VDI 4250 Blatt-1 E 2011-11
VDI 4250 Blatt-1 E 2011-11
VDI 4250 Blatt-1 E 2011-11
Inhalt Seite
Vorbemerkung ................................................................................................ 2
Einleitung ........................................................................................................ 2
1 Anwendungsbereich................................................................................ 2
2 Begriffe ..................................................................................................... 3
3 Kenntnisstand über gesundheitliche Wirkungen ................................. 4
4 Besonderheiten bei der Bewertung von Bioaerosolmessungen ......... 5
5 Umweltmedizinische Bewertungskriterien ............................................ 6
6 Hintergrundkonzentration ....................................................................... 7
7 Umweltmedizinische Bewertung ............................................................ 8
8 Anwendung der umweltmedizinischen Prüfung ................................... 9
Anhang A Messparameter, Leitparameter und Emissionsspektren ........11
Anhang B Umweltmedizinisches Prüfschema .......................................15
Schrifttum ......................................................................................................16
Actinomyceten Gesamtpilzzahl
Strahlenpilze (veraltet) Anzahl der koloniebildenden Einheiten von Pilzen
Grampositive, fadenförmige Bakterien, die meis- auf einem geeigneten Nährmedium unter definier-
tens aerob, in einigen Fällen auch anaerob wach- ten Bedingungen. [VDI 4251 Blatt 1]
sen. Gesamtzellzahl
Anmerkung: Die fadenförmigen Actinomyceten sind meis- Summe aller mikroskopisch nachgewiesenen Zel-
tens mehrzellig, verzweigt und bilden ein Myzel ähnlich den len; geeignet zur Beschreibung der toxischen und
Pilzen. In der älteren Fachliteratur werden sie deshalb auch als
Strahlenpilze bezeichnet.
sensibilisierenden Wirkung. [VDI 4251 Blatt 1]
Hintergrundkonzentration
Assoziation Bioaerosolkonzentration (arithmetischer Mittelwert
Statistisch nachweisbare Verknüpfung zweier Pa- plus zweifache Standardabweichung), die zur Be-
rameter. wertung herangezogen wird und die ohne die Exis-
Anmerkung: Die Frage nach der Kausalität ist damit noch tenz der zu betrachtenden Anlage vorhanden ist
nicht beantwortet. und nicht von anderen Anlagen unmittelbar beein-
flusst ist.
Aufmerksamkeitswert
Immissionskonzentration für ĺMessparameter, Anmerkung: Definition zur Messung der Hintergrundkon-
deren ĺHintergrundkonzentration jahreszeitlich zentration siehe VDI 4251 Blatt 1 und Blatt 2.
kaum variiert und hinreichend durch repräsentative KBE (koloniebildende Einheit)
Daten belegt ist. Einheit, in der die Anzahl der anzüchtbaren
Anmerkung: Nähere Informationen zum Aufmerksamkeits- ĺMikroorganismen ausgedrückt wird.
wert gibt Abschnitt 7. [DIN EN 13098]
Bioaerosol Anmerkung 1: Eine koloniebildende Einheit kann aus einem
Luftgetragene Partikel biologischer Herkunft. einzigen Mikroorganismus, einem Aggregat mehrerer Mikro-
organismen oder einem bzw. mehreren Mikroorganismen
[DIN EN 13098] entstehen, die an einem Partikel anhaften.
Anmerkung: Bioaerosole im Sinne dieser Richtlinie sind alle Anmerkung 2: Die Anzahl der Kolonien hängt von den An-
im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln, zuchtbedingungen ab.
denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakteri-
en, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile Leitparameter
und Stoffwechselprodukte (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) ĺBioaerosole, die für die Emission aus einer An-
anhaften bzw. diese beinhalten oder bilden.
lage charakteristisch sind und mit derzeit zur Ver-
Fadenpilz fügung stehenden Probenahme- und Analysenme-
Pilz, der in Form von Zellfäden, den Hyphen, thoden nachweisbar sind. [VDI 4251 Blatt 1]
wächst. [VDI 4251 Blatt 1] Anmerkung: Leitparameter, die für eine bestimmte Quelle
(Prozess) charakteristisch sind, können auch in der Luft au-
Anmerkung 1: Die Gesamtheit der Hyphen bezeichnet man
ßerhalb des Einflussbereichs dieser Quelle nachweisbar sein,
als Myzel.
meist in geringerer Konzentration. Dies ist darin begründet,
dass viele ĺMikroorganismen ubiquitär vorkommen.
–4– VDI 4250 Blatt 1 Entwurf
Messparameter cous Membrane Irritation, ODTS – Organic Dust
Träger der Messgröße; im vorliegenden Fall die Toxic Syndrome, Asthma, Farmerlunge) bei den
interessierende, ĺmikrobielle Luftverunreinigung, dort Beschäftigten und der Exposition gegenüber
z. B. Bakterien, Schimmelpilze. [VDI 4251 Blatt 1] Mikroorganismen bekannt [7]. Bei aktuellen Un-
tersuchungen zu Arbeitsplatzbelastungen – vor
Mikrobielle Luftverunreinigung
allem in der Abfallwirtschaft – wurden auch zum
Konzentration an luftgetragenen ĺMikroorganis-
Teil chronische gesundheitliche Beeinträchtigun-
men, die in ihrer Art und/oder Menge bezogen auf
gen bei den dort exponierten Personen festgestellt
Ort und Zeit nicht natürlicherweise in der Luft
[8].
anzutreffen sind. [VDI 4251 Blatt 1]
Die Belastung der Bevölkerung durch Bioaerosole
Mikroorganismus in der Außenluft ist dagegen erst mit der stärkeren
Zelluläre oder nicht zelluläre mikrobiologische Ein- Verbreitung bestimmter Technologien, z. B. Ab-
heit, die fähig ist, sich zu vermehren oder geneti- fallbehandlungsanlagen oder landwirtschaftlicher
sches Material zu übertragen, oder eine Einheit, die Betriebe im industriellen Maßstab, z. B. Intensiv-
diese Eigenschaft verloren hat. [DIN EN 13098] tierhaltungen, als ein relevantes umweltmedizini-
Schimmelpilze sches Problem in die Diskussion gekommen [6].
ĺFadenpilze aus mehreren taxonomischen Grup- Während unzureichende hygienische Wohnver-
pen: Zygomycetes, Ascomycetes und Deuteromy- hältnisse aufgrund zu hoher Luftfeuchtigkeit, ver-
cetes (Fungi imperfecti). [DIN ISO 16000-17] bunden u. a. mit Schimmelpilzwachstum, rasch mit
der erhöhten Häufigkeit von bestimmten Erkran-
Anmerkung: Schimmelpilze bilden je nach taxonomischer
Gruppe, zu der sie gehören, unterschiedliche Arten von Spo- kungen und Symptomen bei den Nutzern in einen
ren aus und zwar Konidiosporen (Konidien), Sporangiosporen Zusammenhang gebracht wurden [9], gelang es
oder Ascosporen. [DIN ISO 16000-17] erst in den letzten Jahren, eine derartige Assoziati-
on zwischen Bioaerosolen in der Außenluft und
Zusatzbelastung exponierten Bevölkerungsgruppen nachzuweisen
Der Immissionsbeitrag, der durch die betrachtete [10].
Anlage an einem Immissionsort hervorgerufen
wird. [VDI 4251 Blatt 1] Nach den Ergebnissen der niedersächsischen Lun-
genstudie (NiLS) wird für junge Erwachsene eine
Nachbarschaftsexposition gegenüber einer sehr
3 Kenntnisstand über gesundheitliche hohen Anzahl von Betrieben der Veredelungswirt-
Wirkungen schaft (mehr als zwölf Ställe in einem Umkreis von
Die Bewertung von Expositionen gegenüber Bio- 500 m) mit einer Einschränkung der Lungenfunk-
aerosolen sowohl im Innenraum als auch im Au- tionsparameter assoziiert. Den Autoren der Studie
ßenbereich wird schon seit längerer Zeit als ein nach können diese Lungenfunktionseinschränkung
relevantes (umwelt-)medizinisches aber auch me- sowie das vermehrte Auftreten von giemenden
thodisches Problem angesehen. Durch Bioaerosole Atemgeräuschen erste Hinweise auf eine chro-
verursachte Erkrankungen wurden bereits 1700 nisch-obstruktive Lungenerkrankung in diesem
durch Bernardino Ramazzini, dem Begründer der jungen Kollektiv sein. Die Prävalenz allergischer
Arbeitsmedizin, in seinem Buch „De morbis artifi- Erkrankungen dagegen liegt für das untersuchte
cum diatriba“ beschrieben. Eine eigenständige Gesamtkollektiv unter der Prävalenz in der städti-
intensive Forschungstätigkeit hinsichtlich der Wir- schen Bevölkerung. Die in der NiLS-Studie festge-
kung von Mikroorganismen auf den Menschen stellten Befunde geben Hinweise darauf, dass mög-
existiert sowohl im Innenraum als auch am Ar- licherweise bei einer sehr hohen Dichte an Betrie-
beitsplatz schon seit der Etablierung der Hygiene ben der Veredelungswirtschaft die Schwelle zu
als eigenständiges wissenschaftlich-medizinisches adversen Effekten für die anwohnende Bevölke-
Fach Ende des 19. Jahrhunderts. rung überschritten wird. Dieser erstmalige Befund
Durch arbeitsmedizinische Untersuchungen ist gut von Lungenfunktionseinschränkungen erfordert
belegt, dass eine berufsbedingte Exposition gegen- aber eine weitere wissenschaftliche Überprüfung
über zum Teil hohen Konzentrationen an Bioaero- [11].
solen (Bakterien, Pilze, Endotoxine) zu gesund- Im sogenannten AABEL-Projekt (AABEL – Atem-
heitlichen Beeinträchtigungen wie insbesondere wegserkrankungen und Allergien bei Einschu-
Atemwegserkrankungen, Allergien und Infektio- lungskindern in einer ländlichen Region) wurde
nen führen kann [5, 6]. untersucht, ob in der Nachbarschaft von Tierställen
So ist in der Landwirtschaft seit langer Zeit ein bei Kindern vermehrt Atemwegserkrankungen und
Zusammenhang zwischen dem Auftreten spezifi- Atopien auftreten. Die Studie zeigt insgesamt be-
scher Erkrankungen (z. B. Zoonosen, MMI – Mu- trachtet eher geringe gesundheitliche Effekte in
Entwurf VDI 4250 Blatt 1 –5–
Assoziation mit der durch Ausbreitungsrechnung nach Beendigung der Exposition (Mikroorganis-
geschätzten Exposition gegenüber Bioaerosolen men und Gerüche) eine erhöhte Beschwerdehäu-
aus Ställen, wobei auch die diversen Teilergebnis- figkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe, die zu
se zu fehlenden Zusammenhängen zwischen der keiner Zeit exponiert war. Der Mittelwert des Ge-
Exposition und einer Vielzahl von Symptomen samtbeschwerdeindex war im Vergleichskollektiv
ihren wissenschaftlichen Stellenwert haben. Aller- niedriger als bei den ehemals Exponierten. Die
dings zeigen sich einige Tendenzaussagen, die Prävalenz von Einzelbeschwerden zeigte ein unter-
statistisch als grenzwertig signifikant einzustufen schiedliches Verteilungsmuster zwischen den ehe-
sind: Bei familiär prädisponierten Kindern ist für mals Belasteten und der Vergleichsgruppe [17].
asthmatische Symptome eine Prävalenzerhöhung Diese umweltmedizinischen Studien zeigen, dass
mit steigender Exposition zu erkennen. Auf der grundsätzlich gleichartige gesundheitliche Wir-
anderen Seite kann ein negativer Zusammenhang kungen, wie sie durch Bioaerosole am Arbeitsplatz
zwischen der Exposition gegenüber Bioaerosolen auftreten, auch bei Umweltkonzentrationen im
aus Ställen und der Wahrscheinlichkeit einer Sen- Einflussbereich von Anlagen vorkommen können.
sibilisierung gegenüber Inhalationsallergenen auf- Umweltbelastungen durch Bioaerosole haben bei-
gezeigt werden, wie dies auch schon in anderen spielsweise in einem konkreten Fall zu schwerwie-
Studien gezeigt wurde [12]. Diese Tendenzen genden Erkrankungen bis hin zu Todesfällen ge-
müssen nach Einschätzung der Autoren allerdings führt [18]. Eine ausführliche Darstellung der ge-
noch weiter bestätigt werden und können allein auf sundheitlichen Risiken durch Bioaerosole ist in
Grundlage einer Querschnittsstudie wie dem [19] zusammengefasst.
AABEL-Projekt keinesfalls kausal interpretiert
werden [13].
4 Besonderheiten bei der Bewertung von
In einer 1997 in Hessen durchgeführten Studie Bioaerosolmessungen
wurden Immissionskonzentrationen von Bioaero- Als Bioaerosole werden alle luftgetragenen Parti-
solen (Gesamtbakterien, Schimmelpilze, ther- kel biologischer Herkunft bezeichnet. Aus lufthy-
mophile Actinomyceten, Endotoxine und MVOC) gienischer Sicht richtet sich der Blick derzeit vor
in der Umgebung von drei Bioabfallkompostie- allem auf solche Partikel, die aus Pilzen, Bakterien,
rungsanlagen gemessen und zeitgleich die Belästi- Viren und/oder Pollen bestehen oder denen Pilze
gung der Anwohner und ihre gesundheitlichen (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakteri-
Beschwerden und Symptome über Fragebogen en, Viren und/ oder Pollen sowie Bruchstücke der
ermittelt [14]. Verglichen mit einer nicht exponier- vorgenannten oder deren Stoffwechselprodukte
ten Kontrollgruppe gaben die Anwohner einer (z. B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften. Derartige
Anlage vermehrt Beschwerden des Atemtrakts und Bioaerosole werden je nach Jahreszeit in erhebli-
der Schleimhäute an. Anamnestische Angaben chem Umfang natürlicherweise gebildet (z. B.
über „Allergien und Infektionen“ waren nicht er- durch Aufwirbelung von verrottendem Laub bzw.
höht. Signifikante Zusammenhänge zwischen der Schimmelpilzen aus Feuchtbereichen) und kom-
höchsten Exposition (Entfernung 150 m bis 200 m) men daher immer wieder in der Umgebung des
und gesundheitlichen Parametern wurden gefunden Menschen vor.
für Bronchitis, nächtliches Husten, Kurzatmigkeit
in Ruhe, Husten morgens oder tagsüber, Kurzat- Die Zusammensetzung der Mikroorganismen in
migkeit bei Belastung, schmerzende Augen, über- Bioaerosolen hängt von einer Vielzahl von Fakto-
mäßige Müdigkeit und Frösteln [10]. Die Atem- ren ab. Aufgrund der Vielzahl möglicher Mess-
wegsbeschwerden der Anwohner können nach den und Bewertungsparameter besteht inzwischen all-
Autoren als MMIS (mucous membrane irritation gemein ein Konsens, dass hier eine Beschränkung
syndrome) klassifiziert werden. auf bestimmte Parameter stattfinden muss.
Gleichwohl müssen bei der Erfassung von Bioae-
Mit dem Auftreten von Bioaerosolen ist (z. B. in rosolen bestimmte Kriterien erfüllt werden. Auf
der Landwirtschaft oder bei der Kompostierung) der einen Seite sollte eine Quelle anhand eines
häufig auch das Auftreten von belästigenden Gerü- charakteristischen Spektrums von Mikroorganis-
chen verbunden [15; 16]. Probanden, die in der in men weitgehend identifizierbar sein, auf der ande-
Hessen durchgeführten Studie lediglich durch Ge- ren Seite müssen medizinisch besonders relevante
rüche belästigt, aber nicht gegenüber Bioaerosolen Mikroorganismen oder Bestandteile erfassbar sein.
exponiert waren, wiesen dagegen keine höheren
irritativ bedingten Atemwegsbeschwerden auf, Mithilfe der Richtlinienreihen VDI 4251 bis
sondern eine höhere Häufigkeit von Augen- und VDI 4257 und weiterer technischer Regeln (z. B.
Allgemeinbeschwerden [10]. Eine Folgestudie DIN EN 13098, DIN ISO 16000-16, -17 und -18,
zeigte für die ursprünglich exponierte Gruppe auch BGIA 9411, TRBA 405) ist es zwischenzeitlich
–6– VDI 4250 Blatt 1 Entwurf
gelungen, Messinstrumente und Messverfahren zur Wandels und der zunehmenden medizinischen
Erfassung von Mikroorganismen in der Luft soweit (z. B. onkologischen) Behandlung mit zytostatisch
zu standardisieren, dass reproduzierbare und ver- wirksamen Substanzen im ambulanten Bereich ist
gleichbare Messergebnisse bei der Konzentrations- mit einer Zunahme abwehrschwacher Personen in
bestimmung möglich sind. Dies ist eine der Vor- der Normalbevölkerung zu rechnen. Auch lokale
aussetzungen, um eine Dosis-Wirkungs-Beziehung Abwehrschwächen können zu erhöhter Infektions-
zwischen den Bioaerosolen (Konzentration von gefährdung führen, z. B. Aspergillomentstehung in
bestimmten Spezies oder Stoffwechselsubstanzen) Nasennebenhöhlen und Bronchiektasien (Erweite-
und den Effekten bei exponierten Personen (Beläs- rung der Bronchien). Für Einzelspezies gibt es für
tigungen, Symptome, Erkrankungen) herstellen zu die orale Aufnahme mikrobiologisch bestimmte
können. Eine weitere Voraussetzung ist die direkte Infektionsdosiswerte [21; 22]. Derartige Werte
Erfassung umweltmedizinisch besonders relevanter liegen aber für die in Bioaerosolen relevanten In-
Einzelparameter (z. B. pathogener Spezies) oder fektionserreger (z. B. Legionellen, Schimmelpilze)
Substanzen aus der Vielzahl der in den Bioaeroso- nicht vor.
len enthaltenen Mikroorganismen. Bis heute ist es weder international noch auf natio-
Aufgrund der großen Vielzahl von Mikroorganis- naler Ebene gelungen, Dosis-Wirkungs-Bezieh-
men in den Bioaerosolen beinhaltet aber die Ein- ungen für gesundheitsrelevante Bioaerosole zu
schränkung auf die Messung und Bewertung von erstellen oder allgemeingültige auf die Wirkung
nur einer oder wenigen Spezies (oder ihrer Sub- am Menschen bezogene Schwellenwerte bzw.
stanzen) immer die Problematik, ob dies hinsicht- Grenzwerte abzuleiten. Die Bewertung von Sum-
lich der quantitativen und repräsentativen Bewer- menkonzentrationen von Mikroorganismen, Ein-
tung der Effekte als ausreichend einzustufen ist. zelspezies oder Substanzen (z. B. MVOC oder
Deshalb wird in der Regel die Gesamtsumme der VOC) orientiert sich häufig am „üblichen“ Vor-
gemessenen Mikroorganismen (Gesamtbakterien- kommen oder technischen Gegebenheiten (Mög-
zahl und/oder Gesamtpilzzahl – gemessen jeweils lichkeit der Emissionsminderung), kann aber schon
als KBE/m3) zusätzlich als Bewertungsgrundlage aus den genannten methodischen Gründen nicht
herangezogen. Wegen der wechselnden Anteile der wirkungsbezogen erfolgen. Die Erwartungen einer
Einzelspezies an der Summe der Mikroorganismen Vielzahl von Organisationen und Institutionen
in den unterschiedlichsten Bioaerosolen sowie der hinsichtlich der Etablierung von Grenzwerten für
Tatsache, dass auch nicht lebensfähige Bestandtei- Bioaerosole bzw. für Einzelspezies oder bestimmte
le des Aerosols – wie abgestorbene Mikroorganis- Speziesspektren auf der Basis von Erkenntnissen
men und Sporen, Teile von Mikroorganismen, aus toxikologischen und umweltepidemiologischen
Allergene und Toxine – Symptome und Erkran- Untersuchungen werden sich aus methodischen
kungen hervorrufen können, kann aufgrund des Gründen auf absehbare Zeit nicht verwirklichen
Messparameters Gesamt-KBE/m3 eine Dosis- lassen [23].
Wirkungs-Beziehung praktisch nicht vorgenom- Aus Großbritannien werden zwar sogenannte „ac-
men werden. Aufgrund dessen sind für eine umfas- ceptable levels“ für gramnegative Bakterien, Ge-
sende medizinische Bewertung Zusatzmessungen samtbakterienzahl und Aspergillus fumigatus zur
wie die Bestimmung der Gesamtzellzahl Beurteilung der gesundheitlichen Risiken von Bio-
(VDI 4253 Blatt 4), Allergennachweise und aerosolen aus Kompostierungsanlagen empfohlen.
Nachweise der toxischen Wirkung in Erwägung zu Von den Autoren wird allerdings nicht transparent
ziehen. Allerdings liegen hierzu noch keine vali- dargelegt, wie die Festsetzung der „acceptable
dierten und standardisierten Verfahren vor. levels“ im Detail vorgenommen wurde [24]. Auch
Infektionen des Menschen durch Einzelspezies wird in [24] die Datenauswahl nicht begründet.
sind nicht nur von dem Grad der Pathogenität der Diese Werte sollten daher nicht für eine umwelt-
Mikroorganismen abhängig, sondern auch vom medizinische Bewertung verwendet werden.
Immunstatus der exponierten Einzelperson. So
zeichnen sich ältere Menschen, Kranke und Klein- 5 Umweltmedizinische Bewertungs-
kinder häufig durch eine geringere körperliche kriterien
Widerstandskraft gegenüber derartigen Infektions- Da eine Ableitung von wirkungsbezogenen Grenz-
erregern aus. Beispiel dafür ist das Auftreten der und Schwellenwerten auf der Basis von Erkennt-
Legionellose bei überwiegend älteren Personen nissen aus toxikologischen und umweltepidemio-
(Legionärserkrankung) im Vergleich zu jüngeren logischen Untersuchungen in Hinsicht auf die um-
Menschen bei gleicher Exposition [20]. Aufgrund weltmedizinische Bewertung von Bioaerosolen
des ansteigenden Anteils älterer Personen in der nicht möglich ist, stellt sich die Frage nach akzep-
Bevölkerung im Rahmen des demografischen tablen Alternativen in diesem Problembereich. Die
Entwurf VDI 4250 Blatt 1 –7–
Prävention vor gesundheitlicher Beeinträchtigung kausale Verursachungszusammenhänge nicht hin-
durch Umweltschadstoffe oder Umweltfaktoren reichend bekannt sind [27], so wie es für Bioaero-
muss – nach heutiger Ansicht – auch die Sicherheit sole derzeit der Fall ist. Daher sind Personen, die
von empfindlichen Personengruppen berücksichti- in der Umgebung einer Anlage wohnen oder arbei-
gen. Die WHO legt dies in den “Air Quality Gui- ten, in der Immissionskonzentrationen die Hinter-
delines” [4] allgemein dar und benennt, was mit grundkonzentration übertreffen, vor zusätzlichen
empfindlichen Personengruppen gemeint sein Belastungen zu schützen.
kann. Auch die Richtlinie VDI 2310 Blatt 1 fordert Eine gegenüber der Hintergrundkonzentration er-
in der Begründung und im Geltungsbereich Maxi- höhte Bioaerosolkonzentration wird in dieser
maler Immissions-Werte, dass grundsätzlich die Richtlinie als umweltmedizinisch unerwünscht
besondere Empfindlichkeit bestimmter Gruppen definiert, ohne dass damit eine Aussage zu einem
(z. B. Kinder, Kranke, Alte, Schwangere) zu be- konkreten quantitativen Gesundheitsrisiko verbun-
rücksichtigen ist, ein Schutz jedes Individuums den ist. Eine Verringerung erhöhter Bioaerosol-
durch die Einhaltung von Maximalen Immissions- konzentrationen in relevanten Gebieten dient daher
Werten aber in der Regel nicht gewährleistet wer- der Vorsorge vor vermeidbaren Belastungen. Inso-
den kann. Bei den in dieser Richtlinie genannten fern stellt der Vergleich mit der Hintergrundkon-
empfindlichen Personengruppen handelt es sich zentration einen wirkungsbezogenen Bewertungs-
keineswegs um „einzelne Individuen“. Allein auf- ansatz dar.
grund der Anzahl der Allergiker und Diabetiker
Da die Hintergrundkonzentration, insbesondere
machen die empfindlichen Personengruppen insge-
von Summenparametern wie Gesamtpilzzahl, stark
samt etwa ein Drittel der deutschen Bevölkerung
von der Jahreszeit, der Witterung und anderen re-
aus [25; 26]. Das heißt – bezogen auf die Expositi-
gionalen Faktoren oder örtlich vorhandenen weite-
on gegenüber Bioaerosolen –, dass immuneinge-
ren Quellen bestimmt wird, ist zur Bewertung eine
schränkte Personen (z. B. Diabetiker) oder Perso-
zeitgleich mit den Immissionskonzentrationen
nen mit einer atopischen Prädisposition (z. B. Al-
erhobene Hintergrundkonzentration (gemäß
lergiker) zu berücksichtigen sind.
VDI 4251 Blatt 1) heranzuziehen.
Da aber wirkungsbezogene Schwellenwerte – wie
Auffällig hohe „ortsübliche“ Konzentrationen von
dargelegt – bisher nicht ableitbar sind, muss sich
Bioaerosolen sollten dabei aber nicht in jedem Fall
ein tolerierbarer Wert immer an der vorhandenen
als „unschädlich“ hingenommen werden. Sie müs-
Konzentration von Mikroorganismen oder Sub-
sen vielmehr dahingehend überprüft werden, ob
stanzen (Hintergrund) orientieren.
hier nicht aufgrund einer besonders hohen Anzahl
Die bisher vorliegenden Diskussionsbeiträge zur oder Aggregation von Emittenten oder eines Emit-
Bewertungsproblematik im Bereich der Bioaeroso- tenten in unmittelbarer Nachbarschaft, der die Hin-
le schlagen daher übereinstimmend eine Orientie- tergrundkonzentration beeinflusst, eine regional
rung an dem jeweiligen Hintergrundvorkommen höhere Exposition vorhanden ist. Diese Situation
bzw. der Hintergrundkonzentration vor [23]. Eine wird z. B. für Regionen angenommen, in denen vor
Voraussetzung für diese Art des Vorgehens ist, bei allem landwirtschaftliche Intensivtierhaltungen
jeder Messung von Bioaerosolen auch eine Be- flächendeckend vorkommen. Diese besondere
stimmung der Hintergrundkonzentration der Mik- Situation bedarf einer speziellen Bewertung und
roorganismen oder Substanzen vorzunehmen. Die- Einzelfallprüfung, vor allem in Hinsicht auf die
ses Vorgehen ist im Innenraumbereich und am Erweiterung oder Neuansiedelung derartiger Be-
Arbeitsplatz bereits vorgeschrieben, indem zusätz- triebe.
lich die Außenluftkonzentration (hier Hintergrund
gegenüber Innenraum) untersucht wird.
6 Hintergrundkonzentration
Eine gegenüber der Hintergrundkonzentration er- Als Grundlage zur Ermittlung der Hintergrundkon-
höhte Bioaerosolkonzentration ist als eine zusätzli- zentration bei bestehenden Anlagen dient die
che Exposition zu werten. Diese kann nach allge- Richtlinie VDI 4251 Blatt 1. Sie bietet die Mög-
meinem Kenntnisstand – insbesondere für Risiko- lichkeit, durch zeitgleiche Messungen in Luv und
gruppen wie immuneingeschränkte Personen, Al- Lee eines Emittenten zu ermitteln, ob Messwerte
lergiker und Atemwegsvorgeschädigte – mit einem von örtlich vorhandenen Hintergrundkonzentratio-
zusätzlichen Gesundheitsrisiko verbunden sein. nen abweichen. Im Rahmen der Auswertung von
Eine Quantifizierung dieses zusätzlichen Risikos Hintergrundmessungen können auf der Basis der
kann bislang aber nicht vorgenommen werden. Richtlinie VDI 4251 Blatt 1 Aussagen zur Ermitt-
Aus Gründen der Vorsorge kann eine Risikomini- lung des ortsbezogenen Anlageneinflusses getrof-
mierung bereits dann verlangt werden, wenn Risi- fen werden, die dann wiederum eine Beurteilung
ken noch nicht abschließend quantifizierbar und
–8– VDI 4250 Blatt 1 Entwurf
einer möglichen anlagenbezogenen Belastung er- vorgenommen werden. Für eine Plausibilitätsprü-
lauben. fung der lokal gemessenen Hintergrundkonzentra-
Aus allen Konzentrationswerten, die an zwei in tion können, falls vorhanden, Daten aus Hinter-
Luv (windzugewandte Seite) befindlichen Messor- grundmessungen aus der Region hinzugezogen
ten ermittelt wurden, ist der arithmetische Mittel- werden. Diese müssen mit vergleichbaren Verfah-
wert der Hintergrundkonzentration plus zweifacher ren und für Summenparameter wie Gesamtpilzzahl
Standardabweichung zu berechnen (VDI 4251 bei vergleichbaren jahreszeitlichen und meteorolo-
Blatt 1). Auf diese gemittelte Hintergrundkonzent- gischen Bedingungen erhoben worden sein.
ration beziehen sich alle weiteren zeitgleich in Lee Wesentlich bei der Ermittlung der Hintergrund-
(windabgewandte Seite) gewonnenen Messwerte. konzentration ist die Wahl des Messorts. Hier hat
Die so ermittelte Hintergrundkonzentration (arith- die Erfahrung gezeigt, dass sich durch eine treffen-
metischer Mittelwert plus zweifache Standardab- de Auswahl der Messorte auch in einer Gegend mit
weichung) ist die Bezugsgröße für die umweltme- einer hohen Anzahl von Anlagen eine unmittelbare
dizinische Bewertung. Beeinflussung der gemessenen Hintergrundkon-
Für eine geplante Anlage kann die Zusatzbelastung zentration durch Bioaerosolbeiträge aus benachbar-
mithilfe von Ausbreitungsrechnungen ermittelt ten gewerblichen/industriellen Anlagen vermeiden
werden. Auch bei der Bewertung der Zusatzbelas- lässt und somit die Messung natürlicher Hinter-
tung aus einer geplanten Anlage ist die Hinter- grundkonzentrationen gewährleistet werden kann.
grundkonzentration der Messparameter gemäß Die Richtlinie VDI 4251 Blatt 1 lässt entsprechen-
Anhang A messtechnisch zu bestimmen. Die Er- den Spielraum bei der Festlegung des Messorts.
mittlung der Hintergrundkonzentration bei geplan- Demnach kann und sollte – sofern erforderlich –
ten Anlagen wird in der Richtlinie VDI 4251 bei der Auswahl des Messorts für die Hintergrund-
Blatt 2 (in Vorbereitung) beschrieben. konzentration die in der Richtlinie VDI 4251
Blatt 1 beschriebene grundsätzliche Anordnung der
Zur Bewertung von Immissionskonzentrationen bei
Messpunkte modifiziert werden.
geplanten und bestehenden Anlagen/Quellen ist die
Hintergrundkonzentration (arithmetischer Mittel- Ziel der Einzelfallprüfung sollte sein, anhand aller
wert plus zweifache Standardabweichung) heran- vorliegenden Informationen (gemessene Hinter-
zuziehen. Als wesentliche Bestandteile dieser Hin- grundkonzentrationen, Hintergrundwerte aus Lite-
tergrundkonzentration sind Bioaerosolbeiträge, die ratur, Auswahl Messorte usw.) eine Hintergrund-
aus natürlichen Quellen freigesetzt werden, anzu- konzentration, die im Sinne dieser Richtlinie zur
sehen. Bioaerosolbeiträge aus benachbarten ge- umweltmedizinischen Bewertung herangezogen
werblichen/industriellen Anlagen, z. B. Tierhal- werden kann, zu ermitteln bzw. festzulegen oder
tungs- und Kompostierungsanlagen, sind nicht als sonstige Empfehlungen zur umweltmedizinischen
Bestandteil der natürlichen Hintergrundkonzentra- Bewertung zu treffen.
tion zu werten. Demnach ist bei der Erfassung der
7 Umweltmedizinische Bewertung
Hintergrundkonzentration eine unmittelbare Beein-
flussung durch solche anthropogen erzeugten Für eine umweltmedizinische Bewertung werden
Emissionen zu vermeiden. die in Lee einer Anlage ermittelten Immissions-
konzentrationen anlagenbezogener Bioaerosole mit
Ermittelte Hintergrundkonzentrationen sind daher
den jeweiligen Hintergrundkonzentrationen vergli-
grundsätzlich einer Plausibilitätsprüfung zu unter-
chen.
ziehen. Wird, z. B. in einem Bereich mit einer ho-
hen Anzahl von Anlagen auf engstem Raum, eine Die Auswahl der zu bestimmenden Parameter rich-
Hintergrundkonzentration ermittelt, die als höher tet sich nach Tabelle A1 in Anhang A.
als üblich einzustufen ist und somit eine Beeinflus- Ist die in Lee durch Messungen oder bei geplanten
sung durch Bioaerosolbeiträge aus gewerblichen/ Anlagen durch Prognosen ermittelte Immissions-
industriellen Emissionsquellen anzunehmen ist, konzentration gegenüber der Hintergrundkonzen-
kann eine solche nicht zur Bewertung herangezo- tration (arithmetischer Mittelwert plus zweifache
gen werden. Ein Kriterium, ob eine Hintergrund- Standardabweichung) erhöht, so ist diese als um-
konzentration als „erhöht“ einzustufen ist, ist bei- weltmedizinisch unerwünscht zu bezeichnen, ohne
spielsweise der Nachweis anlagenspezifischer Ein- dass dabei das Gesundheitsrisiko quantifiziert wer-
zelspezies (Leitparameter in Anhang A). Diese den kann. Es liegt ein relevanter negativer Um-
sind im natürlichen Hintergrund mit den bisher welteinfluss vor. Aus Gründen der Vorsorge sind
standardisierten Verfahren (Richtlinienreihen über der Hintergrundkonzentration erhöhte Bioae-
VDI 4252 und VDI 4253) nicht nachweisbar. Im rosolkonzentrationen zu vermeiden oder zu ver-
Fall der Überschreitung der natürlichen Hinter- mindern.
grundkonzentration sollte eine Einzelfallprüfung
Entwurf VDI 4250 Blatt 1 –9–
Bei der Bewertung spielen insbesondere anlagen- ist erforderlich, wenn hierfür Hinweise vorliegen.
bezogene Leitparameter eine Rolle, die hinsichtlich In einer summarischen Betrachtung sind alle vor-
ihres gesundheitsgefährdenden Potenzials qualita- liegenden einzelnen Hinweise zu prüfen. Einzelne
tiv beschrieben sind und natürlicherweise im Hin- Hinweise für eine Prüfung auf Bioaerosolbelastun-
tergrund kaum oder in geringer, wenig variierender gen sind z. B.:
Konzentration vertreten sind.
x geringer Abstand zwischen Wohnort/Aufent-
Für Messparameter, deren Hintergrundkonzentrati- haltsort und Anlage (Beispiele: < 500 m zu
on nach vorliegenden Erkenntnissen jahreszeitlich Geflügelhaltungsanlagen, Schafhaltung in
kaum variiert, kann die Hintergrundkonzentration Q-Fieber-Gebieten, halboffenen und offenen
als „Aufmerksamkeitswert“ definiert werden. Kompostanlagen; < 350 m zu Schweinemastbe-
Der Aufmerksamkeitswert entspricht dem arithme- trieben; < 200 m zu geschlossenen Kompostan-
tischen Mittelwert von gemessenen Hintergrund- lagen)
konzentrationen zuzüglich zweifacher Standard-
abweichung. x ungünstige Ausbreitungsbedingungen, z. B.
Kaltluftabflüsse in Richtung der Wohnbebau-
Aus den vorliegenden Erkenntnissen zu Hinter- ung
grundkonzentrationen für die Schimmelpilz-
Gattung Aspergillus, die geringe jahreszeitliche x weitere Bioaerosolemittierende Anlagen in der
Schwankungen aufweisen, kann wegen dieser ge- Nähe
ringen natürlichen Variation ein Aufmerksam- x empfindliche Nutzungen (z. B. Krankenhäuser)
keitswert von 1 × 102 KBE/m3 angegeben werden. x gehäufte Beschwerden der Anwohner über ge-
Dies entspricht etwa den durchschnittlichen Hin- sundheitliche Beeinträchtigungen
tergrundkonzentrationen zuzüglich zweifacher
Die unter dem ersten Spiegelpunkt genannten Ent-
Standardabweichung, wie sie beispielsweise bisher
fernungsangaben sind nicht als Mindestabstände zu
in Baden-Württemberg gemessen wurden (Mittel-
verstehen. Auf die Festlegung solcher Abstände
werte aus 19 Messtagen bei 24-Stunden-Probe-
wird verzichtet, weil auch über die o. g. beispiel-
nahme, Doppelbestimmungen nach standardisier-
haften Abstände hinaus noch relevante Konzentra-
ten Verfahren im Frühjahr, Sommer und Herbst
tionen von anlagenspezifischen Bioaerosolen auf-
2003 an einem ländlichen Standort in der Nähe von
treten können.
Karlsruhe) [28; 29].
Liegen im Ergebnis Hinweise für eine Prüfung auf
eine Bioaerosolbelastung vor, wird die Zusatzbe-
8 Anwendung der umweltmedizinischen
lastung (ZB) durch die geplante Anlage mittels
Prüfung
einer Ausbreitungsrechnung bestimmt und/oder
Mit dem in Abschnitt 7 genannten Bewertungsan- eine Ermittlung der Gesamtbelastung (GB) durch
satz wird gezeigt, wie eine umweltmedizinische eine Immissionsmessung in Lee durchgeführt.
Bewertung von Bioaerosol-Immissions-Konzen- Letzteres ist nur bei bereits bestehenden Anlagen
trationen an Anlagen vorgenommen wird. Neben bzw. Quellen möglich. Zudem sind jeweils Mes-
dem Wie ist es erforderlich zu wissen, wann eine sungen der Hintergrundkonzentrationen in Luv der
solche Beurteilung zu erfolgen hat. Hierüber gibt Anlage vorzunehmen.
das umweltmedizinische Prüfschema (Anhang B)
Bei geplanten Anlagen ergibt die Addition der per
Auskunft.
Ausbreitungsrechnung ermittelten Zusatzbelastung
Voraussetzung für eine umweltmedizinische Be- mit der Hintergrundkonzentration die zu erwarten-
wertung ist, dass exponierte Schutzgüter vorhan- de Gesamtbelastung (GB).
den sind, das heißt eine Exposition des Menschen Voraussetzung für die Durchführung einer Aus-
zu erwarten ist. Dies ist dann der Fall, wenn sich in breitungsrechnung ist, dass geeignete Eingangsda-
der Umgebung von Anlagen oder sonstigen Quel- ten (vor allem Quellstärken, Emissionsfaktoren,
len Personen nicht nur vorübergehend aufhalten. Partikelgrößenverteilungen der Bioaerosole) und
Anlagen und sonstige Quellen sind gemäß Tabel- validierte Modelle vorliegen.
le A1 in Anhang A abfallwirtschaftliche Entsor-
Für die Untersuchung bereits bestehender Anlagen
gungsanlagen, Anlagen im Bereich Landwirtschaft
wird die Planung und Durchführung von anlagen-
und Lebensmittelproduktion sowie bei den sonsti-
bezogenen Immissionsmessungen in Richtlinie
gen Quellen beispielsweise Kläranlagen, Kühltür-
VDI 4251 Blatt 1 beschrieben.
me, Klimaanlagen oder Verwertungsanlagen im
Bereich Papier, Textilien und Holz. Grundsätzlich sind für bestehende wie auch für
geplante Anlagen die in Anhang A aufgeführten
Eine Prüfung, ob gesundheitliche Beeinträchtigun- anlagenbezogenen obligaten Messparameter zu
gen durch Bioaerosole von einer Anlage ausgehen,
– 10 – VDI 4250 Blatt 1 Entwurf
ermitteln. Falls allerdings plausibel begründet wer- Das umweltmedizinische Prüfschema (Anhang B)
den kann, dass die Ermittlung bestimmter Parame- sieht im Anschluss an die Ermittlung der Bioaero-
ter im konkreten Fall nicht zielführend ist, kann solkonzentration einen Bewertungsschritt vor.
auf dessen Bestimmung verzichtet werden. Dies Danach ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung
betrifft v. a. die Parameter „Gesamtpilzzahl“ und durch Bioaerosole nicht anzunehmen, wenn die
„Gesamtbakterienzahl“. So dürfte beispielsweise Immissionskonzentration (GB) kleiner oder gleich
die Bestimmung der Gesamtpilzzahl bei Tierhal- der lokal gemessenen Hintergrundkonzentration
tungsanlagen entbehrlich sein, wenn diese ohne oder dem Aufmerksamkeitswert ist.
Einstreu betrieben werden. Überschreitet die Immissionskonzentration (GB)
Nach Umweltbundesamt [30] und Hartung et al. die lokal gemessene Hintergrundkonzentration
[31] können Ausbreitungsmodelle eine Hilfe sein, (arithmetischer Mittelwert plus zweifache Stan-
um die Ausbreitung von Bioaerosolen abzuschät- dardabweichung) bzw. den Aufmerksamkeitswert,
zen. Auch die Richtlinie VDI 4255 Blatt 2 erwähnt ist diese als umweltmedizinisch unerwünscht anzu-
neben der Messung der Bioaerosol-Immissionen sehen. Es sind dann Emissionsminderungsmaß-
die Prognose per Ausbreitungsrechnung als In- nahmen zur Einhaltung der Hintergrundkonzentra-
strument zur Ermittlung der Immissionsbelastung tion unter Beachtung des Grundsatzes der Verhält-
durch Bioaerosole. Im Einzelfall können die bishe- nismäßigkeit durchzuführen.
rigen Ergebnisse der Ausbreitungsrechnung aller- Ergibt sich nach der Ermittlung der Bioaerosol-
dings erheblich von den Messergebnissen im Feld Immissionen und einer nach Abschnitt 7 vorge-
abweichen [31]. nommenen Bewertung die Notwendigkeit, Abluft-
Insgesamt sind zur Fortschreibung der Qualität von reinigungsmaßnahmen festzulegen, stehen für den
Ausbreitungsmodellierungen für Bioaerosole zu- Bereich der abfallwirtschaftlichen Entsorgungsan-
künftig verbesserte Emissionsdaten, insbesondere lagen die in Richtlinie VDI 4255 Blatt 1 in Ab-
zu anlagenbezogenen Messparametern erforder- schnitt 4.1 beschriebenen Verfahren zur Verfü-
lich. Die Rahmenbedingungen für die Ausbrei- gung. Für den Bereich der landwirtschaftlichen
tungsmodellierung werden in Richtlinie VDI 4251 Nutztierhaltung werden in Richtlinie VDI 4255
Blatt 3 (in Vorbereitung) beschrieben. Blatt 2 in Abschnitt 6 Emissionsminderungsmaß-
nahmen in der Tierhaltung und deren Effektivität
beschrieben.
Entwurf VDI 4250 Blatt 1 – 11 –
Bioaerosolemittierende
Anlage oder sonstige Quelle
ja ja
Immissionskonzentration (GB)
Hintergrundkonzentration oder
ja
Aufmerksamkeitswert
nein
Emissionsminderungsmaßnahmen zur
Einhaltung der Hintergrundkonzentration
a)
Der Messumfang richtet sich nach VDI 4251 Blatt 1.
b)
Die Auswahl der zu bestimmenden Parameter richtet sich nach Tabelle A1 in Anhang A.
– 16 – VDI 4250 Blatt 1 Entwurf