Better Man (2024)
Better Man bedient nicht wenige jener Klischees, aufgrund derer sich das Musik-Biopic zu einem gleichermaßen gähnend langweiligen wie verblüffend preisträchtigen Genre entwickelt hat: der Informationsgehalt ist in etwa einem Wikipedia-Artikel äquivalent, aus dem eine altbekannte Dramaturgie um Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg gestrickt wird, welche mit Koks, fiesen Produzenten und tränenreichen Konflikten gespickt ist. Und doch gelingt es dem Robbie Williams-Biopic mittels britischer Alchemie irgendwie, diese seine Schranken zu überwinden und zu einem häufig originellen, selbstreflektierten und hoch unterhaltsamen Vertreter seines Genres zu werden.
Dies liegt einerseits an der Inszenierung unter der Regie Michael Graceys, dem nach dem scheußlich süßlichen The Greatest Showman musikalisch immerhin ein kleiner Aufstieg vergönnt ist (von der blechernen Fusion aus Fall Out Boy und Broadway zu Williams’ gefälligem Bombast-Pop). Seine Kamera wirbelt mit körnigen Aufnahmen durch Musical-Sequenzen, die gelegentlich tatsächlich aufwändig choreographiert und wunderbar getanzt sind und stets mehr von ihren visuellen Ideen zu leben scheinen als vom Zwang, noch den nächsten bekannten Hit integrieren zu müssen. Besonders hervorzuheben ist dabei die Leistung des Schnitts, der immer wieder fließende Verbindungen zwischen Gegenwart und Zukunft, Fantasie und Wirklichkeit schafft und die zusammengestückelten Anekdoten so zu einem kontinuierlichen Sog zusammenschließt oder in seinen besten Momenten fulminant rasante Montagesequenzen bildet. Diesen Reizüberflütungs-Stil bis zur Reizüberflutung krönt Better Man mit einem blutigen Höhepunkt, welcher auch die letzten Erwartungen sprengt, die man an einen Film über Mütter-Liebling Robbie Williams haben könnte.
Von dieser zweifellos auch zum kitschigen neigenden Inszenierung abgesehen hebt den Film von bereinigten Genrekollegen wie Bohemian Rhapsody aber vor allem seine konsequente Weigerung ab, seinen Protagonisten zu glorifizieren (umso erstaunlicher, da dieser noch am Leben ist und sich hier selbst spielt). Better Man lässt kaum einen Zweifel daran, dass Robbie Williams nicht aufgrund von Talent, Leidenschaft oder wichtigen Botschaften zum Popstar wurde, sondern durch puren, ungebändigten Geltungsdrang in den britischen Promi-Olymp aufgestiegen ist und dort - wie könnte es anders sein - seine tiefe spirituelle Leere nicht füllen kann. Ein klassisches, wenngleich ziemlich eindeutiges, Psychodrama über einen Narzissten mit Vaterkomplex, der seinen tief sitzenden Selbsthass mit vulgären Posen überspielt und in Drogen ertränkt. Ach ja, und ein CGI-Schimpanse ist er auch, was aber nach wenigen Minuten kaum noch auffällt. Und wenn das heute der Preis für ein Musical ist, das an ein Meisterwerk wie All That Jazz zumindest zu erinnern vermag, dann bin ich gerne bereit, diesen zu zahlen.