Ġulām Ḫalīl und das Kitāb Šarḥ as-sunna
Author(s): Maher Jarrar and Sebastian Günther
Source: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Vol. 153, No. 1 (2003),
pp. 11-36
Published by: Harrassowitz Verlag
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/43381250
Accessed: 11-02-2017 17:36 UTC
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna
Erste Ergebnisse einer Studie zum Konservatismus
hanbalitischer Färbung im Islam des 3. /9. Jahrhunderts"'
Von Mäher Jarrar und Sebastian Günther
Die zweite Auflage der Encyclopaedia of Islam beruft sich im Stichwort
„Sünna" mehrfach auf einen mittelalterlichen arabischen Text mit dem Titel
K. Sarh as-sunna. Dieses Werk ist, wie dort vermerkt wird, in längeren Zitaten in den Tabaqät al-Hanäbila des Hanbaliten Ibn Abi Yaclā al-Farrä* (gest.
526/1131)1 erhalten. Ibn Abi Yaclä nennt einen gewissen al-Hasan ibn cAll alBarbahārī (gest. 329/941), ebenfalls ein Hanbalit, als Verfasser des Sarh as-
sunna. Der Enzyklopädieartikel hebt hervor, daß das K. Sarh as-sunna ein
wichtiges Dokument zum Verständnis der Entwicklung des Sunna-Begriffs
und der Orthodoxie im Islam ist und daß es als ein Credo der sunnitischen
Glaubenslehre gelten dürfe. Darüber hinaus sei der Text ein Zeitzeugnis, das
über eine Gruppierung unter den Muslimen Auskunft gibt, die als Ahl assunna bekannt wurde und die in ihrer politischen Ausformung, den Ahl assunna wa-l-gamãcay beachtlichen Einfluß auf die Geschicke des Islams im
Mittelalter nehmen sollte.2
Der vorliegenden Aufsatz stellt die ersten Ergebnisse einer eingehenderen Analyse des K. Sarh as-sunna und damit zusammenhängender Fragen
vor. Unsere Untersuchungen beruhen jedoch nicht auf den bei Ibn Abi Yaclā
erhaltenen Zitaten des Werkes, sondern auf einer unikalen in Damaskus
* Die Autoren möchten Herrn Professor Josef van Ess für seinen Hinweis auf die
Handschrift des K. Sarh al-sunna herzlich danken.
1 Vgl. C. Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Suppl. zu Bd. I, S. 557;
und Art. „Ibn al-Farrā>a (H. Laoust). In: El1 III (1979), S. 766.
2 ,,[T]he adherents to the sunna , or ahi al-sunna as they were increasingly often called,
were thought of during the heyday of theological disputes as living in concealment, as
strangers in their own home, that is in any case how al-Hasan b. 'All al-Barbahārī ..., the
author of an early Islamic creed, expressed it, vgl. Art. „Sunna" (G. Juynboll). In: EI 1 IX
(1997), S. 878a; mit Berufung auf Ibn Abi Ya'lä: K. Tabaqãt al-Hanãbila , Ed. M. Hāmid
al-Fiqī, Kairo 1952, Bd. II, S. 29, Zeilen 2-6.
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1 2 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
erhaltenen Handschrift mit dem Titel Kš Sarh assunna.3 Die Haupt
nisse unserer Studie seien hier in Thesenform vorangestellt:
1) Nicht der Hanbalit al-Hasan al-Barbahārl aus der ersten Hälfte
4./10.Jahrhunderts ist Verfasser des K. Sarh as-sunna , sonder
Mitte des 3. /9. wirkende Gelehrte Gulām Halil.
2) Die in der Islamwissenschaft gelegentlich geäußerten Zweifel an der
thentizität der Person Gulām llallis lassen sich durch die in den m
alterlichen bio-bibliographischen Quellen sowie die im Damas
Manuskript gebotenen Informationen ausräumen. Gulām Inaili ist
historisch nachweisbare Person: Er war ein in Basra und Bagdad wir
der konservativer Gelehrter und Volksprediger, der in Glaubensf
den Hanbaliten nahestand. Gulām Ķalll starb im Jahr 275/888 in Ba
3) Der Traktat K. Sarh as-sunna wendet sich expressive verbis an d
as-sunna wa-l-gama a. Es sprechen Gründe dafür, im K. Sarh as-su
eine Art Satzung oder Statut dieser sich im 9. und 10. Jahrhundert
ausbildenden und dann besonders aktiven Gruppierung sunna-t
Muslime zu sehen. Dies lassen Äußerungen des Autors erkennen
che hervorheben, daß die Anerkennung des K. Sarh as-sunna un
buchstabengetreue Befolgung aller seiner Grundsätze heiße, zu
Ahl as-sunna wa-l-ģamāca zu gehören (vgl. z.B. fol. 19a, Zeilen 7
4) Der in Damaskus erhaltene .W/?-Traktat zählt zu den frühesten
ständigen Abhandlungen zur sunnitischen Glaubenslehre und z
von den Anfängen der Orthodoxie im Islam. Der Text ist ein weite
Beleg für die Existenz der Ahl as-sunna wa-l-gama a in der Mitte
3./9.Jahrhunderts und die Verwendung des Begriffes für diese Gru
rung besonders sunna-treuer Muslime.4
5) Auch ist das K. Sarh as-sunna - gemeinsam mit dem vergleich
Werk Ibn Hanbals5 - eines der frühesten Zeugnisse des sogenan
Caqīda-Gt nres. Das Werk dürfte somit von zentralem Interesse fü
weitere Erforschung des Konservatismus im Islam sein.
3 Die textkritische Edition dieser Handschrift ist bereits abgeschlossen. Ihre P
tion wird im Rahmen einer Monographie mit dem Titel The „K. Sharh al-sun
Ghulãm Khalīl (d. 275/888). An early manual on Islamic orthodoxy. Edition , tran
and commentary erfolgen.
4 Zum Begriff der Ahl as-sunna wa-l-gama(a , siehe Fn. 13.
Es ist hier zu berücksichtigen, daß Ibn Hanbals Buch eine Reihe von Glau
lehren aufführt, die schon in den Werken des eine Generation älteren Gelehrt
Hanifa (gest. 150/767) nachweisbar sind bzw. die - in der Überlieferung der Schü
Hanïfas - auf letzteren zurückgeführt werden.
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 1 3
1. Der Traktat Šarh as-sunna
Das KÉ Sarh as-sunna 6 ist in Damaskus in einer 38 Seiten (20 folia) umfassenden Handschrift erhalten. Auf der Titelseite steht „ Kitab Sarh as-sunn
can Abī ' Abdallah Ahmad ibn Muhammad ibn Gālib al-Bāhilī Gulām Halīl
Als Autor wird damit ein konservativer Gelehrter genannt, der in der
Literatur unter seiner Kunya Gulām Halil bekannt ist und von dem man
weiß, daß er im Jahre 275/888 in Bagdad starb.
Die Überlieferung des Werkes ist auf dem Titelblatt (fol. 1 b) und erneut
am Anfang des Textes in einer riwãyat al-kitāb (fol. 2 a) dokumentiert. Diese
Zeugenketten weisen eine ununterbrochene Reihe von fünf Bagdader Gelehrten auf, welche den Sarh-^ext über einen Zeitraum von ca. 300 Jahren
direkt vom Verfasser überlieferten.7
Die riwãyat al-kitāb wie auch ein Hörervermerk am Ende der Handschrift (fol. 20a) belegen, daß das gesamte Werk im Jahre 506/1112 in einer
(wahrscheinlich Bagdader) Freitagsmoschee öffentlich gelesen wurde.8 Dies
geschah in Anwesenheit des Imams Abū 1-Husain cAbd al-Haqq (gest.
575/1179), des jüngsten und letzten im Manuskript genannten autorisierten
Uberlieferers des Werkes. Mit der Lesung beauftragt war ein gewisser Muhammad ibn Näsir ibn Muhammad, vielleicht ein Assistent des Imāms cAbd
al-Haqq. An dem Studienzirkel nahmen weitere vierzehn Personen teil,
unter ihnen eine Frau namens Hazar bt. al-Harawï. Der Name des Kopisten
des Manuskripts ist nicht genannt.
2. Stil und Intention des Traktats
Das K. Sarh as-sunna trägt deutlich die Züge eines caqîda- Textes.9 Wie
für dieses Genre des dogmatischen Schrifttums üblich, so dient auch das
6 Der Traktat ist der erste einer insgesamt dreizehn Werke umfassenden Sammelhandschrift, welche in der Zähirlya-Bibliothek (heute Bestandteil der Asad-Bibliothek) in Damaskus, erhalten ist. Die Sammelhandschrift ist als Zähiriyya, Maģāmīc 3750 verzeichnet. Das
Sarh- Manuskript umfaßt die Folia 1 a- 19b; vgl. auch as-Sawwäs: Fihris 60-65. Die erhaltene
Kopie des Textes ist offenbar eine Vorlesungsmit- oder Nachschrift. Der Hörervermerk am
Ende des 5<zr/?-Manuskripts (fol. 20a) scheint von der gleichen Hand zu stammen, die schon
den Haupttext niederschrieb. Alle in dieser Sammelhandschrift vereinten Manuskripte stammen aus dem 6. /12. und 7./13. Jahrhundert. Sie gehen auf verschiedene Kopisten zurück.
7 Zur Überlieferung des Šarh siehe unten Abschnitt 9.
8 Zu den Fragen, wo diese letzte dokumentierte Lesung des Šarh stattfand bzw. wie
der Text von Bagdad nach Damaskus gelangte, siehe Fn. 81.
9 Vgl. Art. „ťAkida" (W. Montgomery Watt). In: EP I (1960), S. 332-336 und die
dort angegebene Literatur. Siehe auch Laoust: La profession, S. VII-XXII.
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1 4 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
S¿ír/?-Buch der Formulierung von islamischen Glaubensgrundsätze
zum Credo erhoben werden. Sein Autor beabsichtigt weder eine intell
elle Diskussion von Doktrinen noch deren Begründung im Sinne ei
gumentativen ^Beweisführung. Das ist insofern bemerkenswert, als der
des Traktats, Sarb as-sunna (etwa: „Die Erläuterung der Sunna"), verm
lassen könnte, daß der Text über die Nennung und Festschreibung von
bensgrundsätzen hinausgeht.
Spätere caqīda- Texte - ob nun von einem orthodoxen oder häret
Standpunkt aus verfaßt - können die Lehrmeinung einer ganzen Schul
theologischen Richtung ausdrücken. Auch dies trifft für den Sarb nic
Er gibt die Lehrmeinung seines Verfassers zu den Fundamenten des is
schen Glaubens wieder. Daß der Verfasser seinen Text als essentiell
ser Hinsicht erachtet, wird u. a. dadurch deutlich, daß er mehrfach en
siastisch davor warnt, in irgendeiner Weise von den in „seinem" Bu
kitãbinã , ft bada l-kitãb ) genannten Prämissen abzuweichen; Neuerun
jedweder Art hervorzubringen - oder solchen auch nur zu folgen nichts als ewige Höllenstrafen zur Folge haben.
In Thematik und Intention ist das K. Sarb as-sunna des Gulām Halil
dem umfangreichen - allerdings erst von dessen Schüler fixierten - K
Sunna des Ahmad ibn Hanbai (gest. 241/855) vergleichbar. Dies läß
auch für die theologische Grundtendenz des Sarb feststellen, welche d
lich hanbalitische Züge trägt; Ibn Hanbai wird im Sarb auch gelege
zitiert. Doch der Text enthält, wie van Ess feststellt, auch Auffassunge
an den alten medinensischen Juristen cAbd al-cAzīz ibn 'Abdallah [Ibn
Māģašūn (gest. 164/780-781) erinnern, der später in Bagdad wirkte un
auch theologische Stellungnahmen abgab.10
Mit dem Sarb erschließt sich uns eine wichtige frühe Quelle, die
jene dynamischen Entwicklungsprozesse Auskunft gibt, welche Mit
3. /9. und im 4./10. Jahrhundert zur textlichen Fixierung und zur ve
lichen Kodifizierung jener Präzedenzfälle führten, die durch die vo
haften Handlungsweisen des Propheten Muhammad gesetzt waren
von denen die überlieferten Aussprüche des Propheten sowie die Be
und Erzählungen der ersten Muslime über das Leben Muhammad
seiner Gefährten künden. Mit dieser Kodifizierung des Sunna-Beg
10 Van Ess: Theologie IV, S. 283; zu [Ibn] al-Māģašūn, idem. II, S. 690-696, in
S. 693. Van Ess liest den (Spitz-)Namen dieses Gelehrten „Maģašūn" (zu Deutsc
senfarb"). M. Muranyi liest Māģišūn, vgl. seine Studie Ein altes Fragment medin
scher Jurisprudenz aus Qairawãn : aus dem Kitāb al-Hagg des ťAbd al-'AzIz b. ťAbd
b. Abi Salama al-Māģišūn (st. 164/780-1). Stuttgart 1985.
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 1 5
und damit der sunnitischen Glaubenslehre - war eine entscheidende Vora
setzung für die Entwicklung der islamischen Orthodoxie gegeben.11
Der S^r/7-Traktat scheint ganz im Kontext dieses Formierungsprozes
zu stehen und reflektiert das politische und ideologische Umfeld, in de
verfaßt wurde.
Insbesondere Bagdad, die Hauptstadt der cAbbāsiden-Dynastie, w
Mitte des 3. /9. Jahrhundert s von religiös-politischen Wirren und the
schen Streitigkeiten gezeichnet. Mit der mihna (833-850/1), 12 der sog
ten islamischen Inquisition, hatte schließlich der Staat versucht, die vo
Mutaziliten vertretene Auffassung von der Erschaffenheit des Koran g
sam durchzusetzen, allerdings nicht ohne dies auszunutzen, um sich
einer Reihe unbequemer politischer Gegner zu entledigen.
Ein Begriff, welcher in diesen bewegten Jahren Bedeutsamkeit erlangt
der der Ahl al-sunna wa-l-gamaaP Mitte des 3. /9. Jahrhunderts schein
noch einer unter vielen im Paradigma der doktrinären und politischen
einandersetzungen gewesen zu sein (das legt auch unser Sarh-^ext nahe)
jener Zeit bezeichnete der Begriff vor allem Muslime, die als besonders f
und rechtgläubig, eben sunna-treu galten. Doch bahnte sich hier schon
bedeutungsträchtige Entwicklung an, die dadurch gekennzeichnet war,
der Begriff Ahl as-sunna wa-l-gamaa zunehmend per defnitionem
Geisteshaltung einschloß, welche sich an der strikten Konservierun
althergebrachten Glaubensauffassungen und Glaubenspraktiken orienti
Diejenigen, die sich als Ahl as-sunna wa-l-gamaa verstanden, ließe
verbalen Ablehnung jedweder Diskussion zu den Fundamenten des I
dann auch bald Aktionen gegen , Andersdenkende4 folgen. Die Ahl as-s
11 Zum Begriff der Orthodoxie im Islam, siehe auch T. Nagel: „Das Problem
Orthodoxie im frühen Islam." In: Studien zum Minderheitenproblem im Islam
Bonn 1973 (Bonner orientalistische Studien 27/1), S. 7-44.
12 Vgl. Art. „Mihna" (M. Hinds). In: EP VII (1993), 2b-6b. - Vajda: „Les zi
S. 173-229. - van Ess: Theologie III, S. 446-508. - Fahmī Čad'ān: Al-Mihna. B
çadalîyat ad-dīnīya wa-l-siyāsīyafī l- Islām. Amman 1989. Siehe auch Fn. 53.
13 Zum Begriff Ahl as-sunna wa-l-gamāca , siehe Laoust: La profession , S. L
LXX; Nagel: Das Problem I, S. 7-44; und Watt: Islamic Thought , S. 267-270, 27
Watt schreibt: „A common name for the Sunnites in later times was Ahl as-Sunn
Jamā'a. It is found in Sharh al-fiqh al-akbar probably by Abū-1-Layth as-Samarq
983 or later); and Ahmad ibn-Hanbal used it in the form Ahl as-Sunna wa-l-Jam
1-Āthār. There is at least one occurrence of Ahl as-Sunna in Ibn-Qutayba (d. 88
(ibid. 268). „[...] however, al-PazdawI (d. 1099) spoke of the madhhab of the Ahl as
wa-l-Jama'a as that of the ,the jurists, the textual scholars, the Süfiyya and the As
Hadīth' [. . . ] ." Weiter heißt es „ [. . .] the strong feeling for the unity of the communi
probably indicated by the use of the word jamä'a in the name ,Ahl as-Sunna wa-l-J
{ibid. 267). Die Analyse des Sarh läßt hier Erkenntnisgewinn erhoffen.
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1 6 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
wa-l-gama a entwickelten sich so zum aktiven ideologischen Kern der
damentalisten' im frühen Islam, wenn man einen heute strapazierten B
verwenden will. Die Anfänge dieser streng konservativen Richtung im
des Mittelalters sind allerdings noch immer nicht ausreichend erforsch
3. Autor und Traktat in der Islamwissenschaft
Die in Damaskus erhaltene S¿*r/?-Handschrift nennt, wie gesagt, Abū 'A
Ahmad ibn Muhammad al-Bähill Gulām Halil als Verfasser des Werkes.
Gulām Halil ist in der Islamwissenschaft bekannt. Er hat hier b
aber eher wenig Beachtung gefunden. Das mag darauf zurückzuführen
daß sowohl die Identität Gulām Halïls als auch seine Autorenschaft im
des Sarb nicht vollends geklärt sind.
Es war zunächst L. Massignon, der auf Gulām Ķalīl und den
aufmerksam machte. Er edierte einen Passus aus diesem Werk, der vo
Schacht übersetzt wurde.14 F. Sezgin schließlich widmete Gulām Halil
einen Eintrag in der GAS und J. van Ess beschäftigte sich in einem Exkurs
in seiner Theologie und Gesellschaft mit Gulām yalll.15
An-Naģāšī (gest. 450/1058) nennt in seinem K. ar-Rigāl eine Person glei-
chen Namens. Diese Person weist jedoch nicht die Kunya Gulām Ņalīl ,
sondern den Zusatz al-Āmulī auf und scheint ein Schiit geweseruzu sein.16
Al-Ardabïlï (gest. 1101/1689) wiederholt diese Angaben mit Berufung auf an-
Naģāšī. Bei al-Ardabïlï findet sich jedoch auch die Kunya Gulām Ņalīl}7
J. van Ess merkt an,18 daß auch Muhsin al-Amīn (gest. 1952) in seinen
A cyān aš-SVa einen Schiiten namens Gulām Halil mit unserem konservativen
14 Massignon: Recueil , S. 212-214. - J. Schacht: Der Islam: mit Ausschluss des
Qor'äns. (2., erw. Aufl.) Tübingen 1931 [= Religionsgeschichtliches Lesebuch. In Verbindung mit Fachgelehrten hrsg. von Alfred Bertholet, Heft 16], S. 40. Siehe auch
Vajda: „Les zindiq", S. 173-229. - Die EI 2 I (1960), S. 286, hat ein Stichwort „Ahmad
Ghuläm Khalïl" mit dem Hinweis „see Ghulām Khalïl." An entsprechender Stelle in
Bd. III (1965), S. 1093, ist jedoch kein Artikel zur Person aufgenommen.
15 G>1S I, S. 511 (auf der Grundlage von al-řjatlb al-Baģdādī: Tarīķ Bagdad. 14 Bde.,
Ed. Kairo 1349/1931, V, S. 78-80, sowie Ibn al-öauzl: Al-Muntazam fī ta'rīķ al-mulūk
wa-l-umam. Ed. Haidarabad: Dā'irāt al-Ma'ārif, 1357-1362 H, Bd. V, S. 95-96). - van
Ess: Theologie I, S. 416-426; III, S. 20fř.; IV, S. 282-286.
16 Abu l-'Abbas Ahmad ibn 'All an-Naģāšī: K. ar-Rigal. Ed. M. Öawad an-Na'īnī,
Beirut 1988, Bd. I, S. 243 (Nr. 236).
17 Muhammad ibn cAli al-Ardabïlï al-Garawi al-Ha'iri: Gamic ar-ruwat wa-izahat
al-istibãhãt can at-turuq wa-l-isnäd. 2 Bde., Qom: Maktabat Äyat Allah al-cUzmā alMarcašī an-Nagafï, 1403 H [1982-1983], Bd. I, S. 58, Nr. 379.
18 Van Ess: Theologie IV, S. 285.
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 1 7
und sunna-treuen Gulām Halil gleichsetzt;19 E. Kohlberg gibt di
gaben in seiner Studie zu Ibn Täwüs (gest. 664/1266 in Bagdad) für eine
leicht aus Tabaristān stammenden Schiiten namens Abū 'Abdallah Ahmad
ibn Muhammad at-Tabarl al-Hallll wieder, von welchem Ibn Täwüs einen
längeren Passus zu den Vorzügen cAll ibn Abi Tālibs und zur Gadlr Humm
Episode zitiert.20
Ausgeschlossen werden kann, daß der Name Gulām Halīl auf einen Schreib-
fehler zurückgeht und daß cAbd al-cAzIz ibn öacfar al-Baģawī Gulām alHallãl gemeint sein könnte.21 Gulām al-Hallāl (gest. 363/974 in Bagdad) ist
ein berühmter Hanbalit, der eine Generation jünger als Gulām Halil war.
Eine Verwechslung der beiden Personen liegt zwar im Bereich des Möglichen,
weil auch Gulām al-Hallāl ein „K. as-Sunna" verfaßte.22 Der Vergleich des K.
Sarh as-sunna des Gulām Halli mit dem Kè as-Sunna des Gulām al-Hallāl
macht jedoch zweifelsfrei deutlich, daß beide Bücher in Inhalt und Form verschieden sind. Demzufolge sind auch diese beiden Personen zu trennen.
4. Zur Biographie des Gulām Halil
Die Informationen in den mittelalterlichen bio-bibliographischen Werken
zu Gulām Halil sind nicht üppig. Sie sind aber ausreichend, um einen Ein-
blick in das Leben und Schaffen dieses Gelehrten zu vermitteln:
Gulām Halil stammte aus Basra. Er war dort als Klient ( maulã ) dem arabischen Stamm der Bähila affiliiert, der im Zuge der islamischen Expansion
von Arabien über Syrien bis in den Irak gelangt war und dort u. a. in der
Umgebung Basras siedelte.23 Uber die Jugendjahre Gulām Hallls in Basra
scheint nichts bekannt zu sein. Auch der Beiname Gulām Halil, der ihm bereits als Jugendlicher zugeeignet worden sein mag, läßt sich nicht schlüssig
19 al-Amīn: Acyãn III, S. 118-119; „Ahmad ibn M. Abū 'Abdallah at-Tabarī al-Āmull
al-Hallll alladl yuqälu lahū Gulām Halli, wa-z-zāhir annahū huwa ... Ahmad ibn M. ibn
Gālib ibn Hālid Ibn Mirdās [im Druck: Binmirdās] Abū 'Abdallah az-Zāhid al-Bāhilī alBasrl al-ma'rūf bi- Gulām Halīl;" vgl. a.a.O., S. 118.
20 E. Kohlberg: A Medieval Scholar at Work. Ibn Tawus and His Library. Leiden
1992, S. 155.
21 G^4S I, 514, und EP II (1965), S. 1093 (H. Laoust). - Herrn Prof. H. Preissler
(Leipzig) möchten wir in diesem Zusammenhang für seine anregenden Hinweise danken
(Brief vom Juni 2000).
22 Ed. 'Atïya ibn 'Atiq az-Zaharānī. Riad 1994.
23 Ibn 4Adi, al-Kamil I, S. 198. - Zu den Bähila vgl. 'Ali ibn Ahmad Ibn Hazm (gest.
456/1053): Gamharat ansāb al-'arab. Ed. cAbd as-Salām M. Hārūn, Kairo 1971, II,
S. 245-247; sowie Art. „Bähila" (W. Caskel). In: EP I (1960), S. 920-921.
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1 8 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
klären. Eine Möglichkeit der Deutung besteht darin, in guläm den
schen", „Schüler" oder „Anhänger" eines (allerdings nicht nachweisb
Gelehrten namens Halil zu sehen.24
Besser informiert sind wir über die späteren Jahre Gulām Hallls
heißt es, daß er den größten Teil seines aktiven Lebens in Bagdad verbr
habe. Dort starb er am 22.Ragab des Jahres 275 (1. Dezember 888). A
zeugenberichte seines Begräbnisses bekräftigen Angaben in den ri
Werken, die den Eindruck vermitteln, daß Gulām Halil am Ende sein
bens eine gewissen Berühmtheit erlangt hatte.
Ahmad ibn Kāmil (gest. 350/961), nachweislich ein Schüler Gulām Hal
berichtet unter anderem,25 daß bei der Kunde von Gulām gailis To
Bagdad die Märkte (aswäq) schlössen und die Leute - Männer und Fra
ausgingen, um für den Toten zu beten. Der Leichnam sei danach [herge
tet und] in einem [nach muslimischer Tradition offenen] Sarg (täbüt) n
Basra gebracht worden, wo er bestattet wurde. Über Gulām Hallls Grab
eine Art Mausoleum (qubba) errichtet worden.
Ibn al-Munādī (gest. 346/957), 26 ein Hanbalit, der zum Zeitpunkt
Ablebens von Gulām Halil achtzehn Jahren alt war, ist ein weiterer Aug
zeuge des Begräbnisses. Er schildert zunächst, wie im Haus des Verst
nen in Bagdad das Totengebet für den Dahingeschiedenen verrichtet wu
Danach, so heißt es, hätten zahlreiche Menschen den Sarg bis zum Flußu
begleitet. Auf ein Boot verladen, sei der Sarg nach Basra, die Heimat
Gulām Hallls, gebracht worden. Viele Leute seien am Flußufer neben
in Richtung Basra aufbrechenden Boot einhergelaufen, um es bis
Kalawadä, einer ca. zwei Kilometer südlich von Bagdad gelegenen Ortsch
zu begleiten.27 Wenn immer das Boot an einer Gruppe der am Flußufer
henden Trauernden vorüberfuhr, hätten diese Leute für den Toten geb
und in Ehrerbietung ihre Häupter geneigt (īmā3)P
24 Es war durchaus üblich, daß sich ein Student in dieser Weise zu seinem Meist
kannte. Allein schon die Namensliste mit „ gulām von so-und-so", welche die EP anf
macht dies deutlich. Van Ess denkt auch über die Bedeutung „Diener Abrahams"
vgl. seine Theologie IV, S. 285.
25 Al-^Jatib al-Baģdadi: Tanķ Bagdad V, S. 80; hier in der Überlieferung des Ib
Munādī.
26 Das heißt Ahmad ibn ča'far al-Baģdadi; vgl. ad-Dahabi: Siyar XV, S. 361; alťUlaimI: al-Manhag II, S. 245-247.
27 Yaqut: Mugam al-buldan IV, S. 477.
28 Al-Hatib al-Baģdadl: Ta'riķ Bagdad V, S. 80.
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 1 9
5. Das akademische Schaffen Gulām Hallls
Gulām Halil gehörte der Generation der Schüler Ibn Hanbals an. Unter jenen sind vor allem die Söhne Ibn Hanbals, cAbdallāh und Sālih, sowie im
weiteren Abū Bakr al-MarwazI und Ibn Abi cĀsim aš-Šaibānī zu nennen.
Auch Gulām Halil lebte und wirkte - wie schon Ibn Hanbai und seine Schü-
ler - vorwiegend in Bagdad. Die Quellen machen keine Aussage darüber,
wie Gulām Halil zu Ahmad ibn Hanbai und seinen Anhängern stand. Es
läßt sich ebenfalls nicht feststellen, ob Gulām Halil je bei dem etwas älteren
Ibn Hanbai studierte, obgleich er Ahmad ibn Hanbai (welcher zu jener Zeit
noch kein Schuloberhaupt im eigentlichen Sinne war) gelegentlich im Sarb
zitiert.
Andererseits war Gulām Halil eine Generation älter als die großen Theo-
logen und Dogmatiker al-Hallāl, Ibn Huzaima, al-AscarI und al-cUkbarI,
deren Traktate zur Glaubenslehre später großen Einfluß gewannen.
Gulām Hallls Schaffen fällt in die Kernzeit der Entwicklung und graduellen textlichen Fixierung der konservativen Glaubenslehre im Islam; sie liegt
zwischen Ibn Hanbai in der ersten Hälfte des 3./9.Jahrhunderts und den
großen Dogmatikern an der Wende zum 4. /10. Jahrhundert. Die Frage je-
doch, ob man Gulām Halil als Hanbaliten bezeichnen kann, wie das seit L.
Massignon oft getan wird, läßt sich bislang nicht schlüssig beantworten.29
Sicher ist lediglich, daß Gulām Halil ein Vertreter des streng auf die Sunna
fixierten Islams war.
Als Lehrer Gulām Hallls nennen seine Biographen die folgenden Personen:
1. Dlnār ibn cAbdallāh,30 bei dem Gulām Halil um d
lesungen hörte; zu Dlnār ibn cAbdallāh vermerk
er die Unverfrorenheit besessen habe zu behaupten
Schüler des viel älteren Prophetengenossen Ana
91-93/709-711) gewesen zu sein. Dlnār ibn cAbd
einige schwache Traditionen (maudü'ät) überliefert
29 Der detaillierte Vergleich von Gulām Hallls Šarh mit den B
(aqīda eröffnet die Möglichkeit, hier weitere Klärung zu erre
Ess: Theologie IV, S. 284-286.
30 Sein Todesdatum ist nicht bekannt. Vgl. Ibn Hagar al-'A
(Nr. 3328); sowie Muhammad ibn Ahmad ad-Dahabl: Mīzān a
4 Bde., Ed. 'Alī Muhammad al-Bagawï, [Kairo:] cīsā al-Bābī a
(Nr. 2692). - Es heißt aber auch, Dinar habe von Anas eine sc
wandfreier hadīte überliefert (rawã can Anas nusķat manākīr k
mustaķraģ calã Sahīh al-Imām Muslim. Ed. M. Hasan M.
Teile, Beirut 4996; II, S. 65 (Nr. 67).
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20 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
2. Qurra ibn Habib al-Basrl (gest. 224/838), 31 ein Lehrer al-Buhā
3. Šaibān ibn Farrūķ (gest. 236/850), 32 ein Lehrer des Muslim
Haģģāģ und des Abū Dāwūd as-Siģistānī;
4. Sulaimān ibn Däwüd aš- Šadakuni (gest. 234/848), 33 ein Schüler
ibn Hanbals;
5. Muhammad ibn Maslama al-Madanl;34 und schließlich
6. Sahl ibn cUtmān al-cAskarî (gest. 235/849). 35
Die bio-bibliographischen Quellen erwähnen nur drei Schüler Gulām
namentlich:
1. Muhammad ibn Maļjlad (gest. 331/942), 36
2. Abü cAmr cUtmān ibn Ahmad as-Sammāk (gest. 344/955), 37 so
3. Ahmad ibn Kāmil (gest. 350/961), 38 der auch Vorlesungen bei athörte; Ahmad ibn Kāmil ist der älteste Überlieferer des in Dama
erhalten Šarh-Textes Gulām Hallls.
Ibn an-Nadlm (gest. um 380/990) nennt Gulām Halil im fünften Abs
der fünften maqãla seines Fihrist .39 Er ordnet ihn dort den „Verfasse
den Mystikern und Süfls" zu und zählt ihn zusammen mit Sahl at-Tu
Fath al-Mausill, Abū Hamza as-Sūfl, Muhammad ibn Yahyä al-Azd
óunaid zu einer taifa . Ibn an-Nadlm kennt vier Werke von Gulā
die allerdings sämtlich verloren scheinen40:
1. K. ad-Duā ' - „Das Bittgebet",
2. K. al-Inqitāc ilā Allah cazza wa-galla [bzw. galla ismuhü] - „
schließliche Hinwendung zu Gott, dem Erhabenen",
3. K. as- Salāt - „Das rituelle Gebet",
4. K. al-Mawäciz - „Die Ermahnungen".
31
32
33
34
Ad-Dahabi:
Ad-Dahabi:
Ad-Dahabi:
Ad-Dahabi:
Siyar
Siyar
Siyar
Siyar
35 Nicht nachweisbar.
X, S. 426.
XI, S. 101-103.
X, S. 679-684. - al-ťUlaimI: al-Manhaģ II, S. 102-103.
XI, S. 454.
36 Ad-Dahabi: Siyar XV, S. 256-257.
37 Ad-Dahabi: Siyar XV, S. 444-445.
38 Siehe Fn. 70.
39 Ibn an-Nadlm: al-Fibrist. Ed. Kairo, S. 263; Ed. Tačaddud, S. 237; Engl. Übers.
Dodge I, S. 460. In allen diesen Ausgaben steht Galläb (für Gālib) als Name für Gulām
Hallls Großvater.
40 In der Damaszener Sammelhandschrift, welche das K. Sarh as-sunna enthält (Magami
3750), findet sich auf fol. 12 eine Tradition, die als Gewährsleute Gulām IJalîl, Ahmad ibn
ťAbd al-čabbār al-cUtāridī sowie al-Būsrā'I nennt; vgl. as-Sawwās: Fihris , S. 385.
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Guiam Halil und das Kitab Sarlo as-sunna 21
6. Gulām Halil im Spiegel der mittelalterlichen Traditio
Wohlmeinende Worte über Gulām Halil findet ad-Dahabl (gest
Er bezeichnet Gulām Halil als kenntnisreichen Gelehrten ( cãli
und Prediger sowie als „Meister (šaiķ) von Bagdad." Weiterhin
Halil sei ein Mann von bewunderungswürdiger Erhabenheit
und ehrfurchtgebietender Strenge ( saula muhība ) gewesen. Er
schaffenheit des Glaubens (. sihhat mutaqad) und das im Islam
Anerkannte und gesetzlich Erlaubte (amr bi-l-ma(rüf) vertreten
habe Gulām Halil zahlreiche Anhänger und Gefolgsleute gehab
Auch Ibn Abi Hātim ar-Rāzī (gest. 327/938), ein bekannter n
bezeichnet (mit Berufung auf seinen Vater) unseren Gulām
trauenswürdigen Traditionarier.43 Es ist ihm erwähnenswert
daß Gulām Halil keine hadīte „erfunden" habe.
Dieser Zusatz wird verständlich, wenn man die kritischen
anderer prominenter Gelehrter in dieser Hinsicht berücksicht
besondere bei den Traditionariern scheint Gulām Halil in k
Ruf gestanden zu haben:
So bezeichnete Abū Däwüd as-Siģistānl (gest. 273/886) Ahmad ibn Hanbals, Zeitgenosse Gulām Hallls und der Komp
den Sunniten heute als drittwichtigst erachteten Hadlt-Sa
Gulām Halil als einen gefährlichen Lügner und Verführer
ebenso gefährlich sei wie der Führer des Zanģ-Aufstandes.
41 Ad-Dahabi: Siyar XV, S. 361; al-'Ulaimi: al-Manhaģ II, S. 245-247.
42 Ad-Dahabi: Siyar XIII, S. 282-283.
43 Ibn Abi Hatim: al-Garh II, S. 73.
44 Al-Hatlb al-Baģdādī: Ta'rīļp Bagdad V, S. 79. - Die Bedeutung des
Gulām Hallls in Apposition beigefügten Wortes daģģāl scheint über d
kannte Bedeutung „gefährlicher Lügner, Fälscher und Verführer" hin
scheint eher in dem Verständnis zu stehen, das der Terminus in der islam
logie besitzt: dort bezeichnet daģģāl den Antichristen schlechthin, dessen
dessen Verführungen die Letzten Tage der irdischen Welt und das Jüngs
digen (vgl. 'Abdallah Nu'aim ibn Hammād al-Huzā'T al-MarwazT (228/
Ed. Suhayl Zakkär, Mekka: al-Maktaba at-Tigärlya, [1991], S. 359fT.). D
dung eines Begriffes wie daģģāl wird relativiert, wenn man bedenkt,
ibn Anas (gest. 179/795) den Verfasser der ältesten Prophetenbiographie,
Ishäq, in dieser Weise beschimpft haben soll - ohne allerdings verhindern
dessen Werk in der Bearbeitung Ibn Hišāms die Bedeutung eines cons
erlangte; vgl. dazu Mäher Jarrar: Die Prophetenbiographie im islam
ein Beitrag zur Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte. Frankfurt am
(Europäische Hochschulschriften 3/404), S. 32-37, 255.
45 Siehe dazu auch Heinz Halm: Die Traditionen über den Aufstand
hammads , des „Herrn der Zanģa. Eine quellenkritische Untersuchung
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22 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
al-Bustl (gest. 354/965) wiederum berichtet, daß der bekannte mālik
Richter von Bagdad, Ismācīl ibn Ishäq (gest. 282/895), Gulām Halil eb
einen Lügner nannte.46 Und Ibn cAdl (gest. 365/975) betrachtet die
ferungen Gulām Halīls schlicht als „sehr schwach".47
Bei derlei nachteiligen Äußerungen ist jedoch zu berücksichtige
sich hier , Fachkollegen' Gulām Halīls - im Konzert rivalisierender S
und Lehrmeinungen - äußerten. Gulām Halīls , niedere' Herkunft - e
wie oben erwähnt, ein maulā - mag auch eine Rolle gespielt haben. D
teufelungť Gulām Ņalīls als daģģāl könnte allerdings auch ein Ind
sein, daß einige Traditionarier befürchteten, daß die von Gulām Halī
lieferten Traditionen zur Anzweiflung oder gar Umgestaltung des tr
nellen religiösen Wissens und zu Aufruhr (fitna) führen könnten.
Wie dem auch sei, die gemäßigten Gelehrten jener Zeit scheinen
dest das propagandistische Wirken Gulām Halīls eher kritisch beurte
haben. Denn Gulām Halīl war mitnichten ein zurückgezogener Ge
Im Gegenteil: er war ein engagierter und populärer Volksprediger. W
seinen Reden, so auch in seinen Ermahnungsbüchern (raqaiq) pre
dem einfachen Volk Mäßigung sowie Ehrfurcht und Gehorsam ge
den Vertretern der Obrigkeit (sultan). Daß sich Gulām Halīl dieser A
voll und ganz verschrieben hatte, geht aus einem bei Ibn cAdī überli
Gespräch hervor.48 Dort heißt es, daß im Kolleg des bekannten Trad
kritikers Abü cArüba (gest. zwischen 313 und 318/925-930)49 in Har
gewisser al-Nahawandī davon berichtete, daß er einmal mit Gulām H
sammengetroffen sei. Bei diesem Treffen habe er Gulām Halīl mißbi
auf die mindere Qualität der in seinen Büchern enthaltenen hadītt a
chen. Gulām Halīl habe dem nur prosaisch entgegnet, daß sein Audit
das Volk sei. Und beim Volke kamen Gulām Ņalīls Bücher offenbar g
46 M. Ibn Hibbān al-Bustl: K. al-Magrūhīn min al-muhadditīn wa-d-du
matrūkīn. 3 Bde. Ed. Mahmūd Ibrāhīm Zā'id, Aleppo 1397/1977, I, S. 151; so
Hatīb al-Baģdādī: Tarīķ Bagdad V, 78-79.
47 Ibn ťAdl: al-Kamil I, S. 199.
48 Ibn ťAdi: al-Kamil I, S. 198-199. Siehe auch al-řjatib al-Baģdadi: Ta'riķ Bag
S. 79.
49 Das heißt al-Husain ibn Muhammad al-Harrani; vgl. ad-Dahabl: Siya
S. 510-512.
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Guiam Halil und das Kitab Sarb as-sunna 23
7. Gulām Halīls Verhältnis zur Obrigkeit
und seine mihna gegen die Sūfīs
Ungeachtet dieser Volksnähe unterhielt Gulām Halil enge B
Obrigkeit. Diese zwei Ebenen seines Wirkens stehen jedoch ni
spruch zueinander, sondern scheinen geradezu ein Schlüssel z
nis der Persönlichkeit Gulām Halīls zu sein.
So heißt es unter anderem, daß Gulām Halil bei der Mutter des al-Muwaffaq50 sehr beliebt war.51 Auch sonst habe er enge Kontakte zu den cAbbāsiden
unterhalten und scheint fast so etwas wie ein , intellektueller Hofpropagan-
disť gewesen zu sein, der geschickt im Volk für die Bagdader Staatspolitik
warb. Es mag für ihn dabei durchaus von Vorteil gewesen sein, daß er als
Volksprediger einen Berufsstand vertrat, der im 3. /9. und 4./10. Jahrhundert
weit verbreitet war und der nahezu einer Institution gleichkam. Doch hatten
offenbar nur wenige dieser Volksprediger so viel Charisma wie Gulām Halil.
Einige Biographen werfen Gulām Halil vor, Verrat (wisäya) an den Sūfīs
begangen zu haben. Hierbei mögen zwei Dinge ein Rolle gespielt haben:
1) Gulām Halīls Nähe zur Obrigkeit verlieh einer Haltung Ausdruck, die als
solche weder von den Sūfīs noch von vielen gelehrten Vertretern des traditio-
nellen Islams gutgeheißen wurde. Auch Religionsgelehrte ('ulama') hatten
schon früher verschiedentlich zu Zurückhaltung in den Kontakten mit den
Vertretern der Obrigkeit gemahnt, da zu viel Staatsnähe weder einem from-
men Leben noch dem wissenschaftlichen Arbeiten zuträglich sein könne.
Bekanntermaßen wurde diese Problematik immer dann brisant, wenn einem Gelehrten ein Staatsamt (zum Beispiel das des Richters) angetragen
wurde und dieser es ablehnte. Dies läßt sich auch aus der häufigen Thematisierung dieser Problematik in den Quellen schließen.52
Diese zentrale Fragestellung nach der Unabhängigkeit von Gelehrsamkeit und intellektueller Freiheit auf der einen Seite sowie Dogmatik und
Staatsräson auf der anderen wurde im Islam des Mittelalters mit der mihna
(bzw. deren Scheitern) zugunsten letzterer entschieden; die enge Verknüpfung von Religion und Staat, die sich schon vor dem Interregnum der mihna
angebahnt hatte, wurde nach ihrem Ende durch die enge Verflechtung von
50 Abū Ahmad al-MuwafFaq (gest. 278/891): Sohn des Kalifen al-Mutawwakil (reg.
847-861) und der Sklavin Umm Ishäq; bis 261/875 Gouverneur des Irak und der arabischen Halbinsel; Regent und de facto Herrscher zur Zeit seines Halbbruders und Kalifen
al-Muťtamid ibn al-Mutawakkil (reg. 879-892); vgl. EP VII, S. 801a.
51 Ad-Dahabi: Siyar XIII, S. 284.
52 M. Jarrar: „Bišr al-Hafî und die Barfüßigkeit." In: Der Islam 71 (1994), S. 216,
Anm. 163.
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24 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
c ulama und Staat erhärtet.53 Aus den politisch-religiösen Wirren de
gingen vor allem die Hanbaliten als Sieger hervor. Ibn Hanbals Gr
„dem Sultan Gehorsam leisten, hinter ihm beten und mit ihm den ģih
ren",54 wurde zum Dogma erhoben. Und dies wiederum trug auch zu
solidierung des Verhältnisses zwischen der konservativen religiös-poli
Gruppierung der Ahl as-sunna wa-l-gamãca und der Staatsmacht bei.
2) Andererseits war die scharfe Kritik an Gulām Halil ein Ausdr
die in jenen Jahren offen ausgebrochene Rivalität zwischen den sunni
Volkspredigern und den Sūfīs. Denn beide Gruppierungen konkur
um die Gunst der frommen Volksseele. Daß diese Rivalität nicht nur
gandistischer Natur war, sondern auf theologischen Diskrepanzen ba
macht der basrische Mystiker und öunaid-Schüler Abū Sacld Ahm
M. Ibn al-Acrābī (gest. 340/951-952)56 deutlich, den ad-Dahabl zitiert
Sacld Ibn al-Acrābī sagt dort sinngemäß:
Als Gulām řjalll aus Wäsit kommend in Bagdad eintraf, erzählte m
die „widerwärtigsten Dinge" (sanaãt) über die Sūfīs in Bagdad. Unter an
wurde Gulām FJalll zugetragen, daß die Bagdader Sūfīs nicht nur von der
der Menschen redeten, Gott zu lieben, sondern daß sie die Gottesliebe z
tig verstünden. Die Sūfīs sprachen, wie es heißt, von „der Liebe [Gottes
über dem Menschen", wenn sie meinten: „Wir lieben unseren Gott ( rab
und Er liebt uns. Deshalb hat er uns durch Seine Liebe von unserer Furch
gegenüber entlassen."
53 Die Diskussion um die Legitimität der Zusammenarbeit von Gelehrten un
macht wurde aber auch in diesen Zeiten nicht weniger heftig diskutiert. Erst al-
reichte hier einen Kompromiß. Vgl. dazu as-Sayyid: al-Umma , S. 245-249; as-
Fikr ; S. 105-147. Zur spannenden Diskussion um ein neues Verständnis von der m
den Entwicklungen, die nach ihrem Scheitern die Kultur- und Geistesgeschich
lams nachhaltig bestimmen sollten, siehe Muhammad Qasim Zaman: Religion
tics under the Early ' Abbasids : The Emergence of the Proto-Sunni Elite . Leiden
History and Civilization. 16), sowie ders.: „A Response to Saleh Said Agha's Re
In: IJMES 32 (2000) 4, S. 591-592.
54 Vgl. Ahmad ibn Hanbai (gest. 241/855): (Aqīda. Bi-Riwāyat Ahī Bakr al-
Ed. Abd al-Azīz Tzz ad-Dīn as-Sīrawān, Damaskus 1988, S. 76, 123-124. -
al-Barr: al-Tamhīd. Ed. Mustafa ibn Ahmad al-Alawî; M. Abd al-Kabīr al-Bak
rokko], 1967, I, S. 234. - Sawî, řjair ad-Dīn Yūģā: Tatawwur al-fikr al-siyâsî f
as-sunna. Fatrat at-takwīn min bidãyatihi hattā at-tult al-awwal min al-qarn al
hiģrī. Amman 1993, S. 167-170.
55 Vgl. hierzu I. Lapidus: „The Separation of State and Religion." In: IJMES
S. 363-385; dies.: „Die Instituionalisierung der frühislamischen Gesellschaften."
Webers Sicht des Islams. Interpretation und Kritik. Hrsg. von Wolfgang Sch
Frankfurt a.M. 1987 (Suhrkamp Taschenbücher. 638), S. 125-141.
56 Ad-Dahabī: Siyar XV, S. 407-411; siehe auch EI 2 III, S. 712a.
57 Ad-Dahabi: Siyar XIII, S. 284.
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Guiam Halil und das Kitab Šarb as-sunna 25
Ibn al-A£räbl kommentiert dies mit den Worten: „In seinem Bemühun
diesen Fehler zu korrigieren, hat Gulām Halil [jedoch] einen noch größer
Fehler begangen, indem er die Liebe Gottes [gegenüber den Menschen] als ve
werfliche Neuerung (bid'a) erklärte." Dies bezieht Ibn al-Acrābī auf Gul
FJalïls Äußerung: „die Furcht ist uns [strenggläubigen Menschen] am angem
sensten [, ... ungeachtet der Tatsache, daß] beide, die Liebe wie die Furc
feste Wurzeln [in den Herzen der Menschen] haben."58
Gulām Halil scheint also, wie Ibn al-Acrābl meinte, jene , Verfehlungen u
ter den Sūfls nicht nur in seinen Predigten angeprangert, sondern das V
regelrecht gegen die Sūfls aufgewiegelt zu haben. Doch auch die Obrigkei
rief er an, gegen die Sūfls vorzugehen, die er der Ketzerei (zandaqa) bezic
tigte.59 Schließlich gelang es ihm, die Mutter des al-Muwaffaq für seinen
,Feldzugť gegen die Sūfls zu gewinnen. Der Hof ordnet an, gegen ca. siebz
Sūfls, die besonders in die Kritik geraten waren, vorzugehen. Zwar konn
die meisten von ihnen noch rechtzeitig aus Bagdad fliehen oder sich in d
Stadt versteckt halten, andere jedoch wurden ergrifTen und eingekerkert.
Doch waren derartige Feindseligkeiten zwischen Konservativen und Sūf
die dann zwischen 870 und 880 auch zur mihna Gulām Halīls gegen
Bagdader Sūfls führten,61 nicht neu. Schon al-Muhāsibī (gest. 243/857) w
dem Druck der Konservativen ausgesetzt gewesen und hatte sich schließli
gezwungen gesehen, Bagdad zu verlassen.62 Die Auseinandersetzungen jen
Jahre erreichten allerdings insofern eine neue Dimension, als sich zur gleic
Zeit auch die Ahl as-sunna wa-l-gamaa fester formierten.63 Diese politisc
58 Zur Frage der Liebe bei den Mystikern siehe Josef van Ess: Die Gedankenwelt
Hārit al-Muhāsibī anhand von Übersetzungen aus seinen Schriften dargestellt und erläu
Bonn 1961 (Bonner orientalistische Studien. N. S. 12), S. 221-224. - Annemarie Schi
mel: Mystische Dimensionen des Islam. Köln *1985, S. 191-193, insbes. S. 191 (Anm. 14)
59 Den Vorwurf der Ketzerei hörte man in jener Zeit in Bagdad häufig. Ihm fie
schon der Literat Ibn al-Muqafïa (gest. 139/756) und knapp zwei Jahrhunderte später
Mystiker und Theologe al-Hallāģ (gest. 309/922) zum Opfer. Vgl. auch van Ess: Theol
II, S. 27-29, sowie Massignon: The Passion I, S. 457.
60 Zu der von Ghuläm Khalll initiierten Inquisition, siehe Christopher Melcher
The formation of the Sunni schools of law , 9th-10th centuries C.E. , Leiden et al 1997
dies in Islamic law and society. 4), S. 85 und 172 (hier auch die in Fn. 96 angeführte Li
ratur); sowie Nurit Tsafrirs Ausführungen zu Melcherts Darstellung der Ereign
in: JSAI 23 (1999), S. 347.
61 L. Massignon datiert die mihna Gulam FJalils auf 266/879 oder 262/875 (vgl. s
The Passion of al-Hallaj I, S. 75, 80, 81 sowie I, S. 567). A. Schimmel plädiert für das Ja
264/877 (vgl. Art. „al-Nürl." In: EP VIII [1995], S. 139b).
62 Vgl- Josef van Ess: Die Gedankenwelt des H arit al-Muhasibi , S. 29.
63 Im 4. /10. Jahrhundert sollte sich diese Situation dann noch einmal verschärfen. V
dazu Mughni: Hanbali movements , S. 149-200. - Simha Sabari: Mouvements popula
à Bagdad. Paris 1981, S. 101-112.
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26 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
und dogmatischen Auseinandersetzungen in Bagdad in der zweiten Häl
3. /9 Jahrhunderts scheint Gulām gailis Sarh- Text nachhaltig zu refle
8. Inhalt des K. Šarh as- sunna
Die folgende Synopse der wichtigsten Themen möge geeignet sein, eine
unmittelbaren Eindruck von Inhalt und Tenor des Sarh-Textes zu verm
Die Hauptthemen sind hier in der Reihenfolge wie im Manuskript gen
Das grundlegende Verhältnis von Sunna und Islam - Lernen und Rats
zur Wissensaneignung Erneuerung führt zu ( häretischer ) Neuerung - Über Abweichung
rechten Pfad - Islam heißt , sich vollkommen in den Willen Gottes er
Die Sunna ist einzigartig - Credo des islamischen Glaubens - Die
unter den ersten Muslimen - Führung der Gemeinde und Fragen der
folge des Herrschers - Gehorsam - Gebet - Heuchler vs. Gemeinschaf
Muslime - Was ausschließt y ein Muslim zu sein - Abdriften und Abf
Islam - Die Pflichty die Prophetentradition als Ganzes zu akzeptieren
kann man weder begreifen noch erfassen - Eheschließung und ihre R
Blutvergießen - Was nie vergeht - Auferstehung - Strafen am Tage
erstehung - Über das Wesen Gottes - Schicksal - Der Leichnam - Reg
Engel - Die Schlacht von Badr - Dereinst wird für Krankheit und Mä
tum entschädigt werden - Zum Leiden von Kindern - Sünden und de
strafung - Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit - Schöpfung und Geb
allein Gottes - Sunna und Qur'än - Prädestination - Muhammads A
gen zum Himmel und die Nachtreise - Märtyrer - Das Grab und was
geschieht - Eheschließung - Moses - Der Verstand - Einige Gläubige w
von Gott bevorzugt - Rat und Beistand ist allen Muslimen zu gew
Tod und die drei Omeny die ihn ankündigen - Die Schau Gottes im P
- Disputieren führt zu Unglauben - Höllenstrafen - Die fünf ritue
bete - Almosen - Der erste Schritt hin zum Islam - Das Erlaubte (
Sektenbildung und ihre negativen Auswirkungen auf die Sunna; die G
vs. Korruption - Zeitehe - Die höhere Stellung der Banü Häsim - Gah
vs. ehrfürchtige Übernahme der autorativen Tradition ( taqlîd ) - Zu
der Erschaffenheit des Qur'än - Die Gahmîya: Doktrin und Entwi
Ursachen für ( häretische ) Neuerung - Die eifrigsten Muslime und ih
tigkeit - Wissen und Gelehrte - Einzelmeinung vs. Tradition und Kon
Errettung vor ( häretischen ) Neuerern - Die „ alte Religion " - Neueru
deren Vertreter vs. Sunna - Wie Neuerungen sich verbreiten - Solides
schützt vor Neuerung -
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Guiam Halil und das Kitab Šarlo as-sunna 27
Warum es „Deine" Pflicht ist , sich genau an all das zu halten , was
sem Buch" beschriehen ist - Warnungen und religiöse Ermahnungen
Der Imam - Abū Bakr und cUmar - Gutes und Böses - Die Pfl
am Freitagsgebet teilzunehmen - Bewaffnete Konflikte zwischen Mu
sind zu vermeiden - Spirituelle Wissenschaft ( cilm al-bätin ) vs. Qur
Sunna - Ehebruch - Wie man sich verhält , wenn der Prophet und se
fährten verunglimpft werden - Herrscher sind verantwortlich für Ge
keit und für Ungerechtigkeit - Die „ Mütter der Gläubigen " - Tur Au
religiöser Pflichten soll man sich der Gamäca anschließen - Erlaub
Verbotenes - Vorwürfe gegen Anthropomorphisten , Räfiditen, Mut
Qadariten sowie Vertreter bestimmter regionaler Traditionen und Sc
tungen - Ratschläge und Verhaltensregeln für sunna-treue Muslime
gang mit anderen: Die Sunna zu leben , ist eine Herausforderung für
lime , die größer ist selbst als die mihna - Atheisten - Heuchler und s
Beispiele unter den Muslimen - Verlockungen und Gefahren für sun
Gläubige - Von der Weisheit, nicht zu argumentieren und zu diskutier
allem nicht in Fragen der Religion - Die vier Hauptverursacher d
mas: Qadariten , Murgi3 iten, Schiiten und Härigiten - Neuerungen z
breiten ist Unglaube - Alle vier Rechtgeleiteten Kalifen sind anzuerk
Die Grundsätze , die die Sunna ausmachen - Die Anerkennung
Sarh as-sunna und seiner Grundsätze heißt , zu den Ahl as-sunn
gamäca zu gehören Äußerungen einiger weiterer Autoritäten zum Sunna- Begriff.
9. Die Überlieferung des in Damaskus erhaltenen K. Sarlo as-su
Die Überlieferung des Sarh- Textes ist in der riwäyat al-kitäb dokum
Hier heißt es:
[fol. 2b]
5.
4.
:s*'
IAÌ
f
ù-X'
y)
ii
3. (3 ^ W* ¿¡
2. ¿¿té' 'y*j ~~ ~~ ¿f y^
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28 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
1 . • í^Ap S*1J3 ^^'jù' <WA>- jj» ^
Autor :<J J6j tu-» CiJI 1 X* ^LäÜI i
[. . .] :*M juP jjI J& U j¿U' AÍJÍ ^C
Von den jüngeren zu den älteren Überlieferern aus be
tergabe des Textes folgendermaßen aus.
5. Abū 1-Husain cAbd al-Haqq ibn cAbd al-^äliq
575/1179)
4. Abū Tālib cAbd al-Qädir ibn Muhammad ibn Yüsuf (geb. 430/1038;
gest. 516/1122)
3. Abū Ishäq Ibrahim ibn cUmar ibn Ahmad al-Barmakl (geb. 361/971;
gest. 445/1053)
2. Abū al-Hasan Muhammad ibn al-cAbbās ibn Ahmad Ibn al-Furāt (geb.
319/931; gest. 384/994)
1. Abū Bakr Ahmad ibn Kämil ibn Halaf ibn Šaģara al-Qädl (geb.260/873;
gest. 350/961)
Autor [Gulām Halli] Abū 'Abdallah Ahmad ibn Muhammad ibn Gālib alBāhilī (gest. 275/888)
(1) Der erste und älteste Überlieferer des Sarh- Textes ist Ahmad Ibn Kämil.
Er erhält von Gulām Halil ausdrücklich die Lizenz zur Überlieferung des
Textes. Ihm wurde vom Verfassers ein Manuskript, welches den Šarh- Text
erhält, überreicht mit den Worten: „Überliefere dieses Buch von mir, von
Anfang bis Ende." Die Formel läßt offen, ob es sich bei diesem Manuskript,
um eine von Ibn Kämil angefertigte Abschrift oder um einen Autographen
des Verfassers handelte.64
Ibn Kämil ist ein Bagdader, der im Jahre 260/873 geboren wurde.65 Er
studierte bei einer Reihe berühmter Traditionarier und hörte auch, wie oben
schon vermerkt, bei dem großen Historiker und Qur'änkommentator atTabarl (gest. 310/922). Al-Ņatīb al-Baģdādī (gest. 463/1070) erwähnt ausdrücklich, daß Ibn Kämil auch bei Gulām Ņalīl studierte.66
64 Der Šarh- Text im Damaszener Manuskript hat einen Zusatz, den Ibn Kämil nicht
von Gulām Ķlalīl, sondern von seinem anderen Lehrer at-Tabarl überliefert; vgl. auch
Fn. 86.
65 Al-řjatib al-Baģdadī: Tarifa Bagdad V, S. 78, 80.
66 Al-řjatlb al-Baģdādī: Ta'rīķ Baģdād IV, S. 357-359. Siehe auch Yāqūt: Mu' gam aludaba I, S. 420. - ad-Dahabī: Siyar XV, S. 544-546. - Ibn Aibak as-Safadī: al-Wāfī VII,
S. 298-299.
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Guiam Halil und das Kitab Šarb as-sunna 29
Ibn al-Nadlm bezeichnet Ibn Kāmil als einen bekannten Qur'änkomm
tator, der mehrere Bücher verfaßte. Seine Bücher seien dem Studium
Qur'än, der Jurisprudenz und Geschichte gewidmet gewesen;67 u.a. ha
er ein Buch zur Jurisprudenz nach der Schullehre seines Lehrers at-Tabar
verfaßt.68
Unter Ibn Kāmils Schülern war auch ein später so bekannt geworden
Traditionarier wie ad-Däraqutnl (gest. 385/995). Letzterer hatte jedo
keine hohe Meinung von Ibn Kāmil; er sagt über ihn:
„Er war ungenau [in seiner Überlieferung]. Manchmal tradierte er Dinge, die
nicht wortwörtlich so in seinem Buch stehen; Eitelkeit hat ihn verdorben. Wa
seine juristische Lehre anbetrifft, so hat er Meinungen aus verschiedenen Schu
len und Quellen ausgewählt und ist keiner bestimmten Schule gefolgt."69
Neben seiner Lehrtätigkeit hatte Ibn Kāmil für einige Zeit das Amt d
Richters in Kufa inne. Er starb im Jahre 350/961. 70 Wenn dieses Todesdat
stimmt, muß Ibn Kāmil erst 15 Jahre alt gewesen sein, als Gulām Halil star
Er müßte somit bereits als Kind bei ihm gehört haben.
Im Hinblick auf die diffizilen Fragen zur Autorenschaft und Überlieferung des S¿r/?-Textes, denen sich Abschnitt 10 dieses Artikels zuwendet, s
hier erwähnt, daß Ibn Kāmil, wie schon sein berühmter Lehrer at-Tab
heftig von den Hanbaliten angefeindet wurde.71
Die Hanbaliten zählten zu den Aktivisten der politischen, ideologischen und k
fessionellen Wirren, welche die Hauptstadt Bagdad in der zweiten Hälfte des 3. /
und im 4. /10. Jahrhundert erschütterte. In jenen unsicheren Zeiten versuchten d
Hanbaliten mit allen Mitteln, ihren Einfluß auf die Politik in Bagdad zu vergröße
Dabei war ihnen der Mob ein gefügiges Werkzeug. Und je intensiver diese Ausein
andersetzungen wurden, um so offener nahmen die Hanbaliten eine feindliche Po
sition gegenüber all jenen ein, die ihre streng konservativen Auffassungen nicht
teilten. Davon blieben auch angesehene Gelehrte nicht verschont, ungeachtet
sie Geschichtsschreiber, Traditionarier, Qur'änexegeten oder Rechtsgelehrte ware
Selbst der schon zu seinen Lebzeiten prominente at-Tabarl (gest. 310/923) wur
angefeindet. Er sah sich deshalb für einige Zeit gezwungen, das Haus zu hüt
wenn er seine Sicherheit nicht aufs Spiel setzen wollte. Doch sogar dort fand sich
hanbalitischer Pöbel ein, um es mit Steinen zu bewerfen.72 Unter denen, die den
Mob aufhetzten, soll übrigens auch ein gewisser Abū Muhammad al-Barbahä
(gest. 329/941) gewesen sein, der uns noch beschäftigen wird. Es ist insofern nic
67 Ibn an-Nadim: al-Fihrist (Ed. Tagaddud), S. 35. - G^IS" I, S. 523-524.
68 Ibn an-Nadim: al-Fihrist (Ed. Tagaddud), S. 292.
69 Al-Hatib al-Baģdadi: Tariķ Bagdad IV, S. 358.
70 Ibn an-Nadim: al-Fihrist (Ed. Tagaddud). S. 35. - G^4S I, S. 523-524.
Vgl. Mughni: Hanbali movements , S. 253.
72 Vgl. Mughni: Hanbali movements , S. 154-156.
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30 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
verwunderlich, daß die Hanbaliten in ihren Feindseligkeiten gegen at-Tabarl
dessen Schüler Ibn Kämil mit einschlössen.
(2) Als zweiter Überlieferer ist Abū 1-Hasan Muhammad ibn al-cAbbās
Ahmad Ibn al-Furāt in der riwäya genannt.73 Von ihm sagt al-Hat
Baģdādl, daß er ein „vertrauenswürdiger" Überlieferer war. Er habe „vi
cher mit eigener Hand abgeschrieben" und „Bücher [zu Themen] gesam
wie niemand sonst in seiner Zeit." Seine Bücher waren so zahlreich, da
achtzehn Truhen füllten. Diese große Zahl an Büchern sei - so Ibn al-A
(gest. 435/1 043)74 - ein „Beweis für die Genauigkeit und Präzision" Ib
Furāts, welcher „tag und nacht" nur mit seinen Studien befaßt gewesen
(3) Von Ibn al-Furāt erhält Abū Ishäq al-Barmakl das Recht zur Ü
lieferung des Sarb.75 Abū Ishäq al-Barmakl, ein Schüler des Ibn B
cUkbarI, war ein Hanbalit und Asket. Er wirkte - wie schon sein
'Umar76 - als muftì , d. h. als ein Rechtsgelehrter, der auch juristisch
achten erteilt.
(4) Von ihm erhält Scheich Abū Tälib cAbd al-Qädir ibn Muha
ibn Yüsuf das Recht zur Überlieferung des Sar h 77 Scheich Abū Tälib
stammte einer bekannten Bagdader Gelehrtenfamilie. Er studierte bei
berühmten Gelehrten seiner Zeit und unterrichtete später auch selbst
ter seinen Studenten findet sich auch der später prominent geworden
ditionarier Abū Tähir as-Silafl (gest. 576/1180). 78 Letzerer bezeichnet
nen Lehrer als „vertrauenswürdig" in der Überlieferung und mein
kenne niemanden, der so penibel in seiner Überlieferung war wie er."
Überlieferungen seien regional weit verbreitet gewesen, wie as-Samcānī
562/1166) feststellt.79
(5) Es war ein Neffe des Scheichs Abū Tälib mit Namen Abū 1-H
cAbd al-Haqq ibn cAbd al-Häliq ibn [Ahmad ibn] cAbd al-Qädi
Muhammad,80 der als jüngstes und letztes Glied in der riwãyat al-kitã
73 Al-FJatīb al-Baģdadi: Ta'rifa Baģdadlll,S. 122. -ad-Dahabi:S¿yrfrXVI, S. 495
Ibn Aibak as-Safadî: al-Wâfî III, S. 196.
74 Vgl. ad-Dahabî: Siyar XVII, S. 578-579.
75 Al-Hatib al-Baģdadi: Tarifa Bagdad IV, S. 295. - Ibn Abi Yaia: Tabaqat II, S.
al-'Ulaimī: al-Manhag II, S. 349.
76 ťUmar ibn Ahmad al-Barmaki (gest. 387/997 oder 389); vgl. zu ihm Ibn Ab
Tabaqãt II, S. 163-266, und al-'Ulaiml: al-Manhag II, S. 298-300.
77 Ad-DahabT: Siyar IXX, S. 386-387.
78 Ibn Hallikãn: Wafayãt I, S. 105-107.
79 Ibn Hallikan: Wafayat III, S. 209-210.
80 Ad-Dahabl: Siyar XX, S. 552-553.
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Guiam Halil und das Kitab Sarh as-sunna 3 1
nannt ist. cAbd al-Haqq wird in der Zeugenkette als Imam bezeic
hatte an einer öffentlichen Sitzung in einer Freitagsmoschee teilgen
in der - in Gegenwart des vorletzten autorisierten Überlieferers des
d. h. seines Onkels Scheich Abū Tālib - das Buch Gulām Hallls vo
dritten Person verlesen worden war.81
Von Imām cAbd al-Haqq ist bekannt, daß er - wie schon sein Groß
Traditionarier war. Er galt als vertrauenswürdig und sehr genau in
Uberlieferungen. Auch scheint er ein aktiver Lehrer gewesen zu sein
- ebenfalls in Damaskus verwahrten - Hörerzertifikat zufolge,82 hab
Dû '1-Qacda des Jahre 572 (Mai 1176) in einer öffentlichen Sitzun
al-Fitan" des Hanbai ibn Ishäq ibn Hanbai (gest. 273/886)83 gelese
Manhag des Hanbaliten al-cUlaimI (gest. 928/1521) ist vermerkt, daß
cAbd al-Haqq (hier mit der Nisbe al-Yüsufl) eine Überlieferungsli
dem bekannten hanbalitischen Rechtsgelehrten und Theologen I
(gest. 513/1119)84 besaß.85
10. Argumente für die Autorenschaft Gulām Hallls
Aus diesen Informationen zur Überlieferung des „KĒ Sarh as-sunna"
den relevanten Angaben in den mittelalterlichen bio-bibliographisch
xika lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
1. Der (in Damaskus erhaltene) Text wurde über einen Zeitraum
300 Jahren als selbständiges Werk sowie in autorisierter Überlie
vom Verfasser tradiert. Diese Überlieferung reicht zurück in da
568/1172, wie das Hörerzertifikat am Ende der Handschrift zeig
2. Alle in der Zeugenkette genannten Tradenten sind angesehene Bag
Gelehrte, die für ihre Vertrauenswürdigkeit, Genauigkeit und S
in der Art und Weise der Überlieferung bekannt waren.
81 Ob diese Sitzung in Bagdad oder Damaskus stattfand, läßt sich bislang nicht
Weder die 5dr/?-Handschrift noch die biographischen Informationen in den Q
den in der Zeugenkette genannten Uberlieferern (allesamt angesehene Bagda
etwas darüber aus, ob vielleicht einer der beiden zuletzt genannten Gelehrten Ba
ließ und in Damaskus unterrichtete. Offen ist damit ist auch die Frage, wie der
Sarh von Bagdad nach Damaskus gelangte.
Stefan Leder [et al.]: Mu gam as-Sama'at ad-Dimašqiya al-muntaķaba , 5
H ( 1155-1349 ). Damaskus 1997, S. 103 (Nr. 3775:4; Hörerzertifikat 9).
83 Ad-Dahabl: Siyar VIII, S. 51.
84 Zur Person vgl. Makdisi: Ibn cAqil , S. 385-503.
85 Al-'Ulaimi: al-Manhag III, S. 90. - Makdisi: Ibn cAqil , S. 443.
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32 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
3. Erst mit Abū Ishäq al-Barmakl, d.h. der dritten Uberliefererg
tion, führt die Tradierung des Sarb-^Fextes in hanbalitisches Milieu
wird hier aber konsequent und ohne Einschränkung weitergeführ
Mit anderen Worten: über fünf Gelehrtengenerationen hinweg hat ke
der in der riwãyat al-kitãb genannten Bagdader Gelehrten die Au
schaft Gulām tļalīls für das „K. Sarh as-sunna" bezweifelt.
11. Zweifel an der Autorenschaft des K. Sarh as-sunna
Und dennoch ist festzustellen, daß keine der uns zugänglichen Quellen
dem frühen Mittelalter ein „K. Sarh as-sunna" von Gulām Halil erw
Selbst Ibn al-Nadlm, der ein Zeitgenosse Gulām Hallls war, kennt von
nur Bücher zur Askese und religiösen Ermahnung.
Doch auch von dem eingangs schon erwähnten Hanbaliten Abū
hammad al-Hasan ibn cAll al-Barbahārī (gest. 329/941), der uns hie
kurz beschäftigen soll, wissen die älteren arabischen Quellen nicht
richten, daß er ein solches Buch verfaßt hätte. Erst der Hanbalit Ib
Yaclā al-Farrā5 (gest. 526/1131), der etwa 250 Jahre nach Gulām Ha
etwa 200 Jahre nach al-Barbahārī lebte, schreibt al-Barbahārī das K
as-Sunna zu, aus dem er dann in seinen Tabaqãt al-Hanãbila umfan
zitiert. Ein erster Vergleich dieser Zitate in den Tabaqãt al-Hanābi
dem Sarh- Text in der Damaszener Handschrift zeigt im weiteren, daß
Texte nahezu identisch sind.
Sicherlich würde Ibn Abi Yaclās Zuschreibung des KĒ Sarh as-sunna an alBarbahārī heutzutage außer jedem Zweifel stehen, wäre da nicht das Damaszener Manuskript, das ausdrücklich Gulām Halil als Autoren nennt und in dessen riwãyat al-kitãb auch anerkannte Hanbaliten die Überlieferung (selbst für
die Lebzeiten des besagten al-Barbahārī und für die Zeit danach) bezeugen.86
86 Zu berücksichtigen ist hierbei, daß Ibn Abi Yaiäs Zitat des Sarh zwei kurze, aber
wichtige Textstücke nicht hat, welche das Damaszener Manuskript aufweist. Das erste
Textstück betrifft einen Zusatz (Sarh fol. 16a), der von Ibn Kāmil, dem ersten Überlieferer
des Sarh- Textes, stammt. Ibn Kāmil beruft sich dabei auf seinen - anderen - Lehrer at-
Tabarl. Das zweite Textstück (Sarh fol. 20a) gibt eine Traumerscheinung Gulām tļalīls
wieder, für die nur jener als Autorität genannt ist.
Traumerscheinungen (z.B. von verstorbenen Autoritäten) können in polemischen
und dogmatischen Schriften zur Bekräftigung autorativer Aussagen oder Lehrmeinungen dienen. Im Disput mit rivalisierenden theologischen Richtungen oder Sekten werden
sie nicht selten dazu eingesetzt, um eigene Argumente zu stützen oder jene von Opponenten zu entkräften. Vgl. dazu F. Malti-Douglas: „Dreams, the Blind, and the Semiotics of Biographical Notice." In: SI 5 (1980), S. 137-162. - L. Kinberg: „Interaction
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 33
Es war bislang nicht möglich zu klären, wie Ibn Abi Yaclā von dem Šarh
Text Kenntnis erhielt und warum er diesen Text al-Barbahärl zuschreibt.
Die Tatsachen allerdings, daß Ibn Abi Yaclä den Šarh- Text a) ohne Zeug
ketten, aber b) mit leichten Textvarianten und c) einem längeren Zusatz w
dergibt, bieten Anhaltspunkte für die Vermutung, daß der Šarh- Text nebe
der im Damaszener Manuskript erhaltenen Version noch anderweitig - d. h
in Rezensionen - in Umlauf war.
Nur kurz soll hier abschließend auf die Fragen eingegangen werden, die
eine 1993 in Medina erschienene Edition mit dem Titel Sarh as-sunna aufwirft.87 Der Herausgeber und Editor, Yäsir ar-RadādI, gibt in seinem Vorwort an, daß er die in Damaskus aufbewahrten S^r^-Handschrift weitgehend
für seine Edition verwendete. Wenn man dies berücksichtigt, ist es allerdings
befremdlich, feststellen zu müssen, daß im Titel von ar-Radādīs Publika-
tion der Hanbalit Abü Muhammad al-Barbahärl als Autor genannt wird.88
Ein erster Vergleich des Damaszener Sarh- Textes mit dem von ar-Radādī
publizierten Text ergibt folgendes: 1. ar-Radādī und der im Damaszener
Manuskript erhaltene Sarh- Text sind - von einigen Ausnahmen abgesehen -
nahezu wortgleich. 2. ar-Radādī läßt die auf dem Titel der Damaszener
Handschrift gegebenen Zeugenkette wissentlich unberücksichtigt. Dies
wird u. a. dadurch deutlich, daß er die im Damaszener Manuskript gegebene
Einleitung zum Sarh (welche die riwäyat al-kitāb beinhaltet) für seine Edi-
tion gestrichen hat. 3. Damit folgt ar-Radādī kritiklos Ibn Abī Yacläs Zuschreibung des Sarh-Textes an al-Barbahärl. Das führt im weiteren u. a . dazu,
daß in dem von ar-Radādī publizierten Text die Formel „qäla Ahmad ibn
Hanbai" an einer Stelle steht, an welcher die in Damaskus erhaltene Handschrift „qäla Gulām Halīl" hat. In einer Fußnote weist ar-Radādī zwar auf
diesen Unterschied hin, erläutert aber mitnichten, warum er sich für die eine
und gegen die andere Variante entschieden hat. 4. ar-Radādīs Text hat etwa
between this World and the Afterworld in Early Islamic Tradition." In: Oriens 29-30
(1986), S. 285-308. - M. Jarrar: „The Martyrdom of Passionate Lovers. Holy War as a
Sacred Wedding." In: A. Neuwirth [et al.]: Myths , Historical Archetypes , and Symbolic
Figures in Arabic Literature , Towards a New Hermeneutic Approach. Beirut/Wiesbaden
1999, S. 87-107, insbes. S. 96-97.
87 Šarh as-sunna , ta'līfAbū [s¿c.] Muhammad al- H asan ibn Ali ibn Halaf al- Barb ah ārī.
Dirāsat wa-tahqīq [s/c.] AbI Yäsir Hālid ibn Qäsim ar-Radādī. Medina 1993. - Diese
Publikation war den Vf.n erst kurz vor Drucklegung dieses Aufsatzes zugänglich.
88 Nach Angabe bei Ibn Aibak as-Safadl: al-Wãfí , XII, S. 146, war al-Barbahärl ein
Hanbalit und strenger Gegner jeglicher Neuerungen. H. Laoust hat sich 1958 ausführlich
mit al-Barbahärl und dem ihm in den Tabaqãt al-Hanãbila zugeschriebenen Text auseinandergesetzt (ders.: La profession , S. XXVIII-XLI). Auch S. Mughni hat al-Barbahärl ein
Kapitel in seiner Dissertation zu den Hanbali movements gewidmet, in dem er dessen Rolle
in den Bagdader Sektenunruhen untersucht (a.a.O., S. 102-109, 157-165, 205, 217, 222).
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34 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
drei Druckseiten mehr Text als der in Damaskus aufbewahrte Sarh. H
den sich Axiome, die auf den Asketen al-Fudail ibn Tyäd (gest. 187/8
zurückgehen und die ar-RadādI offenbar den Tabaqãt al-Hanäbi
Ibn Abi Yaclā entnommen hat.
Man muß zu dem Schluß kommen, daß in ar-Radādīs Edition
Sinne der späteren hanbalitischen Texttradition , korrigierter' und v
ständigtet Sarh1 Text vorliegt. Generelle Vorbehalte müssen auch ge
ar-Radādīs Textanalyse geäußert werden, wie sie die Einleitung se
ches enthält.90
Die von den Autoren des vorliegenden Aufsatzes in Vorbereitung b
liche Monographie zum K. Sarh as-sunna basiert auf dem in Dam
erhaltenen Manuskript. Man darf hoffen, daß die dort zu publiz
textkritische Edition dieses bemerkenswerten Dokumentes zur islam
Geistesgeschichte auch zur weiteren Klärung der komplexen Frag
gen um die Anfänge der islamischen Orthodoxie beiträgt.
Häufig zitierte Literatur
al-Amin: Acyan = Muhsin al-Amin al-Husaini al-Āmuli (1865-1952): Acyan asSVa. Ed. Hasan al-Amīn. 9 Bde. Beirut 1983-1993.
ad-Dahabi: Siyar = Šams ad-Din M. ibn Ahmad ad-Dahabi (gest. 748/1347): Siyar
aclãm an-nubala.25 Bde. Ed. Šu'aib al-Arna'üt et al. Beirut 1981-1988.
EI 1 = Enzyklopädie des Islam. Bde. I-IV u. Ergänzungsband. Leiden/Leipzig
1913-1938.
EI2 = The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Leiden/London I960-.
89 Vgl dazu ad-Dhahabi: Siyar VIII, S. 372-390.
90 Zum Beispiel weist ar-Radādīs Studie den Abū Bakr Ahmad ibn Kämil i
ibn Šaģara als einen Schüler des Hanbaliten al-Barbahārī aus (Ed. ar-Radādī,
RadādI beruft sich in dieser Hinsicht ausschließlich auf das Damaszener Man
Dort heißt es jedoch: „Ibn Kämil überlieferte dieses Buch vom Verfasser" (r
l-kitãb can al-muallif). Und als Verfasser nennt die Damaszener Handschrift zwei
Gulām řjalll. Recherchen in den Quellen haben darüber hinaus keinerlei Angabe
fördern können, die daraufhin deuten könnten, daß Ibn Kämil je bei al-Barbah
Weiterhin wissen wir, daß al-Barbahārī aktiv an den hanbalitischen Aktionen
Tabarī teilnahm. Dieser Umstand macht es zusätzlich unwahrscheinlich, daß Ib
(ein langjähriger Schüler at-Tabarīs) dem Unterricht eines erklärten Gegners s
sters at-Tabarī beigewohnt haben sollte. Zu überdenken sind dann auch die Äußer
Bells, der die Position des Hanbaliten al-Barbahārīs zur Gottesliebe auf der Gr
des Sarh herleitet, cf. Joseph Bell: Love Theory in Later Hanbalite Islam. Alb
S. 48-49.
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Guiam Halil und das Kitab Šarh as-sunna 35
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36 Mäher Jarrar und Sebastian Günther
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