektive Badenberg, R. 2013. Fremdheit: Eine mehrdimensionale Perspektive (Otherness -A Multidimensional Perspective). In ...SO GANZ ANDERS: Fremdheit als theologisches und gesellschaftliches Phänomen (...SO VERY DIFFERENT. Otherness as Theological and Societal Phenomenon). Robert Badenberg, Rainer Ebeling, Elke Meier (Eds.). GBFE yearbook 2013. Marburg: Francke, 153-178. Mulu wayangwishe kubi Der Himmel [Horizont] verkleinert den Geier -Beurteile nie nach der Erscheinung -Bemba Sprichwort 1 Einleitende Gedanken Fremdheit soll in diesem Artikel in einer mehrdimensionalen Perspektive zur Sprache kommen. Mehrdimensional nicht in der Hinsicht als dass ein Kontext (z.B. eine Dorfgemeinschaft oder Deutschland per se) in Bezug auf Fremdheit in soziologischer, theologischer oder politischer Perspektive untersucht wird, sondern vielmehr so, dass Fremdheit an sich beleuchtet wird, also in einer gewissen Bandbreite mehrerer Kontexte (persönlich, soziologisch, politisch, theologisch) die vielen Gesichter dieses Phänomens ansatzweise gezeigt werden. Dadurch könnte auf der einen Seite der 'rote Faden' als fehlend empfunden werden. Auf der anderen Seite könnte aber gerade die beabsichtigte mehrdimensionale Perspektive in der Präsentation mehrerer Kontexte des Phänomens Fremdheit einen Blick dafür eröffnen, wie bedeutend dieses Thema in unser Welt wirklich ist und wo überall konkreter Handlungsbedarf lag und weiterhin liegt. Begegnung mit Fremdheit Weiße, Schwarzafrikaner und Massai: eine persönliche Erfahrung Der Bus donnerte die Landstraße entlang. Wie ein Faden durchzog die rote Schotterstraße die weite ostafrikanische Steppe. Eine rote Staubwolke folgte dem Gefährt unentwegt dicht auf den Fersen. Stundenlang saßen wir im Innern des fahrenden Käfigs. Bald bergauf, dann wieder bergab. Die Bezeichnung Käfig war durchaus angebracht, befanden sich doch nicht nur menschliche Fahrgäste im Innenraum. In den Staufächern über unseren Köpfen gackerten Hühner und mischten sich in das Geplauder der Menschen ein. Die Mehrzahl der Reisenden schien sich nicht daran zu stören, dass Tier-und Menschenwelt mit einem Gruppenticket auf dichten Raum zusammen reisten. Für sie war es die normale Welt. Die Fremden waren wir, nicht die Hühner. Plötzlich verringerte unser Reisegefährt seine Geschwindigkeit. Immer langsamer schoben wir uns durch die Landschaft, bis wir schließlich zum Stillstand kamen. Komisch nur, dass es keine Anzeichen eines Busstopps, geschweige denn eines Ortes gab. Wir hielten im Niemandsland. Dann ging die Tür neben dem Fahrer auf und allen wurde klar, was der Grund unseres Stopps war: noch mehr Fahrgäste! Beim Anblick der ersten Person drehten sich alle Köpfe nach vorne. Die Stimmen verstummten und es wurde still. Eine zweite Person erschien auf der Bildfläche -eine Frau. Vor ihr stand ein Mann, ein Massai! Die zwei Massai hatten am Straßenrand gestanden und den Bus angehalten. Sie wollten in die nächste Stadt. In traditioneller Kleidung, typischer Haartracht und bewaffnet mit Messer und Speer, stand er im Gang. Die Stille war bezeichnend. Die normale Welt hörte in einem Augenblick auf zu ticken. Alle Augen klebten an der fremdartigen Erscheinung der neuen Fahrgäste. Auf Schritt 1 In Badenberg 2008:40.

Fremdheit: Eine mehrdimensionale Perspektive Robert Badenberg Badenberg, R. 2013. Fremdheit: Eine mehrdimensionale Perspektive (Otherness – A Multidimensional Perspective). In ...SO GANZ ANDERS: Fremdheit als theologisches und gesellschaftliches Phänomen (...SO VERY DIFFERENT. Otherness as Theological and Societal Phenomenon). Robert Badenberg, Rainer Ebeling, Elke Meier (Eds.). GBFE yearbook 2013. Marburg: Francke, 153-178. Mulu wayangwishe kubi Der Himmel [Horizont] verkleinert den Geier - Beurteile nie nach der Erscheinung Bemba Sprichwort1 Einleitende Gedanken Fremdheit soll in diesem Artikel in einer mehrdimensionalen Perspektive zur Sprache kommen. Mehrdimensional nicht in der Hinsicht als dass ein Kontext (z.B. eine Dorfgemeinschaft oder Deutschland per se) in Bezug auf Fremdheit in soziologischer, theologischer oder politischer Perspektive untersucht wird, sondern vielmehr so, dass Fremdheit an sich beleuchtet wird, also in einer gewissen Bandbreite mehrerer Kontexte (persönlich, soziologisch, politisch, theologisch) die vielen Gesichter dieses Phänomens ansatzweise gezeigt werden. Dadurch könnte auf der einen Seite der 'rote Faden' als fehlend empfunden werden. Auf der anderen Seite könnte aber gerade die beabsichtigte mehrdimensionale Perspektive in der Präsentation mehrerer Kontexte des Phänomens Fremdheit einen Blick dafür eröffnen, wie bedeutend dieses Thema in unser Welt wirklich ist und wo überall konkreter Handlungsbedarf lag und weiterhin liegt. Begegnung mit Fremdheit Weiße, Schwarzafrikaner und Massai: eine persönliche Erfahrung Der Bus donnerte die Landstraße entlang. Wie ein Faden durchzog die rote Schotterstraße die weite ostafrikanische Steppe. Eine rote Staubwolke folgte dem Gefährt unentwegt dicht auf den Fersen. Stundenlang saßen wir im Innern des fahrenden Käfigs. Bald bergauf, dann wieder bergab. Die Bezeichnung Käfig war durchaus angebracht, befanden sich doch nicht nur menschliche Fahrgäste im Innenraum. In den Staufächern über unseren Köpfen gackerten Hühner und mischten sich in das Geplauder der Menschen ein. Die Mehrzahl der Reisenden schien sich nicht daran zu stören, dass Tier– und Menschenwelt mit einem Gruppenticket auf dichten Raum zusammen reisten. Für sie war es die normale Welt. Die Fremden waren wir, nicht die Hühner. Plötzlich verringerte unser Reisegefährt seine Geschwindigkeit. Immer langsamer schoben wir uns durch die Landschaft, bis wir schließlich zum Stillstand kamen. Komisch nur, dass es keine Anzeichen eines Busstopps, geschweige denn eines Ortes gab. Wir hielten im Niemandsland. Dann ging die Tür neben dem Fahrer auf und allen wurde klar, was der Grund unseres Stopps war: noch mehr Fahrgäste! Beim Anblick der ersten Person drehten sich alle Köpfe nach vorne. Die Stimmen verstummten und es wurde still. Eine zweite Person erschien auf der Bildfläche – eine Frau. Vor ihr stand ein Mann, ein Massai! Die zwei Massai hatten am Straßenrand gestanden und den Bus angehalten. Sie wollten in die nächste Stadt. In traditioneller Kleidung, typischer Haartracht und bewaffnet mit Messer und Speer, stand er im Gang. Die Stille war bezeichnend. Die normale Welt hörte in einem Augenblick auf zu ticken. Alle Augen klebten an der fremdartigen Erscheinung der neuen Fahrgäste. Auf Schritt 1 In Badenberg 2008:40. 1 und Tritt folgten ihnen die gierigen Blicke nach, bis beide schließlich im Heck angelangt waren und auf der Rücksitzbank zwei Plätze fanden. Der Innenraum war mit Worten und mit Reden zum Bersten voll. Nur – es war nichts zu hören! Bedrückende Stille erfüllte den Bus. Selbst den Hühnern schien ein Kloß im Hals stecken geblieben zu sein. Die Massaifrau hatte Platz genommen. Der Krieger stand aufrecht, uns zugewandt, vor seinem Sitz und blickte in die Runde. Alle Augen starrten ihn an. Erst jetzt kam Gemurmel in Gang. Dann ergriff der Krieger das Wort. Den Speer senkrecht in seiner rechten Hand haltend, wollte er wissen, was es denn zu gaffen gab. Wenn jemand etwas von ihm wolle, dann solle er oder sie gefälligst zu ihm kommen und seinen Mund aufmachen. Das saß. Unsere schwarzen Reisegefährten zogen ihre Köpfe ein, manche rümpften die Nase, drehten sich dann nach vorne, tuschelten vor sich hin und versuchten, in ihre Welt abzutauchen. Noch immer stand der Krieger aufrecht da und musterte die Menschen vor und neben ihm. Seine Blicke trafen auch uns. Schließlich nahm er Platz und der Bus nahm wieder Fahrt auf. Fremdheit – Sprachlosigkeit und Bedrohung Zwei Beobachtungen sollen aus dieser Begegnung mit Fremdheit zur Sprache kommen: Sprachlosigkeit und Bedrohung. Bis zu jenem Augenblick als die Massai den Bus betraten, waren wir Weiße die Fremden gewesen. Dies änderte sich schlagartig als die Massai in „unseren Raum“ eindrangen. Unser Fremdsein als Weiße rückte in den Hintergrund und die Massai wurden zur Fremdheit per se. Die schwarzen Afrikaner reagierten auf die schwarzen Massai anders, vor allem merklich intensiver, als auf die weißen Ausländer, was wiederum sehr befremdlich auf mich wirkte. Es gibt Fremde und solche, die noch mehr Fremde sind. Fremdheit ist nicht gleich Fremdheit. Gleiche Hautfarbe muss nicht unbedingt mehr Nähe bedeuten. Und Fremdheit erzeugt Abgrenzung und Ausgrenzung in unterschiedlicher Art. Sprachlosigkeit, die Abwesenheit von Gespräch und menschlicher Nähe, und ein Gefühl der Bedrohung durch die „eindringende Fremdheit“ verstärkt diese Abgrenzung, weil sie konkret Ausgrenzung bedeutet, die wiederum bei denen zu Reaktionen führt, die die Fremdheit verkörpern. Fremdheit und Rasse Das British Empire: New York City und Madras Fremdheit wurde erst in der modernen Geschichte mit Rasse identifiziert. Während der Blütezeit des British Empire im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten die Britischen Behörden unterschiedliche Strategien für die westliche (atlantische) und die östliche (asiatische) Hemisphäre in Bezug auf ihren Umgang mit den Fremden. In der Untersuchung zweier Städte, Madras (heute Chennai) und New York City, arbeitet Carl Nightingale (2008) diese unterschiedlichen Strategien heraus. Für die Englische Weltmacht, deren Überleben in der Kontrolle der Seewege und des Handels lag, war die Entwicklung von Küstenstädten unerlässlich. Die Städteentwicklung in den britischen Kolonien erforderte auch eine Politik des Raumes, da hiervon sowohl die Verteidigung der Stadt als auch die soziale Kontrolle ihrer 2 Bevölkerung abhing. Während in Madras um 1710 in Bezug auf den sozialen Raum eine strikte Abgrenzung durch eine Steinmauer die privilegierte europäische Siedlung von den asiatischen Wohnbezirken trennte, wurden zur selben Zeit in New York City die schwarzen Sklaven dazu gezwungen, in die Haushalte der Weißen (vor allem der Wohlhabenden) zu ziehen. In der Zusammenschau beider Städte gerät besonders ein Aspekt in den Fokus, nämlich, warum im Zuge urbaner Politik, Farbkategorien ausgewählt und angewandt wurden und halfen, Schlüsselinstitutionen westlicher Domination zu errichten: Segregation und Sklaverei (2008:49-51). Paradigmenwechsel: Der Mensch - auf Farbe reduziert Die Fixierung auf Farbkategorien erfolgte im Fall von Madras erst nach dem Jahre 1676 und gab der Welt eine neue Struktur der Stadt. Nightingale bemerkt: „... Madras was the first place in world history to officially designate its two sections by color: 'White Town' and 'Black Town'“ (2008:48), wobei die Bezeichnung „Black Town“ bei den britischen Vertretern der Krone darauf hindeutet, in herabwürdigender Art und Weise gebraucht worden zu sein (:61). Vor der Einführung der Farbkategorien wurde der menschliche Unterschied in Kategorien wie „Christen“ und „Sklaven“, „Negro“ und „Espańol”, „Englisch“, „Freier“, „Besteuerbare“ oder „Europäer” zum Ausdruck gebracht (:62). In den englischen Kolonien in Nordamerika taucht die Farbkategorie „Weiß“ zum ersten Mal 1691 in den Sklaven Gesetzen von Virginia auf. Im Gegensatz dazu waren die Menschen in New York bis 1712 „Christen“ und „Sklaven“. Elf Jahre später (1723) führte der Zensus in der Kolonie die Kategorien „Weiß“ und „Schwarz“ (:63) ein. In Madras ist die Bezeichnung „White Town“ zum ersten Mal 1693 nachweisbar, obwohl ab 1670 die Kategorien „Black Town“ und „Christian Town“ üblich waren und ab 1720 allerdings die Bezeichnung „White Town“ weit verbreitet war (:63). Der Gebrauch der Farbkategorien „Weiß“ und „Schwarz“ hat jedoch seine Wurzeln nicht im British Empire, sondern wurde in der muslimischen Welt entwickelt und von den Portugiesen übernommen, die an der Westküste Afrikas explorierten und Sklaven fingen. Die Portugiesen adoptierten die Bezeichnung „weiß“ (branco) für Araber und „schwarz“ (negro) für die Afrikaner. Die Spanier inkorporierten negro ebenfalls als Bezeichnung für die Sklaven aus Afrika, die sie nach Neu Spanien deportierten. Von dort breitete sich negro allmählich im atlantischen Raum auch unter den Holländern, den Franzosen und den Briten aus (:60). In Asien dagegen diente die Bezeichnung negro zu keiner Zeit dazu Asiaten zu klassifizieren. Selbst Afrikaner wurden allermeist als „Caffres“ oder „Kaffirs“ bezeichnet, eine Ableitung des arabischen Wortes für „Ungläubiger“ (:61). Paradigmenwechsel: Der Mensch – vom religiösen Wesen zum politischen Wesen Spannend ist die Frage, warum die Kolonialverwaltungen in Asien und Nordamerika die Bezeichnung „Christian“ (Christ) als Kategorie fallen ließen, die über Jahrhunderte hinweg, so Nightingale, doch darauf hinwies, dass die Vertreter der Krone sich als Instrumente Gottes verstanden und sich stattdessen mit der Farbe „weiß“ identifizierten? (:63). Die Gründe für einen derart schnellen Wechsel von religiös motivierten Kategorien hin zu Farbkategorien sieht Nightingale in den zunehmend 3 politischen Konflikten zwischen den Europäern in Bezug auf soziale Klasse, Religion und Nation als die Briten die Sklaverei in ihren nordamerikanischen Kolonien formal auf den Weg brachten (:64). Ab 1650 begannen nämlich Auseinandersetzungen, die die Westindischen Inseln mit dem Parlament in London in Verbindung brachten. Barbados wurde durch die Zuckerplantagen zur reichsten Kolonie des Britischen Imperiums. Dieser Reichtum wurde mit europäischen, durch Vertrag geregelten, Arbeitskräften erwirtschaftet. Dies wurde von vielen Beobachtern sehr kritisch betrachtet, die bald von „Christen Sklaven“ sprachen, eine Bezeichnung, die mehr und mehr in „weiße Sklaven“ umgewandelt wurde, jedoch in beiden Fällen vielerorts als nicht passend oder als Widerspruch empfunden wurde. Die betroffenen Arbeitskräfte selbst befürchteten ihr Leben könnte so billig werden wie das der „negroes“ (:64). Zudem wuchs der Druck seitens der Kirche - und später der Krone - auf Sklavenhalter, die Afrikaner zu Christen zu konvertieren, was bei vielen Sklavenhaltern keineswegs positiv aufgenommen wurde, da sie dadurch eine Emanzipation ihrer Sklaven befürchteten (:64). Die britischen Kolonien in Nordamerika hatten sich zudem mit einer besonderen Problematik auseinander zu setzen. Nightingale, der sich hier auf Leslie Harris stützt, führt aus, wie gegen 1690 die steigende Zahl der Arbeitskräfte, die die Zeit ihres Vertrages überlebten, zusätzlichen Druck auf Sklavenhalter ausüben konnten. Es gab nämlich einen Markt von schwarzen Sklaven-Zeitarbeitern, die sich bei weißen Farmern auf Zeit verdingten und so mit den weißen Arbeitskräften in Konkurrenz traten. Weiße (freie) Arbeitskräfte konnten jedoch, im Gegensatz zu den schwarzen SklavenZeitarbeitern, quer durch die sozialen Klassen hindurch auf Sklavenhalter Druck ausüben, da diese auf deren politische Unterstützung angewiesen waren (:64). Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts war New York eine multinationale Stadt mit Menschen aus vielen europäischen Ländern. Die Britische Krone war gezwungen, die weißen multinationalen und multiethnischen Bevölkerungsanteile politisch zu vereinen. Thelma Wills Foote (in Nightingale 2008:64) argumentiert, dass es unter politischen Gesichtspunkten gesehen effektiver war, die Farbkategorien „weiß“ und „schwarz“ in New York als ideologische Basis zu etablieren, als dies die Kategorien „Christentum“ bzw. „Christ“ und „Sklave“ vermocht hätten. Zudem etablierte sich New York als das Versorgungszentrum für die West Indischen Zuckerplantagen. Die Zahl der Sklaven in der Stadt stieg drastisch an; so auch die Zahl der aus den West Indischen Inseln ausgebürgerten weißen Sklavenhalter. So gesehen vollzog sich „Weißsein“, d.h. privilegiertes „Weißsein“, Hand in Hand mit dem Aufstieg der Britisch Amerikanischen Sklaven Gesellschaften (:65). Waren die Farbkategorien „Weiß“ und „Schwarz“ in Nordamerika politisch motiviert um die nordeuropäischen Weißen zu vereinen, so sah sich die englische East India Company gezwungen mit der einflussreichen Portugiesischen und Armenischen Bevölkerung in Madras zu kooperieren. Die Portugiesen bildeten ein wichtiges Kontingent für die kleine englische Schutztruppe und die Armenier hatten seit langer Zeit gute Kontakte zu den Indischen Höfen und den Märkten im Mittleren Osten. Zu 4 Beginn des 18. Jahrhunderts zeigte sich die East India Company jedoch zunehmend ablehnend gegenüber ihre „christliche“ Verbündete. Die Etablierung der „White Town“ grenzte Portugiesen und Armenier stetig aus. Dazu kam, dass der wirtschaftliche Aufschwung immer mehr englische Händler und Soldaten anzog und der limitierte Platz der „White Town“ ein Zankapfel wurde. Als die Franzosen Madras erfolgreich belagerten und einnahmen, unter portugiesischer und armenischer Beteiligung, hatte dies drastische Folgen nach der Rückeroberung durch die Briten: Portugiesen und Armenier wurden aus „White Town“ kategorisch ausgeschlossen und in die Bezirke der „Black Town“ abgeschoben (:66-67). Paradigmenwechsel: der Mensch – auf Genetik fixiert Die Weiß-Schwarz Dichotomie des Britischen Imperiums war, wie beschrieben, für lange Zeit in keinster Weise mit Rasse verbunden. Bis Ende des 17. Jahrhunderts waren Menschen einem Kontinent, einer Nation oder einer Religion zugeordnet. Bis 1744 waren in New York „Farbe“ bzw. „Gesichtsfarbe/Teint“ die generellen Kategorien, denen Weiße und Schwarze zugeordnet wurden. In Madras erscheint die erste Referenz zu Rasse sogar erst 1770 (:67). Rasse wurde mehr und mehr eine Kategorie, als Wissenschaft im Zeichen der Aufklärung betrieben wurde, egalitäre politische Revolutionen oder die Einführung der kapitalistischen Besitz- und Vermögensmärkte erfolgten (:70). Nach Nightingale spielten die Städte der Kolonialmächte und die komplexe Politik der ansteigenden mannigfaltigen Räume der Stadt eine Schlüsselrolle in der andauernden Rekonfiguration der globalen „Farblinie“ (:71). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus anfänglich politisch motivierten Farbkategorien (Weiß und Schwarz) im atlantischen und asiatischen Raum im 19. Jh. eine genetische Rechtfertigung der Rasse wurde, an deren Spitze „Weißsein“ stand und als synonym für Zivilisation und Fortschritt galt. Die nach Farbkategorien eingeteilte Stadt schuf sowohl ein gesellschaftliches System der Sklaverei als auch der Segregation, das bald als politisches Machtinstrument auch andere Kontinente erfasste (z. B. das Apartheidsregime in Südafrika). Rasse wurde zur Kategorie der Fremdheit schlechthin, die schließlich im Exzess zum Holocaust unter dem Nazi-Regime, dem Genozid unter Stalin,2 zum Völkermord an den Armeniern oder dem Genozid in Ruanda führte. Bis heute ist Rasse im modernen Europa des 21. Jahrhunderts eine Kategorie, die für verschiedene Gruppierungen geradezu die Verkörperung der Fremdheit ist mit der man sich nicht beschäftigen muss, außer, dass man sie aus der Welt schafft. 2 Der Begriff „Genozid“ wurde von dem polnisch-jüdischen Juristen Raphael Lemkin geprägt (Naimark 2010:22). Naimark bemerkt: „[D]ie Formulierungen der im Jahre 1948 angenommene UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes werden häufig als Grund dafür genannt, daß Stalins Verbrechen nicht als Genozid angesehen werden können“ (:22). Dies sei jedoch auf die Entstehungsgeschichte der Konvention zurück zu führen, so Naimark. Faktisch trifft auf Stalin zu, was Lemkin bereits 1933 dem Völkerbund unter dem Stichwort 'Barbarei' vorgeschlagen hatte: „Wer aus Haß gegen eine rassische, religiöse oder soziale Gruppe oder zum Zwecke ihrer Ausrottung eine strafbare Handlung gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Würde oder wirtschaftliche Existenz einer Person, die einer solchen Gruppe angehört, unternimmt, macht sich des Verbrechens der Barbarei schuldig“ (in Naimark 2010:22). 5 Umgang mit Fremdheit Migration und Integration in Deutschland Migration und Integration sind im 21. Jahrhundert hochpolitische Angelegenheiten. Mit 15,6 Mio. Personen, die einen Migrationshintergrund aufweisen (2008), stellt diese Personengruppe fast ein Fünftel der deutschen Gesamtbevölkerung dar. Dies zeigt den gesellschaftlichen Wandel und den Handlungsbedarf in Fragen der Integrationspolitik deutlich an (8. Bericht 2010:15). Deshalb wurde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im Koalitionsvertrag [vom 26.11.2009] zwischen den Regierungsparteien dieser Thematik „in einem eigenen Kapitel 'Integration und Zuwanderung' integrationspolitischen Fragen ein besonderes Gewicht“ (8. Bericht 2010:17) verliehen. Der 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration3 beschreibt wie Integrationspolitik gestaltet werden muss, welche konkreten Maßnahmen zur Integration als wichtig erachtet werden und was eine Entwicklung des Rechts für Migranten beinhalten muss. In der Einleitung heißt es: Die Beauftragte begrüßt die integrationspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung für die 17. Legislaturperiode, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Darin hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, Migrantinnen und Migranten Chancen zu eröffnen, ihre gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe zu verbessern und zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Sie hält hierfür sowohl die Aufnahmebereitschaft der deutschen Gesellschaft als auch die Integrationsbereitschaft der Zugewanderten für erforderlich. Integration muss gefördert, aber auch gefordert werden (8. Bericht 2010:17). Dass die integrationspolitischen Zielsetzungen erst 2009 im Regierungsmanifesto auftauchen, lässt den Eindruck zu, es hätte die Jahrzehnte vorher keine solchen Zielsetzungen gegeben. Und gemeinhin mag es sogar erscheinen, als ob Migration in den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland kein politisches Thema war und es dieses Thema vor 1948 gar nicht gab. Dagegen sprechen allerdings die harten Fakten. Migration und Integration in Deutschland vor 1948 Olmert (2005) zeigt auf, dass bereits vor dem Ersten Weltkrieg über 1,2 Millionen „ausländische Wanderarbeiter (vor allem Polen)“ (:1) in Deutschland beschäftigt waren, da die Industrialisierung mehr Arbeitskräfte erforderte, als diese im Inland durch natürliches Bevölkerungswachstum zur Verfügung standen. Einwanderung, und damit Integration, stand jedoch nicht zur Diskussion. Starke Kontrolle war die Leitlinie, die während der Kriegsjahre dann oft in Zwangsarbeit mündete (:1). 3 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (Juni 2010). 6 Die Folgen des Ersten Weltkriegs brachten einen Rückgang der Arbeitsmigranten. Allerdings fand eine Migrationsbewegung ungeheuren Ausmaßes statt. Olmert spricht von mehr als 10 Millionen Menschen, die infolge der Kriegswirren die Grenzen in Europa überschreiten mussten. Die russische Revolution verstärkte den Migrantenstrom in den Westen und „Berlin wurde zeitweilig zum europäischen Zentrum der russischen Emigranten“ (:1). Hatte der Erste Weltkrieg große Menschenbewegungen in Europa verursacht, so stellten die Jahre von 1933 bis 1945 diese in den Schatten. Nach Olmert wurden in den Kriegsjahren während des Nationalsozialismus vielleicht 12 Millionen ausländische Zwangsarbeiter „in der deutschen Kriegswirtschaft beschäftigt“ (:1). Integrationsprogramme für die Fremden im Deutschen Reich gab es keine. Für die Volksdeutschen, die in Ost- und Ostmitteleuropa angesiedelt wurden, auch nicht. Dies erübrigte sich, weil man sich mit den 'Fremden' nicht auseinandersetzen musste. Sie wurden einfach deportiert oder ermordet (:1). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs glich Europa einem Feld über das ein Sturm hinweggefegt war und entwurzelte, was zu entwurzeln war. Deutsche Flüchtlinge und Vertriebene, (Olmert benennt ihre Ziffer auf über 12 Millionen) ehemalige Zwangsarbeiter und ausländische KZ-Insassen (so genannte „Displaced Persons“ (:1) ebenfalls zehn bis zwölf Millionen), suchten eine neue Heimat. Das größte Problem für die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren waren die Vertriebenen, deren Integration kaum lösbar schien (:1). Eine Integrationspolitik, die explizit als Regierungsauftrag verstanden wurde und von der Regierung zu verantworten war, gab es nicht. Migration und Integration in Deutschland nach 1948 Deutschland war schon lange vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit Migration und Integration konfrontiert. Der 1948 gegründeten Bundesrepublik gelang es erst nach über 60 Jahren, Migration und Integration als Regierungsauftrag wahr zu nehmen. Das „kaum-lösbar-Integrationspaket“ der 1950er Jahre wurde über sechs Jahrzehnte hindurch einfach von einer Bundesregierung an die andere weitergereicht. Das Wirtschaftswunder während der ersten zwei bis drei Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland mag die Situation angenehm kaschiert haben, da Gastarbeiter den Arbeitskräftemangel ausglichen und nicht als Bedrohung der deutschen Gesellschaft empfunden wurden. Gastarbeiter blieben aber nicht nur Gäste, sondern fanden es angenehm hier als Dauergäste zu bleiben und viele holten ihre Familien nach. Gastarbeiter wurden offiziell zu „Arbeitsmigranten“.4 Katja Riedel meint: Viele Deutsche erblickten in diesen neuen Mitbürgern Fremde. Sie begegneten ihnen aber in ironischen Schlagern wie „Zwei kleine Italiener“ eher von der humoristischen Seite. Erst Ende der 1970er-Jahre fingen Politiker, Soziologen und infolgedessen auch die Medien an, sich ernsthaft mit dem neuen Phänomen des ausländischen Mitbürgers 4 http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70431.html [Stand 17.04.2012]. 7 zu beschäftigen – und nach Lösungen für Probleme zu suchen, vor die die Migranten und ihre Kinder die Gesellschaft stellten.5 Die Situation verschärfte sich nach dem „Anwerbe-Stopp“ (Riedel 2007), das die Bundesregierung 1973 verhängte. Da die Migranten ja nur auf Zeit integriert wurden, so Riedel, und den Kindern durch muttersprachlichen Unterricht jederzeit wieder eine Rückkehr in ihr Ursprungsland ermöglicht werden sollte, wurde Migration zum Problem, … über das viele diskutierten: vorwiegend emotional, geprägt von Vorurteilen, latenter Fremdenfeindlichkeit – und dem feststehenden Glauben, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei, wie viele Menschen mit fremdem Pass und anderem kulturellem Hintergrund auch in der Bundesrepublik Deutschland lebten und arbeiteten.6 Das „Kühn-Memorandum“7 (1979) erkannte die Situation und forderte, der Tatsache ins Auge zu schauen, dass „Deutschland [...] längst Einwanderungsland [sei], und als solches sei es in der Pflicht, eine konsequente Integrationspolitik zu betreiben.“8 Es dauerte jedoch nochmals 30 Jahre, bis in einem Koalitionsvertrag eine Integrationspolitik verankerte wurde, die, wie vorher bereits erwähnt, darauf zielt, Chancen für Migrantinnen und Migranten zu eröffnen. Konkret soll deren gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe verbessert und zugleich der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Friedrich: „rot-grüne Multikulti-Illusion“ gescheitert Das Bemühen sich politisch um die Integration von Migranten zu kümmern hat in den vergangenen Jahren eine breite, und oft heftige, Diskussion verursacht. Der Ruf nach einer deutschen „Leitkultur“9 wurde laut und Programme für Immigranten wurden entworfen (z. B. Integrationskurse). Sind seit dem Bestehen des Koalitionsvertrages von 2009 bedeutende Fortschritte erzielt worden, die auf eine verbesserte gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe schließen lassen? In einem Interview mit Innenminister Friedrich im März 2012 gehen die BILD Reporter Schuler und Solms-Laubach diesen Fragen nach.10 Allzu ermutigendes weiß 5 http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70431.html [Stand 17.04.2012]. 6 http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70433.html [Stand 17.04.2012]. 7 Benannt nach dem ersten bundesdeutschen Ausländerbeauftragten Heinz Kühn (SPD). Siehe dazu: http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70433.html [Stand 17.04.2012]. 8 http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70433.html [Stand 17.04.2012]. 9 Siehe dazu Krauel, Torsten 2000. http://www.welt.de/print-welt/article539521/Was-istdeutsche_Leitkultur.html [Stand 20.04.2012]. 10 http://www.bild.de/politik/inland/hans-peter-friedrich/multi-kulti-illusion-gescheitert22945030.bild.html [Stand 17.04.2012]. Alle Zitate sind diesem Interview entnommen. 8 Friedrich nicht zu berichten. Er sieht zwar nicht die Integrationspolitik als gescheitert an, jedoch aber die „rot-grüne Multikulti-Illusion“. Der Verweis auf die USA, die nach Friedrich ja ein klassisches Einwanderungsland ist und deshalb der „Anpassungsdruck“ bei Immigranten sehr hoch sei, erscheint auf dem Hintergrund des „Kühn-Memorandums“ (Riedel 2007) eher unpassend, da die Bundesrepublik Deutschland seit (mindestens) dieser Zeit faktisch ein Einwanderungsland ist. Nimmt man Friedrichs Argument vom fehlenden Anpassungsdruck für bare Münze, so ließe sich damit die Entstehung der Parallelgesellschaft erklären, die, so Friedrich, „sich nur durch konsequente Integration verhindern“ lässt. Dazu gehört für den Politiker unbedingt, dass Zuwanderer „unsere Sprache lernen“ und „unsere Kultur kennenlernen und respektieren“ müssen. Freilich gelte auch umgekehrt, „dass wir ihre ursprüngliche Identität achten“ müssen. Aber was genau heißt 'konsequente Integration' und die 'ursprüngliche Identität' der Zuwanderer zu achten“? Und wie soll die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe verbessert werden? Oberndörfer: „Learning to live with Diversity“ Dieter Oberndörfer geht in Zuwanderung nach Deutschland – eine Bilanz (2007) diesen Fragen differenziert nach. Seine Antwort lautet: Integration der Migranten ohne Akzeptanz kultureller Verschiedenartigkeit durch die Mehrheit ist nicht möglich. Migranten aus Indien oder China können gute gesetzestreue Bürger werden, aber kaum zu katholischen bayerischen Bauern oder schwäbischen Pietisten mutieren. ›Learning to live with Diversity‹, die Bejahung und Akzeptanz von ethno-kulturellem Pluralismus im Rahmen der bindenden Vorgaben des Grundgesetzes ist die Hauptbedingung für die Integration unserer Gesellschaft … Dies erfordert von der deutschen Mehrheitsgesellschaft tief greifende Änderungen ihrer bisherigen Einstellungen gegenüber Zuwanderern (2007:15-16). Es wird sich zeigen müssen, ob die Integrationspolitik der Bundesregierung unter Friedrichs Motto die „ursprüngliche Identität achten“ und Oberndörfers Resümee der „Akzeptanz kultureller Verschiedenartigkeit durch die Mehrheit“ deckungsgleich werden (können). Konsequente Integration erfordert jedenfalls mehr als die Anforderungen an die Zuwanderer, in der Anpassung an deutsche Kontexte und den politischen Willen, die Fremden zu integrieren, und das nicht nur, weil man damit Parteipolitisch punkten kann. Es wird, wie Oberndörfer richtig bemerkt, die deutsche Mehrheitsgesellschaft wesentlich mitentscheiden, wie die Integration von Migranten in Zukunft gelingen wird. Heitmeyer, Decker et. al: „Deutsche Zustände“ 2011 und 2012 Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, die der Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer (2012) in der zehnjährigen Studie „Deutsche Zustände“ (2002-2011) empirisch bescheinigt (47,1 Prozent der Befragten im Mai und Juni 2011 waren der Meinung in 9 Deutschland leben zu viele Ausländer),11 lässt allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig Hoffnung auf eine tiefgreifende Änderung der bisherigen Einstellung der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber Zuwanderer. Diese Tendenz wird durch die Studie (Decker et. al 2012) bestätigt, „die knapp 16% der Ostdeutschen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“ attestiert (2012:54). Als besonders besorgniserregend bezeichnet die Studie, dass „eine neue Generation des Rechtsextremismus sichtbar wird“ (2012:114). Die Integrationspolitik der Bundesrepublik Deutschland wird noch größere politische Anstrengungen erbringen müssen, um, mit Lessing zu sprechen, den 'garstigen breiten Graben' zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu überwinden. Fremdheit als Ressource Die urbane Gesellschaft: Fremdheit als Kapital Fremdheit in Europa, und in Deutschland gleichermaßen, bekommt als breit gefächerte latente Fremdenfeindlichkeit ein hässliches Gesicht. Zick et al. (2011) haben in einer Umfrage in acht europäischen Ländern mögliche Ursachen „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ untersucht (:14). Es sind vor allem die Vorurteile „gegen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen kulturellen Gruppenzugehörigkeit“ (:45), die zu Fremdenfeindlichkeit führt. Die Umfrage zeigte, dass auch in diesem Fall Fremde nicht gleich Fremde sind, da durchaus Unterschiede gemacht werden. So sind zum Beispiel gegenüber Schweden eher positive Vorurteile verbreitet. Menschen aus anderen Kulturkreisen dagegen laden zu negativen Vorurteilen ein, “womit insbesondere dunkelhaarige Menschen aus muslimischen Ländern gemeint sind“ (:45). Vorurteile und das Gefühl der Bedrohung leisten der Fremdenfeindlichkeit Vorschub. Hinzu kommt, dass mit Fremdheit Ressourcenknappheit, oder die Angst, es reicht nicht mehr „für uns“, verbunden wird. Ein Sprichwort der Bemba aus dem südlichen Afrika bringt diese Angst exemplarisch auf den Punkt: Cikupempula – e cikulya: was dich besucht – in der Tat, es „frisst“ dich, meint: wer dich besucht lebt auf deine Kosten (Badenberg 2008:23). Ist Fremdheit jedoch wirklich nur als Ressourcenfresser (z. B. die Bandbreite der Sozialleistungen, Kindergeld, Harz IV, usw.) zu sehen? Hat Fremdheit nicht auch ein positives Potential? Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximillians-Universität München befasst sich mit Fremdheit unter dem Gesichtspunkt „Fremdheit als Ressource“ (2010). In seiner Video Dokumentation12 über urbane Gesellschaft versucht er darzustellen, wie Fremdheit durchaus als Kapital zu begreifen ist von dem wir sehr stark profitieren können. Die urbane Gesellschaft lebt von Distanz, so Nassehi. Selbst der Austausch von Alltagsfreundlichkeiten lässt uns Distanzierte sein, weil in den vielen Interaktionen der anonymen Akteure, sich niemand erklären muss. „So 11 http://menschenhandelheute.wordpress.com/2012/02/20/fremdenfeindlichekit-gegenübermigrantinnen-in-deutschland/ [Stand 21.04.2012]. 12 Alle Zitate sind der Dokumentation entnommen. 10 gesehen“ meint Nassehi, „ist Fremdheit tatsächlich eine Ressource, aber eine Ressource, die zivilisatorisch hergestellt werden muss.“ Die Stadt als Lebenswelt bietet wie kein anderer Ort die Gelegenheit einer dualen Existenz. Nassehi spricht von der Möglichkeit im multiethnischen und multikulturellen Raum der Stadt als Mensch sowohl sichtbar als auch „unsichtbar“ zu sein. Demnach wird Fremdheit dann zur Ressource, (z. B. bei Minderheiten) wenn sie die Unsichtbarkeit schützt. Der urbane Bürger kann zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit 'jetten' und wählen, wann, wie und wo ein Modus dem anderen weicht. Wo aber die Sichtbarkeit Folgen hat, betont Nassehi, wie etwa in der Überwachung durch Videokameras, ist das Vertrauen weg. Damit ist der urbane Lebensraum auf der einen Seite ein Raum, der Fremdheit zu einer Ressource macht, auf der anderen Seite jedoch auch ein Raum der Vertrauen raubt, da die urbane Gesellschaft weit mehr auf Normen und Gesetze setzt, die sich zum Beispiel in größerer Polizeipräsenz äußert, als dies in anderen Gesellschaften der Fall ist. Fremdheit verliert allerdings immer dann den Aspekt der Ressource, ja „gerät immer dann in Gefahr, wenn man sie überschreiten muss.“ Verloren geht damit die Unbeschwertheit, die Nassehi als eine „Grundvoraussetzung … für Kreativität, für Lösungen“ sieht und fügt hinzu, dass eine moderne Gesellschaft sich durchaus Gedanken machen muss, wie sie Fremdheit schützen kann. Denn, so Nassehi, erst die Abwesenheit von mehr Kontrolle, ermöglicht die liberalen Lebensformen, „die wir im Westen so schätzen.“ 60 Jahre Baden-Württemberg (1952-2012): „Viele Viertele – ein Ganzes“ Baden-Württemberg feiert 2012 sein 60-zig jähriges Bestehen. 60 Jahre BadenWürttemberg – ein „Bindestrichland“ und doch eine positive politische und ökonomische Geschichte, wertet der Historiker Reinhold Weber13 und erklärt weiter, dass es vor allem eine „unglaublich erfolgreiche Integrationsgeschichte hinter sich“ hat.14 Wo liegen die Gründe dafür? Weber betont, das Land Baden-Württemberg hätte ein Lebensprinzip: Vielfalt. Schon aufgrund der kulturellen Unterschiede unter den Badenern und gleichermaßen unter den Württembergern war es zwingend gewesen das Land von Anfang an auf Integration der unterschiedlichen Teile anzulegen. Weber sieht darin das „Lebensgeheimnis, das Lebensprinzip des Landes.“ Auf die Frage, ob es so etwas wie einen „Baden-Württembergischen Geist“ gäbe, weist Weber darauf hin, dass während der 60-zig jährigen Geschichte des Landes niemals versucht wurde „kulturell etwas einzuebnen.“ Gerade die „Kultur der kleinen Bereiche“ und die Absage an einen „Baden-Württembergischen Zentralismus“ versteht Weber als Reichtum, der zu schätzen sei. Das Geheimnis des Landes bringt er auf eine einfache Formel: immer wurde diese kulturelle Vielfalt bewahrt. Dies erfordert ein 13 Landeszentrale für politische Bildung, Stuttgart. 14 SWR 2 Sendung Kulturgespräch: Viele Viertele, ein Ganzes vom 25.04.2012. http://www.swr.de/swr2/service/audio-on-demand/audio-on-demand-podcasts/-/id=661264/nid=661264/did=1698672/mpdid=2222376/1j8j9qf/index.html [Stand 25.04.2012]. Alle Zitate sind dem Interview entnommen. 11 großes Maß an Offenheit und Toleranz. Ohne eine solche Offenheit wäre die Zuwanderung der 17 Millionen Menschen – davon 11 Millionen „klassische Ausländer“ - im Laufe der Geschichte des Landes nicht möglich gewesen und bezeugt einmal mehr eine erfolgreiche Integrationspolitik. Eine derart große Zuwanderung, betont Weber, beeinflusst die Identität des Landes enorm und trägt dazu bei, dass „die Grenze in den Köpfen“ der Menschen „immer weiter abgebaut wird.“ Damit verbunden hat sich die Kultur verändert. Weber wertet dies äußerst positiv. Die „unendlich vielen Impulse“ aus dem Ausland – gerade auch durch die Zugewanderten – machen Baden-Württemberg zu dem was es geworden ist. „Jeder vernünftige Mensch im Land weiß, dass es Reichtum ist, der ins Land kommt.“ Fremdheit im theologischen Diskurs Toleranz gegenüber dem (religiös) Fremden: Begegnung mit Angehörigen anderer Religionen Im Zeitalter intensiver Globalisierung wird Fremdheit täglich verhandelt. Auf der einen Seite wird sie geschätzt und gesucht (man denke nur an die steigende Zahl der Fernreisen), auf der anderen Seite sucht man sie zu umgehen, sie einzuebnen oder sie gar aus der Welt zu schaffen. Im Zuge des interreligiösen Dialogs gerät das Evangelium von Jesus Christus heftig unter Beschuss, da es sich der Welt der Religionen gegenüber „als etwas dem anderen Fremdes“ (Hempelmann in Pechmann & Reppenhagen 1999:196) positioniert. Diese Fremdheit des Evangeliums wird von den Befürwortern des interreligiösen Dialogs eliminiert, denn, es „würde ja unterstellen,“ so Hempelmann, „dass ich etwas habe, was der andere noch nicht hat“ (:196). Dies würde bedeuten, „dass ich dem anderen, Fremden, etwas ihm Fremdes mitzuteilen hätte“ (:196). Daraus ergeben sich weitere Folgerungen. Hempelmann führt aus: Das wiederum schlösse (a) nicht nur ein Gefälle ein und damit ein Werturteil, sondern (b) auch noch eine Verpflichtung; es würde schließlich (c) den Angehörigen einer anderen Religion, der das ihm fremde Evangelium ja (noch) nicht hat, als Fremden „ausgrenzen.“ Aus allen diesen Gründen darf es „das Fremde“ nicht geben, darf auch das Evangelium von Jesus Christus letztlich nichts Fremdes sein … (:196). Wenn es das Fremde nicht geben darf, dann ist die viel geforderte Toleranz gegenüber dem Fremden – auch dem religiösen Fremden – eine nichtige Farce. Das Fremde kann doch nur dann Gegenüber sein, wenn es seine eigene Identität und Begrifflichkeit erhalten kann und nicht auf die jeweiligen Kategorien und Begriffe des anderen reduziert wird. Wahre Toleranz kann es nur da geben, wo das Fremde nicht auf das Eigene reduziert wird, wo ich, mit E. Levinás sprechend, „den anderen als anderen, als von mir nicht auf einen Begriff zu bringendes Gegenüber wahr-nehme“ (Hempelmann in Pechmann & Reppenhagen 1999:198). Fremdheit im theologischen Diskurs, im interreligiösen Dialog, erfordert den Verzicht scheinbare Gemeinsamkeiten als Ziel zu formulieren, sondern „zunächst in aller Offenheit zu formulieren, was uns trennt“ (:199). Das Trennende kann jedoch nur in der Sache begründet liegen, niemals 12 aber im Menschsein selbst, da alle Menschen Ebenbild Gottes sind. Wahre Toleranz kann es deshalb auch nur dort geben, wo die Unterscheidung zwischen „SachToleranz“ und „Person-Toleranz“ (:199, 201) aufrechterhalten wird. Biblischer Imperativ: „Ehrt jedermann“ 15 Die Aussicht auf eine moderne religionslose Gesellschaft ist im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert weiter in die Ferne gerückt, als viele vor der Jahrtausendwende vorausschauend prognostizierten. Der Mensch ist und bleibt ein religiöses Wesen und die Religionen werden auch in Zukunft zentrale Funktionen menschlicher Gesellschaften ausüben. Miroslav Volf stellt die Frage, ob es genuine religiöse Gründe für Toleranz gibt (2011:7)? In seinen Ausführungen stützt Volf sich zunächst auf John Locke, der in A Letter Concerning Toleration (1689) die Grundlinie zieht, dass als hauptsächliches Merkmal der wahren Kirche Toleranz zu benennen sei. Dabei geht Locke von zwei christlichen Grundüberzeugungen aus: Erstens, die Freiheit den Glauben annehmen zu können und zweitens, die Zentralität der Liebe in der Ausübung des Christlichen Glaubens. Für Locke ist ein konsequenter Christ ein toleranter Christ (in Volf 2011:11). Aber was genau heißt ein toleranter Christ sein? Sicherlich nicht eine Haltung einnehmen die den anderen, den religiös Fremden, weder alles vorbehaltlos zugesteht noch ihnen mit Gleichgültigkeit gegenübertritt. Toleranz benötigt ein biblisches Qualitätsmerkmal: Respekt, oder wie der 1. Petrusbrief es ausdrückt, ehren! Der Hirtenbrief richtete sich an Christen, die als Minderheit Verachtung und Verfolgung erlitten (1,6: 3,9). Als christliche Minderheit lebten sie in Umständen, die nach Toleranz verlangten. Aber, wie Volf richtig bemerkt, im ganzen Brief macht der Verfasser keine einzige Forderung, ja stellt nicht einmal die Bitte, als christliche Glaubensgemeinschaft toleriert zu werden. Ganz im Gegenteil: er verlangt von den verfolgten Christen seine Verfolger zu ehren! (2011:13). Ehren sollen sie ihre Widersacher und nicht Toleranz verlangen. Ehren sollen sie jedermann (timäsate), so wie sie angehalten sind den Kaiser zu ehren (timäse). Warum reicht tolerieren nicht aus? Michael Walzer meint: „To tolerate someone else is an act of power“weil „to be tolerated is an acceptance of weakness“ (in Volf 2011:15). Die Forderung nach mehr Toleranz gegenüber ihren christlichen Glauben hätte bei den Verfolgern deren Machtausübung verstärkt und die Verfolgten noch mehr in die Ecke gedrängt und sie zu einem Hinnehmen ihrer Schwäche geführt. Der landläufige Ruf nach mehr Toleranz darf nicht unreflektiert in die Welt posaunt werden. Toleranz kann als Deckmantel zu einer Art Machtausübung führen, weil tolerieren auch ohne respektieren, oder mit den Worten von 1. Petrus, ohne ehren geht. Die dem christlichen Glauben Fernstehenden dürfen nicht als Ungläubige verachtet noch als solche, die Verfolgung ausüben, gehasst werden. Christen stehen auch dann unter dem Imperativ zu ehren, sie als Personen zu ehren, weil sie Gottes Ebenbild und von Gott geliebt sind (:16). „Ehrt jedermann,“ was heißt 'ehren' im Kontext von 1. Petrus 1 und 3? Volf konzentriert sich auf die Aussagen in Kapitel 3, 15-17. Der Verfasser des Briefes 15 1. Petrus 2,17. Luther Bibel 1984. 13 verpflichtet seine Leser zur Rechenschaft über ihre Hoffnung und mahnt sie gleichzeitig, dies in Sanftmut (prautetos) und Furcht (phobou) zu tun. Im Kontext von Kapitel 3 favorisiert Volf 'Furcht' als Respekt für Menschen zu verstehen (:19). Respekt für Menschen heißt für Volf (1) „we don't distort them“ (:19), meint, der andere, der Fremd-gläubige darf nicht verzerrt, entstellt werden. Respekt verlangt, dass wir uns echte Mühe machen, sie kennen zu lernen und sie auch verstehen wollen; dazu gehört auch, wie sie sich selbst verstehen und erleben und wie sie uns verstehen und erleben (:20). Respekt für Menschen heißt (2) „we treat them as possible sources of insight, not merely as 'beneficiaries' of our instruction“ (:20). Volf ist hier erfreulich klar. Auch der Fremde, der Fremd-gläubige hat Erkenntnisse, die es zu achten gilt – auch dann, wenn sie meinen Erkenntnissen konträr gegenüberstehen. Fällt dies unter den Tisch, nehmen wir schnell die Rolle des Instruierenden ein und machen unser Gegenüber lediglich zu Empfängern unserer Belehrungen. Gegenüber Fremd-gläubigen eine Meinung vertreten und mit ihnen engagiert und kontrovers zu argumentieren, ist keine Form von respektlos sein, sie aber von vorne herein als einfache Einfaltspinsel oder als hinterhältige Wahrheitsverdreher ab zu stempeln, von denen keine Erkenntnisse zu erwarten sind, ist eine Form der Respektlosigkeit (:20). Der biblische Imperativ „Ehrt jedermann“ tritt jeder Form von Respektlosigkeit entschieden entgegen und wahrt den Raum der Fremdheit – auch des fremden Glaubens. Schlussbemerkungen Fremdheit hat viele Gesichter. In der Begegnung mit Fremdheit wird diese oft als Bedrohung empfunden. Als Folge entstehen Ab- und Ausgrenzung und ein Raum der Sprachlosigkeit. Fremdheit, die in Hautfarbe Kategorien ausgedrückt wird, ist eine extreme Art der Ab- und Ausgrenzung. Menschen wurden (werden) auf Farbe reduziert. Historisch gesehen waren Farbkategorien politisch motiviert (Madras und New York). Aus primär religiösen Wesen wurden plötzlich politische Wesen. Von wissenschaftlicher Seite her wurden der Segregation und der Sklaverei Vorschub geleistet, da der Mensch auf Genetik fixiert wurde. „Weißsein“ rangierte an der Spitze und stand als Synonym für Zivilisation und Fortschritt. Rasse wurde zur Kategorie der Fremdheit schlechthin. Die genetische Rechtfertigung der Rasse hat unmenschliche und schreckliche Gesellschaftssysteme erzeugt (z.B. Apartheid, Holocaust). Die Nachbeben von Genozid, Apartheid und Holocaust erschüttern betroffene Gesellschaften noch heute.16 Kulturelle Fremdheit erfordert politisches Handeln damit Migration auch zu Integration führt. Deutschland ist seit dem Ersten Weltkrieg massiv mit Migration und Integration konfrontiert. Erst 2009 wurden jedoch integrationspolitische Zielsetzungen im Regierungsmanifesto aufgenommen. Politischer Wille alleine reicht jedoch bei weitem nicht aus, Migration und Integration erfolgreich zu gestalten. Learning to live with Diversity muss von der Mehrheitsgesellschaft geleistet werden. Dazu gehört die „Bejahung und Akzeptanz von ethno-kulturellem Pluralismus im Rahmen der bindenden Vorgaben des Grundgesetzes“ (Heitmeyer 2007:15). Eine latente 16 Siehe dazu Snyman 2008. 14 Fremdenfeindlichkeit wird für Europa, und im Besonderen für Deutschland, auch in Zukunft eine politische und sozio-kulturelle Herausforderung bleiben. Fremdheit hat auch ein positives Gesicht. Urbane Gesellschaften profitieren von Fremdheit, da sie den Menschen erlauben quasi zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit zu 'jetten'. Der urbane Bürger profitiert von Distanz, da Menschen in vielen Interaktionen anonyme Akteure bleiben können und sich niemand erklären muss. In dieser Hinsicht wird Fremdheit zur Ressource. Fremdheit verliert jedoch den Aspekt der Ressource, wenn man sie überschreiten muss, wenn durch Überwachung der Raum des Vertrauens verloren geht. Die moderne Gesellschaft lebt hier in Zwiespalt mit sich selbst. Freiheit als Ressource muss zivilisatorisch hergestellt werden (Nassehi 2010), wird aber durch Kontrolle und Überwachung ausgehebelt und gefährdet die liberalen Lebensformen, die der Westen so sehr schätzt. Durchaus positiv sieht die Bilanz des 60-zig jährigen Bestehens von Baden-Württemberg aus. Die massive Fremdzuwanderung verhalf dem „Ländle“ das zu werden, was es geworden ist. Nach Weber (2012) ist Fremdheit Reichtum der ins Land kommt. Toleranz ist eines der herausragenden Schlagwörter im interreligiösen Dialog. Tolerant sein in der Begegnung mit Angehörigen anderer Religionen kann jedoch dazu führen, die Fremdheit des Evangeliums zu eliminieren. Toleranz, die das Fremde einfach-stehen- lässt, ist eigentlich Ignoranz. Wahre Toleranz benennt was trennt, ohne den anderen auf seine eigenen Kategorien und Begriffe zu reduzieren. Die Unterscheidung zwischen „Sach-Toleranz“ und „Person-Toleranz“ muss unbedingt aufrechterhalten werden. Der biblische Imperativ „Ehrt jedermann!“ verpflichtet Jesus Nachfolger zu Respekt, selbst wenn sie Verachtung und Verfolgung erleiden. Der Fremd-gläubige kann von Jesusleuten im Rechenschaft geben ihrer Hoffnung erwarten, mit Sanftmut und Respekt behandelt zu werden. Den Raum der Fremdheit – auch des fremden Glaubens - schützt Gott selbst. Bibliographie: Badenberg, Robert 2008. Weisheiten aus dem Süden: Eine Sammlung von Sprichwörtern aus dem südlichen Afrika. München: GRIN Verlag. Decker, Oliver, J. Kiess & E. Brähler 2012. Die Mitte im Umbruch: Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf.GmbH. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration 2010. 8. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (Juni 2010). Berlin. Online im Internet: www.integrationsbeauftragte.de [Stand 04.04.2012]. Heitmeyer, Wilhelm 2012 (Hg.). Deutsche Zustände. Folge 10. Berlin: Suhrkamp Verlag (edition suhrkamp 2647). 15 Hempelmann, Heinzpeter 1999. Toleranz gegenüber dem Fremden: Wie wir Angehörigen anderer Religionen begegnen können, in Pechmann, R. & Reppenhagen, M. (Hg.): Mission im Widerspruch: Religionstheologische Fragen heute und Mission morgen. Neukirchen-Vluyn: Aussaat Verlag / Neukirchener Verlag. Naimark, Norman M. 2010. Stalin und der Genozid. Berlin: Suhrkamp Verlag. Nassehi, Armin 2010. „Fremdheit als Ressource.“ Online im Internet: http://www.uni-muenchen.de/aktuelles/publikationen/sciencecasts/fremdheitressource/index.html [Stand: 02.04.2012]. Nightingale, Carl H. 2008. Before Race Mattered: Geographies of the Color Line in Early Colonial Madras and New York. The American Historical Review, 113(1) (February), 4871. Oberndörfer, Dieter 2007. Zuwanderung nach Deutschland – eine Bilanz. Rat für Migaration. Politische Essays zu Migration und Integration 2, 1-17. Oltmer, Jochen 2005. Deutsche Migrationsgeschichte seit 1871. Online im Internet: http://www.bpb.de/themen/Q0DBOG.html [Stand: 13.03.2012]. Riedel, Katja 2007. Geschichte der deutschen Einwanderung. Online im Internet: http://www.focus.de/wissen/bildung/geschichte/migration/tid-7162/diegastarbeiter_aid_70431.html [Stand 17.04.2012]. Snyman, Gerrie 2008. David and Shimei - innocent victim and perpetrator: The ethics of reading the Bible. Vortrag während der Master & Doktorandenwoche, Gesellschaft für Bildung und Forschung in Europa (GBFE) in Wiedenest, 23 Sept. 2008 . Volf, Miroslav 2011. „Honor Everyone!“: Christian Faith and the Culture of Universal Respect, in Volf, M., Constantineanu, C., Măcelaru, M.V. & Šimić, K. (Hg.): First the Kingdom of God. A Festschrift in Honor of Prof. Dr. Peter Kuzmič. Evanđeoski teološki fakultet: Osijek, Hrvatska, 4-32. Zick, Andreas, Küpper Beate & Hövermann, Andreas 2011 (Hg.). Die Abwertung der Anderen: Eine europäische Zustandsbeschreibung zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung. Berlin: Friedrich-Ebert-Stiftung. 16