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Review: Emil Franzinelli, Andre Gamerschlag, et al. (Eds.): Tierbefreiung (2014)

2014

| Petra Mayr et al. Strategi völlig ohne Effizienzfrage geDies heißt jedoch nicht, dass Strategien wählt werden sollen. Auch wenn in diesem die Kontext das Ideal der exakten Wissenschaft wohl nicht erreicht wird, ist der datengestützte Ansatz von Cooney äußerst lobenswert rt und interessant. intere Aus diesem Grund ist das Buch vor allem für Aktivistinnen istinnen und Aktivisten, die sich mit der Erarrategien auseinandersetzen, ause die Zahl der Vegebeitung von effizienten Strategien tarierinnen und Vegetarier zu erhöhen, sehr empfehlenswert. Florian Leonhard Wüstholz Franzinelli, Andre Gamerschlag, 2.4 Emil Fr die tierbefreier tierbefr e.V.: Tierbefreiu – Beiträge zu Profil, StrateTierbefreiung gien und M Methoden der Tierrechtsbewegung 262 S., Münster: Mü Compassion Media, 2014, 15,00 EUR Tierrec - und Tierbefreiungsbewegung Die Tierrechts ist eine se sehr heterogene Bewegung. Dies führt dazu, dass es eine große Bandbreite an unterschied unterschiedlichen Strategien, Zielen und thevers Ansichten werden seit oretischem Überbau gibt.. Diese verschiedenen n Tierrechtsmagazin Tierrechtsm vielen Jahren im deutschen TIERBEFREIUNG diskutiert und dokumentiert. Zum um zwanzigjährigen zwanzig Jubiläum wurde nun ein Sammelband erstellt, in dem wichtige Beiträge der letzten zehn Jahre estellt wurden. wurden Darin werden die Heterogenität übersichtlich zusammengestellt a dargestellt. Das drückt der Bewegung und ihre Kontroversen anschaulich sich auch dadurch aus, dass ss im Buch nicht n bloß „anerkannte Positionen“ abgedruckt werden, sondern rn der Fokus auf die Meinungsverschiedenheiu Begründungen gelegt wird. ten und unterschiedlichen Standpunkte und Das Hauptanliegen dess Buches liegt lieg also in der Dokumentation dieser Diskurse und Debatten, welche innerhalb diversen Positionen sowie der Diskurs der Tierrechtsbewegung geführt eführt werden. werde Dies soll insbesondere helfen, n vor dem Vergessenwerden zu bewahren. Dabereits geführte Debatten durch soll zum einen erreicht eicht werden, werden dass die Diskurse innerhalb der drehen Zum anderen soll aber auch die Bewegung sich nicht im Kreis drehen. Disk verdeutlicht werden, welWichtigkeit solcher theoretischen Diskussionen | 94 | TIERethik, 6. Jg. 8(2014/1) Literaturbericht Die Mensch-Tier-Beziehung unter ethischem Aspekt | che bei einigen Aktivistinnen und Aktivisten als überflüssig und zeitverschwendend betrachtet werden. Der Sammelband gliedert sich in drei Teile, welche unterschiedliche Aspekte der Diskussion innerhalb der Bewegung dokumentieren: „Profil und Identität“, „Strategien und Methoden“ und „Direkte Aktionen“. Eigentlich handelt es sich beim dritten Teil ebenfalls um Beiträge zu Strategien und Methoden der Tierrechtsbewegung. Aufgrund der Natur von direkten Aktionen (insbesondere von Tierbefreiungen) und der kontroversen Stellung solcher Aktionen innerhalb der Bewegung widmen die Herausgebenden diesem Aspekt jedoch einen separaten Teil. Ein spezifisches Problem der Tierrechtsbewegung ist es, sich anhand ihres Profils von anderen Bewegungen abzugrenzen. So werden manche Ziele der Tierrechtsbewegung auch von anderen Bewegungen geteilt. Einerseits setzen sich viele Gruppen „für die Tiere“ ein; andererseits gibt es auch konkrete Überschneidungen. Ein besonders frappantes Beispiel ist die Abschaffung der Pelzindustrie, welche auch ein Ziel des klassischen Tierschutzes ist. Gleichzeitig unterscheidet sich die Tierrechtsbewegung stark von anderen Bewegungen, da sie ideologisch stets eine emanzipatorische Bewegung war und ist. Das heißt, sie ist insbesondere unvereinbar mit rassistischen und anderen menschenverachtenden Bewegungen. Dieses Problem macht den Auftakt des ersten Teils. Wie sollen sich Aktivistinnen und Aktivisten der Tierrechtsbewegung gegenüber anderen Bewegungen verhalten, welche zwar vielleicht ähnliche (kurzfristige) Ziele verfolgen, aber entgegengesetzte Werte vertreten? Der Grundtenor ist, dass die Tierrechtsbewegung sich klar von rassistischen und menschenverachtenden Bewegungen distanzieren muss. Einer der Herausgebenden argumentiert in einem der Beiträge jedoch für ein differenzierteres Verständnis des Umgangs mit anderen Bewegungen. Aktivistinnen und Aktivisten der Tierrechtsbewegung können zum Beispiel durchaus Aktionen des klassischen Tierschutzes unterstützen oder Vegetarismus fördern. Was die Tierrechtsbewegung benötigt, ist eine begriffliche und ideologische Klarheit, was deren Ziele und Werte anbelangt. Das schließt aber nicht aus, dass einzelne Menschen ohne weiteres in verschiedenen Bewegungen, welche sich in eine große „Tierbewegung“ eingliedern lassen, aktiv sein können. Dagegen wird dann in einem folgenden Beitrag eingewandt, dass es inkonsistent sei, gleichzeitig die Werte der Tierrechtsbewegung zu vertreten und zum Beispiel für größere Käfige zu kämpfen. Denn konkret bedeute dies, die Ausbeutung von Tieren zu legitimieren. Auch das Argument, dass durch die „gemäßigte“ Position des klassischen Tierschutzes eine breitere Masse der BeLiteraturbericht TIERethik, 6. Jg. 8(2014/1) | 95 | | Petra Mayr et al. völkerung für das Wohl von Tieren gewonnen werden könne, lässt die Autorin nicht gelten. Im Gegenteil, Aktivistinnen und Aktivisten der Tierrechtsbewegung müssten sich aktiv dafür einsetzen, dass andere Menschen sich direkt mit der „richtigen“ theoretischen Grundhaltung identifizieren. Oft wird auch die „vegane Bewegung“ mit der Tierrechtsbewegung vermischt. In einem Beitrag wird daher argumentiert, dass das Mittel des Veganismus durchaus Teil der Tierrechtsbewegung sein muss. Es muss dabei aber immer um die Frage gehen, was mit der eigenen Lebensweise bewirkt wird; Veganismus darf also nicht zum bloßen identitären Konsum-Lifestyle verkommen. Dies mündet in zwei weitere Beiträge, welche für die Notwendigkeit der Theoriearbeit in der Tierrechtsbewegung argumentieren. Damit die Ziele der Tierrechtsbewegung erreicht werden können, reiche es nicht bloß aus, herauszufinden, wie Menschen zu einer veganen Lebensweise gebracht werden können. Stattdessen müssten die gesellschaftlichen Strukturen identifiziert werden, welche überhaupt das Problem sind. Die weitverbreitete Grundhaltung im Sammelband ist dabei, dass der Kapitalismus das Hauptproblem sowohl der Ausbeutung der Tiere als auch der Menschen sei und deshalb überwunden werden müsse. Im zweiten Teil geht es dann konkreter um die Reflexion von Strategien und Methoden der Tierrechtsbewegung. Den Auftakt machen zwei sich widersprechende Beiträge zu der Frage, ob ein Vergleich zwischen Tierindustrie und Holocaust sinnvoll sei. Danach geht es um die Frage, ob Vorhaben wie das „Great Ape Project“ zielführend seien. Es wird argumentiert, dass dort zwar die Speziesgrenze durchbrochen werde, jedoch auf Kosten einer unhaltbaren Rechtfertigung, welche durch und durch anthropozentrisch sei. Damit verfestige sich womöglich der Speziesismus, statt aufgelöst zu werden. Und was ist eigentlich mit den ganzen Tieren, welche befreit wurden und dann auf „Lebenshöfen“ leben dürfen? Dieser Frage widmet sich ein sehr berührender Artikel einer der Inhabenden des „Antitierbenutzungshofs“. Hört man sich in der Bewegung um, ist die Unterstützung der Aktivistinnen und Aktivisten groß, wenn es darum geht, Tiere zu befreien. Leider schlägt sich diese ideologische Unterstützung selten in tatsächlichem Beistand von „Lebenshöfen“ nieder. Diese bangen fast immer um ihre Existenz, da sie von Finanz- oder Personalsorgen geplagt werden. Dies verdeutlicht, was für einen schwierigen Stand befreite Tiere haben, obwohl sie „frei“ sind. Die ideologische Anbindung an Werte, die auch von der politischen Linken geteilt werden, bringt die Frage mit sich, ob die Tierrechtsbewe| 96 | TIERethik, 6. Jg. 8(2014/1) Literaturbericht Die Mensch-Tier-Beziehung unter ethischem Aspekt | gung auch gewisse Strategien der (radikalen) Linken übernehmen solle. Insbesondere die Bildung von Schwarzen Blöcken und großen Demozügen wird im Sammelband diskutiert. Zwei Meinungen zeichnen sich dabei ab: einerseits, dass die kritische Masse an benötigten Personen für Schwarze Blöcke in der Tierrechtsbewegung noch nicht erreicht sei; es gebe schlicht zu wenige, um die Methode des Schwarzen Blocks effektiv anzuwenden. Andererseits gibt es auch einen generellen Zweifel an der Effektivität des Demozuges. Passierende Personen können dadurch schlecht ins Gespräch verwickelt werden, und die Tierrechtsidee könne nur in stark vereinfachten Sprechchören vermittelt werden und werde oft fehlinterpretiert. Vor allem sei die klassische Demonstration für viele auch zu wenig subversiv und Aufsehen erregend. Gerade das, so wird argumentiert, solle das Ziel von Tierrechtsaktivismus aber sein. Schließlich wird im letzten Teil argumentiert, dass sogenannte Direkte Aktionen fast ausschließlich zu befürworten seien. Das heißt, Tierbefreiungen, Sabotage, Sit-Ins, Jagdstörung, Hacking von bestimmten Webseiten und ähnliche üblicherweise illegale Aktionen seien ein legitimes Mittel der Tierrechtsbewegung. So fragt Steven Best in einem Beitrag rhetorisch: „Würde es Ihnen genügen, einen Brief an Ihren Abgeordneten oder an die Zeitung zu schreiben, wenn eines Ihrer Familienmitglieder im Versuchslabor eingeschlossen und dort gequält würde? Würde Sie nicht dort einbrechen, wenn Sie könnten, und das Labor zerstören, sodass niemand mehr dort gequält werden kann?“ (241f.) In den Beiträgen wird aber immer betont, dass auch solche illegalen Aktionen gewissen Richtlinien unterworfen sein müssten. So dürften zum Beispiel keine Tiere und Menschen gefährdet werden, und es müssten vor allem diejenigen Ziele getroffen werden, welche auch anvisiert wurden. Denn einige Direkte Aktionen, so veranschaulicht einer der Beiträge, seien als „peinlich“ zu bewerten, da sie diesen Richtlinien nicht genügten und zum Beispiel das Eigentum unschuldiger Personen zerstörten. Der Sammelband ist ein wertvolles Zeugnis der vielschichtigen Debatten innerhalb der Tierrechtsbewegung. Als solches vereint er Beiträge von unterschiedlicher Qualität und Tiefe. Dies ist jedoch kein Manko, denn gerade diese Heterogenität ist es ja auch, was die Bewegung ausmacht. Nichtsdestotrotz zeichnet auch dieser Band, trotz gegenteiliger Absicht, ein Bild einer etwas identitätssuchenden und innerlich geteilten Bewegung, die in gewisser Weise noch immer in den Kinderschuhen zu stecken scheint. Viele Dinge sind einfach immer noch zu unklar. Was haben Tierrechte oder Tierbefreiung konkret mit dem kapitalistischen Gesellschaftssystem zu tun? Wie könnte eine Gesellschaft ohne TierausLiteraturbericht TIERethik, 6. Jg. 8(2014/1) | 97 | | Petra Mayr et al. beutung (und das heißt auch ch Ausbeutung Ausbeutu von Menschen) aussehen, und muss diese notwendigerweise anti-kapitalistischer Natur sein? Welche Strategien versprechen Erfolg rfolg und wel w che nicht? Und schlussendlich: langfris Ziele der Bewegung? Auf all Was sind die kurz-, mittel- und langfristigen diese Fragen wünscht man sich Antworten, Antwor die es aber leider nicht gibt. Das heißt aber nicht, dass ass Menschen, Mensche die sich für die Tierrechtsbewegung interessieren, eben vielleicht ielleicht genau gena deshalb, weil sie selbst Aktivistinnen und Aktivisten sind, d, von diesem Sammelband nicht sehr profitieren können. Im Gegenteil,, gerade weil noch so vieles unklar ist, muss das nommen und verarbeitet werden. Nur so lassen Durchdachte erfasst, aufgenommen sich die Ziele, Methoden und Werte der de Bewegung klarer erfassen und in Zukunft besser erreichen.. Aus diesem Grund ist der Sammelband auch empfehlenswert für all diejenigen, ejenigen, die sich einerseits für die Tierrechtsand erseits selbst Aktivistinnen und bewegung interessieren oder die ander Aktivisten sind und sich mit it diesen grundsätzlichen gru Fragen befassen. Florian Leonhard Wüstholz 2.5 Dan Lyons: Lyon The Politics of Animal Experimentation Hamps e: Palgrave Macmillan, 2013, 363 S., Hampshir 72,45 EUR „Die Interessen Interess der Tiere werden wenig berücksichtigt iim elitären politischen Prozess, der charakterisier ist durch die Dominanz der Forcharakterisiert schungsintere schungsinteressen und durch den effektiven Ausschluss von v Tierschutzorganisationen“ (3), diese These stellt Dan Lyons auf. Der Sozialund Politikwissenschaftler, Politikw Leiter des Centre for or Animals and Social Justice, einem Tierschutz-Think-Tank in Sheffield (UK), schließt mit diesem Werk eine literarische Lücke. Bis dato ato gab es nur n eine Untersuchung von Robert Garner aus dem Jahr 1998, 8, die Tierversuche Tierve in Großbritannien und den USA aus politikwissenschaftlicher haftlicher Sic Sicht beleuchtet. Dieser Bereich der öffentlichen Politik und dess Tierschutzes Tierschutz wurde bisher von Politikwissenzunehmende Sorge der Öffentlichkeit schaftlern stark vernachlässigt. Die zun um den Umgang mit Tieren eren und die wachsende Tierschutzbewegung Entwicklung der Gesetzgebung zum treiben seit den 1970er-Jahren die En Schutz von Tieren voran. | 98 | TIERethik, 6. Jg. 8(2014/1) Literaturbericht