Chancen und Risiken am deutschen Wohnimmobilienmarkt
„Gewohnt werden muss immer“, lautet eine landläufige und durchaus richtige Floskel am Immobilienmarkt. Doch am Investmentmarkt für Wohnimmobilien herrscht derzeit Nachfrageflaute. Vor allem viele institutionelle Investoren scheinen vorerst dem Markt den Rücken gekehrt zu haben. Doch ist der Verzicht auf weitere Ankäufe von Wohnimmobilien ratsam und sei er auch nur temporär? Welche Argumente gibt es, um weiter in deutsche Wohnimmobilien zu investieren und welche Risiken gibt es am Markt? Wir fassen im Folgenden die unserer Meinung nach wesentlichen Punkte aus Sicht von risikoaversen Langfristinvestoren zusammen.
Wohnimmobilien zur Risikodiversifizierung
Zunächst einmal kommen Wohnimmobilien als Kapitalanlage allein schon unter dem Aspekt der Risikodiversifizierung innerhalb von Multi-Asset-Portfolios in Frage. So weisen Wohnimmobilieninvestments langfristig eine geringe Korrelation mit den Anlageklassen Anleihen und Aktien auf. Dies galt in der Vergangenheit und wird sehr wahrscheinlich auch zukünftig gelten. Auch die Größe und relative Bedeutung der Assetklasse kann ein Argument für Wohnimmobilieninvestments sein. Laut Statistischem Bundesamt belief sich das Nettoanlagevermögen von Wohnbauten im vergangenen Jahr auf mehr als 7,5 Billionen Euro. Selbst nach Abzug der selbstgenutzten Wohnimmobilien dürften Wohnbauten den größten Posten im Anlagevermögen der deutschen Volkswirtschaft ausmachen. Ein Engagement in Wohnimmobilien stellt somit eine Beteiligung am bedeutendsten Sachanlagewert einer der größten Volkswirtschaften der Welt dar. Da sich nur rund 4 % der deutschen Mietwohnungen im Eigentum von börsengelisteten Wohnimmobilien-AGs befinden, führt bei Investitionen in den Wohnungsmarkt kaum ein Weg an Direktinvestments oder der Beteiligung an Immobilienfondsvehikeln vorbei.
Beispiellos stabile Erträge
Deutsche Wohnimmobilien versprechen zudem kontinuierliche, monatliche Mieterträge. In den vergangenen 30 Jahren gab es in Deutschland lediglich Mitte der 1990er Jahre eine mehrjährige Phase sinkender Neuvertragsmieten. Angeregt durch staatliche Fördermaßnahmen setzte in diesem Zeitraum ein Bauboom ein und es wurden pro Jahr deutlich mehr Wohnungen fertiggestellt als Haushalte hinzukamen (siehe Abbildung unten). Eine massive Angebotsausweitung war also ausschlaggebend für sinkende Neuvertragsmieten. Die letzten zwanzig Jahre waren hingegen von einer im langfristigen Vergleich unterdurchschnittlichen Bautätigkeit geprägt. In Summe kamen mehr Haushalte als Nachfrager am Wohnungsmarkt hinzu als Wohnungen fertiggestellt wurden. Dementsprechend gab es im Durchschnitt der 127 RIWIS-Städte seit 1997 in keinem einzigen Jahr einen Mietrückgang bei den Neuvertragsmieten und die Leerstandsraten sind an vielen Wohnungsmärkten auf mittlerweile deutlich unter 2 % gefallen.
Auch für die nächsten Jahre ist das Szenario einer überschießenden Neubautätigkeit so gut wie auszuschließen. Während der Mangel an Wohnraum so groß ist wie seit Jahrzehnten nicht, werden deutlich weniger neue Wohnbauprojekte angegangen und viele bereits angestoßene Projekte verschoben oder abgebrochen. So war die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen von Januar bis August 2023 um etwa 28 % niedriger als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig berichteten laut ifo Institut im Oktober rund 22 % der Wohnbaufirmen von stornierten Aufträgen, was der höchste Wert seit Beginn der Erfassung im Jahr 1991 ist. Dementsprechend geht das ifo Institut davon aus, dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bis zum Jahr 2025 auf nur noch 175.000 zurückgeht. Die vielerorts bereits sehr niedrigen Leerstandsquoten dürften somit weiter zurückgehen, so dass das Risiko struktureller Leerstände in vielen Portfolios auf ein Minimum reduziert wird. Aus Sicht von risikoaversen Langfristinvestoren gibt es in den nächsten Jahren somit so gut wie kein Abwärtsrisiko bei den Neuvertragsmieten. Stattdessen können sie mit langfristig steigenden Mieten kalkulieren. Bei den Bestandsverträgen ist ein Mietrückgang ohnehin praktisch unmöglich. In einem angespannten Mietmarkt mit einer Fluktuationsrate von durchschnittlich nur noch rund 5 %, die knappheitsbedingt womöglich noch weiter absinkt, können sich Investoren daher sicher sein, dass ihre Erträge langfristig mindestens stabil bleiben werden.
Eine derart langfristige Absicherung der Erträge nach unten bietet mit Ausnahme von sehr bonitätsstarken Staatsanleihen kaum eine andere Anlageklasse. Anders als langlaufende Staatsanleihen versprechen deutsche Wohnimmobilien sogar noch Mietsteigerungspotenziale während der Haltedauer. Dies macht Wohnimmobilien als defensives Investment in Multi-Asset-Portfolios attraktiv. Ebenfalls auf den defensiven Charakter von Wohnimmobilieninvestments zahlt der Umstand ein, dass Wohnen ein nicht substituierbares Grundbedürfnis ist und auch bleiben wird. Der Wohnsektor unterliegt somit keinem relevanten Transformationsrisiko, im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen wie beispielsweise dem stationären Einzelhandel oder der Automobilindustrie.
Schärfste Preiskorrektur der jüngeren Geschichte bietet einmalige Chance für Markteinstieg
Während die fundamentalen Rahmenbedingungen außerordentlich robust sind, haben die Preise am Wohninvestmentmarkt stark nachgegeben. Es handelt sich dabei um die schärfste Preiskorrektur der jüngeren Geschichte (siehe Abbildung unten). Die Niedrigzinsphase des vergangenen Marktzyklus hat zu einer Reallokation von Kapital in Immobilien und somit auch zu einem langanhaltenden und zugleich außergewöhnlich steilen Preisanstieg von Wohnimmobilien geführt. Der derzeit zu beobachtende Rückgang der Wohnungspreise ist daher nach unserer Lesart rein zinsinduziert. Ein Blick auf die Preisentwicklung der vergangenen fünfzig Jahre verdeutlicht aber, dass die historisch einmalige Phase stark steigender Preise nicht nur zinsgetrieben, sondern angesichts des unterdurchschnittlichen Neubauvolumens auch fundamental unterlegt war.
Dass sich die fundamentale Angebotsknappheit kurzfristig sogar noch verschärfen wird, wirkt dem Zinseffekt entgegen. Dies könnte dazu führen, dass der aktuelle Abschwung am Wohnungsmarkt kürzer ausfällt als vergangene Perioden fallender Preise. Die Abschwünge Mitte der 1980er Jahre, in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sowie in der ersten Hälfte der 2000er Jahre dauerten zwischen 15 und 27 Quartale (siehe Abbildung unten). Der aktuelle Rückgang der Preise setzte im 3. Quartal 2022 ein, also erst vor rund fünf Quartalen. Aus unserer Sicht erscheint es unwahrscheinlich, dass die Preiskorrektur am Wohnungsmarkt damit schon beendet ist. Der Einbruch beim Wohnungsbau und die Aussicht auf weiter sinkende Leerstandsraten spricht allerdings für eine schnellere Erholung als in den Nullerjahren.
Klar ist, dass die scharfe Preiskorrektur für Investoren eine nahezu einmalige Gelegenheit für einen Markteinstieg schafft. Die Durchschnittspreise für Mehrfamilienhäuser sind hierzulande laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und gemäß des German Real Estate Index (GREIX) bereits um real rund 27 % gegenüber dem letzten Hoch gefallen. Zwar sind weitere Preisrückgänge möglich, langfristig gesehen dürften die Kapitalwerte angesichts der Knappheit des Gutes Wohnen aber wieder ansteigen. Die Deutsche Bank weist in einer Studie darauf hin, dass die Wohnimmobilienpreise in Deutschland typischerweise langfristig mit der Inflation zulegen. Laut den Autoren müssten besondere Umstände vorliegen, wenn die Preise in einer Volkswirtschaft insgesamt kräftig steigen und in der aus vielerlei Hinsicht wichtigsten Vermögensklasse mit den höchsten Anlagevolumina langfristig stagnieren oder fallen.
Für Investoren hat sich also ein Zeitfenster geöffnet, in dem sie deutsche Mehrfamilienhäuser für im Rückblick vermutlich niedrig erscheinende Kapitalwerte erstehen können. Dies trifft insbesondere auf Bestandsimmobilien zu, bei denen die Kapitalwerte meist weit unter den Herstellungskosten für Neubauimmobilien liegen. Dieses Zeitfenster könnte sich jedoch relativ schnell wieder schließen. In jedem Fall erwerben Langfristinvestoren ein Produkt mit so gut wie keinem Abwärtsrisiko bei den Erträgen und sogar der Aussicht auf langfristig steigende Mieteinnahmen.
Die Regulierung – ein zweischneidiges Schwert
Nach der Betrachtung der Angebots-Nachfrage-Relation kann es im Prinzip keinen Zweifel geben, dass Wohnimmobilien als ein defensives Core-Investment in Frage kommen. Doch es gibt einen großen Risikofaktor am deutschen Wohnungsmarkt: die Regulierung.
Eine starke Regulierung stellt sich aus Sicht von risikoaversen Langfristinvestoren als ein zweischneidiges Schwert dar. Eine starke Regulierung der Mieten wirkt tendenziell angebotshemmend. So dürfte auch sie ihren Anteil daran haben, dass sich die Angebotsknappheit besonders ab dem Jahr 2015 verschärfte und starke Miet- und Kaufpreissteigerungen am Markt zu beobachten waren. Denn es war das Jahr 2015, in dem die Mietpreisbremse in Deutschland eingeführt wurde. Dies markierte so etwas wie den Auftakt weiterer regulatorischer Verschärfungen, wie der Absenkung von Modernisierungsumlage und Kappungsgrenze oder auch der Ausweitung des Betrachtungszeitraums von Mietspiegeln. Solche Maßnahmen mindern die Mietsteigerungspotenziale im Wohnungsbestand und kappen damit die Erträge von Investoren nach oben. Die regulatorisch niedrig gehaltenen Mieten sorgen zudem für eine ineffiziente Verteilung des Gutes Wohnen und begünstigen einen hohen Wohnflächenkonsum. Die ineffiziente Auslastung des Wohnungsbestands ist somit eine maßgebliche Ursache für die Angebotsknappheit. Aus Sicht von risikoaversen Investoren bedeutet eine starke Regulierung der Mieten die Grundlage der Absicherung gegenüber Ertragsrückgängen.
Die Mietpreisbremse gilt nicht für Wohngebäude mit Baujahr ab Oktober 2014. Damit teilt die aktuell geltende Regulatorik den Markt in einen regulierten und in einen mehr oder weniger unregulierten Teil. Aus Sicht von Investoren unterscheiden sich beide Teile des Marktes erheblich.
Gekappte Mietsteigerungspotenziale im Bestand
Der starke regulatorische Schutz von Bestandsmieterinnen- und Mietern bei gleichzeitig zu geringem Neubauvolumen hat zu einem deutlichen Mietpreisgefälle zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten geführt. Dadurch sind Umzüge für Mieterhaushalte - selbst bei etwaiger Verkleinerung der Wohnfläche - in der Regel mit deutlich höheren Mietkosten verbunden. Infolgedessen ist die Umzugshäufigkeit zurückgegangen. In den Berliner Beständen der Mitgliedsunternehmen des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) betrug die Fluktuation im Jahr 2021 nur 5,3 % (siehe Abbildung unten). Ähnlich niedrige Fluktuationsraten halten wir auch in vielen anderen angespannten Wohnungsmärkten für realistisch.
Aus Sicht von Investoren bedeutet dies, dass im Durchschnitt nur alle 19 Jahre eine Neuvertragsmiete abgeschlossen werden kann, wodurch sich Mietsteigerungen im Portfolio verlangsamen. Laut dem letzten Mikrozensus lag die durchschnittliche Nettokaltmiete in städtischen Kreisen im Jahr 2022 bei 7,20 EUR / m². Beim Mikrozensus 2018 lag dieser Wert bei 6,60 EUR/m². Zwar lassen sich diese beiden Zahlen aufgrund geänderter Methodik nicht Eins zu Eins vergleichen, angesichts der jeweiligen Größe der Stichprobe sind die Ergebnisse aber ein gutes Indiz für insgesamt moderate Anstiege bei den Bestandsmietverträgen. Hinzu kommt, dass beim Mikrozensus auch Haushalte mit Neuvertragsmieten in die Berechnung einfließen, so dass die durchschnittliche Höhe und Steigerungsrate der Bestandsmietverträge noch niedriger ausfallen dürften. Durch die geringere Umzugshäufigkeit fließen anteilig auch weniger Neuvertragsmieten in die Berechnung der Mietspiegel ein, was den Anstieg der Mietspiegelmieten bzw. der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete dämpft. Hieraus ergibt sich quasi eine positive Rückkopplung, welche Mietsteigerungen in Bestandsverträgen zusätzlich limitiert.
Lock-in-Effekt im Bestand treibt Mieten im unregulierten Teil des Marktes
Angesichts der geringen Neubaurate erscheint ein Anstieg der Fluktuation derzeit unwahrscheinlich, so dass sich Bestands- und Neuvertragsmieten weiter auseinanderbewegen dürften. Das dann weiter steigende Mietgefälle dürfte die Umzugsbereitschaft abermals senken und den Lock-In-Effekt am Wohnungsmarkt verstärken. Schon heute ist das Gut Wohnen in Deutschland ineffizient verteilt – laut einer Studie des IW Köln leben in den Großstädten 6 % der Haushalte in tendenziell zu großen Wohnungen und ebenfalls 6 % in überbelegten Wohnungen. Je schlechter die Zugänglichkeit im regulierten Bestand für umzugswillige Haushalte ist, desto mehr Nachfrage dürfte sich auf den unregulierten Teil des Marktes verlagern und dort langfristig die Mieten in die Höhe treiben. Bei Neubauten ist zudem die Fluktuation laut Berichten von großen Bestandshaltern spürbar höher und Index- bzw. Staffelmietverträge sind verbreiteter. Investoren, die auf den Kauf von Neubauten setzen, können somit von der starken Regulierung am Wohnungsmarkt profitieren.
Das größte Risiko auf Ertragsseite ist die Unberechenbarkeit des Regulators
Angesichts der hohen Inflationsrate ist der Abschluss von Indexmietverträgen zuletzt mutmaßlich beliebter bei Vermieter:innen geworden. Doch sogleich wurden Stimmen aus der Politik laut, die eine Regulierung von Indexmieten forderten. Damit sind wir beim aus unserer Sicht eigentlichen Risiko für risikoaverse Investoren angelangt: der Unberechenbarkeit einer weiteren Regulierung des Marktes. Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Sommer dieses Jahres einen dreijährigen bundesweiten Mietenstopp gefordert und der öffentliche Diskurs rund ums Thema Wohnen kann getrost als aufgeheizt bezeichnet werden. Laut einer Umfrage der R+V Versicherung haben 60 % der Deutschen Angst davor, dass Wohnen unbezahlbar wird. Damit ist es die zweitgrößte Angst in der Bevölkerung. Eine solch verbreitete Angst, sich eines der grundlegendsten Bedürfnisse nicht mehr leisten zu können, hat gesellschaftliche Sprengkraft und wird die Politik immer stärker unter Zugzwang setzen. Ein Blick auf das 20. Jahrhundert zeigt, dass die Politik in Deutschland in Zeiten großen Wohnungsmangels immer massiv in den Markt eingegriffen hat, sei es durch eine Deckelung der Mieten oder durch eine massive Neubauförderung. Eine massive Neubauförderung seitens Bund und Ländern erscheint uns angesichts der hohen Baukosten momentan wenig realistisch, zumal auch andere Politikressorts nach mehr Mitteln verlangen. Außerdem dürften die begrenzten Kapazitäten der Bauwirtschaft Fertigstellungszahlen von deutlich jenseits der 400.000 Wohneinheiten pro Jahr im Wege stehen, denn selbst als die Bauwirtschaft volle Auslastung vermeldete, blieben die Wohnbaufertigstellungen spürbar unter dieser Marke. Eine Alternative aus Sicht der Politik könnte daher eine weitere Beschränkung von Mietsteigerungen sein. Dies würde die Probleme am Wohnungsmarkt zwar nicht lösen, könnte aber als „Geschenk“ an eine breite Wählerschaft verstanden werden. Konkrete Pläne einer weiteren Regulierung der Bestands- oder gar Neuvertragsmieten sind aber aktuell nicht öffentlich bekannt. Sollte es jedoch zu einer weiteren Mietregulierung kommen, dürften Neubauten wahrscheinlich abermals weitestgehend ausgeklammert werden, denn die Politik kann im Prinzip keinen weiteren Rückgang der Neubautätigkeit riskieren. In einem solchen Szenario würde sich die Zweiteilung zwischen dem regulierten und dem weitestgehend unregulierten Teil des Marktes nochmals verstärken.
Mietregulierung und steigende Kosten – eine toxische Mischung?
Die regulatorisch bedingte Kappung von Mietsteigerungen im Wohnungsbestand ist besonders kritisch bei gleichzeitig steigenden Kosten. So sind die Preise für die Instandhaltung und Reparatur von Wohnungen binnen zwölf Monaten um fast 13 % gestiegen (Stand September 2023). Sinkende Auftragsbestände bei den Bauunternehmen werden zwar vermutlich für eine gewisse Entspannung sorgen, mit deutlich sinkenden Baukosten (siehe Abbildung unten) ist allerdings nicht zu rechnen.
Langfristig gesehen dürfte der sich verschärfende Fachkräftemangel preistreibend auswirken, sowohl im Falle von Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen als auch bei der Gebäudebewirtschaftung. Damit könnten in den kommenden Jahren im regulierten Teil des Marktes die Kosten stärker steigen als die Mieteinnahmen. Dies schmälert die Rentabilität der Wohnungsvermietung in diesem Teil des Marktes.
Zusatzkosten durch energetische Sanierung und CO2-Abgabe
Gerade bei Bestandsobjekten mit unterdurchschnittlicher energetischer Qualität kommen auf Wohnungseigentümer Zusatzkosten hinzu. Klar ist, dass zur Erreichung der europäischen Klimaziele eine höhere Sanierungsrate des Gebäudebestands notwendig ist. Die Europäische Union und auch viele wissenschaftliche Studien kommen zum Schluss, dass sich dabei zunächst auf die energetisch schlechtesten Gebäude fokussiert werden sollte, die sogenannten „worst performing buildings“. In Deutschland würde dies wahrscheinlich zunächst Gebäude der Energieeffizienzklassen G und H betreffen. Rund 16 % der deutschen Mehrfamilienhäuser haben solche Energieeffizienzklassen (siehe Abbildung unten) und sind damit dem Risiko eines regulatorischen Sanierungsgebots ausgesetzt.
Ob, in welcher Form und wann eine Art Sanierungszwang seitens der Europäischen Union kommt, ist aktuell noch unklar. Nichtsdestotrotz ist bei entsprechenden Objekten ein Kostenrisiko vorhanden, zumal es bei der Umlage von Modernisierungskosten ebenfalls politische Forderungen nach einer weiteren Deckelung gibt. Für risikoaverse Investoren dürften Wohnimmobilien der Effizienzklassen G und H somit zunächst als Kapitalanlagen ausscheiden. Sollte eine Art Sanierungszwang kommen, wird es unserer Sicht aber nicht im Interesse der Politik sein können, rund 16 % des Mehrfamilienhausbestands im Prinzip abzuschreiben. Daraus ergäben sich zwei möglich Szenarien. Im ersten Szenario wird ein Sanierungszwang mit umfangreichen Fördermaßnahmen oder steuerlichen Anreizen begleitet. In diesem Fall könnten auch die Effizienzklassen G und H wieder investmentfähig werden, zumal der Bestandserhalt und die Vermeidung von Grauer Energie auch auf die Nachhaltigkeitsziele vieler Investoren einzahlen könnte. Zudem dürften angesichts der geringeren Auslastung der Bauunternehmen zumindest in den kommenden Jahren mehr Baukapazitäten für Bestandssanierungen zur Verfügung stehen.
Im zweiten Szenario geht ein Sanierungszwang mit einem Abrissverbot einher, sei es zur Sicherung des Wohnungsangebots oder mit dem Ziel der Vermeidung von Grauen Emissionen. In einem solchen Fall kämen auf Eigentümer hohe und kaum vermeidbare Kosten zu und Investoren sollten in einem solchen Szenario umgehend den Verkauf eventuell vorhandener Portfolioobjekte prüfen.
Unabhängig von möglichen Sanierungsvorgaben sind Eigentümer älterer Bestandsbauten schon heute mit zusätzlichen Kosten konfrontiert. Seit Anfang 2023 wird die CO2-Abgabe in Abhängigkeit vom CO2-Ausstoß des Gebäudes zwischen Vermieter und Mieter aufgeteilt. Während bei den energetisch besten Gebäuden –in der Regel Neubauten – der Vermieter keinen Kostenanteil übernehmen muss, trägt er bei den schlechtesten Objekten bis zu 95 % der CO2-Abgabe. Ausnahmeregeln gibt es etwa beim Denkmalschutz und bei einem Fernwärmeanschluss. In der Praxis sind die Auswirkungen dieser Besteuerung auf die Rentabilität auch abhängig von der Mikrolage und dem erzielbaren Mietniveau. Nach einer modellhaften Rechnung kann die CO2-Abgabe bei einem typischen Berliner Altbau in guter Lage und hohen erzielbaren Mieten rund 1 % des Nettobetriebsergebnisses ausmachen. Bei unsanierten 60er-Jahre-Bauten in Regionen mit niedrigem Mietniveau kann die Abgabe jedoch leicht 5 % bis 10 % des Nettobetriebsergebnisses betragen und damit eine erhebliche Schmälerung der Profitabilität bedeuten, zumal der Preis der Emissionszertifikate ansteigen wird.
Zusammenfassung: Neubau hui, Bestand pfui?
Mit Blick auf die Fundamentaldaten und das regulatorische Umfeld bieten sich deutsche Wohnimmobilien aus unserer Sicht weiterhin als defensives Investment für risikoaverse Langfristinvestoren an. Vor allem die Kombination aus einer de facto Absicherung gegen Ertragsrückgänge einerseits und der Aussicht auf Ertragssteigerungen während der Haltezeit andererseits sucht seinesgleichen. Im regulierten Teil des Marktes gibt es allerdings das latente Risiko einer weiteren Limitierung von Mietsteigerungen. Bei älteren Bestandsobjekten mit schlechten Energieeffizienzklassen gesellt sich noch ein Kostenrisiko hinzu. Sofern Investoren solche Bestände bereits im Portfolio haben, kann das vorläufige Halten und Abwarten zukünftiger Regularien empfehlenswert sein. Der Ankauf solcher Bestände setzt hingegen eine größere Risikoakzeptanz voraus.
Ganz anders stellt sich die Situation im unregulierten Teil des Marktes dar. Dieser Teil des Marktes dürfte bei einer schärferen Mietregulierung noch attraktiver für Investoren werden. Da eine überschießende Neubautätigkeit perspektivisch unwahrscheinlich erscheint, dürfte zudem der Angebotsmangel am Wohnungsmarkt zementiert werden. Für den unregulierten Teil des Marktes stellt sich die aktuelle Gemengelage daher unserer Meinung nach als außergewöhnlich investorenfreundlich dar.
Die Aussicht auf bemerkenswert sichere und im Trend sogar steigende Erträge könnte unserer Meinung auch dazu führen, dass die Renditedifferenz zwischen Wohnimmobilien und langlaufenden Bundesanleihen zukünftig niedriger ausfällt als im vergangenen Marktzyklus.