MASTERARBEIT / MASTER’S THESIS
Titel der Masterarbeit / Title of the Master‘s Thesis
„Etwas anderes als die Ehe? - Eine heteronormativitätskritische Untersuchung der japanischen TV-Serie Kekkon
Shinai “
verfasst von / submitted by
Jasmin Paula Lydia Rückert BA
angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of
Master of Arts (MA)
Wien, 2017 / Vienna 2017
Studienkennzahl lt. Studienblatt /
degree programme code as it appears on
the student record sheet:
A 066 843
Studienrichtung lt. Studienblatt /
degree programme as it appears on
the student record sheet:
Masterstudium Japanologie
Betreut von / Supervisor:
Univ.-Prof. Dr. Ina Hein, M.A.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung..................................................................................................... - 6 1.1. Zur Entscheidung für das Thema und Vorstellung der Serie Kekkon Shinai ................ - 6 1.3. Aufbau und Ziele der Masterarbeit ............................................................................. - 8 -
2. Theoretischer Hintergrund .......................................................................... - 9 2.1. Diskurstheorie ............................................................................................................. - 9 2.2. Geschlecht aus dem Blickwinkel der Gender Studies ............................................... - 11 2.3. Sexualität und Heteronormativität ........................................................................... - 13 2.4. Heteronormativität und Populärkultur ..................................................................... - 15 2.5. Heteronormativität und Ehe ..................................................................................... - 16 -
3. Kontextualisierung: Ehe in Japan .............................................................. - 17 3.1. Einstellungen zur Ehe im Wandel ............................................................................. - 17 3.2. Wohn- und Lebenssituationen unverheirateter Personen in Japan ......................... - 19 3.3. Gesellschaftlicher Druck, Geburtenraten und Stigmatisierung................................. - 21 -
4. Ehe, unverheiratete Frauen und queere Elemente in japanischen
Fernsehserien ................................................................................................ - 22 4.1. Charakteristika von Fernsehserien............................................................................ - 22 4.2. Geschlecht und Medienkonsum ............................................................................... - 24 4.3. Ehe in japanischen Fernsehserien ............................................................................. - 25 4.4. Darstellungen unverheirateter Frauen in japanischen TV-Serien ............................. - 28 4.5. Männer-Rollen in Frauen-zentrierten Serien ............................................................ - 32 4.6. Darstellungen von LSBTIQ-Figuren in japanischen Fernsehserien ............................ - 32 -
5. Kekkon Shinai: Einführung ......................................................................... - 34 5.1. Ausstrahlung und Besetzung und musikalische Untermalung .................................. - 34 5.2. Kekkon Shinai als Konsumprodukt ............................................................................ - 35 5.3. Zusammenfassung der Serienhandlung .................................................................... - 36 5.4. Die Folgen: Aufbau und Spannungsbogen ................................................................ - 37 -
6. Kekkon Shinai: Analyse .............................................................................. - 42 6.1. Ebenen der Serienanalyse ......................................................................................... - 42 6.1.1. Figurenanalyse .................................................................................................... - 44 6.1.2. Figurenanalyse und Konstruktion von Geschlechterrollen ................................. - 44 6.2. Figuren in Kekkon Shinai ........................................................................................... - 45 6.2.1. Kirishima Haruka: Besetzung und Figur .............................................................. - 46 6.2.1.1. Amami Yūki und die Rolle der starken und selbstständigen Frau ................ - 46 6.2.1.2. Kirishima Haruka .......................................................................................... - 47 6.2.2. Tanaka Chiharu ................................................................................................... - 49 6.2.3. Kudo Junpei ........................................................................................................ - 52 6.2.4. Wichtige Nebenfiguren ....................................................................................... - 53 6.3. Konflikte der Figuren als Resultat des Un-Verheiratetseins ..................................... - 55 6.3.1. Familiärer und sozialer Heiratsdruck .................................................................. - 55 6.3.2. Finanzielle Sorgen und soziale Absicherung/ Alter und Einsamkeit ................... - 58 6.3.3. Konflikte der Figuren mit ihrem Alter und der Frage nach Gebärfähigkeit ........ - 59 6.3.3.1 Chiharus Erleben von Alter ............................................................................ - 59 6.3.3.2. Harukas Erleben von Körperlichkeit und Weiblichkeit ................................. - 61 -
-4-
6.4. Verhandlung von Ehe in Kekkon Shinai ..................................................................... - 63 6.4.1. Ehepaare in Kekkon Shinai – Ehe als Basis für Familiengründung ...................... - 63 6.4.2. Ehe und Hochzeit als filiale Verpflichtung .......................................................... - 65 6.4.3 Ehe als bürgerliche Pflicht ................................................................................... - 66 6.5. Ehe und Geschlecht................................................................................................... - 67 6.5.1. Aufteilung von Geschlechterrollen in den gezeigten Ehedarstellungen ............. - 68 6.5.2. Normative Performanz von Geschlecht - eine Voraussetzung für die Ehe? ....... - 70 6.5.2.1 Haruka als unverheiratete Karrierefrau ........................................................ - 70 6.5.2.2. Junpei als hanshakaijin ................................................................................. - 72 6.5.2.3. Femininität bei Chiharu ................................................................................ - 73 6.6. Chiharus Heiratsoptionen ......................................................................................... - 73 6.6.1. Asai Takeshi ........................................................................................................ - 74 6.6.2. Chiharu, Junpei und Takahara Seiji ..................................................................... - 75 6.7. Harukas Heiratsoptionen .......................................................................................... - 77 6.7.1. Higuchi Tōru........................................................................................................ - 77 6.7.2. Die Beziehung zwischen Professor Tanigawa und Haruka.................................. - 78 6.8. Alternativen zur Ehe – Wenn nicht Ehe, was dann? ................................................ - 80 6.8.1 Chiharus und Junpeis Schritte in die Selbstständigkeit........................................ - 81 6.8.2. Harukas Loslösung von der Gartenbau-Agentur ................................................ - 82 6.8.3 Zwischenmenschliche Beziehungen – Chiharus Freundschaften ........................ - 84 6.8.4. Ambivalenzen in der Darstellung der Beziehung zwischen Chiharu und Haruka - 86 6.8.4.1. Frauenfreundschaft als Ort der Thematisierung von
Diskriminierungserfahrungen .................................................................................... - 86 6.8.4.2. Haruka und Chiharu als Mitbewohnerinnen ................................................ - 88 6.8.4.3. Homoromantischer Subtext in der Darstellung von Chiharu und Haruka .... - 90 6.8.5. Interpretation im Kontext lesbischer (Un)Sichtbarkeit ....................................... - 92 -
7. Consclusio.................................................................................................. - 94 Literaturverzeichnis ....................................................................................... - 99 Abstract ....................................................................................................... - 109 -
-5-
Formalia
Bei der Transkription japanischer Termini und Namen verwende ich das erweiterte HepburnSystem. Japanische Termini werden, sofern sie nicht eingedeutscht sind, klein geschrieben.
Japanische oder chinesische Namen erscheinen in der in Japan und China üblichen Reihenfolge
mit Familiennamen vor dem Vornamen, während die Namen von Personen aus Europa und
Nordamerika in der Reihenfolge Vorname - Nachname widergegeben werden. Übersetzungen
werde ich bei erstmaliger Begriffsverwendung gegebenenfalls in Klammer anführen, es sei
denn die Begriffe wurden bereits im Haupttext erläutert. Zitate aus der zu analysierenden Serie
und aus fremdsprachigen Werken werden in eigener Übersetzung wiedergegeben, Abweichungen oder Auslassungen werden durch eckige Klammern hervorgehoben. Bei der Wiedergabe
englischer Termini und Zitate verzichte ich auf eine Übersetzung.
Im Sinne einer diskriminierungsarmen Sprache habe ich mich für die Verwendung geschlechtersensibler Sprache und den Einsatz des gender gaps entschieden (Bsp.: Teilnehmer_innen, Forscher_innen). Der gender gap, ausgedrückt durch einen Unterstrich zwischen
maskuliner und femininer Endung bei Pluralformen, dient der Infragestellung zweigeschlechtlicher Muster, indem durch die Öffnung eines Zwischenraums auch Geschlechtsidentitäten jenseits der binären Vorstellungen von weiblich und männlich symbolisch ein Platz geboten wird.
Durch das in der österreichischen Amtssprache übliche Binnen-I sollen in der Regel weibliche
Personen sichtbar gemacht werden, da diese sonst im generischen Maskulinum verschwinden.
Der Gender Gap hingegen verweist darauf, dass sich in der angesprochenen Personengruppe
auch Inter-, nonbinary- oder Trans-idente Personen befinden können.1 Bei Bezugnahmen zu
vorherigen Studien, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie sich ausschließlich
mit Cis-Frauen oder Cis-Männern beschäftigt haben, wird entsprechend auf die Verwendung
des gender gaps verzichtet.
1
Für weitere Möglichkeiten geschlechtersensibler Sprache siehe u.a. Baumgartinger 2010.
-6-
„Marriage pits the family and the couple against everyone else; alternative intimacies stretch
connections between people and across neighborhoods like invisible webs, and they bind us to
one another in ways that foster communication, responsibility, and generosity. If we are really
committed to making life better for as many people as possible, then we should consider
replacing marriage with wider units of connection and relation“ (Halberstam 2013: 110-11)
1. Einleitung
Zu Beginn dieser Arbeit möchte ich meine Motivation, mich dem gewählten Thema zu widmen,
beschreiben und die Fragen, die mich im Prozess der Bearbeitung des Themas anleiten, präsentieren. Außerdem werde ich in groben Zügen den Aufbau der Arbeit und meine Zielsetzung
umreißen.
1.1. Zur Entscheidung für das Thema und Vorstellung der Serie Kekkon Shinai
Steigendes Heiratsalter, sinkende Geburtenrate und die scheinbare Unvereinbarkeit von
Ehe/Mutterschaft und Karriere für Frauen sind nach wie vor Dauerthemen in der japanischen
Gesellschaft und Politik. Die Einstellungen der japanischen Bürger_innen zur Ehe spiegeln sich
wider in und werden beeinflusst durch die medialen Behandlungen der genannten Themen. Um
ein tieferes Verständnis für den Diskurs um das Thema Ehe, der auch das individuelle Verhalten
prägt, zu gewinnen ist es wichtig, die mediale Diskursebene und deren Beiträge ins Auge zu
fassen. Die japanische TV-Serie Kekkon Shinai - Wonderful Singlelife ist aus mehreren Gründen als Analyseobjekt geeignet:
Kekkon Shinai wurde im Dezember 2012 auf Fuji TV ausgestrahlt und erreichte dabei
eine Zuschauerquote von durchschnittlich 11.8% in der Kantō-Region (Dramawiki 2017). Die
Serie erhielt, auch wegen der Besetzung mit Amami Yūki, einer der bekanntesten Schauspielerinnen Japans in einer der Hauptrollen, starke mediale Aufmerksamkeit. Dennoch wurde sie
bisher noch kaum wissenschaftlich bearbeitet; eine Analyse kann somit eine Lücke in der Forschung zur medialen Repräsentation des Themas Ehe schließen.
Es gibt viele japanische TV-Serien, beispielsweise romantische Liebesgeschichten oder
auch solche, in deren Zentrum unverheiratete beruflich erfolgreiche Personen stehen, in denen
das Heiraten oder die Ehe beiläufig behandelt werden. Von diesen Serien hebt sich Kekkon
Shinai ab, da sich die Serie explizit auf das Thema Ehe bezieht und dabei die Institution Ehe
nicht nur auf der Ebene individueller Entscheidungen behandelt, sondern diese auf kritische
Weise in den Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen stellt. Die Thematisierung von Ehe in
Kekkon Shinai steckt eine Bandbreite von Positionen und Schwierigkeiten ab, die mit dem
Thema in Zusammenhang stehen. So wird etwa nicht nur der soziale und familiäre Druck auf
-7-
Frauen zu heiraten behandelt, sondern auch die Frage nach der finanziellen und sozialen Absicherung unverheirateter Frauen gestellt.
Der Fokus von Kekkon Shinai liegt auf der Beziehung zweier weiblicher Hauptfiguren
zueinander, die in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Darüber hinaus werden freundschaftliche, romantische und familiäre Beziehungen der Hauptfiguren zu anderen Figuren thematisiert. Kekkon Shinai erlaubt seinen weiblichen Figuren, sich aus Geschlechternormen und
an diese geknüpfte Erwartungen herauszulösen, indem den Figuren in der Serie verschiedene
Beziehungsformen als Alternativen zur Ehe in Aussicht gestellt wird. Insofern bietet sich das
dorama auch für eine Analyse aus einer queerfeministischen Perspektive an, im Rahmen derer
Geschlechterrollen und -identitäten und Beziehungsdynamiken zwischen weiblichen Figuren
tiefergehend analysiert werden können.
Meiner Entscheidung für dieses Thema geht eine langanhaltende Auseinandersetzung mit
feministischen Positionen zur Ehe in Japan voraus. Diese wurde gleichzeitig ergänzt durch eine
intensive Beschäftigung mit Ansätzen der Queer Theory im Rahmen meines Studiums der Gender Studies. Das gewonnene Wissen aus beiden Forschungsfeldern kombinierend, möchte ich
Kekkon Shinai unter einer heteronormativitätskritischen Perspektive untersuchen und die Serie
als Teil aktueller Diskurse um Ehe und die Situation unverheirateter Frauen in Japan analysieren.
1.2. Hypothese und forschungsrelevante Fragen
Bereits nach einem erstmaligen Sehen der TV-Serie zeigt sich, dass, obwohl das Thema Ehe
das zentrale und verbindende Element der verschiedenen Erzählstränge ist, die Darstellung von
nicht-ehelichen Beziehungen zwischen den Figuren eine besondere Stellung im Narrativ einnimmt. In Kekkon Shinai wird die Ehe nicht als eine Selbstverständlichkeit behandelt, sondern
es wird gezeigt, dass es neben diesem heteronormativen Konzept des Zusammenlebens von
einem Mann und einer Frau noch weitere Modelle von Beziehungen gibt, an die nicht dieselben
Erwartungen an Geschlechterkonformität geknüpft sind wie es bei der Ehe der Fall ist. Eine
genauere Analyse soll deshalb zum einen die Figuren unter dem Aspekt der Inszenierung von
Geschlechtsidentitäten ins Auge fassen. Gleichzeitig gilt es, die dargestellten Beziehungsmodelle – unter denen die Ehe eines darstellt – zu untersuchen und zu hinterfragen, in welchem
Zusammenhang diese mit den gezeigten Geschlechtsidentitäten und -rollen stehen. Aus diesen
Überlegungen leite ich folgende Forschungsfrage ab: Wie werden Geschlechtsidentitäten und
alternative Beziehungsformen unverheirateter Menschen in der Serie Kekkon Shinai dargestellt
und verhandelt?
-8-
Daraus ableitend habe ich folgende Unterfragen für die Analyse dieser Fernsehserie entwickelt:
• Wie beeinflusst die Auseinandersetzung der Figuren mit der Ehe die Verhandlung ihrer
Geschlechtsidentität und ihrer Geschlechterrolle in Kekkon Shinai?
• Wie stellt sich die Verhandlung weiblicher/femininer Geschlechtsidentitäten dar?
• Welche Arten von Maskulinität/Männlichkeit werden (re)produziert?
• Welche Vorstellung wird von dem Konzept Ehe vermittelt, und wie wird dieses bewertet?
• Welche normierenden Aspekte der Institution Ehe kommen zur Sprache, und wie gehen
die Figuren mit diesen um?
• Welche denkbaren Beziehungskonzepte außerhalb der Ehe werden vorgestellt, und in
welchem Verhältnis stehen diese zu einem normativen Ehekonzept beziehungsweise
wie grenzen sie sich von einem solchen ab?
• Welche Hindernisse beziehungsweise Defizite werden mit dem Leben als unverheiratete
Person und insbesondere als unverheiratete Frau in Verbindung gebracht, und wie gehen
die Figuren mit diesen Hindernissen um?
• Welche Handlungsmacht wird den Figuren im Bezug auf die Auswahl aus
verschiedenen Lebensmodellen zugestanden?
Diesen Fragen liegen die Vorannahmen zugrunde, dass die Norm der heterosexuellen Ehe Einfluss auf das Selbstverständnis von unverheirateten Personen und deren Geschlechtsidentität
ausübt (vgl u.a. Tokuhiro, 2013). Meine Hypothese lautet, dass die hier zur Analyse ausgewählte Serie in der Auseinandersetzung mit der Ehe und der Abgrenzung zum Konzept der Ehe
den Konstruktionscharakter und die Brüchigkeit von Heteronormativität aufzeigt. Dies erlaubt
es den Figuren gleichzeitig, alternative Geschlechterbilder zu erschaffen und erweiterte Formen
zwischenmenschlicher Beziehungen neu zu bewerten.
1.3. Aufbau und Ziele der Masterarbeit
Im Folgenden stelle ich zunächst die theoretische Grundlage vor, auf Basis derer das weitere
methodische Vorgehen und die Analyse der Serie gründen. Diese sind zum einen die auf
Foucault zurückgehende und im Rahmen von Medienstudien oftmals angewendete Diskurstheorie und zum anderen das Konzept der Heteronormativität, das seinen Ursprung in der Queer
Theory findet. Im dritten Kapitel nehme ich eine Kontextualisierung der Serieninhalte vor und
gehe dabei näher auf die Lebenssituationen unverheirateter Frauen in Japan ein. Das vierte Kapitel dient der Vorstellung des Diskurses zu unverheirateten Frauen und dem Thema Ehe auf
-9-
der medialen Ebene; hier werden frühere Serien und deren Darstellungen der genannten Themen sowie mögliche Interpretationen vorgestellt. Das fünfte Kapitel dient der Vorstellung der
gewählten Methode der Serienanalyse; es beschreibt meine Vorgehensweise während der Auseinandersetzung mit Kekkon Shinai. Ich werde zunächst auf die Umstände der Produktion, Ausstrahlung und Besetzung der Figuren eingehen und die Inhalte der Serie vorstellen. Anschließend werde ich im sechsten Kapitel die Serie unter den Aspekten der Behandlung des Themas
Ehe und im Hinblick auf die Entwicklung der zwischenmenschlichen Beziehungen der Figuren
untereinander untersuchen.
Diese wissenschaftliche Abschlussarbeit versucht, einen geschlechter-kritischen und
queertheoretischen Zugang mit Fragestellungen aus der Japanologie zum Geschlechterverhältnis in Japan und seiner Dynamik zu verbinden. Ich hoffe, damit nicht nur für den Bereich der
Frauenforschung innerhalb der Japanologie einen Beitrag leisten zu können, sondern auch Optionen für den Rückgriff auf Perspektiven der Queer Theory innerhalb dieses Forschungsfelds
aufzuzeigen.
2. Theoretischer Hintergrund
Diese Arbeit verortet sich als Diskursanalyse aus einer geschlechtersensiblen und queertheoretischen Perspektive. Ich werde nun den Diskursbegriff, mit dem ich arbeite, näher beschreiben
und das Konzept von Heteronormativität mit seinen Bezügen zu Populärkultur sowie zum Konzept der Ehe vorstellen.
2.1. Diskurstheorie
Der französische Philosoph Michel Foucault setzte sich als einer der ersten mit dem Begriff
Diskurs systematisch auseinander. In der Archäologie des Wissens ([1969] 1981) definiert
Foucault einen Diskurs als „eine Menge von Aussagen, die dem gleichen Formationssystem
zugehören“ (Foucault 1981: 170). Die von Foucault beschriebenen Aussagen existieren in unterschiedlichen Formen, beispielsweise als Konzept, Begriff oder Text. In ihrer Gesamtheit
schaffen diese Aussagen Diskurse, die die Denk-, Sprech- und letztlich auch Lebensweisen von
Menschen bestimmen. Foucault unterscheidet zwischen „Äußerungen“, die flüchtig und in ihrer
Wirkmächtigkeit beschränkt sind, und den wirklichkeitsschaffenden Aussagen, die den Diskurs
konstruieren. Am Beispiel der Ehe kann beispielweise ein Gesetzes-Dokument, das rechtliche
Bedingungen der Ehe festlegt, als Aussage im Diskurs gewertet werden, nicht aber die Meinung, die eine beliebige Person zu diesem Thema im Privaten äußert.
- 10 -
Der wesentliche Erkenntnisgewinn in der Auseinandersetzung mit Foucaults Diskursbegriff liegt darin, dass Diskurse keine bloßen Abbilder der Realität sind, sondern dass Diskurse
die Realität maßgeblich mitgestalten. Nach Foucault sind Diskurse Praktiken, „die systematisch
die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen. Zwar bestehen diese Diskurse aus Zeichen;
aber sie benutzen diese Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sachen. Dieses mehr
macht sie irreduzibel auf das Sprechen und die Sprache“ (Foucault 1969: 74 Hervorhebung im
Original). In Anlehnung an Foucault beschreibt Diskurs- und Genderforscherin Sara Mills Diskurse als „Objekt und Schauplatz von Auseinandersetzungen“ (Mills 2007: 17). Diskurse sind
nicht fixiert, sondern Ort eines „fortwährenden Streits um Bedeutung“ (ebd.). Mittels Diskursanalyse kann laut Mills
„[e]ine diskursive Formation [...] aufgrund des systematischen Vorkommens von Ideen, Meinungen, Konzepten, Denk- und Verhaltensweisen innerhalb eines spezifischen Kontextes entdeckt werden – und aufgrund der Effekte, die diese Denk- und Verhaltensweisen produzieren“
(Mills 2007:16).
Siegfried Jäger betont allerdings, dass Diskurse nicht als bloße Ausdrücke gesellschaftlicher
Praxis missverstanden werden dürfen, sondern dem Zweck der Machtausübung dienen. In der
Analyse von Diskursen muss diese Dimension der Macht mitbedacht werden:
„Die (herrschenden) Diskurse können kritisiert und problematisiert werden; dies geschieht, indem man sie analysiert, ihre Widersprüche und ihr Verschweigen bzw. die Grenzen der durch
sie abgesteckten Sag- und Machbarkeitsfelder aufzeigt[...]“ (Jäger 2000: o.A.).
Das Potential eines solchen Diskursverständnisses liegt darin, dass man in dem jeweils aktuell
diskursiv Produzierten, wie z.B. einer Praxis wie der Ehe, keine unveränderliche Tatsache sehen muss. Somit stellen sich Machtverhältnisse als veränderlich dar. Die Handlungen von Einzelpersonen, die als Vorbilder wahrgenommen werden, die Thematisierung der Ehe in Medien,
Politik und Wissenschaft und nicht zuletzt auch in der Populärkultur nehmen Einfluss auf bestehende Diskurse zur Ehe, die in sich widersprüchlich sein können. Auch steht der Diskurs um
die Ehe nicht in einem luftleeren Raum, sondern ist verknüpft mit anderen Diskursen wie denen
über Familie, Sexualität etc. Das Konzept des Diskurses erhält eine Ausweitung durch die Vorstellung des Dispositivs, das sowohl diskursive als auch nicht-diskursive Elemente beinhaltet.
Diskurse und Dispositive stehen in einem wechselseitigen Verhältnis von Einflussnahme aufeinander. Foucault beschreibt das Dispositiv folgendermaßen:
„Das Dispositiv ist [...] immer in ein Spiel der Macht eingeschrieben, immer aber auch an eine
Begrenzung oder besser gesagt: an Grenzen des Wissens gebunden, die daraus hervorgehen, es
gleichwohl aber auch bedingen. Eben das ist das Dispositiv: Strategien von Kräfteverhältnissen,
die Typen von Wissen stützen und von diesen gestützt werden“ (Foucault 1978: 123).
- 11 -
Im folgenden Kapitel werde ich näher auf den Begriff der Heteronormativität eingehen. Vorwegnehmen möchte ich aber bereits an dieser Stelle, dass ich Diskurse über die Ehe und auch
die Institution Ehe als ein nicht-diskursives Element in dem Dispositiv der Heteronormativität
positioniert sehe. Heteronormativität beschreibt „Heterosexualität als ein zentrales Machtverhältnis, das alle wesentlichen gesellschaftlichen und kulturellen Bereiche, ja die Subjekte selbst
durchzieht“ (Hartmann/Klesse 2007:9). Innerhalb dieses Machtverhältnisses werden die Bedingungen für Diskurse zur Ehe gestellt.
Zuletzt möchte ich nun noch den Begriff der Diskursebene vorstellen. Diese sind für
Jäger die „sozialen Orte“, an denen Diskurse passieren oder von denen Aussagen ausgehen
(Jäger 2000: o.A). Ich habe mit der Fernsehserie Kekkon Shinai die mediale Ebene als die Diskursebene gewählt, mit der ich mich im Folgenden auseinandersetzen werde – im Gegensatz
zu, beispielsweise, der Ebene der Politik oder des Alltags. Dabei ist mir bewusst, dass auch die
verschiedenen Diskursebenen nicht voneinander getrennt existieren sondern eine ständige gegenseitige Beeinflussung passiert.
Trotz der Konzentration auf die mediale Ebene und ohne dieser ihre große Bedeutung
abzusprechen halte ich eine Kontextualisierung von Ehe in Japan auf der Alltagsebene für sinnvoll. Das Herausgreifen von Beispielen für die Wirkung des Ehediskurses auf der Alltagsebene
soll helfen zu erkennen, an welchen Stellen die behandelte Serie stark von dem erlebten Alltag
vieler Personen abweicht und einen utopischen Charakter annimmt im Gegensatz zu Stellen, in
denen sie diesen Alltag spiegelt und reproduziert.
2.2. Geschlecht aus dem Blickwinkel der Gender Studies
Das (akademische) Verständnis von Geschlecht hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten
einen großen Wandel durchlaufen und sich dabei immer weiter von der Vorstellung einer intrinsischen Geschlechtsidentität, die Menschen den zwei klar voneinander abgrenzbaren Gruppen
Männer oder Frauen zuordnet, entfernt. Um im Folgenden auf das Konzept der Heteronormativität einzugehen möchte ich zunächst den theoretischen Zugang zu Geschlecht innerhalb der
Frauen- und Geschlechterforschung / der Gender Studies vorstellen.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit dieses interdisziplinären Forschungsfeldes steht nicht
nur die Auseinandersetzung mit Fragen zu Geschlecht/ern und Sexualität, sondern auch patriarchale und andere Machtstrukturen und in diesen Strukturen benachteiligte Personen. Geschlechter-Forscher_innen positionierten sich häufig als feministisch und nehmen somit einen
Standpunkt ein, aus dem heraus die Untersuchung von Geschlechterungleichheit gleichzeitig
- 12 -
deren Bekämpfung dienen soll. Sie suchen Erklärungen für Strukturen der Geschlechtersegregation, für hierarchische Verhältnisse zwischen Geschlechtern und spezifischen Vorstellungen
von Geschlechterdifferenzen, die zur Abwertung und Deklassierung von Frauen und von Personen, die geschlechtlichen Normen nicht entsprechen (beispielsweise Trans oder Intersex Personen) führen. Intersektionale Ansätze innerhalb der Gender Studies heben zudem die Verknüpfungen verschiedener Kategorien hervor, die neben dem Geschlecht zu Erklärung struktureller Ungleichbehandlungen herangezogen werden wie beispielsweise Sexualität, soziale
Klasse, das (Nicht-)Vorhandensein von Behinderungen, Rassifizierung und viele mehr. Die
heutigen Gender Studies nehmen darüber hinaus Bezug auf Erkenntnisse der Queer Theory,
eines poststrukturalistischen theoretischen Ansatzes, der Identitätspolitiken in Frage stellt.
Einige Erkenntnisse feministischer Geschlechter-Forschung werden heute auch in anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen als Grundlagen verstanden. Spricht man beispielsweise von Geschlecht, so ist eine Auftrennung des Begriffs in die Aspekte des körperlichen
Geschlechts (sex) und des sozialen Geschlechts (gender) bereits weitgehend Usus geworden.
Die Zuordnung des körperlichen Geschlechts verläuft anhand von Geschlechtsorganen, Geschlechtschromosomen und der hormonellen Zusammensetzung einer Person, und dient der
Festschreibung dessen, unter welche Umständen eine Person als Mann, Frau oder Intersex gilt.
Das soziale Geschlecht umfasst das Verhalten, die Sprechweise und den Habitus einer Person
und wird in einem alltäglichen und kontinuierlichen Prozess hergestellt. Dabei bestimmen historische und kulturelle Faktoren, welches Verhalten an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit als maskulin oder feminin wahrgenommen wird. Als Unterkategorie des sozialen
Geschlechts gilt die Geschlechtsidentität (gender identitiy), die subjektive Selbstzuordnung zu
einem Geschlecht oder zwischen den Geschlechtern (beispielsweise als genderqueer). Diese
kann, muss aber nicht mit dem körperlichen Geschlecht in Zusammenhang stehen und ist
ebenso wie das geschlechterspezifische Verhalten einer Person nicht fixiert, sondern kann sich
im Laufe eines Lebens ändern.
Lange Zeit wurde das anatomische Geschlecht als eindeutig und nichtkonstruiert und das
soziale Geschlecht im Gegensatz dazu als konstruiert verstanden. Einen dekonstruktivistischen
Ansatz verfolgte Judith Butler, für welche die Auftrennung in sex und gender kein geeignetes
Mittel ist, um aus biologistischen Argumentationen über Geschlechterdifferenzen auszubrechen. Im Gegenteil geht Butler davon aus, dass in dieser Unterteilung die „innere Stabilität und
der binäre Rahmen“ des Geschlechts gesichert würden (Becker-Schmidt/Knapp 2000:84). Für
die Queer-Theoretikerin Butler ist weder das anatomische noch das soziale Geschlecht vordiskursiv, und indem sie dies aufzeigt versucht sie, der Normalisierung und Naturalisierung einer
rigiden binären Geschlechterordnung entgegen zu wirken. Butlers Ausführungen sind auch in
- 13 -
den Gender Studies nicht unumstritten (Becker-Schmidt/Knapp 2000:93), bilden aber die
Grundlage eines anti-essentialistischen Zugangs zu Geschlecht, der heute in weiten Teilen der
Gender Studies als Grundlage angenommen wird.
2.3. Sexualität und Heteronormativität
Neben dem Geschlecht bildet die Frage nach Sexualität und sexueller Identität den zweiten
großen Forschungsschwerpunkt innerhalb der Gender Studies. In diesem Bereich sind vor allem
die Erkenntnisse der bereits oben erwähnten Queer Theory beachtenswert.
Um den Zugang der Queer Theory zu Sexualität zu verstehen, ist ein Rückblick auf
Foucaults Verständnis von diesem Begriff hilfreich. Bei Foucault lässt sich ‚Sexualität’ als ein
gesellschaftliches Machtverhältnis lesen, dem der Philosoph unter anderem in Sexualität und
Wahrheit (1976) besondere Aufmerksamkeit schenkt. Foucault richtet sich in Sexualität und
Wahrheit gegen die Repressionshypothese, die davon ausgeht, dass Sexualität im Europa des
neunzehnten Jahrhunderts zum Tabu wurde und das Sprechen über Sexualität unterdrückt
wurde. Im Zuge seiner Argumentation gegen die Repressionshypothese geht Foucault auch auf
die Sanktionierung von gesellschaftlich nicht anerkannten Sexualpraktiken und sexuellen Orientierungen ein, im Vordergrund steht bei aber ihm die diskursive Praxis von Sexualität allgemein. Er argumentiert, dass eine bestimmte Form von Sexualität keine natürliche Tatsache im
Leben der Menschen sei, sondern eine konstruierte Kategorie von Erfahrung(en), die historische, soziale und kulturelle Ursprünge hat (vgl. Spargo 1999:12). Für Peter Wagenknecht stellt
Foucaults Analyse von Macht und Sexualität einen „Wendepunkt“ dar „insofern sie den Begriff
Heteronormativität überhaupt [erst] ermöglicht“ (Wagenknecht 2007:25).
Heteronormativität beschreibt eine Hierarchisierung von sexueller Orientierung, in der
Heterosexualität die Norm darstellt und andere sexuelle Orientierungen oder Praktiken aufgrund ihres Abweichens von der Norm geringer gewertet oder gar nicht anerkannt werden. Heterosexualität gilt so als natürlich und normal. Gleichzeitig ist an die Idee der Heterosexualität
auch die Vorstellung zweier eindeutig voneinander abgrenzbarer und einander konträr gegenüberstehender Geschlechter gebunden, deren Begehren auf das jeweils andere Geschlecht gerichtet ist.
Um den Zusammenhang zwischen der Verknüpfung von Geschlecht und Sexualität näher
zu beschreiben möchte ich nochmals auf Judith Butler, diesmal auf ihr Konzept der heterosexuellen Matrix der Intelligibilität (Butler 1991:18), verweisen, den die Queertheoretikerin in
Gender Trouble (1990) formuliert hat. Die heterosexuelle Matrix der Intelligibilität beschreibt
die Verschränkung und Normierung von anatomischem Geschlecht (sex), sozialem Geschlecht/
- 14 -
Geschlechtsidentität (gender) und Begehren. Durch die Normativität der Heterosexualität werden bestimmte Konstellationen von anatomischem Geschlecht, Geschlechtsidentität und Sexualität intelligibel – also vorstellbar. Dies könnte beispielsweise eine Person sein, deren Geschlechtsidentität und anatomische Merkmale als ‚weiblich’ gelesen werden und deren Begehren sich ausschließlich auf Männer richtet. Geschlechtsidentitäten, Körper oder sexuelle Praxen, die von der Norm abweichen, fallen aus dem Bereich der Intelligibilität heraus und werden
dadurch unvorstellbar. Weiter geht Butler davon aus, dass Geschlecht – und zwar sowohl Geschlechtskörper als auch das soziale Geschlecht – durch „die Wiederanrufung in Sprache und
diskursiven Praktiken performativ hergestellt wird“ (Schuster 2012:638). Der Begriff der Performanz beschreibt eine sich wiederholende oder zitierte Praxis, die das, was sie darstellt, selbst
hervorbringt oder in Szene setzt. Auch die Kohärenz zwischen sex, gender und Begehren sind
also nicht naturgegeben, sondern das Ergebnis einer „mühsamen Zurichtung“, die durch das
diskursive Regime hegemonialer Heterosexualität (Heteronormativität) abgesichert werden
(ebd.).
Nach Hartmann und Klesse bringt dieses diskursive Regime „normative Annahmen über
‚gesunde’ Körperlichkeit und angemessenes Sozialverhalten sowie normalisierende Identitätszuschreibungen hervor, die allesamt den vorherrschenden Glauben an die Natürlichkeit, Eindeutigkeit und Unveränderbarkeit von Geschlecht und sexueller Orientierung fundieren“ (Hartmann/Klesse 2007:9). In diesem Sinne führt Heteronormativität zur Konstruktion einer Sexualität, die als ‚normal’ gilt (Heterosexualität) und zur Konstruktion von deren Abweichungen,
die als Identitätskategorien verhandelt werden (Homosexualität, Bisexualität, Transgender).
Von Individuen wird verlangt, sich selbst diesen Kategorien zuzuordnen. Insofern wirkt sich
Heteronormativität auch auf die Subjektbildung und die Art, wie Begehren gelebt werden kann,
aus: „In der Subjekt-Konstitution erzeugt Heteronormativität den Druck, sich selbst über eine
geschlechtlich und sexuell bestimmte Identität zu verstehen, wobei die Vielfalt möglicher Identitäten hierarchisch angeordnet ist“ (Wagenknecht 2007:17).
Heteronormativität behält ihre hegemoniale Wirkmacht über die ständige Reproduktion
einer strikten Geschlechtertrennung und die Naturalisierung von Heterosexualität in Diskursen,
Bildern, rechtliche Normen und Institutionen wie der heterosexuellen Ehe. Im Zentrum steht
dabei stets heterosexuelle Paarbildung, die als „Ursprung und Grundlage aller sozialen Beziehungen angesehen und in Diskurse über Körper, Familie, Reife, Gesundheit, Generativität, Erziehung und Nation eingeschrieben ist“ (Hartmann/Klesse 2007:9).
- 15 -
2.4. Heteronormativität und Populärkultur
Eine queerfeministische Analyse, wie sie in der vorliegenden Arbeit geplant ist, richtet sich
zum einen auf „die Wirkweise heteronormativer Vorschriften in unterschiedlichen gesellschaftlichen und institutionalisierten Bereichen“, zum anderen „auf die Herstellungs- und Naturalisierungsprozesse von sexuellen und geschlechtlichen Normen“ (Mesquita 2011:39). Da ich in
der vorliegenden Arbeit eine Diskursanalyse auf der medialen Ebene durchführe und mich dabei auf ein populärkulturelles Medienformat, die Fernsehserie, konzentriere, möchte ich zunächst noch auf das besondere Verhältnis zwischen Populärkultur und Heteronormativität eingehen.
Über der Unterhaltsamkeit dienende, (massen-)mediale Darstellungen können Hierarchien und Normalitätsregime etabliert, Normalitätszwänge verstärkt, aber auch abgebaut werden (Thomas 2012:220). Für den Fernsehforscher Knut Hickethier ist in diesem Zusammenhang das Fernsehen besonders wichtig, denn er beschreibt Fernsehen als „ein[en] Machtapparat,
mit dem sich auch Herrschaft über die Produktion von Öffentlichkeit repräsentiert und verfestigt“ (Hickethier 1994:63). Nicht alles ist im Fernsehen darstellbar. In Fernsehserien gezeigte
Verhaltensweisen und einzelne Handlungssegmente ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, die
sich laut Hickethier in „ihrer Angemessenheit beweisen“ müssen. Was als angemessen gilt,
unterliegt einem historischen Wandel, und einem Balance-Akt zwischen den Kategorien normal/normativ und außergewöhnlich. Mitmenschlichkeit und Sozialverträglichkeit stehen dabei
im Vordergrund der als angemessen betrachteten Verhaltensweisen (ebd.). Trotz offensichtlicher Einschränkungen, die nicht nur, aber auch in der Rentabilität der Produktion von Fernsehinhalten bedingt sind, kommt es doch gerade an der Schnittstelle zwischen den oben genannten
Kategorien von normativ und außergewöhnlich zu Verschiebungen und somit auch zu Möglichkeiten, in den medialen Darstellungen Zwänge des Normativen zu durchbrechen. Populärkulturelle Medien ermöglichen „Gegenerfahrungen zu rationalisierten Routinen des Alltags“
(Villa u.a. 2012:13) und somit Brüche mit letzteren.
Insbesondere im Bereich der Cultural Studies wurde in den vergangenen Jahren populärkulturellen Texten das Potential von Widerständigkeit und der Irritation hegemonialer Normen
zugeschrieben (Thomas 2012:213). Das Interesse feministischer Studien, die von einem solchen Potential ausgehen, richtet sich laut Tanja Thomas auf eine „Diskussion der affirmierenden oder subversiven Potentiale populärkultureller Texte und nimmt dabei immer auch Bezug
auf die Möglichkeiten, hegemoniale Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität zu bekräftigen oder zu unterlaufen“ (Thomas 2012:217/218).
- 16 -
2.5. Heteronormativität und Ehe
Die japanischen Ehegesetze werden derzeit so ausgelegt, dass eine Eheschließung nur zwischen
„Männern“ und „Frauen“ gesetzlich anerkannt wird. Dies suggeriert, dass in der Gesetzgebung
nicht nur von einer binären Geschlechterordnung ausgegangen wird, sondern auch von einer
normativen, ausschließlich gegengeschlechtlichen sexuellen Orientierung der Ehepartner_innen. Anders gesagt ist die Ehe (in ihrer derzeitigen Auslegung) eine Institution, die die Normativität von Heterosexualität zur Basis hat und auch stützt. Mit dem Konzept der Ehe sind auch
Erwartungen an eine bestimmte Rollenverteilung zwischen den Ehepartner_innen verknüpft,
die deren Beziehung zueinander, ihr Verhältnis zu Kindern, Aufgabenverteilungen im Haushalt
und ihre Rolle und ihren Status in der japanischen Gesellschaft mitbestimmen. Durch die Normativität der Ehe erhalten auch die mit der Ehe verknüpften und aus dem Konzept der Ehe
heraus resultierenden Erwartungen an unterschiedliches Verhalten von Männern und Frauen
ihre Gültigkeit. Nicht zu heiraten bedeutet entsprechend, sich den vergeschlechtlichten Vorstellungen, die an verheiratete Menschen gestellt werden, zumindest teilweise zu entziehen. In diesem Zusammenhang ist auch die Argumentation der Sozialwissenschaftlerin Tokuhiro Yoko zu
verstehen, die darauf hinweist, dass junge japanische Frauen, ohne sich dessen bewusst zu sein,
durch das Aufschieben oder den Verzicht auf die Ehe die Geschlechteridentität und den Begriff
‚Frau’ neu definieren (Tokuhiro 2010:52).
Obwohl die Ehe in Japan auf der Norm der Heterosexualität basiert und nur zwischen als
männlich und als weiblich klassifizierten Personen möglich ist, darf nicht angenommen werden,
dass nur heterosexuelle Personen heiraten, beziehungsweise dem Druck zu heiraten ausgesetzt
sind2. Die sich wandelnde Einstellung zum Thema Ehe in der japanischen Gesellschaft wirkt
sich allerdings auch auf Zugehörige sexueller Minderheiten aus: Zum einen nimmt der Druck
auf Personen ab, zu heiraten um gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen und dabei den
eigenen Zugang zu Begehren und die eigene sexuelle Orientierung zu leugnen. Zweitens gibt
es Grund zur Annahme, dass sich wandelnde Einstellungen zur heterosexuellen Ehe beziehungsweise die Ablehnung des heterosexuellen Ehe-Konzepts mit einer starken geschlechtlichen Rollenteilung die Akzeptanz gegenüber unkonventionellen Beziehungsformen erhöht.
Dieses können stärker partnerschaftlich ausgerichtete heterosexuelle Beziehungen, romantische
Beziehungen zwischen Frauen und jüngeren Männern, in denen Geschlechterrollen hinterfragt
werden, oder eben gleichgeschlechtliche Partner_innenschaften sein. Letzteren Punkt möchte
2
Zum Thema „marriage of convenience“ oder Zweckehe siehe auch Lunsing 2001.
- 17 -
ich auch im Hinblick auf eine Diskussion der sexuellen Orientierung der Figuren in Kekkon
Shinai betonen.
3. Kontextualisierung: Ehe in Japan
Im folgenden Kapitel möchte ich drei mit dem Ehediskurs verknüpfte Aspekte japanischer Lebensrealitäten herausgreifen, deren Thematisierung in Kekkon Shinai eine wichtige Stellung
einnimmt: Die Einstellung von Japaner_innen zur Ehe, Wohnverhältnisse unverheirateter Personen in Japan und gesellschaftlicher Umgang mit dem Thema Ehe.
Die Entscheidung der Figuren in der TV-Serie für oder gegen eine Eheschließung werden zum einen als abhängig von äußeren Umständen gezeigt, aber auch als abhängig von dem
jeweils individuellen Zugang und den Überlegungen, die sich die Figuren über die Ehe machen.
Im ersten Teil des Kapitels sollen bisherige Arbeiten zur Einstellung von Ehe unter Japaner_innen vorgestellt werden, um anschließend der Frage auf den Grund gehen zu können, ob die in
der TV-Serie bezogenen Positionen als exemplarisch für einen „gesellschaftlichen Sinneswandel“ in Japan gelesen werden können. Die Begegnung der weiblichen Hauptfiguren und ihre
Beziehung zueinander sind im Narrativ von Kekkon Shinai darin begründet, dass die beiden
Mitbewohnerinnen werden. Zuvor lebte die eine der beiden Figuren gemeinsam mit ihren Eltern, die andere lebte alleine. Es werden also gleich mehrere mögliche Wohnsituationen unverheirateter Personen vorgestellt, die ich an dieser Stelle im Bezug zu den in Japan üblichen
Wohnsituationen unverheirateter Personen stellen möchte. Der letzte Teil dieses Kapitels ist
der gesellschaftlichen Behandlung von Reproduktionsfähigkeit bei Frauen gewidmet, ein
Thema, das zumindest die weiblichen Figuren in Kekkon Shinai von der ersten Folge der Serie
an mit-beschäftigt.
3.1. Einstellungen zur Ehe im Wandel
Einige Tendenzen in der japanischen Gesellschaft deuten auf eine zunehmende Instabilität der
Institution Ehe hin. Dazu gehören das bereits seit längerem weiter ansteigende Heiratsalter (vgl.
Kumagai 2015:52), der Trend zur späteren Heirat, die damit einhergehende steigende Zahl
nicht-verheirateter beziehungsweise nie verheirateter Menschen (Kumagai 2015:52) und steigende Scheidungsraten (Kumagai 2015:89). Es gibt nun unterschiedliche Zugänge, diese sich
wandelnden Umstände zu interpretieren und aus ihnen Prognosen abzuleiten. Tokuhiro Yoko
etwa stellte fest, dass ein Großteil der Japaner_innen irgendwann im Leben heiratet oder zumindest vorhat, zu heiraten (Tokuhiro 2010:23). Im Vergleich zu westlichen Gesellschaften
- 18 -
kann laut Tokuhiro in Japan deshalb trotz sich verändernder gesellschaftlicher Strukturen nach
wie vor von einer kaikon shakai, einer Gesellschaft, in der alle heiraten beziehungsweise die
Ehe die Norm darstellt, gesprochen werden (ebd.). Eine andere Perspektive nimmt die Soziologin Ueno Chizuko ein, die von einer sich abzeichnenden hikon jidai (Zeit, in der nicht (mehr)
geheiratet wird) spricht, in der sich die Gesellschaft von der Norm der Ehe löst (Ueno 2015:10).
Was sind nun die Gründe dafür, dass in Japan weniger geheiratet wird? Die Soziologin
Miyamoto Michiko nennt als Gründe für den Aufschub einer Ehe zum einen den hohen Grad
an Freiheit und ein höheres Konsumniveau unverheirateter Personen, sowie zum anderen die
starke Aufteilung der Geschlechterrollen in einer Ehe (vgl. Schad-Seifert 2014:21). Mit Freiheit
ist dabei die Bestimmung über die Verwendung der eigenen freien Zeit und auch Freiheit von
Verantwortung gemeint. Dies betrifft auch die Verwendung des eigenen Geldes für sich und
zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, während im Falle einer Heirat ein solches Verhalten
negativ bewertet würde. Freiheit und Konsum werden hier im Zusammenhang mit einer Tendenz der Individualisierung in der japanischen Gesellschaft gesehen, die die verschiedenen Geschlechter gleichermaßen betrifft.
Der zweite von Miyamato genannte Punkt basiert darauf, dass das Modell Ehe in Japan
nach wie vor mit einer klassischen Arbeitsteilung einhergeht, in der der männliche Partner die
hauptsächliche finanzielle Verantwortung für die Familie trägt und die weibliche Partnerin in
erster Linie für die Kindererziehung und Hausarbeit zuständig ist. Der Begriff sengyō shufu,
(professionelle Hausfrau), beschreibt die Position von verheirateten, nicht arbeitenden Frauen
– und damit ein Idealbild, dass der Realität nicht entspricht, denn die Mehrzahl der verheirateten
Frauen in Japan geht zumindest einer Teilzeit-Arbeit nach. Die oft zitierte M-Kurve, die die
Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt beschreibt, zeigt einen (vorübergehenden) Ausstieg
vieler Frauen aus dem Berufsleben nach der Heirat oder der Geburt eines Kindes an (vgl. u.a.
Tokuhiro 2010:75). Für Frauen bedeutet dies in der Regel eine Aufgabe ihrer Karriere und die
finanzielle Abhängigkeit vom Ehemann (Schad-Seifert 2014:22). Diese in erster Linie negativen Konsequenzen für Frauen gehen jedoch auch mit Vorteilen einher. So stellte Tokuhiro
Yoko beispielsweise fest, dass die Rolle als Hausfrau für Frauen ein angenehmeres Leben mit
mehr Freiraum bedeuten kann als es bei der Weiterführung einer Vollzeit-Arbeit der Fall wäre
und daher oft als die bessere Alternative gewertet werde (Tokuhiro 2010:76). Aus diesen Gründen wird eine solche Position auch nach wie vor von jungen Frauen als erstrebenswert erachtet
(Ueno 2009:51-53).
Das Ehemodell mit der klassischen Rollenteilung passt zu den Lebensentwürfen traditionalistisch eingestellter Frauen, die die Ehe als notwendigen Teil des Lebens und die Identität
- 19 -
der Hausfrau als erstrebenswert betrachten (Nagase 2006:45). Viele Frauen stehen diesem Modell jedoch auch kritisch gegenüber und verschieben deshalb den Zeitpunkt einer Ehe nach hinten oder suchen nach Möglichkeiten, Familie und Karriere zu vereinbaren (ebd.). Die Soziologin Nemoto Kumiko sieht mangelnde Geschlechtergerechtigkeit in Japan als hauptsächliche
Ursache für den Aufschub der Ehe bei Frauen. Damit bezieht sie sich nicht nur auf die Geschlechterrollenteilung innerhalb der Ehe, sondern auch auf Geschlechterhierarchien und das
Vorherrschen geschlechtlicher Normen am Arbeitsmarkt, auf dem Frauen Benachteiligungen
erfahren. Nemoto erkennt bei Japanerinnen eine zunehmende Ablehnung der kulturellen Normen von Femininität, die Frauen „Assistenzrollen“ sowohl bei der Arbeit als auch zuhause zuschreiben (Nemoto 2008:243).
Das Heiratsverhalten der Japaner_innen ist also ein Indiz für eine kritischer werdende
Haltung gegenüber einem Ehekonzept mit einer strikten Geschlechterrollentrennung, nicht aber
für eine Ablehnung des Ehekonzepts an sich. Der Verzicht auf das Heiraten oder das Aufschieben der Ehe sind dem Umstand geschuldet, dass sich Erwartungen an die eigene Lebensgestaltungen nicht mit der Realität der Ehe in ihrer üblichen Form vereinbaren lassen. Gleichzeitig
nimmt der gesellschaftliche Druck, zu heiraten, nicht ab. Diese Umstände wirken sich auf die
Einstellung einzelner Personen zur Ehe aus. Einerseits entschließen sich Personen, die eine Ehe
nicht prinzipiell für erstrebenswert halten, auf Grund von gesellschaftlichem und familiärem
Druck und der Angst vor Einsamkeit dennoch zur Ehe (Hertog/Isagawa 2011:15). Auf der anderen Seite finden sich Personen mit dem Umstand des „Unverheiratet seins“ ab und arrangieren sich mit der Perspektive, ein Leben ohne Ehe zu führen.
3.2. Wohn- und Lebenssituationen unverheirateter Personen in Japan
Gegenwärtige demographische Veränderungen in vielen post-industriellen Gesellschaften gehen nicht selten mit alternativen Lebensstilen einher. In diesem Zusammenhang spielt die
Frage, welche Wohnsituationen in einer Gesellschaft üblich sind, beziehungsweise welche
Wohnoptionen Menschen zugänglich sind, eine wichtige Rolle. Die Wahl der Wohnsituation
ist zunächst an die Frage der Finanzierung gebunden, da Wohnraum in Japan, vor allem in
Großstadtgebieten, sehr teuer sein kann. Weiter ist an die Frage der Wohnsituation auch die
Frage der sozialen Einbindung geknüpft. Das Wohnen mit den eigenen Eltern, mit romantischen
Partner_innen, in einer Wohngemeinschaft oder alleine prägt jeweils auf unterschiedliche
Weise den Alltag von unverheirateten Personen. In Japan lässt sich ein Zuwachs an Ein-Personen-Haushalten, wie auch an Haushalten, in denen Paare unverheiratet zusammenleben sind,
empirisch nachweisen (Raymo 2007:672, Raymo, 2015:1271). Allerdings ist das Modell, dass
- 20 -
romantische Partner_innen unverheiratet zusammenleben, im Vergleich zu westlichen Gesellschaften nach wie vor eine Seltenheit. Häufiger hingegen ist der Fall, dass erwachsene Personen
länger in einem Haushalt mit ihren Eltern leben. Anette Schad-Seifert sieht einen Grund für
dieses Phänomen darin, „dass gesellschaftliche Vorbehalte gegen diese Lebensform [unverheiratet zusammen zu leben, Anm.] tief verankert zu sein scheinen“ (Schad-Seifert 2014:24).
Gleichzeitig, so stellt sie fest, hätten sich die Umstände, die früher zu einen Auszug aus dem
Elternhaus geführten hätten, geändert, und der emotionale Druck, den Eltern auf ihre Kinder
ausübten, um diese zum Auszug oder zur Heirat zu bewegen, hätte abgenommen (ebd.). Die im
Gegensatz zum Leben als verheiratetes Ehepaar beim Zusammenleben mit den Eltern verhältnismäßig geringere Verantwortung, sich an Haushaltsarbeiten zu beteiligen, kann für arbeitende
Frauen einen Grund darstellen, eine Eheschließung zu vermeiden oder zu verzögern (vgl. Raymo 2007:672).
Laut dem Japanologen James Raymo kann das außereheliche Zusammenleben in einer
Mann-Frau Paarbeziehung insbesondere für Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen und besserem Einkommen eine Alternative zur Ehe darstellen, die von diesen als egalitäres Arrangement unabhängig von den gesellschaftlichen Konventionen und Erwartungen, die an eine Ehe
geknüpft sind, wahrgenommen wird. In solchen Fällen kann das Zusammenleben zu einer Verzögerung der Eheschließung und der Geburt von Kindern, wenn nicht sogar den Verzicht auf
diese bedeuten (Raymo 2009:789/790). Ein möglicher Effekt des Zusammenlebens unverheirateter Mann-Frau-Paare kann aber auch eine ungeplante Schwangerschaft aufgrund von vermehrter sexueller Aktivität oder Nachlässigkeit in Verhütungsfragen sein, der die Paare dazu
bewegt, doch zu heiraten. Raymo stellt fest, dass Kohabitation bei heterosexuellen Paaren in
Japan weniger häufig als alternatives Lebensmodell denn als eine Vorstufe der Ehe fungiert
(ebd.).
Das Wohnmodell „alleine Wohnen“ verlangt, verglichen mit den anderen erwähnten
Wohnoptionen, verhältnismäßig mehr Selbstständigkeit und bietet dafür mehr Unabhängigkeit.
Neben dem Aspekt der finanziellen Belastung kann mit dieser Wohnform aber auch die Gefahr
der Isolation verbunden sein. Für die Mehrheit unverheirateter Frauen ist der Zugang zum Wohnungsmarkt und zum Erwerb eigener Wohnungen mit Hindernissen belegt: „[F]or the majority
of them, housing choices are inevitably very limited if you are single or divorced/separated with
or without children mainly due to their less privileged employment status and position“ (Izuhara/Mirayama 2010: 81).
Das Konzept von Wohngemeinschaften, das die Aspekte relativer Unabhängigkeit (nämlich von familiären Verpflichtungen) mit einer Vermeidung von Isolation verbindet, ist in Japan
- 21 -
nicht weit verbreitet. In Kekkon Shinai ist eine mögliche Umsetzung dieser Idee zu sehen, insofern, dass beim Zusammenleben der zwei weiblichen Figuren neben den praktischen Aspekten des Zusammenlebens (beispielsweise durch gemeinsames Essen) auch die gegenseitige Bestärkung und der soziale Zusammenhalt in der Wohngemeinschaft betont werden.
3.3. Gesellschaftlicher Druck, Geburtenraten und Stigmatisierung
Die Entscheidung für oder gegen eine Ehe ist zwar eine individuelle, wird aber durch gesellschaftliche Normen beeinflusst. Sich diesen entgegen zu stellen, kann mit gesellschaftlichem
Ausschluss und mit Diskriminierungserfahrungen einhergehen. Frauen, die nicht heiraten wollen oder können, erleben dies oft nicht nur in Bezug auf ihren Verzicht auf eine Identität als
Ehefrau, sondern auch durch die implizite Entscheidung gegen Kinder.
Die Einstellung, dass unverheiratete Frauen in Japan in der Vergangenheit als minderwertig wahrgenommen wurden, lässt sich linguistisch anhand von Begriffen wie urenokori (übrig gebliebene Ware) oder die verhältnismäßig jungen Ausdrücke kurisumas keki (in Analogie
zu Weihnachtskuchen die sich nach dem 24. Dezember nicht mehr verkaufen) und makeinu3
(Verlierer) nachverfolgen. Solche diskriminierenden Ausdrücke stehen in der Regel im Zusammenhang mit einer angenommenen Zeitperiode der Heiratsfähigkeit (tekireki), die implizit das
Alter festschreibt, ab dem Frauen „zu alt“ sind um zu heiraten. Dieses Alterslimit steht wiederum im Zusammenhang mit der Gebärfähigkeit / Reproduktionsfähigkeit weiblicher Körper.
In der heutigen japanischen Gesellschaft, in der außerehelich geborene Kinder die Ausnahme bilden, wird die seit den 1950er Jahren sinkende Geburtenrate mit dem dem Trend, dass
seltener und später geheiratet wird, in Verbindung gebracht. Die Begriffe bankoku (späte Heirat) und bansanka (späte Geburt) verweisen auf den Zusammenhang von Heirats- und Geburtenraten (Coulmas 2007:10). Im Hinblick auf die so bezeichnete „starke Überalterung“ der Gesellschaft (chōkōrei shakai) wurden diese gesellschaftlichen Veränderungen zum Problem der
japanischen Politik. Es wurde die Befürchtung formuliert, dass in Anbetracht der höheren Lebenserwartung der Anteil der Bevölkerung, der Lohnarbeit nachgeht, Steuern zahlt und dadurch
das Pensionssystem unterstützt, zu gering sein wird, um eine adäquate Versorgung älterer japanischer Bürger_innen zu garantieren. Der mediale Diskurs um Heiratsalter und Geburtenrate,
teilweise unterstützt von wissenschaftlicher und politischer Seite, ist stark von Übertreibungen
und pessimistischen Zukunftsvorstellungen geprägt. Alternativvorschläge für einen Umgang
mit der Problematik der überalternden Gesellschaft scheinen wenig beliebt zu sein.
3
Die ironische Verwendung dieses Begriffes durch Sakai Junko in Makeinu no Tōboe (2003) beweist, dass eine
Wieder-Aneignung derartiger Begriffe möglich ist.
- 22 -
Diese Perspektive drückt sich auch in dem nicht nachlassenden Druck auf Frauen zu gebären aus. Auch heute noch ist die Einstellung weit verbreitet, es läge in der Verantwortung
von Frauen, zu gebären, und sie würden diese Verantwortung vernachlässigen, beziehungsweise ihrer Bestimmung nicht nachkommen, wenn sie nicht genügend oder keine Kinder zur
Welt bringen. Frauen werden nach wie vor nach ihrer Fähigkeit zu gebären beurteilt (Yamaguchi 2006:110). Auch in Kekkon Shinai wird die Thematik der Gebärfähigkeit und die Auswirkungen dieses Diskurses auf Frauen thematisiert.
4. Ehe, unverheiratete Frauen und queere Elemente in japanischen Fernsehserien
Im Weiteren möchte ich mich nun der mediale Ebene zuwenden. Zunächst werde ich Charakteristika des Mediums Fernsehserie beschreiben und auf den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Medienkonsum eingehen. Danach werde ich, konkreter und mit Verweis auf Beispiele, einen kurzen, dem aktuellen Forschungsstand entsprechenden Überblick zu Darstellungen von Ehe, Familie, unverheirateten Frauenfiguren sowie LSBTIQ-Figuren in japanischen
Fernsehserien geben.
4.1. Charakteristika von Fernsehserien
Fernseher sind in nahezu jedem japanischen Haushalt vorhanden und laufen oft über mehrere
Stunden am Tag (genauere Angaben vgl. Wittkamp 2009:37). Das Format der Fernsehserie ist
fester Bestandteil der Programmzusammensetzungen nahezu jeden Senders und erfreut sich
großer Beliebtheit. Welches sind nun die Besonderheiten dieses Formats im Unterschied zu
anderen populärkulturellen Medienformaten? Der Fernsehforscher Knut Hickethier bezeichnet
Fernsehserien als „Ketten von Zeiteinheiten“, in denen Zuschauer_innen die Fortführung bekannter Elemente, etwa derselben Figuren oder derselben Handlungsspielräume einer Geschichte, wiederfinden. Dadurch wird Kontinuität gegeben, die wiederum erlaubt, dass auch
immer wieder etwas Neues und dadurch Aufregendes geschieht, das im Kontrast zum alltäglichen Leben der Zuschauer_innen steht. Besonders funktional sei die wiederholte Präsentation
immer wieder ähnlicher und gleicher emotionaler Konstellationen (Hickethier 1994:58).
Kontinuität wird auch über die Einheiten und Ausstrahlungszeitpunkte von Serien im
Fernsehen gegeben. Ein Spezifikum von Serien ist beispielsweise, dass sie sich zeitlich gesehen
in das reale Leben der Zuschauer_innen einfügen lassen, indem eine Serie regelmäßig zu fest-
- 23 -
gesetzten Zeiten ausgestrahlt wird.4 Dieser Rhythmus wirkt sich auf die Gestaltung des Fernseh-und Serienprogramms aus. Eine japanisches terebi dorama mit neun bis zwölf Folgen kann
Zuschauer_innen über mehrere Monate begleiten. Nur ein lückenloses Schauen erlaubt es den
Fernsehenden, den gesamten Ablauf einer Geschichte zu verfolgen und zu erfassen. Durch eine
kontinuierliche Handlung und Cliffhanger werden die Zuschauer_innen an die Serie gebunden.
Erzählmuster, die den einzelnen Folgen gemein sind, erlauben den Zuschauer_innen, sich mit
der Serie vertraut zu machen und ein Expert_innentum zu entwickeln:
„Im Idealfall präsentiert die Serie ein Wechselspiel aus einer Repetition, die Vertrautheit schafft,
und einer Varianz, die für beständige Überraschungen sorgt. Diese Serienstruktur eröffnet den
Zuschauenden damit Möglichkeiten, identifikatorisch an die Serie ‚anzudocken’, und sie kann
sogar darauf ausgelegt sein, eine Performanz zu induzieren und das serieninterne rituelle Versatzstück zu einem Teil des persönlichen Handelns werden zu lassen“ (Scherer 2016:159)
Die Einbindung des Fernsehens in den Alltag der Zuschauer_innen „erzwingt die Bedienung
konstanter Zuschauererwartungen“ (Hickethier 1994:57). Fernsehserien offerieren ein Unterhaltungs- und Informationsversprechen, wobei die Unterhaltung so funktioniert, dass sie es ermöglich aus dem eigenen Alltag auszubrechen. Neben dem Aspekt der Unterhaltung und der
Information hat das Fernsehen auch weitere Auswirkungen auf die Fernsehenden, denn es beeinflusst das Sozialverhalten der Menschen. Hickethier spricht in diesem Zusammenhang von
der „Modellierung des Menschen durch das Fernsehen“ (Hickethier 2009:50). Diese Auswirkungen entsprechen aber nicht unbedingt den Intentionen der Fernsehmacher_innen oder sind
Ergebnis geplanter Strategien, sondern ergeben sich teilweise unbeabsichtigt. Für Knut Hickethier sind sie Folge „einer nachdrücklichen Verankerung der Mediennutzung in die Gewohnheiten der Menschen und über diese Gewohnheiten auch in Erzeugung von Weltbildern“ (ebd.). Die Auswirkungen des Fernsehens sind, da sie innerhalb von Ritualen und Routinen wirken, zunächst unauffällig.
Indem in einer Serie ein Spektrum unterschiedlicher Verhaltensweisen und Reaktionen
auf diese Verhaltensweisen gezeigt werden, bleiben Interpretationsmöglichkeiten offen, so dass
sich die Zuschauer_innen eine eigene Meinung bilden können. Da Zuschauer_innen heute oft
die Möglichkeit haben, sich Serien selbst aus einer großen Auswahl auszusuchen, wird das
Schauen von Fernsehserien zu einer Ausdrucksmöglichkeit für persönliche Vorlieben. Persönlich sind auch die Fanbeziehungen zu bestimmten Serien oder weiter gefasst auch zu bestimmten Schauspieler_innen, die wiederholt ähnliche Rollen verkörpern. Die Selbstbeschränkung
4
Aufgehoben wird dieser Effekt allerdings ein Stück weit durch das Bereitstellen der Serien in Form von DVDs
oder durch Digitalisierung und die Zugänglichkeit von Serien im Internet.
- 24 -
auf bestimmte Serien/Serienformate oder Schauspieler_innen kann zum Ausblenden anderer
medialer Angebote und zur „Herstellung einer weitgehend homogenen medialen Erlebenswelt“ (Hickethier 2009:56) führen.
4.2. Geschlecht und Medienkonsum
Der Einfluss des Fernsehens reicht auch in den Bereich des Verständnisses von Geschlecht und
Sexualität hinein. Feministische Medienforscher_innen äußerten bereits seit den 1970er Jahren
Besorgnis im Hinblick auf den Zusammenhang von Geschlecht und Medienkonsum. In Japan
führten beispielsweise Kodama Miiko und Muramatsu Yasuko in den 1970er Jahren zwei voneinander unabhängige Studien durch, in denen sie die Repräsentation von Weiblichkeiten in
japanischen Fernsehserien untersuchten (vgl. Muramatsu 2002:72). Muramatsu stellte dabei
fest, dass die Darstellungen von Frauen oft sehr stereotyp gehalten waren. In vielen frühen feministischen Untersuchungen von Fernsehserien – nicht nur in Japan – wurde implizit die Befürchtung ausgedrückt, dass über populäre Medien Geschlechterstereotype verfestigt und patriarchale Beziehungen gestärkt würden. Heute gilt ein Zugang zur Rezeption von Populärkultur,
der von passiven und unkritischen Zuschauer_innen ausgeht, jedoch als überholt:
„[T]he assumption of a priori, monolithic reproduction of sexism and patriarchy gradually made
way to a view in which media's effectivity is seen as much more conditional, contingent upon
specific – and often contradictory – textual mechanisms and operations on the one hand, and
upon the active and productive part played by female audience in constructing textual meanings
and pleasures on the other. “(Ang/Hermes 1991:117)
Rezeptionsforschung ist deshalb zu einem wichtigen Teil der Fernsehforschung und auch der
feministischen Fernsehforschung geworden. Eine Beschränkung der Untersuchung des Verhältnisses von Geschlecht und Medien durch die Konzentration auf Zuschauerinnen birgt jedoch
einige Probleme, wie etwa die Annahme von Geschlecht als fixer Kategorie, die von gemeinsamen Erfahrungen ausgeht, die von Frauen geteilt werden – und die somit die Naturalisierung
geschlechtlicher Differenzen stützt (Ang/Hermes 1991:121). Um dies zu vermeiden, versuchen
Rezeptionsforscher_innen, multiple Faktoren wie das Alter, den Bildungsstand, die soziale
Schicht oder die politische Einstellung der Zuschauer_innen zu berücksichtigen. Weiter gilt es
zu beachten, dass sich Beziehung zwischen dem Fernsehverhalten und der sozialen Realität von
Personen reziprok gestaltet; die sozialen Positionen von Zuseher_innen beeinflussen deren
Sicht auf die konsumierten Programme und werden auch von diesen beeinflusst: „Television
viewing causes a social reality to be constructed in a certain way, but this construction of social
reality may also direct viewing behavior’ (Gerbner, 1976:239 zitiert in Saitō, 2007:527).
- 25 -
Der Medienwissenschaftler Saitō Shinichi stellte im Bezug auf die Wirkweisen stereotyper Geschlechterrollen im japanischen Fernsehen fest, dass Frauen mit höheren Bildungsstand und auf Egalität beruhenden Einstellungen durch, traditionalistische Fernsehserien negativ in ihrer Einstellung beeinflusst würden (Saitō, 2007:526). Hierzu bemerkt Saito:
„[T]elevision tends to decelerate social change by cultivating traditional views among many
viewers, although the medium also seems to liberate the most conservative people. Ironically,
women, who would seem the most likely to take the initiative in altering the current situation
(often characterized as a masculine cultural hegemony), appear to support the status quo.“ (Saitō
2007:527)
Im Bezug auf die Analyse der Serie Kekkon Shinai ist es wichtig sich im Bewusstsein zu halten,
dass Momente der De- und Rekonstruktion von Heteronormativität von den jeweiligen Zuschauer_innen und insbesondere von Frauen unterschiedlich wahrgenommen beziehungsweise
rezipiert werden. Es ist davon auszugehen, dass die im Folgenden herausgearbeiteten Darstellungen von Geschlecht jeweils unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten bieten. Zudem
liegt die Annahme nahe, dass es Zuschauer_innen, die sich als lesbische oder bisexuelle Frauen
identifizieren, leichter fällt, einen lesbisch-romantischen Subtext in der Serie wahrnehmen, da
sie sich mit einem solchen Narrativ identifizieren können, während eine solche Lesart anderen
Zuschauer_innen womöglich nicht zugänglich ist.
4.3. Ehe in japanischen Fernsehserien
Wie wird die Ehe in japanischen Fernsehserien behandelt, und welche Tendenzen lassen sich
in der Verhandlung dieser Thematik identifizieren? Welche Geschlechterbilder werden in Darstellungen der Ehe vermittelt? Obwohl seit den 1990er Jahren Darstellungen unverheirateter
Personen im japanischen Fernsehen zunehmen, bleiben Darstellungen der Ehe wichtiger Bestandteil vieler Serien, insbesondere im Genre der sogenannten hômu dorama (Valaskivi,
2000:310). Die Darstellungen bereits verheirateter Paare umfassen fast immer zugleich Darstellungen einer Familie mit Kindern, weshalb der Aspekt der Elternschaft und dessen Einfluss
auf Identitätskonstruktionen / Geschlechterrollen der Figuren ebenfalls berücksichtigt werden
muss. Die Frage nach Darstellungen von der Ehe ist verbunden mit der Frage, ob die Ehebeziehungen als harmonisch porträtiert werden oder ob Konflikte innerhalb der Ehe thematisiert werden. Solche ehelichen Konflikte können ausgelöst werden durch Untreue, die Unzufriedenheit
der Ehepartner_innen mit ihren Lebenssituationen oder der/dem jeweiligen Ehepartner_in, oder
auch Versuche, Beruf und Ehe/Familien-Leben zu kombinieren. Die genannten Konflikte stehen ebenfalls unter dem Einfluss von und wirken sich aus auf die jeweiligen Geschlechterdynamiken, die mit dem Konzept der Ehe verbunden sind.
- 26 -
Das prävalente Bild in Ehedarstellungen in japanischen TV-Serien der 1970er und 1980er
Jahre ging aus von einem harmonischen Kleinfamilienmodell mit einem männlichen „Brotverdiener“ und einer Hausfrau und Mutter, die ihre gesamte Zeit für ihre Familie „opferte“.5 Einen
Bruch in den Darstellungen harmonischer, konventioneller Geschlechterbilder in Ehedarstellungen bewirkte die Thematisierung von Ehebruch (furin) von Frauen in vereinzelten japanischen TV-Serien ab Ende der 1970er Jahre, was eine breite mediale Diskussion über Ehebruch
auslöste (Mithani 2014:7). Darstellungen von Ehebrüchen in TV-Serien nahmen weiter zu, wobei die betreffenden Figuren in den Serien heute weniger stigmatisiert werden, als dies noch in
den 1980er Jahren der Fall war. Nach dem Erfolg der Serie Fukigen na Kajitsu (Verbotene
Frucht, TBS 1997), folgten weitere Serien wie Hirugao (Mittagsgesicht, Fuji TV 2014), Busujima Yuriko no Sekirara Nikki (Das unverblümte Tagebuch von Busujima Yuriko, TBS 2016),
Contrail – Crime and Love (Contrail – Verbrechen und Liebe, NHK 2016) und Boku no yabai
tsuma (Meine gefährliche Ehefrau, Fuji TV/KTV 2016), in denen Frauen, die Ehebruch begingen, in einem zunehmend positiveren Licht dargestellt wurden (Japan Trends 2016).
Ein weiterer Bruch mit dem konventionellen Bild der Ehe ergab sich wiederum dadurch,
dass verheiratete Frauenfiguren nicht mehr zwangsläufig dem Ideal der Hausfrau als Identifikationsfigur entsprechen. Die Japanologin Hilaria Gössmann bemerkt in japanischen Fernsehserien der frühen 1990er Jahre eine „Pluralisierung der Darstellungen von Ehebeziehungen [...]
indem zunehmend auch berufstätige Ehefrauen auftreten“ (Gössmann 1998a:158). Die Hausfrauenrolle würde im Gegensatz zu früheren Serien nicht mehr idealisiert, sondern die Unzufriedenheit von nicht-berufstätigen Hausfrauen würde direkt angesprochen. Die Harmonie der
Ehegemeinschaft wird dadurch gestört. Gleichzeitig fiel Gössmann auf, dass in vielen japanischen Serien Frauen, die aus ihrem (Hausfrauen-)Alltag ausbrechen, für diese Widerständigkeit
bestraft werden. Diese Frauenfiguren kehren in den Serien schließlich zu ihrer „eigentlichen
Aufgabe“, die Familie zu bewahren, zurück. Eine solche Tendenz kann im Zusammenhang mit
einem politischen und gesellschaftlichem antifeministischen Backlash seit den 1990er Jahren
gelesen werden (Gössmann 1998b:72). Der größte Unterschied zwischen Ehedarstellungen
nach und vor 2000 zeigt sich in der finanziellen Unabhängigkeit verheirateter Frauen, die neben
ihrer Rolle als Mutter und zuständiger Person für den Haushalt auch beruflich aktiv sind. Die
Japanologin Nina Seppi stellte am Beispiel von Serien unterschiedlicher Genres mit weiblichen
Hauptfiguren aus dem Jahr 2010 fest, dass Frauen ihre Karrieren in der Regel nicht mehr für
Männer aufgeben und ihr Festhalten an Berufen auch nicht sanktioniert werde (Seppi 2012:87f).
5
In diesen Zeitraum fielen jedoch auch feministische Proteste der sogenannten „zweiten Frauenbewegung“, deren
Bemühung es war, neue Wege gesellschaftlicher Beteiligung für Frauen zu erkämpfen. Auch die sexuelle Autonomie von Frauen war ein zentrales Anliegen feministischer Aktivist_innen.
- 27 -
Die Geschlechterrollenverteilung innerhalb der in Serien dargestellten Ehebeziehungen
lässt sich freilich nicht nur an der Darstellung weiblicher, sondern auch männlicher Figuren
ablesen. „Zaghafte“ Veränderungen sah Gössmann in den Darstellungen von Männern in japanischen TV-Serien bereits in dem Jahr 1995. Hier stellte sie eine „zunehmende Orientierung
am Familienleben“ fest (Gössmann 1997:111). Dennoch zeigte sich in den Folgejahren keine
eindeutige Ausrichtung von Ehebeziehungen in Richtung stärker partnerschaftlich gestalteter
Ehebeziehungen, egalitärer Beteiligung an Haushaltsarbeiten oder Kindererziehung. Viele Serien hielten an einer geschlechterspezifischen Rollenverteilung fest, nach der die Hausarbeit in
den „Arbeitsbereich“ der Frau falle (vgl. Iwao, 2000). Auch die Sorge um Kinder blieb mehrheitlich im Aufgabenbereich von Frauen. Gössmann kritisiert diese Tendenz:
„Obwohl die Produzierenden der Fernsehdramen als ein Zugeständnis an die Veränderungen in
der Rolle der Frau zunehmend Emanzipationsversuche thematisieren […], so vermitteln doch
zahlreiche Fernsehdramen nach wie vor die Botschaft, die Verantwortung für die Familie liege
in erster Linie bei der Frau.“ (Gössmann 1998a:160)
Väter, die sich aktiv um die Erziehung ihrer Kinder kümmerten, blieben in Fernsehserien auch
in den 2000er Jahren zunächst Einzelfälle, während Frauen sich zum Teil wieder vermehrt der
Rolle als Hausfrau und Mutter zuwendeten (Huang 2010:4-6). Um das Jahr 2010 erhielt das
Phänomen der sogenannten ikumen, eine Wortneuschöpfung und Kombination der Begriffe ikemen (eine Bezeichnung für gut aussehende Männer) und iku (Kindererziehung-und Pflege),
mediale Aufmerksamkeit.6 Ikumen wurden in der Folge auch in mehreren TV-Serien porträtiert.
Oft geht jedoch in Serien die Tatsache, dass Männerfiguren verantwortungsvollen, väterlichen
Rollen erfüllen, auf unerwünschte Ereignisse wie eine Scheidung, den Jobverlust oder einen
Schicksalsschlag als Begründung für deren Entscheidung zurück7. Wenn trotz des Zusammenlebens beider Elternteile der Vater sich auf die Kindererziehung konzentriert und somit der
Ehefrau und Mutter eine berufliche Karriere ermöglicht wurde, „so bedeutet dies nicht die Aufhebung der Rollenverteilung in der Familie, sondern es wird weiterhin die Auffassung vertreten,
dass in einer Familie eine Person sich ausschließlich Haushalt und Kindern widmen
sollte“ (Gössmann 2016:131). Zum Phänomen der ikumen bleibt zu erwähnen, dass es sich hier
um einen Trend handelt, der sich bereits seinem Ende zuzuneigen scheint, ohne dass eine Normalisierung des Bildes aktiver Väter außerhalb der medialen Ebene stattgefunden hätte (Chikamochi 2015). Darstellungen von Ehe und Familie zeigen also nach wie vor klar voneinander
6
Masako Ishii-Kuntz sieht in dem Image der „coolen, gutaussehenden“ Väter die sich um ihre Kinder kümmern
eine radikale Abwendung von Väterbildern der vergangenen Jahrzehnte (Ishii-Kuntz 2015:164).
7
So beispielsweise in: Last Present (Das letzte Geschenk, NTV 2004), Bara no nai hanaya (Das Blumengeschäft
ohne Rosen, Fuji TV 2008), oder auch Atto Homu Daddo (Vater zuhause. Fuji TV 2009).
- 28 -
abgegrenzte Rollenmuster für Männer und Frauen, was die Zuständigkeit für Kindererziehung
angeht, und mehrheitlich fällt diese Zuständigkeit den Ehefrauen zu.
Zwei weitere Tendenzen lassen sich in der Behandlung des Themas Ehe in japanischen
Fernsehserien seit 2000 feststellen. Dies ist zum einen eine Zunahme von Thematisierung von
Scheidung in Serien wie Saikô no rikon (Eine großartige Scheidung, Fuji TV 2013) oder Rikon
bengoshi (Scheidungsanwältin, Fuji TV 2004). Außerdem wird die Ehe in TV-Serien heute
öfter als nur eine Option von mehreren verhandelt. Die Japanologin Azadeh Sufi untersuchte
am Beispiel der Serie Hanawake no yon shimai (Die vier Schwestern der Hanawa-Familie, TBS
2011) die Thematik der Verzögerung und des Verzichts auf eine Eheschließung. In der Serie
stehen verschiedene Hauptfiguren, zum Teil auch mehrmals, vor der Möglichkeit zu heiraten,
entscheiden sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen gegen die Ehe. Heirat wird in Hanawake no yon shimai unter anderem im Bezug auf finanzielle Absicherung und als eine Option
für Frauen, glücklich zu werden, behandelt (vgl. Sufi 2012:89). Nach Sufi ist an der Serie, deren
Hauptfiguren zuletzt unverheiratet bleiben, eine steigende Toleranz gegenüber den Lebensentwürfen länger unverheiratet lebenden Frauenfiguren erkenntlich (Sufi 2012: 93).
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es kaum mehr Darstellungen von Ehen/Familien gibt, in denen ein traditionalistisches Bild des arbeitenden Mannes und der Hausfrau als
harmonisch repräsentiert wird. Dennoch greifen Darstellungen der Ehe in japanischen Fernsehserien häufig auf das Motiv der fürsorglichen Mutter, der auch die Zuständigkeit für den Haushalt zukommt, zurück. Diese Aufgabenbereiche bestimmen allerdings nicht mehr alleinig die
Identität der Frau, da sie auch einer beruflichen Tätigkeit nachgehen kann, während die berufliche Tätigkeit mit wenigen Ausnahmen nach wie vor den Hauptidentifikationspunkt für Männer darstellt. Durch die Thematisierung von Ehebruch, Scheidung und das Aufschieben der Ehe
wird andererseits die Allgemeingültigkeit des Konzepts Ehe in japanischen TV-Serien zunehmend in Frage gestellt. Es stellt sich folglich die Frage, welche Alternativen zur Ehe in den
Serien angeboten werden.
4.4. Darstellungen unverheirateter Frauen in japanischen TV-Serien
Die Präsenz unverheirateter weiblicher Figuren, die als Protagonistinnen in japanischen Serien
erscheinen, ist Genre-übergreifend, und es finden sich Beispiele für solche Figuren sowohl in
Serien, die auf Liebesgeschichten fokussieren (renai dorama), als auch in Serien, in denen Familien im Mittelpunkt stehen (hômu dorama) und in den so genannten torendi dorama8 der
8
Die sogenannten torendi dorama erlangten Berühmtheit über Japan hinaus im ostasiatischen Raum. Ang fasst
ihre Ausrichtung folgendermaßen zusammen: „These stylish, gorgeous-looking, youth-oriented mini-series generally tell stories of romantic relationships among young professionals in contemporary urban settings“ (Ang
- 29 -
1990er Jahre. Seit der Jahrtausendwende hat die Anzahl von TV- Serien, in denen junge unverheiratete Frauen im Mittelpunkt stehen, stark zugenommen. Tania Darlington bezeichnet diese
Serien als josei drama (Frauen-Serien) und beschreibt deren inhaltliche Gemeinsamkeiten wie
folgt:
„[...] josei dramas focus on successful, independent, educated twenty-something women pursuing glamourous careers who attempt to negotiate work and love against an urban background
that represents their stylishness and ability to break free from suburban domestic traditions.“
(Darlington 2013:28)
Anhand der josei drama zeigt sich eine Tendenz im japanischen Fernsehen, vermehrt berufstätige und damit finanziell unabhängige Frauen in den Vordergrund von Serien zu stellen. Die
Darstellung finanzieller Unabhängigkeit von Frauen in der Rolle der „Karrierefrau“ ist allerdings für Darlington kein Garant für progressive Repräsentationen von Weiblichkeit. Problematische Aspekte der Darstellungen unverheirateter Karrierefrauen sieht Darlington in „traditional matriarchal paradigms that delimit progress and continue to tie women to domesticity are
used to represent women in the workplace“ (Darlington 2013:29). Diese Kritik bezieht sich auf
Darstellungen von Frauen, welche auch an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen auf ihre Identität als
Frau reduziert werden und deren Ausdrucksmöglichkeiten auf Verhaltensweisen, die als mütterlich oder feminin fürsorglich gelesen werden können, beschränkt sind. Beispielsweise „kümmert“ sich die arbeitende Frau um ihre Kolleg_innen wie um eine Familie. So zeichnet sich für
Darlington im josei dorama eine komplexe Verhandlung von traditionalistischen und progressiven Rollenbilder ab:
„On the one hand, the new woman sitcom gave the perception of progress in that women were
depicted working outside the home in traditionally male-dominated settings. Therefore, it
opened a space for portraying women outside of prescribed gender roles. This new space was
limited, however, by the fact that women continued to be looked to as mother figures rather than
equals even in the workplace, thus traditional gender roles were subtly reinscribed.“ (ebd.)
Eine gegenläufige Tendenz zu dieser (Re-)Feminisierung weiblicher Figuren durch die Zuschreibung scheinbar natürlicher, femininer Attribute ist ein drohender Verlust von Weiblichkeit und eine „Vermännlichung“ von beruflich erfolgreichen, unabhängigen Frauenfiguren, insbesondere wenn diese alleinstehend sind (Gössmann 2016:137-138). Beide Tendenzen verweisen darauf, wie sehr das Bild der Arbeit, beziehungsweise das der „Karriere“, männlich geprägt
ist. Serienmache_innen fällt es offensichtlich schwer, arbeitende Frauen als Selbstverständlichkeit zu zeigen, ohne deren Vorkommen über stereotypisierte vergeschlechtlichte Verhaltens-
2007:12).
- 30 -
weise zu legitimieren. Ein weiterer Kritikpunkt Darlingtons an den Darstellungen unverheirateter, arbeitender Frauen ist, dass gerade erfolgsorientierte Frauen oft ihre Ziele nicht erreichen
würden und somit ein entmutigender „pattern of failure“ etabliert würde. Auch das Lächerlichmachen von beruflich erfolgreichen Frauen sei ein häufiger Tropus in deren Darstellung:
„[W]omen in this genre are subjected to a type of comedy that, far from glorifying their position,
suggests that they are the subject of ridicule and scorn and downplays women’s ability to advance in a professional setting.“ (Darlington 2013:29)
Darstellungen stereotyper, einem Geschlecht zugeschriebener Verhaltensweisen tragen zu diesem Aspekt der Lächerlichkeit bei, etwa, wenn Frauen scheinbar irrationale, gefühlsbasierte
Entscheidungen treffen – was ihnen als „natürlich feminine“ Verhaltensweise zugeschrieben
wird. Der Fokus auf finanziell erfolgreiche Frauen in japanischen TV-Serien widerspricht der
Lebensrealität vieler unverheirateter Frauen, die auch am Arbeitsmarkt mit Diskriminierungen
konfrontiert sind und deren Aufstiegsmöglichkeiten in ihrer jeweiligen Karriere durch kulturelle geschlechtsbezogene Normen in der Arbeitswelt beschränkt werden. Der finanzielle Erfolg wird außerdem häufig in Verbindung zu einem bestimmten, ebenfalls feminin markierten
Konsumverhalten gesetzt:
„[R]ecent depictions emphasize women’s financial independence, as professionals with independent income to indulge their sophisticated consumer tastes. This construction of single
women as ‘festive’ […] marks them as beneficiaries of a healthy capitalist economy“ (Dales
2013:116)
Für weniger erfolgreiche oder finanziell abgesicherte Frauen, die beispielsweise Teilzeit oder
ohne Festanstellung arbeiten, fehlen dadurch manchmal Identifikationsfiguren, die klassenspezifische Schwierigkeiten des Alltags sichtbar machen könnten (Kunihiro 2012:91). Auf der anderen Seite sind gerade positive Vorbilder beruflich erfolgreicher Frauen notwendig, durch die
Frauen ermutigt werden, Karrieren zu verfolgen.
Seit den 2000er Jahren finden sich zunehmend Darstellungen von unverheirateten
Frauen in japanischen Fernsehserien, die nicht mehr nur in den zwanziger, sondern auch in den
dreißiger und vierziger Jahren sind. Als exemplarisch kann für diese Serien das dorama Around
40 (Ungefähr 40, TBS 2008) herangezogen werden. Alisa Freedman und Kristina Iwata-Weickgenannt stellten fest, dass Around 40 eine auf Individualismus basierende Freiheit und Entscheidungen außerhalb von oder gegen konventionelle Familiengründungen bewirbt. Freedman
und Iwata-Weickgenannt kritisierten aber auch, dass den weiblichen Figuren in der Serie angeraten wird, ihre Wunschvorstellungen über ein gelungenes Leben zu überdenken und sich gegebenenfalls mit „weniger“ zufrieden zu geben, insbesondere in finanzieller Hinsicht: „The
promotion of frugality in times of uncertainty gives the dorama a more conservative ring than
the actual storyline might suggest“(Freedman/ Iwata-Weickgenannt 2011:310). Für Annette
- 31 -
Schad-Seifert hingegen war ein anderer Aspekt der Serie besonders bemerkenswert. Sie verweist auf die soziale Angst, im Alter allein zu sein, als ein „Drohszenario“, mit dem sich ledige
Frauen über 30 in japanischen TV-Serien auseinandersetzen müssen. Freundschaften unter
Frauen, aber auch eine solidarische Haltung männlicher Figuren gegenüber den unverheirateten
Frauen und deren Entscheidungen können die soziale Sicherheit, die weder am Arbeitsplatz
noch in der Familie gefunden wird, unter Umständen ersetzen. Anders gesagt wird, um dem
Drohszenario der Einsamkeit zu entgehen „im Sinne der moralischen Vergewisserung und emotionalen Identifikation der Erzählmodus [...] der Serie immer wieder explizit auf die Solidarität
der Figuren untereinander und füreinander eingegangen“ (Schad-Seifert 2013:36)
Manche Frauen-zentrierte Serien konzentrieren sich stark auf die Karriere der dargestellten Figuren oder sind um deren Arbeit zentriert und lassen wenig Raum für romantische
Erzählstränge oder andere Lebensaspekte von arbeitenden Frauen, wie beispielsweise PflegeVerpflichtungen.9 Die Medienwissenschaftlerin Kunihiro Yoko sieht diese Tendenz besonders
in Darstellungen von Karrierefrauen um und nach der Finanzkrise von 2009, in denen heroische
Karrierefrauen nicht einfach arbeiten, sondern währenddessen Höchstleistungen erbringen und
gleichzeitig immer modisch auftreten und vielfältige (Arbeits-bezogene) Talente aufweisen.
Als ein Beispiel führt sie das dorama BOSS (Boss, Fuji TV 2009) mit Amami Yūki in der
Hauptrolle an (Kunihiro 2012:93) In anderen Serien nimmt die Aushandlung von romantischen
und (hetero-) sexuellen Beziehungen jedoch einen hohen Stellenwert ein und ist eng an die
Darstellungsweisen von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen geknüpft.
Eine besondere Erwähnung kommt den Darstellungen unverheirateter Mütter in japanischen Fernsehserien zu. Die Japanologin Forum Mithani stellte fest, dass in neueren Darstellungen unverheirateten Müttern finanzielle selbstständige Positionen zugestanden werden,
diese nicht auf ihre Mutterrollen reduziert werden und anstelle der Einbindung in ein patriarchales Familiengefüge zum Teil Rückgriff auf ein unterstützendes Netwerk von Freundinenn
nehmen können. Sie interpretiert dies als das Aufkommen einer neuen Figur, die sozialen Erwartungen an Frauen widerspricht:
[W]e see the emergence of a new, strong-willed heroine, who refuses to compromise her principles in order to conform to social norms expected of women. The protagonists of The Unbending Woman and Dirty Mama! refuse to be confined to the domestic sphere, tied down by the
patriarchal structure of marriage, or be made to choose between motherhood and a career. (Mithani 2014:19)
9
Beispiele sind u.a. Magerarenai onna (Die unbeugsame Frau, NTV 2010), Top Caster (Top-Nachrichtensprecherin, Fuji TVV 2006), oder Kinkyu torishirabeshitsu (Notfall Verhörzimmer, TBD 2014).
- 32 -
4.5. Männer-Rollen in Frauen-zentrierten Serien
Für die Japanologin Elisabeth Scherer ist es notwendig, die Präsentation alternativer Männerbilder in Serien, in deren Mittelpunkt die Lebenskonzepte von Frauen stehen, zu untersuchen,
da diese Repräsentationen dazu dienen, „die Dualität der Geschlechter aufzubrechen“ (Scherer
2016:154). Nina Seppi bemerkt im Bezug auf Darstellungen von Männlichkeiten in Serien der
2000er Jahre eine Häufung von Darstellungen einkommensschwächerer und (im Verhältnis zu
weiblichen Hauptfiguren) jüngerer Figuren (Seppi 2012:89). Auch Hilaria Gössmann erkennt
diese Tendenz, vor allem im Hinblick auf potenzielle männliche Partner von Karriere-Frauen.
Sie sieht in den Darstellungen solcher Beziehungsmuster die Chance, „neuartige zwischenmenschliche Beziehungen frei von konventionellen Rollenmustern zu schaffen“ (Gössmann
2016:140). Wenn ein heterosexuelles Paar gezeigt wird, bei dem der männliche Partner jünger
als die Frau ist, muss das laut Gössmann „nicht unbedingt bedeuten, dass hier eine Umkehrung
konventioneller Geschlechterrollen vorliegt, sondern es werden durchaus partnerschaftliche
Beziehungen gestaltet“ (ebd.). Hier deutet sich also eine fiktive Option für Frauen an, Romantik
zu erfahren und zu leben, die erlernten Annahmen über typische Paarbeziehungen widerspricht.
Allerdings sind derartige Beziehungen in den Fernsehsendungen oft nicht von Dauer. Letztlich
sind es nicht nur romantische Beziehungen, sondern vor allem auch freundschaftliche Beziehungen, die in neueren Serien über unverheiratete Frauen zunehmend an Stellenwert gewinnen
und die sich als beständiger als viele romantischen Beziehungen erweisen.
4.6. Darstellungen von LSBTIQ-Figuren in japanischen Fernsehserien
Aus der bloßen Feststellung, dass die heterosexuelle Ehe einen zentralen Punkt in vielen japanischen Serien ausmacht, lässt sich keine Schlussfolgerung hinsichtlich der die heteronormativitätskritischen oder Heteronormativität stärkenden Aspekte der einzelnen Serien ableiten. Unter Umständen sind queere Lesarten einzelner Serien möglich; solche wurden jedoch meines
Wissens nach noch kaum versucht. Eine andere Möglichkeit, Heteronormativität prägende beziehungsweise aufbrechende Tendenzen im japanischen Fernsehen nachzuverfolgen ist die
Frage nach dem Vorkommen von LSBTIQ10-Figuren und gleichgeschlechtlichen romantischen
Beziehungen. Hilaria Gössmann stellt fest, dass sich im Genre Fernsehserie zwar eine „Pluralisierung der Lebensentwürfe in der japanischen Gesellschaft“ deutlich zeigt, „gleichgeschlechtliche Beziehungen bleiben jedoch meist ausgespart und die dualistisch angelegte Geschlechtermatrix wird keineswegs aufgehoben“ (Gössmann 2016:142). Das Aufzeigen von
nicht-heteronormen Lebensrealitäten durch Figuren, die als Trans, Inter, lesbisch bisexuell oder
10
Das Akronym LSBTIQ steht für Lesbisch Schwul Bisexuell Trans Intersex Queer.
- 33 -
schwul identifiziert werden können, kann, muss aber nicht eine Irritation im hegemonialen Regime der Heteronormativität bedeuten. Nicht nur wer vorkommt, sondern wie die jeweiligen
Figuren Queerness repräsentieren ist dabei von Bedeutung. Eine Zunahme von Serien mit explizit als homosexuell dargestellten Figuren im japanischen Fernsehen ergab sich in Folge des
sogenannten Gay Booms der neunziger Jahre, auch die Repräsentation von Transfiguren in japanischen Serien nahm nach der Re-Legalisierung von geschlechtsangleichenden Operationen
1996 zu (Yuen 2011:383).
Wie wichtig die Repräsentation sexueller Minderheiten für Personen ist, die sich als LSBTIQ identifizieren, zeigt sich am Beispiel der Serie Dōsōkai (Klassentreffen, NTV 1993). Das
dorama, in dem mehrere schwule Figuren teilweise auch als Hauptfiguren auftreten, soll laut
dem Japanologen Stephen Miller einen so großen Einfluss auf manche sich als schwul identifizierende Personen gehabt haben, dass diese ihr Leben in die Zeitperioden vor und nach dem
Erscheinen der Serie einteilten (Miller 2000:87). Der Japanologe Jeffrey Dobbins übt aber
starke Kritik an der Darstellung der schwulen Figuren in Dōsōkai. Er hält die Serie für „voyeuristic and full of intrigue, portraying the gay world as exotic and dangerous“ (Dobbins
2000:40).11 Ähnliche Kritik formulierte auch Tomoe Kentaro im Bezug auf spätere Darstellungen schwuler Figuren in japanischen Fernsehserien (Tomoe 2014:30), und die Kritik lässt
sich noch auf viele weitere Darstellungen von LSBTIQ-Figuren anwenden, die als absolut andere und neuartige Figuren den vertrauten heterosexuellen Figuren gegenübergestellt werden.
Das Vorkommen von sexuellen Minderheiten wird in japanischen Fernsehserien nicht
abgekoppelt von der Darstellung von heterosexuellen Ehebeziehungen. Meist sind es schwule
Figuren, die als Partner in einer Ehegemeinschaft dargestellt werden. Dieser Umstand muss
jedoch im Zusammenhang mit der insgesamt stärkeren Repräsentation von schwulen im Vergleich zu anderen queeren Figuren gesehen werden. In Dōsōkai beispielsweise ist die schwule
Hauptfigur Fuuma mit einer Frau verheiratet, aber unfähig eine sexuelle Beziehung mit seiner
Ehefrau zu führen. Auch die Serie Gisō no Fūfu (Das falsche Ehepaar, NTV 2015) zeigt einen
schwulen Mann, der eine Zweckehe mit seiner heterosexuellen Freundin eingeht. Was die Darstellung der Ehe in den genannten Serien besonders macht, ist, dass der Ehe auch dann Bedeutung zugewiesen wird, wenn keine Sexualität zwischen den verheiraten Figuren möglich ist. Es
wird also ein Konzept von Ehe präsentiert, indem Romantik und sexuelles Begehren von der
Ehe abgekoppelt werden.
11
Dobbins sieht dies unter anderem darin begründet, dass die Serie auf einem yaoi-Manga basiert. Diese für ein
mehrheitlich weibliches Zielpublikum produzierten Manga zeigen schwule Liebesgeschichten auf eine Weise, die
wenig mit den Lebensrealitäten schwuler Männer zu tun hat.
- 34 -
5. Kekkon Shinai: Einführung
Bevor ich mit der Analyse von Kekkon Shinai beginne, werde ich Informationen über die Beteiligten an der Serienproduktion, die Besetzung und die Umstände der Produktion sowie die
musikalische Untermalung der Serie bereitstellen. Dazu gehört auch die Perspektive auf die
Serie als ein Konsumprodukt, welche mehr als den bloßen Inhalt der Serie miteinbezieht. Zudem möchte ich eine Zusammenfassung des Serieninhalts und der einzelnen Kapitel und Angaben über den Aufbau der Serie der Analyse voranstellen.
5.1. Ausstrahlung und Besetzung und musikalische Untermalung
Das dorama Kekkon Shinai umfasst elf einzelne Folgen. Die erste Folge wurde am elften Oktober 2012 ausgestrahlt, die letzte Folge am zwanzigsten Dezember desselben Jahres. Die Serie
wurde auf dem Sender Fuji TV jeweils Donnerstag am Abend um 22.00 Uhr ausgestrahlt. Fuji
TV ist Teil des Fuji Television Networks, das zur Gesellschaft Fuji Media Holdings gehört, die
wiederum Teil der Fujisankei Communications Group sind, einer der sechs großen Medienunternehmen Japans (vgl. Firnhammer 2014:72)
Die Produktion leitete Nakano Toshiyuki; Regie führten Ishii Yūsuke, Tanaka Ryō und
Sekino Sōki. Ishii führte Regie bei den Folgen 1,2,5,7,9 und 11, Tanaka bei den Folgen 3,4,6
und 10, Sekino lediglich bei Episode 8. Das Drehbuch stammt aus der Feder der beiden Autorinnen Yamazaki Takako und, Sakaguchi Riko, die bereits gemeinsam das Drehbuch für Watashi ga renai dekinai riyū (Der Grund, warum ich keine Liebesbeziehung haben kann, Fuji TV
2011) geschrieben hatten. Die Hauptrollen in Kekkon Shinai sind besetzt durch Amami Yūki
(Kirishima Haruka), Kanno Miho (Tanaka Chiharu), Tamaki Hiroshi (Kudo Junpei) und Koichi
Mantarō (Professor Tanigawa Shūji ). Der Soundtrack von Kekkon Shinai wurde von der Singer-Songwriterin MAYUKO und dem Komponisten Suehiro Kenichirō in Kooperation erstellt,
die bereits an mehreren Soundtracks wie unter anderen dem Soundtrack zu Watashi wa renai
dekinai riyū zusammengearbeitet hatten. Das Titellied der Serie trägt den Titel Kami Hikōki
(Papierflieger) und stammt von der japanischen Pop-Band Kobukuro. Der Sender Fuji TV stellt
die Serie auf seiner Homepage wie folgt vor:
„Gegenwärtig hat die Zahl unverheirateter Frauen in ihren 30ern und 40ern ihren bisherigen
Rekord erreicht. Diese Frauen haben ihre jeweils unterschiedlichen Gründe, nicht zu heiraten.
Im Herbst dieses Jahres wird Fuji TV eine Fernsehserie ausstrahlen, die diese ständig anwachsende Zahl von Frauen, die nicht heiraten, realistisch darstellt.
Die Hochzeit von Chiharus jüngerer Schwester steht kurz bevor. Diese möchte, wie Chiharu
weiß, im gemeinsamen Elternhaus wohnen, und so zieht Chiharu, für die das Zusammenleben
zuhause unangenehm wurde, eben mal um in das Haus der alleine wohnenden Haruka, die sie
- 35 -
gerade erst zufällig kennen gelernt hat. Damit beginnt ein sonderbares Zusammenleben von
zwei alleinstehenden Frauen, die sich sowohl im Alter, als auch in ihren Charakteren und ihrem
Umfeld unterscheiden. Das Aufeinandertreffen dieser beiden Temperamente ist sehenswert.
Manchmal streiten sie, manchmal helfen sie sich, manchmal sind sie auf der Suche nach sich
selbst und entdecken die eine oder andere Antwort. Das Leben dieser Frauen, die für Arbeit,
Liebe und Heirat kämpfen, kann beginnen.
Kekkon Shinai zeichnet ein überaus realistisches Bild von erwachsenen Frauen und ist die bemerkenswerteste Serie dieses Herbstes.“ (Fuji TV 2017, eigene Übersetzung)
In dieser Ankündigung der Serie wird klar die Beziehung der beiden weiblichen Hauptfiguren
zueinander und die Komplexität ihrer Charaktere hervorgehoben.
5.2. Kekkon Shinai als Konsumprodukt
Für die wirtschaftliche Rentabilität einer Fernsehserie mit hohen Produktionskosten spielen die
Kooperation mit Werbepartnern, die Eigenwerbung für die Serie und die Erweiterung des Konsums der Serie an sich über mit dieser in Zusammenhang stehenden Produkten eine wesentliche
Rolle. Die hohen Kosten einer Serienproduktion werden oft von Sponsoren mitgetragen, die
beispielsweise Werbezwischenschaltungen nutzen, oder in der Serie selbst Werbung für Produkte platzieren. In Kekkon Shinai ist die Anstellung Chiharus in der Reiseagentur H.I.S. auffällig. Eine Rolle spielen auch die Kleidung oder Accessoires, die von Serienfiguren getragen
werden: In Kekkon Shinai beispielsweise fallen hochwertige handgefertigte Taschen der Marke
Beato Rosso auf, die extra für die Serie entworfen wurden (Scherer 2016:162). Derartige Produkte werden dabei symbolisch aufgeladen:
„Das Aufladen von Produkten mit bestimmten Werten, Lebenseinstellungen oder Charakterzügen in dorama steht natürlich nicht immer in Zusammenhang mit Gender-Fragen, gerade in den
an Frauen gerichteten Serien finden sich jedoch häufig derartige Konzepte. Die Handtasche steht
dann für den beruflichen Erfolg als Frau, die individuell eingerichtete Wohnung für einen unabhängigen Single- Lebensstil fern der üblichen nach der binären Gender-Ordnung ausgerichteten Familienmodelle.“ (Scherer 2016:164)
Auch die Rezeption und Erwähnung von Kekkon Shinai in weiteren Medien muss als Teil der
Vermarktungsstrategie gewertet werden. Im Fall von Kekkon Shinai wurde beispielsweise begleitend zur Serie ein Buch mit dem gleichnamigen Titel Kekkon Shinai vom Verfasser Shirasaki Hiroshi herausgebracht. Die Zeitschrift Aera for Women アエラムック (Aera for Women
– Aera Mook) widmete der Serie eine Sonderausgabe; Interviews mit Kanno Miho und Amami
Yūki fanden ebenso in weiteren, an Frauen gerichtete Zeitschriften statt. An dieser Vermarktungsstrategie wird noch einmal die eindeutige Ausrichtung der Serie auf ein weibliches Ziel-
- 36 -
publikum deutlich. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass zur Popularität der Serie auch Diskussionen unter Fans der jeweiligen Schauspieler_innen und nicht-kommerzielle Blogs in mehreren Sprachen wesentlich beitrugen.
5.3. Zusammenfassung der Serienhandlung
Kekkon Shinai handelt von drei unverheirateten Hauptfiguren und deren Erfahrungen mit dem
Thema Ehe. Die Serie behandelt aber auch die Beziehungen, die sich zwischen den Hauptcharakteren und einigen Nebencharakteren entwickeln. Ein wichtiger Erzählstrang ist die Beziehung der Figuren Haruka und Chiharu, die ab der ersten Folge des dorama zusammen in Harukas Wohnung leben und über den Zeitraum von elf Folgen ein intimes Naheverhältnis zueinander aufbauen. Chiharu ist 35 Jahre alt, ledig und arbeitet ohne fixen Arbeitsvertrag in einer
Reiseagentur. Sie zieht zu der etwas älteren Haruka, da ihre Schwester Chinatsu mit deren Verlobten in das Haus der Eltern ziehen möchte. Haruka arbeitet ab der ersten Folge als Geschäftsführerin in dem Blumengeschäft Maison Floral, nachdem sie ungerechterweise von der Hauptfiliale eines Gartenbaudesign-Unternehmens dorthin versetzt wurde. Obwohl sie von sich selbst
behauptet, ihre Arbeit (Gartenbaudesign) der Option auf eine Ehe vorgezogen zu haben, ergeben sich auch für sie im Laufe der Serie Momente des Zweifels an ihrer „Wahl“. Ihr Selbstverständnis als an das Alleinsein gewöhnte Karrierefrau wird außerdem nicht nur durch den Verlust ihrer Arbeit, sondern auch durch die Anwesenheit von und Freundschaft mit Chiharu aufgebrochen. In dem Blumengeschäft arbeitet auch Kudo Junpei als Aushilfskraft. Kudo ist eigentlich von Beruf Künstler, hat die Kunst jedoch zu Beginn der Serie aufgegeben. Seine ehemalige Studienkollegin und Freundin Konō Mizuki versucht ihn über die Serie hinweg dazu zu
bewegen, wieder zu malen zu beginnen.
Über den Verlauf der Serie macht die Protagonistin Chiharu verschiedene Erfahrungen
mit Männern, die sie entweder aus ihrer Vergangenheit kennt oder im Laufe der Serie neu kennen lernt. Jeweils steht eine romantische Beziehung und/oder Ehe mit den jeweiligen Männern
zur Option, die für Chiharu mit grundsätzlichen Fragen über ihre Lebenseinstellung, ihre Zukunftspläne und ihre Einstellung zur Ehe verbunden sind. Die verschiedenen Beziehungen zu
Männern funktionieren jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht. Ab der ersten Folge wird
zudem eine Romanze zwischen Chiharu und Kudo Junpei angedeutet. Dieser stehen sowohl
Chiharus Beziehungen zu anderen Männern als auch Junpeis Aussicht, mit Konō Mizuki in
Paris zu leben, im Weg. Doch selbst nachdem die Hindernisse überwunden sind, ergibt sich
keine dauerhafte Liebesbeziehung zwischen den Figuren. Die Freundschaft zwischen Chiharu
und Haruka bleibt allerdings über den Verlauf der Serie hinweg bestehen.
- 37 -
5.4. Die Folgen: Aufbau und Spannungsbogen
Die elf Folgen der Fernsehserie zeigen Parallelen in ihrem Aufbau und sind geprägt durch wiederkehrende Elemente. Zunächst beginnen die meisten Folgen mit einer kurzen Rückblende auf
die vergangene Episode. Diese zeigt die Figuren Haruka, Chiharu und Junpei in Situationen,
die als handlungstreibend für die Entwicklung des Serien-Narrativs gewertet werden können.
Die Rückblenden verweisen beispielsweise auf eine Intensivierung zwischen Beziehungen unter einzelnen Figuren oder wiederholen eine Erkenntnis, die eine Figur in der letzten Folge
gewonnen hat und die beim Abschluss der letzten Folge vorgestellt wurde. Insofern die letzte
Folge mit einem Cliffhanger, also einem offenen Ausgang eines Erzählstrangs, geendet hat,
wird auf diesen referiert. Diese Rückschau dauert in der Regel weniger als eine Minute. Anschließend wird die neue Episode eingeleitet. Manche Folgen kommen ohne Rückschau aus,
aber auch in diesen wird der Eindruck von Kontinuität durch die Einblendung einzelner Elemente aus der letzten Folge bestärkt. Beispielsweise wird eine Blume, die eine Figur in der
letzten Folge geschenkt bekommen hat, in Nahaufnahme gezeigt (zum Beispiel: Episode 2,
00:00:50 und Episode 3, 00:00:40).
In den ersten Minuten der jeweiligen Episode, in denen die Geschichte weitererzählt wird,
liegt die Konzentration meist auf Chiharu und Haruka, nur vereinzelt auf Junpei. Schauplatz
sind in den ersten Minuten meist die gemeinsame Wohnung von Chiharu und Haruka und
Chiharus Arbeitsplatz. Jeweils zu Episodenbeginn wird außerdem eine Szene aus der Soziologievorlesung von Professor Taniguchi, einer Nebenfigur, an einer nicht näher bezeichneten
Universität in Tōkyō gezeigt. In dieser wird ein Thema vorgestellt, das in seinem Unterricht
besprochen wird und in engem Zusammenhang mit dem Thema der jeweiligen Episode steht.
Es wird in der Regel eine Frage aufgeworfen, die in den Folgeszenen von anderen Figuren in
anderen Situationen ohne akademischen Kontext wiederholt wird. Beispielsweise bespricht
Professor Taniguchi in Folge vier die Anteilnahme der Eltern unverheirateter Personen an deren
Heiratsoptionen (Episode 4, 00:02:00 bis 00:04:00). Dieser Zugang zum Thema Heirat wird
anschließend aufgegriffen durch eine Arbeitskollegin Chiharus, Suzumura Mariko, die im Reisebüro H.I.S. herausfindet, dass ihre Eltern sich für eine Busreise angemeldet haben, die Eltern
helfen sollen, Partner_innen für ihre unverheirateten Kinder zu finden. Einen Moment später
erscheint Chiharus Schwester Chinatsu im Reisebüro und stellt die Frage, die zugleich Leitfrage
der Episode ist: „Für wen heiratet man eigentlich?“(Episode 4, 00:05:00).
Auf eine offene Frage oder eine das Episodenthema einleitende Aussage im Prolog folgt
die Überleitung zum Titel-Song der Serie. Noch während der letzten gezeigten Szene erklingen
- 38 -
die ersten Sequenzen des Eingangsliedes. Damit beginnt jeweils ungefähr in der fünften Minute
der Serie eine in jeder Folge wiederholte Filmsequenz ohne eigene Handlung, der Vorspann.
Dieser ist aufgeladen mit Hochzeitssymbolik. Gezeigt wird ein junges Mädchen, das auf einer
Wiese Blumen pflückt, und die Hauptfiguren Chiharu, Haruka und Junpei wie sie im Gras sitzen oder liegen. Das junge Mädchen bastelt einen Ring aus Blumen, setzt sich selbst einen
Schleier mit einer Blütenkrone auf und wirft einen Blumenstrauß in die Luft. Die drei Hauptfiguren sind aus Vogelperspektive auf der Wiese gehend zu sehen, während der Titel der Serie
eingeblendet wird und die Nummer der jeweiligen Folge angezeigt wird. Das Titellied beendet
den Vorspann und dauert weniger als eine Minute.
Die einzelnen Episoden behandeln jeweils eine Frage, die die Protagonistin Chiharu beschäftigt und die eine neue Perspektive auf das Thema Ehe vorstellt oder Herausforderungen
beziehungsweise Erfahrungen, die die Protagonistinnen erleben beziehungsweise machen und
die sie zu einer Erkenntnis führen. Teilweise ist dies mit der Einführung einer Nebenfigur verbunden, die nur in der jeweiligen Episode oder über den Verlauf von zwei Episoden eine Rolle
spielt. Solche Figuren sind vor allem Männer in Chiharus Umfeld, mit denen sie eine Beziehung
und teilweise die Eheschließung in Erwägung zieht. Nach der ersten Folge werden aber keine
weiteren Hauptfiguren mehr vorgestellt, und auch die Nebenfiguren bleiben im Wesentlichen
die gleichen.
Die vorletzte Episode endet damit, dass sich Chiharu entscheiden muss, Junpei vor dessen abreise nach Paris am Flughafen aufzusuchen oder nicht, also einem Cliffhanger – gleichzeitig erleidet Haruka einen Schwächeanfall, ihr Zustand ist zum Episodenende ebenfalls unklar. Die letzten beiden Episoden sind so noch stärker miteinander verknüpft als die vorherigen
Episoden. Sie definieren die Beziehungen der Hauptfiguren zueinander neu und bekräftigen
deren auf ihren bisherigen in der Serie gemachten Erfahrungen basierende veränderte oder
gleichgebliebene Einstellung zur Ehe. Außerdem geben sie einen Ausblick auf das weitere Leben der Figuren und Lebensmodelle, für die diese sich entschieden haben.
Wiederkehrende Elemente in den einzelnen Episoden sind die Schauplätze Universität,
die Arbeitsplätze und Wohnräume der Hauptfiguren und ein von Haruka entworfener Park.
Kontinuität zwischen den Episoden wird auch durch die Zeichnungen der Studentin Mai geschaffen, die jeweils begleitend zur Soziologievorlesung des Professors das Thema der Folge
mit fiktiven Tierfiguren visuell darstellen. Beispielsweise zeichnet sie die Tiere vor einer Weggabelung in der Episode acht, in der die Frage aufgeworfen wird, ob sich Frauen zwischen einer
Karriere und der Ehe entschieden müssen (Episode 8, 00:02:43). Ebenfalls bedeutungsaufgeladen ist das Vorkommen einer jeweils unterschiedlichen Blume oder Pflanze in den einzelnen
- 39 -
Episoden. Dieser wird jeweils ein zusätzlich zu der biologischen Bezeichnung gegebener Ausdruck in der „Blumensprache“ zugeordnet, der im Zusammenhang mit dem Thema der Episode,
den Gefühlslagen und charakterlichen Entwicklungen der einzelnen Figuren steht, etwa die
Gerbera, der die Bedeutung ippō (ein Schritt) zugeschrieben wird. Während der letzten gezeigten Szene werden während dem erneuten Abspielen des Eingangsliedes die Namen der an der
Produktion beteiligten Personen eingeblendet. Zuletzt wird ein Ausblick auf die nächste Episode gezeigt, der Ton wird dabei überdeckt von Danksagungen an die Sponsoren der Serie.
In der originalen Ausstrahlung der Serie im Fernsehen war jede Episode jeweils durch
Werbepausen unterbrochen; auf diese habe ich jedoch keinen Zugriff, da mir nur die DVDVersion der Serie vorliegt. Entsprechend kann ich die in den Werbepausen gezeigten Clips und
eventuelle Referenzen auf die Serie nicht in die Analyse miteinbeziehen.
Die untenstehende Tabelle beinhaltet Kurzbeschreibungen zu den einzelnen Folgen der
Serie Kekkon Shinai, sowie Angaben zu dem Ausstrahlungsdatum der jeweiligen Folge, den
Originaltitel und dessen Übersetzung und zur Zuschauer_innenrate der jeweiligen Folge in der
Kantō-Region).
Epi-
Ausstrahl-
Untertitel
Inhalt
Zuschauer_in-
sode ungsdatum
nenrate Kantō
(Wikipedia
2017a)
01
11.10.2016
Kekkon wa tōzen!? Gimu!? Vorstellung der Figuren 13.0%
Dekinai VS shinai onna!! und ihrer Einstellung zur
Mikon onna no koi to Ehe,
kekkon!?
Ist
Chiharus
Verabredung mit einem
es
eine ehemaligen
Selbstverständlichkeit, zu Universitätskollegen,
heiraten!?
Eine Harukas Versetzung in
Verpflichtung!? Frauen die das
Blumengeschäft
nicht können vs. Frauen, Maison Floral
die es nicht tun. Die Liebe
der unverheirateten Frauen
und die Ehe!?
02
18.10.2016 Kekkonshitai!!
Demo, Chiharu geht auf Wunsch 13.6%
yuzurenai jōken to wa!?
- 40 -
Ich will heiraten!! Aber ihrer Mutter ein omiai 12
was sind die absoluten ein. Junpei besucht die
Bedingungen?
Ausstellung von Mizuki.
Haruka gewöhnt sich an
ihre neue Arbeit.
03
25.10.2012 Bukiyō
sugiru Chiharu
watashitachi!?
Wadai gōkon
futtō!! Koi no yukue wa!!
besucht
13
ein 10.3%
und freundet
sich wieder mit ihrem
Exfreund
an.
Ihre
Wir sind so ungeschickt!? Freundschaft zu Junpei
Ein
heiß
diskutiertes vertieft
sich.
Thema!! Der Weg der trifft
Liebe!!
04
01.11.2012
Haruka
Professor
Tanigawa.
Dokushin
=
oyafukō!? Chiharu,
Haruka
und 10.9%
Demo mikon joshi no dai Junpei helfen zusammen,
funtō!!
um eine Hochzeitsfeier
Single sein – Ein Unglück für Chiharus Schwester
für die Eltern!? Aber für Chinatsu zu organisieren.
unverheiratete Frauen ist es
ein harter Kampf!!
05
08.11.2012
Ugokidasu omoi to wa!? Bei einem gemeinsamen 12.2%
Koi
no
saki
ni
aru Abendessen in Harukas
shōgeki!!
Das
Beginnen
Wohnung kommen sich
von Chiharu
und
Junpei
Gefühlen ist!? Ein Schock, näher. Chiharu verteidigt
der vor der Liebe kommt!!
Junpei
vor
einem
Galerie-Besitzer, der ihn
zurückgewiesen hatte.
06
15.11.2012
Hashiridashita ai to wa!? Chiharu passt für einen 11.3%
Saigo ni mitsuketa kotae
Tag auf den Sohn einer
Die losgelaufene Liebe!? Freundin auf. Junpei und
12
Omiai: Ein Treffen zur Heiratsvermittlung mit dem Ziel einer möglichen Eheplanung.
Ein „Kuppeltreffen“, bei dem die gleiche Anzahl von Frauen und Männern anwesend sind und durch Spiele und
eine entspannte Gruppenatmosphäre das Kennenlernen eines möglichen Partners/einer möglichen Partnerin erleichtert werden soll.
13
- 41 -
Die
letztlich
gefundene Haruka helfen dabei.
Antwort
07
22.11.2012
Sukinanoni
sayonara In der Episode werden 10.9%
bukiyōna koi no daishō!?
Sich
die Pläne von Chiharu
verabschieden und Haruka im Alter und
obwohl man sich mag, die das Prospekt, alleine zu
sonderbare Entschädigung leben,
der Liebe?
thematisiert.
Haruka trifft Taniguchi
wieder.
Junpei
beschließt,
wieder
malen.
zu
Haruka
unternimmt
einen
Ausflug mit Chiharu.
08
29.11.2012
Kisu no yoru… koi to jinsei Chiharu übernimmt eine 10.6%
no dai gyakuten!!
neue Aufgabe mit ihrem
Der Abend des Kusses. Vorgesetzten
Liebe
und
die
Takahara
große bei H.I.S. Haruka lehnt
Richtungsänderung
des das
Lebens?
Angebot
in
die
Gartenbau-Agentur
zurückzukehren
ab.
Junpei beginnt wieder zu
malen. Takahara küsst
Chiharu.
09
06.12.2012 Onna no yūjō ni dai Chiharu
haran!!
Hirateuchi
namida!?
verliert
no Arbeit bei H.I.S., Junpei
und Mizuki planen ihren
Große Schwankungen in Aufenthalt
der
Frauenfreundschaft!! Chiharu
Tränen einer Ohrfeige!?
10
ihre 12.7%
in
und
Paris.
Haruka
streiten.
13.12.2012 Onna no jinsei, saigo no Chiharu erwacht neben 12.6%
sentaku
Takahara in einem Hotel
Das Leben der Frauen, die und zieht dann zurück zu
letzte Entscheidung
ihren
Eltern.
Junpei
bereitet seine Abreise
- 42 -
vor. Chiharu und Haruka
versöhnen sich, Harukas
erleidet
einen
Schwächeanfall.
11
20.12.2012 Saigo
no
sentaku
to Chiharu begleitet Haruka 11.7%
ketsudan!! Watashitachi ga ins Krankenhaus. Junpei
dashita kotae!!
reist nicht nach Paris,
Die letzte Wahl und die dies erfährt Chiharu von
Entscheidung!!
Die Kōno. Sie trifft Junpei
Antwort, die wir geben!!
wieder, und die beiden
gestehen
Gefühle,
zieht
sich
aber
nach
ihre
Junpei
Hokkaidō.
Chiharu zieht in Harukas
Wohnung, diese zieht zu
Professor Taniguchi.
6. Kekkon Shinai: Analyse
Mein Vorgehen bei der Analyse von Kekkon Shinai orientiert sich in erster Linie an den von
dem Medienwissenschaftler Lothar Mikos vorgeschlagenen Analysezugang, den ich im Folgenden kurz vorstellen möchte. Bei der Figurenalyse orientiere ich mich zum einen an Jens
Eder, sowie an Irmela Schneider, die Vorschläge für die Analyse von Geschlechterrepräsentation entwickelt hat. Nachdem ich das weitere Vorgehen kurz umrissen habe, werde ich mit einer
Figurenanalyse beginnen. Anschließend sollen die Konflikte der Figuren in Bezug zu deren
Unverheiratet-sein diskutiert werden. Dem folgend werde ich die Behandlung des Themas Ehe
in Kekkon Shinai umreißen und dabei auch auf die Heiratsmöglichkeiten der Hauptfiguren eingehen. Im letzten Kapitel der Analyse werden die in Kekkon Shinai vorgestellten Alternativen
zur Ehe analysiert.
6.1. Ebenen der Serienanalyse
Ziel der Fernsehserien-Analyse ist es zu erkennen, wie Film- oder Fernsehtexte im kontextuellen Rahmen das kommunikative Verhältnis mit ihren Zuschauern gestalten, wie sie Bedeutung
- 43 -
bilden in Bezug auf die Kohärenz der Erzählung und der Repräsentation und in Bezug auf mögliche Lesarten der Zuschauer. Lothar Mikos schlägt für die Untersuchung einer Fernsehserie
ein Vorgehen in drei Schritten vor, nämlich des Beschreibens, der Analyse und letztlich der
Interpretation. Während der Analyse gilt es,
„die Komponenten [...] einer Fernsehsendung systematisch herauszuarbeiten und diese in einem
zweiten Arbeitsschritt in Beziehung zum gesamten Text, also dem Film oder der Fernsehsendung als Gesamtwerk, sowie zu den Kontexten zu stellen“. (Mikos, 2008a:78)
Erst dieser Arbeitsschritt erlaubt die nachfolgende Interpretation. Weiter sollte die Analyse folgende Ebenen beachten:
•
Inhalt und Repräsentation
•
Narration und Dramaturgie
•
Figuren und Akteure
•
Ästhetik und Gestaltung
•
Kontexte
Die verschiedenen Ebenen greifen ineinander und sind in der Analyse miteinander verknüpft.
Unter den genannten Aspekten liegt mein Schwerpunkt auf der Analyse des Inhalts sowie auf
der Ebene der Figuren und Akteure beziehungsweise deren Interaktionen. Aufgrund ihrer Relevanz für die Fragen der Arbeit habe ich eine Auswahl an Szenen getroffen, die meiner Meinung nach „zur Bedeutungsbildung und Gestaltung des kommunikativen Verhältnisses mit den
Zuschauern beitragen“ (vgl. Mikos 2003:91). Diese Szenen werden in der Inhaltsanalyse diskutiert und können exemplarisch für die Gestaltung des gesamten Serientextes stehen. Dialoge
werden jeweils im japanischen Original und in deutscher Übersetzung wiedergegeben.
Weiter sollen kontinuierlich Bezüge zum in Kapitel drei beschriebenen Kontext der Veränderungen des Ehediskurses in Japan auf gesellschaftlicher Ebene hergestellt und die historische Verankerung beziehungsweise Einbettung der Serie in den Diskurs von Ehe und Darstellungen unverheirateter Personen in früheren medialen Produktionen mitgedacht werden. Das
allgemeine Erkenntnisinteresse der Analyse betrifft die Verhandlung von Geschlechtsidentitäten und Brüche mit Heteronormativität in der Serie. Die Vorgehensweise meiner Analyse ist
zugleich applikativ und explorativ: Sie ist applikativ im Bezug auf die Annahme, dass mit der
Ehe verbundene Normen der Heterosexualität und Geschlechtlichkeit sichtbar werden, und explorativ im Hinblick auf mögliche Brüche mit heteronormen Vorgaben und deren Bedeutung
beziehungsweise Theoretisierbarkeit. Als einen letzten Evaluationsschritt schlägt Mikos vor,
die eigene Analysearbeit zu reflektieren und daraufhin zu bewerten, ob die gewählten Fragen
und Mittel der Analyse dem Erkenntnisinteresse gerecht wurden (Mikos 2008a: 94f). Diese
Reflektion bildet Teil der Conclusio der vorliegenden Arbeit.
- 44 -
6.1.1. Figurenanalyse
Hauptfiguren unterscheiden sich von anderen Figuren durch ihre Mehrdimensionalität. Ihre
Persönlichkeit entwickelt sich meist im Zuge der Handlung eines Films beziehungsweise einer
Fernsehserie; die Figuren sind also dynamisch. Die Charakterentwicklung kann durch das aktive Handeln der Figuren, aber auch durch passives Erleiden oder Aushalten erfolgen. In Kekkon Shinai baut sich diese Charakterentwicklung der Hauptfiguren über den gesamten Episodenverlauf auf.
Die Figurenanalyse nun fragt zum einen nach der Darstellung von Figuren im Text, zum
anderen auch nach Vorstellungen, die Zuschauer_innen von den Figuren entwickeln. (Eder
2008:78). Entscheidend für die Wahrnehmung der Figuren als Personen ist, welches Wissen
um sie im Verlauf der Narration aufgebaut wird (Mikos 2003:168). Figurenanalyse verläuft
zunächst deskriptiv, fragt aber auch nach der Wirkung der Figuren und deren möglicher Symbol- oder Symptomhaftigkeit. Weiter gilt es bei der Analyse zu bedenken, dass Figuren normativ geprägt sind durch die Normenvorstellungen oder „Menschenbilder“ eines jeweiligen Ortes
und einer jeweiligen Zeit und Historie (Eder 2008:41).
Nach Lothar Mikos werden Hauptfiguren in einer Serie als „Sympathieträger und Identifikationsfiguren“ inszeniert (Mikos 2003:163). Ihre Charakterisierung ist der Handlung nicht
nachgeordnet, sondern ebendiese Charakterisierung und die Entwicklung der jeweiligen Persönlichkeit der Hauptcharaktere stehen im Zentrum und treiben die Handlung voran. Dennoch
bleibt die Charakterisierung notgedrungen ausschnitthaft; die hervorgehobenen Aspekte sind
die soziale Kompetenz der Hauptfigur und ihre Fähigkeit, sich anderen Figuren gegenüber zu
öffnen einerseits, sowie die Fähigkeit, Entscheidungen über das eigene Leben zu treffen und
sich zu emanzipieren zum anderen.
Die auftretenden Figuren sind nicht nur mit personalen Eigenschaften ausgestattet, sie
treten auch in soziale Rollen auf (Mikos 2003:163). Die Analyse muss sich daher einerseits an
der medialen Konstruktion des Figureninventars und andererseits an dem Wissen der Zuschauer
über soziale Rollen orientieren.
6.1.2. Figurenanalyse und Konstruktion von Geschlechterrollen
Wie eingangs erläutert bildet die Performativität von Geschlecht einen zentralen Aspekt des
Heteronormativitätskonzeptes. In Fernsehserien kann eine Geschlechterrollenanalyse als Teil
der Figurenanalyse dazu dienen, diesen Aspekt der Herstellbarkeit von Geschlechteridentität
- 45 -
zu untersuchen. Für die Medienwissenschaftlerin Irmela Schneider zählt das Fernsehen maßgeblich zu dem Material, aus dem sich „kollektive Phantasien und kollektives Wissen über Geschlechterrollen bilden“ (Schneider 1995:139). Mit Geschlechterrollen sind Verhaltensweisen
gemeint, die als typisch oder akzeptabel für ein Geschlecht gelten und diesem zugewiesen werden. Gesellschaftliche Veränderungen und Erwartungen an Geschlechter werden von den medialen Darstellungen und „alltäglichen Symbolisierungen von Geschlechtsrollen, sowie von
Ehe- und Liebesverhältnissen“ in Serien begleitet (ebd.). Das Fernsehen kann als „Sozialisationsagentur“ mit dazu beitragen, dass bestimmte Verhaltensweisen als einem Geschlecht zugewiesen wahrgenommen werden, und Seriengestalten können für „die Zuschauer(sic!) zu einer
Referenzgröße [werden], vor der sie ihre eigenen Erfahrungen interpretieren“ (ebd.). Unter diesem Aspekt wird eine Interpretation von Geschlechterrollen und die Frage, inwieweit diese sich
veränderlich zeigen, bedeutsam.
Schneider konzentriert sich in ihrer Analysemethode auf rekurrente Inszenierungen des
Weiblichen und Männlichen, „die zu Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit führen,
denen leicht das Attribut von Natürlichkeit zuerkannt wird, obgleich es sich um einen Effekt
von Inszenierung handelt“ (Schneider 1995:140). Im Anschluss an Schneider lassen sich Symbolisierungen von Geschlecht auf unterschiedlichen Ebenen untersuchen:
a. in der Frage nach der sozialen Stellung der dargestellten Figuren, die sich durch ihren
Beruf, ihr Alter, ihre Zuordnung zu einer sozialen Schicht etc. ergibt. Dabei ist zum
einen der Vergleich von Figuren unterschiedlicher Geschlechter, also beispielsweise
von Männern und Frauen, aufschlussreich.
b. in der Frage nach „typischen Topographien, in denen Männer und Frauen gemeinsam
oder getrennt agieren“ (Schneider, 1995:140). Der Begriff Topographie bezieht sich an
dieser Stelle auf Repräsentationen verschiedener Räume und deren Beziehung zueinander und auf raumbezogene Informationen, die über die Serie vermittelt werden.
c. In der Frage nach charakterisierenden Eigenschaften und präferierten Wertezuschreibungen bei Männern und Frauen.
d. Durch die Analyse der Ikonographie von vergeschlechtlichten Körpern durch Kleidung,
Make-Up, Mimik oder Gestik (ebd.)
6.2. Figuren in Kekkon Shinai
Dieses Kapitel dient der Vorstellung wichtiger Figuren in Kekkon Shinai. Bei der Analyse der
Hauptfiguren Kirishima Haruka, Tanaka Chiharu und Kudo Junpei werde ich die folgenden
- 46 -
Gesichtspunkte gesonderte hervorheben: Die Beschäftigungssituation der Figuren, ihre Wohnsituation, ihr familiäres Umfeld, ihr Auftreten (Kleidung etc.), ihre Persönlichkeit und vergeschlechtlichte Merkmale. Wichtige Nebenfiguren werden vorgestellt mit Bezug zu dem jeweiligen Verhältnis, das sie zu den Hauptfiguren unterhalten.
6.2.1. Kirishima Haruka: Besetzung und Figur
Eine Besonderheit stellt die Besetzung der Rolle Kirishima Harukas dar. Die Schauspielerin
mit dem Künstlerinnennamen Amami Yūki (Geburtsname: Nakano Yūri) zählt gegenwärtig zu
den bekanntesten und auch beliebtesten Personen des öffentlichen Lebens in Japan. Ich werde
zunächst auf das Rollenrepertoire Amami Yūkis eingehen und anschließend die Figur
Kirishima Haruka analysieren.
6.2.1.1. Amami Yūki und die Rolle der starken und selbstständigen Frau
Amami Yūki spielte bereits in einer Vielzahl von japanischen Filmen und TV-Serien mit. Ihre
Karriere begann in der Takarazuka-Revue, einer Musiktheatergruppe mit ausschließlich weiblichen Darstellerinnen, in der sie den Status eines „Top Stars“ erreicht hatte. In der TakarazukaRevue übernahm Amami Yūki Männerrollen (otokoyaku). 14
Bereits in ihrer Zeit in der Takarazuka-Revue wuchs um Amami Yūki herum ein großer
Fankreis von mehrheitlich Frauen. In ihrer weiteren Karriere im Film und in Fernsehserien
übernahm die Schauspielerin überwiegend Rollen von Frauen, die in ihrer jeweiligen Karriere
erfolgreich sind und sich oft in einem männerdominierten Feld durchsetzen müssen.15 Auffallend ist auch, dass die von ihr gespielten Figuren in den jeweiligen Fernsehserien meist ledig,
geschieden oder verwitwet sind. Liebesbeziehungen spielen für die von ihr verkörperten Figuren meist eine untergeordnete Rolle im Gegensatz zu den Beziehungen zu Arbeitskolleg_innen
oder Freund_innen. Eine Ausnahme bildet hier die bereits erwähnte Serie Around 40, in der die
14
Jennifer Robertson beschreibt, wie unterschiedlichen Erlebniszugänge zur Takarazuka-Revue sich auf den
Diskurs zu Geschlecht in Japan auswirken: „The public spectacle of all-female revues has simultaneously disturbed and reinforced the dominant sex-gender system across cultural areas since the late nineteenth century. In Japan, the all-female Takarazuka Revue has fueled the heated debate concerning the relationship among sex, gender, and sexuality since its first performance in 1914, and continues to mediate the tension between a normative
(hetero)sexual text and an unconventional (homo)sexual subtext“ (Robertson 2000:24).
15
Beispielsweise trat sie als Anwältin in Rikon bengoshi (Scheidungsanwältin, Fuji TV 2004) und Rikon bengoshi
2 (Scheidungsanwältin 2, Fuji TV 2005) auf, als Architektin in Last present (Das letzte Geschenk, NTV 2004), als
Nachrichtensprecherin in: Top caster (Top Nachrichtensprecherin, Fuji TV 2006), als Psychiaterin und Krankenhausdirektorin in: Around 40 (Ungefähr 40, TBS 2008), als Chefin einer Polizeisondereinheit in: BOSS (Boss,
Fuji TV 2009) und BOSS 2 (Boss 2, Fuji TV 2011) und als Polizistin in: Kinkyū torishirabeshitsu (Notfall-Verhörzimmer, TV Asahi 2014).
- 47 -
Figur Ogata Satoko kurz vor ihrem vierzigsten Geburtstag steht und von ihrem Umfeld, insbesondere ihrer Familie, wiederholt auf das Thema Ehe angesprochen wird. Sie geht im Laufe der
Serie eine Beziehung zu einem jüngeren Arbeitskollegen ein und erwägt auch, diesen zu heiraten, entschließt sich dann jedoch ihrer Karriere den Vorzug zu geben und verzichtet deshalb auf
die Ehe. Auch die Schauspielerin Amami selbst ist unverheiratet, ein Umstand, der regelmäßig
in Interviews und in Artikeln über die Schauspielerin thematisiert wird (siehe u.a. Cinematoday
2009, Cinemacafe 2009, Cinemacafe 2016, Saisin-News 2017 [2015]).
Eine weitere Auffälligkeit in Amami Yūkis Figurenrepertoire ist die Häufigkeit von Serien, in der ihre Figuren im pairing mit einer jüngeren weiblichen Figur, meist einer hierarchisch unter ihr stehenden Arbeitskollegin, auftreten. Dies ist beispielsweise der Fall in Top
caster (Top-Nachrichtensprecherin, Fuji TV 2006) und GOLD (Gold, Fuji TV 2010). In beiden
Fällen werden die Charaktere der unterschiedlich alten Frauen als Gegensätze dargestellt, und
es ergeben sich sehr nahe, wenn auch konfliktbeladene Beziehungen, in denen die jüngere Figur
zu der älteren als einem Vorbild aufschaut. Zuletzt möchte ich auf die Häufigkeit des Vorkommens von implizit queeren Inhalten oder explizit als LSB (lesbisch, schwul oder bisexuell)
identifizierende Figuren in Filmen und Serien mit Amami Yūki aufmerksam machen16. Auch
im Zusammenhang mit unbestätigten Gerüchten über die sexuelle Orientierung der Schauspielerin könnte diese Tatsache als Hinweis auf eine mögliche Funktion der von ihr verkörperten
Rollen als Identifikationsfiguren oder Adorationsfiguren für nicht-heterosexuell identifizierende Frauen hinweisen.
6.2.1.2. Kirishima Haruka
Die Figur Haruka wird zu Beginn der Serie als eine talentierte und beruflich erfolgreiche Frau
vorgestellt. Sie arbeitet in einer renommierten Agentur für Gartenbaudesign, und einer ihrer
Entwürfe für ein Gartenprojekt steht in der engeren Auswahl für einen bedeutenden Preis. Ihr
Verhältnis zu den zum Großteil männlichen Kollegen wirkt entspannt. Ihre Arbeit bedeutet ihr
so viel, dass sie auf die Frage eines Kunden in Folge eins, ob sie in einer romantischen Beziehung sei, antwortet, ihre Arbeit sei ihr Partner (Episode 1, 0:04:30). Der Wechsel von der Agentur in die Position als Geschäftsleitung des Blumengeschäfts Maison Flora bedeutet für Haruka
einen beruflichen Abstieg. Die Versetzung erfolgt aufgrund einer neuen Firmenpolitik, die An-
Beispiele für Filme und Serien mit LSB-Figuren sind unter anderem: Suiyōbi no jōji (Mittwochs-Liebesaffäre,
Fuji TV 2001), Onna no ichidaiki: Koshiji Fubuki - Life of love (Tagebücher von Frauen: Koshiji Fubuki – Life
of love, Fuji TV 2005), BOSS (Boss, Fuji TV 2009) und BOSS 2 (Boss, Fuji TV 2011), Gisō no fūfu (Das falsche
Ehepaar, NTV 2015).
16
- 48 -
gestellte mit Familien (gemeint sind dabei Ehepartner_in und Kinder) bevorzugt und unverheiratete Angestellte benachteiligt. Aus der neuen Position heraus ist es Haruka nicht mehr möglich, ihren Karrierewünschen im Bezug auf Gartenbaudesign nachzugehen. Die neue Arbeit
bietet ihr keinen kreativen Freiraum und keine Möglichkeit, selbstständig zu arbeiten, ihre Identität als Karriere-Frau wird in Frage gestellt. Dennoch befindet sie sich als Vorgesetzte von
mindestens zwei temporär Angestellten in einer statusmäßig angesehenen Position und hat auch
keine finanziellen Sorgen, denn sie hat ihr Leben inklusive ihrer Altersversorgung gut geplant.
Obwohl ihr die Arbeit in dem Blumengeschäft nicht vertraut ist, eignet sie sich schnell die
notwendigen Fähigkeiten zu dessen Leitung an und tritt als kompetente und zugleich zugängliche Chefin auf, die den Respekt ihrer Angestellten verdient.
Haruka wohnt alleine in einer modernen, geräumigen Drei-Zimmerwohnung, die sie nicht
mietet, sondern besitzt. Die Wohnung verfügt neben einer großen Wohnküche über zwei getrennt begehbare Schlafzimmer und eine Terrasse. Harukas Wohnung ist sehr ordentlich, doch
Haruka ist nie dabei zu sehen, wie sie der Hausarbeit nachgeht; auch kocht sie selten und frühstückt in der Regel nicht.
Charakterlich lässt sich Haruka als pflichtbewusst, vorausschauend und zielorientiert beschreiben. Sie handelt meist betont rational und nicht gefühlsgeleitet. Ein Einblick in die Vergangenheit der Figur legt offen, dass sie eine Affäre mit ihrem ehemaligen Vorgesetzten hatte.
Diese brachte sie in eine moralisch schwierige Position, unter der sie im Stillen zu leiden
scheint, da sie ihrer üblichen ehrlichen und direkten Art widerspricht. Die Bezugnahme auf
diese Affäre kann als ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis, das den Charakter der Figur
geprägt hat und ihr Verhalten erklärt verstanden werden. Probleme geht Haruka ebenso wie
Entscheidungen pragmatisch an. Durch ihr Alter hat sie mehr Lebenserfahrung als die anderen
Hauptfiguren in Kekkon Shinai. Für die jüngere Mitarbeiterin im Maison Floral, Sakura Mai,
und auch für Chiharu hat nimmt sie wegen ihrer offensichtliche Selbstständigkeit ihrem selbstbewussten Auftreten eine Vorbildfunktion.
Ihre nähere Familie besteht aus ihrer Mutter und Großmutter. Die Mutter pflegt die an
Alzheimer erkrankte Großmutter aufopferungsvoll in ihrem eigenen Haus. Harukas Vater ist
bereits verstorben; es wird nicht explizit darauf eingegangen, wann und unter welchen Umständen dies passiert ist. Im Laufe der Serie vertieft sich Harukas anfänglich distanziertes Verhältnis
zu ihrer Mutter; sie besucht sie öfter auch spontan und bietet ihr Hilfe im Haushalt an. Sie bringt
ihr außerdem Blumen aus dem Blumengeschäft mit und spricht mit ihr über private Lebensentscheidungen. Ihr anfänglich von Pflichtbewusstsein geprägtes Verhältnis zu ihrer Mutter wandelt sich zu einer stärker emotional geprägten Beziehung.
- 49 -
Auch in Beziehungen zu anderen Figuren wirkt Haruka zunächst distanziert. Es werden
keine Freund_innen Harukas in der Serie gezeigt; nach dem Wechsel in das Blumengeschäft
hat sie auch keinen weiteren privaten Kontakt zu ehemaligen Kolleg_innen. Ihre erste Begegnung mit der Figur Chiharu basiert auf einem Zufall, und Haruka vermeidet weiteren Kontakt
zu Chiharu zunächst. Jedoch nimmt die selbst gewählte Abgrenzung der Figur Haruka von anderen Figuren im Laufe des Serien-Narrativs ab. Die Figur öffnet sich anderen Figuren gegenüber, indem sie beispielsweise die Mitarbeiter_innen des Blumengeschäfts zu sich nach Hause
einlädt, in Gesprächen mit Chiharu persönliche Konflikte anspricht und indem sie sich, wenn
auch zögerlich, auf eine Beziehung mit einem der Kunden des Blumengeschäfts, Professor
Taniguchi, einlässt. Diese Veränderung umschreibt den größten charakterlichen Wandel ihrer
Figur.
Äußerlich ist Harukas relative Größe im Vergleich zu anderen Frauen und auch einigen
männlichen Figuren auffällig. Sie hat halblanges, leicht gelocktes dunkelbraunes Haar, das sie
während der Arbeit im Blumengeschäft oft zusammenbindet. Die Figur trägt fast ausschließlich
Hosen und oft Hemden oder Blusen in gedeckten Farben, beispielsweise in Blau-und Grautönen. Wenn sie auf ihrem Moped fährt, trägt sie meist eine braune Lederjacke, die als ein für
Haruka charakteristisches Kleidungsstück hervorsticht. Die Wahl eines Mopeds anstelle eines
Autos kann als Hinweis auf ihre unkonventionelle Einstellung und als symbolisches Element,
das ihre Unabhängigkeit beschreibt, gesehen werden. Harukas Schuhe haben meist keine hohen
Absätze. Ihr Make-Up ist dezent gehalten, aber sie trägt oft einen stilvollen dunklen Lippenstift.
Ihre Haltung ist sehr gerade und ihre Bewegungen, beispielsweise das Gehen in großen Schritten, drücken Selbstbewusstsein aus. In Summe ergeben diese äußeren Merkmale, der Kleidungsstil und die Hervorhebung des Mopeds als eines Accessoires eine androgyne Darstellung
ihrer Figur.
6.2.2. Tanaka Chiharu
Anders als bei der Besetzung von Kirishima Haruka ist die Rolle von Tanaka Chiharu weniger
eindeutig durch das Image der Schauspielerin geprägt. Die Rollen, die Kanno Miho in früheren
Fernsehserien übernahm, sind divers. Hauptrollen spielte sie unter anderem in den populären
Fernsehserien Hatarakiman („Hatarakiman“17, NTV 2007) und Magerarenai onna (Die unbeugsame Frau, NTV 2010), in denen sie jeweils unverheiratete, auf ihre Karriere fokussierte
Frauen spielte.
17
Bezeichnung für eine schwer arbeitende Person (Zusammensetzung aus dem japanischen Verb „hataraku“, das
„arbeiten“ bedeutet, und man …) . Der aus dem englischen übernommene Begriff „man“ kann dabei als männliche
Konnotation und Anspielung auf Superhelden-Figuren wie beispielsweise Batman interpretiert werden.
- 50 -
Die Figur von Tanaka Chiharu wird, wie auch die anderen Hauptfiguren, zunächst an
ihrem Arbeitsplatz vorgestellt. Zu Beginn der Serie arbeitet Chiharu in einem Büro der Reiseagentur H.I.S. als Kundenbetreuerin. Hier berät sie Kund_innen bei der Planung von Reisen.
Chiharu hat ein gutes Verhältnis zu ihren Kolleg_innen, insbesondere zu Suzumura Mariko,
mit denen sie oft gemeinsam zu Mittag isst und auch private Aspekte ihres Lebens bespricht.
Als eine der älteren Mitarbeiter_innen wird sie von ihren direkten Kolleg_innen respektiert, sie
besetzt aber innerhalb der Agenturhierarchie eine unbedeutende Stelle und hat keine Chancen
für einen Karriereaufstieg. Ihre finanziellen Ressourcen sind beschränkt; da sie jedoch keine
größeren finanziellen Verpflichtungen hat, kann sie ihr Gehalt für einen angenehmen Lebensstil, beispielsweise für Restaurantbesuche ausgeben. Gemeinsam mit der Figur Junpei kann die
Figur Chiharu unter diesem Aspekt als Repräsentationsfigur für ihre Generation herangezogen
werden. Als gut ausgebildete, aber prekär beschäftigte Personen verfolgen sie und Junpei keinen vorgeschriebenen Lebensweg, wie dies bei den gezeigten Figuren ihrer Elterngeneration zu
sein scheint. Sie genießen aber nur scheinbare Freiheit in der Wahl ihrer jeweils eingeschlagenen Lebenswege, da sie durch soziale Erwartungen behindert werden und ökonomische Einschränkungen sowie im Falle von Chiharu Einschränkungen auf Grund des Geschlechts erleben.
Da Chiharu zu Serienbeginn noch mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester Chinatsu
zusammenlebt, ist sie stark eingebunden in ihre Kernfamilie. Ihr Verhältnis zu den Eltern und
der Schwester ist von Zuneigung geprägt, aber ihre Familie zeigt wenig Verständnis für Chiharus mangelnde Lebensplanung und erwartet von ihr, dass sie heiratet und Kinder bekommt. Im
Verlauf der Serie zeigt sich, dass einzelne Familienmitglieder Geheimnisse voneinander haben,
wie etwa die Mutter, die eine Krankheit verheimlicht, oder die verlobte Schwester, die zum
Zeitpunkt der Verlobung bereits schwanger ist. Die Harmonie in der Familie wird deshalb
manchmal gebrochen. Im Verlauf der Serie werden Verantwortungskonflikte unter den Familienmitgliedern angesprochen und auch die Einstellung der Familie gegenüber Chiharus Status
als unverheiratete Frau ändert sich hin zu größerer Akzeptanz.
Im Gegensatz zu der Figur Haruka, deren Charakterisierung stark an ihren Beruf beziehungsweise ihre Arbeitssituation und wenig an soziale Beziehungen gebunden ist, sind es bei
Chiharu eben letztere, die ihre Charakterisierung in erster Linie prägen. Chiharu fallen neben
der Rolle als Angestellte in der Reiseagentur gleich mehrere soziale Rollen zu, in denen sie
aktiv gezeigt wird: beispielsweise die Rolle der pflichtbewussten Tochter, der verlässlichen
Schwester, aber auch der vertrauenswürdigen Freundin. Insbesondere die Beziehungen zu
Freundinnen aus ihrer Studienzeit sind wichtig für die Charakterisierung ihre Figur. In den Beziehungen zu ihren Freundinnen zeigt sich Chiharu als aufgeschlossen, vertrauenswürdig und
hilfsbereit.
- 51 -
Chiharu kleidet sich meist in hellen und bunten, modischen Kleidungsstücken und trägt
überwiegend Röcke, Blusen und hochhackige Schuhe. Ihre üblichen Accessoires sind farbige
Schals, Handtaschen und/oder Schmuck. Chiharu trägt ihre Haare meist offen und verwendet
immer dezentes Makeup wie etwas Lipgloss. In ihrem Kleidungsstil und der Wahl von Accessoires drückt sich eine Praxis des Ausdrucks von Femininität aus – und diese Form der Femininität wird durch die Inszenierung der Figur Chiharu reproduziert, denn die auf Identifikation
angelegte Figur entspricht unter allen vorkommenden Figuren am stärksten einem stereotypen
Bild einer unverheirateten Frau.
Chiharus Körpersprache drückt oft Zurückhaltung und Unsicherheit aus: Beispielsweise
ist sie wiederholt mit hochgezogenen Schultern zu sehen. Mehrmals in der Serie stolpert
Chiharu, was als weiterer Ausdruck für ihre Unsicherheit gelesen werden kann und von Chiharu
auch symbolisch so verstanden wird: Sie gibt in Folge eins an, dass ihr das „Zu Fuß Gehen“,
das anderen Personen so einfach zu fallen scheint, schwerfalle (Episode 1, 0:46:49). Auch ihr
Gesichtsausdruck drückt häufig Zögerlichkeit und Nachdenklichkeit aus, die auch als Naivität
ausgelegt werden könnte. Diese Mimik zeigt sie vor allem, wenn sie mit für ihre Figur neuen
Gedanken, die für andere Figuren eine Selbstverständlichkeit darstellen, konfrontiert wird. In
einer typischen Geste legt Chiharu in solchen Situationen ihren Kopf schief und nimmt sich
einen Moment Zeit, ehe sie einen Gedanken ausspricht oder eine Antwort formuliert. Fehlende
Selbstsicherheit zeigt sich bei Chiharu auch darin, wie sie sich von den Menschen in ihrem
Umfeld in ihrer Haltung, beispielsweise zum Thema Ehe, beeinflussen lässt. Chiharu erlebt
mehrmals Verletzungen durch Aussagen, die ihre Familie oder ihre Arbeitskolleg_innen tätigen
und die ihren Lebensentwurf in Frage stellen. Auf solche Situationen reagiert Chiharu jeweils,
indem sie einem Konflikt aus dem Weg geht und die Wirkung getätigter Aussagen relativiert.
Sie macht „gute Miene zu bösem Spiel“ und versucht, Haltung zu bewahren; das heißt aber
auch, dass sie auf diese Weise oft mit Passivität auf unangenehme Umstände reagiert. Erst im
Laufe der Sendung kann sich die Figur partiell aus ihrer Passivität lösen. Jedoch lässt sich
Chiharu bereits von Beginn der Serie an durch Hindernisse nicht abschrecken, sondern zeigt
ständiges Bemühen, sich weiterzuentwickeln und in ihrem Leben voranzukommen. Ein anderer
Aspekt des Charakterzugs der Unsicherheit, beziehungsweise eine andere Möglichkeit, diesen
zu interpretieren, ist Bedachtsamkeit. Die Figur macht sich viele Gedanken über ihr eigenes
Leben, reflektiert ihre Situation und bemüht sich nach und nach, mehr Verantwortung für ihr
Leben zu übernehmen.
In nur scheinbarem Widerspruch zu den bisher genannten Eigenschaften tritt Chiharu gelegentlich auch als impulsiv und extrovertiert auf. Sie ist stets aufgeschlossen gegenüber neuen
Menschen und Erlebnissen, wie sich auch an ihrem Interesse für Reisen zeigt. Im Verlauf der
- 52 -
Serie zeigt sie sich häufig als hilfsbereit und hat immer Verständnis für die Lebenssituationen
anderer Menschen. Sie ist optimistisch und hat Vertrauen in andere, was sich unter anderem an
ihrem Verhalten gegenüber den ihr zunächst unbekannten Figuren Junpei und Haruka zeigt –
und einen der wesentlichen Punkte ausmacht, in denen die Figuren Haruka und Chiharu als
zunächst konträre Charaktere einander gegenüber gestellt werden. Im Verlauf der Serie sind es
gerade die gegensätzlichen Eigenschaften der beiden weiblichen Hauptfiguren, deren Entwicklung jeweils in dem Bereich der weniger ausgeprägten Fähigkeit durch das Vorbild der anderen
Figur positiv beeinflusst wird. Harukas Öffnung gegenüber anderen Figuren wird von Chiharu
beeinflusst, deren Zugewinn an Selbstständigkeit von Haruka.
6.2.3. Kudo Junpei
Kudo Junpei arbeitet, nachdem er eine Karriere als Maler aufgegeben hat, im Blumengeschäft
Maison Floral, in dem er für seine Sachkenntnis im Bezug auf Blumen, Farben und seine geschmackvollen Blumenarrangements geschätzt wird. Sein Arbeitsverhältnis wird als Nebenjob
(baito) vorgestellt; es wird jedoch nicht näher darauf eingegangen wie viele Stunden er in dem
Geschäft verbringt, und es wirkt, als sei sein Leben stark um das Blumengeschäft zentriert: In
den meisten Szenen wird er im Geschäft oder mit Arbeiten für das Geschäft beschäftigt gezeigt.
Junpei wohnt bis zu seinem geplanten, aber abgebrochenen Aufbruch nach Paris alleine
in einer kleinen Wohnung in Tōkyō. Diese ist nur spartanisch eingerichtet und wird den Zuschauer_innen erst gegen Ende der Serie vorgestellt. Auf Junpei Verhältnis zu seiner Familie
wird bei seinen Besuchen bei der Großfamilie in einer nicht näher spezifizierten ländlichen
Region eingegangen. Er hat einen älteren Bruder, der verheiratet und beruflich erfolgreich ist
und dessen Lebensentwurf ihm von den übrigen Verwandten als Muster vorgehalten wird, dem
er nicht genügt. Der Bruder selbst zeigt sich einfühlsam gegenüber Junpeis Zweifeln und ermutigt ihn, sein Interesse an der Malerei nicht aufzugeben.
Die Malerei ist ein wichtiger Bestandteil von Junpeis Leben. Er hat das Malen aufgegeben
nachdem er in einem Wettbewerb gegen seine jüngere Kollegin, seine kōhai18 Konō Mizuki,
verloren hatte. Selbstzweifel beziehungsweise mangelndes Selbstbewusstsein scheinen die
Gründe hinter seiner Abwendung von der Kunst zu sein. Diese sind so stark, dass er als Reaktion auf das niederschmetternde Urteil eines Galerie-Besitzers über seine (älteren) Bilder diesem aufträgt, die Bilder zu entsorgen. Mit Chiharus Unterstützung, die ihr Vertrauen in seine
18
Japanische Bezeichnung für eine meist jüngere Person, die nach einer anderen Person in eine
Organisation oder Institution gekommen ist.
- 53 -
Arbeit ausdrückt, ohne seine Bilder gesehen zu haben, nimmt er das Malen wieder auf und
findet schließlich auch als Kunstlehrer eine Möglichkeit, Lohnarbeit und Malerei zu verbinden.
Junpei wird durchgängig als freundlich und höflich im Umgang mit seinen Mitmenschen
gezeigt. Er zeigt sich aufmerksam gegenüber deren Gefühlen, und er nimmt Stimmungen
schnell wahr und versucht diskret auf diese einzugehen. Besonders deutlich zeigt sich Junpeis
aufmerksame Art, wenn er Blumen verschenkt und diese dabei bewusst im Hinblick auf ihre
Bedeutung in der Blumensprache auswählt, die wie eine versteckte Botschaft auf die Empfänger_innen wirkt. Auf Grund dieser positiven Eigenschaften wird er von seinem Umfeld geschätzt. Wie auch Haruka wird jedoch auch Junpei als eine isolierte Figur gezeigt. Erst gegen
Ende der Serie wird ein Freund Junpeis erwähnt, der ihm zu einer Anstellung verhilft. Im Verlauf der Serie scheint er Kontakte, gerade zu seinen ehemaligen Kolleg_innen der Kunst-Universität und zu Mizuki Kōno, zu meiden. In Interaktionen ist Junpei meist mit seinen weiblichen
Kolleg_innen aus dem Maison Floral oder mit Chiharu oder Konō Mizuki zu sehen. Während
diese Begegnungen harmonisch verlaufen, äußern sich Konflikte eher im Kontakt mit einem
männlichen Gegenüber wie besagtem Galerie-Besitzer oder mit männlichen Verwandten.
Junpei trägt meist Hemden, Wollpullover oder -jacken über den Hemden und Westen.
Außerhalb der Arbeit trägt er legere Kleidung, unter anderem kürzere Hosen oder dünne Pullover an Stelle der formaleren Hemden. Obwohl er nicht besonderes auf ein modisches Erscheinungsbild Wert legt, wird er doch als „gutaussehend“ charakterisiert, wie sich unter anderem
an der Reaktion einer Arbeitskollegin Chiharus, Suzumura Mariko ablesen lässt (Episode 5,
0:04:40). Obwohl Junpei äußerlich, etwa in seinem Kleidungsstil oder seiner Sprache, keine
von Geschlechternormen abweichende Praxen ausdrückt, muss angemerkt werden, dass die
Sensibilität im Umgang mit anderen Figuren und sein mangelndes Selbstbewusstsein hegemonialen Annahmen über Ausdrucksformen von Männlichkeit in Japan widersprechen, sich jedoch in Übereinstimmung mit einer spezifischen Form von zurückhaltender Männlichkeit befindet, die unter anderem durch das Modewort sōshokukei danshi (grasfressende Männer) seit
den 2000er Jahren mediale Aufmerksamkeit erhielt (vgl. Noack 2014:205).
6.2.4. Wichtige Nebenfiguren
Die Nebenfiguren in Kekkon Shinai zeigen oft typische, aus ihrer Funktion heraus erwachsende
Verhaltensweisen. So treten vor allem Chiharus Eltern in der Funktion der besorgten Eltern auf,
andere Figuren verhalten sich ihren Funktionen ihrem jeweiligen Arbeitsumfeld entsprechend
et cetera. Es gibt aber zwei Nebenfiguren, die auch eine charakterliche Entwicklung durchmachen: Dies sind die Figuren Professor Tanigawa und die Mutter von Chiharu, die jeweils im
- 54 -
Laufe der Serie ihre Sichtweise auf die Ehe ändern und eine liberale Einstellung zur Ehe annehmen. Nebenfiguren dienen auch der Kontrastierung und Beschreibung der Hauptfiguren.
Chiharus Arbeitskollegin Suzumura Mariko beispielsweise kontrastiert deren scheinbare sorglose Einstellung gegenüber der eigenen Zukunft, indem sie immer wieder Pläne für ihre eigene
Zukunft entwirft – während Chiharus verheiratete Freundinnen ihr das Bild eines anderen möglichen Lebensweges vor Augen führen.
Unter den Figuren in Kekkon Shinai gibt es außerdem keine Antagonist_innen oder Feindschaften. Konkurrenz, etwa im Arbeitskontext, spielt nur eine sehr nebensächliche Rolle. Auch
wenn einzelne Figuren, vor allem im Arbeitskontext, durch die Hauptfiguren verletzendes Verhalten auffallen, ist dies jedoch immer in einen Kontext gebettet, der die Figuren aus der Verantwortung nimmt. Es handelt sich also in diesen Fällen um „Funktionsrollen“ (Mikos
2003:170). Der Vorgesetzte Harukas, der dieser ihre Versetzung in das Blumengeschäft Maison
Floral mitteilt, tut dies nicht aus Böswilligkeit, sondern folgt einer Vorgabe der Firma. Der
Galeriebesitzer, der Junpei mitteilt, er halte dessen Bilder nicht für erfolgsversprechend, handelt
aus ökonomischem Interesse heraus.
Die untenstehend vorgestellten Nebenfiguren kommen jeweils in mehreren Folgen der
Serie vor und haben verschiedentlich gestaltete Beziehungen zu mindestens einer der Hauptfiguren. Sie tragen zur Charakterisierung der Hauptfiguren bei als Gesprächspartner und ermöglichen dramaturgische Verknüpfungen zwischen den Hauptfiguren oder erleichtern diese.
Tanigawa Shūji ist ein Soziologieprofessor an einer Universität in Tōkyō, an der er eine
Vorlesung über Ehe in der japanischen Gesellschaft hält. Er ist geschieden und alleinlebend
und kümmert sich um seine Mutter, die in einem Pflegeheim lebt. Im Verlauf der Serie besucht
der Professor das Blumengeschäft wiederholt und freundet sich mit Haruka an.
Die Maison Floral-Angestellte Sakura Mai ist gleichzeitig eine von Professor Tanigawas
Student_innen. Mai baut keine engere Verbindung zu den Hauptfiguren auf, aber ihre Überlegungen zur Ehe, die sie, inspiriert von der Vorlesung von Professor Tanigawa, als Bilder festhält, bieten eine zusätzliche Sichtweise auf die Ehe und können als exemplarisch für die Perspektive einer jüngeren Generation gelesen werden.
Die Mitglieder der Familie Tanaka sind Chiharus Mutter Tanaka Noriko, ihr pensionierter
Vater Tanaka Suguru und die jüngere Schwester Chinatsu. Ebenfalls zur Familie zählen lässt
sich Chinatsus Verlobter und späterer Ehemann Tachibana Yōichirō, der zu einem späteren
Zeitpunkt in der Serie mit Chinatsu in das Haus der Eltern einzieht.
Chiharu hält Kontakt mit drei Freundinnen aus ihrer Universitätszeit. Zwei von diesen
sind verheiratete Hausfrauen und Mütter: Ishikawa Yukari und Mikako. Ihre Freundin
Watanabe Tsugumi ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die bei der ersten in der Serie gezeigten
- 55 -
Begegnung mit Chiharu in Folge eins angibt, sich gerade von ihrem Freund getrennt zu haben
(Episode 1, 0:27:24). In dieser Situation zeigt sie sich bemüht, ihren Kontakt zu Chiharu zu
intensivieren. Später stellt Tsugumi fest, dass sie schwanger ist, und verlobt sich mit ihrem
Exfreund.
Harukas Familie besteht aus ihrer Mutter Kirishima Yoko und ihrer Großmutter
Kirishima Fusae. Die verwitwete Mutter kümmert sich in ihrem eigenen Haus um ihre pflegebedürftige Schwiegermutter.
Kōno Mizuki ist eine ehemalige Mitstudentin und kōhai von Junpei. Es wird angedeutet,
dass die beiden in der Vergangenheit ein Liebespaar waren und offen gezeigt, dass Kōno weiterhin romantisch an Junpei interessiert ist. Darüber hinaus versucht sie, mittlerweile selbst erfolgreich, dessen Karriere als Maler zu fördern.
6.3. Konflikte der Figuren als Resultat des Un-Verheiratetseins
Der Status des Unverheiratet-seins der Hauptfiguren ist das zentrale Motiv der Serie. Ihre Einstellungen zur Ehe werden bereits in der ersten Folge oberflächlich thematisiert und konkretisieren sich im Zuge der Charakterentwicklung der Figuren und als Reaktion auf Ereignisse in
der Serie. Für Haruka stellt sich das Unverheiratet-sein als eine Entscheidung dar, die sie bewusst getroffen hat. Junpei gibt auf Nachfrage an, sich nicht fähig zu fühlen zu heiraten, während Chiharu dem Thema bis zu ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag keine große Bedeutung
beigemessen hat, eine Ehe aber als grundsätzlich erstrebenswert empfindet. Die jeweiligen Lebensentwürfe der Hauptfiguren sind also sehr unterschiedlich gestaltet und von verschiedenen,
auch von der Ehe unabhängigen positiven und negativen Aspekten geprägt. Einige der Konflikte, die sich für die Figuren ergeben, werden jedoch in direkten Bezug zum Status des Unverheiratet-seins gesetzt. Diese Konflikte sind es, die im folgenden Kapitel unter eben diesem
Blickwinkel betrachtet werden sollen.
6.3.1. Familiärer und sozialer Heiratsdruck
Der Einfluss der Familien auf die jeweiligen Hauptfiguren und die Nähe der Figuren zu ihrer
jeweiligen Familie unterscheiden sich voneinander. Je näher das Verhältnis ist, desto mehr Einfluss hat die Familie auch auf die jeweilige Figur, gleichzeitig erhalten die Familienmitglieder
auch mehr Filmzeit und ihre Charaktere sind deutlicher definiert. Sehr eng ist das Verhältnis
Chiharus zu ihrer Familie; besonders nahe steht sie ihrer Mutter. Haruka vertieft, wie bereits
erwähnt, ihr Verhältnis zu ihrer Mutter im Laufe der Serie. Auf Junpeis Seite sind es nur männliche Familienmitglieder, mit denen er interagiert. Er steht seinem älteren Bruder nahe. Die
- 56 -
Familien der Hauptfiguren ähneln einander insofern, als dass in ihnen jeweils die Ansicht vertreten wird, dass die Ehe eine angemessenere Lebensform für die Hauptfiguren darstellen würde
und deren Unverheiratet-sein als Anlass zur Sorge genommen wird. Ich möchte dies anhand
einer exemplarisch ausgewählten Szene aufzeigen:
Zu Beginn der ersten Folge ist Chiharu zu sehen, wie sie nach der Arbeit nach Hause zu
ihren Eltern kommt. Aus dem Wohn- und Esszimmer sind die Stimmen ihrer Familienmitglieder zu hören, die Chiharus Ankunft zunächst nicht bemerken. Chiharu hört also vom Eingangsbereich aus das Gespräch der Familienmitglieder. Neben dem Vater und der Mutter sind auch
ihre jüngere Schwester Chinatsu und deren Verlobter Yōichirō anwesend. Chiharus Vater
drückt seine Freude darüber aus, mit einem anderen Mann gemeinsam Abend zu essen. Chiharu
ist im Begriff, die Türe zu öffnen, als Chinatsu sagt. „Ne – oneesan, hayaku kekkon shitekurenai
kana“ („Ob [meine] Schwester nicht auch bald mal heiraten wird?“; Episode 1, 0:11:37). Das
Suffix -kurenai drückt in diesem Fall aus, dass es Chinatsu gegenüber eine dankenswerte Handlung wäre, wenn Chiharu heiraten würde und impliziert, dass sie eine Heirat als angemessen
empfinden würde. Im weiteren Gespräch der Familienmitglieder stellt Chinatsus Verlobter fest,
es sei „fushigi“ („sonderbar“; Episode 1, 0:11:47), dass Chiharu noch nicht verheiratet sei. Der
Vater stimmt ihm zu und stellt die Frage „Dōshite kekkon dekinaino darō na“ („Warum schafft
sie es wohl nicht, zu heiraten?“; Episode 1, 0:11:52).
Während der Szene zeigt der ständige Wechsel der Kamera zwischen dem Familiengespräch und Chiharus Gesicht immer wieder die Betroffenheit der Hauptfigur. Die Aussagen und
die Wortwahl ihrer Angehörigen verletzten sie offensichtlich. Die von Yōichirō gewählte Bezeichnung fushigi verweist auf die Normativität des Heiratens – in den Gedanken der Familienmitglieder gibt es eine klare Wertung von angemessenem und unangepasstem Verhalten.
Nicht Chiharus Wohlbefinden ist Thema der Unterhaltung, sondern die Tatsache, dass sie aus
dem Rahmen fällt und sich von den Familienmitgliedern und den gesellschaftlichen Normen
durch ihr Verhalten abgrenzt. Chiharu zeigt sich in der Szene als unfähig oder nicht willens, die
Konfrontation mit ihrer Familie zu suchen beziehungsweise sich für ihre Lebensführung verteidigen zu müssen. Obwohl ein scheinbar vertrauensvolles Verhältnis in der Familie und im
Umgang der Familienmitglieder herrscht, ist die Harmonie getrübt: Die Aussagen der Familienmitglieder werden von Chiharu als Affront verstanden, den sie aber ohne Widerworte erträgt.
Da die Eltern verheiratet sind und die Heirat der jüngeren Schwester in Aussicht steht, ersscheint die Ehe als selbstverständlicher Teil des Lebensentwurfes ihrer Familienmitglieder.
Chiharu grenzt sich durch ihr Un-Verheiratetsein von ihrer Familie ab. Dies wird zum Auslöser
für einen familiären Konflikt.
- 57 -
Auch in der Familie von Junpei liefert seine Einstellung zur Ehe Konfliktpotential und
bewirkt, stärker sogar als bei Chiharu, eine Entfremdung von Familienmitgliedern untereinander. Junpei sieht sich bei einer Familienfeier beispielsweise mit den Fragen eines älteren Verwandten konfrontiert, der wissen will, warum er noch nicht verheiratet sei und ihn mit seinem
in diesem Aspekt erfolgreichen älteren Bruder vergleicht (Episode 4, 0:07:11). Auch Junpei
reagiert darauf passiv, sein Bruder steht ihm in der beschriebenen Situation jedoch bei, indem
er das Gespräch von Junpeis Situation auf ein anderes Thema lenkt.
Harukas Mutter fragt diese in der ersten Folge der Serie, ob Harukas Unverheiratet-sein
ihre Schuld sei – und drückt damit Bedauern über deren Situation aus (Episode 1, 0:38:52). In
diesem Moment verteidigt Haruka ihre Entscheidung zwar, es entsteht bei ihr jedoch die Sorge,
ihre Mutter enttäuscht zu haben. Als sie in Folge vier das Thema noch einmal anspricht und
ihre Mutter danach fragt, gibt diese jedoch an, zufrieden mit Harukas Situation zu sein (Episode
4, 0:22:22).
Die Erwartung an die jeweiligen unverheirateten Familienmitglieder, zu heiraten, entspringt zum einen der Annahme, dass Ehe eine filiale Verpflichtung sei (siehe dazu auch Kapitel 6.4.2). Außerdem fungieren die Familien als Katalysatoren für gesellschaftliche Erwartungen. Grund für die Sorgen um die Hauptfiguren ist für die sich sorgenden Familienmitglieder
immer auch das Ansehen der Hauptfiguren in der Gesellschaft.
Ob und inwieweit die Familienmitglieder in ihrem Ausdruck von Sorge auch oder überhaupt das individuelle Glück der Hauptfiguren im Sinn haben, wird zunächst nicht deutlich.
Wie in anderen Situationen, in denen die Lebensumstände der Hauptfiguren durch außenstehende Personen bewertet werden, ist Chiharu die Figur, welche sich am meisten Kritik ausgesetzt sieht. Dass Chiharu stärker als die beiden anderen Hauptfiguren von familiärem Druck
betroffen ist, lässt sich nicht nur auf ihr Naheverhältnis zu ihrer Familie zurückführen. Im direkten Vergleich zu Haruka und Junpei sind es ihr Alter und ihre Geschlechtsidentität, die sie
besonders angreifbar machen. Wie bereits in Kapitel 3.3 („Gesellschaftlicher Druck,
Geburtenraten und Stigmatisierung“) besprochen, wird die Verantwortung für das steigende
Heiratsalter und die damit in Verbindung stehende sinkende Geburtenrate eher bei den Frauen
als bei den Männern gesehen. Die geringe Konzentration auf Junpeis familiäre Konflikte im
Gegensatz zu denen der Figuren Haruka und Chiharu wird unter diesem Gesichtspunkt nachvollziehbar. Die Soziologin Lynne Nakano fand im Vergleich von unverheirateten Frauen verschiedener Altersgruppen in Japan heraus, dass die Generation der 30-Jährigen Frauen, als deren Repräsentantin Chiharu in Kekkon Shinai fungiert, unter besonderem Druck stehen, da ihre
Chancen sowohl auf dem ‚Ehemarkt’, als auch ihre Karriereoptionen sich innerhalb dieser Altersphase drastisch reduzieren (Nakano 2005:174). Im Gegensatz dazu seien Frauen im Alter
- 58 -
von 40 bis 50 Jahren, für die Harukas Figur als repräsentativ gesehen werden kann, selbstbewusster und mehr auf andere Aspekte ihres Lebens fokussiert (Nakano 2005:176) – eine Haltung, die sich im Charakter von Haruka wiederfindet.
6.3.2. Finanzielle Sorgen und soziale Absicherung/ Alter und Einsamkeit
Eine der größten und dringlichsten Fragen, die sich den unverheirateten Hauptfiguren stellt, ist
jene der sozialen Absicherung außerhalb eines traditionalistischen Familiengefüges. Die Frage
nach der Herstellung sozialer Absicherung, die sowohl eine emotionale Komponente als auch
die Frage finanzieller Absicherung beinhaltet, zieht sich durch den Serienverlauf, wird aber oft
nur indirekt angesprochen. Sie macht sich bei den Figuren in Gestalt von Angst und Verunsicherung bemerkbar, vor allem dann, wenn nicht ihre derzeitige Situation, sondern ihre Zukunftspläne behandelt werden.
Konkret wird dieses Thema anhand der Frage nach der Versorgung der Figuren im Alter
und nach altersbezogenen Möglichkeiten der Gestaltung des Soziallebens behandelt. Dabei sehen sich die Figuren unterschiedlich stark von möglicher Alterseinsamkeit betroffen und streben unterschiedliche absichernde Maßnahmen an. Im Bezug auf Junpei wird zwar seine Sorge
über seine Zukunft oft an seiner Reaktion auf das Thema deutlich – er äußert sich zwar nie zu
konkreten Plänen, seine Mimik drückt jedoch in solchen Fällen Besorgnis aus.
Chiharu verbalisiert ihre Sorgen zwar, hat jedoch über die größten Strecken der Serie
hinweg keine konkreten Vorstellungen dazu, wie sie mit diesen umgehen kann. Chiharus Verunsicherung bezüglich ihrer Zukunftsgestaltung und Altersversorgung weist auf die Normativität von Ehe und die daraus resultierende Unsichtbarkeit alternativer Gestaltungsformen des
Lebens als alleinstehende, alternde Frau hin. Besonders stark empfindet sie ihre ökonomische
Unselbstständigkeit, als sie in Folge sieben, bei einer Wohnungsbesichtigung mit Junpei erfährt, dass ihr der Zugang zu der Wohnung nur mit einer Festanstellung möglich sein würde.
Dem Erleben der Prekarität ihrer (Wohn-)Situation wird auch in diesem Fall wieder die scheinbare Einfachheit, mit der man durch eine Ehe derartigen Problematiken entgehen könnte/kann.
Es wird also wieder auf den Zusammenhang zwischen finanzieller Absicherung und Heiratsverhalten verwiesen. Einen solchen Zusammenhang streicht auch die feministische Autorin
Ogura Chikako in Kekkon no jken (2003) hervor. In der populärwissenschaftlich-soziologischen
Publikation verweist die Autorin auf den Zusammenhang zwischen der sozialen Schicht, der
sich Personen zugeordnet fühlen, dem Bildungsgrad und dem Bedürfnis, durch eine Heirat soziale und finanzielle Absicherung zu erreichen, besonders unter Frauen (Ogura 2003:37ff).
- 59 -
Haruka und Chiharu tauschen sich in Folge sieben über Möglichkeiten der (Selbst-)Versorgung im Alter aus. Anlass ihres Gesprächs ist ein Buch, das Chiharu liest und den Titel:
Ohitorisama de ikiru gijutsu (Die Kunst, alleine zu leben) trägt. Auf ihre Frage, wie sie für ihre
Zukunft vorgesorgt habe, nennt Haruka mehrere Maßnahmen, die sich hauptsächlich auf ihre
finanzielle Absicherung beziehen (Episode 7, 0:05:48). Sie hat einem Plan, nachdem sie den
Kredit ihrer Wohnung innerhalb der nächsten Jahre abbezahlt haben könnte, hat Ersparnisse
und eine private Gesundheitsversicherung sowie Maßnahmen für die Finanzierung ihrer Beerdigung getroffen. Zusätzlich erwägt sie, unter Umständen in das Haus ihrer Mutter zurückzuziehen, falls diese pflegebedürftig würde, und in diesem Fall zusätzliche Einnahmen aus der
Vermietung ihrer Wohnung zu lukrieren. Als Lebenssinn (ikigai) erkennt sie ihre Leidenschaft
für Gärten. Für Haruka ist es weniger der finanzielle als der soziale Aspekt des Alterns, der ihr
zunehmend als ein für sie ungeklärter Punkt ihrer Lebensplanung bewusst wird. Im Gespräch
mit Professor Tanigawa gibt sie zu, dass die Vorstellung, das Alter gemeinsam mit einer zweiten Person zu verbringen, eine schöne sei (Episode 7, 0:20:55).
Für sowohl die finanzielle als auch die soziale Absicherung im Alter ist die Frage nach
Wohnraum und Wohn-Form wesentlich. Obwohl es keine eindeutige Beantwortung der Frage,
wie Haruka letztlich ihre soziale Absicherung im Alter gestalten will, gibt, werden durch das
angedeutete Zusammenziehen von Haruka und Professor Tanigawa und das ebenfalls angedeutete dauerhafte Zusammenwohnen von Haruka und Chiharu immerhin zwei möglichen Antworten in den Raum gestellt.
6.3.3. Konflikte der Figuren mit ihrem Alter und der Frage nach Gebärfähigkeit
Kekkon Shinai referiert sehr stark auf die Identifikation mit und Gleichsetzung von Frauen mit
deren Fähigkeit, Kinder zu gebären, und mit mütterlicher Weiblichkeit. Bereits die erste Folge
des dorama nimmt diese Thematik auf. Ich werde im Folgenden die Darstellungen des persönlichen Erlebens von gesellschaftlichem Druck, dessen Konsequenzen und den Umgang mit ihm
/ damit bei den Figuren Chiharu und Haruka diskutieren.
6.3.3.1 Chiharus Erleben von Alter
In der ersten Folge der Serie wird dargestellt, wie die Figur Chiharu einen ehemaligen Freund
aus ihrer Universitätszeit wieder trifft. Der Freund erinnert sie an das Versprechen, das die
beiden einander vor rund zehn Jahren gegeben haben: Sie würden vor ihrem fünfunddreißigsten
Geburtstag heiraten, sofern beide zu dem Zeitpunkt noch nicht verheiratet sind. Chiharu macht
- 60 -
sich daraufhin Hoffnungen, einen Heiratsantrag von dem Freund zu bekommen, für den sie
Sympathie empfindet. Dieser erklärt ihr jedoch entgegen ihrer Erwartung am Abend ihres fünfunddreißigsten Geburtstags, dass er vorhabe eine Familie zu gründen und Chiharu aufgrund
ihres Alters als Ehekandidatin nicht in Frage kommt. Seine Einstellung löst in Chiharu nicht
nur einen Schock aus, sondern auch Wut darüber, über ihre Gebärfähigkeit beurteilt zu werden.
Im Anschluss an das Gespräch mit diesem Freund trifft sie Watanabe Tsugumi, ihre letzte verbliebene unverheiratete Freundin. Diese gesteht Chiharu, sie werde in Kürze heiraten, da sie
ungewollt schwanger geworden ist. Vor Chiharus Augen wird also die Verknüpfung von Ehe
mit Gebärfähigkeit durch die Situation ihrer Freundin erneut bestätigt. Später an demselben
Abend findet sich Chiharu alleine in einem Park wieder, wo sie auf einer Bank Gemüsechips
isst und Bier trinkt, scheinbar um ihre Frustration vergessen zu können. Sie begegnet dort Haruka, die sie überredet, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. In einer der Schlüsselszenen der
Serie, die unter noch näher beschrieben wird, ruft Chiharu laut, dass Frauen keine „Maschinen
zum Kindergebären“ („kodomo o umu dōgu“) seien (Episode 1, 0:53:39).
Die Beurteilung ihres Körpers durch den erwähnten Freund Chiharus in der ersten Episode der Serie kann im Zusammenhang mit dem tekireki betrachtet werden. Chiharu erlebt, dass
der gesellschaftliche Wert von Frauen mit deren Alter und deren körperliche Fähigkeit, Kinder
zu bekommen, verknüpft ist. In dieser Episode wird ein Konflikt beschrieben, der von außen
an Chiharu herangetragen wird – die Wertung, die sie von außen erfährt, ist nicht an ihre eigenen Vorstellungen gebunden, greift aber ihr Selbstbewusstsein an. Ihre Interpretation des Verhaltens ihres Universitätsfreundes drückt sich in der Bezeichnung „Maschinen zum Kindergebären“ („kodomo o umu dōgu“19) deutlich aus: Sie fühlt sich nicht als Person wahrgenommen,
sondern auf körperliche Funktionalität reduziert. Dass ein solcher Blick auf Körper von Frauen
bis heute in der japanischen Gesellschaft überlebt hat, zeigt sich explizit an Beispielen wie dem
eines LPD-Politikers, der in einer Rede 2007 die Bezeichnung „Geburtsmaschine“ („kodomo o
umidasu sōchi“)20 verwendete. Gegen diese normative Verknüpfung von Geschlecht und Körperlichkeit und von Weiblichkeit und Reproduktion lehnt sich Chiharu auf. Auch die Studentin
Mai reagiert in einer anderen Situation ähnlich wie Chiharu: Während sie mit Universitätskolleg_innen und Professor Tanigawa über die sinkende geburtenrate in Japan spricht, weisen sie
und eine Freundin von ihr die Vorstellung, Frauen seien Geburtsmaschinen oder sollten „für ihr
Land“ Kinder gebären energisch von sich (Episode 6, 0:06:00)
19
In der TV-Serie Galileo 2 (Galileo 2, Fuji TV 2013, Episode 11), in der Amami Yūki einen Gastauftritt hatte,
kam diese Formulierung, die Frau sei kein Instrument zum Kindergebären, ebenfalls vor. In der besagten Serie
spielte Amami eine verheiratete Frau, deren Ehemann ihr androht, sich scheiden zu lassen, wenn sie nicht innerhalb
eines Jahres schwanger würde, woraufhin die Frau ihren Ehemann ermordet.
20
Wikipedia 2017b
- 61 -
Der persönliche Zugang Chiharus zu der Frage, ob sie Kinder bekommen möchte, ist für
sie aber nicht nur an die körperliche Fähigkeit, gebären zu können, gebunden. Als sie in Folge
sechs auf Ren, den fünfjährigen Sohn ihrer Freundin Ishikawa Yukari, aufpasst, fragt sich
Chiharu auch, ob sie sich adäquat auf anfallende Aufgaben als Mutter einstellen könnte. Auch
hier sieht sie ihr Alter als einen möglichen Grund dafür, keine Kinder zu bekommen, da sie
anzweifelt, genügend Energie für die mit Kindererziehung und-betreuung verbundenen Aufgaben zu haben (Episode 6, 0:19:10 und 0:29:00). Durch Chiharus Überlegungen und ambivalente
Einstellung zu Mutterschaft werden die Annahmen eines angeborenen Wunsches nach Mutterschaft bei Frauen, die bis heute in der japanischen Gesellschaft existieren, angegriffen.
Chiharu, die Schwierigkeiten hat, Ren alleine zu betreuen, erhält schließlich Hilfe von
Junpei. Gemeinsam gelingt es den beiden, die gemeinsame Zeit für das Kind angenehm zu
gestalten ohne Überforderung der eigenen Person. Damit bietet Kekkon Shinai den Zuschauer_innen Bilder einer männlichen Betreuungsperson eines Kinders als positives Beispiel.
Außerdem wird implizit in der gemeinsamen Darstellung von Chiharu und Junpei mit dem Kind
auf eine mögliche egalitäre Verantwortungsverteilung von Kinderbetreung verwiesen. Das Erleben dieser pseudo-familiären Situation erlaubt es Chiharu, sich Umstände vorzustellen, im
Rahmen derer für sie eine spätere Geburt von Kindern, trotz ihres Alters, in Frage kommen
könnte.
6.3.3.2. Harukas Erleben von Körperlichkeit und Weiblichkeit
Auch die Figur Haruka muss sich in Kekkon Shinai mit eigenen Kinderwünschen und ihrer
körperlichen Fähigkeit, Kinder zu gebären, auseinandersetzen. Die Entscheidung für ein Leben
als unverheiratete Frau bedeutete für Haruka auch ein Leben ohne Kinder. In einer Analogie zu
ihrer Arbeit als Landschaftsarchitektin, die sie in der ersten Folge als ihre Partnerin bezeichnet
hat, spricht Haruka auch von ihren Werken, also von ihr designten Gärten, als ihren Kindern.
Diese seien der Teil von ihr, der auch über sie hinausgeht, der Versuch, etwas in der Welt zu
hinterlassen (Episode 6, 0:41:40). Um Transzendenz zu erreichen sind für Haruka keine leiblichen Kinder notwendig. Es wird aber in Folge sechs angedeutet, dass Haruka Kinder mag und
gerne Zeit mit Kindern verbringt. Im Umgang mit Ren, der vorübergehend von Chiharu betreut
wird, zeigt sich Haruka als freundlich und nachsichtig. Chiharu kommentiert, dass Haruka mit
Ren mit einer ungewohnt sanften Stimme spricht und eine ungewohnte Seite ihres Charakters
zum Vorschein bringe (Episode 6, 0:32:07).
Als Haruka in der Folge zehn auf Grund verschiedener körperlicher Beschwerden eine
Ärztin aufsucht, ergibt das Ergebnis einer Untersuchung, dass sie gutartige Tumoren in ihrem
- 62 -
Unterleib hat (Episode 10, 0:14:42). Durch diese ergibt sich für Haruka ein gesundheitliches
Risiko, das durch eine operative Entfernung behandelt werden kann. Die Behandlung würde
jedoch unter Umständen eine Entfernung von Harukas Uterus bedeuten. Die Diagnose lässt
Haruka betroffen zurück, und sie erzählt anfangs weder ihrer Mutter noch Chiharu oder anderen
Personen davon. Haruka schiebt die Entscheidung, ob sie eine Operation in Anspruch nehmen
soll, auf. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtert sich jedoch, was dazu führt, dass sie während eines Telefonats mit Chiharu ohnmächtig wird und in ein Krankenhaus transportiert werden muss (Episode 10, 0:44:50). Um ihre Gesundheit zu schützen muss Haruka eine Entscheidung für die Operation fällen, doch sogar nach ihrem Krankenhausaufenthalt kann sie sich nicht
gleich dazu überwinden.
Die Aufgabe der Gebärfähigkeit durch die Entfernung ihres Uterus wirft für Haruka die
Frage auf, inwieweit sie noch eine Frau sei, ohne dieses, aus ihrer Sicht, Weiblichkeit definierende Körperteil. Eindeutig wird hier also ein biologistischer Zugang zu Fragen des Geschlechts
thematisiert. An der Figur Haruka wird die Verinnerlichung der sexistischen Annahme, Frauen
seinen ohne das Merkmal der Gebärfähigkeit unvollständig, ausgedrückt. Im Gegensatz zu
Chiharu, deren Konflikt mit der Frage der Gebärfähigkeit ein von außen an sie herangetragener
ist, lässt sich bei Haruka von einem inneren Konflikt sprechen. Sie kann sich der gesellschaftlichen Erwartung, nach der sie einen Kinderwunsch empfinden müsste, nicht entziehen, sondern hat diese Erwartung verinnerlicht. Der tatsächliche Hinderungsgrund für sie, ein Kind zu
haben, liegt freilich auch in einer sozialen Realität, in der es ihr als unverheiratete Frau zu einem
früheren Zeitpunkt nicht möglich schien, ein Kind alleine großzuziehen.
Ihre Trauer und Zögerlichkeit angesichts der bevorstehenden Operation drücken aus, wie
die Figur Haruka an ihren Entscheidungen gegen eine Eheschließung und in Folge dessen gegen
ein Kind leidet. Diese Darstellung erleichtert eine Identifikation mit der ansonsten ungewöhnlich – und damit unrealistisch – selbstbewussten Figur, die ihr Leben so selbstbestimmt zu leben
scheint. Es ist jedoch auch gerade diese Darstellung ihres Unglücks, die als (im Bezug auf Geschlechterdarstellungen) reaktionär gelesen werden kann, wenn die psychischen und physischen Konsequenzen von Harukas Entscheidung gegen ein Leben mit Ehe und Kind als Strafe
interpretiert werden. In Episode elf findet sich Haruka mit ihrer Situation ab und entscheidet
sich schließlich für die erforderliche Operation. Durch den Akt der Entscheidung gewinnt sie
an Handlungsmacht und kann sich symbolisch von dem verinnerlichten, biologistischen Frauenbild lösen.
- 63 -
6.4. Verhandlung von Ehe in Kekkon Shinai
Die Entscheidung der Hauptfiguren gegen eine Eheschließung muss im Kontext der in der Serie
verhandelten Konzepte von Ehe diskutiert werden. Auch die beschriebenen Nachteile des Unverheiratet-seins ergeben sich im Bezug zu in der Serie gezeigten, gesellschaftlich prävalenten,
konkreten Annahmen über die Ehe. Kekkon Shinai verhandelt dabei nicht eine, sondern mehrere
Perspektiven auf die Ehe, die sich teils ergänzen, teils aber auch widersprechen. Das bereits
erwähnte Intro, das jeweils in den ersten Minuten der einzelnen Episoden gezeigt wird, betont
die romantische Konnotation der Ehe durch Symbole wie Ring und Brautschleier in Verbindung mit den glücklich wirkenden Hauptfiguren, dem romantischen Lied und einer positiven
Grundstimmung. Gezeigt werden jedoch kein wirkliches Ehe- oder Hochzeitspaar, sondern ein
junges Mädchen, das mit den erwähnten Ehesymbolen spielt. Durch das Bild wird die Assoziation der Ehe als Traum und Wunschvorstellung junger Mädchen, der sich im Erwachsenenalter
erfüllen könnte, hervorgerufen. Ein auf Romantik basierendes Konzept von Ehe bleibt jedoch
im übrigen Serienverlauf, wie ich versuchen werde zu zeigen; traumhaft, und wird einer weniger romantischen Realität der Ehe gegenübergestellt.
Um die Konzepte von Ehe, die in Kekkon Shinai vorgestellt werden, zu untersuchen,
werde ich zum einen die dargestellten Ehepaare und das über deren Darstellung vermittelte Bild
von Ehe vorstellen, anschließend den Aspekt von Ehe als filialer Verpflichtung hervorheben
und auch die Behandlung der Ehe als bürgerliche Pflicht in der Soziologievorlesung der Figur
Professor Tanigawa diskutieren.
6.4.1. Ehepaare in Kekkon Shinai – Ehe als Basis für Familiengründung
Viele der Nebenfiguren in Kekkon Shinai sind verheiratet und liefern dadurch für die Hauptfiguren (Vor-)Bilder für verheiratete Paare und die Gestaltung von Ehe- und Familienleben. Zu
den verheirateten Paaren gehören Chiharus Eltern, ihre Schwester Chinatsu, die im Verlauf der
Serie ihren Verlobten Tachibana Yōichirō heiratet, Chiharus verheiratete Freundinnen Mikako
und Ishikawa Yukari, Chiharus Exfreund Kojima Keisuke und dessen Frau, sowie der verheiratete Boss und ehemalige Liebhaber von Haruka, Higuchi Tōru. Die Serie bietet keine tiefergehenden Einblicke in die Ehebeziehungen der vorkommenden Figuren, jedoch lassen sich bestimmte Muster erkennen. Zunächst ist auffällig, dass fast alle verheirateten Paare Kinder haben, oder dass Kinder zumindest „auf dem Weg“ sind, wie im Fall von Tanaka Chinatsu und
der schwangeren Freundin von Chiharu, Watanabe Tsugumi, deren Hochzeit geplant ist, aber
nicht in der Serie gezeigt wird. Die einzige Ausnahme in diesem Muster stellt der erst kürzlich
- 64 -
verheirate Ex-Freund Chiharus dar, der (noch) kinderlos ist. Eindeutig wird so nicht der partnerschaftliche Aspekt der Ehe betont, sondern die Ehe als Basis und Rahmen der Familiengründung präsentiert. In der Darstellung der Beziehungen der Ehepartner untereinander haben Romantik, aber auch Sexualität wenig Platz.
Die gezeigten Beziehungen zwischen Ehepartner_innen sind zum Großteil harmonisch.
Insbesondere Chiharus Eltern werden nie im Konflikt miteinander präsentiert, sondern als sich
unterstützende Partner_innen im besten Sinne des Wortes, deren Verhältnis von Vertrauen und
Zuneigung geprägt ist. Sie stellen für Chiharu das naheliegende Vorbild für eine Ehebeziehung
dar, das sich als stabil und positiv präsentiert. Die Langlebigkeit von Ehe wird auch über das
Bild von Harukas verwitweter Mutter verstärkt. Obwohl die Zuschauer_innen nichts über deren
Beziehung zu dem bereits verstorbenen Ehemann erfahren, ist die Wahrung seines Andenkens
im Haus der Mutter einerseits, sowie die Tatsache, dass sich die Mutter aufopferungsvoll um
ihre Schwiegermutter kümmert andererseits, als Repräsentation der Stabilität von Ehebeziehung und innerfamiliäre Verbindungen zu werten; auch hier fehlen freilich Bilder von Romantik.
Chinatsu und ihr Verlobter und späterer Ehemann haben ebenso wie Chiharus Eltern ein
vertrauensvolles Verhältnis. In der Serie wird jedoch nicht auf das Kennenlernen des jungen
Paares oder eine etwaige Phase der Verliebtheit, die der Verlobung vorangegangen sein könnte,
eingegangen. Die Planung des zukünftigen Familienlebens begleitet die Darstellung des Paares
von Beginn der Serie an. Familienzentriert zeigen sich auch die Darstellungen der Ehen von
Chiharus Freundinnen Mikako und Ishikawa Yukari. Diese werden mehrmals in Anwesenheit
ihrer Kinder gezeigt, ihre Ehemänner erscheinen aber gar nicht (Mikako) oder nur in kurzen
Szenen, in denen keine besondere Nähe zwischen den Ehepartner_innen ausgedrückt wird.
Konfliktreich gestalten sich die Ehen von Harukas Boss Higuchi Tōru und Chiharus Exfreund Kojima Keisuke. Higuchi Tōru ist verheiratet und hat eine jugendliche Tochter, unterhielt jedoch – vor Beginn der in der Serie erzählten Zeit – eine außereheliche Beziehung zu
Haruka, von der seine Frau auch weiß. Der frischverheiratete Kojima Keisuke wiederum zerstreitet sich kurz nach der Eheschließung mit seiner Frau, nimmt wieder Kontakt zu Chiharu
auf und sucht eine sexuelle Begegnung mit dieser. Obwohl er sich letztlich mit seiner Ehefrau
versöhnt, können sein Beispiel, wie auch das von Higuchi Tōru, als Hinweise auf die Brüchigkeit des Konzeptes eines stabilen und von unbedingter Treue geprägten Eheverhältnisses darstellen. Darüber hinaus verweisen beide Beispiele auf die Auslagerung von Sexualität auf außereheliche Beziehungen. In beiden Beispielen wird der Ehebruch vom Ehemann begegangen.
Insgesamt werden in Kekkon Shinai also viele unterschiedliche Ehepaare gezeigt. Gemeinsam ist fast allen die Konzentration auf die Ehe als Familienbasis. Als positive Aspekte im
- 65 -
Verhältnis der Ehepartner zueinander werden Vertrautheit und Harmonie herausgehoben.
Durch die Darstellung sowohl von glücklichen Ehepaaren als auch von Konflikten, die Ehepaare erleben, vermeidet Kekkon Shinai, eine Idealisierung von Ehe ebenso wie eine Position
radikaler Ablehnung von Ehe zu transportieren.
6.4.2. Ehe und Hochzeit als filiale Verpflichtung
Die Ereignisse rund um Chinatsus Hochzeit, die einzige Hochzeitszeremonie, die im Verlauf
der Serie abgehalten wird, verdeutlichen die Betonung der Funktion der Ehe als mehr als nur
die Vereinigung eines Liebespaares. Betont wird der Charakter der Ehe als Pflichtausübung und
Verantwortungsübernahme gegenüber der weiter gefassten Familie. Dem Ritual der Eheschließung in Form der Hochzeitsfeier wird dabei die Bedeutung zugeschrieben, dass damit die Erwartungen der Eltern erfüllt werden.
Die vierte Folge der Serie hat die Heirat von Tanaka Chinatsu als Hauptthema. Der Titel
der Folge lautet: Dokushin = oyafukō!? Demo mikon joshi no dai funtō (Single sein – ein Unglück für die Eltern? Aber für unverheiratete Frauen ist es [auch] ein harter Kampf). In der
Folge wird die Frage gestellt, „für wen“ Menschen heiraten und inwiefern sie dies für ihre Familien tun.
Zu Beginn der Folge sagt Chinatsu überraschenderweise das geplante Hochzeitfest ab,
sehr zum Erstaunen der Mutter. Sie beschwert sich über den Druck, den sie von Seiten der
Eltern und insbesondere der Mutter empfindet, eine Hochzeitsfeier auszurichten, und stellt in
Folge die Frage, „für wen“ man heiratet („ne, oneechan, kekkon-te dare no tame no mono
nano“; Episode 4, 0:05:05). Die Episode ist um eine Pseudoproblem zentriert: Chinatsus Unwillen, eine Hochzeitsfeier abzuhalten, und die Unfähigkeit der Familie, diese Haltung zu verstehen. Die Lösung des Missverständnisses erfordert zunächst, dass Geheimnisse der Familienmitglieder aufgedeckt werden. Es stellt sich heraus, dass Chinatsu die Hochzeitsfeier nicht abhalten möchte, da sie schwanger ist und ihre Schwangerschaft zum geplanten Zeitpunkt der
Hochzeit sichtbar wäre, was sie als beschämend empfinden würde. Weiter stellt sich heraus,
dass ihre Mutter einen Tumor hat und auf eine Operation wartet. Dies eröffnet für Chiharu und
Chinatsu einen neuen Blickwinkel auf den Wunsch der Eltern, der Hochzeitszeremonie beizuwohnen: Diese wollen sicher gehen, dass ihre Töchter gut versorgt sind, auch wenn die Eltern
eines Tages nicht mehr leben werden. Das Problem der Familie wird gelöst, indem Chiharu mit
Hilfe von Haruka und Junpei eine spontane Hochzeitsfeier organisiert, an der die Mutter noch
vor ihrem Operationstermin teilnehmen kann. Filiale Verpflichtung steht also im Zentrum der
- 66 -
Episode. Deren Erfüllung wird in diesem Fall von Chinatsu verlangt, die dieser „Verantwortung“ auch nachkommt. Es wird deutlich, dass ihre Figur sich dessen bewusst ist und den Wünschen der Eltern entsprechen möchte. Die vorherige Absage der Hochzeitsfeier macht jedoch
deutlich, dass sie die Verantwortung auch als Last empfindet – und dass für sie persönlich die
Hochzeitsfeier einen weniger großen Stellenwert einnimmt als für ihre Mutter. Bemerkenswert
ist auch, dass die Meinung des zukünftigen Ehemanns zum Abhalten oder Nicht-Abhalten der
Feier keine Rolle zu spielen scheint. Der symbolische Charakter der Hochzeitsfeier wird eher
als ein Familienereignis und weniger als für das heiratende Paar wichtiges Ereignis präsentiert.
Es spricht für sich, dass sich Chinatsus Frage, „für wen geheiratet wird“, nicht nur auf die
Zeremonie, sondern auch auf die Ehe selbst bezieht. Die Beziehung zu ihrem Verlobten wird
nicht in Frage gestellt, der Rahmen der Ehe in seiner Wichtigkeit für das Paar und ihr zukünftiges Kind nicht kritisch reflektiert. Chinatsus Frage wird stattdessen beantwortet mit dem Verweis auf die elterlichen Gefühle und deren Sicherheitsbedürfnis. Tatsächlich wird die Hochzeitszeremonie für die Eltern, speziell die erkrankte Mutter, und nur im kleinsten Rahmen mit
diesen abgehalten. Die Beantwortung der Frage nach der Sinnhaftigkeit der Hochzeitszeremonie lautet entsprechend, dass damit familiäre Anforderungen erfüllt werden. Obwohl in der Darstellung der wiederhergestellten familiären Harmonie diese ‚Antwort’ nicht negativ bewertet
werden kann, kann sie zumindest als Bestätigung eines Hochzeits- und Ehekonzepts als kindliche und gesellschaftliche Verpflichtung – abgelöst von einer idealisierten und romantischen
Vorstellung von Hochzeit und Ehe – gelesen werden.
6.4.3 Ehe als bürgerliche Pflicht
Einen soziologischen Blick auf die Ehe wirft insbesondere Professor Taniguchi in seiner wöchentlichen Vorlesung zum Ehe-Thema. Darin wird, freilich eher oberflächlich, auf einen gesellschaftlichen Wandel und die Ehe als gesellschaftspolitisches „Problem“ eingegangen. Hervorgehobene Aspekte sind die unrealistischen Erwartungen junger Menschen an potentielle
Heiratspartner, steigende Zahlen unverheirateter Personen, steigendes Heiratsalter und die Auswirkung dieses gesellschaftlichen Phänomens auf die und in der Bevölkerung. Taniguchis Zugang ist dabei der eines Wissenschaftlers, der Umstände beobachtet und beschreibt. Er geht nur
wenig auf die Ursachen der von ihm beschriebenen Phänomene ein und wertet diese auch nicht.
Vielmehr stellt er heraus, inwieweit scheinbar individuelle Entscheidungen in gesellschaftliche
Kontexte eingebettet sind. Obwohl sich Taniguchi einer Interpretation enthält, sind die Verbindungen, die in der Vorlesung gezogen werden zwischen dem unterschiedlichen Einzelverhalten
- 67 -
von Individuen unterschiedlicher Generationen und den angesprochenen Problemen der japanischen Gesellschaft, an die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung geknüpft. Ehe wird
somit (auch) als bürgerliche Verantwortung, wenn nicht gar Pflicht beschrieben. Außerhalb von
Taniguchis Vorlesung ist dieser Aspekt der Ehe unter anderem in Gesprächen von Chiharus
Arbeitskolleg_innen wieder zu finden, die darüber spekulieren, ob in naher Zukunft eine Sondersteuer für unverheiratete Personen, die einer Strafe gleichkommen würde, eingeführt werden
könnte (Episode 4, 0:04:10). Der politische Aspekt der individuellen Haltung zur Ehe wird erst
in diesem Kontext deutlich, auch wenn Chiharus Arbeitskolleg_innen sich nur aus eigener Betroffenheit heraus gegen eine solche Steuer aussprechen. Die Serienentwicklung geht, gerade
auch über die in der Soziologievorlesung angesprochenen Aspekte, schließlich zur Propagierung einer liberalen Haltung zur Ehe über, die deren Pflichtcharakter dem individuellen Glück
und der Garantie der individuellen Entscheidungsfreiheit hintanstellt. So sagt Professor Taniguchi in der letzten Episode der Serie – und schließt mit diesen Worten seine letzte Vorlesung
des Semesters:
„Was ist die Ehe? Es ist nicht nur eine Institution, aber aufgrund dieser Institution haben viele
Menschen Sorgen und sind verwirrt. Aber, auch ohne die Verbindung der Ehe ist es möglich
eine Familie zu gründen, solange es Liebe gibt. Wenn es einen Menschen gibt, mit dem man
vom Herzen her zusammenpasst, ist es dann nicht unnötig, an der Institution teilzuhaben?“ (Episode 11, 0:34:00- 0:34:22 )
6.5. Ehe und Geschlecht
Wie spielen Geschlecht und Ehe in Kekkon Shinai zusammen? Diese Frage orientiert sich an
der nach der Darstellung der Fortführung oder eines möglichen Aufbrechens konventioneller
Geschlechterrollenverteilung in den dagestellten Ehebeziehungen. Hier ist insbesondere auf das
Motiv der professionellen Hausfrau einzugehen. Der Japanologe Justin Charlebois sieht in der
diskursiven Konstruktion der professionellen Hausfrau als einer zu bevorzugenden Weiblichkeitsrolle eine Ideologie, die Frauen entmutigt, Karrieren anzustreben, und sie stattdessen an
den häuslichen Bereich bindet (Charlebois 2011:212). Für die Japanologin Laura Dales repräsentiert das Verrichten unbezahlter Haus- und Pflegearbeit eine Form idealisierter Weiblichkeit
in Japan – welches sie in Verbindung zu staatlicher Politik und Prozessen der Neoliberalisierung der letzten zwei Jahrzehnte setzt (Dales 2013:114). Es stellt sich nun einerseits die Frage
nach dem Vorkommen des Bildes der professionellen Hausfrau in Kekkon Shinai, aber auch
nach dessen Bewertung und nach alternativen Geschlechterrollen-Verteilungen in den dargestellten Ehebeziehungen. Definieren sich die unverheiraten Figuren über ihre Abgrenzung zu
den verheirateten Figuren auf der Ebene von Geschlechterrollen? Inwieweit ist eine Anpassung
- 68 -
der unverheirateten Figuren an bestimmte Geschlechterrollen Vorraussetzung für deren Heiratsoptionen? Diese Fragen werde ich im Folgenden diskutieren.
6.5.1. Aufteilung von Geschlechterrollen in den gezeigten Ehedarstellungen
Die Beziehung zwischen Chiharus Eltern lässt sich als Paradebeispiel für eine strikte Geschlechterrollentrennung in einer Ehe heranziehen. Über die Profession von Chiharus Vater
wird nichts verraten. Er scheint bereits pensioniert zu sein und wird nur im häuslichen Bereich
oder mit seiner Familie gezeigt. Gerade im Haushalt ist jedoch eine klare Rollenverteilung zu
erkennen, die der Ehefrau und Mutter von Chiharu und Chinatsu, Tanaka Noriko, die alleinige
Verantwortung für den Haushalt zuschreibt. Sie ist es, die kocht, das Essen serviert und hinter
den anderen Personen aufräumt. Nach der Geburt von Chiharu ist sie keinem Beruf mehr nachgegangen, sondern hat als sengyō shufu gelebt.
Obwohl Tanaka Noriko mit dieser Situation nicht unglücklich ist, gibt sie in Folge fünf
Chiharu gegenüber an, sie hätte einen anderen Weg gewählt, wäre sie in einer anderen Zeit
geboren geworden (Episode 5, 0:41:50). Hier wird also auf einen Generationenwechsel referiert
und angesprochen, dass Frauen aus Chiharus Generation erweiterte Möglichkeiten haben. Tatsächlich war die Zahl professioneller Hausfrauen im Jahr 1975 am höchsten, in den nachfolgenden Jahren nahmen Frauen wieder vermehrt zumindest Teilzeit-Arbeit an (Mathews
2014:61). Den Status als profesionelle Hausfrau zu erlangen war nur unter der Bedingung möglich, dass das Einkommen des Mannes für den Familienhaushalt ausreichte – während die meisten verheirateten Frauen alleine schon aus ökonomischen Gründen gezwungen waren, einer
Arbeit nachzugehen. Als Wunsch und Idealvorstellung ist die Vorstellung von einer klaren Rollenteilung in der Ehe, in der die Frau die Hausfrauenrolle übernimmt, immer noch bei knapp
20 Prozent der unverheirateten Frauen in Japan präsent (NIPSSR 2016:Figure I-4).
Die Beispiele von Chiharus Freundinnen zeigen zwischen den in Kekkon Shinai gezeigten
Generationen im Bezug auf die Rollenerwartungen in einer Ehe nur geringfügige Veränderungen. Beide bereits verheiratete Freundinnen Chiharus gehen zunächst keiner Arbeit nach. Auch
in ihren Fällen scheint das Einkommen der Ehemänner für die Familienhaushalte ausreichend;
die Rolle der Hausfrau wird von beiden zunächst unhinterfragt angenommen. Dass die Tatsache
der ungleichen Einkommensverhältnisse auf verschiedene Art problematisch werden kann,
deutet Chiharus Freundin Mikako in Folge zwei an, in der sie erzählt, ihr Mann gebe Geld für
eigene Hobbies anstatt für die Familie aus. Indirekt wird hiermit auch die Frage der finanziellen
Abhängigkeit einer nicht-arbeitenden Person von der arbeitenden Person angesprochen. Jedoch
ändert sich diese Abhängigkeits-Situation für Chiharus Freundin Ishikawa Yukari, als deren
- 69 -
Ehemann seine Arbeit in einem Restaurant verliert. Durch diesen Umstand sieht sich Yukari
gezwungen, einen Teilzeitjob anzunehmen, und ihr Ehemann wird bei der Sorge um das gemeinsame Kind in seiner frei gewordenen Zeit gezeigt. Allerdings wird diese Situation von
Yukari als schamvoll empfunden, und sie verschweigt sie zunächst vor ihren Freundinnen. Yukaris veränderte Familiensituation zeigt zwar eine Alternative zur herkömmlichen Rollenverteilung in einer Familie auf, stellt diese jedoch als nicht wünschenswert dar. Ihr liegt keine
Entscheidung zugrunde, sondern sie ist Ergebnis eines Unglücksfalles – des Arbeitsverlustes
des Ehemannes21. Als Chiharu in Folge zwei dadurch, dass sie ihre Freundin an deren Arbeitsstelle trifft, von den Veränderungen in Yukaris Leben erfährt, zeigt sie sich empathisch. Sie
bietet in Folge auch ihre Unterstützung an, indem sie einen Tag lang auf den Sohn der Freundin
aufpasst.
An dieser Stellemöchte ich betonen, dass die Erziehung der Kinder bei allen gezeigten
Ehepaaren ebenfalls wesentlich in den Bereich der Frauen und Mütter fällt. Mütterliche Fürsorge wird so wiederholt als etwas Natürliches, geradezu Unvermeidbares präsentiert, ebenso
väterliche Abwesenheit bei der Kindererziehung. Im Verlauf des Tages, den Chiharu mit dem
Kind verbringt, wird die Schwierigkeit der Kindererziehung aufgezeigt und somit auch gewürdigt. Als Junpei Chiharu bei der Kinderaufsicht zur Seite springt, wird deutlich, dass seine Fähigkeiten, mit Kindern umzugehen, ausgeprägter sind als die von Chiharu Am Beispiel von
Chiharus Mutter wird aber deutlich, dass Kindererziehung und die Sorge um das Wohl der
Kinder bis in deren Erwachsenenalter hinein Aufgabe der Mutter bleiben. So ist es stets Chiharus Mutter, die Chiharus Stimmungen wahr- und Sorgen ernst nimmt, und der Tochter mit Ratschlägen zur Seite steht22.
Bei den anderen in Kekkon Shinai gezeigten Ehepaaren sind Rollenverteilungen, was den
Haushalt betrifft, nicht offensichtlich trennscharf definiert. Es wird jedoch angedeutet, dass
auch die Ehefrau von Chiharus Ex-Boss eine sengyō shufu ist und sich Chinatsu auf ihre Rolle
als solche einstellt – sie geht ebenfalls keiner Arbeit nach. Ihr Mann hingegen beginnt kurz nach
der Heirat Überstunden zu machen und weckt damit Chinatsus Misstrauen, die befürchtet, er
könnte eine Affäre haben. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Überstunden des Mannes seiner
Bemühung um eine Beförderung geschuldet sind, die er aufgrund seiner neu gefundenen Position als Ehemann, zukünftiger Vater und Familienernährer anstrebt. Diese Begründung ruft vor
allem bei Chinatsus und Chiharus Vater Respekt hervor. Das Verhalten von Tachibana
21
Die Häufigkeit unerwarteter Ereignisse als Grund für einen ‚Rollentausch’ bei der Kindererziehung in japanischenn Fersehserien bemerkte auch Hilaria Gössman (Gössman 2016:131).
22
Dass die Mutter sogar ungefragt ein omiai für Chiharu in die Wege leitet, könnte als eine Übertreibung ihrer
Rolle gewertet werden.
- 70 -
Yōichirō, nicht mit seiner Frau über seine Pläne zu kommunizieren, aber einer unausgesprochenen, an ihn gestellten Erwartung zu entsprechen, ist wiederum exemplarisch für die traditionalistische Rollenverteilung in einer Ehe in Japan, die mit jeweils unterschiedlichen Ansprüchen an Männer und Frauen, bzw. mit klar voneinander abgegrenzten Verantwortungsbereichen
einhergeht.
6.5.2. Normative Performanz von Geschlecht - eine Voraussetzung für die Ehe?
Die Annahme, dass Männern und Frauen in einer Ehe unterschiedliche Aufgaben zukommen,
wird also in den in Kekkon Shinai gezeigten Ehepaarkonstellationen ausgedrückt. Deren Darstellung grenzt sich insofern ab von den Darstellungen der unverheirateten Figuren, welche sich
nicht in einem Verhältnis befinden, in dem sie sich vorgegebenen Rollenbildern im gleichen
Ausmaß entsprechend müssten. Es wird zugleich sichtbar gemacht, dass für diejenigen, die sich
nicht an die beschriebenen Rollen anpassen wollen oder können, die Option Ehe keine zu präferierende ist. Es stellt sich daher die Frage, durch welche charakterlichen und performativen
Aspekte sich die unverheirateten Hauptfiguren von den verheirateten abgrenzen und inwieweit
dadurch deren Unfähigkeit, eine konventionelle Geschlechterrolle in einer Ehe anzunehmen /
auszufüllen, ausgedrückt wird. Im folgenden Kapitel behandele ich deshalb Praxen der Performanz von Geschlecht bei den drei Hauptfiguren im Zusammenhang mit deren Status als unverheiratete Person und dem Aspekt ihrer Heiratsfähigkeit.
6.5.2.1 Haruka als unverheiratete Karrierefrau
Als nicht geschlechterkonform agierend sticht zunächst die Figur der Haruka heraus. Wie bereits beschrieben zeigen sich androgyne Züge in ihrem äußeren Erscheinungsbild, aber auch in
ihren Verhaltensweisen entspricht sie oft nicht idealisierten Normen von Femininität. Haruka
spricht Themen und Probleme direkt an und tritt dabei konfrontativ auft, beispielsweise ihren
Vorgesetzten gegenüber. Anders als Chiharu, die in Gesprächen mit Männern oft in scheinbarer
Zustimmung mit diesen gezeigt wird, geht Haruka nicht in demselben Maß auf männliche Gesprächspartner ein. In ihrem Kleidungsstil zeigt sie sich unangepasst und entspricht femininen
Schönheitsnormen damit nicht. Die Figur Haruka versucht offensichtlich nicht, durch ihre Kleidung Attraktivität oder Femininität auszudrücken.
Insbesondere in der ersten Episode ist zu sehen, wie Haruka als Karrierefrau inszeniert
wird. In ihrer Figur fallen die Aspekte von maskuliner Performanz und Karriereorientiertheit,
die in Fernsehserien oft miteinander einhergehen, ebenfalls zusammen (vgl. Gössmann
- 71 -
2016:137). Diese reduktionistische Darstellung von Karrierefrauen ist zwar kritikwürdig, hat
aber auch Gründe in der Anforderung an Frauen, sich in männlich dominierten Arbeitsumfeldern anzupassen, um respektiert zu werden. Die Anthropologin Anne Stefanie Aronsson bietet
einen möglichen Erklärungsansatz für die Vermännlichung von Karrierefrauen in der Fortführung des sarariman-Ideals, also des Ideals eines Angestellten in einer großen Firma, bei erfolgreichen, arbeitenden Frauen (Aronsson 2015:13). Dass eine Abwendung von Femininität auch
ein gewollter Effekt der Wahl eines Lebens als Karrierfrau sein kann, stellte die Soziologin
Nemoto Kumiko in Interviews mit beruflich erfolgreichen, alleinstehenden Frauen in Japan fest:
Viele von diesen erlebten den Aspekt der finanziellen Unabhängigkeit als (bewussten) Widerstand gegen traditionelle Femininität und als den Aspekt, der ihnen erlaubt, einen anderen Lebensweg als die Ehe zu wählen (Nemoto Jahr: 229).
In der Figur Haruka wird auch ein Bezug zu den anderen Karrierefrauen, die Amami Yūki
bisher gespielt hat, deutlich. Oft haben die von Amami verkörperten Figuren einen ähnlichen
Kleidungs- und Makeup-Stil und teilen ähnliche charakterliche Eigenschaften wie Willensstärke und Durchhaltevermögen. Nicht die Figur Haruka im Speziellen, aber Amami Yūkis
Figurenrepertoire kann also als ein typisches Schema der Darstellung von beruflich erfolgreichen, unverheirateten Frauen betrachtet werden. 23 Nach ihrem (scheinbaren) Karriereverlust
bleiben der Figur Haruka die Aspekte, die sie als Karrierefrau gekennzeichnet haben, wie ihr
androgyner Kleidungsstil und ihr selbstbewusstes Auftreten erhalten.
Als Karrierefrau beziehungsweise an der Darstellung von Karrierefrauen orientierte Figur
wird die Eingliederung von Haruka in ein konventionelles Ehemodell, in dem sie ihre Arbeit
und die damit verbundene Identität aufgeben müsste, unvorstellbar. Hinzu kommt, dass gerade
Hausarbeit und Kochen, bzw. Fähigkeiten die von Ehefrauen erwartet werden, bei Haruka nicht
vorhanden zu sein scheinen. Diese Eigenschaften, die teilweise im Widerspruch zu Verhaltensweisen stehen, die eine weibliche Sozialisation in einer stark geschlechter-segregierten Gesellschaft signalisieren, setzten sie als Figur außerhalb des Rahmens der typischen an eine mögliche
Ehepartnerin gestellten Geschlechter-bezogenen Erwartungen.
23
Eine zweite Figur in Kekkon Shinai kann ebenfalls als Karrierefrau identifiziert werden: Watanabe Tsugumi,
eine Freundin aus Chiharus Universitätszeit.
- 72 -
6.5.2.2. Junpei als hanshakaijin
Offensichtlich sind die Anforderungen in einem Ehemodell, das eine starke geschlechtergetrennte Rollenverteilung vorsieht, für Männer und Frauen unterschiedlich. Der Japanologe Romit Daspugta beschreibt, wie das Bild des sogenannten daikokubashira, das Ideal eines Mannes,
der, indem er die finanzielle Versorgung eines Haushalts übernimmt, als dessen stützender Pfeiler gesehen wird, als kulturelles Ideal bis heute Bestand hat (Dasgupta 2005:168). Obwohl im
heutigen Japan von Männern unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen und unterschiedliche
Männlichkeiten gelebt werden, die sich vom sarariman-Ideal abgrenzen, stellte Daspugta fest,
dass Arbeit nach wie vor von vielen Männen als der Männlichkeit definierende Faktor betrachtet wird (Dasgupta 2005:170). Männer, deren Arbeitssituation ihnen nicht erlauben würde, eine
Familie zu versorgen, weil sie, wie beispielsweise Junpei, keine Vollzeit-Anstellung haben,
können also durch diesen Umstand ein Infragestellen ihrer Männlichkeit erleben. Junpeis Arbeitssituation ist daher ein wesentlicher Punkt, der ihn als Partner in einem Ehemodell, in dem
dem Ehemann die Rolle des daikokubashira als Ideal vorgehalten wird, ungeeignet scheinen
lassen.
Zu der Arbeitsfrage kommen weitere Umstände und charakterliche Eigenschaften Junpeis hinzu, durch die er sich von Modellen hegemonialer Männlichkeit unterscheidet. Junpei
bewegt sich im Gegensatz zu vielen regulär beschäftigten Männern in Japan nicht in einem
homosozialen Umfeld, sondern ist von Frauen wie beispielsweise Mai, Kōno Mizuki, Haruka
und Chiharu umgeben, mit denen er kollegiale oder freundschaftliche Beziehungen unterhält.
Seine Kollegin Mai bemerkt in der ersten Folge verwundert, dass Junpei kein offensichtliches
Interesse an romantischen Beziehungen zu Frauen ausdrückt. Sie schreibt ihm zu, „kein Gespür
für Frauen“ zu haben (Episode 1, 0:10:12) und bezieht sich damit auf eine romantisch-sexuelle
Ebene. Mais Kommentar kann als angedeutete Infragestellung von Junpeis Sexualität oder sexueller Orientierung gelesen werden. In einem heternormativen Kontext, in welchem Hinweise
auf heterosexuelles Begehren zur Bekräftigung männlicher Geschlechtsidentität herangezogen
werden können, wird umgedreht durch die Hinterfragung von Junpeis Verhältnis zu Frauen
auch seine Fähigkeit, geschlechter-konform zu handeln, in Zweifel gezogen. Im Narrativ der
Serie scheint es aber gerade Junpeis Abgrenzung von hegemonialer Männlichkeit zu sein, die
ihm erlaubt, komplizenhafte und solidarische Beziehungen zu den weiblichen Figuren einzugehen.
- 73 -
6.5.2.3. Femininität bei Chiharu
In der Figur Chiharu wird eine Form von Femininität repräsentiert, die sich zumindest teilweise
mit dem unter Kapitel 4.4. erwähnten medial inszenierten Bild der ledigen, weiblichen Konsumentin deckt. Ausgedrückt wird dies über ihr Erscheinungsbild wie etwa durch ihren Kleidungsstil, aber auch durch Accessoires wie Handtaschen die, wie bereits beschrieben, auch in
der weiteren Vermarktung der Serie Kekkon Shinai eine Rolle spielten. Ihr Konsumverhalten
und die darin ausgedrückte Unabhängigkeit werden dennoch von ihrem Umfeld nicht als charakteristisch für Chiharu, sondern als eine vorübergehende Phase verstanden, gerade weil ihr
dieses Verhalten nicht durch Karriere ermöglicht wird. Als Phase verstanden könnte Chiharus
momentane Unabhängigkeit durch eine andere Phase, nämlich durch Heirat und die damit verbundene Verantwortungsübernahme, abgelöst werden.
Chiharu wird als eine Figur gezeichnet, die gerne kocht und bereitwillig Arbeit im Haushalt übernimmt. Sie geht keiner Karriere nach, die sie einer möglichen Eheschließung gegenüber priorisieren würde. Auch auf der Ebene der Performanz von Geschlecht zeigen sich keine
Widersprüche zum Bild der Ehefrau in einer konventionellen Ehe. Der Umstand, dass sie keine
offensichtliche Sehnsucht, weder nach Familiengründung noch nach Partnerschaft oder einer
romantischen Beziehung, äußert, bis sie durch äußeren Druck dazu angeleitet wird, sind Aspekte an Chiharus Charakter, durch die sie sich von dem sterotypen Bild einer jungen unverheirateten Frau, der solche Bedürfnisse zugeschrieben werden, unterscheidet. Trotz dieses Umstands ergeben sich für Chiharu zwei konkrete Heiratsmöglichkeiten.
6.6. Chiharus Heiratsoptionen
Chiharu gibt in der ersten Episode der Serie sowohl ihren Arbeitskolleg_innen als auch ihrer
Familie gegenüber an, heiraten zu wollen. Sie hat jedoch weder eine Vorstellung davon, wie
sie einen geeigneten Heiratspartner finden könnte, noch äußert sie konkrete Erwartungen an die
Ehe. Im Verlauf der Serie ergeben sich für Chiharu dennoch zweimal konkret fassbare Optionen
auf eine Eheschließung. In beiden Fällen lehnt Chiharu die jeweiligen Angebote ab – ihre jeweiligen Gründe weisen dabei einerseits auf eine Charakterentwicklung der Figur Chiharu hin,
andererseits verdeutlichen sie die in Kekkon Shinai konstruierte Perspektive auf Ehe.
- 74 -
6.6.1. Asai Takeshi
Als Chiharu, auf Druck ihrer Mutter reagierend, einwilligt an einem omiai teilzunehmen, fasst
sie für sich Bedingungen zusammen, die ihrer Meinung nach von einem Ehepartner erfüllt werden sollten. Dieses Treffen findet in Episode zwei statt, in der Chiharu auf Asai Takashi trifft
und sich nach einem ersten Treffen auch ein weiteres Mal mit dem von einer Agentur vorgeschlagenen Kandidaten verabredet. Der Zugang sowohl Chiharus als auch ihrer Mutter und des
Kandidaten sind dabei klar: Sie sind nicht auf der Suche nach Romantik oder sexueller Attraktion, sondern wägen rationale Gründe, die für oder gegen eine Eheschließung sprechen, gegeneinander ab. Chiharu setzt folgende Minimalbedingungen als Voraussetzung für eine Eheschließung fest: Ihr zukünftiger Ehemann soll nett (yasashii) sein, ehrlich (seishitsu), es soll Spaß
machen, mit ihm zusammen zu sein (issho ni ite tanoshii), er soll gerne essen, (gohan o oishiku
tabetekureru), die Familie wertschätzen (katei o daiji ni suru), keinem Glücksspiel nachgehen
(gyanburu o shinai), kein „Frauenheld“ sein (onnanakuse ga warukunai), nicht zu viel Alkohol
trinken (o sake wa hodo hodo ni), und der Rhythmus des Alltags soll zu ihrem passen (seikatsu
no rizumu ga au). Diese Bedingungen schreibt sie auf eine Liste, welche mehrmals kurz eingeblendet und zum Teil von Haruka laut vorgelesen wird (Episode 2, 0:10:55-0:11:05). Sollte der
Kandidat ihren Bedingungen entsprechen, so meint Chiharu gegenüber Haruka, würde sie eine
Hochzeit in Erwägung ziehen. Dennoch ist es für Chiharu ein Schock, als sie über Haruka von
einem Blog erfährt, in dem Asais Perspektive auf das omiai geschildert steht. Er vergleicht auf
diesem Blog Chiharu mit einer acht Jahre jüngeren Frau, die er ebenfalls bei einem omiai kennen gelernt hatte und nicht vergessen kann. Im Vergleich zu dieser unbekannten Frau empfindet
er Chiharu, auch auf Grund ihres Alters, als weniger vorteilhafte Partie, gibt jedoch an; sich
nach einer negativen Erfahrung mit „weniger“ zufrieden geben zu wollen. Als Bedingung für
eine Hochzeit seinerseits gibt er an, eine Frau zu suchen, die ihn trotz der Tatsache, dass er mit
40 noch nie verheiratet war, heiraten und mit ihm nach Deutschland ziehen würde. Er schreibt
von seinem Vorhaben, Chiharu dieses Angebot zu machen. Nachdem sie erwägt, Kompromissbereitschaft zu zeigen, stellt Chiharu letztlich doch für sich fest, nicht verhandelbare Bedingungen an eine Ehe zu stellen, darunter diejenige, sich verlieben zu wollen. Sie lehnt Asais Angebot
ab.
In der Gesamtsicht der Serie ist diese Entscheidung als Teil der Verhandlung verschiedener Ehemodelle zu betrachten. Die Anzahl arrangierter Ehen hat in Japan in der Nachkriegszeit
kontinuierlich abgenommen. Gleichzeitig verweisen der Anstieg von Ehevermittlungsagenuteren und das Schlagwort konkatsu als Bezeichnung für die aktive Suche nach Ehemöglichkeiten
darauf, dass das Vorhaben einer Eheschließung oft systematisch verfolgt wird und entsprechend
- 75 -
häufig Ergebnis von Planung ist. Das rationale Abwägen von Kriterien, die der oder die Heiratspartner_in erfüllen soll, ist also ein relevantes Thema für unverheiratete Personen, das in
Kekkon Shinai aufgegriffen wird.
Chiharus Ablehung von Asais Heiratsangebot erfolgt meiner Ansicht nach aus zwei
Gründen. Ein Grund, den sie auch offen anspricht, ist ihre Hoffnung auf eine Liebesheirat. Der
zweite, weniger offensichtliche Grund ist der Wunsch, ihre eigenen Bedürfnisse nicht hintanstellen zu müssen, indem sie etwa nach Deutschland ziehen würde. Letztlich ist der Anspruch,
beziehungsweise die Bedingung, die sie an einen Partner stellt, dass dieser Respekt vor ihrer
Person haben muss. Diesen Respekt erwährt sie von Asai, dessen Lebensplanung sich nur an
seinen eigenen Bedürfnissen orientiert, nicht.
6.6.2. Chiharu, Junpei und Takahara Seiji
Hilaria Gössmann erkennt ein wiederkehrendes Muster, das in vielen terebi dorama nach der
Jahrtausendwende vorkommt, in denen das Leben unverheirateter berufstätiger Frauen im Mittelpunkt steht. Danach lebt die jeweilige weibliche Hauptfigur zu Beginn einer Serie bereits seit
längerem als Single, oder die Figur trennt sich im Laufe der Serie von einem Partner. In dieser
Situation lernt die Figur dann oft einen jüngeren Mann kennen, zu dem sie nach einigem Zögern
eine Beziehung eingeht. Dabei, bemerkt Gössmann, hat die Hauptfigur
„meist die Möglichkeit, einen ‚standesgemäßen‘ Partner zu wählen, der um sie wirbt, mit dem
sich die Beziehung jedoch als schwierig erweist, da die Hauptfigur nicht (mehr) den konventionellen weiblichen Verhaltensmustern entsprechen kann oder möchte“ (Gössmann 2016: 143).
Es wird also unterschiedliche Lebensentwürfe aufgezeigt, unter denen die Hauptfigur sich (zumindest vorübergehend) für die Beziehung mit einem jüngeren Mann entscheidet, der zugleich
für die Möglichkeit einer alternativen geschlechtlichen Rollenverteilung steht (ebd.).
In Kekkon Shinai lässt sich dieses Muster in der Beziehung zwischen den Figuren Chiharu,
Junpei und Takahara Seiji beobachten. Anders als die Hauptfiguren in den Serien Last Cinderella (Das letzte Aschenputtel, Fuji TV 2013), Kimi wa petto (Du bist (m)ein Haustier, TBS
2003) und Anego (Frau des Bosses, NTV 2005), die Gössmann als Beispiele heranzieht, ist
Chiharu keine Karrierefrau. Sie nimmt jedoch ihre Arbeit im Laufe der Serie immer wichtiger,
zeigt Einsatz an ihrem Arbeitsplatz und versucht, sich weiter zu bilden. Auch, als sich keine
konkreten Karrierechancen andeuten, beschließt Chiharu, sich weiterhin um ihre/eine berufliche Zukunft zu bemühen. Der Gedanke, als Hausfrau zu leben, scheint für sie nicht erstrebenswert. Diese Haltung ändert sich, als Chiharu in Folge neun von Kekkon Shinai erfährt, dass ihr
Arbeitsvertrag bei der Reisefirma H.I.S. nicht verlängert wird. Sie sucht daraufhin um Hilfe bei
- 76 -
Hello Work (Harō Wāku), der staatlichen Arbeitsvermittlungsagentur, an. Dort wird ihr jedoch
mitgeteilt, dass sie als 35-jährige Frau ohne Zusatzqualifikationen schlechte Aussichten auf
eine Arbeit in ihrem Interessensgebiet hat. Das Gespräch hinterlässt Chiharu hoffnungslos und
frustriert. In dieser Situation erwähnt sie ihrer Mitbewohnerin Haruka gegenüber, heiraten zu
wollen und berufliche Ambitionen gänzlich aufzugeben. Sie verwendet dabei den Begriff kekkon teishoku, „sich in der Ehe zur Ruhe zu setzten/Pensionierung durch Eheschließung/ Heirat“,
den Ueno Chizuko mitgeprägt hat (Ueno 1988, zitiert in Dales 2009:21). Der Begriff impliziert
nicht nur eine Berufsaufgabe, sondern die durch die Eheschließung verbundene Möglichkeit,
Belastungen des Arbeitsmarkts wie langen Arbeitszeiten und betrieblichen Dynamiken zu entgehen und frei(er) über eigene Zeitressourcen bestimmen zu können. Die Person, die für
Chiharu in diesem Moment als möglicher Heiratspartner in Frage kommt, ist ihr neuer Arbeitskollege und Vorgesetzter im Reisebüro, Takahara Seiji. Takahara wurde von Chiharus Arbeitskollegin auf Grund seines beruflichen Erfolgs und sozialen Status als ein optimaler Heiratskandidat beworben. Er teilt mit Chiharu deren Interesse für Reisen und zeigt ihr gegenüber eindeutig Interesse an einer ernsthaften Beziehung gezeigt. Mehrmals beteuert er gegenüber Chiharu,
dass es gewillt sei, für sie zu sorgen und er macht deutlich, dass er sie gerne heiraten würde.
Die mögliche Ehe mit Takahara erscheint in diesem Moment wie ein Ausweg aus Chiharus
finanziell und sozial unsicherem Leben. Noch dazu sperrt sich Takahara nicht gegen die Vorstellung, dass Chiharu unter Umständen eine neue Arbeit zu beginnen könnte, und zeigt ihr
gegenüber in seiner Funktion als Vorgesetzter Respekt. Dennoch ist es für Chiharu unmöglich,
mit Takahara glücklich zu werden. Sie lehnt sein Angebot ab mit der Begründung, dass es eine
andere Person in ihrem Leben gebe. Diese Aussage kann unterschiedlich interpretiert werden
und könnte sich beispielsweise auch auf Haruka beziehen. Die offensichtlichere Deutung ist
jedoch, dass Chiharu damit ihre Zuneigung für Junpei ausdrückt. Und tatsächlich geht sie, nach
einigen weiteren Verwirrungen, tatsächlich eine kurze Beziehung zu dem jüngeren Junpei trotz
dessen offensichtlicher Untauglichkeit als Heiratskandidat ein.
Hier wird offensichtlich einer alternativen Beziehungdorm der Vorzug vor der Ehe gegeben. Die zunächst nur freundschaftliche und platonische Beziehung zwischen Chiharu und Junpei ist vom ersten Moment der Darstellung der Begegnung der Figuren an darauf angelegt, als
potentielle Liebesgeschichte interpretierbar zu sein. Den dargestellten Höhepunkt der romantischen Beziehung zwischen Junpei und Chiharu bildet ein Kuss in der elften Folge. Häufig verhalten sich die beiden Figuren zueinander aber vage; letztlich lehnen sie auch auf konkreten
Vorschlag hin eine Eheschließung miteinander ab ( Episode 11, 0:38:50) und trennen sich
schließlich freundschaftlich einvernehmlich. Dies alles weist daraufhin, dass der Erzählstrang
- 77 -
der heterosexuellen Romanze zwischen Chiharu und Junpei nicht zum Hauptmotiv der Serie
wird und keine endgültige Alternative zur Ehe bietet.
6.7. Harukas Heiratsoptionen
Die Figur Haruka wird in der Serie zunächst als die Person vorgestellt, die die eindeutigste und
reflektierteste Haltung gegenüber dem Thema Ehe einnimmt – indem sie diese ganz klar ablehnt.
Tatsächlich lehnt sie auch zwei konkrete Heiratsangebote ab. Dass diese an sie gerichtet werden,
zeigt zum einen, dass sie sich dennoch in einem gesellschaftlichen und sozialen Raum bewegt,
in dem die Ehe als erstrebenswert betrachtet wird. Zweitens muss sich ihre theoretische Haltung
der Ablehnung der Ehe erst in der praktischen Ablehnung von Heiratsanträgen beweisen, um
als valide wahrgenommen zu werden. Im Folgenden werde ich die zwei Beispiele von Harukas
Heiratsoptionen und die jeweiligen Beziehungen, die sie mit den Antragstellern führt, diskutieren.
6.7.1. Higuchi Tōru
Haruka betont in Folge zwei Chiharu gegenüber, dass eine Eheschließung zwar an den von ihr
nicht verhandelbaren Bedingungen, die sie an ihr Leben stellt, gescheitert ist, aber auch an der
Unverfügbarkeit eines möglichen Heiratskandidaten ( Episode 2, 0:12:20). Damit bezieht sie
sich auf ihren ehemaligen Vorgesetzten und verheirateten Liebhaber Higuchi Tōru. Obwohl
romantische Beziehungen innerhalb einer Firma in Japan in der Regel nicht toleriert werden
und oft zur Entlassung einer der Beteiligten (im Regelfall der Frau) führen, sind derartige Beziehungen dennoch keine Seltenheit.
In Kekkon Shinai wird dieser Topos aufgenommen. Die Thematisierung von Harukas
früherer Zuneigung zu ihrem ehemaligen Vorgesetzten unterstreicht in erster Linie ihr prinzipielles Interesse an romantischen Beziehungen auch während ihres Lebens als unverheirateter
Frau. Higuchi Tōru unterhielt eine Affäre zu Haruka und hat ihr das Versprechen gegeben, dass
er sich, wenn die mit seiner Ehefrau gemeinsame Tochter alt genug sei, scheiden lassen würde.
Entgegen des Klischees und entgegen Harukas Erwartung tritt er in Folge sieben und bereits
einige Zeit nach Beendigung der gemeinsamen Affäre tatsächlich mit einem Heiratsangebot an
Haruka heran. An dieses geknüpft ist die Vorstellung, dass Haruka ihn dabei unterstützen würde,
sich von der Gartenbau-Firma, in der er arbeitet, zu lösen und sich selbstständig zu machen.
Vorangegangen war dieser Entwicklung jedoch auch die für Haruka verletzende Tatsache ihrer
Versetzung, die unter Teilnahme des ehemaligen Vorgesetzten geschehen ist. Für Haruka beinhaltet das Angebot also gleichzeitig sowohl eine berufliche Perspektive als auch die Erfüllung
- 78 -
einer früheren romantischen Hoffnung. Gerade die Kombination des romantischen und beruflichen Aspekts von Higuchi Tōrus Heiratsantrag lassen die Frage offen, inwieweit Harukas Talent als Gartenbaudesignerin und der berufliche Erfolg, den sich Higuchi aus einer Zusammenarbeit mit ihr verspricht, als ein Grund für seinen Antrag gewertet werden können. Für Harukas
Ablehnung des Heiratsangebotes bieten sich mehrere Interpretationsmöglichkeiten an. Zum einen scheint ihr die Vorstellung, ihre Arbeit in einer Firma des ehemaligen Vorgesetzten einzusetzen, nicht erstrebenswert. Zweitens nimmt sie sein Angebot als Bezugnahme auf ein sehr
viel früher gegebenes Versprechen wahr – bereits in Folge eins jedoch hat Haruka Chiharu
gegenüber geklärt, dass derartige Versprechen nicht ernst zunehmen seien, und man nicht aus
Einsamkeit einem Versprechen aus der Vergangenheit nachhängen sollte (Episode 1, 0:35:54 –
0:36:15). Offensichtlich hat nun tatsächlich eine Änderung stattgefunden, allerdings eine, die
Harukas Haltung (und nicht die Higuchis) betrifft. Zuletzt unterstreicht ihre Antwort ihre Einstellung zur Ehe, die sie eben nicht nur aufgrund der Unverfügbarkeit eines begehrten Heiratskandidaten ablehnt, sondern vor allem auch aus dem Grund, dass sich ihre Selbstständigkeit
nicht mit dem Konzept Ehe vereinbaren ließe. Harukas Position gegenüber dem Konzept Ehe,
die zu Serienbeginn zum Beispiel von Chiharu als radikal und außergewöhnlich wahrgenommen wurde, wird hier noch einmal bestätigt.
6.7.2. Die Beziehung zwischen Professor Tanigawa und Haruka
Tanigawa Shūji tritt bereits in der ersten Folge als Soziologieprofessor auf, der sich aus einem
sozialwissenschaftlichen Interesse heraus mit dem Thema Ehe beschäftigt und das Heiratsverhalten von Japaner_innen analysiert. Er ist ein geschiedener Mann von durchschnittlicher Größe.
Graue Haare und seine universitäre Position deuten auf sein Alter hin. Als Universitätsprofessor
ist er beruflich erfolgreich, befindet sich jedoch auch in einem gewissen Abstand zur regulären
japanischen Arbeitswelt. Es gibt keinen Hinweis auf reale Hierarchien im akademischen Arbeitsumfeld. Stattdessen wird Professor Tanigawa durch seine Zugänglichkeit den Studierenden gegenüber und Beliebtheit bei diesen charakterisiert. Alleine lebend scheint er seine freie
Zeit oft mit seiner dementen Mutter in einem Altersheim zu verbringen. Tanigawas begegnet
Haruka im Blumengeschäft Maison Floral und nimmt von dieser Ratschläge an für Blumen, die
er seiner Mutter schenken möchte. Offensichtlich beeindruckt von Harukas Person kommt er
bald wieder; um Haruka zu sehen und Gelegenheiten zu finden, mit ihr zu sprechen. Dabei
ergibt sich auch ein Austausch über das jeweilige Verständnis von Liebe, einem Thema, dem
Tanigawa vorgibt, sich analytisch zu nähern, während Haruka die Unplanbarkeit von Gefühlen
betont (Episode 5, 0:23:00) – möglicherweise einer der gründe für Tanigawa, seine Einstellung
- 79 -
der Ehe gegenüber im Laufe der Serie zu liberalisieren. In der Rolle als Harukas Verehrer tritt
Professor Tanigawa sehr unbeholfen auf; und es passiert ihm wiederholt, dass Gesprächsversuche mit Haruka von seiner enthusiastischen Studentin Mai, die ebenfalls im Maison Floral arbeitet, unterbrochen werden.
Haruka hilft Professor Tanigawa dabei, sein Verhältnis zu seiner Mutter zu verbessern
und mit deren gesundheitlichem Zustand umzugehen. In dem Versuch, sich auf Haruka und
ihre Wünsche einzustellen und Nähe zu ihr aufzubauen, bittet Tanigawa sie in Folge acht an,
den Garten seines Hauses neu zu entwerfen. Er verschafft ihr somit ihren ersten Auftrag als
selbstständige Gartendesignerin und drückt gleichzeitig seinen Respekt für die Bedeutung, die
ihre Profession für Haruka hat, aus. Den Großteil der Serie über zeigt sich Haruka als nicht
interessiert an Tanigawas Avancen und ignoriert diese. Sie beschließt jedoch, dem Angebot,
seinen Garten zu entwerfen, nachzukommen. Damit einhergeht die Einladung Harukas zu
Tanigawa nach Hause, die Haruka zögerlich annimmt. Ein schnell erfolgendes, explizites Eheangebot Tanigawas lehnt Haruka ab mit der Begründung, sie habe nicht das notwendige Selbstvertrauen. Als sie die Arbeit am Garten aufnimmt, betont sie diese Haltung noch einmal.
Gleichzeitig deutet sich ein Wandel in ihrer Einstellung gegenüber Professor Tanigawa an: Sie
geht auf ihn zu und besucht ihn nach dem Tod seiner Mutter. Gegen Ende der Serie wird angedeutet, dass Haruka zu Tanigawa in dessen Haus gezogen sei. Eine kurze Sequenz zeigt sie, wie
sie in dessen Garten an einem weiteren Gartenentwurf arbeitet (Episode 11, 0:36:41).
Wie kommt es zu dem Wandel in der Beziehung zwischen Haruka und Tanigawa? Während der gesamten Serie gibt es keine explizit romantischen oder sexuellen Szenen und keine
Momente des Ausdrucks gegenseitiger Zuneigung zwischen diesen beiden Figuren. Klar wird
nur, dass Tanigawa Interesse an Haruka auf einer nicht nur freundschaftlichen Ebene hat, und
zwar durch seine Blicke, offensichtliche Gesprächssuche und sein Heiratsangebot. Haruka ihrerseits zeigt sich zumeist freundlich aber distanziert; diese Distanz verringert sich jedoch durch
die Gespräche über Tanigawas Mutter und allgemeine Vorstellungen vom Leben. Auch die
Aufmerksamkeit, mit dem sie ihm im Maison Floral entgegenkommt, zeugt neben der für sie
typischen Höflichkeit, die sie allen Kund_innen gegenüber zeigt, von Gefühlen der Sympathie.
Innerhalb eines heteronormativen Rahmens, in dem heterosexuelle Beziehungen zwischen
Männern und Frauen (im Gegensatz zu intelligiblen, anderen Beziehungsformen) als naheliegend wahrgenommen werden, drängt sich eine romantische Lesart von der Beziehung zwischen
Haruka und Tanigawa trotz mangelnder konkreter Hinweise auf.
Durch die Aufmerksamkeit, die Haruka durch Tanigawa zuteilwird, wird die Figur als
begehrenswert dargestellt. Dies ist insofern beachtenswert, dass hier eine über 40-Jährige Figur
als Objekt und Subjekt einer Liebesbeziehung gezeigt wird – es ist also nicht ihr Alter, das einer
- 80 -
romantischen Liebesbeziehung im Weg steht. Dem Konzept des tekireki wird außerdem durch
Tanigawas Heiratsangebot widersprochen. Die Andeutung eines Zusammenlebens von
Tanigawa und Haruka verweisen auf Harukas Entscheidung gegen die Einsamkeit, von der sie
zuvor angab, sie habe sich mit ihr arrangiert . Haruka nimmt die Vorzüge einer solchen Wohnkonstellation wahr – bei gleichzeitig beständiger Ablehnung der Ehe. Eine etwaige Stigmatisierung ihres unverheirateten Zusammenlebens scheint für die Figuren keine Bedrohung darzustellen. Durch die angedeutete Beziehung zwischen Haruka und Tanigawa zeichnet sich ein
Rollentausch zwischen den Figuren Chiharu und Haruka ab – während Chiharu zunehmende
Selbstständigkeit genießt, gibt Haruka diese partiell auf. Dennoch bleibt zu erwähnen, dass die
letzten Szenen von Kekkon Shinai Haruka wieder mit Chiharu gemeinsam in der vormals von
beiden bewohnten Wohnung zeigen, in der Haruka auch geschlafen hat. Effekt dieser erneuten
bildlichen Konzentration auf die Beziehung zwischen Chiharu und Haruka und deren Zusammenleben als wichtiges Element in deren Beziehung am Ende der Serie ist, dass die Beziehung
zwischen Tanigawa und Haruka weiter nur ein Nebenhandlungsstrang im Narrativ der Serie
bleibt.
6.8. Alternativen zur Ehe – Wenn nicht Ehe, was dann?
Nachdem ich alle Ehemöglichkeiten der Figuren und Gründe für die jeweiligen Entscheidungen
gegen eine Eheschließung vorgestellt habe, möchte ich zu der Frage nach Alternativen zur Ehe
zurückkehren. Über den Verlauf der Serie müssen die Figuren in Kekkon Shinai jeweils einen
Umgang mit den unter 6.3 diskutierten Problemen, die sie als unverheiratete Figuren erleben,
finden – dies wird zur Bedingung für die Vorstellbarkeit eines Leben ohne Ehe. Kekkon Shinai
erlaubt es den Hauptfiguren, charakterliche Entwicklungen durchzumachen; auch ihre jeweiligen Lebensumstände ändern sich. Diese Entwicklungen sind darauf angelegt, die Figuren das
Leben als unverheiratete Personen letztlich als „genügend“ zu empfinden. Mehr noch: ihnen
werden die Vorteile des Lebens als unverheiratete Person gegenüber einem möglichen Leben
als verheiratete Person bewusst. Endgültig ausgeschlossen wird eine eventuelle, spätere Eheschließung dadurch allerdings nicht. In meiner folgenden Analyse möchte ich die Entwicklung
der drei Hauptfiguren Chiharu, Haruka und Junpei unter dem Begriff der Selbstständigkeit und
die Beziehung von Chiharu und Haruka zueinander als die wesentlichen Aspekte, die für das
Bestreiten eines Leben ohne Ehe in der Serie vorgestellt werden, betrachten.
- 81 -
6.8.1 Chiharus und Junpeis Schritte in die Selbstständigkeit
Ein wiederkehrendes, symbolisches Sprachbild in Kekkon Shinai ist der Ausdruck „einen
Schritt nach vorne zu gehen“. Dieser Ausdruck ist bei der ersten Begegnung von Junpei und
Chiharu bedeutsam, in der Junpei Chiharu eine Gerbera-Blume schenkt, die seiner Aussage
nach in der Blumensprache die Bedeutung ippō – ein Schritt haben soll. Immer wieder stellen
sich vor allem die Figuren Junpei und Chiharu die Frage, ob es eine Möglichkeit für eine Weiterentwicklung in ihrem Leben gibt. Das Lied Walk for Tomorrow der Sängerin Aoki Karen,
dass an unterschiedlichen Stellen der Serie abgespielt, wird (meist, wenn Figuren in einem Moment der Kontemplation gezeigt werden), stellt ebenfalls einen Bezug zum Gedanken des Voranschreitens dar.
Die Herausforderungen, denen Junpei sich stellen muss um voranschreiten zu können
sind die Wiederaufnahme des Malens und die Fähigkeit, in der Identifikation als Maler eine
Lebensgrundlage zu finden. Dies gelingt ihm, als er in der letzten Folge der Serie ankündigt,
als Kunstlehrer sein Geld verdienen zu wollen und nebenher für sich selbst zu malen. Die Anstellung als Kunstlehrer bedeutet einen Ausweg aus seiner derzeitig prekären Beschäftigungssituation. Er folgt dem Motiv des „einen Schritt nach vorne Gehens“ und löst sich dabei zum
einen von seinen inneren Blockaden (zu Malen) und zum anderen aus der von Eifersucht geprägten Beziehung zu Konō Mizuki.
Für Chiharu steht während der Serie eine Heirat als naheliegender Zukunftsplan in Aussicht, während alle anderen Zukunftspläne sich mit diesem ersten Plan zu widersprechen scheinen und deshalb immer wieder, wenn sich eine neue Heiratsoption auftut, hintangestellt werden.
Beispielsweise erwägt Chiharu in Folge fünf eine Entscheidung zwischen dem Verfolgen einer
beruflichen Karriere und der aktiven Suche nach einem Ehepartner. Sie zieht für sich das Fazit,
beide Ziele verfolgen zu wollen – um sich wenige Episoden später dennoch in einer Situation
wiederzufinden, in der die Ehe als Ausweg aus ihrer prekären Beschäftigungslage scheint. Bei
dem Erwägung, eine eigene Wohnung zu beziehen, muss sich Chiharu von ihrer Arbeitskollegin Suzumura Mariko anhören, dass eine solche Handlung sich negativ auf ihre Heiratschancen
auswirken würde und sie besser erst einen Mann finden solle, um anschließend ihre Wohnsituation zu klären (Episode 7, 0:08:42). In derartige Widersprüche verstrickt, ist es kein Wunder,
dass einige von Chiharus Plänen nicht aufgehen, wie der Versuch, innerhalb ihrer Firma eine
verantwortungsvollere Position zu übernehmen, der in Folge acht thematisiert wird, oder eben
ihr Versuch, eine eigene Wohnung zu finden.
Zwei zunächst negative Ereignisse in Chiharus Leben erweisen sich als Auslöser für letztlich positive Veränderungen. Das erste Ereignis ist ihr Auszug aus dem elterlichen Haus – er
- 82 -
bedingt die emotionale Loslösung von ihren Eltern und von deren Wertvorstellungen und ermöglicht es Chiharu, eigene Zukunftsvorstellungen zu entwickeln. Im Verlauf der Serie wird
Chiharu immer seltener im Kreis ihrer Familie gezeigt; stattdessen nehmen Szenen, die sie im
Kreis von Freund_innen oder alleine zeigen, zu. Das zweite negative Ereignis ist ihre Entlassung in dem Reisebüro. Nachdem sie mehrere Jahre in einem Beruf ohne Aufstiegschancen und
längerfristige finanzielle Absicherung, ohne dass sie gefördert oder gefordert worden wäre, verbracht hat, ist eine Veränderung im beruflichen Bereich für Chiharu notwendig geworden. Zur
Absicherung ihrer Zukunft nimmt sie nach der Entlassung Fortbildungsangebote wahr und versucht, mithilfe der Zusatzqualifikationen eine Festanstellung zu finden. Bildung macht also für
Chiharu einen der Schlüssel zur Selbstständigkeit aus. Mit dieser zunehmenden Selbstständigkeit einher geht auch Chiharus Fähigkeit, Verantwortung für andere – beispielsweise für ihre
jüngere Schwester oder die kranke Haruka – zu übernehmen. Selbstständigkeit ist jedoch nicht
die alleinige Lösungsformel für Chiharus Probleme – insbesondere bleiben ihre finanziellen
Sorgen bestehen. Ihre Wohnsituation kann sie beispielsweise nur mit Hilfe von Haruka klären,
diese Hilfe kann sie wiederum annehmen, weil sie die Perspektive hat, eine adäquate Miete für
die Wohnung zahlen zu können.
6.8.2. Harukas Loslösung von der Gartenbau-Agentur
Im Gegensatz zu Chiharu wird Haruka von Beginn der Serie an als in vielen Punkten ihres
Lebens selbstständig dargestellt. Über den Verlauf der Serie erwägt Haruka mehrere mögliche
weitere Karrierewege, und es steht wiederholt die Frage im Raum, ob sie in die Gartebau-Agentur an ihre ursprüngliche Position zurückkehren könnte. Gegen Ende von Kekkon Shinai beschließt Haruka jedoch, sich selbstständig zu machen. Sie entscheidet sich damit für eine neue
Art beruflicher Identität, die sich von den Bildern des sarariman bzw. der Karrierefrau, die an
eine Firma gebunden sind, unterscheidet. Eine Arbeit als selbstständige Gartendesignerin
würde Haruka auch erlauben, Diskriminierungserfahrungen wie die, die sie in ihrer Firma erlebte, zu vermeiden.
Um diese Entscheidung nachvollziehbar zu machen, werde ich im Folgenden näher auf
die von in der Serie beschriebenen Diskrimierungs-Erlebnisse Harukas eingehen. In Episode
eins der Serie wird sie als Angestellte der Gartenbau-Design-Agentur vorgestellt. Sie wird dort
von ihren Kollegen als hart arbeitende und Überstunden machende Angestellte respektiert. Die
in der Serie gezeigten Kollegen im Büro der Gartenbau-Agentur sind alle männlich, somit sind
auch alle Vorgesetzten Harukas Männer. Harukas Kreativität nutzt der Firma, die unter anderem den Preis für ein Gartenprojekt für das Grand Hills Hotel erhält. Obwohl das Design von
- 83 -
Haruka stammt, wird der Preis anderen Mitarbeitern übergeben. Trotz des Nutzens, den die
Firma aus Harukas Arbeit ziehen kann, wird sie in das Blumengeschäft Maison Floral versetzt.
Als Grund für ihre Versetzung wird, wie bereits erwähnt, die Familienpolitik der Firma genannt,
nach der verheiratete Personen bevorzugt werden. Haruka sieht sich gezwungen, ihre Entscheidung, nicht zu heiraten, vor ihrem Vorgesetzten zu verteidigen, hat mit ihrer Verteidigung aber
keinen Erfolg Die Sinnhaftigkeit einer solchen policy lässt sich unter ökonomischen Aspekten
sicher schwer nachvollziehen. Ein Erklärungsansatz könnte die erwartete stärkere Bindung von
familiär verpflichteten männlichen Arbeitern an die jeweilige Firma sein. Am japanischen Arbeitsmarkt ist, trotz gesetzlicher Vorschriften der Gleichbehandlung wie beispielsweise durch
das Equal Employment Opportunity Law (EEOL), geschlechtliche Segregation weit verbreitet.
Diese zeigt sich unter anderem in Form eines two-track Systems, in dem Frauen als Büroangestellte Arbeit finden, nicht aber in beruflich aussichtsreichen Positionen in Firmen, und auch
nicht gefördert werden (Roberts 2007:142). Dahinter steht die nach wie vor verbreitete Ansicht,
Frauen müssten nach der Geburt eines Kindes ihre jeweilige Arbeitsstelle mittelfristig aufgeben.
So wird Familiengründung für Frauen zu einem Karrierehindernis, während bei Männern ein
Aussetzen im Beruf nicht erwartet und die Gründung einer Familie als Zeichen des sozialen
Status gewertet wird. So gesehen kann die Firmenpolitik der Gartenbauagentur in Kekkon Shinai als ein sexistisches Machtinstrument interpretiert werden, das arbeitende Frauen benachteiligt. Harukas Reaktion deutet eine solche Wahrnehmung der policy an. Sie bleibt zwar höflich,
zeigt sich ihrem Vorgesetzten gegenüber aber auch aufgebracht und unmutig. Die Figur ist sich
der erfahrenen Ungerechtigkeit bewusst. Harukas Vorgesetzter Higuchi Tōru verspricht, sich
dafür einzusetzen, sie wieder ins Hauptquartier zurückzuholen, was eine widersprüchliche Verhaltensweise ist, da er ihre Versetzung mit-veranlasst hat. Sein Versprechen ist kein Akt der
Solidarität, sondern basiert auf dem besonderen Verhältnis der beiden – Haruka ist seine ehemalige Geliebte. Er hält das Versprechen ein, und Haruka erhält später von der Firma das Angebot, zurückzukehren. Dieses lehnt sie jedoch ab, um einen unabhängigen Karriereweg einzuschlagen. Ein anderer Erklärungsansatz für die policy der Firma bestünde darin, dass die Affäre
zwischen Haruka und Higuchi Tōru ein Grund für ihre Versetzung sein könnte. Wäre dies der
Fall, und die policy nur der vorgeschobene Grund für die Versetzung, könnte das Vorgehen der
Firma dennoch als sexistisch gewertet werden, da der in der Firmenhierarchie weiter unten stehenden Frau die Verantwortung für die Affäre zugeschoben wird und sie die negativen Konsequenzen tragen muss.
Diese Erfahrungen Harukas in ihrem Arbeitsumfeld mit Ungleichbehandlung und Ausnutzung ihres kreativen Potentials lassen die Selbständigkeit attraktiver wirken als eine Fortführung ihrer bisherigen Karriere in der Gartenbauagentur. Die Entscheidung für berufliche
- 84 -
Selbstständigkeit ist gleichzeitig eine bewusste Entscheidung für die Loslösung von den Einschränkungen des Lebens als Angestellter, und den zusätzlichen damit verbundenen Nachteilen
für berufstätige Frauen, wie sie Haruka erlebt hat. Stattdessen bietet ihr die berufliche Selbstständigkeit die Option, außerhalb der Firma und ohne Abhängigkeit von Vorgesetzten oder einem Partner wie Higuchi Tōru zu operieren. Auch auf Ebene der Geschlechterdarstellung in
der Serie findet damit eine Loslösung vom Bild einer Karrierefrau in einem Anstellunngsverhältnis statt: Harukas nicht-geschlechterkonformes Auftreten muss nun nicht mehr in Bezug
zum Bild der Karrierefrau als Fortführung des sarariman-Ideals gesetzt werden, sondern kann
als ihr individueller Ausdruck ihrer Geschlechtsidentität verstanden werden
War zu Beginn der Serie noch die Gartenbau-Agentur ein zentraler Punkt in Harukas
Leben – schließlich unterhielt sie sogar eine Affäre am Arbeitsplatz – so bedingt die Loslösung
von der Firma auch die Suche nach neuen sozialen Beziehungen außerhalb der Firma. Durch
die unabhängige Wahl neuer Berufsmöglichkeiten und die Auswahl der Personen, mit denen
sie ihre Zeit verbringen will, steht Harukas Weg der Selbstständigkeit der Ehe einerseits und
der Karriere in einer Firma andererseits gegenüber und bietet sich als eine dritte Option an.
6.8.3 Zwischenmenschliche Beziehungen – Chiharus Freundschaften
Als Freundschaft verstehe ich eine auf gegenseitiger Unterstützung basierende, platonische Beziehung zwischen zwei oder mehreren Personen. Der Begriff der Freundschaft wird häufig in
Abgrenzung zu romantischem und sexuellem Begehren zwischen Personen verwendet; allerdings sind zwischenmenschliche Verhältnisse oft nicht in klar von einander abgrenzbaren Kategorien fassbar. Freundschaften zwischen Chiharu und anderen Figuren bleiben Randgeschichten im Narrativ der Serie. Sie dienen zum einen dazu, den Charakter Chiharus als sozial
aktive, verständnisvolle und hilfsbereite Person zu definieren. Gleichzeitig werden über die
Nebenfiguren Einblicke in andere Erlebenswelten von unverheirateten und verheirateten Personen zu dem Thema Ehe gegeben, wie unter 6.5.1. beschrieben. Schließlich kommt den
Freundschaften Chiharus noch eine dritte Funktion zu: Sie bilden ein Beziehungsnetzwerk um
Chiharu, in dem Chiharu und ihre Freund_innen sich gegenseitig Hilfe in praktischen Lebenssituationen anbieten und innerhalb dessen sie emotionale Unterstützung erfahren. Die Japanologin Nora Kottman verweist darauf, dass solche freundschaftlichen Beziehungen und Beziehungsnetzwerke, die noch wenig untersucht wurden, in der japanischen Gesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen (Kottmann 2015:331).
- 85 -
Chiharus Freund_innen sind mit Ausnahme von Junpei nur Frauen. Obwohl sie sich auch
mit einem männlichen Arbeitskollegen gut versteht, hat sie am Arbeitsplatz nur mit einer Suzumura Mariko intime Gespräche, in denen sie Gefühlslagen ausdrückt. Ein Hindernis dabei,
tiefere Freundschaften mit ihren Arbeitskolleg_innen einzugehen, ist die Altersdifferenz, denn
die Kolleg_innen sind deutlich jünger als Chiharu. Gleichaltrig sind hingegen Chiharus Freundinnen aus ihrer Universitätszeit. Insgesamt lässt sich von einem homosozialen Umfeld sprechen, in dem sich Chiharu bewegt. Herausgehoben werden muss Chiharus Beziehung zu
Watanabe Tsugumi. Ihre Freundschaft mit Tsugumi hebt sich zunächst durch den Umstand von
den Freundschaften zu den anderen Universtitätsfreund_innen ab, dass beide Figuren unverheiratet sind. Die Freundschaft erfährt jedoch einen Einbruch, als Tsugumi sich entscheidet, ein
(ungeplantes) Kind zu bekommen und zu heiraten (Abtreibung als Option wird hier nicht angesprochen). Kontakt zwischen den Figuren Chiharu und Tsugumi gibt es nur in den Folgen
eins und vier. Bevor sie merkt, dass sie schwanger ist, hatte Tsugumi noch vorgeschlagen, dass
Chiharu und sie mehr Zeit miteinander verbringen könnten, da beide alleine stehend sind. Auf
Grund der geänderten Lebensumstände kann sie dieses Versprechen nun nicht mehr einhalten,
und es ergibt sich eine Distanzierung der Figuren voneinander. Chiharu nimmt schließlich den
Kontakt wieder auf, um sich Rat bezüglich eines Brautkleids für ihre schwangere Schwester
Chinatsu zu holen. Tsugumi hilft ihr aus, indem sie ihr eigenes Hochzeitskleid verleiht. In diesem Zusammenhang kommt es zur Aussprache zwischen den beiden Freundinnen.
Tsugumis und Chiharus Freundschaft ist unter dem Aspekt der vorehelichen Freundschaft
unter Frauen und des negativen Einflusses, den eine Eheschließung auf freundschaftliche Beziehungen haben kann, interessant. Für Chiharu sind ihr homosoziales Netzwerk und ihre
Freundschaften sehr wichtig. Doch die Frauenfreundschaften verändern sich durch die sich verändernden Lebensumstände der jeweils involvierten Personen. In ihren Beziehungen zu den
bereits verheirateten Freundinnen Ishikawa Yukari und Mikako werden die unterschiedlichen
Lebensumstände als ein Grund erkannt dafür, dass die Figuren ihre jeweiligen Zeitpläne nur
schwer aufeinander abzustimmen in der Lage sind. Dennoch bestätigt sich gerade in der Beziehung zu Yukari, auf deren Sohn Chiharu in Folge sechs aufpasst und für die Chiharus Akzeptanz ihrer neuen Arbeitssituation sehr wichtig ist, dass die Freundschaften trotz der unterschiedlichen Umstände für die Figuren von großer Bedeutung sein können.
- 86 -
6.8.4. Ambivalenzen in der Darstellung der Beziehung zwischen Chiharu und
Haruka
Die Beziehung zwischen den Figuren Chiharu und Haruka kann auf den ersten Blick als eine
Freundschaft zwischen zwei Frauen interpretiert werden, die ab der Begegnung der beiden Figuren in der ersten Folge mitverfolgt werden kann. Es ist wichtig zu bemerken, dass sich die
Beziehung der beiden Hauptfiguren zueinander erst im Verlauf der Serie entwickelt. Dies
grenzt sie von den anderen freundschaftlichen Beziehungen, die vor allem Chiharu pflegt, ab.
Viele japanische TV-Serien (wie beispielsweise die bereits erwähnte TV- Sendung Around 40)
thematisieren Freundschaften zwischen Frauen, die langen Bestand haben und beispielsweise
in der Jugend der dargestellten Figuren ihren Ursprung finden. Wo gezeigt wird, wie Figuren
einander kennenlernen und eine neue Beziehung zwischen Figuren entsteht, ist es möglich, die
Art der Beziehung – beispielsweise freundschaftlich oder romantisch – zunächst undefiniert zu
lassen. Ich werde im Folgenden drei Aspekte der Darstellung der Beziehung zwischen Chiharu
und Haruka analysieren: den Aspekt der Beziehung der weiblichen Figuren als Ort des Austausches über geschlechter-bezogene Diskriminierungserfahrungen, den Aspekt des Zusammenlebens und die Andeutung einer homoromantischen Beziehung zwischen Chiharu und Haruka.
6.8.4.1. Frauenfreundschaft als Ort der Thematisierung von Diskriminierungserfahrungen
Im Folgenden möchte ich Teile einer Szene beschreiben, die die Annäherung der Figuren
Chiharu und Haruka begründet und die ich für eine Schlüsselszene in Kekkon Shinai halte. Die
Szene bildet den Abschluss der ersten Episode der Serie und findet in einem Park statt, der ein
häufiger Schauplatz in Kekkon Shinai ist. Die Szene zeigt Chiharu und Haruka auf einer Bank
sitzend, Bier trinkend und Gemüsechips essend im Gespräch. Chiharu gibt an, dass ihre Erwartung an eine mögliche Heirat mit ihrem ehemaligen Universitätskollegen enttäuscht wurde. Sie
stellt die Frage in den Raum: „Nicht heiraten zu können bedeutet doch, immer alleine zu sein,
oder?“ („Demo kekkon dekinai to iu koto wa, zutto hitori-tte iu koto deshō?“( Episode 1,
0:50:30). Sie bemerkt weiter, dass sie keine eigene Familie (gemeint sind hier wahrscheinlich
ein Ehemann und Kinder) verdient habe, wenn sie bisher nicht dazu in der Lage war zu heiraten,
und vergleicht sich mit Haruka, die durch ihre Arbeit einen Grund habe, stolz zu sein. Haruka
reagiert auf Chiharus Überlegungen mit einem Geständnis: „Mir geht es genauso. Ich dachte,
nur die Arbeit würde mich nicht betrügen, doch heute wurde mir von meinem Vorgesetzten
gesagt, dass ich versetzt werde“ („Watashi mo onaji. Shigoto dake wa uragiranai to omotte ima
made yattekittan dakedo ne. Kyō tenpo ni shukō datte iwarechatta, (Episode 1, 0:51:45). Die
- 87 -
Figuren wirken in ihrem Austausch über ihre jeweiligen Enttäuschungserlebnisse kuzzeitig resigniert, doch dann drückt Haruka in einem Wortspiel, das sich auf Chiharus vorherige Aussage
bezieht, sie werde einen Tod durch zu viele Gemüsechips erleiden, aus , es sei nicht gut, etwas
(gemeint sind hier wahrscheinlich Gefühle) einfach mit Gemüsechips zusammen „herunterzuschlucken“. In einer abrupten Bewegung zieht Haruka ihre Schuhe aus. Sie geht in Strümpfen
auf einen Brunnen in der Nähe der Bank zu. Hier wechselt die Kamera in eine Vogelperspektive, aus der zu sehen ist, wie Haruka in den Brunnen steigt und Chiharu ihr bis zum Rande des
Brunnens nachläuft. Im Brunnen stehend ruft Haruka laut „Was ist falsch daran, nicht zu heiraten?“ (Kekkon shitenakute nani ga warui? Episode 1, 0:52:45). Sie fordert Chiharu auf, ebenfalls in den Brunnen zu steigen und ihre Gefühle auszusprechen: „Du hast doch sicher auch
etwas, das du sagen möchtest, das dir im Hals stecken geblieben ist. Das einfach so stecken zu
lassen ist zu schmerzhaft!“ (Nodo no oku ni tsmatteru koto ha arundeshou? Nomikondamama
ja tsurasugiru yo. Episode 1, 0:53:10). Chiharu stellt ihre hochhackigen Schuhe am Beckenrand
ab und steigt ebenfalls ins Wasser. Nach kurzem Zögern ruft sie „Ich bin kein Werkzeug!
Frauen sind keine Werkzeuge um Kinder zu bekommen. Es ist nicht falsch, nicht zu heiraten!“
(„Dōgu janai! Onna ha kodomo wo umu dōgu janai. Kekkon shinakute dame janai!“ , Episode
1, 0:53:40). In diesem Moment werden die Figuren von dem plötzlich einsetztenden Wasserspiel des Brunnens überrascht. Zuletzt wechselt die Kamera wieder in die Vogelperspektive
und zeigt Chiharu und Haruka unter den anhaltenden Wasserstrahlen. Haruka wehrt diese mit
ihren Händen lachend ab während Chiharu, ebenfalls lachend, herumplantscht.
Die beschriebene Szene ist aus mehreren Blickwinkeln bemerkenswert. Sie legt die
Grundlage für Chiharus und Harukas weitere Beziehung. Die beiden Figuren öffnen sich einander, indem sie ihre negativen Erfahrungen ‚als Frauen’ in der japanischen Gesellschaft deutlich
ansprechen und sich gegenseitig darin bestärken, diese nicht hinzunehmen. Chiharus Frustration beruht auf der Erfahrung eines männlichen Blicks auf ihren Körper, den sie als dehumanisierend wahrnimmt. Nicht das Bewusstsein für die Grenzen ihrer Fähigkeit, Kinder zu bekommen, sondern die Bewertung dieser Fähigkeit verletzt sie. Harukas Erfahrung basiert auf patriarchalen Ordnung innerhalb ihres Arbeitsplatzes, an dem ihr Lebensziel zu zerbrechen droht.
Nicht die Lösung ihrer Probleme steht im Vordergrund der Szene, sondern die Akzeptanz eigener Gefühle und das Herausbilden einer eigenen Meinung, die den von außen an die Figuren
herangetragenen Ansprüchen und Erwartungen widerspricht. Durch das laute Rufen, das Ablegen ihrer Schuhe und das Betreten des Brunnens stören die Protagonistinnen die Ordnung der
Gesellschaft symbolisch. Wichtig ist dabei auch der öffentliche Ort, an dem die Handlung stattfindet, denn er trägt dazu bei, den Konflikt aus dem Bereich des Privaten in die Öffentlichkeit
zu überführen. Durch das Erkennen einer Gemeinsamkeit und in ihrem Zusammensein erleben
- 88 -
die Figuren eine Bestärkung in ihrer persönlichen Auflehnung gegen die Erfahrungen geschlechter-bedingter Ungleichbehandlung. In der Szene wird beispielsweise durch Nahaufnahmen von den Schuhen den Figuren – Chiharu trägt modische Highheels, Haruka flache, unscheinbare Schuhe – wiederholt auf Unterschiede zwischen den beiden Figuren fokussiert.
Diese Betonung dieser Unterschiede in der beschriebenen Szene kann als eine Verstärkung der
Botschaft, dass Frauen in unterschiedlichen Situationen dennoch jeweils Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts erleben, verstanden werden.
6.8.4.2. Haruka und Chiharu als Mitbewohnerinnen
Das erste Zusammentreffen der Figuren Haruka und Chiharu basiert auf einem Zufall, als sie
in dem erwähnten Park aufeinandertreffen. Der Versuch, einen Papierflieger aus dem im Park
befindliche Brunnen zu holen, endet mit der Abführung der beiden Figuren durch einen Polizisten. Dieser hält den beiden Frauen Ruhestörung vor und verdächtigt sie, im Brunnen geschwommen zu haben. Nach der Entlassung aus der Polizeistation erlaubt Haruka Chiharu, die
sich zu erkälten droht, sich in ihrer Wohnung aufzuwärmen, und leiht ihr trockene Kleidung
aus. Als sie die Kleidung am nächsten Tag zurückbringt beginnt sie, ein engeres Verhältnis zu
Haruka aufzubauen, in dem es ihr möglich wird darum zu bitten, kurzfristig bei Haruka einziehen zu dürfen.
Das temporäre Zusammenleben mit Haruka wird zunächst nur von Chiharu als eine vorteilhafte Situation erkannt, da sie dadurch einen familiären Konflikt vermeiden kann, ohne Geld
für eine eigene Wohnung aufbringen zu müssen. Haruka bezeichnet Chiharu Junpei gegenüber
als isōrō, als eine Person, die ohne Geld zu zahlen nutznießend bei ihr wohnt, während Chiharu
ihr Verhältnis mit dem Begriff dōkyōnin (Mitbewohnerin) umschreibt (Episode 2, 0:16:50). Mit
der Zeit wandelt sich jedoch Harukas Einstellung zum Zusammenwohnen mit Chiharu sichtlich. Sie beginnt, die Vorteile zu schätzen, die für sie zum Beispiel darin bestehen, dass sie von
Chiharu bekocht wird und in ihr eine Gesprächspartnerin hat. Es sind also finanzielle Unsicherheit, soziale Unsicherheit und Angst vor Einsamkeit, die durch das Zusammenwohnen der Figuren gemindert werden – eben jene Sorgen, die ich unter 6.3.2 als Sorgen identifiziert habe,
die die Figuren aufgrund ihres Unverheiratet-seins erleben. Insofern wird das Zusammenwohnen von Chiharu und Haruka dem Zusammenwohnen als Ehepaar als Alternative gegenübergestellt.
Mit dieser Konstellation wird ein alternatives Lebensmodell inszeniert, das heternormativen Annahmen – nämlich der Annahme, dass das Zusammenleben eines Mannes mit einer
- 89 -
Frau die Norm darstellt – zuwiderläuft. Laut der Soziologin Ueno Chizuko stützt eine gesellschaftliche und ökonomische Infrastruktur, in der Männer nicht ohne Frauen und vice versa
leben können, Heteronormativität (Ueno 2015:203). Wenn diese Infrastruktur als Basis gesellschaftlicher Ordnung falle, schließt Ueno, so würde auch eine Auflösung von Heterormativität
stattfinden können (Ueno 2015:204). Ueno bezieht sich mit dem Begriff der „Infrastruktur“ (イ
ンフラ) auf die Ehe als Ort der Reproduktion unter anderem von Arbeitskraft und die vergeschlechtliche Aufteilung von Reproduktionsarbeit. Auch im Zusammenleben von Chiharu und
Haruka spielt dieser Aspekt eine Rolle, worauf ich später noch genauer eingehen werde. An
dieser Stelle sei jedoch bereits erwähnt, dass die Haushaltsverteilung und die Verteilung von
Verantwortung für den Wohnraum zwischen den Figuren eben nicht am Geschlecht festgemacht wird sondern sich aus der Verteilung der persönlichen Fähigkeiten und Umstände ergibt.
Es stellt sich nun die Frage, ob das dargestellte Modell des Zusammenwohnens der zwei
Frauen in Kekkon Shinai auch stabil ist, hier also eine längerfristige Alternative zum Leben in
einem Ehemodell – oder nur eine kurzfristige Option der Überbrückungung von Schwierigkeiten von unverheirateten Frauen aufgezeigt wird. Zunächst gehen die Figuren von ihrer Wohnsituation als von einem vorübergehenden Zustand aus; dennoch sind Gedanken über ein längeres Zusammenleben bereits früh immer wieder Thema. Dies zeigt deutlich eine Szene zu Beginn der vierten Episode. In dieser ist Chiharu zu sehen, die stolz den Schlüssel, den sie in der
vorherigen Episode von Haruka bekommen hat, vor sich hält und laut sagt: „Was ist das nur,
dieses Gefühl, als hätte ich meinen Platz gefunden – ich werde vielleicht, auch wenn ich nicht
heirate, nicht einsam sein...“ („Nan darō kono ibashō ga dekita to iu kanji – watashi mo kekkon
shinakute mo sabishikunai kamoshiremasen...“, Episode 4, 0:00:45). Haruka antwortet darauf
mit: „Verwechsel das nicht. Denn ich habe nicht gesagt, dass es in Ordnung wäre, wenn du für
immer hierbleibst“ („Kanchigae shinaide yo. Itsumade mo itte ii-tte watatashita wake janain
dakara“, Episode 4, 0:00:51). Chiharu gibt an, dies verstanden zu haben („Wakattemasu“), und
Haruka fährt, halb scherzhaft fort: „Wenn du einen Ort gefunden hast, zu dem du gehen solltest,
dann bitte verlasse [diese Wohnung] wieder“ („Ikubeki tokoro sono mama dekitara deteiku yō
ni“, Episode 4, 0:00:57).
Dass Chiharu nicht von einer langfristigen Wohnmöglichkeit ausgeht, zeigt sich unter
anderem daran, dass sie während des Zusammenlebens mit Haruka eine Eheschließung mit
Takahara Seiji und ein Zusammenziehen mit diesem erwägt. Ambivalent ist im Bezug auf diese
Frage das Ende der Serie gestaltet. In einer späten Szene in der letzten Episode von Kekkon
Shinai sind zunächst Chiharu, Haruka, Junpei, Professor Tanigawa Mai und deren Freund im
Garten von Professor Tanigawa versammelt. Dort übergibt Chiharu Haruka einen Geldbetrag,
der als Mietbeitrag zur Wohnung gedacht ist (Episode 11, 0:38:08). Es wird deutlich, dass sie
- 90 -
sich darauf einstellt, längerfristig in der Wohnung zu leben, die freilich immer noch Haruka
gehört. Angedeutet wird außerdem, dass Haruka zu Professor Tanigawa gezogen ist – ob vorübergehend oder dauerhaft ist nicht klar. Die allerletzte Szene der letzten Episode zeigt
Chiharu und Haruka dennoch wieder gemeinsam in der Wohnung. Die Szene spielt an einem
Morgen, und Haruka verlässt darin das Zimmer, in dem zuvor Chiharu gewohnt hatte, um das
Wohnzimmer zu betreten, während Chiharu aus Harukas ehemaligem Schlafzimmer kommt.
Wie in vielen Szenen zuvor hat auch dieses Mal Chiharu das Frühstück vorbereitet. Haruka
scherzt darüber, dass diese Form des Zusammenlebens die angenehmste sei, und die beiden
machen Pläne für eine gemeinsame Abendgestaltung (Episode 11, 0:45:10 – 0:45:45). In der
Szene wird also eine Erweiterung der Optionen für die beiden Figuren angedeutet. Chiharu hat
in der Wohnung von Haruka eine dauerhafte Wohnmöglichkeit gefunden, Haruka ihrerseits
scheint nun die Möglichkeit zu haben, entweder mit Professor Tanigawa oder mit Chiharu zusammenzuwohnen und wirkt in diesem Punkt unentschlossen.
6.8.4.3. Homoromantischer Subtext in der Darstellung von Chiharu und Haruka
Chiharu und Haruka werden zunächst als in vielen Punkten unterschiedliche und sogar konträre
Charaktere gezeichnet. Sie unterscheiden sich in ihrem sozialen Status, in Alter, im Kleidungsstil, in Praxen der Performanz von Geschlecht und in ihren allgemeinen Einstellungen zum
Leben. Trotz dieser Unterschiede entwickelt sich schnell ein intimes Naheverhältnis zwischen
den beiden Figuren, das unterschiedlich ausgelegt werden kann. Welche Indizien gibt es in der
Serie selbst für eine homoromantische Lesart der Beziehung zwischen den Figuren Chiharu und
Haruka?
Hinweise auf ein romantisches Verhältnis zwischen den beiden Figuren finden sich zum
einen in der Bildsprache der Serie. Der Umstand, dass die Figuren zusammenleben, aber auch
außerhalb des Wohnverhältnisses viel Zeit miteinander verbringen, bringt eine starke Konzentration der Serie auf Bilder und Szenen mit sich, in denen Haruka und Chiharu zu zweit zu sehen
sind. Diesen Darstellungen haftet, insbesondere in Szenen, die sich in Harukas Wohnung abspielen, ein Ausdruck von Familiarität an. Die Figuren sind zu unterschiedlichen Tageszeiten,
angefangen vom morgendlichen Aufstehen und gemeinsamen Frühstück bis zu abendlichen
Gesprächen, im geteilten Wohnzimmer zusammen. Die dadurch entstehenden Bilder erinnern
an Darstellungen von Ehepaaren in einem geteilten Haushalt – und stehen zugleich im Unterschied zu üblichen und auch in der Serie sonst gezeigten Freundschaftsdarstellungen. Bestärkt
wird dieser Eindruck durch die Rollenverteilung, die sich zwischen den zwei Figuren entwickelt. Chiharu wird als fürsorgliche Person gezeigt, die sich um das Wohl ihrer Wohnpartnerin
- 91 -
kümmert, indem sie nicht nur für diese kocht, sondern allgemeiner auf die Wichtigkeit gesunder
Ernährung hinweist und quasi als Versorgerin auftritt. Im Gegensatz dazu fällt es Haruka als
der finanziell besser gestellten Person zu, den Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Hier spiegelt sich das Bild einer traditionalistischen Rollenverteilung innerhalb einer Ehe, wobei
Chiharu die Rolle der sich-kümmernden Ehefrau zukommt, während Haruka den stereotyp
männlich behafteten Part des Ehemodells darstellt. Anders gesagt wird in der platonischen
gleichgeschlechtlichen Beziehung ein heteronormatives Muster von Beziehungen reproduziert.
Unterstützt wird eine solche Interpretation auf bildlicher Ebene durch die körperlichen Unterschiede der Figuren. Zu keinem Zeitpunkt wird jedoch die weibliche Geschlechtsidentität der
Figuren in Frage gestellt. Im Gegenteil sind es, wie ich im Kapitel 6.8.4.1 aufzeigt habe, gerade
auch die Erfahrung der Figuren ‚als Frauen’, die einen wichtigen Grund für deren Naheverhältnis darstellen. Darstellungen von häuslichen Situationen wie die beschriebene Szene können
als ein Spiel mit Annahmen über Geschlechterrollen, losgelöst von einer konkreten Geschlechtsidentität, interpretiert werden.
Zudem finden sich in der Bildsprache Hinweise auf einen homoerotischen Subtext zwischen den Figuren, der über den Bereich des Familiären hinausgeht. Ein wiederkehrendes Bild
ist die gemeinsame Fahrt der Figuren auf Harukas Moped. Auf mehreren Ebenen kann dieses
Bild symbolisch gelesen werden: Als Fortbewegungsmittel steht das Moped einerseits sinnbildlich für Freiheit der Bewegung. Als Fahrzeug ist das Moped beziehungsweise das Bild des_der
Fahrer_in männlich konnotiert, wodurch sich also wieder die bereits in der Beschreibung der
Wohnszenen angedeutete Struktur einer stereotypen heterosexuellen Paarbeziehung in den gemeinsamen Moped-Fahrten mit Haruka als Fahrerin und Chiharu als Beifahrerin spiegelt. Vor
allem bietet die Darstellung der gemeinsamen Moped-Fahrten jedoch die Möglichkeit, körperliche Nähe zwischen den Figuren zu inszenieren, wenn die Beifahrerin die Fahrerin umarmt.
Als meiner Meinung nach wichtigstes Indiz für eine Lesart von Kekkon Shinai, durch das
eine Liebesbeziehung der weiblichen Hauptfiguren vorstellbar wird, ist jedoch die sich zwischen den Figuren einstellende Intimität auf einer emotionalen Ebene. Vor allem im Vergleich
zum Ausdruck der Emotionalität anderen Figuren gegenüber sticht die Beziehung zwischen
Chiharu und Haruka hervor. Emotionale Nähe drückt sich in den Gesprächen der Figuren miteinander aus und in Situationen, in denen die Figuren Verständnis für die Probleme und Gedanken der anderen Figur zeigen. Für Haruka ist Chiharu eine von wenigen Personen, mit denen
sie beispielsweise über ihre Sorgen im Bezug auf die bevorstehende Operation (Episode 11,
0:07:05) spricht. Chiharu erzählt Haruka nicht nur von ihren familiären Problemen, sondern
nimmt auch deren Hilfe in Anspruch, beispielsweise bei der Suche nach einer Lösung eines
- 92 -
familiären Konflikts, als in Folge Chiharus Schwester Chinatsu kurz vor der Hochzeit das Elternhaus verlässt. Eine Anerkennung dieser emotionalen Nähe zwischen Haruka und Chiharu
wird auch über die Reaktionen anderer Figuren ausgedrückt. Sowohl Junpei als auch Mai bemerken Chiharus Abwesenheit in Harukas Wohnung in Folge zehn als ein Fehlen einer wichtigen Person in Harukas Leben – und Chiharus Mutter bezeichnet Haruka als diejenige Person,
die Chiharu am besten verstehe (Episode 10, 0:36:50).
Einen emotionalen Höhepunkt in der Beziehung von Chiharu und Haruka stellt ein Streitgespräch sowie die anschließende Versöhnung der Charaktere in den Episoden neun und zehn
dar. Im Zuge dieses Streitgesprächs wirft Chiharu Haruka vor, nur vorzugeben unverheiratet
glücklich zu sein und diese Entscheidung letztlich doch zu bereuen, woraufhin Haruka Chiharu
ohrfeigt und ihr vorwirft, ihre eigenen Gefühle zu unterdrücken und sich stets nur an andere
Personen anzulehnen (Episode 9, 0:38:09). Ironischerweise ist dieser Ausdruck körperlicher
Gewalt gleichzeitig der intimste Moment körperlicher Nähe zwischen den Figuren. Diese Handlung kann als Grenzüberschreitung im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses gewertet werden,
welches durch das Zulassen der Grenzüberschreitung eine Bestärkung findet. Auf den beschriebenen Austausch folgt Chiharus Auszug aus der gemeinsamen Wohnung und eine Zeit, in der
sich die Figuren nicht mehr sehen, aber offensichtlich vermissen. Beigelegt wird der Streit während eines Telefongespräches, in dem Haruka Chiharu von Junpeis verfrühter Abreise nach
Paris erzählt und sie auffordert, ihn am Flughafen abzufangen (Episode 10, 0:42:08). Allerdings
verschlechtert sich Harukas gesundheitlicher Zustand während des Telefonats, und sie wird
ohnmächtig. Chiharu ist in der Folgeszene zu sehen, wie sie sich auf den Weg macht – nicht zu
Junpei, von dem zu sehen ist, wie er am Flughafen Konō Mizuki trifft, sondern zu Haruka.
Dieser Moment der Entscheidung Chiharus kann als weiterer Hinweis für eine Aufwertung der Beziehung zwischen Chiharu und Haruka gegenüber den anderen Beziehungen gewertet werden. Dadurch wird wiederum eine versteckte homoromantische Lesart verstärkt, da die
Entscheidung konkret als Entscheidung für eine Person und gegen eine andere wie in einem
klassischen Liebesdreieck aufgebaut ist.
6.8.5. Interpretation im Kontext lesbischer (Un)Sichtbarkeit
Ein möglicher homoerotischer Subtext zwischen den Figuren muss im Zusammenhang mit der
verhältnismäßigen Unsichtbarkeit lesbischen, beziehungsweise gleichgeschlechtlichen, Begehrens in der japanischen medialen Landschaft einerseits sowie der japanischen Gesellschaft andererseits gedacht werden. Vor dem Hintergrund, dass explizite mediale Darstellungen von ro-
- 93 -
mantischen Beziehungen unter Frauen selten sind, gilt es, impliziten Darstellungen als möglicher Ausdrucksform von homoromantischen Begehren besondere Beachtung zu schenken. Solche Darstellungen sind nicht losgelöst von denkbaren Lebensrealitäten von Frauen liebenden
Frauen.
Homosexualität und gleichgeschlechtlich orientiertes Begehren sind selbstverständlich
Teil der japanischen Gesellschaft, sind jedoch auch tabuisiert. Die Japanologin Saskia Wieringa
beschreibt, dass die Grenzen akzeptablen Verhaltens in Japan anders verlaufen als in ‚westlichen’ Gesellschaften; sie seien aber dennoch real: „Japanese society is not so much identitybased as Western societies tend to be, but rather behavior-based. The borders between acceptable and nonacceptable behavior may vary, but they remain very real.“ (Wieringa 2005:24).
Weiter bemerkt Wieringa starke Unterschiede in der Sichtbarkeit lesbischer und schwuler
Liebesverhältnisse, die sie auf eine strikte Abgrenzung der Geschlechter voneinander in Japan
zurückführt. Sie bemerkt eine Dominanz von Männern in soziopolitischen und sexuellen Angelegenheiten, die zur Behaftung lesbischischer Sexualität mit Scham, Schuld und Sünde führe
(ebd.). Negative Attribute, mit denen lesbisches Begehren besetzt ist, aber auch Unwissen und
die Unsichtbarkeit lesbischen Begehrens tragen zur De-Legitimierung und Tabuisierung dieser
Begehrensform bei. Die Tabuisierung, mit der nicht-heteronormative Beziehungen belegt sind,
führt in manchen Fällen dazu, dass lesbische Beziehungen nicht gesehen werden, obwohl die
involvierten Partnerinnen ihre Zuneigung zueinander nicht verbergen. Kamano Saori beschreibt, wie die Zuschreibungen an Frauen, dass diese nicht „alleine sein könnten“, zu einem
größeren Verständnis für Frauen, die die Gesellschaft anderer Frauen suchen, führt und dabei
romantische oder erotische Implikationen ausgeblendet werden:
„The homosocial nature of Japanese society, particularily for women, makes it possible, even
easy, for two lesbian partners to „pass“ as close friends.... The ease of passing is reinforced by
conventional assumptions about women‘s need for company, inability to be on their own, or the
idea that it is not safe for women to be alone.“ (Kamono/Khror 2011:158)
In Kekkon Shinai bleibt die Frage, ob Chiharu und Haruka Freund_innen sind oder das Potential
für eine Liebesbezieung besteht, unbeantwortet. Die Ambivalenz der Darstellung stützt sich auf
Annahmen der Akzeptabilität naher Beziehungen zwischen Frauen, die nicht sexuell konnotiert
gelesen werden müssen. Die Interpretation der Beziehung zwischen den Hauptfiguren ist abhängig vom Blick der Zuseher_innen und deren Vermögen, die oben beschriebenen Hinweise
als solche wahrzunehmen – oder nicht. Wird das Verhältnis zwischen Chiharu und Haruka als
ein Liebesverhältnis gelesen, dann kommen zu den offensichtlich thematisierten, von den Figuren abgelehnten Aspekten des Konzepts Ehe noch weitere hinzu, wie die Beschränkung des
Konzepts auf Beziehungen zwischen heterosexuellen Personenkonstellationen. Die Norm von
- 94 -
Heterosexualität und das mit dieser in Verbindung stehende Konzept der Ehe würden durch
eine solche Interpretation stärker in Zweifel gezogen, als wenn der Aspekt nicht-heterosexuellen Begehrens ausgeblendet wird.
7. Consclusio
Zu Beginn dieser Arbeit habe ich mich bemüht, den Zusammenhang zwischen Ehe und Heteronormativität in Japan aufzuzeigen. Ich habe versucht zu zeigen, wie ein Ehekonzept, das ausschließlich Ehen zwischen jeweils einer Frau und einem Mann zulässt, zur Marginalisierung
von Personen, deren Begehren nicht oder nicht ausschließlich gegengeschlechtlich orientiert
ist, beiträgt, aber auch, wie die Ehe die Formung von Geschlechtsidentitäten beeinflusst. Im
Abschluss dieser Arbeit möchte ich reflektieren, ob die Serie Kekkon Shinai in der Behandlung
des Themas Ehe hegemoniale Vorstellungen über die gesellschaftliche Ordnung – konkret die
Normativität der Ehe – unterstützt, oder in Frage stellt.
In den Darstellungen von Geschlechtsidentitäten, Geschlechterrollen und alternativen
Beziehungsformen unverheirateter Menschen in der Serie Kekkon Shinai wurde der Zusammenhang zwischen Ehe, und an die Ehe geknüpfte Geschlechterrollen bestätigt. Einerseits wurden die verheirateten Paare in der Serie als an konventionelle Geschlechterrollen gebunden gezeigt, andererseits wurden die unverheirateten Figuren in ihrem vergeschlechtlichten Auftreten
als Kontrastfiguren zu diesen konventionellen Vorstellungen normierten vergeschlechtlichten
Verhaltens entwickelt.
Sowohl bei den Figuren Haruka als auch bei der Figur Junpei werden Aspekte nicht
geschlechter-konformen Verhaltens, beziehungsweise der Unangepasstheit an hegemoniale
Geschlechterbilder, gezeigt. Die Figur Haruka wurde zunächst als Karrierefrau inszeniert, Junpei als gescheiterter Künstler ohne Festanstellung und Interesse an romantischen Beziehungen
zu Frauen. Einerseits wird in Kekkon Shinai nicht-geschlechterkonformes Verhalten als mögliche Ursache für ihr Un-Verheiratetsein impliziert, andererseits ist der Umstand des Un-Verheiratetseins mit einer Infragestellung der jeweiligen Geschlechtsidentität dieser beiden Hauptfiguren verbunden. Auch hieran bestätigt sich die Wirkmächtigkeit der Ehe im Bezug auf Normen von Geschlecht. Bei Junpei zeigt sich dies durch eine Abwertung seiner Männlichkeit als
unverheirateter Mann. Die Figur Haruka setzt sich mit ihrer Geschlechtsidentität auseinander
und sieht ihre Weiblichkeit durch den Verlust ihres Uterus und dadurch ihrer Fähigkeit, Kinder
zu gebären, zeitweise bedroht. Dieser Umstand steht insofern mit ihrem Unverheiratet-sein in
Verbindung, da den Zuseher_innen eine Interpretation ihrer bisherigen Kinderlosigkeit als
Folge ihres Unverheiratet-seins nahegelegt wird.
- 95 -
Die Darstellung der Unangepasstheit an hegemoniale Geschlechterbilder beinhaltet also
jeweils das Erleben negativer Konsequenzen der Figuren. Indem den Figuren jedoch eine charakterliche Entwicklung und in der Fortschreibung ihrer individuellen Geschichten im Narrativ
ein Zuwachs an Selbstbewusstsein und/oder Selbstständigkeit sowie ein positiver Ausblick auf
die weitere jeweilige Gestaltung ihres Lebens als unverheiratete Personen zugestanden wird,
wird das Erleben negativer Konsequenzen zumindest als überwindbar dargestellt. Die Figuren
müssen sich nicht an vergeschlechtlichte Rollenbilder anpassen, die ihnen nicht entsprechen.
Wichtig zu beachten ist auch, dass die Figuren Haruka und Junpei durch romantische Beziehungen mit Partnern des jeweils anderen Geschlechts, also eine Anrufung von Heterosexualität,
in ihren Geschlechtsidentitäten in einem heteronormativen Diskurs bestätigt werden.
Besonders spannend ist die Darstellung der Figur Chiharu, deren Inszenierung als geschlechter-konform interpretiert werden kann. Im Verlaufe der Serie erhält ihr Charakter, beispielsweise durch den Zugewinn an Selbstständigkeit, neue Facetten und weicht gleichzeitig
klar von stereotypen Bildern unverheirateter Frauen wie dem der Konsumentin oder der Karrierefrau ab. Anders als Haruka und Junpei erlebt Chiharu keine Infragestellung ihrer Geschlechtsidentität. Ihre Feminität, die durchwegs durch ihr Auftreten und Verhalten reproduziert wird, bleibt letztlich nicht an die Ehe geknüpft, und ihre Figur kann deshalb stärker als die
anderen beiden Hauptfiguren einen Bruch in einer Sicht auf Weiblichkeit, die mit Ehe und Mutterschaft verknüpft ist, provozieren.
Die Auseinandersetzung mit dem Ehemodell als Option für das eigene Leben wird von
den unverheirateten Figuren erlebt als Druck von außen, zu heiraten. Neben der impliziten Erwartung, sich in einer Ehe geschlechterkonform verhalten zu müssen, sind es die Aspekte der
(finanziellen) Abhängigkeit, der Verzicht auf romantische Beziehungen und auf ein selbstbestimmtes Leben, die als Begleitaspekte der Ehe verstanden und abgelehnt werden. Eine mögliche partnerschaftliche Beziehung zwischen Ehepartner_innen wird nicht aufgezeigt; Sexualität
und Romantik erleben die Hauptfiguren ebenfalls nur außerhalb eines Eherahmens. Diese die
Vorstellung von Ehe prägenden Aspekte führen zur Ablehnung der Ehe als für die Hauptfiguren
passendes Lebensmodell, die durch das Ablehnen von Heiratsanträgen durch die Hauptfiguren
immer wieder bestätigt. Doch sogar dort, wo eine Möglichkeit einer Ehe, die von den anderen
bereits bestehenden gezeigten konventionellen Bildern der Ehe in einzelnen Punkten abweicht,
wird sie von den Figuren abgelehnt. Dies verdeutlicht, dass die theoretischen Möglichkeiten
einer Umdeutung des Ehekonzeptes nicht so weit gehen, dass die Ehe von den Figuren letztlich
als erstrebenswert betrachtet werden würde. Beispiele hierfür sind der Heiratsantrag von Professor Tanigawa an Haruka oder die Möglichkeit einer Eheschließung zwischen Chiharu und
Junpei. Als Sinnbild für die Ablehnung der Ehe kann eine Szene in der letzten Episode der Serie
- 96 -
verstanden werden, in der die weiblichen Hauptfiguren einen Papierflieger aus einem Eheantrags-Formular falten und diesen fliegen lassen (Episode 11, 0:43:50). Die Ehe bleibt in Kekkon
Shinai Symbol für etwas Einengendes, gegenüber den loser gestalteten alternativen Beziehungen unter den Figuren, in denen diese Freiräume besetzen können.
Diese Feststellung führt mich nun zum zweiten Teil meiner Forschungsfrage, der Behandlung alternativer Beziehungsmodelle (zur Ehe) in Kekkon Shinai, ebenfalls unter dem
Blickwinkel von Heteronormativität. In der Entwicklung aller Hauptfiguren spielen die sozialen
Dynamiken in den Beziehungen der Figuren untereinander eine wichtige Rolle. Auf der familiären Ebene wird zum einen eine Abgrenzung der Figur Chiharu von ihrer Familie, gleichzeitig
eine Annäherung der Figur Haruka an ihre Mutter gezeigt. Die familiären Beziehungen bleiben
jedoch insgesamt stabil. Als alternative Beziehungsmodelle, die den unverheirateten Figuren
offenstehen, sind in erster Linie Freundschaften zu nennen. Diese bestehen zwar auch zwischen
unverheirateten und verheirateten Figuren, gestalten sich jedoch unter den unverheirateten Figuren als intensiver. Barbara Holthus und Wolfram Manzenreiter beschreiben, wie in Japan
Freundschaften vor allem für Personen ab dem Alter, in dem eine Eheschließung weniger wahrscheinlich ist, einen der Ehe naheliegen Weg beschreiben können, die die emotionale Unterstützung, Bedeutung und Beziehungen bieten, welche das Leben als Minderheit in einer familiastischen Gesellschaft erleichtern (Manzenreiter/Holthus 2017:15). Kekkon Shinai unterstützt
eine solche Sichtweise auf Freundschaften durch die Darstellung der Beziehungen zwischen
befreundeten Figuren. Der Geschlechteraspekt spielt dabei ebenfalls eine große Rolle: Es sind
in erster Linie Frauenfreundschaften rund um Chiharu dargestellt; außerdem nimmt die spezielle Beziehung zwischen Chiharu und Haruka, die auch als Freundschaft gelesen werden kann,
hier ebenfalls eine herausragende Rolle ein. Im Rahmen der „Frauenfreundschaften“ ist es den
Figuren möglich, Problematiken zu besprechen und aufzuarbeiten, die sie aufgrund ihres Geschlechts, sei es als Hausfrau und Mutter, als Karrierefrau oder unverheiratete Frau erleben.
Diese Form der Geschlechtertrennung, beziehungsweise die homosozialen Umfelder der weiblichen Figuren sind im Hinblick auf Heteronormativität auch kritisch zu betrachten. Durch sie
kann die Annahme, dass Beziehungen zwischen Männern und Frauen außerhalb des familiären
Rahmens oder Arbeitsplatzes in der Regel eine romantische oder sexuelle Komponente haben
und selten als Freundschaften definiert sind, bestärkt werden. Mehrere Beziehungen zwischen
Männern und Frauen in Kekkon Shinai bleiben nur über einen bestimmten Zeitraum der Serie
hinweg freundschaftlich, bevor sie sich als romantisch-sexuell lesbar herausstellen, wie die Beziehungen zwischen Haruka und Professor Tanigawa, Chiharu und Junpei und Chiharus Arbeitskollegin Suzumura Mariko und Arbeitskollege Morita Shun. Im Gegensatz dazu scheinen
Beziehungen unter Frauen – auf den ersten Blick – nur auf eine platonische Ebene beschränkt,
- 97 -
die sich aus der Intelligibilität nicht-heterosexueller romantischer Beziehungen ergibt. Auf den
zweiten Blick wird freilich, wie beschrieben, auch eine romantisch-sexuelle Beziehung zwischen Chiharu und Haruka denkbar.
Sexuelle Orientierungen und Begehrensformen, die aus einem heteronormativen Rahmen herausgebrochen werden / sind, scheinen oberflächlich betrachtet kein Thema der Ehezentrierten Serie zu sein, finden doch alle expliziten romantischen und sexuellen Darstellungen
nur in der Figurenkonstellation zwischen jeweils einem Mann und einer Frau statt. Aber Kekkon
Shinai geht mit der Darstellung der Beziehung von Haruka und Chiharu auch subtil auf eine
mögliche Auflockerung heterosexueller Normen im Zusammenhang mit der Abwendung vom
Ehemodell ein. Die Andeutung einer homoromantischen Beziehung zwischen Chiharu und Haruka bleibt zwar vage, sie wird aber denkbar, wo das heteronormative Narrativ von Ehe als
einzig wählbares Lebensmodell angezweifelt wird. Ausschlaggebend ist dabei nicht nur die
emotional/romantische Komponente der Beziehung der beiden Figuren, sondern auch deren
Zusammenwohnen. Im Umkehrschluss wird das heteronormative Narrativ durch die Andeutung der homoromantischen Beziehung ebenfalls erschüttert. Anders gesagt: Das Aufzeigen
von Alternativen zu Ehe und Kleinfamilie kann Heteronormativität destabilisieren.
Saskia Wieringa verweist auf die diskursive Wirkmächtigkeit von sichtbaren lesbisch
lesbaren Beziehungen: „Potentially the presence of women’s same-sex pleasure can expose the
spurious stability of the family/nation nexus upon which the Japanese earthquake-proof temple
is built“ (Wieringa 2009:41). Würde dieser Aspekt in der Serie stärker hervorgehoben, so ließe
sich das dorama in diese Richtung interpretieren. Durch die in gegenwärtigen japanischen Serien typische Offenheit des Endes der Serie (Gössmann 2016:129) bleibt diese Interpretationsmöglichkeit jedoch vom Sehverständnis der jeweiligen Zuschauer_innnen abhängig.
Bei der Thematisierung von Sorgen und Schwierigkeiten im Leben unverheirateter Personen bietet die Serie als Ausblick eine Stärkung verschiedener sozialer Bindungen und betont
die Selbstständigkeit und ökonomische Unabhängigkeit der einzelnen Figuren. Die mögliche
homoromantische Beziehung steht nicht im Zentrum des Narrativs sondern beschreibt nur ein
alternatives Beziehungsmodell neben der Darstellung von Freundschaften, dem Zusammenwohnen als unverheiratetes heteroromantisches Paar (Tanigawa und Haruka) oder platonisch
befreundetes Paar (Chiharu und Haruka) sowie des Alleinewohnens (Haruka, Chiharu, Junpei).
Nicht alle dieser Optionen greifen Heteronormativität an – eine Lesart einer romantischen Beziehung zwischen Haruka und Tanigawa könnte diese beispielsweise auch bestärken. Romantische Zweierbeziehungen sind, wenn auch präsent, nicht Hauptthema der Serie und nicht die
Lösung der Probleme der unverheirateten Figuren. Chiharu und Junpei stellen zuletzt ihre be-
- 98 -
ruflichen und persönlichen Ziele vor eine mögliche romantische Beziehung zwischen den beiden Figuren, während Haruka nur unter der Bedingung, dass sie ihre Selbstständigkeit beibehalten kann, Offenheit für eine romantische Beziehung mit Professor Tanigawa andeutet. Diese
Selbstständigkeit, die die Figuren im Verlauf der Serie erreichen, wird also zum Ausgangspunkt
für mögliche weitere Entwicklungen auch der interpersonellen Beziehungen – unabhängig von
deren Geschlechtsidentität, geschlechterkonformem Verhalten und von deren Begehrensformen.
- 99 -
Literaturverzeichnis
Ang, Ien und Joke Hermes
1991 „Gender and/in media consumption“, James Curran und Michael Gurevitch (Hg.): Mass
media and society. London: Edward Arnold, 114-132.
Aronsson, Anne Stefanie
2015 Career women in contemporary Japan: Pusuing identities, fashioning lives. Oxon: Routledge.
Baumgartinger, Persson Perry
2010 „Und dann dieses blöde Sie und Er: Über queere Sprachwiderstände“, Paradigmata:
Zeitschrift für Menschen und Diskurse 2, 49-52.
Becker-Schmidt, Regina und Gudrun-Axeli Knapp
2000 Feministische Theorien zur Einführung. Hamburg: Junius Verlag.
Blackwood, Evelyn, Ābhā Bhaiyā und Saskia Wieringa,
2007 Women's same-sex experiences in globalizing Asia. New York: Palgrave Macmillan.
Butler, Judith
1991 Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt: Suhrkamp.
Chalmers, Sharon
2002 Emerging lesbian voices from Japan. New York & London: Routledge.
Chikamochi, Yuichiro
2015 „Here’s hoping the ikumen fad fades as Japan ages like fine sake“, The Japan Times 3.
Juni 2015.
http://www.japantimes.co.jp/community/2015/06/03/voices/heres-hoping-ikumen-fadfades-japan-ages-like-fine-sake/#.WR8aJ46kKuV (15.05.2017)
Choe, Minja Kim et.al.
2014 „Nontraditional family-related attitudes in Japan: Macro and micro determinants”, Population and Development Review 40/2, 241‒271.
Cinemacafe
2009 „Amami Yūki “kekkon” ni kansuru toi o chikarawaza de fūin? Gyakuten nado hitsuyōna
i!“
天海祐希、“結婚”に関する問いを力技で封印?「逆転など必要ない」[Amami Yūki,
ist ihre Fähigkeit zu heiraten versiegelt? Im Gegenteil, sie hat keinen Bedarf], Cinemacafe.
http://www.cinemacafe.net/article/2009/09/16/6689.html (15.05.2017)
Cinematoday
2009 „Amami Yūki [ima ga shiawase] to dangen! Dakedo honne wa bimyōna kanji?“
天海祐希「今が幸せ」と断言!だけど本音は微妙な感じ?[Amami Yūki behauptet:
Jetzt bin ich glücklich! Aber hat sie eigentlich sensible Gefühle?], Cinematoday.
https://www.cinematoday.jp/news/N0019674 (15.05.2017)
- 100 -
2016 „Amami Yūki, kekkon wa [suru ki wa arimasen, yotei mo arimasen, aite mo orimasen!]“
天海祐希、結婚は「する気はありません、予定もありません、相手もおりません」
[Amami Yūki sagt zum Heiraten: ich habe keine Lust, keinen Plan und es gibt auch
keinen
Partner],
Cinematoday.
https://www.cinematoday.jp/news/N0085787
(15.05.2017)
Coulmas, Florian
2007 Population decline and ageing in Japan: The social consequences. London: Routledge.
Dales, Laura
2009 Feminist movements in Japan. Oxon: Routledge.
2013 „Single women and their housholds in contemporary Japan“, Juaniita Elias und Samathi
Gunawardana (Hg): The global economy of the houshold in Asia. Basingstoke: Palgrave
McMillan, 110-126.
2014 „Ohitorisama: Singlehood and agency in Japan“, Asian Studies Review 38/2, 224–242.
2015 „Suitable single: Representations of singlehood in contemporary Japan“, Laura Dales
und Romit Dasgupta (Hg.): Congurations of family in contemporary Japan. London und
New York: Routledge, 21–32.
Darlington, Tania
2013 „Josei drama and Japanese television’s New Woman“, Journal of Popular Television
1/1, 25–37.
Dobbins, Jeffrey
2000 Becoming imaginable: Japanese gay male identity as mediated through popular culture.
Masterarbeit, McGill University.
Eder, Jens
2008 Die Figur im Film: Grundlagen der Figurenanalyse. Marburg: Schüren Verlag.
Ezawa, Aya
2011 „Changing patterns of marriage and motherhood“, Fujimura-Fanselow Kumiko (Hg.):
Transforming Japan: How feminism and diversity are making a difference. New York:
The Feminist Press, 105-120.
Firnhammer, Stefan
2014 Media systems of Japan and South Korea: A comparative approach. Masterarbeit, Universität Wien.
Foucault, Michel
1978 Dispositive der Macht: Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin: Merve
1981 Archäologie des Wissens. Frankfurt am Main: Suhrkamp [11969].
2014 Sexualität und Wahrheit 1: Der Wille zum Wissen. Frankfurt am Main: Suhrkamp
[11967].
Freedman, Alisa und Kristina Iwata-Weickgenannt,
2011 „‚Count what you have now. Don't count what you don't have‘: The Japanese television
drama Around 40 and the politics of women's happiness“, Asian Studies Review 35/3,
295-313.
Fuji TV
- 101 -
2013 Kekkon Shinai – Wonderful Single Life 結婚しない – Wonderful Single Life [Kekkon
Shinai – Wonderful Single Life], Tōkyō: Hapinetto ハピネット. DVD-Box [12012].
2017 „Kekkon shinai housō naiyō“, 結婚しない放送内容[Angaben zum Inhalt der Sendung
Kekkon Shinai] Fuji TV. http://www.fujitv.co.jp/b_hp/kekkon_shinai/index.html
(15.05.2017)
Fukuda, Setsuya
2013 „The changing role of women’s earnings in marriage formation in Japan”, The Annals
of the American Academy of Political and Social Science 646/1, 107–128. DOI:
10.1177/0002716212464472.
Gössmann, Hilaria
1996a „Von der Kernfamilie zu alternativen Lebensmodellen? Ein Vergleich der Lebensentwürfe in deutschen und japanischen Fernsehserien“, Japanstudien: Jahrbuch des deutschen Instituts für Japanstudien 8, 241–264.
1996b „Karrierefrauen und Familienväter: Das Bild der ‚neuen Frau‘ und des ‚neuen Mannes‘
in japanischen Fernsehdramen der 90er Jahre“, Mae Michiko (Hg.): Bilder, Wirklichkeit,
Zukunftsentwürfe: Geschlechterverhältnisse in Japan. Düsseldorf: Universitätsdruckerei Düsseldorf, 61–75.
1997 „Neue Rollenmuster für Frau und Mann? Kontinuität und Wandel der Familie in den
japanischen Fernsehdramen der Gegenwart“, Mae Michiko und Ilse Lenz (Hg.): Getrennte Welten, gemeinsame Moderne? Geschlechterverhältnisse in Japan. Opladen:
Leske + Budrich, 96–122.
1998a „Realitätsspiegelung oder Idealisierung? Das Bild der Ehe in Fernsehserien der Jahre
1992–1994“, Hilaria Gössmann (Hg.): Das Bild der Familie in den japanischen Medien.
München: Iudicium, 147–166.
1998b „Nichidoku no terebi dorama: Fūfu no egakikata wo chūshin ni“ 日独のテレビドラマ・
夫婦の描き方を中心に [Japanische und deutsche Fernsehdramen: Zur Darstellung von
Ehepaaren], Hilaria Gössmann und Muramatsu Yasuko (Hg.): Media ga tsukuru jendā:
Nichidoku no danjo - kazokuzō o yomitoku メディアがつくるジェンダー―日独の男女・
家族像を読みとく[Geschlecht als Konstrukt der Medien: Zum Frauen-, Männer- und
Familienbild in Deutschland und Japan]. Tōkyō: Shinyōsha 新曜社, 43-77.
2016 „Kontinuität und Wandel weiblicher und männlicher Lebensentwürfe in japanischen
Fernsehserien (terebi dorama) seit der Jahrtausendwende“, Mae Michiko et al. (Hg.):
Japanische Populärkultur und Gender. Wiesbaden: Springer, 127-148.
Halberstamm, Jack
2013 Gaga feminism: Sex, gender and the end of normal. Boston: Beacon Press.
Hartmann, Jutta et al.
2007 Heteronormativität: Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Hartmann, Jutta
2007 „Der heteronormative Blick in wissenschaftlichen Diskursen: Eine Einführung“, Jutta
Hartmann et.al. (Hg.): Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 55-60.
Hertog, Ekaterina und Iwasawa Miho
- 102 -
2011 “Marriage, abortion, or unwed motherhood? How women evaluate alternative solutions
to premarital pregnancies in Japan and the United States“, Journal of Family Issues 32,
1674–1699.
Hickethier, Knut
1994 „Die Fernsehserie und das serielle des Programms“, Günther Gießenfeld (Hg.): Endlose
Geschichten: Serialität in den Medien. Hildesheim, New York: Olms, 55-71.
2008 „Fernsehen, Rituale und Subjektkonstitution: Ein Kapitel Fernsehtheorie“, Kathrin
Fahlenbrach et.al. (Hg.): Medienrituale: Rituelle Performanz in Film, Fernsehen und
Neuen Medien, Wiesbaden: Vs Verlag für Sozialwissenschaften, 47-58.
Horie, Yuri
2006 [Rezubian] to iū ikikata: Kirisutokyō no iseiai shugi o tou レズビアン」という生き方―
キリスト教の異性愛主義を問う [Die „lesbische“ Art zu Leben: Hinterfragen der christlichen Lehre von gegengeschlechtlicher Liebe], Tōkyō : Shinkyō Shuppansha 新教出
版社.
2015 Rezubian aidentitīzu レズビアン・アイデンティティーズ [Lesbische Identitäten]. Kyōto:
Rakuhokushuppan 洛北出版.
Huang, Hsin-Yi
2010 „Terebi bunka to josei: Shoki no NHK asa no renzoku terebi shōsetsu no keishiki tenkan
to josei shichōsha to no kankei“ テレビ文化と女性-初期の NHK 朝の連続テレビ小説
の形式転換と女性視聴者との関係 [Die Fernsehkultur und Frauen. Die Wandlung der
Form der anfanglichen NHK Fernsehfortsetzungsromane und die Verbindung zur weiblichen Zuschauerquote], Gender and Sexuality 5, 61-94.
Ishii-Kuntz, Masako
2015 “Fatherhood in Asian Contexts”, Stella Quah (Hg.), Handbook of Families in Asia,
Oxon: Routledge, 161-174
Itō, Mamoru
2004 „Representation of feminity in Japanese television dramas of the 1990s“, Iwabuchi
Kōichi (Hg.): Feeling Asian modernities: Transnational consumption of Japanese TV
dramas. Hong Kong: Hong Kong University Press, 25-42.
Iwao, Sumiko
2000 Terebi dorama no messēji: shakai shinrigakuteki bunseki テレビドラマのメッセージ―
社会心理学的分析 [Botschaften von Fernsehserien: Sozialpsychologische Analyse].
Tokyo: Keisōshobō 勁草書房.
Izuhara, Misa und Hirayama Yosuke
2008 „Women and housing assets in context of Japan’s home owning democracy“, Journal
of Social Policy 37/4, 641- 660.
2010 „Women and housing in Japan“, Darja Reuschke (Hg.): Wohnen und Gender Theoretische, politische, soziale und räumliche Aspekte. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 69-88.
Jäger, Sigfried
2000 Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse.
Dissertation,
Universität
Duisburg.
- 103 -
http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek/Artikel/Aspekte_einer_Kritischen_
Diskursanalyse .html (15.05.2017).
Japan Trends
2016 „Adultery dominates Japanese television and show business“, Japan Trends.
http://www.japantrends.com/adultery-infidelity-japanese-television-celebrity-scandal/
(15.05.2017)
Kamano, Saori und Diana Khor
2011 „Defining lesbian partnerships“, Fujimura-Fanselow Kumiko (Hg.): Transforming Japan: How feminism and diversity are making a difference. New York: The Feminist
Press, 147-163.
Kanno, Miho und Amami Yūki
2012 „Kekkon shinai watashi-tachi“ 結婚しない私たち [Wir, die wir nicht heiraten.]. Aera
Mook: Kekkon shinai? Tōkyō: Asahi Shinbunsha, 4–11.
Klesse, Christian
2007 „Heteronormativität und qualitative Forschung. Methodische Überlegungen“, Jutta
Hartmann et al. (Hg.): Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und Macht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 35-54.
Kumagai, Fumie
2015 Family issues on marriage, divorce, and older adults in Japan: With special attention
to regional variations. Singapore: Springer Science + Business Media.
Kunihiro, Yōko
2012 Media to jenda メディアとジェンダー [Medien und Geschlecht]. Tōkyō, Keisōshobō 勁
草書房.
Lenz, Ilse und Karen Shire
2003 „Neue Medien in der Arbeit: Geschlechterverhältnisse im Wandel“, Hilaria Gössmann
(Hg.): Medien in Japan: Gesellschafts- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Hamburg: IVA, 68-102.
Lunsing, Wim
2001 Beyond common sense: Sexuality and gender in contemporary Japan. London: Kegan
Paul International.
Mackie, Vera
2003 Feminism in modern Japan. Cambridge: Cambridge University Press.
2008 „How to be a girl: Mainstream media portrayals of transgendered lives in Japan“, Asian
Studies Review 32, 411–423.
2013 „Genders and genetics: The legal and medical regulation of family forms in contemporary Japan“, Australian Journal of Asian Law 14/1, 1-18.
Mathews, Gordon
2014 „Being a man in a straitened Japan: The view from twenty years later“, Kawano Satsuki,
Glenda Roberts und Susan Orpett Long. (Hg.): Capturing contemporary Japan: Differentiation and uncertainty. Honolulu: University of Hawaii Press, 60-80.
- 104 -
Mesquita, Sushila
2012 Ban marriage: Ambivalenzen der Normalisierung aus queer-feministischer Perspektive.
Wien: Zaglossus.
Miller, Stephen D.
2000 „The (temporary?) queering of Japanese TV: Journal of homosexuality“, The Haworth
Press, Inc. 39/3/4, 83-109.
Mills, Sara
2007 Der Diskursbegriff, Theorie, Praxis. Tübingen u.a.: Francke.
Mikos, Lothar
2008a Film- und Fernsehanalyse. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
2008b „Ritual, Skandal und Selbstreferentialität: Fernsehen und Alltagszyklen“, Kathrin
Fahlenbrach et.al. (Hg.): Medienrituale: Rituelle Performanz in Film, Fernsehen und
Neuen Medien, Wiesbaden: VS Verlag Für Sozialwissenschaften, 35-46.
Mithani, Forum
2014 „New heroines for a new era? Single mothers in contemporary Japanese television
drama“, Acta Asiativa Varsoviensia 27, 1–19.
Muramatsu, Yasuko
2002 „Gender construction through interactions between the media and audience in Japan“.
International Journal of Japanese Sociology 11, 72–87.
Nagase, Nobuko
2006 „Japanese youth ś attitudes towards marriage and child rearing“, Marcus Rebick und
Takenaka Ayumi (Hg.): The Changing Japanese Family. London u.a.: Routledge, 3953.
Nakano, Lynne
2014 „Single Women in Marriage and Employment Markets in Japan“, Kawano Satsuki et al.
(Hg.): Capturing contemporary Japan: Differentiation and uncertainty. Honolulu: University of Hawaii Press, S. 163-182.
Nemoto, Kumiko
2008 „Postponed marriage: Exploring women ś views of matrimony and work in Japan“,
Gender and Society 22/2, 219-237.
Nemoto, Kumiko et al.
2012 „Never-married employed men ́s gender beliefs and ambivalence toward matrimony in
Japan“, Journal of Family Issues 34/2, 673-695.
Noack, Constance
2014 „Wissenskonstruktionen von Männlichkeit am Beispiel des Pflanzenfresser-Manns (s
shoku danshi) im Diskurs englischer und deutschsprachiger Onlineartikel“, Nora Kottmann et al. (Hg.): Familie – Jugend – Generation: Medienkulturwissenschaftliche und
japanwissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden: Springer 205-223.
Ogura, Chikako
- 105 -
2003 Kekkon no jōken 結 婚 の 条 件 [Vorraussetzungen für die Ehe]. Tōkyō: Asahi
Bunkōshuppan 朝日新聞出版.
Raymo, James
2015 „Living alone in Japan: Relationships with happiness and health“, Demographic Research 32/46, 1267-1298.
Raymo, James und Ono Hiromi
2007 „Coresidence with parents, women's economic resources, and the transition to marriage
in Japan“, Journal of Family Issues 28/5, 653-681.
Raymo, James und Iwasawa Miho
2008 „Changing family life cycle and partnership transition: Gender roles and marriage patterns“, Florian Coulmas et al. (Hg.): The demographic challenge: A handbook about
Japan. Leiden: Brill, 255–276.
Raymo, James et al.
2009 „Cohabitation and family formation in Japan“, Demography 46/4, 785–803.
Roberts, Glenda
2005. “Balancing work and life: Whose work? Whose life? Whose balance?”, Asian Perspectives 29/1, 175–211.
2007 „Similar outcomes, different paths: The cross-national transfer of gendered regulations
of employment“, Sylvia Walby et al. (Hg.): Gendering the knowledge economy: Comparing perspectives. New York: Palgrave Macmillan, 140-160.
Robertson, Jennifer
2000 „All-female revues (Japan)“, Bonnie Zimmerman (Hg.): Lesbian histories and cultures: An encyclopedia. New York: Garland Publishing Inc., 24.
Saishin News
2017 „Amami Yūki ga kekkondekinai riyū ga yabasugiru! Netsuai kareshi ya byōki to wa?
天海祐希が結婚できない理由がヤバすぎる!熱愛彼氏や病気とは?“[Der Grund, warum
Amami Yūki nicht heiratet ist so schrecklich! Ist ihre große Liebe krank?] [12015], Saishin
News. https://saisin-news.com/amamiyuuki-kekkonn/ (20.06.2017)
Sakai, Junko
2003 Makeinu no tōboe 負け犬の遠吠え [Das Heulen der Verliererhündinnen]. Tōkyō:
Kōdansha 講談社.
Saitō, Satoru
1995 Kazoku to iu na kodoku 家族と言うな孤独 [Die Einsamkeit namens Familie]. Tōkyō:
Kōdansha 講談社.
Saitō, Shinichi
2007 „Television and the cultivation of gender-role attitudes in Japan: Does television contribute to the maintenance of the status quo?“ Journal of Communication 57, 511–531.
Seppi, Nina
2012 Frauenbilder in terebi dorama. Masterarbeit, Universität Wien.
- 106 -
Schad-Seifert, Annette
2013 „Makeinu und arafō: Die diskursive Produktion von weiblichen Verlierer- und Gewinner-Images im aktuellen japanischen Fernsehdrama“, Stephan Köhn und Heike Moser
(Hg.): Frauenbilder–Frauenkörper: Inszenierungen des Weiblichen in den Gesellschaften Süd-und Ostasiens. Wiesbaden: Harasowitz, 417-436.
2014 „Polarisierung der Lebensformen und Single-Gesellschaft in Japan“, Nora Kottmann
et.al. (Hg.): Familie – Jugend – Generation. Medienkulturwissenschaftliche und japanwissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden: Springer VS, 15-31.
Scherer, Elisabeth
2016 „Alternative Lebensmodelle von der Stange? Konstruktion und Rezeption von Geschlechteridentität in japanischen Fernsehserien (terebi dorama)“, Mae Michiko et al.
(Hg.): Japanische Populärkultur und Gender, Wiesbaden: Springer Fachmedien, 149175.
Schneider, Irmela
1995 „Variationen des Weiblichen und Männlichen: Zur Ikonographie der Geschlechter“, Irmela Scheider (Hg.): Serien-Welten. Strukturen US-amerikanischer Serien aus vier
Jahrzehnten. Opladen: Westdeutscher Verlag GmbH, 138-176.
Schuster, Nina
2012 „Queer spaces“, Frank Eckhardt (Hg.): Handbuch Stadtsoziologie. Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 633-659.
Shioya, Chieko
1998a „Die Familienbeziehungen in den Fernsehdramen. Eine Analyse der Sendungen vom
Oktober 1994“, Hilari Gössmann (Hg.): Das Bild der Familie in den japanischen Medien. München: Iudicium, 129-146.
1998b „Terebi dorama ni miru nihonsei kazokuzō” テレビドラマに見る日本製家族像 [Das
Bild der japanischen Familie repräsentiert in Fernsehserien], Hilaria Gössmann und Muramatsu Yasuko (Hg.): Media ga tsukuru jendā: Nichidoku no danjo, kazokuzō o yomitoku メディアがつくるジェンダー―日独の男女・家族像を読みとく [Das Geschlecht als
Konstrukt der Medien: Bilder von Männern und Frauen und Familien in Japan und
Deutschland herauslesen]. Tōkyō: Shinyōsha 新曜社,78-103.
Shirasaki, Hiroshi
2012 Kekkon Shinai: Wonderful Single Life 結婚しない: Wonderful Single Life [Ich heirate
nicht/Nicht heiraten, Wonderful Single Life]. Tōkyō: Popurasha ポプラ社.
Spargo, Tasmin
1999 Foucault and queer theory. Cambridge und New York: Totem Books.
Sufi, Azadeh
2012 Eheaufschub in Japan? Eine Analyse aktueller Heiratstendenzen am Beispiel der Familienserie „Hanawake no yon shimai“. Masterarbeit, Universität Wien.
Stibbe, Arran
2004 „Disability, gender and power in Japanese television drama“, Japan Forum 16/1, 21-36.
Tam, Siumi Maria, Angela Wong Wai Ching und Danning Wang
2014 Gender and family in East Asia. London: Routledge.
- 107 -
Tamagawa, Masami
2016 „Same-sex marriage in Japan”, Journal of GLBT Family Studies 12/2, 160‒187.
DOI:10.1080/1550428X.2015.1016252
Thomas, Tanja
2012 „Zwischen Konformität und Widerständigkeit: Populärkultur als Vergesellschaftungsmodus“. Paula-Irene Villa et al. (Hg.): Banale Kämpfe? Perspektiven auf Populärkultur
und Geschlecht. Wiesbaden: VS-Verlag, 211-228.
Tokuhiro, Yoko
2010 Marriage in contemporary Japan. London u.a.: Routledge.
Tsai, Eva
2004 „Empowering love: The intertextual author of ren’ai dorama“, Iwabuchi Kōichi (Hg.):
Feeling Asian modernities: Transnational consumption of Japanese TV dramas. Hong
Kong: Hong Kong University Press, 43-67.
Ueno, Chizuko
2009 The modern family in Japan: 1st rise and fall. Melbourne: Trans Pacific Press.
Ueno, Chizuko und Minashita Kiryū
2015 Hikon desu ga, sore ga nani ka!? Kekkon risku jidai wo ikiru 非婚ですか、それが何か
!?結婚リスク時代を生きる [Ledig-Sein, was bedeutet das!? Leben in Zeiten des Heiratsrisikos]. Tōkyō: Bijinesusha ビジネス社.
Valaskivi, Katja
1999 Relations of television: Genre and gender in production, reception and text of a Japanese family drama. Dissertation, University of Tampere.
Villa, Paula-Irene et al.
2012 „Banale Kämpfe? Perspektiven auf Populärkultur und Geschlecht. Eine Einleitung“.
Paula-Irene Villa et al. (Hg.): Banale Kämpfe? Perspektiven auf Populärkultur und Geschlecht. Wiesbaden: VS-Verlag, 7-22.
Wagenknecht, Peter
2007 „Was ist Heteronormativität? Zu Geschichte und Gehalt des Begriffs“, Jutta Hartmann
et al. (Hg): Heteronormativität. Empirische Studien zu Geschlecht, Sexualität und
Macht, Wiesbaden: Springer VS, 17-34.
Wieringa, Saskia
2009 Women's sexualities and masculinities in a globalizing Asia. Basingstoke: Palgrave
Macmillan.
Wikipedia
2017a Kekkon Shinai“ „結婚しない“ [Kekkon Shinai] Wikipedia. https://ja.wikipedia.org/wiki/%E7%B5%90%E5%A9%9A%E3%81%97%E3%81%AA%E3%81%84
(15.05.2017)
2017b Yanagisawa Hakuo 柳澤伯夫 Wikipedia.
https://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%9F%B3%E6%BE%A4%E4%BC%AF%E5%A4%AB
(15.05.2017)
- 108 -
Wittkamp, Robert
2009 „Die Geschichte des japanischen Fernsehens: Von der Shōwa-Zeit zur Digitalisierung
(Teil 2)“, Maike Roeder und OAG Tokyo (Hg.): OAG Notizen 2. Tōkyō: OAG, 24-43.
Yamada, Masahiro und Shirakawa Tōko
2008 Konkatsu jidai 婚活時代 [Das Zeitalter der ‚aktiven Suche nach einem Heiratspartner‘].
Tōkyō: d21.
Yamaguchi, Tomomi
2006 „‚Loser dogs‘ and ‚demon hags‘: Single women in Japan and the declining birth rate“,
Social Science Japan Journal 9/1, 109-114.
Yuen, Shu Min
2011 „Last friends, beyond friends: Articulating non-normative gender and sexuality on
mainstream Japanese television“, Inter-Asia Cultural Studies 12/3, 383-400.
- 109 -
Abstract
Die vorliegende Arbeit analysiert die japanische TV-Serie Kekkon Shinai (Ich heirate nicht,
Fuji TV 2012) aus einer heteronormativitätskritischen Perspektive und als Teil des medialen
Diskurses zur Ehe in Japan. Kekkon Shinai begleitet drei Figuren in deren Gestaltung ihres
Lebens als unverheiratete Personen und in ihrer jeweiligen Reflektion über die Ehe. Die Serie
thematisiert Ehe aber nicht nur auf der Ebene individueller Entscheidungen, sondern stellt diese
auf kritische Weise in den Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen. So wird nicht nur der
soziale und familiäre Druck, insbesondere auf Frauen, zu heiraten hinterfragt, sondern auch die
Frage nach der finanziellen und sozialen Absicherung unverheirateter Personen gestellt. Im
Vordergrund der Analyse steht die Darstellung des Zusammenhangs von Ehe und Geschlechternormen einerseits - und die Darstellung alternativer Beziehungsformen und Lebensmodelle,
die dem Leben als verheiratete Person gegenüber gestellt werden, andererseits.