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Kwangju Biennale 2000

2000, Korea Forum

Abstract

Report about the third Kwangju Biennale 2000 (29 Mar - 7 June 2000), South Korea.

KOREAFORUM Jahrgang X Nummer 1/2 Oktober 2000 Kwangju Biennale 2000 V on F ran k H o ffm a n n Kim Chong-son, Zirkel, aus 5 Fotografien bestehende Serie, jeweils 100 x 70 cm, 1998 Als Hauptattraktion der Biennale wurde wohl von den meisten Besuchern die gelungene „Human Beings & Gender" Show empfunden, die sich etwa zur Hälfte aus koreanischen und zur anderen Hälfte aus euramerikanischen Werken zusammensetzte. Die Kuratoren So Chong-gol (Korea) und Marie-Laure Bernadac (Frankreich) sind hierbei für ihre gute Zusammenarbeit zu beglückwünschen. „Art, Gender, Sex", wie es eine koreanische Kunstzeitschrift fasste, wäre allerdings ein wesentlich treffenderer Titel gewesen - die farbigen, im Wind flatternden gigantischen Kondome, die aufgrund des internationalen Anlasses die koreanische Nationalflagge auf dem Dach des Ausstellungsgebäudes ersetzt hatten, ließen daran keine Zweifel. Etwas verwunderlich, vor allem für ausländische Beobachter, war die kurz nach der Biennale Eröffnung eilig von zwei männlichen koreanischen Kritikern hervorgebrachte Kritik an einem der ausgestellten Werke. Als „nichts als pornografisch" hatten sie die aus insgesamt fünf Fotografien bestehende Serie Zirkel [siehe Foto] der Künstlerin Kim Chong-son gebrandmarkt. Verwunderlich, da solch barockös-frivole Exponate wie Chang Yong-hyes Videoinstallation Cunnilingus in Nordkorea und vergnüglich vor sich hin kopulierende Statuen und Cybersexskulpturen vor dem Ausstellungsgebäude keine negative Kritik in der koreanischen Presse hervorgerufen hatten. Kim Chong-son war ihr eigenes Modell, gekleidet in traditioneller Frauenunterkleidung. Ihre Brüste frei, sieht man sie in verschiedenen Posen vor höfischen Tuschmalereien der Choson-Zeit, und mit verschiedenen Utensilien von Hofdamen aus dynastischen Zeiten, aber auch keck mit dem traditionellen Pferdehaarhut, der nur verheirateten Aristokraten Vorbehalten war. Was diese Kritiker entsetzte, war höchstwahrscheinlich aber gerade die Tatsache, dass die Künstlerin sich selbst zwar nackt, aber in desexualisierten und bauernmädchen­ haft anmutenden Posen darstellte und somit eine sarkastische Variante zu den gesell­ schaftlich sanktionierten Klichees von der Schönheit, Virtuosität und Verfügbarkeit objektivizierter traditioneller koreanischer Frauen darbot - eine direkte Parodie auf eingängige Abbildungen wie man sie etwa aus Asiana Airlines Flugmagazinen oder der Werbung kennt. Im post-postmodernistischen post-Minjung Paulo, Sydney, Istanbul, Johannesburg, Jahr 2000 ist „Peripherie nicht mehr Peri­ Shanghai, und Kwangju. Keiner dieser Orte pherie und Zentrum nicht mehr Zentrum", liegt im geografischen oder kulturellen Zen­ wusste Rene Block. Der Künstlerische trum der euramerikanischen Moderne, die Direktor der Istanbul Biennale von 1995 während des gesamten 20. Jahrhunderts so und gegenwärtige Direkter des Museum erfolgreich in die ,Peripherie', sprich den Fridericianum in Kassel ist nun auch Kura­ Rest der Welt, exportiert worden ist. Nach tor der sogenannten „Eurafrika" Sektion der dem brutalen Kwangju Massaker im Mai Biennale in Kwangju. Block fand viele loben­ 1980 wurde Südkorea neben seinen Halblei­ de Worte für all die neuen Biennalen in Säo terprodukten, seinem Schiffbau und seiner 41 Jahrgang X Nummer 1/2 Oktober 2000 KOREAFORUM östliches. Block schrieb daher in seinem Katalogessay, dass diese neuen Biennalen im neuen Millennium richtungsweisend seien, und behauptete die Organisatoren der 48sten Biennale in Venedig hätten dies erkannt und im letzten Jahr den selben Weg eingeschlagen. Vom 29. März bis zum 7. Juni dieses Jahres waren in Kwangju unter dem zur Interpretation weit offen stehenden Thema „Man + Space" (kombiniert übri­ gens bedeuten die beiden chin. Zeichen „Menschheit") Werke von 246 Künstlern aus 46 Ländern zu sehen. Im Jahre 1995 hatte die Kwangju Biennale, die erste und größte internationale Kunst-Megashow in Asien, einen bombastischen Start: über 1,6 Mill. Besucher wurden gezählt, und das Budget betrug sagenhafte 23 Mill. US- Dollar. Zum Vergleich, die Biennale in Venedig hat dem Staat, der Stadt und pri­ vaten Sponsoren in den letzten Jahren Su-en Wong, Gelbes Bild m it Mädchen in Boxhandschuhen, zwischen 7 und 8 Mill. Dollar gekostet, Acrylic und Bleistift auf Leinwand, 165 x 178 cm, 1999 und die Ausstellung mit den höchsten Besucherzahlen in Europa, die documenta Der Kurator der Nordamerika Sektion, Thomas Finkeipearl von P.S.l in New York, hat 10 in Kassel, hatte selbst in ihrem besten versucht, die spezifische Situation in Kwangju mit in sein Ausstellungskonzept einzube­ Jahr 1997 nicht mehr als 631.000 Besucher. ziehen: „Eine Millionen Menschen werden diese Ausstellung sehen, und 970.000 sind Die zweite Kwangju Biennale im Jahre nicht aus der Kunstwelt. Daher wollte ich etwas für die 970.000 Leute tun.... Meine Sek­ 1997 zählte dann nur noch halb so viele tion ist ganz auf diese Situation angepasst. Ich würde diese Ausstellung in dieser Form Besucher, konnte aber auch ihren Etat um nicht in Venedig oder Sydney machen; das würde gar keinen Sinn machen." Finkelpearl die Hälfte reduzieren. Noch während lieferte mit seiner amerikanischen Version maßgeschneiderter Kunst für die Massen der letzten Biennale begann die Finanz­ dann auch prompt den größten kuratorischen Flop der Biennale. Sein gesamtes Konzept krise, die ganz Asien in Mitleidenschaft basierte auf dem scheinbaren Gegensatz von Korea als einer „group oriented society" zog. Zwei Jahre lang war der koreanische (Finkelpearl) und Nordamerika als einer individualistischen Gesellschaft. Während es Kunstmarkt wie erstarrt. Es ist noch immer sonst eine der großen Anreize moderner Kunst ist, die auf duale Charakteristiken redu­ vom „IMF-Zeitalter" die Rede, doch die zierte nationale und ethnische Identität zu hinterfragen und letztendlich ad absurdum abendlichen Fernsehnachrichten verbreiten zu führen, hat Finkelpearl hier also genau das Gegenteil gemacht: Seine Sektion bestand nichts als Optimismus über die wirtschaft­ einzig aus Selbstporträts nordamerikanischer Künstler. Hier wie in anderen Biennale liche Zukunft. Alle Probleme sind als Ausstellungen verwunderte zudem die züchtige Selbstbeschränkung auf die traditionel­ weitgehend überwunden erklärt, und die len zweidimensionalen Medien Malerei und Fotografie, während zugleich die internatio­ Krise wird als zu Ende betrachtet. Auch der nale Kunstwelt den Tod der Malerei reklamiert und alle Biennalen von Säo Paulo bis Kunstmarkt ist im letzten Winter wieder Sydney aufsehenerregende und bombastische Installationen zeigen. Das Geheimnis zu vollem Leben erwacht - Korea konnte dieser Politik war so simpel wie Finkeipearls kuratorisches Konzept: Aufgrund des über­ sich nun eine dritte Kwangju Biennale leis­ mächtigen Verwaltungsapparats der Biennale Foundation musste bei den Ausgaben für ten. Das diesjährige Budget betrug 7,2 Mill. Künstler, Transport und Versicherung gespart werden. Dollar und war damit etwa so hoch wie das der Biennale in Venedig, doch das Interesse lässt weiter nach, und die über­ Militärdiktatur auch zunehmend durch Erwartungen des westlichen Kunstmarktes, wältigend hohen Besucherzahlen der seine Studentendemonstrationen und damit insbesondere der amerikanischen Ostküste, ersten beiden Biennalen wurden nicht mehr seine einhergehende neue politische Kunst zuzuschreiben. Gleichzeitig sahen wir aber erreicht; in diesem Frühjahr waren es bekannt. Diese orientierte sich stilistisch auch wie asiatisch-amerikanische Künstler „nur" noch 614.000. zuerst am deutschen Expressionismus und sich mehr und mehr, dabei immer erfolg­ Die ersten beiden Biennalen, eine unter an lateinamerikanischer Wandmalerei, ging reicher, mit zuerst ethnisch orientierten, dem Leitspruch „Beyond the Borders" dann aber bald sehr eigenen Wege. Einige und in den letzten Jahren dann themati­ (1995), die andere unter dem Motto „Un- Jahre später sah man dann in China, was schen Ausstellungen (z.B. eine Show über mapping the Earth" (1997), waren damals mit einem Auslaufmodell wie Pop Art noch Kimch'i) in der amerikanischen Kunst­ beide in themenorientierte Ausstellungs­ alles so zu machen ist, wenn Mao Zedong szene bemerkbar machten. Rene Blocks sektionen aufgeteilt. Ihre theoretischen den Platz Marilyn Monroes einnimmt - im Euphorie ist also sehr verständlich: von Konzepte zielten beide daraufhin der west­ Unterschied zur anti-amerikanischen Min- der westlichen Moderne aus zweiter Hand lichen Moderne eine alternative nicht-west­ jung-Kunst Koreas ein Exportschlager erster (bezieht man die Kolonialzeit mit ein, kann liche (sprich asiatisch-afrikanisch-lateina­ Güte in die USA. (Aber inzwischen hat man im koreanischen Fall sogar von dritter merikanische) Moderne entgegenzustellen. selbst die Volksbefreiungsarmee einen Hand sprechen) bis zur thematisierten In der koreanischen wie internationalen rosaroten Mao für einige ihrer Werbekam­ Auseinandersetzung mit den asiatischen Presse wurde diesen Versuchen aber ein­ pagnen adaptiert.) Variationen der Moderne, die vor allem in hellig mit viel Ironie begegnet, denn Die schnell wachsende Präsenz asiati­ den letzten zwei Jahrzehnten zu beobach­ Ausstellungsbesucher hatten damals, vor scher Kunst in den Galerien von New York ten waren, hat moderne asiatische Kunst allem bei der 1997er Biennale, große und Paris ist sicher in erster Linie der star­ schließlich Wege gefunden asiatisch und Schwierigkeiten zwischen konzeptuellem ken künstlerischen Avantgarde in China global zu sein - eine Kunst, die ein west­ Anspruch und der Ausstellung selbst eine und ihrem Gespür für die Bedürfnisse und liches Publikum ebenso anspricht wie ein direkte Verbindung zu sehen. Kwangju 42 KOREAFORUM Jahrgang X Nummer 1/2 Oktober 2000 war natürlich keineswegs die erste Bien­ nale, die mit diesem Dilemma zu kämpfen hatte. Im Dezember 1998 wurde der links­ nationalistische Kunstkritiker Ch'oe Min als Künstlerischer Direktor der geplanten Millennium Biennale von der durch die Kwangjuer Stadtregierung kontrollierten Biennale Foundation abgesetzt und durch den älteren und wesentlich konservativeren Oh Kwang-su, Direktor des staatlichen Nationalmuseums für Moderne Kunst, ersetzt. Viele koreanische Künstler drohten daraufhin die Biennale zu boykottieren und sprachen sarkastisch vom „Massaker an kulturellen Experten durch die Büro­ kraten". Die Unzufriedenheit hielt an und diesen Januar wurde die Boykottdrohung wiederholt, schließlich aber nicht eingelöst. Neben dem offensichtlichen Machtkampf zwischen Lokalbürokratie auf der einen Seite und Kunstkritikern und Künstlern auf der anderen, war das Hauptmotiv für die Absetzung die Befürchtung, dass Yun Sok-nam, Bunte Schuhe, Installation, 800 x 800 x 500 cm, 2000 Ch'oe mit seinem anspruchsvollen kura­ torischen Konzept die Fehler von 1997 wie­ Wie viele andere in den 80er Jahren in der Minjung-Bewegung aktiv gewesene Künstler derholen würde. hat Yun Sok-nam ihre Aufmerksamkeit nun anderen Themen zugewandt, die wir in Bei seinem Versuch diese Fehler zu ver­ ihrem Fall als feministisch charakterisieren könnten. Ihr rosarotes Boot ist mit glänzend meiden hat Oh Kwang-su leider das Kind rosaroten Glassperlen gefüllt, schwimmend auf einem Meeresdelta aus blauen, grünen mit dem Bade ausgeschüttet und sich in und weißen Glassperlen. Eine Fährte, gelegt aus Bunten Schuhen, den traditionellen seiner Planung sehr an Venedig angelehnt. koreanischen Mädchen- und Frauenschuhen, zieht sich vom Bug übers Heck bis weit Selbst der Hauptpreis der Kwangju Bienna­ in das Perlenmeer hinein, wo die Schuhe zu kleinen Booten werden. Für Yun zählt dies le ging an Shirin Neshat, die auch in Vene­ als eine der Möglichkeiten „eine kurze Geschichte zu erzählen, eine Geschichte über dig im letzten Sommer schon mit einem die Spuren von so vielen Frauen, die namenlos und ohne jegliche Andenken verschwan­ der dortigen Hauptpreise ausgezeichnet den," unbemerkt von der Geschichte des Landes und der Welt. Yuns Installation fragt worden war. In Venedig wird noch immer geradezu nach einer schulbuchhaft-freudschen Interpretation: Boot gleich Vagina, die Tradition der Länderpavillons fortsetzt. Meeresdelta gleich Schoß, rosarote Glassperlen symbolisieren Menstruation, und die Als Variation hierzu hat Oh Kwang-su in Bunten Schuhe (zugleich Titel des Werks) stehen, ganz nach Freud, für sexuelle Begierde, Kwangju versucht Kunstwerke aus mög­ beschränkt auf den phallischen Fetisch. Als traditionelle Frauenschuhe stehen sie zu­ lichst allen Ländern der Welt vorzustellen, gleich aber auch für harte Arbeit und Entsagung. Die Spur führt ins Meer, dem Platz die dann in Kontinent-ähnliche geografi­ für unerfülltes Verlangen. sche Einheiten zusammengefasst worden Kim Hong-hee, Kuratorin der Korea/Ozeanien Sektion, die im letzten Jahr auch die sind. Für Venedig aber erklärt sich die Kuratorin einer sehr beeindruckenden Ausstellung feministischer Kunst („Patjis on Para­ Struktur der Länderpavillons durch ihre de") in Seoul war, hatte diese Installation aus gutem Grund im Mittelpunkt ihrer Sektion bis ins späte 19. Jahrhundert zurück­ ausgestellt. Aufgrund des 20-jährigen Jahrestags des Kwangju Massakers war die Teil­ reichende Geschichte, und, wie Rene Block nahme von vielen ehemaligen Minjung-Künstlern angesagt (die gleichzeitig aber auch ja feststellte, wurde gerade im letzten Jahr noch in der Sonderausstellung „Art & Human Rights" vertreten waren). Bedauerlicher­ versucht diese Struktur aufzubrechen. Die weise erschien die Mehrzahl der anderen Werke dieser Sektion 20 Jahre nach dem Mas­ aber nur wenige Jahre alte Kwangju Bien­ saker und ein Jahrzehnt nach dem eigentlichen Ende der Bewegung aber nur wie ein nale negierte dagegen mit dem Konzept schwacher Abklatsch der einstmals so vorbehaltlos kritischen und politisch engagierten einer geografischen Einteilung die beiden Minjung-Kunst. Viele der jungen und die gegenwärtige koreanische Kunstszene domi­ Vorgänger-Biennalen und deren Ziele. Dem nierenden Künstler/innen mit internationalem Ruf, wie z.B. die Installationskünstler Lee anderen wichtigen Kritikpunkt, der damals Bul (die Korea in Venedig vertrat), Ium oder Cho Duck-hyun (gegenwärtig alle im soge­ von der internationalen Presse angebracht nannten Kurim Dorf Projekt tätig), waren dagegen nicht eingeladen worden. Die vielen wurde, nämlich dass in scharfer Diskre­ Kompromisse, die Kim Hong-hee eingegangen war, und die auch in der koreanischen panz zur kuratorischen Konzeption kaum Presse scharf kritisiert worden sind, verhinderten die praktische Umsetzung ihres anre­ asiatische und insbesondere zu wenig genden Katalogessays, in welchem die Rede ist von „neuer" politischer Kunst und poli­ koreanische Kunst vertreten war - Kunst­ tisierter Gegenwartskunst, welche sich mit Themen wie Emanzipation, Konsum und werke und auch Präsentationsformen, anderen sozialen Fragen auseinandersetzen - gerade eben jene Themen, die im Mittel­ welche diese Biennale von anderen inter­ punkt des Werks zuletzt genannter Künstler/innen stehen. nationalen Kunstfestivals unterscheiden würde, sie zu einer „asiatischen" Biennale machen würde - haben Oh und die von bedeutende Teil, bestand aus fünf „Sonder­ großes Quadrat hatten um ihrer Kreativität ihm eingeladenen Kuratoren diesmal ver­ ausstellungen", dessen konzeptueller freien Lauf zu lassen - das Ergebnis einer sucht Tribut zu zahlen. Doch was sich in Rahmen Menschenrechte, Sexualität, der vielen politischen Kompromisse zwi­ den Statistiken der Bürokraten so ein­ Geschlechterrollen und asiatische Moderne schen lokalen, regionalen und nationalen drucksvoll anhört, hat der Ausstellung in den Mittelpunkt stellte. Eine dieser Gruppen, der den Streit um die Teilnahme am Ende nicht zum Erfolg verholfen. Sonderausstellungen bestand aus einer lokaler Gruppen und die Form dieser Teil­ Die „Hauptausstellung" war in fünf traditionellen koreanischen Mauer im Frei­ nahme schlichten sollte. Die vielen pedan­ geografische Regionen sowie eine „Special en, an der über tausend regionale Künstler, tischen Werke dieser Mauerausstellung, Corner" eingeteilt. Der zweite, ebenso hauptsächlich Kunststudenten, je ein käfig­ nicht zu sprechen von den naiv-religiös 43 Jahrgang X Nummer 1/2 Oktober 2000 KOREAFORUM anmutenden Essays der beiden Kuratoren, kompromittierten alle anderen Werke der Biennale. Im drei Minuten entfernt liegen­ den Folkloremuseum der Stadt Kwangju war zudem eine „New Media Art" Show untergebracht, die unter den Besuchern sehr wenig Interesse zu wecken schien. Hier wie auch in den anderen Ausstellun­ gen waren mit wenigen Ausnahmen die wirklich großen Namen abwesend. „When too perfect, the good Lord becomes angry", hat Nam June Paik, Vater der Video-Kunst, einmal gesagt. Doch was für Paiks Arbeit zutreffen mag, funktio­ nierte bei der Biennale weniger gut. Viele der Seouler Galeristen, Künstler und Kul­ Chen Shun-Chu, Familienparade [detail], Installation, 1999 turjournalisten scheuten dann auch den 14-stündigen Flug zu Nam June Paiks Die Asien-Sektion krankte - was für viele Besucher schnell fass­ großer Guggenheim Show nicht, fühlten bar war - an ihrer Überambitioniertheit. Zwar gelang es Kurator sich aber weit weniger animiert den ein- Tani Arata aus Japan, eine große Anzahl von wichtigen asiati­ stündigen Flug nach Kwangju zu buchen. schen Avantgarde Künstlern einzuladen, aber sein Ziel repräsen­ Während gleichzeitig die internationalen tative Künstler aus ganz Asien auszustellen, auch aus solchen Filmfestivals in Pusan, und seit diesem selten in Biennalen vertretenen Ländern wie Burma und der Frühjahr nun auch in Chonju, weiter an Mongolei, erlaubte ihm nicht die Werke seiner Ausstellung unter Popularität gewinnen, bleibt in Kwangju einem überzeugenden Gesamtkonzept zu präsentieren. Dies das intellektuelle Publikum fern. Der führte unweigerlich dazu, dass die gesamte Show wie ein über­ Literaturkritiker Paik Nak-chung, seit füllter Abstellraum der asiatischen Avantgarde wirkte, was die langem einer von Koreas Zelebritäten und vielen in der Tat sehr interessanten Werke - hier Chen Shun- Partner von Jürgen Habermas in einer Chus (Taiwan) Installation Familienparade - kompromittierte. offenen Diskussion über deutsche und koreanische Wiedervereinigung, brachte dies auf einen Nenner: „Die Öffentlichkeit meint, dass Kwangju Wiedergutmachung [für das Massaker im Mai 1980] verdient, und die hat man ihnen gegeben. Aber dabei bleibt es dann auch." Wie in den ersten beiden Biennalen haben daher die von staatlichen Organisationen finanzierten oder mitfinanzierten Bustouren, in denen über 80% der Besucher kamen, in der Mehrheit Schulkinder und Rentner nach Kwangju befördert. Anstatt einer internatio­ nalen Kunstshow der Superlative sahen wir ein pompöses und teures koreanisches Volksfest - mit internationaler Beteiligung, die dem Schauspiel globale Anerkennung und Publizität garantieren sollte. Ein Ausstellungsraum der Sonderausstellung „The Facet of Korean & Japanese Contemporary Art" Frank Hoffmatm ist Assistant Professor for mit Yoshida Katsuros Red, Canvas, Yarn, etc. (1971-74) Korean Studies am Intercultural Institute of und Koshimizu Susumus Front Surface to Surface (1971) California (I/O, San Francisco, und ist u.a. auch der Kompilator der Harvard Korean Der Titel der Show „The Facet of Korean & Japanese Contem­ Studies Bibliography CD. porary Art" war wohl eine leichte Fehlbezeichnung, denn wie andere Shows war auch diese Sonderausstellung eigentlich mehr eine Retrospektive. Das eigentliche Thema der Ausstellung war die japanische Monoha und die koreanische Sansaekhwa Kunst der späten 60er und 70er Jahre. Für das westliche Publikum, dem Monoha durch große Ausstellungen im Pariser Centre Georges Pompidou (1988) und im New Yorker Guggenheim Museum (1994) bekannt gemacht worden war, gab es hier kaum Über­ raschungen. Allerdings wurde diese gelungene Retrospektive durch die Gegenüberstellung der beiden recht ähnlichen Bewe­ gungen in Korea und Japan für das koreanische Publikum einer der leisen Erfolge der Biennale, denn mit der japanischen Vari­ ante der Asiatisierung von westlichem Minimalismus ist man in Korea aufgrund der jahrzehntelangen Ausgrenzung japanischer Kultur noch immer wenig vertraut. 44