24 | Überlegungen zu Anstückungen und Reparaturen
der Laokoongruppe
Wolfgang Filser
Als die antiken Teile der Laokoongruppe in den späten
1950er Jahren durch Filippo Magi und den Bildhauer
Antonio Berti zerlegt und die neuzeitlichen Ergänzungen aus Terrakotta, Gips und Marmor im Rahmen
einer ausführlichen Restaurierung abgenommen wurden, sind auch erstmals die dabei zum Vorschein kommenden Anstückungslächen eingehend beschrieben
und in Form von Schwarzweißaufnahmen dokumentiert worden1. Die dortigen Beschreibungen der Oberlächen, ihres Verwitterungszustands sowie der antiken und neuzeitlichen Werkzeugspuren, lassen sich
am Abguss des Winckelmann-Instituts, der auf eben
den Formen beruht, die damals vom Original genommen wurden, nachprüfen. Verlassen muss man sich
indes auf Magis detaillierte Angaben bezüglich der
Verfärbung des Marmors durch Oxidation der Eisendübel, Beobachtungen zu Bleivergüssen und Spuren
von Klebstoffen, sämtlich zentrale Aspekte, die sich
– wenn überhaupt – heute auch am Original nur dort
veriizieren lassen, wo sie sich nicht auf die zwischen
den Anstückungslächen verborgen liegenden Bereiche beschränken.
Die Gruppe war ursprünglich anscheinend aus sieben
Einzelteilen – vier großen (A, B, C, D) und drei kleineren Blöcken (E, H, I) – zusammengefügt ( Essay 23;
Grunddaten S. 45 Abb. 3–4; Taf. 19); zur besseren
Verständlichkeit werden zudem noch das Reparaturstück (F) sowie das Schlangengewinde um den Arm
des älteren Sohnes (G, eigentlich zugehörig zu Block
C) als einzelne Teile behandelt 2:
Die im ursprünglichen Zustand erhaltenen, also auch
in der Antike nicht durch Reparaturmaßnahmen veränderten Anstückungslächen zwischen diesen Blöcken
besitzen eine auffällig gewellte Oberläche und sind
einheitlich mit einem mittelfeinen Zahneisen geglättet. Magi erkannte an dieser aufwändigen Bearbeitung
x Abb. 1 Blöcke A und D. Verdübelung des Laokoon mit
dem Altar
x Abb. 2 Block B. Antiker Fehler mit Spuren von Spitzeisen vor der Anstückungsläche des Oberschenkels des
Laokoon
A: der Laokoon, ein Großteil der oberen Schlange
B: Altarvorderteil, der jüngere Sohn, das rechte Bein
des Laokoon, ein Großteil der unteren Schlange
C: der ältere Sohn, der Rest der unteren Schlange
D: das Altarrückteil (ersetzt einen Vorgänger derselben Form)
E: der linke Unterschenkel des Laokoon
F: Reparaturstück des Altars links an Block B
G: das Schlangengewinde um den Arm des älteren Sohnes
H: der rechte Arm des Laokoon mit der sich darum
windenden Schlange (›Pollakscher Arm‹)
I: der rechte Arm und der Hinterkopf des jüngeren
Sohnes
375
Die antike Statuengruppe
z Abb. 3 Aulager eines korinthischen Kapitells mit Gusskanälen und Dübellöchern, um 200 n.Chr. Aquileia, Museo Archeologico Nazionale
das Vorgehen der rhodischen Bildhauer3: Die gewellten Oberlächen haben zur Folge, dass die jeweiligen
Teile nur in einer Position zusammengeführt werden
können, was angesichts der Tatsache, dass hier drei
Bildhauer am Werk waren, zunächst umso mehr erstaunt. Offensichtlich wählten sie diese Art der Verbindung, um so weit wie möglich auf Verdübelungen
und Bleivergüsse verzichten zu können, statt derer
man mit Klebstoff und feinem Kalkmörtel arbeitete.
Um die möglichen Ursachen hierfür zu verstehen, ist
ein Blick auf die Unterseite des Laokoon (Block A,
Abb. 1) hilfreich. Freilich ist sie nicht frei von späteren Veränderungen, doch ist der wellenartige Verlauf
x Abb. 4 Blöcke B und D. Verklammerungen zwischen den
Altarteilen
376
der Oberläche zweifelsfrei original. Auf dem Altarblock B vorne rechts beindet sich ein Fehler (Abb. 2),
der plausibel nur mit der ursprünglichen Ausführung
in Verbindung gebracht werden kann: Einer der Bildhauer hat dort bei der Vorbereitung mit dem Spitzeisen
zu viel Marmor entfernt, woraus ein unschönes, dreieckiges Loch resultierte, in dem sich antiker Klebstoff
fand – wohl derselbe, der auch die beiden Blöcke A
und B miteinander verband4. Sicher nicht originär ist
hingegen das große quadratische Dübelloch, das zur
Verbindung mit dem hinteren Altarblock D diente; ein
grob eingehauener Gusskanal für den massiven Eisendübel bezeugt eine antike Reparatur, deren Machart
an die Verdübelung schwerer Architekturteile erinnert
(Abb. 3), wie sie in der Kaiserzeit alltäglich war5. Als
die Gruppe auf dem Rückweg von Paris in den Alpen
verunglückte, sprang die Unterseite des Laokoon nicht
zufällig an dieser Stelle in drei Teile6. Dass der rückwärtige Block D zwar antik ist, aber nicht zur ursprünglichen Formation gehörte, lässt mehr noch als
der Materialwechsel (von parischem zu Carraramarmor) vor allem die abweichende Bearbeitung vermuten. Der Block ist deutlich gröber für die Anstückung
zugerichtet als sein Gegenpart B (Abb. 4), der innere
Bereich tief mit dem Spitzeisen bearbeitet, darum herum verläuft ein breiter, aber nicht allzu sorgsam geglätteter Randschlag. Lediglich bei der Oberläche des
Altars war man gezwungen, diejenige des ursprünglichen Blocks getreu zu wiederholen, was an der gewölbten Anstückungsläche liegt – schließlich hätte man
andernfalls den Laokoon selbst auf seiner Unterseite
neu zurichten müssen. Abgesehen von dem erwähnten
Dübel, der A und D vertikal verband, installierte man
noch die ebenfalls mit Blei ummantelten Eisenklammern zwischen B und D, deren (von vorne gesehen)
rechte für die starken Beschädigungen auf dieser Seite
an beiden Blöcken verantwortlich ist7. Abgesehen von
dem starken neuzeitlichen Schaden, den die Gruppe
auf ihrer Reise von Paris nach Rom erlitt, können wir
also eine antike Reparatur fassen, die sich durch die
gröbere Bearbeitung und den starken Einsatz von Eisendübeln und Bleivergüssen auszeichnet. Dass dieser Schluss nicht voreilig ist, bestätigt der Blick auf
weitere Anstückungslächen. Gewellt und mit Sorgfalt
geglättet ist jene des Oberschenkels des Laokoon zwischen den Blöcken A und B (Abb. 2. 5). In der Antike
wurde hier offensichtlich nie ein Dübel genutzt, um
die beiden Blöcke zu verbinden (der heutige, kupferne
ist neuzeitlich), was, abgesehen von der schadlosen Erhaltung beider Flächen, daraus hervorgeht, dass weder
Bleireste noch eine orange-rötliche, durch Oxidation
hervorgerufene Verfärbung nachweisbar sind.
Anstückungen und Reparaturen
Doch auch die Rhodier konnten nicht überall auf
Verdübelungen der gesondert gearbeiteten Körperteile verzichten. Deutlich wird dies am rechten Arm
des jüngeren Sohnes, also an der doppelten Verbindung zwischen Block B und I an Kopf und Schulter
(Abb. 6). Dem Sohn war die Kalotte separat angesetzt
mittels einer per Zahneisen fein geglätteten Fläche8,
die am Übergang zum Hinterkopf zusätzlich einen
stumpfen Winkel aufweist, also anders als die neuzeitliche Ergänzung der Kalotte des älteren Sohnes
nicht über eine gerade geschnittene Anstückungsläche verfügte. In der Mitte des Kopfes beindet sich ein
quadratisches Dübelloch, um das sich keinerlei Oxidation gebildet hat; ein größeres rechteckiges Dübelloch sitzt darunter in der Schulter des Jungen. Dort
hat sich glücklicherweise einmal der abgebrochene
Dübel erhalten9, dessen Material, Bronze, dafür verantwortlich ist, dass auch dieser Bereich nicht orangerötlich oxidiert ist, so dass wir davon ausgehen dürfen,
dass es sich um den Stift der Erstfassung handelt. Der
Grund für die Verdübelung war der abgestreckt und
angewinkelt zu rekonstruierende Arm, der mit dem
z Abb. 5 Blöcke A und B. Anstückungslächen und moderne Verdübelung des Oberschenkels des Laokoon
Hinterkopf verbunden war. Block I bestand folglich
nicht nur aus dem Arm des jüngeren Sohnes, sondern
auch aus fast der Hälfte seines Kopfes, Grund genug
x Abb. 6 Block B. Anstückungslächen von Kalotte & Arm des jüngeren Sohnes (Block I). Reste der originalen Anstückungsläche an Block B an der Schulter (hervorgehoben)
377
Die antike Statuengruppe
Abb. 7 Blöcke A und H. Anstückungslächen
beide Ansätze sorgfältig zu verdübeln10. Im Fall der
entsprechenden Verdübelung an der Schulter scheint
bisher nicht beachtet worden zu sein, dass sich ein Teil
der gewölbten und mit feinem Zahneisen bearbeiteten
Anstückungsläche noch oberhalb des Dübellochs erhalten hat, woraus geschlossen werden kann, dass der
Arm inmitten der Windung der Schlange eingesetzt
und verdübelt worden ist11. Wo realisierbar, nutzten
die rhodischen Bildhauer die Windungen der Schlange,
um die Fugen zu verbergen, so auch beim linken Bein
des Laokoon (Abb. 9. 10), das ebenfalls in einer derartigen Schlaufe der Schlange steckt (s.u.), wodurch
die Anstückung verdeckt wurde.
Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Glieder der
Figuren im originären Zustand per Bronzedübel verbunden waren – gewiss nichts Ungewöhnliches für
antike Steinskulptur – während im Rahmen der antiken Reparaturen recht hemmungslos Eisendübel
Verwendung fanden, die im Lauf von Jahrhunderten
in den umliegenden Stein oxidierten, eröffnet also
einen Einblick in die antike Geschichte des Bildwerks, und das alleine auf der Grundlage des empirischen Befundes. Dies lässt sich auch an Block H
(Abb. 7) – dem ›Pollakschen Arm‹ – nachzeichnen,
von dem wir aufgrund der Reparaturen am Deltoideus, am Unterarm12 und am Handgelenk wissen,
dass er in der Antike bereits einmal neu angesetzt
worden war, bevor er ein weiteres Mal abfiel, was
378
an den nicht mehr reparierten Beschädigungen der
Schlangenpartien kenntlich ist13. Die erhaltenen,
stark verwaschenen Anstückungsflächen mit Verdübelungen unterscheiden sich entsprechend in ihrer groben Machart und dem Verzicht auf die ondulierende Oberfläche von jenen der Erstmontage, die
aber noch auf einem Blatt von van Heemskerck und
an der wenig später entstandenen Bronzekopie Primaticcios zu sehen ist (Abb. 8)14. Dort erkennt man drei
Dübellöcher: Das runde am oberen Rand der Schulter
entspricht bekanntlich demjenigen im ›Pollakschen
Arm‹; es diente dem Einsetzen eines Eisendübels15,
um welchen eine starke Oxidation am Arm und an
der Schulter entstanden ist ( Essay 20); die beiden
quadratischen Löcher, gestört durch die neuzeitliche L-förmige Vertiefung und an deren Rand gerade
noch zu erkennen, dürften hingegen die älteren Befestigungen zur Aufnahme der breiten Bronzedübel
überliefern16, die das zweifache Gewicht des Armes
mit dem Schlangenkörper ursprünglich hielten17. Die
antike Anstückung der hinter dem Rücken hervorkommenden Schlange an ihre Fortsetzung (Block F)
wird man in etwa dort vermuten dürfen, wo sie sich
noch heute befindet; die Oxidation des Marmors bezeugt, dass auch hier ein antiker Eisendübel zur Reparatur eingesetzt worden war18.
Die technisch umständlichste Verbindung besteht zwischen den Blöcken A, B und E, wo das linke Bein
Anstückungen und Reparaturen
c Abb. 8A-B Originale Oberläche der rechten Schulter
des Laokoon. Oben (A): Bronzekopie des Primaticcio,
Fontainebleau, Schloss, Gallerie des Cerfs. Unten (B):
Maarten van Heemskerck, Laokoon, 1532–35. Staatliche
Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, ms. 79D2
des Laokoon wenig unterhalb des Knies durch eine
Schlaufe der Schlange (zu B gehörig) mit dem restlichen Unterschenkel (E) verdübelt ist (Abb. 9. 10).
Allerdings gibt es Grund zur Annahme, dass diese
durch Oxidation bezeugte Anstückung per Verdübelung aus Eisen (heute durch Kupfer ersetzt)19 anfangs ohne Dübel ausgeführt war, denn auf die überx Abb. 9 Blöcke A und B. Verdübelungen des linken Beins
des Laokoon von unten gesehen
A
x Abb. 10 Blöcke B und E. Verdübelungen des linken Beins
des Laokoon von unten gesehen
B
379
Die antike Statuengruppe
z Abb. 11 Stück G (ursprünglich zu Block C gehörig). Modern überarbeitete Anstückungslächen mit hypothetischer
antiker Klammerung aus Bronze
Abb. 12 Die Linke Hand des Laokoon
(Original und digitales Modell)
380
Anstückungen und Reparaturen
Abb. 13 Block C (digitales Modell rechts) mit
dem abgefallenen Stück G
einander stehenden Stücke wirkten keine Kräfte, die
nicht durch die genaue Verfugung der drei Blöcke und
den Klebstoff kontrolliert werden konnten. Typisch für
die Bildhauer des Laokoon ist abermals die gewölbte
Oberläche auf der Ober- und Unterseite des von der
Schlange umwundenen Zwischenstückes. Auch hier
dürfte der Eisenstift also als Reparatur zu deuten sein,
die später den Sprung im Unterschenkel (Block A)
verursacht hat.
Eine andere Lösung mussten die Bildhauer inden, um
den älteren Sohn (Block C) über seinen Arm (G) mit
dem linken Arm des Laokoon (Block A) zu verbinden;
auch deshalb eine heikle Stelle, da sie durch den komplexen Verlauf der oberen Schlange, die sich hier in
mehreren Windungen um die Glieder von Vater und
Sohn legt, wesentlich beschwert wird (Abb. 11). Angesichts dieser selbstauferlegten Herausforderung entschied man sich wohl von Beginn an dafür, das Stück G
auf der Rückseite an der Schlange oberhalb des Handgelenks des Laokoon zu verklammern, und zwar – darauf lassen die fehlenden Oxidationsspuren schließen
– stets per Bronzeklammer (heute Kupfer)20. Um eine
solche einzusetzen, musste das Rückteil separat gearbeitet und verdübelt werden, worauf vielleicht noch
drei entsprechende Löcher schließen lassen 21. Wie ge-
Abb. 14 Links: Originale Anstückungsläche zu Block B, rechts: digitales
Modell des älteren Sohnes
381
Die antike Statuengruppe
z Abb. 15 Die Unterseiten der Blöcke B (mit dem
Reparaturstück F), C und D
plausibel damit in Verbindung gebracht werden kann,
dass man die anschließende Form und Bewegung des
Reptils veränderte25.
Mit dem älteren Sohn (Block C) war das Stück G ursprünglich wohl – statisch eher riskant – gemeinsam
gearbeitet, weshalb es zusätzlich unterhalb seines
Schulterblatts aulag (Abb. 13)26. Die Abwesenheit
von Oxidation wirft die Frage auf, ob hier keine antiken Reparaturen durchgeführt werden mussten 27. An
einem weiteren Verbindungsstück zwischen dem älteren Sohn und dem Rest der Gruppe (Block A), also
der Fortführung der auf dem rechten Oberschenkel des
Jungen auliegenden Schlange (Abb. 14), beschränkten sich die Bildhauer darauf, sie mittels einer leicht
konkaven und über einen stumpfen Winkel verlaufenden Fläche zu verkleben 28. Es muss sich um eine sehr
feine Verfugung gehandelt haben, die mit bloßem Auge
kaum – noch weniger, wenn man die einst mit hoher
Wahrscheinlichkeit vorhandene Bemalung mitrechnet
– zu erkennen war. Dem Verzicht auf Verdübelung ist
es zu verdanken, dass sich diese Fläche, an der sich
keine groben Überarbeitungsspuren für Reparaturen
oder Ergänzungen beinden, erhalten hat.
Wie aber lassen sich die sonst so zahlreichen römischen Reparaturen begründen, die ja keineswegs allesamt einer Phase entstammen müssen? Bevor hierzu
Vermutungen geäußert werden, soll zuletzt noch ein
kurzer Blick auf die Unterseite der Gruppe geworfen
x Abb. 17 Laokoongruppe. Gipsrekonstruktion von
Ernesto Vergara Cafarelli
z Abb. 16 Die linke Seite der Altarblöcke D und B (mit
zwei Ansichten des Reparaturstücks F unten mittig
und rechts)
fährdet dieser Bereich aufgrund seiner zwischen Vater
und Sohn eingekeilten Lage war, ersieht man auch an
den vielfach überarbeiteten Anstückungslächen, die
es schwer machen, Rückschlüsse auf ihre ursprüngliche Gestalt zu ziehen 22. Dass es auch in der Antike an
dieser neuralgischen Stelle zu Beschädigungen kam,
zeigt sich jedenfalls an dem ebenfalls neuzeitlich stark
gestörten Befund der linken Hand 23 des Laokoon, die
mit G über ein angesetztes Schlangenstück per Eisendübel verbunden war (Abb. 12)24. Die neuzeitlichen
Veränderungen zielten darauf, den Durchmesser der
Schlange kontinuierlich in Richtung des Daumens,
der dieser Aktion zum Opfer iel, zu verringern, was
382
Anstückungen und Reparaturen
werden (Abb. 15). Dort fällt sofort ins Auge, dass sich
die parischen Marmorblöcke (A und C) in ihrer Bearbeitung weitgehend entsprechen, wohingegen der
Carrarrablock D ganz andere Werkspuren trägt. Kaum
möchte man annehmen, dass die tiefen Schläge mit
dem Spitzeisen auf der Unterseite von A und C den
ursprünglichen Zustand bezeugen. Womöglich rühren
diese Hiebe daher, dass damals die Gruppe von ihrem
Untergrund gelöst und an einem neuen Ort aufgestellt
wurde29. In der Tat inden sich ähnliche Spuren – allerdings mit einer anderen Schlagrichtung – auch an
dem kleinen Reparaturstück (F) auf der linken Seite
des Altars, das offensichtlich eine antike Ergänzung
ist, die eingefügt wurde, nachdem hier ein Stück ausgebrochen war30. Sehr ähnliche, grobe Schläge scheinen
die Außenseite von Block B vorbereitet zu haben, um
dieses Stück anzusetzen (Abb. 16). Zudem beinden
sich an diesem kleinen Stück, dessen Bearbeitungsspuren eher jenen von Block D ähneln, zwei Dübellöcher, eines auf der Unterseite und eines auf der Rückseite zu Block D hin. Das untere Loch besitzt einen
Gusskanal für einen Bleimantel, der einen Eisendübel
umgab. Magi war sich nicht schlüssig, was er mit den
Dübellöchern anfangen sollte31, überhaupt lieferte er
weder eine Datierung noch eine Erklärung für diese
Reparatur an der Unterseite von Block B. Nehmen wir
den bisherigen Befund ernst, so mag man das Stück
hypothetisch als römische Reparatur – womöglich im
Kontext einer Umsetzung der Gruppe – interpretieren,
die zusätzlich im Untergrund verankert war32; allerdings wäre daraus auch zu folgern, dass es über das
zweite Dübelloch mit dem ebenfalls sekundären Block
z Abb. 18 Blöcke E und C: Der linke Fuß des Laokoon
(links) mit dem kleinen Plinthenrest und die Plinthe
des älteren Sohnes (rechts)
v Abb. 19A–B Links: Die alte Basis der Laokoongruppe
während der Restaurierung durch Magi. Zwischen dem
Bein des Laokoon und dem Altar sieht man den kleinen
Aufschwung zum Ausgleich der auf unterschiedlichem
Niveau liegenden Standlächen; Unten: Die Basis der
Laokoongruppe nach der Restaurierung durch Magi.
Gut zu sehen ist die Erhöhung des Altars durch eine
Gipsschicht (links) sowie die unterschiedlichen Standlächen des linken Fußes des Laokoon und des älteren
Sohnes (rechts). x
383
Die antike Statuengruppe
D verbunden war, an welchem sich jedoch keinerlei
Hinweis auf eine entsprechende Befestigung indet.
Man müsste also von zwei unterschiedlichen Wiederinstandsetzungen ausgehen, einer ersten, bei der das
kleine Flickstück mit dem Vorgänger von Block D verbunden wurde, und einer zweiten, bei der das ganze
Altarrückteil ersetzt werden musste; auch hier kommt
in erster Linie eine Umsetzung als Anlass in Frage33.
Postuliert man auf der Grundlage des oben dargelegten Befundes nicht wenigstens eine Translozierung der
Laokoongruppe, ignoriert man den ersten auf der Hand
liegenden Erklärungsversuch. Die starken Beschädigungen des Altarblocks B und der antike Austausch
des ursprünglichen Altarhinterteils durch Block D machen die Annahme einer antiken Umsetzung eigentlich unumgänglich, freilich ohne Indizien zum Wann
und Wo zu liefern, Fragen, für deren hypothetische
Beantwortung hier ohnehin kein Raum ist 34.
Die rhodischen Künstler verzichteten womöglich an
den Stellen auf Verdübelungen, wo sie nicht durch die
Kräftewirkung diktiert wurden, um die Fugen möglichst unsichtbar zu halten und begnügten sich damit,
die Teile zu verkleben. Dazu – und zur Festigkeit der
Anpassungen – dürften auch die ondulierenden Oberlächen beigetragen haben, die sich dem Auge weniger
markant darbieten, als die gerade verlaufenden Fugen
späterer Reparaturen. Diesem, durch einen höheren
handwerklichen Aufwand erkauften Verzicht ist es zu
verdanken, dass sich die ursprünglichen Anstückungslächen fast überall dort, wo die Blöcke wortwörtlich
ineinander übergingen, wenigstens partiell erhalten
haben und nicht wie die Dübel und Klammern aus Eisen den Stein stark in Mitleidenschaft gezogen haben,
wenn die Gruppe bewegt oder auf andere Weise beansprucht wurde. Äußerst geschickt nutzten die Rhodier die Windungen besonders der unteren Schlange,
die um das linke Bein des Laokoon und wahrscheinlich auch den rechten Unterarm des jüngeren Sohnes
in Form einer Schlaufe derart gelegt wurde, dass die
Anstückungslächen der Glieder von keiner Seite einsehbar waren ( Essay 32). Schon hieran zeigt sich,
dass wenigstens bei der ersten Aufstellung mit einem Betrachter gerechnet wurde, der die Gruppe umschreiten konnte und wohl auch sollte ( Essay 25).
Wie genau wir uns diese Installation zu denken haben,
wird sich nicht mehr klären lassen, doch ist nichts
weniger wahrscheinlich, als die neuzeitlich museale
Präsentation des Meisterwerks, rein frontal und vom
Betrachterraum isoliert auf hohem Podest. Schon Vergara Caffarelli hob auf der Grundlage seiner Beobachtungen durch eine Drehung um 9° im Uhrzeigersinn
den Altar sichtlich von der Basis ab, die er – sicher
384
etwas zu optimistisch bezugnehmend auf den Handlungsort vor Troja – als unebenen Sandstrand rekonstruierte (Abb. 17)35. Damit war aber tendenziell das
Richtige getroffen, wenn auch die Plinthe des älteren
Sohnes nicht auf eine speziische Oberlächengestaltung schließen lässt36. Ein deutlicheres Indiz für den
Einbau in eine Kunst-Landschaft mit unregelmäßigem Untergrund mag der Umstand liefern, dass sich
die Standlächen des linken Fußes des Laokoon und
die des älteren Sohnes nach der Restaurierung auf
unterschiedlichen Höhen befanden und zudem wenig
tiefer als der Altar liegen (Abb. 18), wodurch sich
der seltsame Aufschwung der früheren Basis erklärt
(Abb. 19A–B)37. Der ältere Sohn des Laokoon beindet
sich somit auf der Schwelle zwischen dem Raum des
Betrachters und jenem des Bildwerks, was motivisch
auch darin zum Ausdruck kommt, dass er – relativ unbedrängt von der Schlange – auf dieses zurückblickt 38
( Essay 22).
Der in der Laokoongruppe omnipräsente Materialdiskurs – bei Plinius in Gestalt des Prädikats ex uno
lapide aufscheinend und daher ohne Zweifel von rezeptionsästhetischer Bedeutung für den antiken Betrachter – ist logischerweise bis ins Detail der Verdübelungen und Anstückungslächen dem Werkprozess
eingeschrieben und verkompliziert ihn, auch aufgrund
der relativ kleinen Blockformate, noch zusätzlich. So
wirkt der kleine Steg (Abb. 13), der die rechte Hand
des älteren Sohnes an einer besonders exponierten
Stelle stützt, vergleichsweise abkömmlich, geradezu
wie eine absichtliche Pointe, die den Betrachter dazu
auffordert, sich von den Bildhauern der scheinbar monolithischen Gruppe hinters Licht führen zu lassen.
Dass die Fugen auch durch die (auf den Hautpartien
eher dezente) Bemalung des Steins überspielt wurden,
bleibt eine legitime Vermutung39 ( Essay 23).
Anmerkungen
1
2
3
Magi 1960. Ausschlaggebend für die detaillierte Aufarbeitung
war der Fund des rechten Armes des Laokoon im Jahr 1903, der
nach einer schleppend anlaufenden Diskussion schließlich unter
dem Einluss der Gipsrekonstruktion von Vergara Caffarelli 1954
zu dem Entschluss führte, den Arm dem Original anzusetzen.
Die neuzeitlichen Ergänzungen sind ausführlich beschrieben bei
Amelung 1908, 181ff.
Die Zählung der Einzelteile folgt derjenigen, die in den Essays 5
und 23 gewählt wurde.
Magi 1960, passim und bes. 33: »Si è visto che il gruppo, contrariamente all’afermazione di Plinio il Vecchio, non è costituito
«ex uno lapide» ma di ben sette pezzi, se non forse di più, ma si è
anche visto come le varie parti siano state intelligentemente individuate sì che nel commetterle assieme le commettiture venissero ad essere abilmente nascoste. Non solo, ma come queste
commettiture siano quasi tutte d’un tipo che potremmo chiamare
concavoconvesso a supericie ondulata: cioè l’una parte entra
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leggermente nell’altra e si adatta in modo da non girarvi dentro,
di maniera che il combaciamento possibile è uno e uno solo. Il
che permette tale aderenza che ove i pezzi siano sovrapposti o
anche semplicemente accostati non v’è bisogno di perni per
tenerli uniti, ma al massimo di un po’ di colla di calce (di cui infatti si è ritrovata qualche traccia)«.
Magi 1960, 16.
Auch scheinen die beiden quadratischen Dübellöcher nicht exakt
übereinander zu sitzen, was als weiterer Hinweis auf die ungenaue Ausführung dieser Reparatur zu werten sein dürfte.
Zum Sturz auf dem Moncenisio s. Magi 1960, 11. 16; Rebaudo
2007, 75f. Die Teile wurden daraufhin durch Kupferdübel neu
verbunden (s. Abb. 1), diese durch Berti entnommen und durch
neue Kupferdübel ersetzt: Magi 1960, 11. 16.
Bei Magi 1960, 21 heißt es, mindestens zwei der drei Klammern
seien römisch, im Fall der mittleren war sich Magi unsicher, da
er wohl mit der Möglichkeit rechnete, dass der Altar nach dem
Sturz vom Wagen erneut horizontal verklammert worden sei. Sie
wurden entnommen und durch Kupferklammern ersetzt.
Die Oberläche ist stark neuzeitlich überarbeitet, es inden sich aber
darunter noch wenige typische Spuren des antiken Werkzeuges.
Magi 1960, 17.
Ähnlich gearbeitet haben die Bildhauer die verdübelte Kalotte
des Steuermannes der Skyllagruppe von Sperlonga, die zusammen mit der Hand der Skylla gearbeitet war. Die dortige Anstückungsläche ist jedoch sehr viel einfacher vorbereitet, gerade
und weniger fein geglättet. Conticello 1974, Abb. 24; Andreae
1988, 83f.
So erscheint der Armansatz in der Tat in dem gemeinhin als zuverlässig bewerteten Stich von Marco Dente aus der Zeit zwischen 1522 und 1525. Allerdings ist die neuzeitliche Überlieferung hier wie in so vielen anderen Details der Gruppe
widersprüchlich: Die Bronzekopie des Primaticcio von ca. 1540
zeigt einen gerade endenden Stumpf des Armes wenig oberhalb
der Schlangenwindung; auf anderen frühen Darstellungen
(Béatrizet, Da Brescia, anonyme Tintenzeichnung Düsseldorf
(siehe Essay 6) sieht man dagegen einen Bruch auf derselben
Höhe, wenn nicht sogar wenig darunter.
Das ovale Stück ist fein geglättet und wurde dort offensichtlich
ohne Verdübelung angesetzt, also nur geklebt; dennoch scheint
mir der Vorschlag von Magi 1960, 22, es handele sich um eine
ursprüngliche Anstückung, kaum plausibel.
Pollak 1905, 278 (allerdings bezüglich der irrtümlich postulierten
kleineren Kopie); Vergara Caffarelli 1954, 36; Magi 1960, 21f.
Anders Rebaudo 2007, 48, der meint, diese Oberläche sei für
den Terrakotta-Arm des Montorsoli hergerichtet worden, für dessen Montage daher auch die im Folgenden besprochenen quadratischen Dübellöcher angebracht worden seien. M. E. gibt es keinen Anlass, vor der Zerstörung dieser Oberläche durch das
L-fömige Loch zur Aufnahme des bossierten Michelangelo-Armes neue Dübellöcher zu fordern, da es bereits mindestens drei
antike gab, die man weiternutzen konnte, ohne die Schulter weiter zu gefährden. Noch weniger am Befund orientiert ist die Verbindung des runden Loches mit einer Ergänzung des 18. Jahrhunderts, die dort (s. seine Abb. 17) ebenfalls vorgebracht wird.
Pollak selbst spricht irrtümlich von einem Bronzedübel (anhand
der Fotograie in seinem Artikel nicht zu klären), obschon er die
Oxidationsspuren auf der Schulter des Laokoon bemerkte; Vergara Caffarelli 1954, 36 bemerkt die rötliche Oxidation, Magi
1960, 21 spricht klar von Eisendübeln, die von ihm entfernt worden seien, und bringt auch die Oxidation mit ihnen in Verbindung. Womöglich führten gerade die Eisendübel, die nicht mit
Bleimänteln versehen wurden, die Zerstörung des Armes herbei.
S. Magi 1960, 14. 21f., der bezüglich dieser Dübel vermutete, sie
seien ebenfalls aus Eisen gewesen und aufgrund von Oxidation
verantwortlich für die Zerstörung des Armes. Magi rechnete also
auch bei der Erstmontage mit dem Einsatz von Eisendübeln.
Hierin mag auch der Grund dafür gesucht werden, dass man (bis
zur Wiederanbringung des nun sehr viel leichteren ›Pollakschen
Armes‹ durch Magi und Berti) nie wieder einen steinernen Arm
als Ergänzung anbrachte, da man fürchtete, das Gewicht mit der
Schlange könne diese Stelle weiter beschädigen.
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Im Gegensatz zu Magi 1960, 14 halte ich die Anstückungsläche
aber eher nicht für die ursprüngliche, womöglich sogar gänzlich
für neuzeitlich überarbeitet, auch deshalb, da sie kaum so schadlos das wiederholte Abfallen von Block H überstanden haben
kann. Bezüglich der ursprünglichen Befestigung wäre zudem zu
vermuten, dass auf eine Verdübelung verzichtet wurde.
Magi 1960, 22. Den Kupferdübel hat Berti anstelle der sehr ungenauen Bleivorrichtung installiert, die wohl im 19. Jahrhundert
angebracht wurde und durch die sieben kleinen Punktbohrungen
zusätzlichen gehalten werden sollte, so wie es auch unter dem
linken Fuß des Laokoon zu beobachten ist (ebenfalls sieben
kleine, gebohrte Löcher).
An der bestoßenen und unregelmäßigen Bettung erkennt man,
dass hier mehrmals eine Klammer eingesetzt wurde; dies erkannte schon Vergara Caffarelli 1954, 46f., der die leichte Abweichung der neuzeitlichen Klammer aus der Bettung der antiken
damit erklärt, dass der ältere Sohn völlig frontal ausgerichtet
werden sollte. Magi nahm die neuzeitliche Kupferklammer bei
der Restaurierung aus ihrer Bettung und richtete den Sohn entsprechend neu aus: Magi 1960, 20. Bei Amelung 1908, 183
fälschlich als Eisenklammer bezeichnet.
Diese Dübellöcher seien laut Magi 1960, 20 für das (damals
schon seit längerem verlorene) neuzeitliche Rückteil angebracht
worden; damit klärte Magi aber nicht, wie das entsprechende
Stück in der Antike befestigt war. Sicher neuzeitlich ist schließlich die aufgeraute Oberläche zur Klebung des ergänzten Rückteils, das, sofern aus Gips, vielleicht gar nicht verdübelt war.
Aufgrund der fehlenden Hinweise auf eine antike Reparatur mittels einer Eisenklammer könnte man erwägen, dass die antike
Bronzeklammer mehrmals neu eingesetzt wurde.
Die ganze Hand ist neuzeitlich per verbleitem Metalldübel neu
angesetzt worden: Magi 1960, 17. Womöglich ist sie mit dem gesamten linken Oberschenkel des Laokoon, mit dem sie über einen puntello (s. Anm. u.) verbunden war, beim Sturz auf dem
Moncenisio abgebrochen; zum Vorschlag eines früheren und bewusst vorgenommenen Eingriffs, siehe hier Essay 6.
Neuzeitlich durch Kupferdübel ersetzt. Ausnahmsweise machte
man sich hier die Mühe, den Eisendübel sorgfältig über einen
Gusskanal mit Blei zu ummanteln. Magi 1960, 16.
Magi 1960, 16f. Dabei musste man den kleinen puntello stehenlassen und als solchen sichtbar machen, während vormals der
Daumen (und der Schlangenköper?) die stabilisierende Verbindung zum Oberschenkel bildete. Zur rekonstruierten Bewegung
der Schlange und der Frage nach der Lokalisierung ihres Kopfes,
siehe Essay 20.
Magi 1960, 20 ging hiervon offensichtlich aus, denn es wird
nicht gesondert unter seinen sieben Stücken aufgeführt; einschränkend muss aber gesagt werden, dass die Zerstörung des
Armes und die hier besonders starken neuzeitlichen Überarbeitungen eine Beurteilung sehr erschweren, was womöglich auch
der Grund für Magis Zurückhaltung bezüglich dieses Stückes
war. Er beschränkte sich dort auf folgende Bemerkung: »È da
aggiungere che il groviglio di serpente attorno al braccio destro
del iglio maggiore, rotto (ig. 16) e riattaccato in due parti, presentava nella riattaccatura di età moderna un’eccessiva quantità
di mistura forte che ne alterava sensibilmente la posizione; la
quale è stata ritrovata con esattezza nel nuovo issaggio con Sintolit«. Zur relativen Unsicherheit Magis bezüglich der ursprünglichen Anzahl der Blöcke vgl. oben Anm. 2.
Bei Magi 1960, 20, der sonst akribisch die Oxidationsspuren notiert, indet sich kein Hinweis auf die Präsenz von Eisendübeln.
Angesichts der starken neuzeitlichen Überarbeitungen ist der Befund in diesem Bereich aber wie gesagt besonders unsicher (s.
die Fotograien auf Tafel 31 sowie die Abb. 16 bei Magi).
Es ist also eine ganz ähnliche Anstückungsläche wie die der Kalotte des jüngeren Sohnes, die freilich verdübelt war, da sie ganz
anderen Kräften ausgesetzt war (s.o.).
Etwa durch das Abschlagen der Mörtelbettung. Magi 1960, 19
hielt diese Meißelspuren für neuzeitlich.
Während die Schläge mit dem Spitzeisen auf Block A quer gehen (man meint den Gang des Steinmetzes um den Block verfolgen zu können), verlaufen sie an dem Reparaturstück dazu um
90° versetzt; zudem inden sich im vorderen Bereich (neuzeitli-
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Die antike Statuengruppe
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che?) Flacheisenspuren, die nicht mit der Stelle jenseits des
Übergangs zu Block B korrespondieren. So weit mir bekannt,
wurde der Stein des Flickstücks nie beprobt, laut Magi 1960, 22
handelt es sich um griechischen Marmor. Schwer nachvollziehbar erscheint mir die These von Magi 1960, 9f., dem Altar seien
frühneuzeitlich unten wenige Zentimeter abgesägt worden (s.u.
Anm. 36).
Magi 1960, 22: »può risalire al Cinquecento«.
Die doppelte Verdübelung des kleinen Reparaturstücks an den
Untergrund und das Rückteil ist nur durchführbar, wenn der gesamte Altar demontiert wird.
Auch die Tatsache, dass die leichte Beschädigung am linken
Rand der obersten Altarstufe sich nicht über die Fuge zu Block
D hin fortsetzt, stützt diese Vermutung.
Zur Frage nach dem ursprünglichen Aufstellungsort und möglichen sekundären Aufstellungen in der Antike siehe Essay 25. 29.
Vergara Caffarelli 1954, 57ff. mit Abb. 41–47 (Zitat S. 58); Magi
1960, 10.
Ich möchte die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Basis und
Plinthen bei einer Aufstellung im Freien durch Sand oder Kies
bedeckt waren, die Gruppe also völlig ebenerdig stand.
Vergara Caffarelli 1954, 57f.; Magi 1960, 9f. begründete dies wenig plausibel damit, dass der untere Teil der Blöcke B und D im
15. Jahrhundert abgesägt worden sei, ohne zu klären, weshalb ein
so gravierender Eingriff stattgefunden habe (s. Essay 6). Die sehr
uneinheitlichen Bearbeitungsspuren der unregelmäßig verlaufenden Blockunterseiten (Abb. 15) scheinen gegen diese Theorie zu
sprechen. Wahrscheinlicher ist, dass es sich gerade andersherum
verhält: Angesichts desselben Problems entschied man sich im
Fall der Bronzekopie dazu, den Ausgleich der Differenz durch
eine leichte Erhöhung der unteren Altarstufe herbeizuführen,
exakt jene Lösung, die Magi selbst (in Form der Gipsschicht unterhalb der Altarblöcke, Abb. 19) am Original wiederholte. Das
Problem scheint auch der bei Da Brescia überlieferten, provisorischen Aufstellung zugrunde zu liegen, wo Holzkeile die entsprechenden Differenzen ausgleichen.
Die Ähnlichkeit zum sog. Weinschlauchträger der Polyphemgruppe von Sperlonga – auch er ein Betrachter im Bild – wurde
schon mehrfach beobachtet. Zu derartigen Betrachteriguren in
der späthellenistischen Kunst Kunze 1996, 215; Kunze 2002, 55f.
207f. 215 mit Anm. 1238. 219; Muth 2005, 91.
Dazu siehe hier Essay 23. 26. Vergara Caffarelli 1954, 64f. und
Magi 1960, 55 Anm. 11. Ausführlich Queyrel 2003, vgl. Queyrel
2016, 51.
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