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Der
Innsbrucker Hexenprocess
von 1485.
Von
Hartmann Ammann,
Reg. Chorherra in Nßustift.
Fer<l. Zeitschrift.
III. Fo] ? f.
H4. Hfft.
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L
Bei der Durchstöberung des f. b. Hofarchivs in Brixen
stiess Schreiber dieser Zeilen an ganz unvermutheter Stelle
auf ein Paket, das ausser vielem anderen Interessanten
auch wenigstens den grössten Theil der Acten eines Hexenprozesses enthielt, der im Jahre 1485 in Innsbruck geführt wurde. Je mehr ich mich mit demselben beschäftigte, um so interessantere Momente fand ich an ihm,
so dass ich mich entschloss, ihn in kurzer Bearbeitung
zu veröffentlichen. Ich will gleich jene Punkte herausheben, die gerade diesem Prozesse vor andern seinesgleichen einen besondern Vorrang sichern.
Er ist zeitlich ohne Zweifel der älteste resp. jüngste,
der nach dem Erscheinen der Bulle Papst Innozenz VIII.
„Summis desiderantes affectibus" geführt wurde l). Als Urheber desselben erscheint der durch die genannte Bulle
vom Papst als „inquisitor heretice pravitatis" für fast ganz
Deutschland bestimmte Dominikaner Heinrich Institoris2),
der durch seinen 1487 zum erstenmal erschienenen Malleus
Maleficarum die Norm festsetzte, nach der durch nahezu
300 Jahre hindurch eine Unzahl von Menschen den entl
) Ueber die Bedeutung dieser Bulle vgl. Soldan-Heppe, Gesch..
d. Hexenprozesse ], 268 ff.; gegen ihn polemisiert Diefenbach, der
Hexenwahn S. 222 ff. Bezüglich der Datierung der Bulle sei hier
bemerkt, dass die den Acten beiliegende Abschrift datiert ist 1484
q u a r t o nonas decemb., die Editionen in Druck aber scheinen
durchaus mir^nonis decemb. zu enthalten.
a
) Nach den vorliegenden Acten nicht Institor.
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setzlichsten Martern und dem fürchterlichsten Tode überantwortet wurde; ein beträchtlicher Theil der zur Führung
dieses Hexenprocesses verfassten Abhandlungen oder
Anweisungen rühren von eben diesem Heinrich Institoris
her und sind von ihm fast wörtlich in den Malleus maleficarum aufgenommen worden. Auch stellen sich die im
Mall. mal. von Innsbruck berichteten Zaubergeschichten
nach den Acten in Wirklichkeit zum Theile wesentlich
anders dar, als sie daselbst erzählt sind. Verleihen diese
Umstände dem vorliegenden Processe in der Geschichte
der Hexenprocesse überhaupt eine hervorragende Stelle,
so kommt für einen Tiroler dazu noch, dass es der älteste
derartige Process in seinem Vaterlande ist und dass die
Acten über denselben bisher als verloren angesehen wurden1).
Endlich verleiht ihm ein besonderes Interesse auch noch
die Beziehung, in der diese ganzen Vorgänge zu den damaligen politischen Verhältnissen des Landes stehen. Die
Hofpartei, welche den schwachen Erzherzog Sigmund vollständig beherrschte, benützte die Sendung des Inquisitors
als willkommenen Deckmantel, um missliebige Persönlichkeiten bei Seite zu schaffen. Dies gewissenlose Vorgehen bildete dann auch einen der vielen Klagepunkte,
die auf dem Landtag von 1487 von den Ständen gegen
die Misswirthschaft im Lande vorgebracht wurden 2. Auf
diesen Zusammenhang näher einzugehen, hätte mich zu
weit geführt; ich will im Folgenden nur eine Darstellung
des Processes selber geben.
Auf seiner Amtsreise zur Aufspürung von Hexen
berührte der Inquisitor Heinrich Institoris auch Brixen,
dessen Bischof Georg Golser er wohl auch die Bulle
Summis desiderantes affectibus überbrachte. Am 23. Juli
*) Vgl. Ludw. Rapp, Die Hexenprocesse und ihre Gegner in
Tirol, Sinnacher Beiträge z. Gesch. der bisch. Kirche von Silben
und Brixen 6, 619.
2
) Vgl. Egger Gesch. Tirols 1, 606 ff.
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— 5 —
theilte Bischof Georg dieselbe dem Clerus seiner Diöcese
mit und empfahl diesem dem Inquisitor und seinen allfälligen Gehülfen, wenn sie sich zur Belehrung des Volkes
einfinden würden, freundlich entgegen zu kommen. Zwar
ertheilt er dabei allen, welche zur Ausrottung der in der
päpstlichen Bulle erwähnten Verbrechen mitwirken würden,
einen Ablass von 40 Tagen und erwähnt auch die Strafen
für solche, welche sich widersetzten, stellt aber gegen
allfällig ausfindig gemachte Hexen keine Strafe fest, sowie er überhaupt die Thätigkeit des Inquisitors und seiner
Genossen nur auf das Predigeramt zu beziehen scheint1).
Heinrich Institoris gab sich hiemit zufrieden und eilte
nach Innsbruck, wo wir ihn bereits in den ersten Tagen
des August thätig finden. Sein Eifer in der Aufspürung
von der Hexerei Verdächtigen erreichte einen an's Unglaubliche grenzenden Erfolg. Bis Ende August belief
sich die Zahl derjenigen, welche ihm als „verdächtig"
angegeben worden waren, schon auf mehr als fünfzig
Personen, von denen mehr als vierzig in Innsbruck oder
dessen nächster Umgebung sesshaft waren; dieselben gehörten bis auf zwei s ä m m t l i c h dem w e i b l i c h e n
Geschlec h t e an.
Die Art und Weise, in der bei der Aufspürung der
Hexen zu Werke gegangen wurde, lässt sich aus den
Acten nicht mit voller Sicherheit feststellen; jedoch fehlt
es nicht an sehr wichtigen und interessanten Anhaltspunkten. Den Acten ist nämlich eine Anweisung beigegeben, wie bei der Einleitung und Verfolgung l eines
Hexenprocesses vorzugehen sei. Diese Arbeit scheint von
keinem geringern als von Heinrich Institoris selbst verfasst und für einen seiner Mitbrüder und Amtsgenossen
(er redet ihn^stets mit Reverendissima paternitas vestraan)2)
*) Siehe Beilage 1.
2) Dieselbe Titulatur, die ja sehr wohl auch Heinrich Institoris als Adressaten bezeichnen könnte, ist auch gebraucht in dem
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—
6
—
bestimmt gewesen zu sein. Sie erörtert zuerst (leider ist
sie nicht mehr vollständig vorhanden) die Frage über die
Zahl und den Charakter der Zeugen in einem Hexenprocesse; daran reiht sich sodann eine ziemlich eingehende
Instruction, wie überhaupt die Hexen ausfindig gemacht
werden könnten. Wenn nun auch diese Erläuterung und
Anweisung nicht als ein Ganzes in den Malleus malef.
übergegangen ist, so finden sich in demselben doch so
viele wörtlich gleiche Stellen, dass an der Identität der
Verfasser beider Abhandlungen nicht gezweifelt werden
kann und die vorliegenden Weisungen sich zum Malleus
malef. verhalten, wie das Concept zur Reinschrift.
Der Hauptinhalt der Anweisungen ist folgender:
Vor allem ist bei dem Seelsorgsclerus dahin zu
wirken, dass er das Volk möglichst von aller Zauberei
und Hexerei abhalte. Denn dieselben schlössen die allerschwersten Verbrechen und Sünden in sich; sie seien
nämlich:
1. Eine gänzliche Verleugnung des Glaubens, da die
Hexen, daran erkenntlich, dass sie sich bei der hl. Communion die Hostie nicht auf, sondern u n t e r die Zunge
legen Hessen, in der Beichte schwere Sünden verschwiegen
und mit heüigen Dingen verschiedenen abergläubischen
und gotteslästerlichen Unfug trieben, wie sich aus den
Anführungen in der Beilage ergebe.
2. Aus dieser Beilage ergebe sich auch, wie schädlich
die Hexen auf alles einwirkten, da weder Mensch noch
Thier, noch irgend eine Gattung von nutzbringenden
Wesen von ihnen geschont werde.
Zeugnisse, das Heinrich Institoris selbst vor seinen Ordensbrüdern
ablegt (Process der Scheuberin), wobei er von sich nur in der
ersten Person spricht, das Schriftstück aber gleichfalls an eine als
Reverendissima paternitas vestra bezeichnete Persönlichkeit gerichtet ist.
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7
—
3. Wird die Leugnung des Hexenspukes als offenbare Ketzerei erklärt, und diese Ansicht mit einer reichen
Anzahl von Stellen aus der hl. Schrift, den hl. Vätern
und Juristen zu erweisen versucht. Als Hauptverbrechen
der Hexen werden angeführt: die Hervorbringung von
Hagelschlägen, das Verwirren des menschlichen Verstandes
bis zum vollen Wahnsinn, die Erregung von Hass oder
Liebe in unwiderstehlichem Grade, Verhinderung der
Fruchtbarkeit bei Menschen und Thieren, sowie die
völlige Tödtung. Daran reiht sich sodann der Versuch
des Beweises, dass all dies dem Canon „Episcopi" nicht
widerspreche. *).
Ueber alle diese Punkte sollten die Seelsorger das
Volk aufklären und jedermann auffordern, verdächtige
Personen anzugeben. Damit Niemand sich durch Furcht
davon zurückhalten lasse, sollte den Angeschuldigten der
Name ihres Anklägers unbedingt geheim gehalten werden.
Ein ganz besonders scharfes Auge aber solle Jedermann
auf die Kindsammen haben, da es bei diesen, wie zahlreiche Aussagen von solchen, die bereits verbrannt worden
seien, bewiesen, sehr häufig vorkomme, dass sie die Kinder
dem Teufel opferten.
Während diese Anweisungen nur zwei volle Bogenseiten umfassen 2 ), folgt auf weiteren 20 ein Normativ,
wie gegen Angeschuldigte nach den verschiedenen (13)
Graden ihrer Verdächtigkeit, ihres Geständnisses oder der
völligen Ueberweisung zu verfahren sei. Dasselbe ist
«) Vgl. hierüber Soldan-Heppe 1, 130, Diefenbach S. 202.
2
) Dieselben umfassten sicher mehr, doch ist nur dieser Theil
vorhanden. Die Abfassungszeit lässt sich ziemlich genau bestimmen. Da in der Einleitung der Process der Scheuberin erwähnt wird (8. hierüber unten), der im October geführt wurde,
so mag wohl auch diese Anweisung um diese Zeit verfasst
worden sein.
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Q
.zum grössten Theil w ö r t l i c h auch in den Malleus
malef. a u f g e n o m m e n 1 ) .
Bereits in den ersten Tagen des Monats August begann der Inquisitor2) in Innsbruck seines Amtes zu
walten. Ob er hiebei an die Seelsorger eine der oben
erwähnten ähnliche Aufforderung erlassen und wieweit sie derselben nachgekommen, davon enthalten die
Acten keine Andeutung. Bezüglich des Gebietes der
Stadt Innsbruck und ihrer Umgebung scheint eine allgemeine Ankündigung wahrscheinlich, da sich fast alle Anklagen auf Personen beziehen, die daselbst wohnhaft
waren. Die Zeugen machten ihre Aussagen ohne Zweifel
Vor dem Inquisitor oder seinen Stellvertretern, jedenfalls
nicht vor dem Pfarrer von Innsbruck, dessen von Seite
des ersteren oder in den Acten über die Verhöre nie
Erwähnung geschieht.
Die Verhöre der Zeugen begannen am 9. August und
wurden mit Unterbrechungen bis zum 14. September fortgesetzt. Je ein Zeugenverhör fand statt am 11., 13., 15.,
16., 17., 18., 19., 21., 23., 25. und 29. August, sowie
am 1., 2., 9., 10. und 14- September; je zwei am 4., 5.,
6. und 8. September, drei am 3. September und fünf am
9. August. Als Resultat dieser Verhöre ergab sich, dass
ungefähr 40 Personen aus Innsbruck und Wüten, 10
aus der Umgebung davon mit Namen als „verdächtig"
bezeichnet waren und dazu noch „viele andere", deren
Namen im Verzeichniss nicht genannt sind. Bei der
vorliegenden Aufzeichnung über die Zeugenaussagen ist
meist dafür gesorgt, dass die Angeschuldigten die Namen
•) Mall. mal. III. 20—32. Abweichungen beider Texte rühren
in den meisten Fällen von Erweiterungen in Mall. mal. her; die
Differenzen beider Redactionen näher auseinanderzusetzen, würde
hier viel zu weit führen.
2
) Wie in den Acten ist auch in dieser Abhandlung unter
„Inquisitor" jedesmal Heinrich Institoris zu verstehen.
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ihrer Ankläger nicht in Erfahrung bringen sollten, indem
letztere auf ein besonderes Blatt geschrieben sind und die
zusammengehörigen Stücke durch Bezeichnung mit denselben Buchstaben des Alphabetes als solche erkenntlich
gemacht sind.
Das vorliegende Actenmaterial erweist sich aber hier
als unvollständig, zum Theil als geradezu unsicher. Es
sind nämlich die Datierungen der einzelnen Verhöre nur
auf der Cedula des Zeugenverzeichnisses angegeben und
auch hiebei erscheinen sie mehrmals als Nachtrag mit
anderer Tinte geschrieben, einmal durch estimo als nicht
vollkommen sicher bezeichnet. Auch herrscht in der
Anordnung kein Princip, am allerwenigsten das chronologische, so dass beispielsweise die 5 am 9- August vorgenommenen Verhöre unter Nr. 6, 10, 14, 17 und 18
eingetragen sind. Ich weiche darum bei der wörtlichen
Anführung der Zeugenaussagen darin von dem Texte der
vorliegenden Aufzeichnung ab, dass ich, dieselben chronologisch ordnend, jedesmal die auf dem besoridern Blatte
angegebenen Zeugen der Aussage voranstelle.
Die
vorausgesetzte Zahl bezeichnet sodann die Nummer,
unter der die betreffende Zeugenaussage im Texte angeführt ist.
V e r h ö r e am 9. A u g u s t :
(6). Zeuge: Kristel Weber, der es auch van ainer
andern frauwen gehört hat, und er ist der, der erkranckt
ist an einem füs.
IX. August. Ein frauw, haist die Kleuberin zw
Hettingen, sol ieren aygen sün getet haben darump, das
er ain weip nam wider iren willen, daz sy selber gesagt
hat, wan sy 3 suntag vastet, so möcht er nit das iar
über leben, das auch gescha. Sy hat auch einen armen
man verzvubert, das er an einem füs gross leiden hat,
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— 10 —
(10). Zeuge Sigmund Sacklin hat selber über sich
gesworen, daz den dingen also sey.
IX. August1). Swingel Mentlin hat verzaubert Sigmund
Sacklin des Fürsten barbieren. Was grosser arkwon, wan do
sy in veintschaffb waren. An einem suntag frü schickt die
Swingelmentlin ein fraw genant Nirenbergerin, die ietzunt
zw sunt Michel sein sol, in sein hauss, und do er die
fant heimlich umbgen im hauss und sy fragt, worumb
sy umbging und sy im nicht bekennen wolt und er darnach lam worden ist, do hat er sy in verdenken. Item
er hat lossen fragen, wiewol daz verbotten ist, der warseger zwen. Die haben im daz auch gesagt, wiewol der
tüfel Hegen und auch worsagen kan.
(14). Zeuge Treinlin Lentz Büchlin uxor, item Margret
Vlreich Schüsterin, item der Tollinger, sitz neben der
Seutzin, weis auch wol.
IX. August. Es sint personen, die mit kinsten
unibgen, den tüfel anzwrüffen, aber sy sollent daz
nimmer beichten, es sey zw der lieb oder zw ander
kranckhait der mönschen, hat gesagt etwan Lentz
Büchlins uxor, die personen vast im land umblauffen.
Auch hat die Zwschretrin ein dirn, Berbel genant, die
sol vil kunst wissen, und wie sy das rot von sant
Cristoffelsbild aschabt und etwan van des tüfels bild,
zauberig domit ZU triben.
(17). Zeugen Klörle Lienhart Zimmermans dochter
und Cristoff-Maurers uxor.
IX. August. Die alt Fenden hat gelernt eine, haist
Kichartin und ist ains auflegers hausfraw, das sy solt
oben auf den galgen steigen und solt von dem diep
etwas nemen, und wen sy domit wer anrüren, der müsfr
sy liep haben. Ursach, warumb sy es lernte, was, wan
die Keicharten hat ein dochter, die hat einer swanger gemacht, und der wolt ir kein gutes mer dün.
•) Beeidigte Zeugen werden nur ausnahmsweise erwähnt.
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— 11 —
(18). Der Maulartzit und auch dy er bey im hat
im sloss gehebt, weren zw fragen.
IX. August. Ich wais nit, ob zw glauben ist yber die alt
Scharerin, daz sy sol dem Maulartzit sein fraw zw dem dot
verzaubert haben. Er clagt, sy hab im getraumet, do sy sy
nit wolt in das hauss lossen zw irer dochter, und hat bey ir
ein fraw, genant die Swebin. Er sagt auch, sy hab gesprochen, sy miess es im bet bezalen; auch hat sy vast
gelachet, do sy tot fir ir hauss getragen wart, daz sollen
die trager gehört haben, die ich nit gefrogt hab. Er hat
auch gesagt, wie sy solt gesprochen haben zw einer jungfrauwen Appolonia, ist bey Jerg Büchsenmaister, so müess
sy sterben und nimmer auffkumen. Die iungfraw seit
aber nit also, sunder sy möcht ein halbs ior do lygen
und werde dennacht sterben.
Verhör am 11. August.
(5) Zeugin: Margreta Tüllingerin, die daz gehört hat
von der Elsen, die gestorben ist, leiplichen brfider.
XI. August. Elsa die Böhemmin die sol verzaubert haben
zwaimol ir swester Elsa, die Schüfer uxor was, ainmol
daz sy lam ward, daz andermal, daz si starb und ist
ursach gewesen, daz der Böhemin man het ir swester in
seim hauss, und sy vernam, daz er die ander lieber het
den sy, und wo sy in bat, er solt sy auss dem hauss
dün. Also widerfür ir daz leiden.
Verhör am 13. August.
(25) Zeuge: Thoman Swembil sitzt hie.
XIII. August. Wider die Küb-Kolerin, die trogt vast den
leuten, sy müssen an henden und füssen erlammen, sitz in der
silbergassen. Item Oswalt Kolerin ouch vast verlümet ist.
Wider die Bleidlerin hebammen. Sy hat gesprochen
wider an Kleuberin haussfraw Cünred Kleiber, do sy bey
ir zw herberg was, daz si solt erfaren, wie die ander
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— 12 —
hebara, genannt Kolerin, mit irem dauffnaimnen hiess,
wenn sy wolt ir dun, daz sy nit vil zw den frawen gen
solt; daz wolt aber die nit dün. Item an den eritagen
(Dienstag) zw nacht, pfingstagen (Donnerstag) zw nacht
und samptstagen zw nacht hat sy holler under die
aschen begraben und morgens mit ir dochter Ursula unter
die inbruck under ein ioch getragen, sy waiss aber nit
welchss ioch. Testes in cedula sub litteris CC. l).
V e r h ö r am 12. August.
(28) Der zeug ist angeschriben im process.
XV. August. Ennli Forsterin in der vorstat ist ein
pflegrin, hat dem Hanns Lamp ein grosse nuss, halbsübergült, under das haupt geleit und sid der zeit hat er
seiner frauwen kein genad und wil sy erslagen und hangt
an der Ennle; die ist wol zw fragen2).
V e r h ö r am 16- August.
(2) Die zeugen über die Zwsehrettrin Dorothea Mathis
Fend uxor, Katherina Peter Kirsners uxor, Dorothea
Brotbeckin. Ouch wil die Güntherin, ist es not, ouch
sweren, und ist der gemein rüff.
XVI. August. Die Zwschretterin ist vast verclagt auch
bey gesworen ayden dreyer personen zum minsten auch ein
gemeiner rüff, das sy ein iungfraw, genant Appolonia, die
Jergen Kuchen schreiber vemelt waz, verzaubert hat, daz sy
sterben niüst, wan sy zw ir sprach in gegenwertikait der
Güntherin, die daz gehört hat: „Kötzli du hast mir meinen
büben genumen, es sol dir nimmer gut dun". Es hat auch
die Appolonia auf ir lest end genumen, das sy ir den dot
angetan hat.
') In dem Zeugenverzeichniss ist CC ausgestrichen; Namen
und Datierung fehlen ganz.
-') Der Zeuge ist hier trotz der Anweisung im Zeugenvernicht erkennbar. Vgl. Verhör vom 2. Sept. (17).
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—
13 —
V e r h ö r am 17. August.
(13) Zeuge Hans Zeiger; ouch sagt er von einm in
Ambos pfar, heist Fierer, der auch mit den gestolen dingen
umbgeht.
XVIII. August. Schülmaister et uxor Dorothea gent
vast den leiten, was in gestolen wirt, wider zw bringen;
sy gent mit dotenkleider umb, darumb sy zw vermanen
sint a zw lassen.
V e r h ö r am 16. und 18. A u g u s t .
(4) Die zeugen Ennli Sippin, die do wont bey CüntzilMetzigers dochter. Item die, in derem hauss die sach
geschehen ist mit dem marterbild, ist Caspar-Smid, die
strofffc die weiber, die auch davan zw sagen waiss und
gesworen hat den ayd. Item Sigmund Smid Caspar Jordans
sün, ouch gesworen.
XVI. et XVIII. August. Ennel Notterin, ain getauffte
iüdin, und Ennli Heintz satelknecht uxor, und ein, die Appolonia hiess, die tot ist, die andern leben noch, die haben an
einem aben vor fünf ioren ein marterbild Unsers Heren gegaiselt und darzw vil lesterlicher wort gesprochen wider got.
Daz hat die Appolonia den zügen gesait, die in der zedil stent.
Item die Bärbel Caspar Smidin, in deren haus es gescheen
ist, spricht, daz die Ennle gaiselt daz bild, aber die getauffte iüdin die ret ybel auch van Unser Lieben Frauwen,
„Daz dir werd also we in deinem sin, als der Marien
wart in irer krin (vulva), do sy Jesum gebar 1).
V e r h ö r am 19. August.
(3) Die zügen über die alt Eendlin sint Cristan
Engelsperger, ein weber, item Magdalenen Halbfingerm,
Wolfgang im spital hausfraw, item Welfil Vasser, dem
2
) Cfr. Mall, malef. II. q. I. C. 12, wo dasselbe in sehr abweichender Weise erzählt ist.
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— 14 —
es ouch gesagt wart, item Treinli, die do wont in der
silbergassen bey Jacob Dagwercker.
XIX. August. Die alt Eendlin ist auch verclagt von
ersten, wie sy denCristan Engelsperger wolt von ersten verzauberen, darnach im vergeben, verzauberen zw der lieb, und
er ir minne haben wolt und sy dunckt, er het ein ander do
lieber den sy, do hat sy sich an im zweimol versucht,
einmol mit dreyen pfrinlin, (Pfrille, Ellritze) dy sy in
irer schäm getöt hat und zw pulver mit andern materien
geriert im zw vergeben, das sy selber den gesellen erkennen müst, und darnach mit pulver, darin vil beinlein
logen, das sy beslossen in einem brieflein gab einer personen, genant Steinil, wonhofftig ietz zw Meron, und die
solt das pulver werfen zwischen den gesellen und der
dürnen. Magdalena, Wolfgangs eliche wirtin. Und do die
Stainil frogt, was gescheen wird, do sprach sy: „Das
werden sy wol innen werden." Aber die Stainil wolt
daz nit dün und offenbart daz der Magdalenen und dem
Cristan und auch dem wirt Welfil Fasser. Item sy sol
geholffen haben ayner, das sy ain kint umbbracht het,
heist Engelspergers doehter in der silbergassen. Item es
wont eine bey ir, haist Dorothea, ist auch vast verlümit.
Item sy het einen grossen anhank von iungen dürnen,
die sy lernen ist. Item sie get vast umb mit swartzen
katzen und hunden, die böss anzüguug geben.
V e r h ö r am 21. A u g u s t .
(1) Zeug ist Ulrich Pogner und sein haussfrauw
frauw Margret, die der saittenmacherin dochter ist.
XXI. August. Wider die saitenmacherin an der anb.ruck,
die hat einem getrogt, der hat ir dochter, sy wolt machen,
das er in eim iar müst erhangen werden oder blind werden.
Argwon sweren und Wissenschaft het er genumen von
seiner haussfrauwen, die do gesehen hat, das sy hör, das
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von des klagers haupt kummen was, und sy im das aussgezogen hat, alss ob sy im lausen wolt, zwsammen wickelt,
und bant das an ein höltzle und steckt das in der kuchen
in ain maure; das fant ir dochter, des klagers weip und
warff das in das für. Item sie hat ouch gesprochen zw
der dochter: „kumpt dein man nit wider auff den tag,
so müs er darnach über 3 tag verblinden", wan zw
mercken ist, das der kleger auss was gangen in Payren
in ainen marck, haist Eckenfelt. Dohin hat in geschickt
der bösen frauwen man, das er sich solt veyntschaffl annemen, wan er auss dem marckt hat müssen weichen,
und solt den marckt verbrent haben, und do er das nit
dün wolt, da wart dem kleger der geswig veint und
woltent im den scheden angeton haben. Item sy kumpt
in kain kirchen über iar, und mag doch wol gen bad
gen. Item wen ir man lang auss ist, so stosst sy das
haupt zw dem fenster auss und nent neun strassen durch
die land und bringt mit den tüfeln zw, das der man
kummen muss.
V e r h ö r am 23. August.
(22) Zeugen: Sigmund barbierer, meister BernhartzBarbierer hausfraw und Oswalt Slossers uxor, wen dy
dot sint, den sy es gehört haben; aber die Müleckin, der
es gescheen ist, lebt noch in domo abbatis sancti Georii.
Item die Müleckin weiss frauwen, die do künnen die man
verzaubern zu der lieb; daz haben ouch gesagt die zwo
fordern frauwen.
XXIII. August. Mich dunckt, daz diese personen noch
geschriben anzugreiffen weren, die alt Kendlin und Dorothea,
die bey ir wont, item Ennlenotterin (iam capta)x), die getaufffc iüdin, Elss Böhemmin. Item zw Hettingen sind zwo,
i) Mit dunkler Tinte ober der Zeile. Vgl. die Verhöre vom
11., 16. und 18. August; über die Hiefeysen (Hufeysen) s. unten.
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—
16 —
eine heist Berbil Hiefeysen (iam capta), die ander des
haussfraw ist Wolff dochter. Item ein, heist Michel
Zimmermannin, die vast die iungen döchter verfiert, das
sy kinst lernt, die man zw verzaubern.
Wider die Wolff dochter, des Molers zw Hettingen
haussfraw, ist grosser lümit, von ersten, daz sy dem Ludwig
Koch seinander haussfraw verzaubert hab mit einer bausch,
die sy ir gesendet hat, wenn die erst haussfraw des
Ludwicks was ir swester gewesen, und alsobald die frauw
den "bausch auffsetzt, do wurden ir blotter in dem haupt
und wart vast wiettend und unsinig in dem haupt, also
über ein halb iar. Do sy wolt den bausch lossen zertrennen, do fant man darin saubersten, hör, kalck, wachs
und andern unflot, also das enweg kam, do wurden ir
Sachen besser.
V e r h ö r am 25. August.
(8) Zeugen: Martein Graff und sein haussfraw bey
gesworem ayde.
XXV. August. Die, Gred Kolerss dochter, hat Martein
Graff verzaubert, daz er seiner frauwen kain genad haben
mag, ouch verzaubert, das er in zwelff wuchen kain slof dun
möcht, und des nam er ain sicherhait von ersten, das er
einmol sy zwingen wolt, daz sy im hilff. Do sprach sy,
es wer noch nit zeit. Item sy was sein bül gewesen
und meint, das er sy zu der ee nemen wird, und do er
ein ander nam, do sprach sy: „Ich wil dir ein letz lossen,
der du wol innen wirst". Item die fraw Greta hat in
irem bet funden ein spinnil mit dreyerley umbgebunden,
leinen und willen faden, mit menschen hör, item in einer
snür, die er an seinem mantel gehabt hat vor zweyen
iaren, hat er in diser wuchen, als ich gepredigt hab,
funden ingewirckt menschen har und har von der frauwen
glid, und das hat sy im darin gewirckt, wan sy entlehet
die snur von im auff ein zeit und gabs im darnach
wider.
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—
17 —
V e r h ö r am 29. August.
(30) Zeugin Walpurg und ir dochter Margaretha
Stoffilbeckin, item die iung Kinisten, Ennel Jörg Beyser
uxor.
XXIX. August. Sixinbeekin und ir swester die alt
Kinistin und ein, haist Ennli hat Margreten-Stoffilbeckin
brüder zwm elichen man; die drey hant auch swer artickel
im lateinischen process 1).
Item ein flüchtige auss dem Engadin sitzt zw Wilten,
heist Gilge; item auch zw Wilten ist ein, haist Falberin,
item die schöne Goltsmidin in der vorstat ist vast verlümit.
In oppido Ysbruck an der anbruck est Miehel-Zimmermannm multum suspecta et quia fugam dederat, ubi
alie fuerant detente, sed ubi emisse, rediit. Hec suspecta
est, quod tempestatem ad suam voluntatem subito facere
potest, unde fertur, quod, ubi mulieres vicine solebant
„horwettin" id est linum extraxerant et indigebant viris
ad faciendum ligaturas et ligandum linum et quod uullus
virorum affuerat, delata dicit: „Ego faciam plures viros
convenire et facta tempestate plures viri convenerunt et
eis ligaturas fecerunt2).
Item die alt Knöllin antiqua accusatur ab Margareta
Knetrin et a Barbara Falknerin, qualiter eius maritus
*) In dem unten folgenden lateinischen Process wird nur einmal eine Sixin erwähnt, von den übrigen ist nichts mehr vorfindig. Die angeführten Zeugen dürften sich wohl nur auf das
bisher Gesagte, nicht aber auf die folgenden Theile von (30) beziehen. Diese gehören wohl auch einer spätem Zeit an, da bereits Eingezogene erwähnt werden. Vgl. auch Verhör vom
23. August (22).
2
) Die hier unmittelbar folgende Bemerkung: „Hie de teste
dubium est, quia in cedula fuit nomen obmissum, casus autem
in se manifestus est" sagt deutlich genug, dass das vorliegende
Schriftstück eben nur eine Copie, oder vielmehr eine Bearbeitung
des Processes in einem Auszug sei.
Ford. Zeitschrift. III. Folge. 04. Heft,
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fuit excecatus ab illa Knöllin; causain suspicionis habent,
quod ubi Knöllin perdiderat gallinam et reperta fuerat,
ipsa' Margareta et Falknerin obviantes in ponte eidem
Knöllin et interrogantes, an gallina reperta fuisset, respondit: „Quod ita: sed post dimidium annum satis habebitis de gallina"; unde contigit post, ut maritus Margarete iam ad 4 annos exeecaretur in ainbobus oculis, ipsa
Barbara in uno oculo.
V e r h ö r am 1. S e p t e m b e r .
(7) Zeugen: Matheis Ehinger und sein haussfraw;
item die Lentzin Büchlin van dem gemain lümit sagt.
I. Septemb. Die Steurerin hat einen bösen lumit zw einer
uuhulden, ouch hat sy den Matheis Ehinger auff ein zait
getrogt: „Se dir mein trauw, ich wil dirs zalen, ich kan
die kunst wol". Also wart im geworffen in sein hauss
wachss, dat inwendig wunderlich gestalt hat, und brocht
es einer, der bey der Steurerin wont. Also sint es 5 ior,
daz die zwey elichen menschen ellendichen leben mit
einander.
V e r h ö r e am 2. September.
(12) Zeugen: Anna Hans Yoya uxor, item die im
spital sint, Avissen auch vil davan zw sagen.
II. Septemb. Anna Hans-Yoya uxor ist Tast dargeben, daz sy gebunden zauberig under die altardiecher
leget. Item sy hat zwo dÖchter bey ir, die vast in arguon
sint l ).
(21) Zeugen: Veronica Siphoufers dochter und der
iung bey dem Mesner.
II. Septemb. Es ist kumen zeuguiss wider die VinsterTalerin, daz sy gelemthab einiungfi'aw, haist Veronica Siphoufers dochter, daz sy von eins diepstals wegen solt umbgen
') Zeugin und Angegebene scheinen hier dieselbe Person zu
sein, also eine S e l b s t a n k l a g e vorzuliegen.
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mit bonen in die ampellen zw legen und ander Sachen
auch zw tun, und daz sy das bey der ewigen verdampniss
gelopt het, nieman zw sagen, und auch die Person solt
daz nieman sagen.
V e r h ö r e am 3. S e p t e m b e r .
(9) Zeugen: Johann Eeyn und sein hausfraw Ella
Herting, auch bey gesworen ayd.
III. Septemb. CuntzZimmermansfrauw Ann^genanthat
ainem genant Hans Heyn seinfrauw,also, daz sigross verzaubert stechen hat ietzund in das drit iar im halss, im rucken
und in der seiten an underlass. Die sicherhait, das sy
es getan hat, ist, das se gemaint hat, Hans Keyn wird
sy zw der ee nemen, und do das der Hans nit dun wolt,
sunder er nam, die er ietzund hat, do sprach sy auff ein
zeit: „Sichs'tu, du wilt die nehmen und mich nit: du
solt wissen, es sol ir niemer wol mit dir gen". Und
also ist gescheen. Item die witwan Vinster-Taleren die
hat gesprochen zw ainer, haist Anna Müschin, in deren
hauss Hans Reyn wont, das Anna Zimmermans fraw hab
der frauwen die kranckheit angeton.
(29) Zeugen sint Johann Ellink de Bernaw, und Katerina
sein hausfraw und ir swester Dorothea.
III. Septemb. Wider die Goltsmidin von Ymst sagt
der zeug und zwo ander personen, wie sy verzaubert
wirden auff den dot, des sy noch lam sint in iren gelidern.
Stet im lateinischen process l).
(24) Der zeug ist Heinrich-Sneidrin, mit namen
Elizabeth, estimo III. Septemb.
Widei* Elss Heiligkrützin, die ist des Mössners swester,
lernt die le.üt, daz sie man verzaubern, daz sys nemen
müssen und daz sy ein swartze henne kauffen sollen, wie
mans beit, und solten daz hertze lebent darass nemen
') Im erhaltenen lateinischen Theile des Processes ist von ihr
nichts erwähnt.
2*
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und legen zw dem heimlichen end und daz den mönschen
zw essen geben.
V e r h ö r e am 5. S e p t e m b e r .
(16) Zeugin Adelheit im spital, die daz von den
frauwen gehört hat.
V. Septemb. Ennli Scheurin hat Hanse-Lemckel und
seiner Irauwen Ennli under daz bet zauberig geleit, darumb
sy dorret ein halbs iar und starb. Der argwon swer ist
darnmb, daz ein andre frauw daz erfahren wolt, warumb
es were. Wen die frauw im bet lag, so was ir we und
auss dem bet brast ir nit. Die hat dieselbige zauberig
geoffenbart.
(23) Zeugen: Hans Zeüger, item Ludwig Moler in
der vorstat weiss auch zw sagen, den man vodern mag.
V. Septemb. Wider die Michel-Zimmermenninl) an der
anbruck ist ein gemein gerüff, daz sy ein unhuld sey. Item sy
lernt die iungen dirnen, daz sy man mügen überkumen.
V e r h ö r e am 6. September.
(11) Zeugin Cristin Ypfhoferin die sagt, wie die
Srentlin für das hauss clegleich kam.
VI. Septemb. Trenlin Rötfelders dirn ist in argwon, daz
sy den küen die milch nimpt, wen ein person, der die milch
genummen wart, gelernt, daz sy den milchkübel yber das
für hencken solt und solt den slahen in des tüfels namen,
so miist die Person kummen. Also gescha es, daz die
person kam weinen und gehüb sich übel.
(19) Zeuge Hans Spiegel und gehört dem lantrichter
Möringer.
VI. Septemb. Einer klagt wider sein aygen haussfraw, sy
hab in in daz achtest iar verzaubert, daz er in steter kranekhait
') Vgl. das Verhör vom 23. (22) und 29. (30) August
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ist und keiner frauwen geweitig ist, wen sy ist auff ein
zeit kummen mit einer andern frauwen, genant Magdaleu,
und ist ein farende fraw, do er gesloffen hat in der stuben,
und haben in auffgeweckt und haben im geben ein stuck
letseltin, das hat er gessen. Do hat die fraw gesprochen :
„Schauw, wie hat ers versluekt". Do sprach die'ander:
„Es wirt in wol (zwrichten)". Also ist er ein krancker
man worden. Item die haussfraw hat gesprochen zwm
knecht, mit dem sy (zwhielt): „Ich wil ihn zwriechten,
das er dir noch mir nit tun mag." Item sy hat im böse
griff geben zum hempt, zum rucken nachtes, do im grosser
smertz nachging.
V e r h ö r e am 8. S e p t e m b e r .
(15) Zeugin Elsbeth Velklin, deren hat die person
der alrunen zwo geben, das sy es under die altardiecher
legen solt.
VIII. Septemb. Wider die Seützin in der vorstat die kan
under die altardiecher alrun: und wen dorüber 9 mess werden
gelesen, so kan sy kain urteil Yor dem rechten verlieren.
Item sy hat gesprochen, sy wel 3 suntag fasten. Do
sprach der Tollinger: „Wil sy vasten, so vastet sy umb
rochs willen, so get es bald über mich als yber ein audern,
wen sy ist mir nit holt.
(27) Zeug ist der Ulrich Pogner.
VIII. Septemb. Wider die Andres-Kromerin au der anbruck, hat geselschafffc mit der Seittenmacherin *), sagt einer,
das sy im het getrogt und daz sy in 3 mol truckt auff ein
achsel, und laufffc von der kirchen, nit wais warumb,
doch meint er, wo sy gefragt wird, sy wist vil Sachen
zw sagen.
V e r h ö r am 9. September.
(26) Zeuge wider die zwo hebammen ist Anna Kleüberin, die do zw frogen wer in gute.
») Vgl. Verhör vom 21. August (1).
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IX. Septemb. Wider die Kracherin, Johannis Sartoris
hausfraw sein hebam sagt die person, die in der zedil stetgeschriben, daz sy ir gesprochen hab, sy hab einen veint des
Glöcknerss haussfraw, der wel sy tun, daz sy kains mannes
glusten werd, daz auch gescheen ist, wen darnoch dorret
und er, krümmet die person, daz sy bey einem iar starb.
V e r h ö r am 10. S e p t e m b e r .
(20) Zeugen aus den dörferin und ir anbringen hab
ich kurtz begriffen, wen sy nit hie pfarrent, aber in Anbruck von einem, der geblent wart, ist züg Margaretha
Ketnerin und Barbara Falcknerin.
X. Septemb. Es sint vil in dörfern Kernten, Ammeros
und ouch zw Hai, als die Silberstichin, auch die Preglin, die
kü verlemmet (Kühen die Milch nimmt), item Deckerin, die
vil manner verzaubert hat, item die Pechidn, auch die
Hiefeyserin, von der der gerber vil sagen kan. Item zw
Hettingen ist Welfil-Sneiderin, den kyen nimpt sy die
milch, item die Klauberin, die alwegen trogt: „Du solt
mir kein mutten saltz essen." Item in Anbruck ist die
alt Knöllin, die ein man erblent hat. Item in Anbos ist
Andree Fierer, der mit kinsten verloren ding offenbart;
item zw Predil ist die alt Eendlin vast verlümit *).
V e r h ö r am 14 September.
(31) Zeugen: Magister Hans cum barba cirurgicus
oculorum haussfraw, die haist Katherina; iam non est in
Ysbruck; quarta decima septembris.
Talis testis, ut in cedula continetur, deponit contra
Annam Goltsmidin. Cum semel contigit, quod predicta2)
Katerina fuerit iu hospicio eius et propter quoddam
') Ueber die Hiefeyserin (Hiifeysen) s. unten; vgl. über andere
die Verhöre vom 9. (6), 19. (3) und 29. (30) August.
2
) Der erste Text Katherina mayster Hansen hausfraw ist
mit anderer Tinte corrigirt in: talis testis etc., das predicta aber
stehengeblieben.
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factum indignata Anna predicta Goltsmidin dixit: „Ich
wil mich encker abhelffen oder Got döt mich", et post
factum est, euin semel piscaret priscillas et huic Katherine
daret commedere, ipsa Katherina cum marito suo voluit
simul commedere et magnam infirmitatem incurrerunt ita,
quod nee dormire nee commedere nee etiam membra movere poterant.
Item Dorothea idem dicit, quod dixerit predicta Anna
contra maritum Katherine: „Du parteter schelm, ich wil
mich erover abhelffen oder Got döt mich", et ut supra
dictum est, factum fuit. Ista tarnen Dorothea non dicit
veraciter, quod infirma tunc temporis fuit, sed quod ex
coniecturis hoc cognovit.
De e x t r a n e i s . Hallis est quedam famosa et potens,
quam dudum reverendissime paternitati vestre notifieavi.
Hec multum suspeeta de heresi maleficarum ab omnibus
incolis illius oppidi asseritur et quod miranda de ea deponerentur, ubi inquisitio fieret in eodem oppido. Contra
eam deposuit primus testis in cedula testium contentus l),
quod tempore, quo ipse erat in eius famulatu, repetitis
vieibus misit eum ad cloacas Judeorum in Yssbruck, ut
de stercoribus Judeorum inde apportaret, quod et interdum fecit, interdum omisit de aliis sibi apportando. Item
alius testis deposuit super famam, quod undique sit diffamata et quod magnam familiaritatem habet eum una
malefica, que moratur in Swatz et nominatur die Zwickenstainerin et asserit, quod illa Zwiekenstainerin est multum
suspeeta et diffamata. Tertius testis: Quod ipsa duas
cordulas ex dorso lupi extraetas exciderat et serico obduxerat; ignorat autem an ad bonum vel ad malum.
Suspicatur autem, quod ad maleficia perpetranda uteretur.
Item in Yssbruck deposuit quidam, quod una, que
ducem malefieiare volebat ad recuperandum eius amorem
') Dieses Zeugenverzeichniss ist nicht mehr vorhanden; auf
das oben erwähnte ist wohl hier nicht Bezug zu nehmen.
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quem perdiderat, misisset quendam iuvenem scolarem ab
Yssbruck in Hallas ad delatam, ut sibi ex camera sua
destinaret certas res, que insimul colligata erant et que
ipsa bene nosceret; et cum sacerdos quidam hoc prevenire
et mala impedire disposuerat, undique super stratas ad
observandum iuvenis reditum et sie contigit, quod iuvenis
detentus in via et per minas coactus singula deponere et
res demonstrare. Tunc inter horrenda erat de unbilico
seu de pellicula eius absciso a corpore unius pueri noviter
nati J ). Item in Hallis est Britznig faber. Eius uxor
multum suspeeta et aecusatur a teste in cedula testium
quod eum maleficiaverit in sinistro latere et tibia. Causam
suspicionis habet ex eo, quod cum ipse faber et maritus
delate faber laborantes in Lanetz et ipse deponens maiorem
coneursum et favorem haberet, seeundo quod semel in
quinta feria de nocte post minas seu inimicitias mutuas
sibi contigisset, suspicatur, quod ab ea maleficiatus fuerit.
Item in Zammeros est una que vocatur Silberstechin,
item ibidem die Senftin vidua, item die Prieglin, item die
Pechtin, item die Trunserin. Hee omnes ex una villa
ex fama, unde super famam inquirendi sunt testes2).
In Keinmeten 1 meyl ab Yssbruck est mulier quedam
nomine Ciinz-Smidin, que maleficiavit quandam Dorotheani
Dörinn ad gravissimam infirmitatem ita, quod usuni membrorum omnium perdiderat. Causam suspicionis aeeipit
primo quia ambe erant amisie etc. potentes et ipsa Dorothea virgo, seeundo quia ipsa Dorothea reperit delatam
semel circa tunicam suam, dum e balneo egrederetur, et
dum interrogaret quod ageret et se nichil agere sed ex
casu advenisse respondisset, ipsa autem Dorothea ex post
gravissimam infirmitatem ineiderat quasi per annum et
semel, ubi in mente revolvebat faefcum pristinum et in*) So wörtlich der Text.
») Vgl. Verhör vom 10. Sept. (20).
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quirendo in tunica maleficium insutum reperisset, et dum
ammovisset et statim sanata fuisset, ideo eam graviter
suspectam habuit.
Bei der Mangelhaffcigkeit des Actenmaterials enthalten
die Anklagen und Bemerkungen neben manchem Lichten
auch viel Dunkles; immerhin aber bieten sie Anhaltspunkte, von denen aus sich manches Interessante über
die damaligen Culturverhältnisse gewinnen lässt.
Vor allem muss die grosse Zahl der Angeklagten
auffallen. Die s y s t e m a t i s c h e n Nachforschungen waren
auf das Gebiet der Pfarre Innsbruck beschränkt geblieben l),
und dennoch erscheinen ungefähr vierzig Personen mit
Namen als „verdächtig" bezeichnet. Nicht eingerechnet
sind hiebei alle jene, deren Namen nicht angegeben sind,
wie die unbestimmbare Zahl jener, welche bei irgend
einer Verdächtigen namentlich in unlautern Dingen Unterricht empfingen. Diese gehören, wie alle Angeschuldigten, bis auf zwei dem weiblichen Geschlechte an. Der
Beschäftigung nach zählen die meisten zum Bauern-,
einige auch zum Handwerkerstande, aus den gebildeteren
Ständen wird nur der verdächtige Schulmeister erwähnt
(Verhör v. 17. August (13). Um so ausgebreiteter ist
der Kreis, über den sich die Behexungen erstrecken
sollen; in seine Peripherie fällt der Erzherzog Sigismund.
Die Verlässlichkeit der Zeugen, von denen nur wenige
als beeidet oder eidesbereit erwähnt werden, scheint selbst
dem Inquisitor, der es mit den Anklagepunkten doch
nicht eben heickel nahm, etwas zweifelhaft gewesen zu
sein, weshalb wohl auch am Schlüsse des Zeugenverzeichnisses die Bemerkung angefügt wurde: Item nota, quod
predicti testes sunt de novo citandi et interrogandi, quia
') S. Zengenangabe vom 10. Sept. (20).
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sponte solum et non personaliter citati comparuerunt cum
protestatione tarnen, quod iterum volunt comparere, ubi
fuerint citati. Die Mehrzahl der Zeugen erscheint mit den
Angeklagten in irgend einer Verbindung, meist langjährige Feindschaft, unerlaubtem geschlechtlichem Umgang
mit verweigerter Ehe, oder es ist der Brodneid, der den
Anlass zu gegenseitigen Keibungen bietet; den Abschluss
bildet die Behexung zu langwieriger Krankheit oder zum
Tode, wenn nicht durch einen günstigen Zufall das Zaubermittel entdeckt und dem Feuer übergeben wird. Vielfach
beruhen die Verdachtsgründe auf einem blossen „Hörensagen" und sind dabei oft derartig, dass der Zeuge sich
selbst blossstellt und der Gefahr aussetzt, früher oder später
selbst seinen Platz auf der Anklagebank nehmen zu müssen.
Der Reiz der Neuheit der Sache mag hiebei nicht ohne
Einfluss geblieben sein. Am ersten Tage (9. August)
konnten f ü n f Verhöre vorgenommen werden, fortan aber
an den einzelnen Tagen nur selten mehr als eines; an
15 Tagen zwischen 9. August und 14. September fand
überhaupt keines statt, obwohl solche auch an Sonn- und
Feiertagen (wie 15. und 21. August, 8. und 14. September) vorgenommen wurden.
Die Anklagen unterscheiden sich selir vortheilhaft von
denen, die in späteren Jahren gegen die Hexen vorgebracht wurden. Als Hauptverbrechen erscheinen, wie
oben gesagt, Schädigung von Leib und Leben der Menschen,
daneben Entziehung der Milch aus den Kühen und das
„Wettermachen". Dagegen wird nirgends erwähnt ein
förmlicher Bund mit dem Teufel, der Umgang mit ihm
als incubus oder succubus, Verschreibung und Eid an
denselben, Ausfahrten, nächtliche Mahlzeiten, sowie das
Essen der Kinder, wenn auch Theile ihrer Körper mehrfach als Zaubermittel angewendet werden. Als Zaubermittel werden gebraucht verschiedene Pulver, Haare von
Menschen und Thieren, Gebeine von ungetauften Kindern,
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stereora Judeorum, daneben aber auch Fasten, besonders
an drei Sonntagen, sowie Verwünschungen u. dgl.; als
unerlässliche Bedingung für die Wirkung des Zaubers
ist gefordert, dass der Gegenstand, der denselben hevorrufen soll, in irgend einer Weise dem oder der zu Bezaubernden nahe gebracht, am besten in ein Kleidungsstück eingenäht werde. Der Umgang mit Thieren von
schwartzer Farbe ist verdächtigend, noch mehr aber der
mit Menschen, die bereits im Gerüche stehen Zaubereien
zu verüben. Von Strafen, welche über die Angeklagten
verhängt werden sollten, verlautet in dem Bisherigen
nichts; wohl waren einige Verdächtige zeitweilig in Haft
genommen worden, während andere sich durch die Flucht
diesem Schicksal zu entziehen suchten; aber diese Haft
wurde bald aufgehoben und die Flüchtigen kehrten wieder
zurückl). Was sollte der Inquisitor thun ? Wimmelte
es doch nach dem bisher Gesagten in Innsbruck von
Hexen so sehr, dass er ohne Uebertreibung in dem
Malleus, malef. II. 9. 1, c. 1. schreiben konnte: „Si ea,
quae in uno dumtaxat oppido (sc. Innsbruck) illius
(Brixinensis) dioecesis reperta sunt, inferenda essent, liber
integer foret conficiendus". Das „Was jetzt" war für
den Inquisitor eine ebenso wichtige als schwierige Frage.
Zunächst wandte er sich in zwei Schreiben an den
Erzherzog Sigismund und an den Bischof von Brixen
Georg Golser. Keines dieser Schreiben liegt den Acten
bei oder dürfte noch erhalten sein a). Aus den Antworten,
die der Bischof am 21. September an den Erzherzog und
') S. Verhör vom 26. August (30). Die Michel-Zimmermannin.
) Dieselben sind weder als Originale unter den Urkunden,
noch als Abschriften in der von 1452 an vollständig erhaltenen
Registratur oder in der Investitura antiquif>sima (Protocollon consiliorum) im f. b. Hofarchiv vorhanden. Letzterer Codes (angelegt 1441) enthält verschiedene Erlässe, Briefe etc. der FürstBischöfe von Brixen von 1441 bis zum Ende des 17. Jahrhunderts.
2
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an den Inquisitor richtete, geht jedoch hervor, dass letzterer
sich bei erstem schriftlich um die Unterstützung durch
den weltlichen Arm beworben und auch an den Bischof
selbst gewendet habe, dass er ihm die weiter nöthigen
Vollmachten ertheile. Erzherzog Sigismund schickte nicht
blos das an den Bischof, sondern auch das an ihn selbst
gerichtete Schreiben des Inquisitors an Georg und bat
diesen in einem dritten um Kath. Die Antwort hierauf
erfolgte in einem Schreiben des Bischofs Georg vom
21. September 1). Er erklärte hierin, dass er selbst verpflichtet sei, in Verbindung mit dem Inquisitor in den
Process einzugehen und ihm die nöthigen Vollmachten
zu ertheilen; in gleicher Weise möge auch er (Sigismund)
in Rücksicht auf die diesbezüglichen päpstlichen Verordnungen seinen Arm zur Bestrafung solcher Frevel, wie
sie verübt sein sollten, leihen, da der Inquisitor ganz
nach den Normen des Rechtes vorgehen werde und dieses
auch das Beste sei; jedoch solle er es versuchen, den
Inquisitor dahin zu bringen, dass nicht gegen alle mit
der vollen Strenge des Gesetzes verfahren, sondern dass
den weniger Schuldigen Gnade zu Theil werde. Zu denjenigen, gegen welche die volle Strenge der Gesetze angewendet werden solle, rechnet Bischof Georg aber nur
diejenigen, welche in gotteslästerlicher Weise Bilder durch
Geisseihiebe und Nadelstiche verunehrt oder Menschen
durch Zaubermittel getödtet hätten; von den Uebrigen
sollten die einen nur mit „Penen und Penitentzen", d. i.
mit Geld- und Kirchenstrafen, die aber, welche nur
weniger gefehlt hätten, wobei eines vom andern verführt
worden, nur mit letzteren belegt werden. Dagegen solle
fortan alle und jede Zauberei unter den strengsten Strafen,
die das Gesetz enthalte, verboten werden.
Für den Fall jedoch, dass der Inquisitor für ein der«) S. Beilage 2.
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artig gemildertes Verfahren nicht zu gewinnen wäre,
sollte jedoch der Erzherzog seine Beihilfe zur Bestrafung
der Schuldigen, soweit sie verlangt werde, nicht versagen.
In dem Schreiben an den Inquisitor, das Bischof
Georg mit dem an den Eizherzog nach Innsbruck schickte,
gleichfalls vom 21. September l) datiert, legte er ersterem
besonders an's Herz, in allem die bestehenden Rechtsnormen sich zur Richtschnur zu nehmen, und sprach dabei seine Bereitwilligkeit aus, persönlich nach Innsbruck
zu kommen und an der Führung des Processes theil zu
nehmen, wenn anders seine schmerzliche Krankheit ihm
dies nicht unmöglich machen würde; damit jedoch das
weitere Vorgehen durch seine Abwesenheit nicht gehindert
werde, übertrug er dem Inquisitor seine Vollmacht und
bedingte dabei nur die genaue Einhaltung einer Constitution des Papstes Bonifaz VIII. aus, welche festsetzt,
dass, sofern nicht zwingende Gründe dagegen vorlägen,
den Angeklagten die Namen derjenigen, welche gegen sie
Zeugschaft ablegten, bekannt gegeben würden. Am
Schlüsse ermahnt er ferner noch den Inquisitor, dass er
bei der Führung des Processes einige von den Räthen
des Erzherzogs beiziehe, wie er auch diesem den Rath
ertheilt habe, wenn er dazu aufgefordert würde, zur Bestrafung der Schuldigen seinen Arm zu leihen; dagegen
wird der Vorschlag mit Milde gegen die Minderschuldigen
vorzugehen nicht erwähnt.
Welches die Wirkungen dieses Schreibens beim Inquisitor gewesen, ist mit Sicherheit nicht festzustellen;
wie das Vorgehen desselben aber in dem nächst folgenden Processe zeugt, hat das bischöfliche Schreiben ihn
eher auf der eingeschlagenen Bahn vorwärts als rückwärts
geführt.
') S. Beil. 3.
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Wie wenig er für eine milde Behandlung der Angeklagten und für eine Führung des Processes nach den
Rechtsnormen gewonnen war, wird durch sein weiteres
Vorgehen ersichtlich werden. Den Eath des Bischofs,
auch Räthe des Erzherzogs sich an die Seite zu stellen,
Hess er vollkommen unbeachtet; vielmehr scheint die Bevollmächtigung des Bischofs auf den vom Hexenwahn
durch und durch befangenen Mann nur dahin gewirkt zu
haben, dass er mit um so grösserer Energie an der
völligen Ausrottung der „Hexen" zu arbeiten begann.
Den Anfang hiezu machte er mit sieben Weibern aus
Innsbruck, die er wohl bald nach Empfang des bischöflichen Schreibens gefangen setzen liess. Unter diesen
befindet sich jedoch nur eine e i n z i g e Angeklagte, die
auch unter den bisher als „verdächtig" Bezeichneten genannt ist. Von allen übrigen ist in den erhaltenen
Acten nichts weiter erwähnt, ihr ferneres Schicksal nicht
weiter bekannt. Ob sie aber auch dem Auge des Inquisitors entschwunden seien, mag mehr als fraglich erscheinen. Die Art und Weise, wie er im October-Processe auftrat, lässt nicht vermuthen, dass er alle
diese Denuncierten vergessen habe; sein mehr als dreimonatlicher Aufenthalt in Innsbruck, trotz des ausgesprochenen Willens des Bischofs, er möge nach einer derartigen Schlappe, wie er sie im Oetober-Proeesse erlitten
hatte, das Land verlassen, sowie die allerdings sehr allgemeinen Anspielungen auf seine Thätigkeit von Anfang November 1485 bis gegen Mitte Februar I486 berechtigen
nur zu sehr zu der Vermutlmng, dass er einen weitern
Process plante, bei dem die Angeklagten vom August und
September und alle weitern Verdächtigen nicht so gut
davon kommen sollten, wie die Angeklagten vom October.
Des Bischofs Georg von Brixen Energie aber verhinderte
solches Unheil.
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H.
Am Freitag vor St. Dyonisientag, d. i. am 7. October
1485 berichtete Erzherzog Sigismund an den Bischof
Georg nach Brixen, dass der Inquisitor sieben Weiber
habe gefangen setzen lassen, und fordert dringend die
Absendung eines sachkundigen Commissärs, der dem Inquisitor an die Hand gehen könnte 1). Die eingekerkerten
Weiber aber, von denen allein im folgenden noch gehandelt wird, eine ganz oberflächliche Erwähnung einiger
anderer abgerechnet, sind Barbare Selachin, Barbara Hüfeysen, Kosina (Hochwartin) und ihre Mutter Barbara
Röslin, Agnes Witwe Peter-Sneiderin und Helena Scheuberin, sämmtliche aus Innsbruck. Bischof Georg war
sehr bereit dem Wunsche des Erzherzogs nachzukommen
und bestellte, da andere taugliche Männer anderwärts zu
sehr beschäftiget waren, den Licentiaten in den Decreten
und Pfarrer von Axams Sigmund Saumer zu seinem Stellvertreter. Das Schreiben, worin er diesem sein Amt überträgt -), ist für die Charakteristik Georgs sehr interessant.
Hat er bereits früher Zweifel über die Kichtigkeit und
das Vorkommen von Zaubereien und Behexungen durchblicken lassen, so hat sich diese seine Ansicht in ihm
seither noch mehr befestiget; es ergibt sich nämlich aus
einigen Stellen dieses Schreibens, dass Bischof Georg
überhaupt an die Existenz einer derartigen Zauberei, wie
sie den Angeklagten zur Last gelegt wurde, nicht glaubt;
er erkennt vielmehr daran nur Yerimmgen, denen er
nicht aus eigener Macht genügend entgegenwirken kann;
das beste Abhilfsmitte] erscheint ihm die Vereinigung
von Belehrung und Milde, wodurch am ehesten die entstandene Aufregung wieder zur Buhe gebracht werden
könne; da er selbst sich am Processe nicht betheiligen
') S. Beil. 4.
') S. Beil. 5.
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kann, so hofft er um so mehr, dass der Inquisitor, dem
die grösste Machtvollkommenheit zu Gebote stand, mit
Milde und nach dem Hechte vorgehen werde, wie er überhaupt dessen Erfahrungen und Kenntnisse in derartigen
Angelegenheiten sehr hoch anschlägt und darum hofft,
es werde die Sache möglichst glatt verlaufen. Es kann
diese Anschauung dem Bischof von Brixen nur zur Ehre
angerechnet werden; das Traurige daran ist nur, dass er
bezüglich des Inquisitors und seiner Anschauungen sich
vollständig täuschte. Denn dieser liess nicht nur den
Wunsch Georgs, auch einen der Käthe des Erzherzogs
beizuziehen, ganz unbeachtet, sondern nahm auch die
Zeugenverhöre in einer Weise vor, dass es schliesslich
dem erst in elfter Stunde auftretenden Vertheidiger der
angeklagten und eingekerkerten Weiber ein Leichtes wurde,
sämmtliche Anklagepunkte als nicht in gesetzmässiger
Weise begründet und erhoben zu erweisen und damit
einen völligen Freispruch seiner Schutzbefohlenen zu erlangen.
Im Ganzen nahm der Inquisitor in der Zeit vom
4. bis 21. October circa 30 Zeugenverhöre vor, nachdem
er selbst schon am 4. in eigener Person sehr belastende
Aussagen gegen die Scheuberin gemacht hatte. An fast
allen Zeugenverhören nahm nur er selbst und der päpstliche Notar Johann Kanter aus der Diöcese Utrecht theil:
ausserdem erscheinen bei den Verhören öfters gegenwärtig einige von den Ordensbrüdern des Inquisitors:
Wilhelm Beringer, Heinrich Hoffmann, Wolfgang von
Basel, Caspar von Freiburg, Magister Johann von Bosbach , sowie der Minorit Johann Rosenbart oder auch
Paul Cael (Caal) Schirmaister, nur sehr selten aber der
Deputierte des Bischofs Sigmund Saumer, und ein Vertreter des Erzherzogs.
Wie beim vorausgehenden Processe sind auch bei
diesem die Originalacten nicht mehr vorhanden, wohl
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—
33
—
aber eine zusammenstellende Bearbeitung derselben, in der
ohne Kücksicht auf die chronologische Keihenfolge, die
auf dieselbe Angeklagte bezüglichen Verhöre unmittelbar
an einander gereiht, verzeichnet sind. Betreff der Namen
der Zeugen wird hiebei auf die cedula verwiesen, die aber
nicht erhalten ist; dieser Mangel wird grösstentheils behoben durch einen Fascikel, der auf neun vollen Bogenseiten ein Verzeichniss jener Fragen enthält, die in Folge
der Zeugenaussagen an die Angeklagten gestellt werden
sollen; daran schliesst sich ein allgemeines Eesume über
das Gesammtergebniss des Processes mit Angabe der über
jede einzelne Angeklagte zu verhängenden Strafe. Als
Verfasser dieser Anweisung kann nur Heinrich Institoris
selbst angesehen werden, da darin von ihm nur in der
e r s t e n Person geredet wird, wie beispielsweise betreffs
der ihm von der Scheuberin zugefügten Schmähungen
Anweisungen gegeben werden, wie bezüglich dieser und
anderer contra me gerichteten Aeusserungen gefragt
werden solle. Damit ist theilweise auch, ersichtlich, an wen
diese Frage-Instruktion gerichtet ist. Da der Adressat
als Keverendissima paternitas vestra tituliert wird, so kann
es wohl kaum zweifelhaft erscheinen, dass derselbe ein
Ordensbruder des Inquisitors ist, der die Verhöre der
Angeklagten vornehmen sollte; da der Name aber nie
genannt wird, die Verhöre selbst nicht wirklich stattfanden, wenigstens nirgends erwähnt werden, so bleibt
allerdings unbestimmt, welches von den obengenannten
Mitgliedern des Predigerordens damit gemeint sei.
Ein günstiges Licht wirft diese Instruction auf den
Inquisitor n i c h t ; die an die Angeklagten zu stellenden
Fragen gehen sein* häufig weit über das hinaus, was die
Zeugen ausgesagt hatten, und legen erstem Verbrechen
zur Last, die in den Zeugenaussagen gar nicht enthalten
sind; ja selbst vor offenen Lügen schreckt der Inquisitor
nicht zurück; so gibt er z. B. nach dem Zeugenverhör
Ford. Zeitschrift.
IV. Folge.
S4 Heft.
3
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34 —
vom 19. October gegen die Scheuberin die Anweisung:
Item dicatur ei (delate), quod ipsa (talis deponens) n o n
est d e p o n e n s sed quidam alius loco eius yino
et p l u r e s . Genaueres wird sich bei den einzelnen Verhören ergeben. Im Folgenden werde ich alle Stellen der
Instruction von irgend einer Bedeutung nach Anfuhrung
der Zeugenaussagen unter „Instruction" namhaft machen.
Die Zahl und Zeit der vorgenommenen Zeugenverhöre vertheilt sich in folgender Weise auf die einzelnen
Angeklagten:
4. October gegen die Scheuberin eines,
8.
„
„
„ Hufeysen eines,
13.
„
„ „ Scheuberin zwei,
14.
„
„ ,.
„
eines,
15.
„
„
„
„
zwei,
16.
„
„ ,, Peter-Sneiderin zwei,
17.
„
,, „ Pflieglin und Selachin je zwei,
18.
„
„ ,. Scheuberin zwei, gegen die Hufeysen eines; dabei werden auch
mehrere nicht datierte erwähnt.
19.
„
„ ,, Scheuberin zwei, die Selachin eines,
gegen die Röslin, Mutter und
Tochter, zwei,
21.
„
?? u Röslin und Tochter drei.
Die Anordnung in den Acten ist jedoch, wie gesagt,
nicht die chronologische, sondern es siud darin sämmtliche Zeugenverhöre über je eine der Angeklagten nach
einander angeführt und zwar in folgender Reihenfolge:
1. Selachin, 2. Hufeysen, 3. und 4. Röslin, Tochter
und Mutter, 5. Peter-Sneiderin, 6. Pfieglin, 7. Scheuberin.
Warum hiebei gerade diese Ordnung gewählt wurde,
wäre schwer erfindlich, da die Schwere der Anklagen dem
Inhalte nach nicht massgebend gewirkt haben kann. Der
Inquisitor löst jedoch selbst in etwas auffälliger Weise
das Rätlisel durch die Bemerkung, die er in der Tnstruction
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den Frageartikeln an die Scheuberin voransetzt: Articuli
et interrogaria super processum Scheuberin, que licet
primo luerit delata et deteuta, iam autem in ultimo loco
ponitur non propter mihoritatem criminuni sed quia
d i f f i e u l t e r p u n i t u r , nisi p r e c e d e n t e s f u e r i n t
p u n i t e et hoc propter vagam adherentiam plurimorum.
Aehnliche Gründe mögen wohl auch der Selachin die
e r s t e Stelle verschafft haben, die wohl deshalb an die
Spitze gestellt ist, damit eine Verurtheilung auch der
folgenden leichter zu erzielen wäre, wenn die Unthaten
der Selachin vorhin die Gemüther etwas erregt hätten.
Bei der folgenden Darlegung der Zeugenaussagen
halte ich mich insoweit an die Zeitenfolge der Verhöre,
dass alle auf e i n e Angeklagte bezüglichen unmittelbar
in chronologischer Eeihe angeführt werden,
die
Reihenfolge der Angeklagten aber durch die Zeit des
ersten gegen sie vorgenommenen Zeugenverhörs bestimmt
ist. Der Kürze halber sind die Zeugenaussagen iu einem
Auszuge und übersetzt wiedergegeben, und nur die im
Texte in directer Rede angeführten Aeusserungen der
Zeugen sowohl als auch der Angeklagten w ö r t l i c h angeführt, selbst wenn sie lateinisch verzeichnet sind.
1. Z e u g e n a u s s a g e n gegen H e l e n a Scheuberin.
a. Am 4. October. Der Inquisitor selbst legt in
Gegenwart der Peter-Sneiderin J) über die Helena Scheuberin
folgendes Bekenntniss ab: er habe öfters gehört, dass die
Angeklagte seine Predigten geringschätze und gänzlich
misdachte, ja wenn er die Kanzel betrete, die Kirche verlasse und gegen ihn die Verwünschung ausstosse: „Das
') Zeugenverhöre in Gegenwart von Angeklagten •widersprechen
dem vom Inquisitor selbst aufgestellten Grundsatz der möglichsten
Geheimhaltung der Zeugen gegenüber den Angeklagten und selbst
ihren Vertheidigern; hingegen fehlt hier die Angabe des Notars,
sowie einer Behörde, welche die Zeugscliaft' entgegennahm.
3*
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dir das fallen übel in deinen grauwen seheitel sol; wen
wil dich der tüfel hinfieren;" er hätte selbst an derartige
Aeusserungen nicht geglaubt, wenn die Angeklagte ihm
nicht, als sie aus dem Kerker vor ihn geführt wurde,
auf die Frage, warum sie so geredet habe, geantwortet
hätte: „Ideo dixi, quia nunquam predicatis nisi heresim"
und auf die Frage „Quomodo hoc": „Quia non predicatis
nisi contra maleficas."
b. Am 13. October in hospicio Rümler; Gegenwärtige
der Inquisitor, Bruder Wolfgang und Bruder Caspar Ton
Freiburg.
Der beeidete Zeuge *) sagt auf die Frage, ob er den
durch die Angeklagte zum Tode verzauberten Ritter Jörg
Spiess gekannt habe, aus, er habe ihn gut gekannt und
sei bei ihm in Dienst gestanden. Ueber seinen Tod macht
er die Aussage: derselbe habe sich im letzten Fasching,
als er nach Hause kam, auf einen Stuhl gesetzt und gesagt : „Ich hab ein leck gessen, der ich niemer uberwind".
Weiters erzählt der Zeuge, er sei zugegen gewesen und
habe gehört, dass ein italienischer Arzt, indem er mit
seinen Fingern dem Eitter auf die Hand zeigte, zu demselben gesagt habe: „Her du wirst niemer rouw haben";
darauf habe der Kitter Gesicht und Hals vom Arzte abgewendet und sei zusammengebrochen.2).
c. Am 13. October. Ort und Gegenwärtige wie oben
am 13. October unter b.
Der beeidigte Zeugel) sagt aus: er habe von der
Schwester des verstorbenen Ritters Spiess gehört, dass
ihn die Angeklagte ums Leben gebracht habe „in aim
kindesfl aisch"; und als er sie gefragt, wie sie etwas solches
dulden könne, habe sie entgegnet: „Ego sum nimis pauper
et ideo non valeo me vindicare."
*) Der Namen desselben ist nicht mehr ausfindbar.
) Der Tod des Ritters Jörg Spiess ist auch erwähnt Mall,
mal. II. 9. 1.
2
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37
—
d. Am 14. October. Gegenwärtige: Der Inquisitor,
Sigismund, Licenciat in den Decreten und Pfarrer zu
Axams, Bruder Wolfgang und der Notar Johann Kanter.
Der beeidigte Zeuge1) sagt, dass die Scheuberin einen
bösen Leumund habe; hinsichtlich ihrer Kechtgläubigkeit
aber bestünden arge Zweifel, da sie mit Personen, die
der Zauberei verdächtig seien, wie namentlich mit der
Hufeysen Umgang habe; man sage ihr besonders nach,
dass sie den Kitter Jörg Spiess ums Leben gebracht
habe; über die Art und Weise dieses Mordes wisse er
nichts, nur habe er gehört, dass ein italienischer Arzt
dem Spiess verboten habe, die Scheuberin nochmals zu
besuchen, sonst müsse er sterben; auch habe eine Verwandte des Spiess ihm gesagt, sie habe bei seinem Ende
aus seinem eigenen Munde gehört: „Sie morior, quia illa
nie interfecit."
e. Am 15. October. Gegenwärtige wie oben d, am
14. October!
Der Zeuge1) wederholt die letzte Angabe von d.
f. Am 15. October. Gegenwärtige: Der Inquisitor,
Magister Johann von Bosbach, der Notar Conrad Herencons, Bruder Wolfgang und der Notar Johann Kanter.
Der beeidigte ZeugeJ) kennt die Scheuberiu und
stand mit dem verstorbenen Ritter Spiess in so inniger
Freundschaft, dass er sogar dessen Namen annahm. Er sagt aus, dass die Scheuberin schlecht beleumundet sei; auf die Frage über ihre Eechtgläubigkeit
weiss er nur den Bescheid, dass Spiess sterbend noch
gesagt habe: ,,Sic morior, quia illa me interfecit". Auch
hat er gehört, dass ein italienischer Arzt dem Spiess verboten habe, die Scheuberin noch öfters zu besuchen, sonst
werde er dem Tode nicht entgehen. Spiess kehrte sich
jedoch nicht daran. All das sei allgemeines Gerede.
') Der Name desselben ist nicht mehr ausfindbar.
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38 —
g. Am 18. October. Gegenwärtige: Der Inquisitor,
Magister Johann von Bosbach und der Notar Johann Kanter.
Die Zeugin1) kennt die Scheuberin nur dem Namen
nach, hält sie aber für eine Hexe, weil sie sich von ihr
am ganzen Leibe und an allen Gliedern bezaubert glaubt.
Der Grund ist folgender: Als ihr Gatte sie von Baiern
heimführte und heirathete, war auch die Scheuberin unter
den geladenen Hochzeitsgästen. Beim Hochzeitsmahle
kam sie zu ihr und sagte: „Du solt nit vil guter und
gesunder tag hie haben". Als sie fragte, wer diese Person
sei, erhielt sie die Antwort: „Die Scheuberin". Was
diese gesagt, wurde wahr; denn nur von St. Bartholomäus- bis St. Gallustag war die Zeugin gesund, fühlt
sich aber jetzt schon durchs siebente Jahr von der Scheuberin behext.
Der Gatte dieser Zeugin bekennt unter Eid folgendes:
Er habe im ledigen Stande die Scheuberin öfters fleischlich erkannt; diese hätte ihn gerne zur Ehe gehabt; weil
er aber darauf nicht eingegangen sei, habe sie, wie er
vermuthet, seinem Weibe dies Leiden zugefügt
h. Am 19. October. Gegenwärtige: Der Inquisitor,
Magister Johann von Bosbach, Bruder Wilhelm Beringer,
Bruder Heinrich Hoffmann und der Notar Johann Kanter.
Der beeidigte Zeuge1) kennt die Scheuberin und weiss,
dass sie einen üblen Leumund besitzt; bezüglich ihrer
Bechtgläubigkeit wird ihr die Tödtung des Ritters Jörg
Spiess zur Last gelegt. Ueber die Art und Weise
dieses Vorganges sind ihm folgende Details bekannt: Im
letzten Fasching speiste Spiess, nachdem er sich von einer
früheren Krankheit erholt hatte, bei der Angeklagten,
setzte sich, als er nach Hause kam, auf einen Stuhl,
legte die Arme auf die Knie und sagte in Gegenwart
eines Dieners, Namens Jurch, der jetzt bei Kindsmaul
') Der Name desselben ist nicht mehr ausfindbar.
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ist, und eines Jünglings, der jetzt beim Herrn Ulrich von
Schiandersberg ist: „Ich hab ein leck gessen, der ich
niemer überwind", und gab sodann dem erwähnten Jüngling zwei Kreuzer, dass er ihm aus der Apotheke Theriak hole.
Ein weiterer, beeidigter Zeuge wiederholt durch seine
Aussage, gleichfalls am 19. October, nur das bereits unter
h. Angeführte.
Instruction.
Die Instruction soll hier wörtlich folgen.
Articuli et interrogatoria super processuni Scheuberiu,
que licet primo fuerit delata et detenta iam autem in
ultimo loco ponitur non propter minoritatem criminum
sed quia difficulter punitur, nisi precedentes fuerint punite
et hoc propter vagam adherentiam plurimorum.
Hec in duplici heresi fidei scilicet et maleficiarum
est suspecta, düfamata insuper plurimum super morteni
cuiusdam militis Spiess et hoc nedum in Ysbruck sed et
circumquaque per vicinas terras et presertim aput nobiles
et potentes. An autem toxico vel maleficio ipsum interemit, manet sub dubio, communiter tarnen famatur, quod
maleficio eo quod a iuventute maleficiis servivit ut pote,
que in annis solutis et extra thorum maritalem maleficiis
institit, ut in processu deducitur. Insuper et cum maleficis et suspectis in adulterio et mala vita semper familiaritates habuit et taliter, quod neque virginalem aut
matrimonialem statum absque infamia servavit, ut in processu patet. Quare sicut difficile e»t honestam et bone
fame personam de heresi infam ari, ymo et hoc inquisitoribus incumbit, ut super vite honestatem persone delate inquirant ante omnia, et per oppositum personam
male fame et inhouestam in fidei moribus de heresi faciliter infamari, ymo et r e g u l a g e n e r a l i s est, quod
omnes malefice a i u v e n t u t e c a r n a l i t a t i b u s et
adulteriis servierunt variis, prout experiencia
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d o c u i t ; ideo et reverendissima paternitas vestra caute
et cum astutia erga eam procedere habet, quia plurimum
dolosa et animosa procaxque, ut talium modus est, existit.
P r i m u s a r t i c u l u s , quod nedum continuis obprobriis ab initio, utpote qui vix per triduum in oppido
stet'eram, me molestavit taliter, quod pertranseundo ipsam
semel et non agnoscendo in terram spuebat publice hec
verba proferens: „Pfei dich, du sneder minch, daz dich
das fallend übel etc.", qua de causa de eius nomine et
vita primo habui inquirere. Sed et illud gravius, quod
predicante me cottidie per quindecim dies primo, demum
per duos menses singulis festivis diebus nedum sermones
minime visitavit ymo et alios quantum potuit retraxit,
que omnia plurimorum relatu didici.
S e c u n d u s a r t i c u l u s , per quem et graviter suspeeta de heresi redditur, quod doctrinam catholicam a
me seminatam publice in ecclesia asseruit certis mulieribus
cum ea stantibus esse hereticam dicens hec verba: „Wen
fiert der düfel den münch enweg, er bredigit nüst dan
ketzerei: das in das fallend übel in sein grawen schedil
ange". Hec omnia confessa est in captivitate. Et cum
causam inquirerem, cur doctrinam ecclesie assereret hereticam, respondit, quod nil aliud predicassem nisi contra
unhulen et subiunxit, quod dedissem modum percuciendi
urceum lactis pro habenda notitia malefice, que lac abstulisset vaccis. At ego ubi asserebam talia me allegasse
contra illas reprehendendo et non informando, asserebat,
quod et in futurum nuiiquam vellet post relaxationem
visitare sermones meos. Ex quibus, si de nullo alio foret
increpanda et inculpanda, hec tarnen ipsam suspectam
de heresi reddunt.
T e r t i u s a r t i c u l u s , quod de morte militis plurimum suspecta et aput omnes incolas oppidi habetur; et
licet incertum sit, ut premissum est, an toxico vel alias
maleficio ipsum interemit, quia tarnen ut malefica diffa-
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mata semper habita fuit, ideo presumitur, quod licet per
comestionem interemptus fuerit, ut in processu continetur,
hoc tarnen per maleficatam comestionem et non simplex
venenum contigisse estimatur. Interoganda est hie de
adulterio eius publico cum eodem milite precitato et hoc
a multis annis; item quod adeo erat mente seduetus
miles, quod nullis amieorum perswasionibus et post plurima rerum dampna ab ea potuit sequestrari. Interrogandi sunt testes in cedula annotati signanter domicellus
Eberhardus de Freyberg, Hans Lencker, Hans Spiess.
Nee d u b i u m est, q u i a huiusmodi seduetiones
mentium ad amorem vel odium malefice p r o curare p o s s u n t , ut notum e s t reverendissime
p a t e r n i t a t i vestre.
Quartus a r t i c u l u s , quod miles predictus hoc in
extremis positus asseruit redeundo a cena tempore carnisprivii, quod comedisset, quod nunquam haberet, digerere,
et post in ultimo constitutus dixit sorori: „lila, scilicet
Scheuberin, me interficit". Super quibus utique per
qiiestiones et t o r m e n t a i n t e r r o g a n d a c e r n i t u r
et pro i l l i s r e l i n q u e n d a curie seculari. Sed
quia de h e r e s i maleficarum suspeeta, ideo et
foro ecclesiastico et i n q u i s i t o r i s iudicio s u b icitur. Quare autem sit de tali heresi suspeeta patet
per sequentia.
Quintus a r t i c u l u s , quod cum suspectis de heresi
semper habuit suas conversationes et familiaritates sed
signanter cum illa Hüfeysen. Hie casus in iure expositus
reddit delatum vehementer de heresi suspectum. Patet in
canone „Inter sollicitudines", extra, de purgatione canonica, quod ratione infamie de heresi fuit decano cuidam
indieta purgatio canonica, et ratione familiaritatis hereticorum abiuratio publica, et ratione scandali fuit privatus
beneficio, quousque scandalum sopiretur.
S e x t u s a r t i c u l u s , quod quandam personam
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—
42 —
tempore quo aduc soluta erat privavit corporali sanitate
usque in presens et quod hoc sibi inferre vellet publice
coram ea asseruit, cum tarnen eadem persona maleficiata
nunquam ipsam maleficam agnoverat nee verbum litigiosum unquam cum ea habuerat, sed sponte nulla occasione prehabita in nuptiis eius existens se ei obiecit dicens:
„Du solt nit fil gesunder tag hie haben", et ita contigit
usque in presens. Causa autem, quare illam infirmitatem
intulit, in processu continetur, quia videlicet maritus huius
infirme tempore, quo solutus ipse et ipsa soluta erant,
carnaliter eam sicut et plures alii agnoverant, unquam
ipsam sprevit et aliam in uxorem duxerat, hoc malum
voluit inferre. Sed et hoc advertendum, quod plurimorum
relatu in Ysbruck teste deo didici, qu'd u l t r a centum
viri deposuissent adversus personas detentas et precipue
contra Scheuberin, sed duabus de causis retracti fuerunt,
primo propter timorem publicationis nominum deponentium,
secundo quia hoc quod iam accidit parva videlicet superioris executio presume' aut l ).
Quia ergo diffamata, suspecta et deprehensa in heresi
maleficarum, merito foret cum primis duabus scilicet
Selachin et Hüfeysen 2) adminus seculari curie relinquenda,
si omnino in negativa perstiterit. Attamen quia omnia
discretioni paternitatis vestre reliqui, fiant ea, per que
immunis et aput altissimum et absque nota aput apostolicam sedem veniri possitis et unde vobis gloria et meritum
accrescat. Expediret plurimum, ut propter apostolicam
auctoritatem, quam tranfundere non valeo, presens essem;
sub spe autem rate habitionis aput eandem quautum valeo
1
) Der Sinn dieser
aussagen unterblieben,
früheren Processes der
chende Bestrafung der
2
) Ihren Process s.
Stelle dürfte -wohl sein, dass die Zeugenweil die Zeugen nach dem Ergebnisse des
Meinung waren, dass doch keine entspreSchuldigen erfolgen werde.
im Folgenden.
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43
—
sedem declino et eandem reverendissimam paternitatem
vestram excusatam semper habebo.
Advertendum insuper quod quia defensiones legittime
non sunt propter honestatem denegande, licet contra violentam suspieionem non est probatio admittenda et contra
deprebensam facti evidentia prout in modis sententiandi
sexto videlicet, et duodecimo l) deducitur. In canone etiam
„Sepe contingit" inClementinis2)traditur, quod exceptiones,
appellationes, dilationes, frustrationes iudex habet repellere,
ubi simpliciter et de piano et absque advocatorum et
iudiciorum strepitu proccdere habet, prout in negociis fidei
plurimum expedit, attamen si procuratorem petierint seu
advocatum, non eis denegetur, duramodo iuxta directorium
inquisicionis talis sit vir honestus, providus et fidei zelator
servatque diligenter veri et providi procuratoris in*causis
fidei condieiones; qui etsi petierit testificantium nomina,
nullo modo, ubi de periculo timetur, ei publicabuntur,
vel si publicarentur, seorsum fiat sub prestito iuramento^
ut censuris debitis etc., quare et pocius inducat ipsas delatas ad conservandam vitam et ut ad arbitrium episcopi
et inquisitoris omnes penitentias velint subire.
2. Zeugenaussagen g e g e n B a r b a r a Hufeysen.
a. Am 8. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Bruder Wolfgang von Basel und Bruder Kaspar von Freiburg.
Die beeidigte Zeugin Margaretha Grünepachin kennt
die Angeklagte seit ungefähr zehen Jahren und weiss,
dass sie als Hexe in Verruf sei. Aus eigener Erfahrung
gibt sie Folgendes an: Die Zeugin wohnte eine zeitlang
im Hause der Angeklagten; diese sagte zu ihr, als die
Zeit kam, in der sie die Wohnung räumen wollte: „Ich
wil dich blind und lam machen und wie ich dich haben
wil". Dies hörten auch zwei, bereits verstorbene Weiber,
») Mall, malef. III. 25 und 31.
-) De verb. signif. tit. XI. c. 2.
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—
44
—
die Klickin und die Kepplerin, und sagte erstere zur
Hüfeysen: „Berbil, Berbil, du soltest dir lossen ee ein
finger abhauwen den solliche wort reden", worauf sie die
Antwort erhielt: „Vade et testifica contra me", und alsogleich begann die Zeugin zu erblinden und an allen
Gliedern zu erlahmen. Dies dauerte so lange, bis ihr
die seligste Jungfrau erschien und ihr befahl, unter den
Thürstufen ihrer Wohnung zu kehren; wenn sie dies
thue, werde sie wieder gesund werden. Alsogleich begann
sie mit einem Besen um die Thürstufen zu kehren und
fand dabei eine Menge ganz sonderbarer Fleisehstücke
(multas carnes mirabiles), die sie auf mehrfaches Anrathen
in's Feuer warf, worauf sie alsogleich wieder gesund
wurde. Auch hat die Angeklagte zur Zeugin gesagt:
„Quando tu accusares me coram iudice, tunc ego tantuui
impono pollicem in manu tegendo eum 4 digitis et tunc
nullus iudicum potest mihi aliquid inferre et hoc est
rerum, quando ego videro iudicem primum, alias vero
non". Ebenso erzählte die Zeugin, dass ihr die Angeklagte gesagt habe, sie vermöge jeden Dieb oder Bäuber
aus dem Gefängnisse zu befreien und kein Eichter könne
ihr etwas anhaben, wenn sie nur 4 Fäden aus seinen
Kleidern habe, weil sie dann kein Geständniss ablegen
könne; auch habe sie beigesetzt, es sei gleichgilidg, welchem
Kleidungsstück die Fäden entnommen seien, wenn der zu
Befreiende dasselbe nur wenigstens einmal getragen habe1).
Instruction: Estimo quod hec Margaretha deponens
obtulit se publice et in faciem eandem delatam velle redarguere de preinissis, sed ad hoc non est cogenda, ubi
arbitrio eius relinquitur.
b. Am 18. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Bruder Wilhelm Beringer und Bruder Heinrich Hoifmann
aus dem Predigerorden und der Notar Johann Kanter.
') Vgl. Mall. mal. II. q. 1. c. 11, III. q. 15.
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— 45 —
Die beeidigte Zeugin ist die ehemalige Dienstmagd
der Angeklagten, die jetzt verehelichte Ludwigin Wagenstallin. Sie kennt die Pflieglin, bei der sie selbst wohnte
und die häufig von der Hufeysen besucht wurde, und hat
hiebei folgendes selbst erfahren.
Die Pflieglin lag einst, wie die Zeugin glaubt, an
Kopfweh darnieder; da kam die Hufeysen und wollte sie
wieder gesund machen. Sie zog hiezu eine Nadel durch
eine Spindel und legte letztere in eine Schüssel, goss sodann aus einem neuen Topfe heisses Wasser über die
Spindel und Nadel in die Schüssel und erklärte dabei,
wenn das Wasser gegen seine Natur aus der Schüssel in
den Topf zurückkehre und letztere trocken erscheine, so
sei die Krankheit eine angezauberte und könne geheilt
werden. Wirklich stieg auch, als die Angeklagte der
Pflieglin die Schüssel über den Kopf hielt, das Wasser
in den Topf zurück und erschien die Schüssel vollkommen
trocken. Dabei behauptete die Pflieglin, dass sie sich
besser befinde, so lange die Schüssel über ihren Kopf
gehalten werde, ziehe man sie aber davon weg, so kehrten
auch die Schmerzen zurück; auch befinde sie sich in
Gegenwart der Angeklagten wohl, übel aber, wenn diese
sich wieder entferne. Die Zeugin ärgerte sich über die
«•ibergläubischen Ceremonien der Hufeysen und sagte
scheltend zu ihr: „Das dich der tüfel hien fier, ie mer
das dus anpflugst, ie weer ir ist", worauf sie die drohende
Antwort erhielt: ,,Got geb, nou transihunt tres dies, das
dir pfugsten also not düt als der frawen". So geschah
es auch. Nach drei Tagen ergriff sie ein solcher Schmerz,
wie sieK früher in keinerlei Hinsicht einen ähnlichen
empfanden hatte; es kam ihr vor, als werde Feuer über
ihren Kopf aiisgeschüttet, so dass sie wegen der gewaltigen und andauernden Kopfschmerzen wie wahnsinnig
herumrannte; andererseits aber traten am ganzen Körper,
so dass nicht einmal ein gesunder Flecken von der Grosse
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—
46
—
einer Nadelspitze verschont blieb, schwarze und eiterige
Beulen auf. Dieser Zustand dauerte drei Tage, worüber
der Gemahl der Pflieglin ungehalten war, da die Krankheit der Magd die Vernachlässigung des Viehes mit sich
brachte. Da sah er, als er mit der Magd sich zufällig
in den Kulistall begeben wollte, ober der Thüre ein zusammengebundenes Stück Linnen, auf das ihn das Pfeifen
von Mäusen aufmerksam machte. Er fragte zunächst die
Magd, was sie da hinaufgelegt habe, und befahl ihr, als
sie ihm mit „Nichts" geantwortet hatte, das Linnenstück
herabzunehmen. Da sie dies wegen ihrer Krankheit nicht
vermochte, nahm er es selbst herab, und schnitt es mit
einem Messer auf; da fand er darin eingebunden ein gelbliches Pulver ad modum stercoris pueri seu saniem,
Menschenhaare, auch verschiedene Getreidekörner; sobald
dies alles in das Feuer geworfen wurde und verbrannt
war, war die Zeugin auch wieder geheilt. Auch fügte
sie noch bei, der Gatte habe die Pflieglin öfters ermahnt,
sich von solchen Dingen ferne zu halten, sonst würden
Tage kommen, dass sie vor Angst die Hände über dem
Kopf zusammenschlagen werde 1).
W e i t e r e A u s s a g e n gegen die Hiifeysen und
auch andere.
Ueber die Hufeysen geht auch das Gerücht, dass sie
Mädchen und anderen Personen Unterricht gebe, wie man
den Teufel anrufen müsse, um Liebe oder Krankheiten
anwünschen zu können; dies zu thun sei jedoch nur dann
möglich, wenn nichts davon in der Beicht vorgebracht
werde; sobald sie etwas davon beichteten, könnten sie
nichts mehr ausrichten. Auch ertheilt die Hufeysen Unterricht über das Fasten an drei Sonntagen, um jemandem
*) Mit nicht unbedeutenden Abweichungen ist diese Behexung
auch erzählt im Mall. mal. II. q. 1. c. 12.
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—
47
—
den Tod zufügen zu können. Auch geht das Gerücht
von zwei Verbindungen unter den Hexen, Scheuberin und
Hufeysen einerseits, Köslin, Scharrerin, Pflieglin, Sixin
und Jos Molerin andererseits.
In dem dem Vicar1) übergebenen Process ist enthalten,
dass ein Zeuge von seiner Gattin, die es ihrerseits von
einer Wäscherin im Kersendal (Kirschenthal) gehört hat,
erfahren habe, dass die Hufeysen zur Zeit, als ihr Gatte
im Gefängniss lag, einen Tisch bereit gestellt, vier Brote
in die Ecken und eine Schüssel in die Mitte des Tisches
gebracht und auf die Frage ihrer Magd, was das zu bedeuten habe, erwidert hätte, sie wolle ihren Gatten befreien; wenn sie drei Fäden von seinen Kleidern habe,
werde sie dies auch zu Stande bringen2). Mit dieser
Aussage stimmt auch die des Gattin des Zeugen überein.
Instruction.
Maritas Hufeysen in carceribus existens per quandam
practicam superstitiosam ipsius delate fuit liberatus i u x t a
eius p r o p r i a m a s s e r t i o n e m . Interroganda de duabus societatibus maleficarum in oppido Ysbruck scilicet
Scheuberin et Hufeysen sub una, sub altera Röslin,
Scharrerin, Fixin, Jos-Molerin et Pflüglin, quarum tres
intermedie non fuerunt detente, sed annotate sunt in
processu vulgari cum ceteris triginta in numero 3).
Hec questionibus et tormentis esset expouenda, non
ut in premissis, ubi evidentia et indicia facti concurrunt,
veritas ulterior foret necessaria, cum illa eam sufficienter
') Wer dieser Vicar gewesen, ist nicht festzustellen; vielleicht
dieselbe Persönlichkeit, an die die Instruction gerichtet ist; auch
von dem hier erwähnten Frocess ist nichts mehr vorfindig.
*) Vgl. den Process der Hufeysen a.
3) Vgl. oben die Verhöre vom 9. (14) (18) und 29. August
(30).
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condempnant ea etiam in negativa persistente, sed causis
ut supra tactum est circa processum Setachin1) et, ut abnegatio fidei seu cojifederatio facta dyabolica investigaretui'.
Et quia in quattuor aggravatur puta quia diffamata,
suspecta, excommunicata et deprehensa in heresi per evidentiam facti, sicut et alia Selachin, ideo et quatuor remediis prout supra positum est venit punienda, scilicet
canonica purgatione, abiuratione publica et absolutione
cum perpetua penitentia2).
3. Z e u g e n a u s s a g e n gegen Agnes Witwe
Peter-Sneiderin.
a. Am 16. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Magister Johann von Eössbach, Bruder Wolfgang aus dem
Predigerorden, damals Caplan des Inquisitors, und der
Notar Johann Kanter als Schreiber des Inquitors und
des Inquisitionsgerichtes am erzherzoglichen Hofe.
Der beeidigte Zeuge Hans Portner ist gegenwärtig
Thorwart des Erzherzogs. Er gibt Folgendes an: Er habe
mit der Angeklagten fleischlichen Umgang gehabt; als er
sich jedoch von ihr habe losreissen und eine andere heirathen wollen, sei sie eines Morgens zu ihm in das
Zeughaus gekommen und habe zu ihm gesagt: „Duxisti
illam in uxorem"; auf seine Frage „Quam?" habe sie
ihm entgegnet: „Das gel dirnel", worauf er erwiderte:
„Quid ad te, ita, duxi eam". Da legte die Angeklagte
die Hände ineinander und fuhr hitzig heraus: „So se dir
mein trwe an aydes stat, ich wil dir und ir tun, daz ir
keinen gesunden tag nimmer bei einander haben sollen.
Et quidquid ego nescio, tunc habeo unam apud me, que
talia novit facere".
sc. ut de aliis maleficiis perpetratis interrogaretur.
Vgl. unten den Process gegen die Selachin.
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Und so kam es, dass er bis auf den heutigen Tag krank
blieb.
Einen neuen Verdachtsgrund gegen die Angeklagte
findet er in dem Umstand, dass dieselbe während seiner
Krankheit wiederholt bei ihm nachfragen liess, ob er sie
für verdächtig halte. Er stellte sich jedoch hiebei, als
ob er darüber nichts wisse, und fragte, wer denn sich so
angelegentlich erkundige; als man ihm hierauf keine bestimmte Antwort gab, fragte er weiter: „Est ne illa?"
scilicet delata, und schöpfte, als dies bejaht wurde, noch
grösseren Verdacht.
Weiter gab er an, dass er sich beim Erzherzog1) gegen
sie wegen des ihm angethanenen Zaubers beklagt habe
und dass er sie gerne in's Gefängnis gebracht hätte.
Ausser den gewöhnlichen Fragen, die jedes einzelne
Glied der Zeugenaussagen aufnehmen, enthält die Instruction hierzu folgende Erläuterung: Notandum est, quod
maleficarum proprium est, quod nunquam possunt
alicui nocere, nisi se manifestas reddiderint aut verbis aut visui se obiciendo, et ex causa aliqua ficta seu
occasione alicuius discordie. Hoc enini ipsis a demonibus iniungitur in maiorem contumeliam creatoris et
fidei, dum ita inpune et palam christicolis nocent. Hec
per experienciam nota sunt et ex propriis earum confessionibus. Dicunt enim, quod si hoc non esset, tunc
semper omnibus indifferenter (?) nocerent, inimicis etiam
ipsorum maximis minime nocere possunt et plus earum
amicis et domesticis.
b, Am 16. October. Gegenwärtige wie oben a.
Der Zeuge ist derselbe Hans Portner; seine Aussagen beziehen sich hauptsächlich auf die Bezauberung
') In den Acten ist fast durchaus noch der Titel dux gebraucht,
namentlich wenn es sich um Aussagen von nicht den gebildeten
Kreisen angehörigen Personen handelt.
Fenl. Zeitschrift. III. Folge. S4. Heft.
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seiner Gattin. Er hält die Angeklagte derselben für
schuldig aus drei Gründen. Nämlich:
1. Wegen der oben angeführten Drohworte.
2. Wegen folgenden Vorkommnisses. Die Angeklagte
kam öfters zu seinem Weibe, dem ihre Drohung stets
unbekannt blieb, und lud es ein, mit ihr gemeinsam ein
Naturbad zu nehmen, wozu auch er seine Zustimmung
gab. Sein Weib nahm hiezu mehrere Arten von Pulvern
mit und kehrte gelähmt und bezaubert aus dem Bade
zurück, in das sie vollkommen gesund getreten war. Dass
sie hiebei auch geistesverwirrt wurde, bestärkte den Verdacht des Zeugen.
o. In dieser Noth fragte er, obwohl dies verboten
ist, eine Wahrsagerin um Eath; diese erklärte ihm, die
Krankheit seines AVeibes rühre von einer Behexung her;
zum Beweise hiefür solle er unter den Pulvern suchen:
er würde dann dasjenige, mit dem die Behexung vollbracht worden sei, entdecken; wirklich fand er ein Stück
Tuch, in dem 18 verschiedene Stoffe eingebunden waren.
Als er dies alles auf den Eath der Wahrsagerin in's
Feuer warf, kehrte seinem Weibe der Verstand und theilweise auch die Gesundheit zurück.
Instruction. Ex his omnibus ipsa delata sicut et alie
precedentes (scilicet Selachin, Hufeysen, Eöslin et mater
eius) diffamata, suspecta, excommunicata et per evidentiam
facti deprehensa iudicatur, per omnia penitentiauda et
punienda quatuor remediis in precedentibus tactis 1).
Notandum insuper, quod et hec inalefica singula verba
minatoria confessa est, sed addidit se illa ex rancore et
invidia protulisse; que quidem excusatio locum habere
posset, si alia indicia cum ipsa facti evidenfcia non ades sent.
!) Die genauere Ausführung hierüber s. unten im Process
^egen die Selachin.
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4. Z e u g e n a u s s a g e n gegen die B a r b a r a Pflieglin.
a. Am 17. October. Gegenwärtige: Bruder Wolfgang,
Paul Caal Schirmaister und der Notar Johann Kanter.
Der beeidigte Zeuge *) erklärt, er kenne die Angeklagte und habe über sie gehört, dass sie sich in zauberische Dinge eingelassen habe, fügt jedoch bei, dass die
Hufeysen, als sie noch in seinem Hause wohnte, ihm gesagt habe, sie wolle ihm ihr Wort darauf geben, dass
die Pflieglin machen könne, dass derjenige, der sie (die
Pflieglin) nicht lieben wolle, semper doleret ventrem suum
usque ad mortem. Ueber die Art und Weise, etwas derartiges zu stände zu bringen, erklärte die Hufeysen:
„Die Pfliegliu braucht nur eine Euthe (anmdinem) in
ein fliessendes Wasser zu legen, und so lange das Wasser
über diese fliesst, leidet die bezeichnete Person am Fluss.
b. Am 17. October. Gegenwärtige wie oben a.
Zeugin ist die bereits oben im Process der Hufeysen
angeführte Ludwig Wagenstallin. Dieselbe hegt wegen
der ihr durch die Hufeysen zugefügte Behexung auch
Verdacht gegen die Pflieglin u. z. aus folgenden Gründen:
1. Weil ihr der Zauber angethan wurde in dem Hause
und im Dienste der Pflieglin, die ihr, obwohl sie um
alles wusste, keinen Schutz angedeihen Hess und die Hufeisen nicht einmal zurechtwies.
2. Weil der Gemahl der Pflieglin die zum Zauber
verwendeten Stoffe auffand, die er als solche nur durch
jMittheilungen von ihr erkannt haben kann.
3. Weil der Pflieglin selbst durch ihren Gatten derartige zauberische Dinge schon öfters untersagt wurden.
c. Am 17. October. Gegenwärtige ausser den unter
a und b genannten auch die Brüder Wilhelm und Heinrich
aus dem Predigerorden.
Der Zeuge Uebelher hat bei der Verhaftung der
') Die cedula, die seinen Namen enthielt, ist nicht erhalten; aus
der Instruction lässt sich sein Name als Hans »Schuster feststellen.
4*
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Pflieglin seine freudige Zustimmung ausgedrückt und gesagt: ,,Bene actum est eam esse captam, quia semel uxori
mee tradidit nucem, ut nie malificaret1).
Diese Anklage wird noch bedeutend erschwert durch
die Aussagen der Gattin des Magister bombardorum, derzufolge die Pflieglin um einen Zauber wusste, den die
Röslin dem Erzherzog durch eine todte Maus zufügen wollte
(s. Process der Böslin); die Zeugin weiss jedoch nicht,
ob die Angeklagte auch mit diesem Bezauberungsversuch
einverstanden war, wie sie überhaupt das Ganze nur von
der Magd der Eöslin erfahren hat.
Instruction. Hee inter omnes non reperitur deprehensa
licet plurimum diffamata et suspecta. Als Gründe werden die
Zeugenaussagen wiederholt. Bezüglich der belastenden
Aeusserungen der Hufeysen wird hiebei bemerkt: Hie advertendum, quod malefica ad testificandum admittitur contra sed
non pro, cum tantummodo inimici capitales exeludantur 2).
Hec ergo quod non deprehensa sed plurimum suspecta
et diffamata simul etiara et exeommunicata est, primo
canonice purgetur per 8 aut 10 viros, et quia suspecta,
habet abiurare omnem heresim et potest absolvi iniungendo ei penitentiam, ut cum candela accensa stet extra
ecclesiam certis diebus et ieiunando in pane et aqua; sed
et p e e u n i a r i a p e n i t e n t i a super e x p e n s a s faetas
a me, quia bene h a b u n d a t , quas e x p e n s a s in
fine recitabo3).
5- Z e u g e n a u s s a g e n gegen B a r b a r a Selachin.
a. Am 17. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Bruder Johann Rosenbart, Paul Caal Schirmaister, Bruder
*) Vgl. hiezu d a s Verhör vom 15. August (28).
) Mall. m a l . III. q. 5.
3
) Dieses Ausgabenverzeichnis fehlt leider; d e r für den Inquisitor so u n e r w a r t e t e Abschluss des ganzen Processes und die
Munificenz des Erzherzogs h a b e n dasselbe vielleicht auch nie zu
Stande k o m m e n lassen.
2
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Wolfgang, Kaplan des Inquisitors und des Inquisitionsgerichtes.
Die beeidigte Zeugin Gertrud Botin kennt die Angeklagte schon seit 26 Jahren und hat stets über sie
gehört, dass sie sich mit Hexereien abgebe. Weiter befragt, ob sie betreff ihrer eigenen Person hierüber nichts
erfahren habe, erklärt sie, dass sie gegen dieselbe nur
vermöge eines starken Verdachtes diesbezüglich etwas aussagen könne, und erzählt hierauf folgendes: „Wegen einer
in meinem Garten zugefügten Beschädigung, wobei die
Schritte des Thäters nach dem Hause der Angeklagten
führten, kam es zwischen mir und ihr zu einem Wortwechsel. Als ich nämlich bei mir selbst klagte, wer mir
doch diesen Schaden zufüge, kam dieselbe zu mir und
fragte mich, ob ich sie etwa in Verdacht hätte, den
Schaden verursacht zu haben, worauf ich ihr entgegnete:
„Si tu fecisti, bene nosti". Nach längerem Wortwechsel
ging die Angeklagte voll Zorn in ihr Haus und feindete
mich seitdem an. Als ich hierauf sehr schwer erkrankte
und dabei auch den Verstand verlor, kam nach einigen
Tagen ein Töpfer, mich zu besuchen und mir Trost zuzusprechen1). Derselbe sagte mir, dass mir meine Krankheit durch eine Hexe angezaubert worden sei; er wolle
zum Beweise hiefür geschmolzenes Blei in Wasser giessen;
dasselbe Averde im Wasser jene Gestalt annehmen, welche
die Gegenstände hätten, durch die ich bezaubert worden
wäre. Zugleich gab er mir und meinem Manne den Auftrag, unter der Thürschwelle unserer Wohnung nach
diesen Gegenständen zu suchen. Als nun mein Gatte in
Gegenwart und unter Beihilfe des Töpfers dies ' that,
fanden sie unter der Thürschwelle ein handgrosses Wachs') Sein Name ist auf der (verlorenen) cedula enthalten: die
Instruction hält ihn wegen seines Auftretens selbst für „verdächtig".
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bild, darstellend ein Weib, durchstochen und voll von
(Löchern). Auch steckten in dem Wachsbild zwei Nadeln,
die eine in der Kichtung von der Brust zur linken
Schulter, die andere in der Kichtung von der Brust gegen
den Kücken; in eben diesen Kichtungen aber empfand
ich die allerbittersten Schmerzen, obwohl ich auch sonst
am ganzen Leibe von Leiden geplagt wurde, wie auch
das Wachsbild nach allen Seiten durchstochen war. Auch
wurden unter der Thüi'sehwelle zwei Tuchstücke gefunden;
in dem einen derselben waren verschiedene Arten von
Samen eingeschlossen, in beiden Holzstücke, die vom
Galgen abgeschnitten waren, Knochen von den
Füssen ungetaufter Knaben (puerorum), Haare und
Fäden, die aus Altarzierden gezogen waren, sowie manches
andere". Auf weiteres Befragen setzte die Zeugin noch
bei: „Von dem in's Wasser geschütteten Blei nahm ein
Theil die Form der verschiedenen (in den Tüchern geundenen) Samen, ein anderer die von Fäden, ein dritter
endlich die des Wachsbildes an, das unter der Thürschwelle gefunden worden war". Auch gab sie ferner
an, der Töpfer habe sie, als der Inquisitor die allgemeine
Aufforderung (zur Angebung der Hexen) erliess, abgemahnt
und ihr auch verboten, jemandem etwas davon zu sagen,
dass er ihr die unter der Thürschwelle vergrabenen Gegenstände verrathen habe. Die daraus entspringende Frage,
woher der Töpfer dies gewusst, beantwortet die Zeugin
dahin, dass er früher der Geliebte der Angeklagten gewesen sei und es wohl von dieser erfahren habe l).
Instraction. Nach den Fragen über die einzelnen
Punkte der Zeugenaussage: Ipse latifigulus iam patitur
podagram et esset d u r e interrogandus, quod et ipse graviter suspectus de heresi, et interrogandus p e r t o r ») Mit bedeutenden Abweichungen ist dasselbe auch enthalten
i m Mall. mal. II. q. 1, c. 12.
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nienta, quia plura sciret revelare, sigulariter quod inhibuit deponenti tempore inquisitionis, quod non deberet,
ine accedere et aliquid de actis preteritis michi indicare.
Interrogandus de experimento suo, quod cum plumbo liquefacto et in aquam proiecto et quod forme omnium rerum
seu instrumentorum predictorum paruerunt in aqua. Item
fiant hec interrogationes p r e s t i t o p r i u s i u r a m e n t o
ab ipsa malefica ad s a n c t a dei e v a n g e l i a in
p r e s e n t i a n o t a r i i et t e s t i u m .
b. Am 17. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Johann Eosenbart aus dem Orden der Minder-Brüder,
Bruder Wolfgang, Kaplan des Inquisitors, Paul Caal
Schirmaister und der Notar Johann Kanter.
Die beeidigte Zeugin Elizabet Maister-Thomannin
kennt die Angeklagte und hat öfters mit ihr verkehrt.
Auf die Fragen über die Verdäclitigkeit oder Schuld derselben gibt sie als Erkenntnis aus eigener Erfahrung
Folgendes au: „Vor zwölf Jahren kaufte mein Gatte von
dem Manne der Selachin einen Platz zur Erbauung eines
Hauses; dies geschah gegen den Willen der Selachin, die
darum zu mir sagte: „Ich wil machen, das ir kain gesunden dag oder stund haben mügen und müst erkrumen
und erlammen und must aus dem haus äffen, das ist
kriechen auff allen fieren". Dies hörten einige Weiber,
von denen etliche schon gestorben sind, andere noch in
Teltz wohnen. Als ich ihr drohte, sie beim Richter anzuklagen, entgegnete sie mir: „Ego non curo; ich kau
im wol tun, das er mir nit tun mag", und alsogleich
schwoll ich am ganzen Leibe an, und auch meinem Manne
wollten sich die Augen, allerdings ohne Schmerzen zu
erregen, bis zum völligen Zusammenwachsen zuschliessen,
so dass er gezwungen war, sie mit den Fingern zu öffnen
und dadurch ihr gänzliches Zuschliessen zu verhindern.
Meine eigene Krankheit aber hält bis auf den heutigen
Tag an."
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Auf die Frage, warum sie deshalb die Angeklagte
als diejenige ansehe, die ihr diesen Zauber zugefügt habe,
hat sie nur die Antwort, sie habe einmal in ihrem Kissen
in einem Stück Tuch eingenäht gefunden: verschiedene
Arten von Samen und Stücke von Knochen eines noch
ungetauften Knaben (pueri) und von denen eines Steinbockes, weshalb ihr auch immer vorkomme, wenu sie in
den Wocjhen liege, sie flöge mit den Steinböcken. (? cum
capricornis v o l a r e t ? )
Weiteres gibt dieselbe Zeugin an, sie habe drei
Steine erhalten*), die stets feucht blieben; von diesen
sei der eine ein Salzstein (salinus lapis vel salsus),
der zweite sei von gelblicher Farbe wie Eiter (glaucus
ut scabies), der dritte aber ein Kieselstein (silex); so
lange diese Steine unter ihrem Bette lägen, müsse sie im
Bette schweissen, würden diese aber entfernt, so höre
auch das Schweissen auf.
Die Instruction enthält hierüber nur Fragen nach den
Details der einzelnen Angklagepunkte.
c. Am 19. October. Gegenwärtige: der Inquisitor,
Bruder Wilhelm Beringer, Bruder Heinrich Hoffmann
und der Notar Johann Kanter.
Die beeidigte Zeugin Katherina Smidlerin kennt die
Selachin sehr gut und weiss, dass dieselbe bezüglich
Hexerei einen sehr schlimmen Leumund hat; des Nähern
kann sie folgendes angeben: „Nach dem Brande der
Brücke2) haben wir Drohworte gegen einander ausgestossen. Als ich ihr einmal in der s. g. Spruchgasse
begegnete, trug die Angeklagte ein Bündel Gras auf dem
Kopfe und schrie mich an: „Kums'tu doher, du böswichtin
und du schelkin", worauf ich ihr entgegnete: „Numquam
*) Wie und woher wird nicht angegeben.
) Welcher Brücke ist nicht gesagt; also ist wohl die Hauptbrücke über den Inn zu verstehen,
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talis fui neque tales dilexi; veuias mecuin ad iudicem".
Hierauf erhielt ich die Entgegnung: „Ich wil mich wol
rechen, und daz du immer dür solt Werden an lib noch
an gut". Dies erfüllte sich; denn schön ani nächsten
Tage begann ich krank zu werden und hinzusiechen bis
auf den heutigen Tag". Weiteres gibt die Zeugin an,
sie sei der Angeklagten, als diese eben Rosenstauden auf
dem Kücken trug, in der s. g. Lentelerenstrasse begegnet,
und diese habe ihr zugerufen: „Vides tu ? Domit wil ich
dich zwrichten, das du wol innen wirst". Als sie aber
in ihrer Krankheit zu der Angeklagten zwei Weiber, die
bereits verstorben sind, schickte und sie ersuchen Hess,
ihr wieder gewogen zu sein und die ihr angethanene
Krankheit wieder abzunehmen, da gab sie zur Antwort:
„Si ei non intulissem, adhuc ei inferre vellem". Und als
die Zeugin auf dies hin die beiden Weiber bat, ihr vor
Gericht über diese Antwort Zeugschaft abzulegen, erwiderten sie: „Est adeo mala mulier, nos nolumus deinceps esse deoccupate ab ea", und so blieb die Zeugin
krank bis auf den heutigen Tag. Ferners geschah es,
dass die Angeklagte, als sie am St. Laurentiustage
(10. August) dieses Jahres an der Zeugin vorbeiging, auf
den Boden spuckte und ihr zurief: „Tu non es digna, ut
te aspiciam".
Instruction: Nach Angabe einiger Fragen über die
in der Zeugenaussage enthaltenen Punkte folgt die Weisung:
„item dicatur (delate) quod ipsa (talis deponens)
non est d e p o n e n s sed quidam alius loco ejus ymo
et plures. Nach einigen weiteren Fragen, die an die Angeklagte über die von der Zeugin vorgebrachten Anschuldigungen gestellt werden sollen, folgt die Bemerkung:
Item de predictis omnibus est publica vox et fama, worauf das weitere Vorgehen also bestimmt wird: Hec sunt
ad versus Selachin annotata, super que si in negativa perstiterit, tarnen propter evidencia(ni) et indicia facti simul
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et propter dicta testium relinquenda est bracliio seculari
u l t i m o s u p p l i c i o f e r i e u d a , prout sextus simul et
duodecimus modus continet*). E x p o n e n d a e t i a m
esset q u e s t i o n i b u s et t o r m e n t i s , n o n q u o d p r o
i m m u n i et i m i o c e n t e h a b e r e t u r , si i n i i e g a t i v a
p er s i s t e r et, sed ut de aliis male fi eis et malefieiis p e r p e t r a t i s i u t e r r o g e t u r ; simili modo, si ita
iu uegativa persistit, quod nee veniam viilt petere nee
lieresim abiurare et vestra reverendissima paternitas omnino vult gratiam impartiri, tunc iuxta quatuor que ipsam
aggravant quatuor remedia adhibenda sunt. Est enim
infam ata, suspeeta, exeornmunicata et in lieresi propter
evidencia(m) facti deprehensa. Propter infamiaui ergo
habet se canonice purgare et ad minus cum viginti aut
trigiiita conpurgatoribus iuxta formam reverendissime paternitati vestre traditam2) et si in illa defecerit pro convieta habeatur. Propter suspicionem vero gravem ymo
et violentam debet abiurare omnem heresini cum pena
relapsoruni, ubi reeidivaret. Propter exeomunicationem
debet absolvi, et omnia hec tria publice, in presentia
populi et in die solempni fieri debent. Propter deprehensionem vero tunc loco combustionis dabitur publica
penitentia, sicut in ipsis modis sexto et duodeeimo continetur1), scilicet ad deferendum cruces et quod cjircer
perpetuus sit ipsa civitas aut domus eins propria, extra
quam non exeat sine licentia; precedat crucein 3) nudatis
capillis seeundum modum dyocesis. Si vero super liec
curia secularis suum voluerit exequi officium, vestra paternitas hoc non habet impedire. Hec in quam faeta
fuerint, vestra reverendissima paternitas semper immuiiis et absque omni nota aput sedem apostolicam manebit. Expediret tarnen, ut hec Selacliin cum alia que
') Mall, mnlef, III. 25, 31.
*) Mall, malef. III. 31.
3
) Zu ergänzen super yestibiia habendo.
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sequitur Hüfeysen ]) siniul et illa Sclieuberin omnino seculari iudicio relinquerentur, ctiam veniam petentibus.
Volui autem cum pietate, ad quam vestra paternitas semper
inclinatur, procedere. Testes insuper per nie exarainati
binies etiam paternitas vestra reverendissima examinare
denovo poterit; et si quidem non fonnidarent, maleficarmn
aspectibus se obicere et in faciem redarguere eas, utique
hoc perutile foret, licet ad lioc non sint cogendi.
6. und 7. Z e u g e n a u s s a g e n gegen die R o s i n a
( H o c h w a r t i n ) und i h r e M u t t e r Barbara liöslin.
a. Am 19. October. Gegenwärtige: Der Inquisitor,
die Brüder Wilhelm Behringer und Heinrich Hoffmann
aus dem Predigerorden und der Notar Johann Kanter.
Die beeidigte Zeugin ist Dorothea, Gattin des Jörg
Biichsenmaister über der Innbrucken. Sie kennt die
Röslin (Mutter), die schon früher von einigen als der
Zauberei verdächtig angesehen wurde, und hält sie gleichfalls für eine Hexe wegen des folgenden Begebnisses.
Einst kam der Erzherzog in die Wohnung des Gatten
der Zeugin, um sich seine Arbeitsweise und seine geschaffeneu Werke anzusehen; dabei bat ihn ihr Gemahl
um ein Hofkleid (vestimentum curie), worauf der Fürst
erwiderte: „üabo tibi unum pannum integrunr'. Im
anderen Zeughause sprach sodann der Erzherzog zu Jörg
Modern, dem Gatten der Röslin: „Ego committo tibi
diligenter, ut eas ad camerarium doinus, et fac tibi dare
pannum integrum pro meo Georio". Dieser that, wie
ihm befohlen, brachte aber das Stück Tuch in seine
eigene Wohnung, in der es einige Zeit verblieb. Da
sagte einmal die Röslin zu ihrer Magd Else, genannt
Gross-Else, die jetzt den Wagner zum Gatten hat: „Ego
volo eis destinare pannum, sed volo prius aliquid im•) Der Process derselben ist bereits früher angegeben.
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mittere", und so legte die Angeklagte zur Nachtzeit,
während die genannte Else eine Kerze in der Hand hielt,
ihre beiden Hände, in denen sie eine weisse Salbe, ähnlich wie Salz, hatte, zwischen die Falten des Tuches,
sagte aber dabei zur Magd: „Ego timeo, quod hoc nichil
proderit, quia intinget pannum in aquam et faciet radi
eum; sed non est vis, ego persuadebo bene sartori, ut
remittat michi tunicam factam". Auf weiteres Befragen
gibt die Zeugin an, dass das Kleid ihres Gatten wohl ihr
in die Wohnung gebracht worden sei; ob es aber früher
vom Schneider der Angeklagten zugeschickt worden sei,
ist ihr nicht bekannt; ganz sicher aber weiss sie, dass
ihr Mann, sobald er das Kleid anzog, auch alsogleich erkrankte. Den Verdachtsgrund schöpft sie aus dem, dass
die Angeklagte heim Erzherzog in Ungnade gefallen war,
so dass sie mit ihrem Gatten, der ebenfalls Büchsenmaister war, aus dem Zeughause, weil der Zauberei verdächtig, entlassen wurde. All das wurde durch die genannte „Grosse Else" bei der Behörde angezeigt, weil
sie selbst die Köslin als der Zauberei verdächtig ansah.
Die Zeugin gibt ferner an, die J„Grosse Else" habe das
Gleiche auch erzählt in der Wohnung der Zugmeisterin
in Gegenwart der Sixin, Rotfelderin, Kirsnerin und Halbshärnen. Auch betreff ihres eigenen Kleides macht die
Zeugin für die Köslin sehr beschwerende Aussagen. Als
ihr dies nämlich schon fertig zugestellt worden war, kam
die Schwester des Schneiders zu ihr und bat sie, ihr dasselbe auf kurze Zeit wieder zu überlassen, da der Schneider
etwas daran zu machen vergessen habe; sie händigte es
*hr ein und bekam es, auch bald wieder zurück, weiss
aber nicht, ob das Kleid in der Zwischenzeit zum Schneider
oder zu der Köslin gebracht wurde. Sobald sie es aber
anzog, wurde sie alsogleich krank und diese Krankheit
dauerte ein Jahr und wurde täglich ärger; dagegen dauerte die ihres Gatten nur zehn Wochen. Die Zeugin hat
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auch zu der „Grossen Else'1 gesagt: „Si me avisasses,
ex locione maleficium abstulissein" worauf ihr diese entgegnete: „Nichil effecisses, quia adeo cum manibus innnxit, ut*"non bene possit deleri.
Instraction. Ausser andern Fragen betreff des Inhalts der Zeugenaussage, sowie ihres Glaubens an Hexen
und deren Wirksamkeit ist die Angeklagte zu fragen, quod
ante eertos annos accusata fuerat publice tamquam malefica
aput consulatuni oppidiper quandam ancillam tarn matris quam
filie, cuius nomen Elizabet Zimmermannin, que tarnen iam
est maritata l). Interroganda ergo est de notitia et faniulatu simul et accusatione facta et de articulis super heresim
maleficarum, ubi iam diffainata cernitur. Des weitern
wird die Zeugenaussage dahin entstellt, dass der bezauberte Jörg Büchsenmaister augenblicklich gesund geworden
sei, als er das Kleid wieder ablegte, worauf die Anweisung
folgt: Fiat interrogatoria de unguento, quia arte dyabolica ex pueris non renatis fuit, wovon gleichfalls in der
Zeugenaussage nichts erwähnt wird. Als ein eigener erschwerender Umstand gegen die Angeklagte wird ferner
noch angeführt, quod eadem Elizabet tempore inquisitionis
mee dixit ad ipsam Dorotheam: „Ego multa scirein narrare illi patri inquisitori, sed maritus meus inhibuit michi,
quia favet marito delate". Betreff, der Mutter Böslin wird
noch besonders betont, dass sie auch gefragt werde, qualiter filiam informaverit, quia verisimile est, quod de omnibus actis a filia ipsa auctrix. De quibus (omnibus) est
publica vox et fama.
b. Am 19. October. Gegenwärtige wie oben a.
Der beeidigte Zeuge ist der treue Diener des Erzherzogs, Hans Spiess. Er kennt die Röslin persönlich
und weiss, dass sie als Hexe im Verrüfe sei; Näheres
') Während die Instruction im Process der 'Selachin durch
eine offene Lüge den Namen der Zeugin geheim zu halten sucht,
ist er hier offen in eine Frage eingeflochten.
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62
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weiss er Folgendes anzugeben. Als die Röslin bereits
beim Erzherzog in Ungnade gefallen war, .schickte sie um
eine gewisse Magdalena Syberin, die jetzt in Lindau ist:
diese kam mit vier Männern, denen sie sich auf dem
Wege angeschlossen hatte, und nahm mit denselben ihre
Herberge beim Rümler, bei dem auch der Zeuge wohnhaft ist. Auf dem Wege hatte sie aber den genannten
vier Männern gegenüber öfters des Grossherzogs Erwähnug
gethan und gesagt, in Innsbruck lebten zwei Weiber,
Mutter und Tochter (letztere bezeichnete sie als Eöslin),
mit denen sie etwas gegen den Erzherzog praktizieren
wolle, so dass er sie wieder vollkomen zu Gnaden annehmen und alles thun müsste, was sie von ihm wollten.
Dies erzählten die vier Männer dem Zeugen, der als
treuer Diener den Erzherzog von allem benachrichtigte
und es verhinderte, dass weder von Seite der genannten
Magdalena noch von den beiden andern Weibern dem
Erzherzog ein Bittgesuch übergeben wurde, obwohl die
Magdalena ihm 10 fl. versprochen hatte, wenn er dem
Fürsten auch nur eine einzige Bittschrift vorlegen würde.
c. Am 21. October. Gegenwärtige ausser den unter
a. und b. Genannten auch Bruder Johann Rosenbart aus
dem Orden der Mindern Brüder, einst Kaplan des Erzherzogs Sigismuud.
Die Zeugin x) kennt die Röslin und stimmt bezüglich
des allgemeinen Urtheils mit Hans Spiess vollkommen
überein. Am letztverflossenen 4. August abends zechten
im Hause Sigismunds Halbshürnen, des einstigen Raseurs
des Erzherzogs, und seiner Gattin die Zwschretterin und
Heintz Kugler, der als Diener eines vornehmen Herren
bei Sigismund Halbshürnen wohnte, Ihnen gegenüber
sass an einem Tische die Zeugin und hörte die Gäste
yon den Hexen reden, und wie eine getaufte Jüdin mit
i) Name auf der verlorenen ceduja,
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zwei andern christlichen Weibern ein Bild des Gekreuzigten
gegeiselt und mit Nadeln zerstochen hätten, indem sie
dabei auch Lästerungen ausstiessen. Dabei habe Halbshürnen erzählt, wie eine Magd der Köslin, namens Else
Zimmermannin, ihm gesagt habe, dass dieselbe ein neues
Tuch, dass der Erzherzog jemandem geschenkt hatte, habe
bezaubem wollen, so dass, wer sich damit bekleide, dadurch von einer schweren Krankheit befallen würde, dass
sie selbst (die Else Zimmermannin) damals das Licht in
der Hand hielt und es, da sie es nicht in rechter Weise
handhabte, einem Knaben übergeben musste. Sie hörte
aber die Köslin während des Einreibens des Tuches sagen:
„Uch sol niemer glück angeen", welche Aeusserung auch
die Halbshürnen gehört zu haben angibt.
d. Am 21. October. Gegenwärtige: dieselben eigens
hiezu berufenen Zeugen wie unter c, der Inquisitor und
der Notar Johann Kanter.
Die Zeugin l) kennt die Röslin nur vom Hörensagen,
hat aber gehört, dass die angeklagten Weiber zu einem
Goldschmied gesagt hätten, sie hätten den Kopf eines
Verstorbenen gesotten; dies hat ihr der Goldschmied auch
selbst in Gegenwart mehrerer anderer erzählt; auch hat
die Zeugin gehört, dass die Angeklagten einst eine Maus
unter die Schwelle des Arsenals gelegt hätten.
e. Am gleichen Tage und in Gegenwart derselben
Personen sagt eine weitere Zeugin l) aus, dass die Rösliu
von vielen für der Zauberei verdächtig angesehen werde;
sie selbst theile diese Meinung, da ihr die Magd derselben
mitgetheilt habe, sie hätte von ihr einst eine todte Maus
erhalten, die sie dem Fürsten, wenn er schlafe, auf den
Leib legen sollte; dann würde sie von ihm alles, was sie
verlange, erhalten.
Instruction: Hee etsi in negativa perstiterint, suut
') Name auf der verlorenen cedula.
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tarnen diffamate, suspecte, excommunicate et deprehense,
unde et quatnor supra notatis remediis sunt penitenciande
et puniende.
Dies die gegen die sieben gefangen gesetzten Weiber
vorgebrachten Anklagen und ihr zu erwartendes Urtheil.
Es zeigte sich hiebei in vielem, das sie mit den Zeugenaussagen im August und September gemein haben, auch
manche nicht unbedeutende Abweichung. Zu wiederholten Malen wird die Anwendung der Folter in Aussicht
gestellt und zwar nicht etwa, um die Angeklagte auf ihre
Schuld oder Unschuld zu prüfen, sondern mit Voraussetzung der ersteren aus ihr Material zu weitern Verfolgungen zu erpressen; ja selbst gegen blos „Verdächtige", wie den Töpfer im Process der Selachin, wird die
peinliche Befragung als Mittel zu weitern Entdeckungen
in Anregung gebracht. Geradezu widersinnig ist es aber,
wenn von der Selachin, deren Schuld als erwiesen angenommen wird selbst im Falle, dass auch die Folter ihr
kein Geständniss abpressen sollte, dennoch ein Eid
auf die hl. Evangelien gefordert wird. Freilich handelte es sich hiebei darum, auch den Töpfer in den Process hineinzuziehen, im ersteren Falle aber um die Möglichkeit, dass die Selachin dem Arme des Inquisitors entrinnen konnte. Wie rücksichtslos er gerade gegen letztere
vorging, erhellt auch aus der schon früher erwähnten
Anweisung betreff der Geheimhaltung der Zeugen ihr gegenüber, während er s e l b s t in G e g e n w a r t einer der
A n g e k l a g t e n Zeugschaft gegen eine andere ablegte.
Wie weit aber die Erhitzung der Gemüther gegangen,
lässt sich annähernd aus dem Umstände abnehmen, dass
nach der eidlichen Versicherung des Inquisitors mehr als
hundert Männer sich erboten hätten, gegen die sieben
eingekerkerten Weiber und besonders gegen eine derselben, die Scheuberin, Zeugschaft abzulegen. Welche
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Erregung der Phantasie aber war nothwendig, um einen
Zauber zu erfinden, zu dessen Hebung selbst die seligste
Jungfrau die nöthigen Mittel angab! (Process Hufeysen).
Mit den Verhören vom 21. October schliessen die
Aussagen der Zeugen- ab; was in Folge derselben den
Angeklagten bevorstand, ist bei jeder derselben in der
Instruction deutlich genug gesagt; allein das letzte Wort
war zum Glück noch nicht gesprochen; nicht der Inquisitor allein, sondern ein zu diesem Zwecke eigens zusammengesetzter Gerichtshof sollte das Endurtheil über
die Angeklagten fällen. Dank der Unvorsichtigkeit des
Inquisitors konnte dies schon nach 10 Tagen gesprochen
werden, aber sein Inhalt war derartig, dass er alle Erwartungen des Inquisitors zu Schanden machte; alle die
Mühe, die der von dem furchtbaren Wahne befangene
Mann sich gegeben hatte, war nicht bloss nutzlos geblieben,
sondern hatte für ihn noch persönlich eine so schlimme
Wendung herbeigeführt, dass er froh sein musste, mit
heiler Haut wieder aus dem Lande zu kommen, in dem
er durch seinen Uebereifer alles gegen sich aufgebracht
hatte.
Schon die erste Gerichtssitzung am 29. October musste
dem Inquisitor klar machen, dass seine Collegen im
Kichteramte zu einem ganz andern Vorgehen entschlossen
waren, als er selbst sich früher gedacht hatte. Im Vormittag des 29. October versammelte sich der ganze Gerichtshof im grossen Saale des Piathshauses (in stuba maiori consolatus). Als Glieder desselben sind genannt
Cristan Turner, Licenciat in den Decreten und in spiritualibus General-Commissär der Kirche von Brixen, specieller Abgeordneter des Bischofs Georg in diesem Processe, Magister Paul Wann, De. der Theologie und Canonicus
zu Passau, Sigismund Saumer, Licenciat in den Decreten,
Feid. Zeitschrift. III. Folge. ?A. Ht'ft.
f)
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Pfarrer zu Axams *), ferner der Inquisitor Heinrich Institoris selbst in seiner Eigenschaft als inquisitor heretice
pravitatis nach der Bulle „Summis desiderantes affectibus",
mit drei seiner Ordensbrüder, wohl aus den oben öfters
erwähnten Wilhelm Beringer, Heinrich Hoffmann und
Wolfgang von Basel, Caspar von Freiburg und Magister
Johann von Bosbach von ihm selbst auserwählt, und die
Notare Johann Kanter und Bartholomäus Hagen. Selbstverständlich hatte der Inquisitor die KoUe des Anklägers
übernommen. Als solcher Hess er zunächst die Helena
Scheuberin vorführen. Nachdem ihr der Eid abgenommen,
stets wahrheitsgetreu zu antworten, sollten die einzelnen
Fragen an sie gerichtet werden; die ersten derselben l.etrafen die bisherige Lebensweise und den Wandel der
Angeklagten; dieselbe erklärte, sie sei in Innsbruck
geboren und erzogen worden und seit acht Jahren mit
Sebastian Scheuber verehlicht; ihr Wandel sei bisher ehrbar gewesen (honeste fuisse conversationis). Dies veranlasste den Inquisitor zu so heiklen Zwisehenfragen über
den Stand ihrer Virginität und anderer sexueller Geheimnisse, dass der bischöfliche Commissär diese Fragen als
nicht zxir Sache gehörig zurückwies und sogar drohte,
wenn dieselben fortgesetzt würden, sich zu entfernen.
Der Inquisitor gab nach und begann die Angeklagte über
einzelne Punkte der Zeugenaussagen zu befragen. Die
Art und Weise aber, in der er hiebei vorging, erregte
den Unwillen des bischöflichen General-Commissärs so,
dass er auch dagegen Einsprache erhob und einen Protest
über die Leichtfertigkeit des Inquisitors, der es sogar
unterlassen habe, eine bestimmte Ordnung in seinen
Fragen festzustellen, vom Notar zu Protokoll nehmen
Hess; auf dies hin wurde die Gerichtssitzung bis 11 Uhr
') Ueber die Ernennung desselben s. Beilage 5. Ueber die
Bestellung der beiden vorausgebenden liegt kein Act vor.
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ausgesetzt, bis um welche Zeit der Inquisitor sich ein Schema
der an die Angeklagten zu richtenden Fragen feststellen
sollte.
Unterdessen aber trat, wohl sicher durch die Bemühungen der Vertreter des Bischofs, eine solche Aenderung der Sachlage beim Gerichtshofe ein, dass der Inquisitor beinahe ganz bei Seite geschoben wurde.
Als nämlich um 11 .Uhr die Sitzung wieder eröffnet
wurde, stellte sich, noch bevor der Inquisitor eine Frage
an die abermals vorgeführte Scheuberin richten konnte,
Johann Merwais von Wendingen, Licenciat in den Decreten und Doctor der Medicin als Vertheidiger derselben,
sowie aller übrigen Angeklagten vor. Zwar hatte er noch
keine schriftliche Vollmacht als solcher in Händen, erbot
sich jedoch durch einen öffentlichen Notar eine solche
alsogleich sich anfertigen zu lassen und bestand darauf,
dass, nachdem dieser in der Person des Bartholomäus
Hagen herbeigeholt worden war, die Verhandlungen von
neuem begonnen würden. Gleichzeitig übertrugen auch
sämmtliche sieben vorgeführten Angeklagten in corpore
und jede einzelne für sich ihre Vertheidiguug dem genannten Johann Merwais und ertheilten ihm hiezu unumschränkte Vollmacht.
Der Inquisitor scheint gegen dieses Vorgehen keinen
Protest erhoben zu haben, wenigstens wird ein solcher
nicht erwähnt; bald aber musste er sich überzeugen, dass
er an dem Vertheidiger einen sehr energischen Gegner
sich gegenüber habe, einen Gegner, der sogar die Rolle
des Vertheidigers in die des Staatsanwaltes umzuwandeln
geneigt war, indem er nicht nur das Vorgehen des Inquisitors als ganz und gar gesetzwidrig erklärte, sondern
gegen i h n s e l b s t die V e r h a f t u n g b e a n t r a g t e .
Johann Merwais erhob alsogleich gegen die gesammten
Anklagen die Nullitätsbeschwerde und stützte dieselbe auf
folgende fünf Gründe:
5*
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G8
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1. Hätte der Inquisitor bei den Zeugen verhören einen
öffentlichen Notar beiziehen sollen, der vom Bischof
b e e i d e t gewesen w ä r e , a l l e s g e t r e u aufzuz e i c h n e n , wie dies auch durch die Bulle anbefohlen
sei x ); und doch sei von all' dem nichts geschehen, wie
die Aeten erwiesen.
2. Habe der Inquisitor Fragen gestellt über Verbrechen (peccata), die gar nicht einmal in seinen Wirkungskreis gehörten und von deuen auch die Bulle nichts sao-e
3. Hätte der Inquisitor die Angeklagten in ihrer
Person über die ihre Infamie betreffenden Zeugenaussagen
verhören sollen; dies sei aber nicht geschehen, weil er
noch nicht einmal die diesbezüglichen Fragen zusammengestellt habe.
4. Habe der Inquisitor die Weiber gefangen setzen
lassen, noch bevor in rechtlicher Weise das Processverfahren gegen dieselben eingeleitet war, wodurch er sich
abermals eine Competenzüberschreitung habe zu Schulden
kommen lassen.
5. Habe er alle Verhöre sowie alle Actenaufzeiehnungen vornehmen lassen ohne Beiziehung eines öffentlichen Notars, wenigstens ohne einen vom Bischof anerkannten 2).
Hieran knüpfte sich ein längerer Eedekampf, an dessen
Ende Merwais so weit vorging, dass er den Inquisitor
als Kichter in dieser Sache als parteiisch (suspectum) geradezu zurückwies und an seine Stelle den Bischof von
') Es ist hiebei an die Bulle Summis desiderantes afl'ectibus
gedacht; doch dürfte nach derselben die Befähigung des Johann
Kanter nicht zweifelhaft erscheinen, da die Bulle sagt seu quovis
notario publico p e r i p s o s seu quem libet eorum pro tempore
deputando, ohne dass eine Beeidigung durch den Bischof gefordert wird.
2
) S. hierüber die obige Anm. Bei den meisten Verhören war
übrigens nach den Angaben über die Zeugenverhöre Johann Kantor
zugegen.
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Freising, sowie dessen Decan und Generalvikar in Vorschlag brachte. Die Parteilichkeit (suspicio) des Inquisitors begründete er damit, dass dieser sich nicht an die
päpstliche Bulle gehalten habe, wie sich aus den Acten
ergebe. Als jedoch derselbe um eine Abschrift der Einwendungen des Vertheidigess ersuchte, sagte ihm dieser
eine solche bis auf den nächsten Tag zu, stellte aber
auch an den bischöflichen Commissär den Antrag, den
Inquisitor in Gewahrsam zu nehmen (ut in custodiam
recipiat). Für die Angeklagten aber beanspruchte er
völlige Freilassung, gab sich jedoch in Folge des Widerstandes des Inquisitors damit zufrieden, dass sie noch
weiter, aber nur in l e i c h t e r Haft behalten wurden.
Wie ernst es Merwais trotz dieser Nachgiebigkeit
mit der völligen Beiseitesehiebung des Inquisitors war,
beweist seine Weisung an seine Schutzbefohlenen, fortan
nur mehr dem bischöflichen Commissär auf seine Fragen
Antwort zu geben, nicht aber dem Inquisitor, da dieser
nicht mehr ihr Eichter sei.
Merwais verlangte sodann noch eine Abschrift der
päpstlichen Bulle und derProcessacten und erklärte nochmals,
auf dem einmal eingenommenen Standpunkt zu beharren.
Die gänzliche Beiseiteschiebung des Inquisitors gelang
Merwais nicht; vielmehr wurde diesem das Original der
Beschwerden des Vertheidigers eingeh ändiget, während
der bischöfliche Commissär Turner sich mit blossen Abschriften derselben begnügte.
Auf Betreiben des Inquisitors kam hierauf noch
einmal eine Besprechung der gesammten richterlichen
Commission zu Stande, wozu sich jedoch die bischöflichen
Delegierten erst dann herbeigelassen zu haben scheinen,
als alle Versuche, den Inquisitor von der Weiterführung
des Processes abzubringen, gescheitert waren. Doch erzielte diese Conferenz keine volle Verständigung, indem
der Inquisitor dabei beharrte, dass er der competente
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Kichter sei, während der Yertheidiger die Appellation an
den päpstlichen Stuhl ergriff. Diesen widersprechenden
Auschauungen gegenüber erbat sich der bischöfliche Commissär Bedenkzeit bis zum nächsten Montag (31. October),
welchen Termin auch der Inquisitor sowohl als der Vertheidiger für die Entscheidung über die Aufrechthaltung oder
Aenderun<j ihrer bisherigen Schritte annahmen.
G e r i c h t s s i t z u n g am M o n t a g den 31. Oct. 1485.
Ausser den als Theilnehmern bereits früher Erwähnten
nahmen an dieser Gerichtssitzung auch theil Johann
Blanckenhayn, Cooperator, und Ulrich Puchler, Kaplan
in Innsbruck, Priester der Diöcesen Naumburg (Nonbergensis ?) und Chur; die Gerichtssitzung fand statt im
Hause des Conrad Günther, eines Bürgers von Innsbruck.
Anfangs stiessen der Inquisitor und der Yertheidiger
hart auf einander, da letzterer seine Appellation an den
päpstlichen Stuhl durchaus aufrecht erhalten wollte,
während letzterer gegen eine solche auf das Entschiedenste
remonstrierte. Schliesslich gab hierin der Yertheidiger
nach und verlangte nur mehr, dass eine genaue Prüfung
des Vorgehens des Inquisitors gegen die Angeklagten
vorgenommen und ihm das Kesultat derselben mitgetheilt
werde; dann erst wollte er sich endgiltig über die weitem
Schritte entscheiden.
Damit erzielte Johann Merwais auch, was er schon
früher angestrebt, nämlich dass er neuerdings erklären
konnte, das ganze bisherige Processverfahren sei null und
nichtig, da seine Beschwerdepunkte in allem aufrecht erhalten blieben: da somit die Anklage in sich selbst zusammenfalle, brauche er auch keinen Beweis für die Unschuld der Angeklagten zu erbringen.
Turner verkündigte auf dies hin das Endurtheil:
„Der Process gegen die sieben angeklagten Weiber ist
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nicht nach den Kechtsnormen geführt worden und ist
darum null und nichts oder muss als solcher erklärt
werden (invalidatum seu invalidandum). Die eingekerkerten Weiber sind in Freiheit zu setzen; dieselben haben
jedoch des Aergernisses und Geschreies unter dem Volke
willen Bürgschaft zu leisten, dass sie jedeizeit, sei es
zum Zwecke einer neuen Untersuchimg oder zur Leistung
der cauonischen Reinigung, sobald sie hiezu aufgefordert
werden, sich dem Gerichte stellen wollen."
Merwais war dadurch befriediget, worauf der bischöfliche Commissär zum völligen Abschlüsse des Processes
schritt. Nochmals verlas er das Decret, durch das Bischof
Georg dem Inquisitor seine Vollmacht ertheilt hatte, erklärte dieselbe von nun an für erloschen und verlangte
die Zurückstellung des Originals; dagegen sträubte sich
aber der Inquisitor so sehr, dass Turner schliesslicb nichts
anderes übrig blieb, als durch den öffentlichen Notar
Bartholomäus Hagen in Gegenwart der obengenannten
Zeugen einen Protest dagegen einzulegen.
So war also der I n q u i s i t o r m i t s e i n e r A n k l a g e v o l l s t ä n d i g a b g e w i e s e n , die A n g e k l a g ten gerettet.
Noch blieb die Geldfrage ungelöst. Wie oben bemerkt, hatte der Inquisitor als diejenige, welche seine
Auslagen bezahlen sollte, die Pflieglin ausersehen. Nach
dem Freispruch der Angeklagten war natürlich nicht mehr
daran zu denken, dass von dieser Seite die Kechnung
des Inquisitors beglichen werde; doch entfernte die Freigebigkeit Erzherzogs Sigismund jede daraus entspringende
Schwierigkeit.
Derselbe beschied nämlich noch am
31. October die ganze Gerichtscommission zu sich und
erklärte, dass er sämmtliche dem Inquisitor und seinem
Gefolge erwachsenen sowie alle durch die Einkerkerung
und die Bewachung der Angeklagten entstandenen Kosten
auf sich nähme; sollte jedoch ein neuer Process begonnen
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werden, so solle dadurch seine Casse nicht weiter in
Mitleidenschaft gezogen werden.
Koch verliefen zwei Tage, bis die geforderten Bürgen
für die Angeklagten bestellt und diese in Freiheit gesetzt
wurden. Die Anforderungen, welche an die Bürgen gestellt wurden und die Verpflichtungen, welche dieselben
auf sich nehmen mussten, sind in den Acten in folgender
Weise angegeben.
Nota a r t i c u l o s , q u a l i t e r mnlieres detente
de c a r c e r e d i m i t t e n d e s i n t et quomodo fidein s s o r es cavebuut.
In primis. Mulieres et quelibet seorsum coram notario
et testibus ad manus domini commissarii ecclesie Brixinensis generalis loco domini episcopi obligabunt se, quod
si que vel aliqua earum fugam dederint aut alias iuri et
iudicio ecclesie stare contempserint, quod censeantur et
habeantur ipso facto et iure de maleficiis et aliis denunciationibus eriminum convicte, possintque et quelibet earum
ubicunque reperiantur pro talibus omnibus exceptionibus
semotis condemnari. Id mulieres omnes et quelibet secrsim promissione manuali in vim prestiti iuramenti ad
manus dicti domini commissarii coram me notario et
testibus infrascriptis sese obligarunt et quelibet ut premittitur obligavit. Item fideiussores vero earundem debent
esse viii providi, sub ditione Serenissimi principis morantes
ac habundanter tantum, quantum omnes mulieres in genere
verisimiliter in bonis habeant, et obligabunt se coram
notirio et testibus ad manus predicti domini commissarii
uti premittitur ad duo infrascripta:
1. Fideiubeant, quod mulieres coniunctim vel divisini
per se vel alias personus quovis quesito colore, verbo vel
facto extraiudicialiter nihil obprobrii vel mali inferant seu
inferri faciant ipsi domino inquisitori occasione eius processus et incarceracionis neque eundem quoquo modo
molestent vel impediant nullibi locorum nee alicui alteri
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cuiuscumque eonditionis fuerit, qui in causa inquisitionis
aliquo modo egerit vel deposuerit sub pena quinquaginta
marcarum, quas fideiussores tamquam principales ipsi inquisitori solvere quotienscumque contraventum fuerit absque mora teneantur.
2. Quod quecumque ex his mulieribus fugam dederit
aut iudicio ecclesie parere neglexerit, ad communem estimatiouem omnium bonorum mobilium et inmobilium
huiusmodi perfuge et conturaacis mulierisfiscofideiussores
et quilibet eorum insolidum solvere teneantur.
Item fideiussores sunt infrascripti, qui ad manus
memorati domini commissarii manuali promissione in vim
prestiti sacramenti occasione premissorum coram me notario
publico et testibus infrascriptis se obligaverunt, et quilibet
eorum solum et insolidum pro sua parte sese obligavit
iuxta et secundum preseriptos articulos.
Nomina fideiussorum.
Pro Helena Seheyberin Sebastianus Scheyber vir eius
legittimus cum omnibus bonis suis.
Pro Kosina Hochwartin Tliomas Metz, iudex in "VViltina
et Petrus Tischler, inliabitatores in Insprugg et quilibet eorum in solidum.
Pro Barbara, matre eius, Cristannus Sachs, slosser, civis
ibidem.
Pro Barbara Phlüeglin Thomas Metz, iudex in Wiltina
et Ulricus Peckh ac Leonardus Phlueg, cives ibidem,
et quilibet eorum in solidum.
Pro Barbara Hüfeysen Ludovicus Amman, schuester, civis
ibidem.
Pro Barbara Selachin Stephanus Helbling, schuester, civis
ibidem.
Pro Agnete Schneiderin Heinricus Tischler filius et Claus
Kirchmair, cives iu Insprugg, et quilibet eorum in
solidum.
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Acta sunt hee in dicto opido Insprugg Brixinensis
diocesis, in domo consolatus ibidem in stuba maiori, die
Jovis tertia mensis novembris anno, indicione et pontificatus prescriptis x), presentibus ibidem honorabilibus. et
providis viris et dominis Johanne Turner plebano in
Matray, Michaele Witt primissario et Johanne Rasoris
capellauo in Insprugg presbiteris, Brixinensis et Saltzeburgensis diocesis, ae Cristanno Kelhaimer iudiee, Stephano
Ph ister alias Snapp, Ulrico Swartz, civibus ibidem in Insprugg, et Wolfgango Valkner inhabitatoribus ibidem,
testibus ad premissa vocatis et specialiter requisitis.
In fidem premissorum Bartholomeus Hagen notarius
publicus manu propria scripsi.
Damit endigte der mit so umfangreichen Zeugenund Anklagemateriale geführte Process. Das Resultat
war ein so entschiedener Misserfolg des Inquisitors, dass
derselbe, wäre er nicht in höchstem Grade von seinem
Hexenwahn befangen gewesen, nach einem derartigen
Fiasco im ersten Falle, in dem er seines Amtes waltete,
wohl nicht mehr daran gedacht hätte, noch weitere Versuche zu machen, am allerwenigsten aber noch ferner in
Schrift und That eine Wirksamkeit zu entfalten, durch
die Tausende von Menschen als Opfer eines entsetzlichen
Wahnes in die fürchterlichsten Leiden und den grauenvollsten Tod geführt wurden. Dass aber der Inquisitor
durchaus nicht geneigt war, von weiteren Processen abzustehen, dafür spricht sein Aufenthalt in Innsbruck, den
er zur Sammlung neuen Anklagematerials benützte, wie sich
aus einzelnen Stellen der Schreiben des Bischofs Georg
nach Innsbruck abnehmen lässt. Dieser selbst war
über das Vorgehen des Inquisitors und sein ganzes Processverfahren empört und legte es diesem in einem Schreiben
') sc. indictione III, pontificatus Innocencii pape VIII. anno II.
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vom 14. November mehr als nahe, dass er möglichst bald
das Land verlassen solle, in dem er durch sein unbesonnenes Auftreten eine hochgehende Erregung der Gemüther herbeigeführt habe. Dieses Schreiben Hess er dem
Inquisitor durch Vennittelung (eines Chorherren von
Wüten?) Nikolaus' zustellen, indem er es mit einem
zweiten an diesen schickte und dabei ihm auftrug, auch
mündlich auf den Inquisitor einzuwirken, dass er möglichst bald das Land verlasse l). So scharf aber auch die
Aeusserungen des Bischofs waren, so dringend, ja gebieterisch er vom Inquisitor verlangte, dass er sich, um
weiteren noch viel verhängnissvolleren Schritten seiner
Gegner auszuweichen, entferne: die Schreiben blieben
ohne jeden Erfolg. Vielmehr blieb Heinrich Institoris
noch mehr als 11 Wochen in Innsbruck, um Material
für einen neuen Process zu sammeln. Wie weit er hierin
noch gekommen, darüber liegt auch nicht ein Actenstück
vor. Allein aus einzelnen Stellen eines Schreibens des
Bischofs Georg an den bereits genannten Nikolaus (vom
8. Februar 1486) scheint sich zu ergeben, dass nicht bloss
neue Einkerkerungen vorgenommen wurden, sondern dass
der Inquisitor diesmal sich früher an den Erzherzog
Sigismund wenden wollte, um sich nicht nochmals wie
im früheren Process, einem gänzlichen Misserfolg auszusetzen. Das Dazwischentreten des Bischofs aber verhinderte weiteres Unheil. In dem erwähnten zweiten Schreiben
an Nikolaus 2) fällt er nicht bloss ein vernichtendes Urtheil über die geistigen Fähigkeiten des Inquisitors, den
er geradezu für wahnsinnig hält, sondern spricht auch
seinen festen Entschluss aus, ihn vollends von jeder
') Die beiden Schreiben s. Beil. 6 und 7; Sinnacher gibt
(6, 630/1) beide in Uebersetzung; weshalb er den genannten Nicolaus
als einen Chorherren von Wüten bezeichnet, ist aus den Originalschreiben nicht ersichtlich.
*) S. Beil. 8.
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IG
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weitem Untersuchung auszuschliessen. Wie ernst es
Bischof Georg damit sei, konnte der Inquisitor aus einem
Schreiben entnehmen, das derselbe am gleichen Tage
(8. Februar 1486) an ihn selbst richtete *). Bischof Georg
spricht in demselben zunächst seine Verwunderung darüber aus, dass er (der Inquisitor) trotz des schlimmen
Erfolges, den sein Process gehabt habe, und trotz der
reichlichen Beschenkung von Seite des Erzherzogs noch
immer sich in nächster Nähe des Gerichtshofes, an dem
er einen so auffälligen Misserfolg erlitten habe, aufhalte.
Daran reiht sich die offene Erklärung des Bischofs, dass
er, wie es ihm auch zustehe, die ganze Sache 2) in seine
eigene Hand nehmen wolle und er sich nicht weiter mehr
einzumischen habe; noch sei es ihm nicht möglich, persönlich mit dem Erzherzog über die Sache zu verhandeln,
er werde es aber möglichst bald thun, da ohne des letztern
Beistand nichts Erspriessliches geleistet werden könne;
seine Paternität (der Inquisitor) möge an die Gefahren
denken, denen er von Seite der Gatten und Freui:de der
Weiber3) ausgesetzt sei; er bedürfe seiner Anwesenheit
nicht länger, da er alles vermöge der eigenen ordentlichen
Gewalt in's Reine bringen könne; er (der Inquisitor)
möge, wie er ihm schon früher gerathen habe4), in sein
Kloster zurückkehren, nicht aber andern zur Last fallen ;
schon lange sei er (Bischof Geoig) des Glaubens gewesen,
dass dieses geschehen sei.
Damit schliessen die vorhandenen Acten. Dank der
Energie und Einsicht des Bischofs Georg und seinen De') S. Beil. 9.
) Es lässt sich darunter k a u m etwas anderes denken, als ein
neuer Hexenprocess.
3
) Ob dabei a n d i e obigen sieben oder a n neuerdings gefangen
gesetzte zu denken, ist n i c h t sicher, eher wohl d a s letztere.
4
) S. Beilage 6.
2
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77
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putierten war der erste Versuch des Inquisitors, seine
neue Gewalt zu gebrauchen, so grossartig er auch angelegt war, vollständig gescheitert; auch nicht ein Opfer
sollte diesmal dem furchtbaren Wahne preisgegeben werden.
Es mag aber auch das Ergebniss dieses Processes zum
Theile wenigstens noch weitere günstige Folgen gehabt
haben. Wäre eine Yerurtheilung gefolgt, wer kann sagen,
welche Opfer den ersten noch nachgeschickt worden wären;
sieher wäre nicht mehr als ein J a h r h u n d e r t verflossen, bis das Gespenst der Hexenverfolgung neuerdings in
der Diöeese Brixen auftauchen konnte ; so finden wir aber
Acten von Hexenprocessen im Brixner Hofarchiv erst wieder
aus dem zweiten Decennium des 17. Jahrhunderts; und auch
diese beziehen sich nicht auf viele Fälle; zwar taucht eine
grössere Anzahl in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts auf, doch folgt ein rasches Sinken bis zum
völligen Erlöschen. Die Zahl sämmtlicher Hexenprocesse,
die überhaupt noch im Brixner Hofarchiv erhalten sind,
dürfte zwanzig nicht überschreiten1). Die letzten Schreiben
des Bischofs waren sicher nicht derartig, dass der Inquisitor daraus hätte abnehmen können, man billige sein
Vorgehen oder sei gar bereit, sich von ihm in's Schlepptau nehmen zu lassen. So richtig er diesbezüglich nach
seiner Anschauung im Mall. mal. schreiben konnte: „Sed
quod singula, quae in illo dumtaxat oppido (Innsbruck)
reperta sunt, dum recitare vellem, Über utique foret conficiendus, so klingt es doch wie eine Ironie, wenn er,
nachdem ein ganzer Wust über die Hexen und Hexereien
in Innsbruck angeführt ist, weiterfährt: Singula haec non
ad ignominiam sed ad laudem et gloriam illustrissimi
arcliiducis conscripta sunt, cum r e v e r a u t i c a t l i o l i c u s
') Vgl. Rapp, Die Hexenprocesse etc. S. 17. Da dan Hofarchiv noch lange nicht hinreichend geordnet ist, kann ich hier
diese Zahl nur schätzungsweise angehen; ich glaube jedoch, fie
Kei eher zu hoch als zu niedrig gegriffen.
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78 —
princepsetpraecipuuszelatorin exterminium
earum cuin assistcntia reverenclissinii ordinarii
Brixinensis non mediocriter laboravitl), eine Bemerkung, die, soweit sie nicht durch die Acten des
Proeesses als Unwahrheit erwiesen wird, sehr zu weitem
Forschungen über die Beziehungen des Erzherzogs zu den
Hexenverfolgungen anregen muss.
Beilagen.
l.PublieierungderBulle„Summisdesiderantes
a f f e e t i b u s " d u r c h Bischof Georg von Brixen.
23. Juli 1484 (Protoc. Cons. n. 194).
Gregorius dei gratia episcopus Brixinensis uuiversis et
singulis abbatibus, prepositis, prioribus, decauis, vicedecanis,
parroehialiumque icclesiarum rectoribus sew loca teneatibus eoruudem, vicariis perpetuis ceterisque presbiteris
curatis et non curatis per civitatem et diocesitn nostras
ubilibet constitutis salutem in domino. Litteras sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini Innocentii
divina providentia pape octavi eius vera plumbea in filis
serieeis rubei glaueeique coloris impendente ballatas, sanus,
integras et illesas ac omni prorsus vicio et suspicione
carentes nobis pro parte venerabilis ac religiosi in Christo
dilecti Heinrici Institoris ordinis fratrum predicatonim et
sacre taeologie professoris ae heretice pravitatis inquisitoris principalis in eisdem litteris apostolicis priucipaliter
nominati presentatas cum ea qua deeuit reveventia recepimus sub huiusmodi tenore: „Inuocentius episcopus
servus servorum dei ad futuram rei memoriam. Summis
desiderantes affectibus, prout pastoralis sollieitudinis cura
0 Mall. mal. II. q. 1. c. 12; sollte Sigismund in dem vom
Inquisitor geplanten neuen Process oder in dem vom October bis
November sich diese Schmeichelei verdient haben?
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requirit, ut fides catholica „etc.", finis vero: „Datum Korne
apud Sanctum Petrum anno incarnationis doniinice MCCCC
octuagesimo quarto, poutificatus nostri anno prinio".
Post quarum quidem litterarum apostolicarum presentationem et receptionem nobis et per nos ut preniittitur
factam fuit nobis pro parte eiusdem fratris Heinrici Institoris inquisitoris et principalis debita cum instantia
supplicatum, quatenus ipsas litteras apostolicas ipsumque
fratrem Heinricum ac ab eo substitutos et deputatos neu
deputandos ad earundem executionetn per civitatem et
diocesim nostras admittere dignaremur. Unde nos supplicationibus huiusmodi ymo verius mandatis apostolicis
humiliter et devote parere volentes ipsum fratrem Heinricum et alios ab eo sub^titutos et universos in civitate
et diocesi nostris consistentes offieium inquisitioiiis huiusmodi iuxta earundem litterarum apostolicarum formam et
tenorem exequendi admisimus et tenore presentium adinittimus. Vtbis igitur universis et singulis supradictis
districte precipiendo etiam sub penis et censuris in ipsa
bulla contentis mandamus, quatenus prefatum fratrem
Heinricum et ab eo substitutos ac substituendos, cum ad
vos vel alterum vestrum declin averint causa verbum dei
predieandi ad effectum offitii inquisitioiiis aut inlorniandi
(desuper) populum, ne huiusmodi errores et demonuni
illusiones sequantur, benigne admittatis reverenterque recipiatis ac pertractetis. Et propterea de (omnipoteiiti?.)
dei misericordia ac beatorum apo.stolorum Petri et Pauli
auctoritate confidentes onmibus vere peiiitentibus et confessis, qui auxilium, favorem et qualecuuque adiumeutum
ad inquisitionem huiusmodi zelo fidei, ut perfidia huiusmodi eradicetur, dederint, eisdem et cuilibet ipsoruin
quadraginta dies iudulgentiarum de iniuuctis eis penitentiis misericorditer in domino relaxamus. Datum Brixine
sub nostri vic.iriatus sigillo die vigesima tertia iulii, anno
domiui MCCCC octuagesimo quinto.
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2. S c h r e i b e n des Bischofs Georg G o l s e r von
B r i x e n an den E r z h e r z o g S i g i s m u n d betreff
des w e i t e r n V o r g e h e n s gegen die Hexen.
21. Septemb. 1485 (Protoc. Cons. n. 200, Sinnacher 6,
627—629).
Meinem gnedigen herrn von Oesterreich von wegen
der inquisition der ketzerlichen schnödikait liant
zu haben.
Durchleüchtiger hocbgeborner fürst, Gnädiger herr.
Als E. F. gnad uns ain furnemen zugesandt, das der
wirdig doctor der heiligen geschrifft der inquisitor geantwurdt hat und E. G. begert darin zu raten. G. H. N.
berüert die sacli unser bischofflich amt, wo ain inquisitor
von des heiligen stuels zu Rom wegen ehumbt, sein wir
schuldig raitsambt dem inquisitor dariun zu handeln und
unsern gewalt in auch lassen gebrauchen, und so die
ding der zawbery und der unholden wider die er gottes
ist, ratten wir, dass E. G. dem cristenlichen gelawben zu
behilff und unserm heiligen vater dem babst zu gehorsam
und Bunderlich nach lawt penlicher constitution, an mer
enden gemainer bäbstlichen geschriben rechten auf weltlicher herren und obrikait gewaltsam unverschaidenlichen
auslangen, dem inquisitor beystand hilff u.d fürdrung
beweyse, damit sölh übel und sünd gestrafft werden.
Wir veelmnden auch E. G.; das sein process und fürnemen gar weyslich und ordenlich ist, nach lawt der geschriben rechten gesetzt und betracht ist und wir im
auch unsern gewalt mittaylen und durch ayn geächrifffc
pey disem poten im zuegesandt. Der bemelt doctor hat
ye den rechten form in solhen Sachen zu haundeln, darumb dester fueglichar ist in darin nit zu verlassen
sunder zu hant zu haben. Aber G. H. so in vil Sachen
in geschriben rechten gnad bescliickcht, so die personen
so verbrechen in mercklicher anzall sein, möcht E. G.
mit willen derselben doctor erlangen, oder ob in das auch
guet bedunckchen wolt, das die grössern sach als die
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81 —
unef und lestrung gottes mit gaysein und nadeln stechen
der gepildnuss, auch wo durch die zawbery die lewdt
umb das leben sein chömen und desgleichen strengklich
mit urtail fürgenomen und gestrafft, und ander häundeln
die sich begeben au urtail mit peuen und penitentzen,
und die myndern, tlarinn ains das ander verfürt, auch
mit penitentz gestrafft wurden, und ain ernstlich filernemen ausgieng, das hinfüran nyemandt sich unterdtuend,
sölh zawberey zu treyben; weihe aber das überfüren,
süllen an alle gnad strengklich, wie dann die recht begreiffen, bestrafft werden. Sölhs möcht versuecht werden
bey dem inquisitor, ob er das wolt zuegeben und des
macht hiet aus gutikait für ze nemen, ob villeicht durch
die guetikait der irsal dester mit pesserm fueg ausgerewdt
möcht werden, und die lewdt peicht und puess pestüenden
und vollbrachten, als das E. G. mitsambt dem doctor
pas ways ermessen, dann wir kunnen schreiben. Wolt er
das aber nit nachgeben, oder hiet sein nit gewalt und
wurde E. F. G. anrüeffen ums scherm und hilff, die sol
E. G. darumb nit abschlahen, damit die grossen sündt
und uncristenlich werch got zu lob und zu eren gestrafft
werden. Damit bevelhen wir uns und unser gotshaus
E. G. Geben zu Brichsen an sand Mathewstag des heiligen zwelfpoten anno etc. 85.
Georg von gots gnaden
bischove zu Brichsen.
3. S c h r e i b e n des Bischofs Georg Golser von
B r i x e n an den I n q u i s i t o r H e i n r i c h I n s t i t o r i s
betreff des w e i t e r n V o r g e h e n s gegen die der
H e x e r e i A n g e k l a g t e n . 21. Sept. 1485 (Protoc.
Cons. n. 201).
Inquisitori heretice pravitatis.
Spectabilis ac venerabilis pater. Post salutes plurimas sciat Paternitas Vestra nie litteras vestras accepisse
Ferd. Zeitschrift.
III. Folge.
£4. Heft.
6
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per niintium illustrissinii domini Sigismundi archiducis
Anstrie ac etiam ea scripta, que P. V. sue illustrissime
dominationi presentavit. Commendamus imprimis P. V.
sollieituclinem, que laboriose singulis veteris et novi iuris
passibus factum inquisitionis concernentibus magistraliter
instituit, et perfecto res nobis gratissima foret, si personaliter, quemadmodiun hiis aliis et ex causis in opiduni Isprugk propediem venire statueramus, in lioe opere P. V.
assistere ymo et concurrere potuissenms, sed valetudo
corporis adversa adeo nos invasit, ut non sine dolore
plurüno propter arteticas passiones ad legendum tanta
scripta comoditas daretur. Sed ne opus inceptum nostra
impediatur absentia, presentium tenore, ut constitutioni
Cleraentis quinti in concilio Viennensi edite que incipit:
Multorum x) satisfiat, coram notario et testibus infra scriptis
procedendi et sententiandi P. V. vices nostras plenarie
committimus, hoc tantum proviso, ut a constitutione Bonifacii c. vicesimo: Statuta, in § cessante de hereticis L. VI.
non recedatur. Bonum tarnen videretur, quod P. V. aliquos ex doctis consiliariis illustrissimi et potentissimi
principis nostri adhiberet, seu ab eis dari consilium expeteret. Scribimus dicto illustrissimo principi, quatenus
favore fidei orthodoxe et pro obedientia apostolice sedis
V. P. in executione offitii inquisitionis requisitus iuxta
P. V. invocationem assistere ac auxilium ferre et manutenere dignetur, ut huiusmodi gravia peccata evitentur
ac emendentur et secundum sacras sanctiones super potestatibus secularibus editas vestris taiuquam inquisitoris
heretice pravitatis invocationibus satisfaciat et factis vestris
acquiescat et ab aliis serenitati sue subiectis hoc idem
fieri committat. Commendavimus denique apud suam
serenitatem dignissimam P. V. feliciter. Datum ex Brixina
in die sancti Mathei apostoli anno domini etc. LXXXV.
Notarius dominus Erasmus Pungfinger testes Leonardus
Kuttenstainer plebanus in Brutz, Johannes de Rost und (vacat).
») De baereticia tit. 3. c. 1.
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83
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4. E r z h e r z o g S i g i s m u n d e r s u c h t den Bischof
von B r i x e n um A b o r d n u n g eines Commissaers.
7. October 1485 (Original).
Erwirdiger lieber freund. Als dann der inquisitor
auf das so an in gelangt ist, syben frawen hie in vankhnuss nemen hat lassen, und. dainij; er dester pass und
förmlichen nach Ordnung der recht darynn handeln müge,
darauf begern wir an ew mit vleyss ernstlichen, ir wellet
ewrn coinniissarien oder ainen andern gelerten doctor
und tewglichen dartzü heraus senden oder yemand gelerten hievon bevelhen, der im an den sachen raetlichen
und bestaendig sey. Und ir tuet uns daran sunder guet
gevallen. Geben zu Insprugg an freytag vor sand Dyonisientag, anno domini etc. 85.
Sigmund von gots gnaden
Ertzherzog zu Osterrich etc.
Dominus dux Austrie
in consilio.
5. B i s c h o f Georg von B r i x e n b e s t i m m t den
P f a r r e r zu Axams S i g m u n d Samer zu seinem
D e p u t i e r t e n im H e x e n p r o c e s s (Original).
Yenerabilis domine licentiate. Illustrissimus dominus
princeps noster mihi scripsit, ut mitterem aliquem doctum
aut deimtarem aliquem ab extra, qui assisteret inquisitori
heretice pravitatis, et quia non fuit datum comode aliquem
mittere, deputavi dilectionem vestram. Kogo itaque, ut
velitis interesse, ne possit lamentari, quod nullum doctum
habere potuerit. Libenter deputassem dominum licentiatum
Fuchsmagen, sed veritus sum ipsum aliis rebus occupatum.
Peiuasi (Persuasi?) domino inquisitori istum effectum, et
quo(niam) est insolituin in istis terris inquirere taliter,
quod agat iuxta suam cedulam seu citationem quam
affixit et abiurantes hereses et errores pie suscipiat et
absolutionem impendat. Dignemini itaque informare qua6*
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teuus comode potestis istas si que sunt culpabiles, ut redeant ad gremium sancte matris ecclesie sicut premittitur.
Non potest coniodius ista res sopiri sine discrimine et
quo(niam) inquisitio iuris est adeo in hiis montibus insolita, et puto, quod per illum rnodum peecata huiusmodi
cessabunt et formido inquisitionis istas personas et alias
disterrebit, ut resipiseant. Oremus et deprecemur altissimum, ut disponat rem Christianam pro animaruni
salute et cessare faciat huiusmodi gravia delicta si que
sunt perpetrata: Ego non potui aliter facere, nisi iuri
scripto quantum in nie fuit propter obedientiam apostolice sedi debitam inherere et participare etc., sed dominus
inquisitor potest facere gratiam totam iuxta iuris formam.
Valete feliciter et oremus pro invicem ut salvemur. Yester
amicissimus G. E. manu nota et festina.
Deputavimus dominum suffraganeum et commissarium
ad complendam visitationem diocesis, ut valeamus sinodun*
celebrare, alii domini intendunt vindemiis et provisioni pro futuro anno. Itaque omnes docti ,sunt occupati
rebus propriis nee est yanum (?) pro domino inquisitore,
qui videtur et est doctus plurimuni et in hiis rebus expertus.
6. S c h r e i b e n des B i s c h o f s Georg an den I n q u i s i t o r 14. Novemb. 1485. (Sinnacher 6, 630.
Uebersetzung).
Venerabilis pater! Quia aliquorum animos exasperatos intellexi contra vestram pateruitatem, ideo visum
est omnino paternitatem vestram avizare debere, ut a loco
isto discedatis pro hac temporum conditione et de quanto
cicius tanto comodius. Plures defatigati sunt et processum paternitatis vestre estimant insolitum seu graviter
ferunt. Ideo tamquam is, qui scandalu et pericula debet
quomodo potest submovere seu intereipere, avizo paterni-
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tatem vestram, ut se conferat ad locum sollte residentie
et non manere in hoc loco; id conducit plurimum (scio
quid scribo). Nequaquam scribo sine misterio aut leviter.
Ideo in meliorem partem accipere scripta mea dignetur
paternitas vestra, quam cupio bene valere. Ex Brixina
festinanter die etc.
Georgius episcopus Brixinensis.
7. S c h r e i b e n des Bischofs Georg an den P f a r r e r
von I n n s b r u c k . 14. November 1485 (Sinnacher 6,
630, 631. Uebersetzung).
Plebano in Ysprugk ex parte inquisitoris.
Carissime frater! Cum commendatione solitam caritatem offero et complacendi promtissimam voluntatem.
Scribo inquisitori, prout ex copia interclusa paternitas
vestra videbit. Si non recessit et videtur consultum, quod
sibi detur, mittere dignemini aliquem iuvenem, qui ostendat nunccio meo presenti domum in qua habitat,
ut sibi litteram. meam tradat. Et si non recederet quantocius, tunc vice mea paternitas vestra sibi dicere dignetur,
quod satis multa scandala sunt suborta propter malum
processum suum, quod non remaueat in loco, ne deterius
aliquid inde sequatur aut sibi contingat. Intelligenti
pauca est valde indebitum id quod fecit. Valete felicissinie. Ex Brixina, XIIII. novemb.
Vestri amicissimus Georgius episcopus manu propria.
8. S c h r e i b e n des Bischofs G e o r g an N i k o l a u s 1).
Aschermittwoch, 8. Feb. I486 (Sinnacher 6, 631/2 theilweise). Copie.
Lieber brueder Niclas, mein dienst zu vor. Mich
verdrewst des münchs gar vast im bistumb, und schreibt
als ir in der copi hiebey finden werd, shickt im den
J
) Die von Sinnacher angeführte Bezeichnung: „Chorherr von
Wilthau" fehlt in der Copie.
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brieff expensis nieis. Ich find in des babst bullen, das
er bey vil bäbsten ist vor inquisitor gewesen, er bedunckt
mich aber propter senium gantz chindisch sein worden,
als ich in hie zu Brichsen gehört hab cum eapitulo.
Ich hab im geraten, das er solt in sein closter ziehen
und da beleiben; ipse realiter mihi delirare videtur, er
wolt villeicht noch geren in der frawn Sachen handeln,
ich lass in aber darzue nit chömmen, so er vormaln
als vast erriert hat in seinem process; was er am ersten
hat in geschrhiffb angeben, ist magistrale gewesen, aber in
practica sua apparuit fatuitas sua, quia multa presuposuit,
que non fuerunt probata. Ich muess ex officio ordinario
darinn handeln und bedarff sein gar nit dar zue; ich
nym in auch nit darzue, ich tuen auch nicht an unsern
gnädigten herren, ich bring die ding an sein gnad, wan
ich am peldisten zu seinen gnaden mit flieg mag chömen,
et in presentia vestra ist es not mit in zu reden, ut dimittant in futurum levitates suas, fiat, si volunt esse obedientes, in hoc relaxabitur captura etc., non sunt omnia
nunc scribenda. Ich hab ewr supplicacion in scriptis nit
vergessen, sed omnia sunt agenda cum gratiosissimo domino nostro, non dubito certe, quin diu durabit et erit
inaxime gratiosus. Si tarn magnus princeps pro tempore
est rigidus, nescitur qua ex causa proveniat, sed paciencia
est habenda. Deus disponet omnia pro meliori. Genu
dextrum est inaxime podagraticum et pes sinister per
totum, et credo quod faciat mala coniunctio saturni et
martis. Valete felicissime mi pater et amice confidentissime. Feria VI. cinerum 86.
Vester Georgius episcopus manu nota.
Noviter locutus sum de statuto nobilium etc. et quod
videtur mihi inutile pluribus respectibus et quod velim
revocare etc, ego dabo auxilium et favorem mihi possibiles in pronioticnem ve&tram sicut pio me ipso facerem,
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sitis certissimi in omnem modum et nullo pacto debetis
aliquid dubium habere.
9. S c h r e i b e n des Bischofs Georg an den I n q u i s i t o r . Aschermittwoch 8. Feb. 1486 (Sinnacher 6,
632, 633 üebersetzung),
Inquisitori heretice pravitatis.
Venerabilis doctor. Miror valde, quod manetis in
diocesi mea et in loco ita vicino . curie, in qua errores
sunt commissi et perventum ad dissensiones ne dicain
scandala. Gratiosissimus dominus archidux honorifice dotavit vos, ut sie recederetis in pace. Non videtur accomodum, quod intromittat se paternitas vestra de illis
personis, sed onus ineumbit mihi. Usque modo non fuit
datum loqui cum domino prineipe de hac materia, sed
adhuc faciam attento quod nihil fructuose fieri posset sine
sue excellentie assistentia. Verendum est, ne mariti mulierum vel amici possent patemitatem vestram offendere.
Non indigos in agendo presentia vestra, que plus posset
impedire quain conferre; ego auetoritate ordinaria faciam
que videbuntur expedire. Gerte paternitas vestra declinare
deberet ad suum monasterium sicut prius persuasi. Non
deberetis aliis esse molestus. Sepe dixi paternitati vestre,
quod nihil faceretis in diocesi pro hac temporum conditione sed exiretis. Ita etiam putabam vos diu recessisse.
Ex Brixina in die cinerum 86.
Gregorius episcopus.
ZOBODAT - www.zobodat.at
Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database
Digitale Literatur/Digital Literature
Zeitschrift/Journal: Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums
Ferdinandeum
Jahr/Year: 1890
Band/Volume: 3_34
Autor(en)/Author(s): Amman Hartmann
Artikel/Article: Der Innsbrucker Hexenprocess von 1485. 1-87