Academia.eduAcademia.edu

Robert Bosch - Vermächtnis eines Großindustriellen

TV- Biographie über das Leben eines großen Erfinders

Im schwäbischen Musterländle Birgit Schulz und Angela Linders: Robert Bosch – Vermächtnis eines Großindustriellen ARD(SWR) Die 16.8. 22.45 bis 0.05 Uhr Wdh SWR Sa 30.8. 22.30 bis 23.50 Uhr Jahrhunderte lang war es Brauch bei Edelmann, Bettelmann, Bauer, Soldat, dass der Sohn wurde, was der Vater war. Robert Bosch hatte in zweierlei Hinsicht Glück. Erstens war er nicht der Erstgeborene, sondern der Elfte von Zwölfen und zweitens war sein Vater zwar Gastwirt bei Ulm, aber so einflussreich und gebildet, dass er bei den Freimaurern aufgenommen wurde. Die bestmögliche Ausbildung waren ihm ein großes Anliegen – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im „kleinen Bürgertum“ keineswegs die Regel. Er legte darum seinem am 23. September 1861 geborenen Zweitjüngsten nichts in den Weg, als dieser nach dem „Einjährigen“ zwar zunächst eine Mechanikerlehre in Ulm machte, sich nach der Militärzeit aber zu einem waghalsigen Schritt entschied: er reiste nach England und in die USA, arbeitete dort bei verschiedenen großen Unternehmen (Edison) und brachte vor allem aus den USA demokratischen Freigeist in die davon noch weit entfernte Heimat zurück. Robert Bosch gehörte schon früh zu den Pionieren der Gründerzeit. Überall und nicht zuletzt im „Musterländle“ blühten zahlreiche Gewerbe, aus denen binnen weniger Jahrzehnte erfolgreiche Großunternehmen, später Global Players wurden. Siemens, Daimler und eben Bosch sind Paradebeispiele dafür. Diesen Weg zeichnen Birgit Schulz und Angela Linders in ihrer von Eikon Südwest, Filmproduktion „Bildersturm“ und dem SWR mit Mitteln der MFG Filmförderung koproduzierten Dokumentation nach. Ein abwechslungs- und kenntnisreicher Film ist daraus geworden, dessen historisches Bildmaterial zu Beginn den Pulsschlag jener Epoche spüren lässt. Wer allerdings Bildmaterial aus dem persönlichen Bereich des nachmaligen Großindustriellen erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Nur wenige Fotos zeigen einen ernsten, fast grüblerischen Mann, strebsam und menschenscheu zugleich. Die Krankheit seines Sohnes Robert, dem einzigen aus erster Ehe und den frühen Tod (1921) des viel versprechenden und selbstverständlich zum Nachfolger aufgebauten Firmenerben wird das Ihre dazu beigetragen haben. Die Ehe hielt dieser großen Last nicht stand. Wenige Fotos zeigen, wie der damals als Erfinder des Magnetzünders („Bosch-Zünder“) bereits international berühmte und erfolgreiche Unternehmer sich so oft wie möglich in eine Holzhütte im Wald zurückzog. Eine erste große Widersprüchlichkeit – an denen Robert Boschs späteres Leben nicht arm war – tut sich hier auf: Er war leidenschaftlicher Anhänger der Homöopathie, gleichzeitig jedoch passionierter Jäger. Diese offenkundige Diskrepanz zeigen die Autorinnen zwar auf, gehen jedoch einer eindringlicheren Auseinandersetzung aus dem Wege. Seine „Leidenschaft für präzise Mechanik“ sei es wohl gewesen, die ihn zum Jäger gemacht habe. Tochter Eva Madelung sowie drei Kinder des Sohnes aus zweiter Ehe nehmen dazu nicht Stellung. So sei der Vater/Großvater „halt gewesen“, sie hätten ihn „nicht anders gekannt“. Die Dokumentation verharrt in neutraler Beobachterposition. Sie zeigt die enormen beruflichen Leistungen, den Einsatz für die Mitarbeiter, die unternehmerische Fantasie und Weitsicht, auch die fast anthroposophisch anmutende Liebe zur Landwirtschaft, von der ein Mustergut in Oberbayern zeugt, das 1927 bereits 300 Angestellte zählte. Dahinter stand die Idee, die gesamte Stadt München „im Eventualfall“ mit den Produkten dieses Betriebes ernähren zu können. Die Erfahrungen der Rezessionszeit der späten Zwanziger Jahre nährten solche Visionen, obgleich sie zumindest in toto nicht durchführbar waren. Wenn Bosch auch im oberbayerischen Torfmoor scheiterte, wuchs das Unternehmen national und international im Siebenmeilenschritt. Seine fast 30 Jahre jüngere, zweite Frau, Margarete Wörz gab ihre Karriere als Opernsängerin für ihn auf und schuf das repräsentative Ambiente, das der Stellung des Großunternehmers den gebotenen Glanz verleihen sollte. Robert Bosch ließ dies im Gegensatz zu seiner erkennbar auf Bescheidenheit und persönliche Anspruchslosigkeit ausgerichteten Lebenshaltung anscheinend gerne zu. Die Größen des zunehmend wachsenden Nationalsozialismus fühlten sich wohl im Anwesen auf dem Stuttgarter Heidehof. Robert Bosch empfing die Herren, Goebbels vor allem. Als jedoch der Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler von den Nazis geschasst worden war, stellte er ihn pro forma bei sich an. So konnte Goerdeler Kontakt mit dem „Boschkreis“ halten, zu dem engste Mitarbeiter als klandestine Regimegegner zählten. Robert Boschs Tochter Eva erzählt, sie erinnere sich an einen Besuch von Goerdeler, und habe ihren Vater beim Abschied sagen hören „Warom bringt denn den Kerle“ – gemeint war Hitler - „koiner um“. Legende? Wahrheit? Wunschbild? Wohl ein Amalgam, im historischen Rückblick kaum mehr auflösbar. Enkelin Ise und Enkel Ulrich scheinen ihrerseits im Widerspruch zu diesen Widersprüchlichkeiten zu leben. Beide gehen sehr eigene, sehr ungewöhnliche Wege. Damit, dass „der Opa“ in einem der Berliner Werke polnische Zwangsarbeiterinnen beschäftigte, kommen auch sie nicht zurecht. Dennoch erinnern sie sich aus Erzählungen der Eltern, dass ständig am Stuttgarter Flughafen Echterdingen ein aufgetanktes Privatflugzeug gestanden sei, um den bereits fast achtzigjährigen Bosch und seine Familie gegebenenfalls in die Schweiz auszufliegen. Schwer vorzustellen, dass niemand, keiner der führenden Nazis davon gewusst haben sollte. Die Erklärung für all diese Widersprüchlichkeiten hat Robert Bosch mit ins Grab genommen. Am 12.3.1942 ist er, der nie einen Arzt aufgesucht hat, an einer Ohrentzündung gestorben. Von seinen Nachfahren war einzig sein Enkel Christoph bereit, an der Spitze der Firmenleitung mitzuwirken und vor allem die Robert-Bosch-Stiftung zu lenken. Wie für alle anderen Familienmitglieder sei es auch für ihn und seine fünf Geschwister „schlicht undenkbar, Thema der bunten Blätter zu sein“. Man sieht, die Prinzipien des Firmengründers werden auch von seinen Nachkommen hochgehalten. Man sieht aber auch, dass es darüber hinaus einen Zwiespalt gab, ein Mitmachen trotz Gegnerschaft, die Kraft zur Größe und die Fähigkeit, durchzuhalten. Andere gingen einen anderen Weg des Widerstandes und bezahlten ihn mit dem Tode. Robert Bosch sah sich seinen Mitarbeitern und seinem Werk verpflichtet und lebte danach, lebte ein Doppelleben. Die Idylle der Familie wird in seiner Villa im Stuttgarter Heidehof konserviert. Daneben breitet das Imperium sich aus. Heute, so schließt der Film, wollen junge Mitarbeiter des Riesenwerks in Shanghai Mitglied der „Bosch Family“ sein. Und einer wünscht sich sogar ein „Bosch-Baby“. Mit Ausnahme dieses verzichtbaren Ausrutschers ins Pathetische oder in unfreiwillige Ironie entwirft der Film das Portrait eines der bedeutendsten deutschen Industriellen. Vor Widersprüchen scheut er nicht zurück, auch wenn man sich hinsichtlich Tiefenschärfe und Ausleuchtung des historischen Faltenwurfs die Präzision gewünscht hätte, die den Portraitierten zeitlebens so fasziniert hat. 22.8.11 – Angela di Ciriaco-Sussdorff/FK