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Homologie von QPhy–Systemtheorie–SyA

2020, Springer eBooks

Mit diesem Kapitel werden die Ergebnisse von der analogen bzw. metaphorischen Interpretation quantenphysikalischer Bezüge zu einer realen Interpretation überführt. Gleichzeitig wird die Antwort auf die letzte Säule, Säule 12 ‚Homologer Zusammenhang von Quantenphysik, Systemtheorie und SyA', herausdestilliert. Als Ergebnis erhält der zweite Teil des Titels dieser Forschung-‚ein naturwissenschaftlich begründetes Erklärungsmodell'-und damit die 1. Hauptkategorie ‚wissenschaftliche Legitimation', eine Verdichtung der gewonnenen Erkenntnisse. 239 Der Begriff der Homologie geht auf Richard Owen zurück (Zrzavý u. a. 2013: 170). Homologe Merkmale entspringen einer gemeinsamen Wurzel (ebd. 168). Sie sind aufgrund dessen verwandt und tragen die gleiche Information in sich. Wichtig dabei ist, dass sie sich nicht zwangsläufig ähneln müssen, sondern aufgrund unterschiedlicher Anpassung sich auch strukturell und funktionell unterscheiden können (ebd.). Im Gegensatz dazu stehen analoge Merkmale. Letztere haben sich unabhängig voneinander entwickelt, wodurch sie keine gemeinsame Information und Wurzel teilen.

Ontologische Homologie

So wurde in der hier vorliegenden Forschung herausgearbeitet, dass die von Lebewesen verarbeitete Information sowohl die gleichen Quellen, die gleichen Träger (Quanten und EM-Wellen) als auch die gleichen Übertragungswege verwenden, wie sie auch auf der Mikroebene -der Welt der Physik -untersucht werden; Informationen, die auf Quantenebene codiert sind, in den Genen und Zellen gespeichert und bis in unser Gehirn wirksam werden. Hier sei an die topologischen Energiebänder (siehe Kap. 8.1.1.4) und Frequenzunterschiede erinnert Es darf somit von einer gemeinsamen Grundstruktur und von gemeinsamen Prozessen für unterschiedlichste Entitäten ausgegangen werden.

Funktionale Homologie

Hier lassen sich zumindest zwei funktionale Zusammenhänge unterscheiden: a) Die Elementarebene, auf der die Quantenprozesse vom isolierten Quant bis in die informationsverarbeitenden Zentren lebender Systeme die gleichen Funktionen abbilden, um vergleichbare Ergebnisse zu produzieren (siehe phänomenologische Experimente zur Verschränkung und Nicht-Lokalität). b) Die mathematische Betrachtung. Verwiesen wird auf Kap. 5.3.6, die generalisierte Quantentheorie (GQT), deren mathematische Form sich identisch zur Quantentheorie darstellt und auf soziale Systeme bezogen wird. Genauso besitzt der Formalismus aus der Informationstheorie (Kap. 4.2) Gültigkeit für alles, was mit Informationsübertragung zu tun hat. Ein weiteres Beispiel wird im Weiteren vorgestellt. Insofern darf wohl von der Existenz einer funktionalen Grammatik gesprochen werden.

Konzeptionelle Homologie

Drittens, und das ist das Relevante in diesem Kapitel, wird auch eine konzeptionelle Homologie deutlich, ohne die weder Systemtheorie noch SyA und vermutlich auch wesentliche Entwicklungen in der Quantenphysik nicht denkbar gewesen wären. Es wird deutlich, dass sich die drei Konzepte wechselseitig hervorbringen und gegenseitig befruchten.

Wie aus den vorangegangenen Kapiteln zu entnehmen war, lassen sich viele Gemeinsamkeiten zwischen Quantenphysik und SyA entdecken. Wenngleich immer wieder mal kurz thematisiert und vor allem im VUCA-Kontext eingeführt, fehlt tatsächlich noch eine vertiefende Kopplung zu einem weiteren theoretischen Ansatz, nämlich dem der Systemtheorie. Wie wir gleich sehen werden, decken sich Geschichte und ihre Prinzipien nahtlos mit den beiden anderen. Deutlich wird auch, dass die Entwicklung der drei Disziplinen intensiv miteinander gekoppelt ist und von daher nicht nur analogen Charakter, sondern einen homologen aufweist.

Verbundene Entwicklungsgeschichte

Beginnen wir mit der Historie, so lässt sich konstatieren, dass es sich bei allen dreien um recht junge Disziplinen handelt, die alle ihren Ursprung im 20. Jahrhundert haben (Tab. 18). Zum Zweiten sind zumindest Quantenphysik und Systemtheorie innerhalb ihrer Disziplinen nachhaltig prägend gewesen und läuteten jeweils einen Paradigmenwechsel ein. Vereinfacht lässt sich zusammenfassen, dass die Welt danach nicht mehr getrennt, sondern nur noch in Beziehungen und Wechselwirkungen interpretiert werden konnte. 1950-19901975 Ihre homologen Beziehungen auf der konzeptionellen Ebene sind in Abb. 100 dargestellt und werden im Folgenden beschrieben.

Abb. 100 | Homologe Verbindungen zwischen Quantenphysik-Systemtheorie-SyA (eigene Darstellung). Quantenphysik, Systemtheorie und SyA weisen gemeinsame konzeptionelle Ansätze auf, die sich historisch wechselseitig hervorgebracht haben und aufeinander aufbauen.

Quantenphysik

Auch wenn die Entwicklung der Quantenphysik bei weitem noch nicht abgeschlossen scheint, so lassen sich doch einige relevante Zeiträume bestimmen, in denen wesentliche Theoriekonzepte reiften. Die folgenden Phasen sind subjektiv unterschieden, entsprechend den für diese Arbeit relevanten Theorieentstehungen. Kybernetik (Bertalanffy 1968). Allerdings speist sich die moderne Systemtheorie heute nicht mehr nur aus der Kybernetik, die kurz vorher ihren Durchbruch erzielte, sondern baut auf weitere unterschiedlichste Ansätze. In Anbetracht dessen, dass die im Folgenden aufgeführten Ansätze relativ zeitgleich entstanden, kann wohl angenommen werden, dass sie sich gegenseitig inspirierten. Dies scheint besonders vor dem Hintergrund plausibel, dass sich zahlreiche dieser Protagonisten auf den Macy-Konferenzen (1946-1953 (Haken u. a. 2016: 14), in dem stabile Kohärenzen auch bei Umgebungsbedin-gungen realisiert werden. Der Physiker Hermann Haken konnte mithilfe der ‚Theorie der Selbstorganisation von Nichtgleichgewichtssystemen' eine passende Interpretation des Laserprinzips entwickeln (Haken u. a. 2016). Aus dieser Arbeit entstand die von ihm begründete Synergetik. Unter Synergetik versteht man die "Lehre vom Zusammenwirken. Was verbindet die Physik, Chemie und Biologie?" (ebd. IX); ein von H. Haken 1971 veröffentlichter Ansatz zu einer allgemeinen Theorie der Selbstorganisation, der sich auf makroskopische Musterbildung bezieht. Gegenstand ist die Untersuchung von strukturellen raumzeitlichen Selbstorganisationsprozessen (Musterbildungen) in makroskopischen, wechselwirkenden Vielkomponentensystemen 240 . Synergetik geht aus seiner Sicht weit über die Physik und andere Einzelwissenschaften hinaus, was sich durch Arbeiten in Chemie, Biologie, Neurologie (Modellierung des Gehirns), aber auch Soziologie 241 darstellen lässt (ebd. 21). Auch Haken unterscheidet wie Wiener, Weizsäcker und Görnitz (Kap. 4.2) zwischen Materie, Energie und Information, die übertragen werden können oder sich gegenseitig beeinflussen (ebd. 3 und 21). In seiner Lehre gibt es keine Einschränkung auf bestimmte Elemente, die in Wechselwirkung treten. Wichtig ist nur, dass sie in komplexen, dynamischen Systemen zusammenwirken wie beispielsweise Moleküle, Zellen und Menschen. Es geht um allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien, wie sie im Kap. 7‚Auf dem Weg zu einer neuen Theorie', zum Ausdruck kommen. Auch dort werden Physik, Biologie, Neurologie, Psychologie und Soziologie übergreifend gedacht. Haken lieferte für solche zusammenwirkende Phänomene eine einheitliche mathematische Beschreibung 242 . Aus dieser Perspektive heraus wird Synergetik nicht mehr als Naturwissenschaft verstanden, sondern als ‚Strukturtheorie' (Haken u. a. 2016: 45), durchaus vergleichbar mit dem Ansatz der ‚systemischen Struktur-Aufstellungen' von Kibéd und Sparrer.

Damit war neben Bertalanffy (1968) und Wiener (Kap. 4.2.2.6) ein weiter Physiker auf dem Weg, unterschiedlichste Welten zusammen zu bringen. Basierend auf diesen historischen Zusammenhängen darf ein homologer Entwicklungsprozess formuliert werden, in dem die Entwicklungen von Quantenphysik und Systemtheorie in keiner Weise unabhängig voneinander abliefen, sondern wie seinerzeit Pauli (Wechselwirkung zwischen Geist und Materie) und C.-G. Jung (Synchronizität) (Peat 1992), sich gegenseitig befruchteten. So betrachtet, lässt sich meine Arbeit als Fortsetzung seiner Bemühungen interpretieren.

Neben der ‚Strukturtheorie', basierend auf dem Modell der Synergetik, muss noch auf ein zweites wesentliches Konzept im Rahmen der Systemtheorie hingewiesen werden -dem Konstruktivismus (Watzlawick 2005;Foerster und Pörksen 2001;Simon 1998;Glasersfeld und Schmidt 1997;Watzlawick 1986). Nicht die strukturellen Zusammenhänge sind im Konstruktivismus Thema, sondern erkenntnistheoretische (epistemologische) Fragestellungen. Es geht also darum, wie beobachtende Systeme zu Abbildungen des Beobachteten und zu Erkenntnissen gelangen. Zentral ist dem Konstruktivismus das Abhandensein eines objektiven ‚Wissenkönnens', womit wir wieder bei der Beobachter-und Messproblematik angekommen sind. Fischer führt dazu in seiner Einleitung aus: "Wir erzeugen die uns bekannte Welt mithilfe mentaler Operationen (inferentieller Prozesse), mithilfe unserer Begriffe -d.h., die Idee von einer gegenüber unseren Vorstellungen unabhängigen Welt [...]

System-Aufstellungen

Wie bereits im Kap. 3.3.1 ‚SyA -eine kurze Einführung und Orientierung' ausgeführt, lässt sich ihr Beginn auf die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts datieren. Auffallend in ihrer Entstehungsgeschichte ist der eindeutig systemtheoretische Schwerpunkt ihrer Herkunft. Psychodrama und Soziometrie, Familienrekonstruktion und -skulpturarbeit, kontextuelle Therapie und Hypnotherapie lassen sich im überwiegenden Maße dem systemischen Verständnis zuordnen.

Waren die wesentlichen Vorgehensweisen und Spielregeln bis Anfang 2000 herausgearbeitet, so lässt sich für die Folgezeit eine ungebremste kreative Expansion auf alle Lebensbereiche beobachten, die bis heute andauert. Wie in Kap. 3.3.3 bei den erstaunlichen Beispielen zu sehen war, wird mittlerweile auch kein Halt vor technischen Fragestellungen gemacht. Damit lässt sich konstatieren, dass bei SyA eine ähnliche Entwicklung wie in der Systemtheorie vollzogen wurde, die Ausdehnung auf oder die Integration aller natürlichen Systeme, wie sie Bertalanffy verstand (Bertalanffy 1968). Als Gemeinsamkeit darf ein großes Interesse an (Kommunikations-)Beziehungen herausgestellt werden, wie wir es insbesondere in den systemischen Ansätzen erleben bzw. strukturelle Ähnlichkeitssuche wie bei der Synergetik. Der Fokus wird auf das Zusammen-spiel der Elemente untereinander gelegt, mit dem Beobachtungsschwerpunkt, wie etwas (zusammen) funktioniert -oder eben nicht funktioniert. Damit stehen sie im Gegensatz zu klassischen Ansätzen der humanistischen Denkrichtung, in denen Beobachtungen darüber angestellt werden, wie ein Objekt (Person oder Sache) beschrieben werden kann. In diesen klassischen Ansätzen gerät das einzelne Element, mit all seinen Eigenschaften, in den Fokus. In der SyA hingegen gerät die Beziehung bzw. Wechselwirkung in den Mittelpunkt des Interesses. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass Beziehungen hier nicht nur die Beziehungen im untersuchten System, sondern auch die Verbindung zwischen Repräsentant und untersuchter Entität meint. Denn es gelingt offensichtlich auch, Aussagen über ontologische Gegebenheiten zu treffen und phänomenologische Zusammenhänge zu erfassen, die jenseits soziologischer Beziehungsfragen liegen.

Im Unterschied zur Quantenphysik und Systemtheorie können wir heute allerdings noch nicht auf eine geschlossene oder gar akzeptierte Theorie der SyA zurückgreifen, wobei wir bei genauer Betrachtung dies auch für die Quantenphysik nicht sagen können. Die Merkwürdigkeiten und Unerklärbarkeiten machten eine breite Akzeptanz der SyA schwierig und führten im Grunde zu einer Untergrundbewegung, die auf Basis ihrer überwältigenden Reproduzierbarkeit mittlerweile auf dem besten Wege ist, ihr Schattendasein aufzugeben und für alle sichtbar an die Oberfläche zu treten.

Verbindender Faden in der Entwicklungsgeschichte

Betrachtet man die Zeiträume, die die Quantenphysik, Zeh's Dekohärenztheorie oder letztlich auch die Systemtheorie benötigten bis sie breitere Akzeptanz erhielten, so scheint die Methode der SyA in guter Gesellschaft zu sein. Lässt man sich darüber hinaus auf den Versuch ein, einen gemeinsamen roten Faden in ihren Entwicklungsgeschichten zu finden, gelingt auch diese Konstruktion überraschend klar (siehe Abb. 100).

Konkret wird dies noch an diesem Beispiel: Sowohl in der Physik als auch in der Biologie scheinen bei Systemen fern von Gleichgewichten die Phasenübergänge eine zentrale Rolle zu spielen; ein Umstand, der Einzug in die Systemtheorie und die Synergetik gefunden hat. Bestehorn stellt dazu fest: "dass ganz verschiedene Instabilitätsmechanismen dieselben typischen Grundmuster in der Nähe von Phasenübergängen bewirken können" (Bestehorn 2002: 18), die "sich durch wenige Größen quantitativ beschreiben" lassen (vgl. ebd.). Mit dem ‚Versklavungsprinzip' aus der Synergetik, bei dem nur wenige sogenannte ‚Ordnungsparameter' ausreichen, um die Dynamik und das Verhalten eines Systems zu bestimmen, ist ein Prinzip beschrieben, das auch auf SyA anwendbar erscheint. SyA sind ebenfalls Systeme fern von Gleichgewichtszuständen. Mit der Ausrichtung auf eine spezifische Frage lässt sich systemisch diese spezifische Frage als Ordnungsparameter interpretieren, der das System dazu bringt, sich in bestimmter Weise, der Antwort entsprechend zu verhalten. Die vielen möglichen Zustandsvariablen Ψ � , die zu den Eigenmodi des Systems gehören, werden durch die Frage F zu einem Ordnungsparameter Ψ � (vgl. ebd. 21-22): Diese strukturelle Vergleichbarkeit in der Wortwahl als auch im mathematischen Formalismus veranschaulicht sehr schön die gemeinsamen Wurzeln und daraus abgeleiteten Prinzipien und damit die Homologie der drei Disziplinen Quantenphysik-Systemtheorie-SyA auf konzeptioneller Ebene.

An dieser Stelle sei nochmal an die Arbeiten von Wilczek, Kosterlitz/Thouless und Haldane erinnert (Kap. 8.1.1.4 und in der Conclusio 8.1.1.6), die auf der ontologischen und funktionalen Ebene die Phasenübergänge und ihren Einfluss auf Informationsspeicherung beschrieben. Deutlich wurde, dass bereits die Änderung nur eines Spins nachhaltigen Einfluss auf das Verhalten eines Gesamtsystems bewirken kann. Damit wird ebenfalls deutlich, dass der Ansatz von Haken, mit den wenigen Ordnungsparametern, sowohl auf der Elementarebene als auch auf makroskopischer Ebene Relevanz aufweist. Nicht-Gleichgewichtssysteme sind anfällig für kleinste Änderungen. Ein solches Nicht-Gleichgewichtssystem stellt unser Gehirn dar, weshalb es auch Berücksichtigung in der Synergetik findet. Konsequenterweise vermag eine Informationsänderung mit einer damit einhergehenden Spinänderung in den Neuronen bereits den Impuls für eine mentale und körperliche Wahrnehmung liefern. Die ‚Information' stellt damit einen Ordnungsparameter dar. Denn eine neuronale Reaktion kann derzeit nur als Folge einer ontologischen und funktionellen Kopplung gedacht werden, was bedeutet, dass entsprechende Relationen auf gespeicherte und codierte Informationen zurückgreifen und mit diesen kompatibel sein müssen.

Hat die Quantenphysik die Grenzen der klassischen Physik mit ihrer isolierten Betrachtung aller Entitäten überwunden und den Bogen zu einem Gemeinsamen mit dabei auftretenden Wechselwirkungen gespannt, so konnte ein Biologe mit starkem Physikbezug diese Bewegung fortführen. Als Ergebnis, so scheint es, wurden die aus der Quantenphysik heraus begründeten ‚Beziehungen' und ‚Prinzipien' auf alle möglichen Wissenschaftsbereiche ausgerollt. Fortan revolutionierte die Systemtheorie das Denken von Forschern unterschiedlichster Fachbereiche, so wie es die Quantenphysik in ihrem Feld bewirkt hatte. Verfolgt man den Zeitverlauf, so kann durchaus angenommen werden, dass das von Bertalanffy (Bertalanffy 1968) auf offene Systeme ausgedehnte Konzept der Beziehungen und das darauf aufbauende system-und strukturtheoretische Denken letztlich wieder auf die Modelle der Quantenphysik zurückwirkten. Klar sichtbar wird dies in der Entwicklungsgeschichte der Synergetik und des daraus resultierenden Lasers. Das Denken in Zusammenhängen und Wechselwirkungen einmal losgetreten, entwickelte sich ungebremst fort und war auch in den therapeutischen Schulen nicht mehr aufzuhalten. Schließlich emergierte eine Methode, die wirkungsvoll, verblüffend, nachhaltig und ziemlich verrückt daherkommt -die SyA; eine Methode, die auf ihre theoretische Erklärung wartet. Aber diese Zeit des Nicht-Erklärbaren sollte mit der vorgestellten Theorie vorbei sein. Die Gemeinsamkeiten und inneren Zusammenhänge zwischen SyA und Quantenphysik und der gut beschreibbare Prozess von der Mikrowelt zur Makrowelt Mensch führen zu einer mehr als plausibel erscheinenden Verbindung.

Der Umstand, SyA nicht aus der Systemtheorie heraus erklären zu können, zwingt uns, den Blick zu weiten. Aus Ermangelung an anderweitigen, brauchbaren Modellen führt dieser Blick letztlich wieder zurück zur Quantenphysik, da sich strukturelle, als auch funktionelle Ankopplungen nahezu aufdrängen. Diese Rückbezüglichkeit zur Quantenphysik führt allerdings ein Paket mit sich, das unser Verständnis über die angebliche Unverständlichkeit der Quantenphysik nachhaltig tangieren kann. In jedem Fall tangiert es unser Verständnis über die Interaktionsmöglichkeiten zwischen lebenden Systemen und der Mind-Matter-Interaction. Von daher darf angenommen werden, dass der Entwicklungsprozess, der sich aus der Quantenphysik heraus auf Systemtheorie bis hin zur SyA erstreckte, nun eine Bewegung zurück zur Quantenphysik vollzieht und damit einen vollständigen zirkulären Prozess repräsentiert. Unklar bleibt noch, welche emergenten Phänomene aus diesem zirkulären Prozess hervorgehen können und welche Phasenübergänge in welcher Disziplin tangiert werden.

Gemeinsame Prinzipien und Zusammenhänge

Zunächst wird der Versuch einer Destillation zentraler Prinzipien und Zusammenhänge unternommen, die der Quantenphysik, Systemtheorie und SyA gemeinsam sind. Sie dürften sich ganz im Sinne von Bertalanffy (1968) und Haken u. a. (2016) bewegen. Auf einige davon wird im Folgenden etwas detaillierter eingegangen: 1. Natürliche Systeme sind offene komplexe Systeme (mit Gesetzmäßigkeiten, die sich auch in anderen komplexen Systemen wiederfinden) 243 . 2. Systemgrößen existieren nur in Abhängigkeit von anderen Größen. Wüsste man nicht, dass diese in Anführungszeichen geschriebene Definition von einem Mediziner und einem Soziologen mit systemischem Background geschrieben wurde, würde man sie sofort der Quantenphysik zuordnen. Die Parallelität und homologe Verbindung zur Quantenphysik sind offensichtlich und mithin auch ihre Gegensätzlichkeit zur klassischen Physik, als auch zur humanistischen Psychologie.

Individuelle Gesamtheiten (Systeme als Untersuchungsfokus

Beobachtungssituation hat Konsequenzen

Genauso wie in der Quantenphysik wird auch in der Systemtheorie der Beobachter mit in das Ergebnis einbezogen. Aus einer ursprünglichen Quantenphysik 1. Ordnung, bei der Born und Pauli die gemessenen Eigenschaften nur dem Quantensystem zuschrieben, hat sich schließlich eine Quantenphysik 2. Ordnung entwickelt, bei der der Beobachter mitberücksichtigt werden muss (siehe Kap. 8.3 das Messproblem). In der Systemtheorie entspricht dies der Entwicklung einer Systemtheorie 2. Ordnung. In ihr wird der Selbstbezüglichkeit Rechnung getragen, dass nämlich der Beobachter (entsprechend auch der Theoretiker) seine eigenen Annahmen und Erklärungen im Gegenstand der Beobachtung (analog: in seiner Theorie) wiederfindet und erhebliche Schwierigkeiten hat aus dieser Zirkularität auszusteigen (Maturana 2000). Dem kann mit Maturana noch hinzugefügt werden: "Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt" (ebd. 25) und ist somit niemals objektiv, sondern immer nur subjektiv. Hier liegt das Konzept der Autopoiese (Maturana und Varela 1990) Entsprechend wurde in der Systemtheorie die ‚Beobachtung des Beobachters' eingeführt. Ziel ist das Erkennen von durch den Beobachter eingeführte Beeinflussungen oder von ihm selbst nicht wahrgenommene blinden Flecken. Die Quantenphysik hat bisher in weiten Kreisen einen anderen Weg gewählt, der sich mit dem Vorgehen der Systemtheorie 1. Ordnung allerdings wunderbar deckt. Beide blenden mögliche Wechselwirkungen vom beobachteten System mit der jeweiligen Umwelt einfach aus und damit auch die Beobachtung des Beobachters.

Mittlerweile ist wohl nicht mehr überraschend, dass sich das eben Gesagte auch bei SyA findet. Die Repräsentanten und Beobachter einer Aufstellung können nur nach ihrem eigenen Referenzrahmen das Geschehen verfolgen und interpretieren. Das beginnt auf der Ebene der Resonanzmuster, die durch Lernen und Erfahrung entwickelt wurden und unterschiedliche Sensitivität aufweisen und letztlich Neuronen zur Aktion veranlassen 244 . Auch der weitere Prozess lässt sich zweifelsfrei beschreiben. Die bewussten Wahrnehmungen in Form von Bildern, Körperphänomenen oder auch Ideen entsprechen genau den in der Systemtheorie angenommenen Zusammenhängen. "Alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt" (Maturana 2000: 25). Soll heißen, es gibt keine Möglichkeit die Aussagen als objektive Tatsachen zu begreifen, sondern nur als Ausdruck der dem Beobachter innewohnenden Möglichkeiten. Das, was sich durch den Repräsentanten zeigt, ist zunächst seine eigene Interpretation von etwas Wahrgenommenen und unterliegt schließlich auch der Interpretation der anderen Teilnehmer einer Aufstellungsgruppe. Im besten Fall entsteht so etwas wie eine intersubjektive Wahrnehmung, die von allen Beobachtern geteilt wird. Auch hier wäre es sinnvoll auf das Konzept der ‚Beobachtung der Beobachter' zurück zu greifen. Welches Wissen, welche Erfahrungen, welche Glaubenssätze oder einfach welche Vorlieben beeinflussen das Gesagte und verselbständigen sich in Form einer konstruktivistischen Wirklichkeitsbildung? Unter der wohl begründeten Annahme, dass wir zunächst tatsächlich auf vorhandene, abstrakte Informationen zurückgreifen, so sie schon existieren, benötigt es immer auch eine weitere Interpretation wie sie von Görnitz und Lucadou beschrieben werden. Damit besteht auch immer die Möglichkeit der Fehlinterpretation. Analog zu den QT-Experimenten, in denen der klassische Kanal den Bezug zur Ausgangssituation (in diesem Fall die richte Einstellung der Messapparatur) herstellt, ist bei der SyA eine Ankopplung an das Umfeld der Fallsituation ebenfalls sinnvoll.

Das Messproblem

In allen drei Forschungsdisziplinen finden wir bei Messungen die gleichen Strukturprobleme. Die untersuchten Systeme müssen zunächst von ihrem Umfeld isoliert werden, um Ergebnisse über das beobachtete System zu bekommen. Klassischerweise gehen die konventionellen Denkrichtungen dann davon aus, dass die Ergebnisse eine belastbare, objektive Aussage über das gemessene System liefern. Tatsächlich übersehen diese Denkschulen die äußerlich nicht sichtbaren Einflüsse, resultierend aus den Vorkontakten und damit Vorprägungen mit einem erweiterten Umfeld. Dieses Phänomen, das man in der Physik Verschränkung nennt, die aufgrund der Dekohärenz für das Auge des Beobachters verschwindet, aber deshalb nicht aufhört zu existieren, findet sich auch in der Systemtheorie und in der Aufstellung. Systemtheoretisch unterscheidet unser Bewusstsein ein System von seinem Umfeld. Einen Menschen kann man als Einzelperson beobachten, gleichwohl ist er in einen größeren Zusammenhang eingebettet -Familie, Gruppen, Organisation, Kultur etc. -die sein Verhalten maßgeblich mitbestimmen, für uns zunächst jedoch unsichtbar bleiben. Gleiches gilt für SyA. Das Ziel der Aufstellung bestimmt die Elemente der Aufstellung und das Thema, welches untersucht wird. Alle anderen Kontexte und Fragen bleiben ausgeklammert, ohne dass wir ihnen eine potentielle Wirkung absprechen können. Und dennoch können diese Kontexte Einfluss ausüben, beispielsweise durch die Intention eines Außenbeobachters oder der Aufstellungsleitung. Ein entsprechendes Experiment veranschaulichte dies (siehe Kap. 3.3.3), als ein Beobachter bei einer SyA, bei der es kein explizites Symptom gab, gerne sein eigenes körperliches Problem bearbeitet hätte. Sein klarer, aber verdeckter Wunsch übertrug sich sofort auf die Aufstellung. Der Stellvertreter für das Symptom und das noch mitaufgestellte Gerät entwickelten von Beginn an exakt die Symptome, die der Beobachter auch hatte. Erst im Nachgang zur Aufstellung wurde der Zusammenhang dem Beobachter selbst bewusst und als Lernthema in der Gruppe bearbeitet.

Zu dieser Strukturproblematik gehört ebenfalls das Verständnis über den Begriff ‚Kausalität'. In keinem der drei Themenkreise kann heute noch auf ein naives Kausalitätsverständnis zurückgegriffen werden. In der Quantenphysik haben der Zufall und der Einfluss des Beobachters Platz genommen. "Die Naturwissenschaft steht nicht mehr als Beschauer von der Natur, sondern erkennt sich selbst als Teil dieses Wechselspiels zwischen Mensch und Natur. Die wissenschaftliche Methode des Aussonderns, Erklärens und Ordnens wird sich der Grenzen bewusst, die ihr dadurch gesetzt sind, dass der Zugriff der Methode ihren Gegenstand verändert und umgestaltet, dass sich die Methode also nicht mehr vom Gegenstand distanzieren kann. Das naturwissenschaftliche Weltbild hört damit auf, ein eigentlich naturwissenschaftliches zu sein." (Heisenberg 1955: 21) und weiter: "Wenn von einem Naturbild der exakten Naturwissenschaft in unserer Zeit gesprochen werden kann, so handelt es sich also eigentlich nicht mehr um ein Bild der Natur, sondern um ein Bild unserer Beziehungen zur Natur" (ebd).

Bei Systemtheorie und SyA tritt der Beobachter deutlicher in den Mittelpunkt, als es derzeit noch in der Physik erkennbar ist. Verborgen bleibt, dass dessen Fokussierung letztlich auch nur eine eher zufällige Wahl darstellt. Kausale Zusammenhänge bzgl.

dieser Wahl der Fokussierung werden zwar angenommen, können einer genauer Betrachtung allerdings ebenfalls nicht standhalten. Beliebig kleine Impulse, ein Wort, eine Frage, die Tageszeit, eine ‚zufälliges' Geschehen im Umfeld und vieles mehr, eröffnen den Möglichkeitsraum auch für ganz andere Fokussierungen.

Lehre und Pragmatik des Funktionierens

Selbst im modernen Lernverständnis wird das Prinzip der ‚Selbstorganisation' (Entwicklungszeitraum 1960(Entwicklungszeitraum -1975 mittlerweile in den Mittelpunkt gestellt (Arnold und Erpenbeck 2016: 71). Dass dieses Prinzip in den Mittelpunkt rückte und eine wissenschaftliche Revolution auslöste, die nahezu alle Wissenschaftsdisziplinen erfasst, ist nach Ansicht der Autoren mit der ungeheuren Komplexität der Prozesse und der inneren Dynamik von lebenden Systemen zu erklären. Nach ihnen eignen sich die Denkwerkzeuge der Selbstorganisationstheorie am besten zur Beschreibung. Mit diesen Überlegungen betonen die Autoren "dass reale Prozesse in Natur oder Gesellschaft nicht mechanisch, kybernetisch oder selbstorganisativ ‚sind', sondern dass wir Mechanik, Kybernetik oder Selbstorganisationstheorie als Instrumente benutzen, um die Realität in irgend einer Weise zu ‚packen'" (ebd. 71). Konzepte, die auf der Selbstorganisationstheorie aufsetzen sind: (1) Theorie dissipativer Strukturen, (2) Theorie der Synergetik, (3) Chaostheorie, (4) systemtheoretisch-kybernetische Ansätze, (5) Theorie von Autopoiese und Selbstreferenzialität, (6) Theorie der Ökosystemforschung (vgl. ebd.). Das Gleiche darf von den Ansätzen und Modellen der Quantenphysik angenommen werden. Auch sie werden benutzt, um die Realität abzubilden. In gleicher Weise bilden SyA komplexe Realitäten und deren innere Dynamik ab, ohne selbst diese Realität zu sein. Selbst der Unterschied "mechanisch, kybernetisch oder selbstorganisativ" (ebd.) findet sich in den Vorgehensempfehlungen der unterschiedlichen SyA-Schulen und Leitungsformen wieder.

Faszinierender-oder erschreckenderweise, je nach Perspektive, finden wir noch eine weitere Gemeinsamkeiten zwischen Quantenphysik und SyA: Beide leben derzeit noch das Primat des ‚shut-up-and-calculate' (Kaiser 2014; Tegmark 2007) oder abgewandelt ‚shut-up-and-constellate'. Genauso wie in der Quantenphysik diese Aussage jene treffen kann, die versuchen die philosophisch-erkenntnis-theoretischen Fragen zu beantworten, die die Quantentheorie aufwirft, verhalten sich auch die meisten System-Aufsteller entsprechend dieser Mentalität. Beide Richtungen finden sich bisher damit ab, dass die jeweilige Vorgehensweise funktioniert. Im ersten Fall, der Quantenphysik, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass sie die am besten überprüfte Theorie darstellt, die je entwickelt worden ist. Bis zum heutigen Tag musste sie noch keine ihrer Vorhersagen widerrufen. Im zweiten Fall, der Aufstellungsarbeit, wird jeder, der je an einer Aufstellung teilgenommen hat, beeindruckt oder auch irritiert sein, über die auftretenden Phänomene. Mit der Arbeit von Schlötter, liegt zudem eine naturwissenschaftlich fundierte empirische Studie vor, die die individuellen Erfahrungen vollständig stützt. Dass alle bisherigen Erklärungsansätze bei genauer Betrachtung verworfen werden müssen, stört offensichtlich wenig. Eine ‚Pragmatik des Funktionierens' hat sich breitgemacht.

Kann es sein, dass beiden Disziplinen eine gewisse Angst vor dem was kommen könnte innewohnt? Dass liebgewonnene Erklärungskonzepte und Weltanschauungen überwunden werden müssen und sich Vertrautes als fremd erweist?