EO (2022)
Ganz ohne Anthropomorphismen geht’s nicht. Fremdverstehen als Horizontverschmelzung hat ihre Grenze an unserer Imagination, Einfühlung bleibt gekettet an die Einfühlenden als Ausgangspunkt. Wenn ein Film uns also tierische Erfahrungswelten vermitteln will, wird er uns entgegenkommen müssen, und wo er das nicht tut, leistet das Publikum den Anthropomorphismus durch Projektion eben selbst. Nichtsdestotrotz schießt Skolimowskis EO (der Film) nicht selten übers Ziel hinaus: EO (der Esel) muss weinen, wenn er seiner Besitzerin entrissen wird, er träumt von der Freiheit, die er in galoppierenden Pferden erblickt, und er blökt erbost, wenn er Fische in Aquarien gefangen sieht. Es reicht Skolimowskis tierethischem Plädoyer nicht aus, dass ein leidendes Tier unsere Empathie ohnehin stets herausfordert, EO muss zugleich nachvollziehbarer Protagonist seiner eigenen kleinen Passionsgeschichte sein.
Klug ist demgegenüber die Entscheidung, den Film episodisch anzulegen, aber auf den narrativen Kitt zwischen den einzelnen Episoden zu verzichten: Wieder und wieder landen wir mit EO in Situationen, ohne das Wie und Warum zu kennen, und nähern uns so vielleicht tatsächlich der Unverständlichkeit menschlichen Treibens für das Eselchen an - und so auch der Ungerechtigkeit dessen, was ihm widerfährt. Denn von was in diesen Miniaturen ab einem gewissen Punkt mit zunehmender Verlässlichkeit erzählt wird, sind stets menschliches Versagen, Grausamkeiten und Barbarei. Das Zivilisationsbild, das Skolimowski zeichnet, könnte in seinem Pessimismus plumper nicht sein, und dafür ist dann auch jede konstruierte narrative Wendung recht. Hier ebenso wie beim Soundtrack wird auf den rhetorischen Vorschlaghammer gesetzt, wo etwa Bressons Zum Beispiel Balthasar, der für EO offensichtlich Pate stand, durch seine karge Stilisierung umso stärker und erhabener wirkte.
Am meisten überzeugt EO (der Film) folgerichtig dann, wenn weder Menschen zu sehen sind, noch gesprochen wird. Der gelegentlich freischwebenden Kamera, die Terrence Malicks Werkzeugkiste entsprungen sein könnte, ist ein ästhetischer Wert ebenso wenig abzusprechen, wie den in aggressives Rot getauchten, formal noch experimentelleren Sequenzen. Sehenswert ist der Film daher schließlich doch, schon allein für eine dieser Szenen, die gerade nicht die Perspektive des Esels ins Zentrum stellt, sondern eines vierbeinigen Roboters. Die Äquivalenz, die sich hier andeutet, hätte vielleicht zu einem interessanteren Film führen können. Letztlich ist aber auch gegen den einfachen, auch manipulativen, dafür formal innovativen Film, der EO geworden ist, nicht allzu viel einzuwenden. Wer will diesen Eselsaugen schon böse sein.