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22. Der Resultativ in den slavischen Sprachen

2009, Berger, T., Gutschmidt, K., Kempgen, S., Kosta, P. (Hrsg.): Slavische Sprachen - Slavic Languages. Ein internationales Handbuch - An International Handbook. 1. Berlin - New York 2009, 269-274. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 32)

Resultative constructions are defined according to the St. Petersburg school of typology. In Slavic, there are three main types of resultatives, the subject resultative, the object resultative and the possessive resultative. Subject resultatives are more developed in West Slavic than in East Slavic, possessive resultatives can be found in all Slavic languages, but while in West Slavic and South Slavic they are constructed with an auxiliary meaning ‘have’, in East Slavic they are mostly built with ‘be’ and an adessive bearer of the resultative state. In three Slavic varieties they developed into a dynamic perfect: North West Russian dialects, Kashubian, and Macedonian. In all three cases language contact might have played a decisive role. Object resultatives are the most common in all Slavic languages. While in most Slavic languages they are formally identical with the dynamic passive, in Polish, Standard Czech and Sorbian dialects there are formal devices to distinguish them.

22. Der Resultativ in den slavischen Sprachen 22. Der Resultativ in den slavischen Sprachen 1. 2. 3. 4. Der Begriff des Resultativs Subjekt- und objektorientierte Resultativa Possessive Resultativa Literatur (in Auswahl) Abstract Resultative constructions are defined according to the St. Petersburg school of typology. In Slavic, there are three main types of resultatives, the subject resultative, the object resultative and the possessive resultative. Subject resultatives are more developed in West Slavic than in East Slavic, possessive resultatives can be found in all Slavic languages, but while in West Slavic and South Slavic they are constructed with an auxiliary meaning ‘have’, in East Slavic they are mostly built with ‘be’ and an adessive bearer of the resultative state. In three Slavic varieties they developed into a dynamic perfect: North West Russian dialects, Kashubian, and Macedonian. In all three cases language contact might have played a decisive role. Object resultatives are the most common in all Slavic languages. While in most Slavic languages they are formally identical with the dynamic passive, in Polish, Standard Czech and Sorbian dialects there are formal devices to distinguish them. 1. Der Begriff des Resultativs Unter Resultativ werden im vorliegenden Text gemäß den Arbeiten der Petersburger (Leningrader) Schule Verbalformen verstanden, welche einen Nachzustand ausdrücken und dabei immer einen vorangegangenen Vorgang implizieren, der zum ausgedrückten Nachzustand geführt hat. Der Resultativ unterscheidet sich so vom Stativ, welches keinen vorangegangenen Vorgang impliziert: russisch Na stenе visit kartina ‚An der Wand hängt ein Bild‘ (Stativ) ⫺ Na stene povеšеnа kartina ‚An der Wand ist ein Bild aufgehängt‘ (Resultativ; vgl. Nedjalkov/Jaxontov 1988, 6). Der Resultativ unterscheidet sich jedoch zugleich auch vom Perfekt, indem letzteres einen Vorgang in der Vergangenheit ausdrückt, der für die Gegenwart relevant ist (Nedjalkov/Jaxontov 1988, 15). Die Bildung von Resultativa ist grundsätzlich an telische Verben gebunden, d. h. an Verben, welche den Übergang aus einem Zustand in einen anderen oder den Erwerb einer Qualität enthalten (Nedjalkov/Jaxontov 1988, 5). Resultativa treten in drei hauptsächlichen Diathesetypen auf: Im Falle des subjektorientierten Resultativs ist das Subjekt des Nachzustandes referenzidentisch mit demjenigen des vorangegangenen Vorganges (intransitives Verb), im Falle des objektorientierten Resultativs ist das Subjekt des Nachzustandes referenzidentisch mit dem Objekt (Patiens) des vorangegangenen Vorganges (transitives Verb), im possessiven Resultativum, welches im allgemeinen transitiv ist, wird der Nachzustand eines Partizipanten mit einem weiteren Partizipanten verbunden (Nedjalkov/Jaxontov 1988, 9). Subjekt- und objektorientierte 269 270 IV. Morphologie des Verbs Resultativa einerseits und possessive Resultativa andererseits entsprechen im Slavischen zwei hauptsächlichen formalen Typen, nämlich einerseits der Verbindung des Kopulaverbs (*byti) mit einem Partizip (meist n-/t-Partizip, vereinzelt l-Partizip, nordwestrussisch dialektal auch s-Partizip), andererseits der Verbindung der Possessivkonstruktion (haben-Verb bzw. Präposition u) mit denselben Partizipien. Vgl. slovakisch Káva je vychladnutá ‚Der Kaffee ist erkaltet‘, Polievka je uvarená ‚Die Suppe ist gekocht‘, Otec má polievku uvarenú ‚Die Suppe für den Vater ist gekocht, Der Vater hat eine gekochte Suppe‘ (Nedjalkov/Jaxontov 1988, 25 f.). Resultativa werden prinzipiell nur von perfektiven Verben gebildet (mit gewissen verschieden zu interpretierenden Ausnahmen, vgl. Knjazev 1988, 348; Giger 2003, 88⫺96). Eine umfassende Gesamtdarstellung über das Resultativ im Slavischen existiert nicht. Wiemer/Giger (2005) ist auf das Ost- und Westslavische (und Baltische) beschränkt. Die Verbindungen Kopulaverb C n-/t-Partizip werden häufig in Beschreibungen der Partizipien und des Genus verbi analysiert (vgl. z. B. Havránek 1937, einzelsprachlich Weiss 1977, Knjazev 1989), die possessiven Resultativa manchmal im Zusammenhang mit aspektologischen Fragestellungen (Maslov 1984). Zu den possessiven Resultativa liegen einige vergleichende Aufsätze vor (Gallis 1960, Vasilev 1968), einzelsprachliche Monographien insbesondere zu den nordwestrussischen Dialekten (Kuz’mina/Nemčenko 1971; Trubinskij 1984) und zum Tschechischen (Giger 2003). 2. Subjekt- und objektorientierte Resultativa Subjektorientierte Resultativa treten in allen slavischen Sprachen auf, sind jedoch weniger häufig als objektorientierte. Allgemein haben die slavischen Sprachen eher lockere Restriktionen bei der Bildung von Resultativa im Vergleich zu anderen Sprachen (vgl. Nedjalkov/Jaxontov 1988, 33 f.). Zwischen den einzelnen Sprachen bestehen jedoch Unterschiede: So besteht bei der Bildung von Subjektresultativa eine Hierarchie Russisch < Ukrainisch < Polnisch < Tschechisch < Slovakisch (Giger 2003, 219; Wiemer/Giger 2005, 14, 59, 69). Subjektorientierte Resultativa können gebildet werden von intransitiven non-reflexiven Verben (tschechisch Květiny jsou odkvetlé ‚Die Blumen sind verblüht‘), von Reflexiva tantum (russisch Оn vljublеn ‚Er ist verliebt‘) und von reflexiven Derivaten zu transitiven Verben (in diesem Fall ist die Konstruktion sowohl als subjektorientiertes Resultativum als auch objektorientiertes Resultativum interpretierbar, vgl. polnisch Dziecko jest uczesane ‚Das Kind ist gekämmt‘ mit den möglichen vorangegangenen Vorgängen Dziecko uczesało się ‚Das Kind hat sich gekämmt‘ und Ktoś dziecko uczesał ‚Jemand hat das Kind gekämmt‘). Subjektorientierte Resultativa können nur resultativ interpretiert werden. Einzig im Makedonischen (v. a. seinen südwestlichen Dialekten) ist die Verbindung Kopulaverb C n-/t-Partizip stärker grammatikalisiert, unterliegt schwächeren Restriktionen und kann auch als ‚charakterisierendes Perfekt‘ verwendet werden, vgl. Sum vraten ‚Ich bin zurückgekommen, bin wieder da‘, Utren е ‚Er ist gestorben, ist tot‘, Bidеnа si vо Аvstrаliја? ‚Bist du schon in Australien gewesen?‘ (Graves 2000). Die objektorientierten Resultativa sind in den meisten slavischen Sprachen teilweise oder vollständig formal identisch mit dem aktionalen Passiv der perfektiven Verben. Dies betrifft das Russische (Dver# byla zakryta ‚Die Türe war/wurde geöffnet‘), 22. Der Resultativ in den slavischen Sprachen das Tschechische (in der Standardsprache nur die Verbindungen mit der Kurzform des Partizips: Zámek byl poškozen ‚Das Schloss war/wurde beschädigt‘, Zámek byl poškozený ‚Das Schloss war beschädigt‘, Štícha 1980, 5), das Slovakische (Bola zavraždená ‚Sie war/wurde ermordet‘, Sokolová 1993, 49) und das Südslavische (slovenisch Okno je bilo odprto ‚Das Fenster war/wurde geöffnet‘, Fici Giusti 1994, 153), wobei in der Resultativkonstruktion im Gegensatz zum aktional-passiven Satz in der Regel kein Ausdruck des Agens möglich ist. Nur im Polnischen und Sorbischen werden Resultativ und Passiv formal unterschieden, und zwar aufgrund von Lehnübersetzungen bzw. direkten Entlehnungen aus dem Deutschen (vgl. Weiss 1982): Das Polnische verwendet im perfektiven Aspekt (wo eine Opposition Nachzustand/Vorgang besteht) im Passiv das Auxiliar zostać gegenüber dem Auxilar być im Resultativ: Żelazo było rozpalone ‚Das Eisen war erhitzt‘, Żelazo zostało rozpalone ‚Das Eisen wurde erhitzt‘ (Weiss 1977, 104). Im dialektalen Sorbischen wurde das deutsche Passivauxiliar werden materiell als wordować entlehnt, und die Differenzierung Resultativ/Passiv verläuft gänzlich parallel zu derjenigen im Deutschen: Chěže běchu natwarjene ‚Die Häuser waren gebaut‘, Chěže wordowachu natwarjene ‚Die Häuser wurden gebaut‘ (Lötzsch 1968, 340). Das standardsprachliche Ober- und Niedersorbische greift in Umgehung des Germanismus zum Ausdruck des Passivs auf spezifische Präteritalformen von być (buch, bu etc.) und die Reflexivformen zurück, behält jedoch die Verbindung być C Partizip weitgehend dem Resultativ vor (Faßke 1981, 203⫺214). Die präsentischen Verbindungen des Kopulaverbs mit dem perfektiven Partizip sind stärker auf die resultative Bedeutung beschränkt als die präteritalen und futurischen, weil die perfektiven Verben kein aktuelles Präsens bilden. Sie können allerdings ⫺ in verschiedenem Umfang ⫺ einen nicht-aktuellen Vorgang in der Gegenwart in passiver Perspektive ausdrücken (tschechisch Pokaždé je pacientovi změřen krevní tlak ‚Jedesmal wird dem Patienten der Blutdruck gemessen‘, Štícha 1984, 105), im Russischen und Südslavischen auch einen Vorgang in der Vergangenheit (sog. Perfekt im Russischen, vgl. Škоlа pоstrоеnа ‚Die Schule ist gebaut/gebaut worden‘, Knjazev 1989, 150⫺154; kroatisch/serbisch Prevezen je (u bolnicu) ‚Er ist ins Krankenhaus überführt worden‘). Nicht gebildet werden objektorientierte Resultativa im Allgemeinen von Verben, die Ereignisse ohne erkennbaren Zustandswechsel bezeichnen, und Verben, deren Affixe lediglich Phasen spezifizieren. Gewisse Ausnahmen finden sich v. a. im Bereich der Momentanverben, wobei auch hier gilt, dass die Produktivität der Resultativa im Westslavischen größer ist als im Ostslavischen. So werden im Tschechischen Verbindungen wie být bodnutý ‚gestochen sein‘, být udeřený ‚geschlagen sein‘, být zabitý ‚getötet sein‘ von Informanten akzeptiert und sind zumindest teilweise auch aus Korpora belegbar (vgl. Giger 2003, 190⫺196; Giger/Wiemer 2005, 91). 3. Possessive Resultativa Die possessiven Resultativa der angeführten verschiedenen Bildungstypen sind relativ schwach grammatikalisiert, d. h. sie drücken einen Nachzustand in Verbindung mit einem possessiven Verhältnis aus, verbinden sich mit Temporaladverbialien zum Ausdruck der Dauer dieses Nachzustandes und werden im Allgemeinen von atelischen Verben nicht gebildet. Unbelebte Subjekte sind nur sehr eingeschränkt möglich, und 271 272 IV. Morphologie des Verbs der Träger des Nachzustandes ist nicht generell referenzidentisch mit dem Agens des Vorganges, sondern in Abhängigkeit vom Kontext und der Semantik des Verbs. Das Agens kann indessen häufig in syntaktisch demovierter Position ausgedrückt werden (durch den Instrumental oder die Präposition od). Die Wortfolge in der Konstruktion unterliegt kaum anderen Einschränkungen als denjenigen der Thema-Rhema-Gliederung. Diese Beschreibung gilt grosso modo für das Ost- und Westslavische mit Ausnahme der nordwestrussischen Dialekte und des Kaschubisch-Slovinzischen und das Südslavische mit Ausnahme des Makedonischen und mancher bulgarischer Dialekte. Im Standardrussischen sind possessive Resultativa des Typs U menja užе vsе uroki vyučеny ‚Ich habe schon alle meine Aufgaben gelernt‘, U menja vzjaty bilety ‚Ich habe die Karten (genommen)‘, U menja obed svaren ‚Ich habe das Mittagessen fertig, Mein Mittagessen ist gekocht‘, U papy zapisany vaši vyskazyvanija ‚Papa hat Ihre Aussagen schriftlich‘ (Isačenko 1960, 373; Knjazev 1989, 204) nur spärlich beschrieben, obwohl sie nicht selten sind (Tommola 2000, 463 f.). Im Ukrainischen treffen possessive Resultativa des ‚östlichen‘ Typs (mit der Präposition u) und des ‚westlichen‘ Typs (mit dem Verb maty) aufeinander (Wieczorek 1994, 90 f.; Giger 2003, 384, 491 f.): U mene vžе zіbrаnо zrаzky žіnоčnoho і čоlоvіčоhо оdjahu Nаddnіprjans’kої Ukrаїny ‚Ich habe schon Muster von Frauen- und Männerkleidung der Dnepr-Ukraine gesammelt vorliegen‘, Knyžеčkа vіd cіsаrja, usjudа mаju dverі vtvоrеnі ‚Das Büchlein ist vom Kaiser, überall habe ich offene Türen‘. Die westslavischen possessiven Resultativa weisen deutliche Anzeichen syntaktischer Reanalyse auf: objektlose Konstruktionen (slovakisch Nemal si vykúrené ‚Bei dir war nicht geheizt‘), präpositionale, infinitivische und sententielle Objekte (tschechisch Mám našetřeno na auto ‚Ich habe das Geld für ein Auto beisammen‘, polnisch Krzystyna ma przykazane siedzieć przy nim ‚Krzystyna hat den Befehl, bei ihm zu sitzen‘, obersorbisch Mam přikazane, zo bych tu počakał ‚Ich habe den Befehl, hier zu warten‘) und Ansätze zum Kongruenzverlust zwischen Partizip und Objekt (tschechisch Mezi Skandinavským pobřežím a Islandem má NATO instalováno řetěz naslouchacích zařízení ‚Zwischen der skandinavischen Küste und Island hat die NATO eine Kette von Abhöreinrichtungen (installiert)‘, vgl. auch Krupa 1960, 54). Das Tschechische und das Slovakische bilden possessive Resultativa häufig von Handlungsgrenzen betonenden Aktionsartverben mit den Präfixen do-, od-, na-, und roz- (tschechisch Mám nalyžováno na 2 roky dopředu ‚Ich habe für die nächsten zwei Jahre genug vom Skifahren‘, slovakisch Na dnešok mám odučené ‚Für heute habe ich den Unterricht hinter mir‘). Auch im Slovenischen, Kroatischen und Serbischen existiert die Konstruktion, ohne stark grammatikalisiert zu sein, vgl. slovenisch Kosilo imamo že pripravljeno ‚Wir haben das Mittagessen schon fertig (zubereitet)‘, kroatisch/ serbisch Imamo dogovoreno u 5 ‚Wir sind um fünf verabredet‘ (Fici Giusti 1994, 152, 154). Ebenso sieht es im umgangssprachlichen (nicht-dialektalen) Bulgarischen aus: Imаm podаdеnо zаjavlеniе ‚Ich habe ein Gesuch (eingereicht) liegen‘, Az imam porăčаnо dа čаkаm tuk ‚Ich habe den Befehl, hier zu warten‘ (Kostov 1972). In allen angeführten Sprachen ist der Ausdruck von vergangenen Handlungen durch die Verbindungen haben-Verb C Partizip unmöglich, vgl. obersorbisch Ja sym domoj přišoł a *mam potom mój nastawk napisany ‚Ich bin nach Hause gekommen und habe dann meinen Aufsatz geschrieben‘ (Lötzsch 1968, 343). Allerdings werden manche konstruierten Sätze mit einem Temporaladverbiale zum Ausdruck des Handlungszeitpunktes im Tschechischen von Informanten überraschend gut akzeptiert, ohne dass sie sich aus Texten belegen ließen (Giger 2003, 248). 22. Der Resultativ in den slavischen Sprachen Stärker grammatikalisiert zu einem aktionalen Perfekt sind die analogen Konstruktionen in den nordwestrussischen Dialekten (Včеrаs’ u menja nаvоlоčkа slоžеnа i tuda pоlоžеnа ‚Gestern habe ich den Kissenbezug zusammengelegt und dorthin gelegt‘, U kоgо ėtо nа skаtеrt’ nаlitо? ‚Wer hat da [etwas] auf das Tischtuch ausgeschüttet?‘, Maslov 1984, 239 f., ‚charakterisierendes Perfekt‘ Pоžitо u menja, vеzdе pоbytо ‚Ich habe viel erlebt, bin überall gewesen‘, Trubinskij 1984, 143), im Kaschubisch-Slovinzischen (slovinzisch må moučalė, ležalė ‚Er hat geschwiegen, gelegen‘, Mä moumä přet påurou lati cieglä nalzlė ‚Wir haben vor ein paar Jahren Ziegel gefunden‘, moum mjounė ‚Ich habe gehabt‘, Lötzsch 1967; kaschubisch Jeden ksądz mô rzekłé: Ceszë sã, że jestë kritikòwóny ‚Ein Priester hat gesagt: Freut euch, dass ihr kritisiert werdet‘), im Makedonischen (Imam bidеnо, imam imаnо ‚Ich bin gewesen, habe gehabt‘, Graves 2000, 489) und offenbar auch in gewissen (nicht nur südwestlichen) bulgarischen Dialekten (Tăvа kăštа е imа prаvеnа tatko ti оštе kаtо mlаt ‚Dieses Haus hat dein Vater noch in seiner Jugendzeit gemacht‘, Vasilev 1968, 217). Sowohl im Slovinzischen als auch im Makedonischen ist das Partizip im allgemeinen inkongruent, die Konstruktion tritt auch reflexiv auf, und es sind in größerem Umfang unbelebte Subjekte möglich. Während in den nordwestrussischen Dialekten und im Slovinzischen Temporaladverbialien zum Ausdruck des Handlungszeitpunkts mit der Perfekt-Konstruktion verbindbar sind, ist dies im Makedonischen nicht der Fall. Dennoch liegt im Makedonischen im Unterschied zum Westslavischen mit Ausnahme des Slovinzischen eine aktionale Form vor, wie sich anhand des folgenden Beispiels aus dem Perfektfragebogen von Dahl (2000) anschaulich illustrieren lässt: [Kontextangabe: Es ist kalt im Zimmer, das Fenster ist geschlossen] Gо imаš оtvоrеnо prоzоrеcоt? ‚Hast du das Fenster geöffnet?‘ (Graves 2000, 490). Die wörtliche Entsprechung des Fragesatzes existiert auch in den anderen slavischen Sprachen, welche das haben-Verb in der Resultativkonstruktion verwenden, die Bedeutung ist jedoch diejenige des Zustands in der Gegenwart und nicht der Handlung in der Vergangenheit (vgl. tschechisch Máš okno otevřené? ‚Hast du das Fenster offen, Ist dein Fenster geöffnet?‘). Entsprechend können diese wörtlichen Entsprechungen im vorliegenden Kontext nicht verwendet werden. Literatur (in Auswahl) Dahl, Östen (ed.) (2000): Tense and Aspect in the Languages of Europe. Berlin/New York. Faßke, Helmut (1981): Grammatik der obersorbischen Schriftsprache der Gegenwart. Bautzen. Fici Giusti, Francesca (1994): Il passivo nelle lingue slave. Tipologia e semantica. Milano. Gallis, Arne (1960): „Die neuen slavischen Perfekte vom Typus factum habeo und *casus sum, casum habeo“. // Scando-Slavica 6. 176⫺188. Giger, Markus (2003): Resultativkonstruktionen im modernen Tschechischen (unter Berücksichtigung der Sprachgeschichte und der übrigen slavischen Sprachen). Bern etc. Graves, Nina (2000): „Macedonian ⫺ a language with three perfects?“ // Dahl, Östen (ed.). Tense and Aspect in the Languages of Europe. Berlin/New York. 479⫺494. Havránek, Bohuslav (1937): Genera verbi v slovanských jazycích II. Praha. Knjazev, Ju. P. (1988): „Resultative, Passive, and Perfect in Russian“. // Nedjalkov, V. P. (ed.). Typology of Resultative Constructions. Amsterdam/Philadelphia. 343⫺368. Knjazev, Ju. P. (1989): Akcional’nost’ i statal’nost’: Ix sootnošenie v russkix konstrukcijax s pričastijami na -n, -t. München. 273 274 IV. Morphologie des Verbs Kostov, Kiril (1972): „Semantische Beobachtungen über die Verbindung von имам mit dem Partizipium Perfecti Passivi im Bulgarischen“. // Zeitschrift für Slawistik 17. 371⫺379. Krupa, Viktor (1960): „Stavové perfektum v slovenčine“. // Sborník filozofickej fakulty univerzity Komenského. Rad III Philologica. Bratislava 11⫺12. 47⫺56. Kuz’mina, I. B./Nemčenko, E. V. (1971): Sintaksis pričastnyx form v russkix govorax. Moskva. Lötzsch, Ronald (1967): „Das Tempussystem des Slovinzischen im Vergleich zu dem des Sorbischen und Deutschen“. // Lětopis A 14. 23⫺46. Lötzsch, Ronald (1968): „Někotre wuskutki němskeho wliwa na werbalny system serbšćiny“. // Faßke, Helmut/Lötzsch, Ronald (red.). Přinoški k serbskemu rěčespytej/Beiträge zur sorbischen Sprachwissenschaft. Budyšin/Bautzen. 337⫺344. Maslov, Ju. S. (1984): Očerki po aspektologii. Leningrad. Nedjalkov, V. P. (otv. red.) (1983): Tipologija rezul’tativnyx konstrukcij. Leningrad. Nedjalkov, V. P. (ed.) (1988): Typology of Resultative Constructions. Amsterdam/Philadelphia. [= überarbeitete und erweiterte Übersetzung von Nedjalkov 1983]. Nedjalkov, V. P/Jaxontov, S. E. (1988): „The Typology of Resultative Constructions“. // Nedjalkov, V. P. (ed.). Typology of Resultative Constructions. Amsterdam/Philadelphia. 3⫺63. Sokolová, Miloslava (1993): Sémantika slovesa a slovesný rod. Bratislava. Štícha, František (1980): „Konkurence krátkých a dlouhých variant participiálních tvarů v přísudku“. // Naše řeč 63. 1⫺14. Štícha, František (1984): Utváření a hierarchizace struktury větného znaku. Praha. Tommola, Hannu (2000): „On the perfect in North Slavic“. // Dahl, Östen (ed.). Tense and Aspect in the Languages of Europe. Berlin/New York. 441⫺478. Trubinskij, V. I. (1984): Očerki russkogo dialektnogo sintaksisa. Leningrad. Vasilev, Christo (1968): „Der romanische Perfekttyp im Slavischen“. // Koschmieder, Ernst/Braun, Max (eds.). Slavistische Studien zum VI. Internationalen Slavistenkongreß in Prag. München. 215⫺230. Weiss, Daniel (1977): Syntax und Semantik polnischer Partizipialkonstruktionen. Bern etc. Weiss, Daniel (1982): „Deutsch-polnische Lehnbeziehungen im Bereich der Passivbildung“. // Reißner, Eberhard. (Hrsg.). Literatur- und Sprachentwicklung in Osteuropa im 20. Jahrhundert. Ausgewählte Beiträge zum Zweiten Weltkongreß für Sowjet- und Osteuropastudien. Berlin. 197⫺218. Wieczorek, Diana (1994): Ukrainskij perfekt na -no, -to na fone pol’skogo perfekta. Wrocław. Wiemer, Björn/Giger, Markus (2005): Resultativa in den nordslavischen und baltischen Sprachen (areale und grammatikalisierungstheoretische Gesichtspunkte). München. Markus Giger, Basel (Schweiz)