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Die weite Welt in brandenburgischen Museen

2019, Museumsblätter. Mitteil. des Museumsverb. Brandenburg 35, Dezember

Werkstattbericht zu einer digitalen Ausstellung des brandenburgischen Museumsverbandes

Dezember 2019 35 Museumsblätter Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg Provenienzforschung: Bilanz und neue Wege NS-Raubgut in technikhistorischen Sammlungen Kriegsverluste märkischer Sammlungen SBZ und DDR im Fokus der Provenienzforschung Globale Geschichte in lokalen Museen? Impressum Museumsblätter – Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg Herausgegeben vom Museumsverband des Landes Brandenburg e. V. Am Bassin 3, 14467 Potsdam Telefon: (0331) 2 32 79 11 info@museen-brandenburg.de www.museen-brandenburg.de Redaktion Alexander Sachse, Susanne Köstering, Arne Lindemann Layout und Satz Dörte Nielandt Titelbild Auch Tierpräparate können eine interessante Provenienz haben: 2014 erhielt das Naturkundemuseum Potsdam von Ulrich Lamberz dieses knapp 3 Meter lange Krokodilpräparat. Es stammte aus dem Besitz seines Vaters Werner Lamberz, der von 1971 bis 1978 Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED war und damit zur Führungsriege der DDR gehörte. Lamberz hatte das Krokodil 1971 bei einem Besuch in Kuba als persönliches Geschenk von Fidel Castro bekommen, es zierte viele Jahre den Wintergarten des Lamberzschen Hauses in der Wandlitzer Regierungssiedlung. Im Zuge unseres Digitalisierungsprojekts „Die weite Welt in brandenburgischen Museen“ wurde das Krokodil neu fotografiert und wird demnächst in einer Online-Ausstellung bei museum-digital zu sehen sein. Druck Brandenburgische Universitätsdruckerei Potsdam Auflage 800 ISSN 1611-0684 Gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg 68 Forum Globale Geschichte in lokalen Museen? Die weite Welt in brandenburgischen Museen Werkstattbericht zu einer digitalen Ausstellung des brandenburgischen Museumsverbandes 1 Ulrike Kersting Kanopen mit Deckeln in Form des Kopfes von je einem der der vier Söhne des Horus: Amset (Mensch), Kebechsenuef (Falke), Hapi (Pavian) und Duamutef (Schakal), Kalzit-Alabaster, ägyptisch 1000–500 v. Chr., Stiftung Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz Objekte aus kolonialen Kontexten in deutschen Museen haben in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit bekommen und der Umgang mit ihnen wird intensiv diskutiert. Obwohl es im Land Brandenburg kein ethnologisches Museum gibt, hat sich doch gezeigt, dass sich auch in brandenburgischen Museen derartige Sammlungsbestände befinden, wenn auch in überschaubarer Größe. Sie stammen aus Fernreisen, globalen Forschungs- und Handelsaktivitäten, insgesamt aus im weiten Sinn präkolonialen, kolonialen oder neo- bzw. postkolonialen Kontexten. Oftmals fristen diese Bestände ein trauriges Dasein in den hintersten Ecken der Depots, weil ihre Bezüge zur Lokalgeschichte unklar erscheinen, weil ihre Geschichte ganz oder teilweise unbekannt ist oder weil ihre Interpretation Schwierigkeiten macht. Globale Geschichte in lokalen Museen? Forum 69 Eine Abfrage des Museumsverbandes unter brandenburgischen Museen erbrachte die Rückmeldung von einigen „exotischen“ Dingen und Produkten der Rezeption „ferner“ Kulturen, die relevante Ausschnitte globaler Beziehungsgeflechte repräsentieren. Zum Zwecke einer digitalen Ausstellung wurden acht Museen ausgewählt, bei denen eine Überlieferung zu dem entsprechenden Sammlungsgut vorhanden ist. Die teilnehmenden Museen sind: Stiftung Fürst-PücklerMuseum Park und Schloss Branitz, Museum Eberswalde, Museum und Galerie Falkensee, DKB Stiftung für gesellschaftliches Engagement Schloss und Gut Liebenberg, Museum Schloss Lübben, Museum Neuruppin, Naturkundemuseum Potsdam und Wegemuseum Wusterhausen/Dosse. Die Museen verfolgen die Spuren derjenigen, die die Objekte mitbrachten, schufen oder anfertigen ließen: preußische Adlige und Diplomaten, Händler, Ärzte, Soldaten und Künstler. Die Online-Ausstellung wird mit einem für das Storytelling optimierten Modul des Museumsportals museumdigital erstellt. Hier können zwei- und dreidimensionale Ansichten der Exponate zusammen mit Bildern, Tönen, Videos und Texten zu einer fortlaufenden Erzählung zusammengefügt werden. Bisher kennt man das Format aus dem Multimedia-Journalismus oder von sogenannten Digitorials (von Tutorial, nur eben digital), die begleitend oder nachbereitend für eine analoge Sonderausstellung im Netz angeboten werden. Die Erzählung der Ausstellung ist chronologisch angelegt. Sie beginnt mit Belegen für die präkoloniale Orientsehnsucht des 19. Jahrhunderts, bringt brandenburgische Beispiele aus der deutschen Kolonialzeit und endet mit der postkolonialen Zeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für das bisher in Brandenburg noch weitestgehend unbeachtete Thema der Museumssammlungen aus kolonialen Kontexten bildet die Ausstellung einen ersten Aufschlag. Sie zeigt die Ergebnisse einer meist erst mit dem Projekt begonnenen Erforschung der Provenienz und der kulturhistorischen Einordnung der Objekte, ohne dass hier bereits endgültige Urteile gesprochen werden. Vielmehr will die Ausstellung zu tiefergehenden Forschungen anregen und auf noch zu leistende Arbeiten im Sinne des vom Deutschen Museumsbund 2018/19 veröffentlichten Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten aufmerksam machen.2 Die Präsentation im Internet ermöglicht eine leichte Zugänglichkeit zu dieser globalen Geschichte: Die Plattform ist an keine Institution, kein Gebäude gekoppelt, die Hemmschwellen bilden können. Dadurch wird das im Depot Verborgene für alle Welt sichtbar und die Reichweite der Ausstellung wird sich erhöhen. Nicht zuletzt werden die Objekte auf diesem Weg erstmals der internationalen Forschung zugänglich gemacht. Aus der weiten Welt in die Provinz Wer die Dinge woher und auf welche Weise mitgebracht hat – darüber ist das Wissen oftmals noch lückenhaft und intensive Forschungen sind mit knappem Personal nebenher nicht zu bewältigen. Bei meinen Besuchen in den Museen, die sich am Projekt beteiligen, konnte ich feststellen, dass sehr viele dieser Recherchearbeiten von externen, oft ehrenamtlichen Mitarbeitern geleistet werden. Objekte aus praekolonialen Zusammenhängen Der Orient als Sehnsuchtsort spielte im Europa des 19. Jahrhunderts eine große Rolle. Die Orientbegeisterung hatte u. a. dazu geführt, dass sich der Schriftsteller Fürst Hermann Pückler-Muskau und der Maler Wilhelm Gentz auf den Weg ins „Morgenland“ machten. Der eine startete seine Reise 1834 in Bad Muskau, der andere seine erste 1850 in Neuruppin. Ihre Hinterlassenschaften befinden sich heute in den Sammlungen der Stiftung Park und Schloss Branitz sowie im Museum Neuruppin. Ein dritter, Karl Adolf Freiherr von und zu Hertefeld, begab sich nicht selbst auf den Weg, sondern holte sich 1843 „den Orient“ als Fliesenmosaik in das Archivgebäude auf sein Gut Liebenberg im heutigen Landkreis Oberhavel – wo das Mosaik noch heute zu bewundern ist. Alle drei verbindet, dass die zahlreich mitgebrachten, vorausgeschickten bzw. gekauften Orientalika in ihren neuen Domizilen zur Demonstration eines repräsentativen, standesbewussten Bildungskanons Verwendung fanden. Pückler und Gentz gingen so weit, dass sie sich auch lebende Tiere und sogar Menschen von der Reise 70 Forum Globale Geschichte in lokalen Museen? mitbrachten, Statussymbole, die an den großen europäischen Herrscherhöfen schon länger eine verbreitete Erscheinung waren. Objekte aus den Kolonien Sammlungsbestände, die ihren Ursprung in deutschen Kolonien haben, befinden sich in den Museumssammlungen in Wusterhausen, Eberswalde und Falkensee. Über die Erwerbungsumstände vor Ort ist aber im Einzelfall nur sehr wenig bekannt. So war der Stabsarzt Georg Ipscher aus Wusterhausen zweieinhalb Jahre lang in der „Schutztruppe“ für Kamerun im Einsatz. Zu seinen Aufgaben gehörte dort die Behandlung von Parasitenbefall, Fieber und Schusswunden. Friedrich Hauser verbrachte wahrscheinlich mehr als 20 Jahre als Tropenpflanzer in Deutsch-Neuguinea (das heutige Papua-Neuguinea) und kehrte nach Enteignung und Ausweisung 1921 nach Deutschland zurück.3 Um sich eine neue Existenz aufzubauen, erwarb er in Eberswalde ein Gartenlokal und richtete dort ein „Kolonialzimmer“ ein. Dort stellte er nicht nur seine Mitbringsel aus Neuguinea aus, sondern kaufte anscheinend auch Gegenstände aus Afrika und Indien hinzu. Die Faszination derartiger „exotischer“ Objekte wollte er geschäftlich nutzen, um sich von benachbarter Gastronomiekonkurrenz abzuheben. Der aus Sachsen stammende Richard Berger kam 1904 als Soldat nach Tsingtau und kehrte nach dem Ersten Weltkrieg erst 1920 aus japanischer Gefangenschaft nach Deutschland zurück, wo er mit seiner Familie ab den 1930er Jahren im Ortsteil Finkenkrug in Falkensee lebte.4 Aus allen drei Hausständen haben sich Objekte aus den Kolonien erhalten. Die Nachfahren übereigneten sie früher oder später direkt oder indirekt den lokal zuständigen Museen. Der Nachlass Ipscher befindet sich im Wegemuseum Wusterhausen. Nachkommen Bergers übereigneten dessen Erinnerungsstücke dem lokalen Museum in Falkensee und das Museum Eberswalde beherbergt heute die Sammlung Hauser. Objekte aus postkolonialen Zusammenhängen Die präkolumbische Sammlung des bundesdeutschen Diplomaten Götz von Houwald entstand seit den 1950er Jahren bei seinen beruflichen Aufenthalten in Mittelund Südamerika. Die Sammlung umfasst Keramiken aus Mittel- und Südamerika, seinen wissenschaftlichen Nachlass, eine Fotosammlung und zahlreiche Tonbandaufnahmen, die Houwald während seiner Aufenthalte bei den Sumu-Indianern im Norden von Nicaragua machte. Zu hören sind christliche Lieder auf Sumu und Spanisch sowie sumusprachige Erzählungen. Aufgrund seiner familiären Verbindungen in die Niederlausitz vermachte er einen Teil der Sammlung dem Museum Schloss Lübben. Bei dem jüngsten Stück in unserer Ausstellung, einem präparierten Krokodil, handelt es sich um ein diplomatisches Gastgeschenk, das 1971 von Kuba nach Ostberlin reiste. Fidel Castro schenkte es Werner Lamberz, einem Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, am Ende eines Aufenthaltes auf der Karibikinsel. Die Dinge: ihr Schicksal, ihr Zustand Der Reiseschriftsteller Fürst Pückler-Muskau und der Maler Wilhelm Gentz schickten schon während ihrer Aufenthalte in Nordafrika, entlang des Nils und im Ostmittelmeerraum Kisten mit Kunst- und Kulturgut, ethnographischen Alltagsgegenständen, Souvenirs, aber auch lebende und tote (einbalsamierte) Tieren nach Hause und listeten die Gegenstände in Briefen genau auf. Die mitgebrachten Dinge garantierten Pückler und Gentz die Aufmerksamkeit der Gesellschaft. Die Produkte ihres künstlerischen Schaffens, mit denen sie ihre Sichtweisen auf Menschen in anderen Weltgegenden dokumentierten, hatten einen beträchtlichen Einfluss auf Zeitgenossen zuhause. Sehr populär waren die Reiseberichte Pücklers, die auch in Auszügen in vielen Tageszeitungen zu lesen waren. Die Gemälde von Gentz mit orientalischen Sujets fanden auf den Ausstellungen der Berliner Kunstakademie großen Beifall, Globale Geschichte in lokalen Museen? Forum 71 Kleines Keramikgefäß mit arabischem Schriftzeichen, 19. Jahrhundert (?) Nachlass Wilhelm Gentz, Museum Neuruppin Keramik in Form eines Jaguars, der eine Schale trägt, vom Typ Papagayo Policromo (800–1350 n. Chr.), Nachlass Götz von Houwald, Stadt- und Regionalmuseum im Schloss Lübben Hölzerne Pfeil- und Lanzenspitzen, Nachlass von Friedrich Hauser, Museum Eberswalde 72 Forum Globale Geschichte in lokalen Museen? Holzstuhl, 1900–1903, persönliche Anfertigung für Dr. Georg Ipscher, Wegemuseum Wusterhausen seine Illustrationen in dem Buch von Georg Ebers „Aegypten in Bild und Wort“ wirkten auf das Orientbild eines noch größeren Publikumskreises ein. Gentz wurde zu dem wichtigsten deutschen Vertreter der Orientmalerei. Während das mitgebrachte Kunst- und Kulturgut von Pückler in einer größeren Anzahl heute noch vorhanden ist und in Muskau und Branitz ausgestellt wird, hat die Reisesammlung von Gentz die Jahrhunderte nicht überstanden. Zwei Objekte, ein Armreif und ein kleines Gefäß, sind aus dem Nachlass in das Museum Neuruppin gelangt. Dem Wert entsprechend sind die Dinge heute in gutem Zustand. Das Fliesenmosaik aus Liebenberg hat wohl an seinem ersten Standort als Fußbodenbelag im Archivgebäude sehr gelitten, an zwei nachfolgenden Standorten in Liebenberg wurde es dann an der Wand angebracht. Zurzeit ist es stark restaurierungsbedürftig und nur temporär zu besichtigen, ein Restaurierungsprojekt der Fachhochschule Potsdam nimmt sich seiner seit 2019 an. Bildquellen, nämlich Fotos von 1900 bis 1903, machen den Großteil des Nachlasses von Georg Ipscher aus. Nach einer ersten Sichtung dokumentieren sie seine Fahrt über Madeira und Gran Canaria nach Kamerun und zeigen weiterhin einzelne militärische Expeditionen, Ansichten von Duala, Belltown und weiteren Siedlungen, vereinzelt auch Alltagsszenen der einheimischen Bewohner oder Gruppenfotos. Auf den Bildrückseiten hat Ipscher jeweils kurze Bildnotizen verfasst. Leider muss man sagen, dass die Fotos überwiegend in einem schlechten Zustand sind, zum Teil ist kaum noch etwas zu erkennen. Nicht viel besser geht es den hölzernen und geflochtenen Gegenständen und Tierpräparaten, die sich aus dem „Kolonialzimmer“ von Friedrich Hauser im Museum Eberswalde erhalten haben. Die verbliebenen Stücke wurden über Jahre oft nicht materialgerecht gelagert, was zum Teil zu Schimmelbildung und damit zu einem Verlust von Sammlungsteilen führte. Zudem wurden jüngst bei einem Einbruch in das Museumsdepot weitere Objekte aus ehemals Hauserschem Besitz gestohlen. Die Houwald-Sammlung im Museum Schloss Lübben ist gut erhalten und wird fachgerecht aufbewahrt. Die Tonaufnahmen werden derzeit digitalisiert. Das Krokodil aus Kuba hat die Umzüge der Familie Lamberz bis 2014 mitgemacht, danach ist es als Schenkung ins Naturkundemuseum Potsdam gekommen, wo es nach einer gründlichen Reinigung in einer Sonderausstellung zu sehen war. Das Thema Tierpräparation spielt im kolonialen Zusammenhang vor allem für die großen naturkundlichen Museen eine nicht geringe Rolle; gezielte Tötung von Tieren für den touristischen oder kommerziellen Markt ist bis heute ein Problem. Globale Geschichte in lokalen Museen? Forum 73 Ein besonderes Kapitel Fürst Pückler-Muskau und Wilhelm Gentz „erwarben“ neben zahlreichen Objekten bei ihren Orientreisen auch Sklaven. Besonders Pückler „schmückte“ sich nach seiner Rückkehr in ganz Europa mit zwei Kindern, die er als Sklaven gekauft hatte. Einen sudanesischen Jungen namens Aman Te-In Joladour hatte Pückler 1837 im Alter von acht Jahren „erworben“, er taucht als „Mohr“ noch bis 1861 in preußischen Akten auf. Bekannter dürfte das abessinische Mädchen Machbuba sein, das Pückler wahrscheinlich 1837 in Kairo kaufte. Machbuba starb einen Monat nach ihrer Ankunft in Muskau an Tuberkulose, ihr Grab ist noch heute in Bad Muskau zu besichtigen. Auch Gentz kam 1877 aus Algerien mit einem „Mohren“ in seine Heimat zurück und stellte ihn als Diener in seinem Haus an. Zwölf Jahre später hielt er ihn in einem Porträt fest. Auch die preußische Kronprinzessin Viktoria porträtierte den Algerier, dem sie bei Gentz begegnete. Als Dank für seine Sitzung schenkte sie ihm eine Uhr. Provenienzforschung Hinsichtlich der Provenienz dieser Objekte aus brandenburgischen Sammlungen können nur die wenigsten Fragen beantwortet werden. Wann, wo und von wem die Stücke erworben wurden, ist nicht im Einzelnen dokumentiert. In den Briefen von Fürst Pückler und Gentz werden Ankäufe nur summarisch genannt, ohne Angabe der Verkäufer, der Preise oder auch nur der Orte, an denen die Stücke gekauft wurden. Der Holzstuhl von Georg Ipscher ist durch die personalisierten Schnitzereien als eigens für ihn hergestelltes Stück ausgewiesen. Er könnte als Auftragsarbeit Souvenircharakter haben, aber z. B. auch als Abschiedsgeschenk entstanden sein. Im Nachlass von Georg Ipscher existiert ein Foto, welches ein „Afrikazimmer“ in seinem Haus in Wusterhausen zeigt. Darauf sind zahlreiche Holzstatuen, Schemel, Waffen, Musikinstrumente und ethnographische Alltagsgegenstände erkennbar, die nicht ins Museum gelangt sind bzw. vielleicht auch nicht mehr existieren. Auch zur Provenienz dieser Gegenstände gibt es keine Überlieferung. Für die Gegenstände, die Friedrich Hauser in seinem Waldrestaurant Zainhammer ausstellte, ist von 1939 eine Liste mit 420 Teilen überliefert, bestehend aus vielen zoologischen Präparaten, ethnographischen Gegenständen, Waffen, Bildern und Fotos. Das berechtigt zu der Annahme, dass die Beschreibung eines „kleinen Kolonialmuseums“ in einer Broschüre aus den 1930er Jahren nicht übertrieben ist. Diese Gegenstände gelangten nach Hausers Tod an die Gemeinde Finow, die sie zunächst im Rathaus zeigte und dann auf 74 Forum Globale Geschichte in lokalen Museen? Vier Personen mit persönlicher Unterschrift auf dem Fotoabzug, 1900–1903, Nachlass von Georg Ipscher, Museum Wusterhausen Schulen aufteilte. Längst nicht 420 Stücke, sondern lediglich Reste der ehemaligen Sammlung Hauser kamen schließlich im Jahr 1960 an das Kreisheimatmuseum Eberswalde. Auch für die Sammlung von Houwald aus dem 20. Jahrhundert gibt es keine Kaufbelege. Aus einem unveröffentlichtem Manuskript Houwalds geht hervor, dass er in den 1950er Jahren planmäßig eine Sammlung altperuanischer Keramik anlegte. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kamen einige (alle?) Stücke aus geplünderten archäologischen Stätten. In den 1970er Jahren wurde ihm klar, dass er durch seine Ankäufe selbst dazu beitrug, die Fundzusammenhänge zu zerstören und die Raubgräberei zu unterstützen.5 Kontextualisierung der Sammeltätigkeit und der Objekte Neben einer Objektgeschichte besitzen die Objekte auch noch eine historische Komponente, weshalb in der digitalen Ausstellung auf eine Kontextualisierung nicht verzichtet werden kann. Von der auf europäische und nichteuropäische Objekte ausgerichteten „Sammelwut“ des 19. Jahrhunderts waren Fürst Pückler und Wilhelm Gentz erfasst. Sie richteten mit ihren ethnographischen Sammlungen eigene Orientkammern bzw. -zimmer ein. Auch der Stabsarzt Ipscher besaß in Wusterhausen ein Afrikazimmer. Die Zurschaustellung ihrer Reisemitbringsel diente ihrer gesellschaftlichen Reputation und wurde besonders von Fürst Pückler inszeniert. In den Bildwerken Wilhelm Gentz’ spiegelt sich seine Sicht auf die Verhältnisse im Orient, die auf Absicht und Wirkung bewertet werden sollten. Globale Geschichte in lokalen Museen? Forum 75 Das Fliesenmosaik aus Liebenberg ist ebenfalls ein Spiegel der Orientfaszination, jedoch überlagert durch die Antikenbegeisterung, die nach der Entdeckung der römischen Stadt Pompeji 1748 einsetzte. Es zeigt als Nachbildung des berühmten Mosaiks aus Pompeji Alexander den Großen im Moment der Eroberung des persischen Weltreiches. Ende 1843 traf die Mosaikkopie auf Fayencefliesen in Liebenberg ein, genau zu der Zeit, als das Original zwölf Jahre nach dessen Entdeckung von Pompeji in das Museum in Neapel verbracht wurde. An vielen Gegenständen aus den Sammlungen in Eberswalde und Neuruppin ist noch detailliert zu prüfen, ob sie authentisch im Sinne eines Gebrauchs in der Herkunftsgesellschaft waren oder ob es frühe Souvenirs bzw. gebrauchsunfähige Modelle (z. B. Waffen) sind. Möglicherweise fand bei einigen Objekten auch ein Erwerb auf Augenhöhe aller Beteiligten statt, was aber aufgrund der schlechten Überlieferungssituation kaum mehr nachweisbar sein dürfte. Das „kleine Kolonialmuseum“ in der Gastwirtschaft von Friedrich Hauser in Eberswalde bediente in den Zeiten zwischen den Kriegen einerseits die Neugier an fremden Regionen und Tieren, andererseits auch den wiederaufkeimenden deutschen Kolonialenthusiasmus. Der Ankauf von Keramiken aus archäologischen Fundzusammenhängen war in Mittel- und Zentralamerika in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ein beliebtes Hobby bei Diplomaten und Lehrern an Deutschen Auslandsschulen, so auch bei Götz von Houwald. Die indigene Bevölkerung lebte dort zum größten Teil weiterhin in einer kolonialen Situation, was Houwald mehr und mehr realisierte. Nach seiner Pensionierung 1975 nahm er an der Universität Bonn das Studium der Ethnologie und Alt-Amerikanistik auf und wurde 1978 promoviert. Houwalds Dokumentationen wurden nun auch wissenschaftlich relevant, und sein Engagement für die Sumu mündete in einer nach ihm benannten Stiftung. Die Tonbandaufnahmen von den SumuIndianern sollten zukünftigen Projekten zugänglich gemacht werden, die sich indigenen Sprachen widmen. Die Informationen aus Houwalds Sammlung könnten so den heutigen Sprechern und Erben dieser Kulturen zugänglich gemacht werden. Mit diesem digitalen Ausstellungsprojekt fördert der brandenburgische Museumsverband die im Leitfaden des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten empfohlenen Vorgehensweisen: Durch die Online-Veröffentlichung der Sammlungsstücke schaffen wir Grundlagen für mehr Transparenz und damit auch für Kooperationen mit Herkunftsgesellschaften. Der Wille zur Auseinandersetzung mit den Objekten ist in den beteiligten Museen geweckt und ein Dialog und Wissenstransfer wird möglich. 1 Das vorbereitende Team besteht aus: Dr. Susanne Köstering, Arne Lindemann (Museumsverband Brandenburg), Joshua Enslin (museum-digital), Dr. Ulrike Kersting. 2 Deutscher Museumsbund e. V. (Hg.), Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, 2. Fassung, Berlin 2019. 3 Vgl. den Beitrag von Arne Lindemann in diesem Heft. 4 Vgl. den Beitrag von Bert Krüger in diesem Heft. 5 Götz von Houwald, „Die Indianer und ich“, 1975 (unveröffentlichtes Typoskript im Museum Schloss Lübben).