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2015, Neue alte Sachlichkeit. Studienbuch Materialität des Mittelalters

In enger Zusammenarbeit von Vertretern aus Archäologie, Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichtsforschung wurden im DFG-Netzwerk "Neue alte Sachlichkeit – Realienkunde des Mittelalters in kulturhistorischer Perspektive" methodisch innovative Wege der kulturhistorischen Interpretation erprobt, bei denen die Sachüberlieferung selbst den Ausgangspunkt historischer Erkenntnis bildet. Gemäß dem Leitsatz "mundus in gutta" galt es, die im Wassertropfen des Objekts repräsentierte Wirklichkeiten in einem analytischen Dreischritt in ihrer historischen Dimension wieder sichtbar werden zu lassen. Die so behandelten Objektbeispiele wie etwa Gebäude, Fahnen, Pilgerzeichen oder Kleidungsstücke spannen dabei einen großen Bogen zwischen sehr verschiedenen Objekttypen. Der Sammelband bietet insbesondere fortgeschrittenen Studierenden verschiedener Fachrichtungen eine erste Orientierung über methodische Ansätze und liefert ein breites Spektrum an Fallbeispielen.

Jan Keupp/Romedio Schmitz-Esser (Hg.) Neue alte Sachlichkeit Studienbuch Materialität des Mittelalters 06298_buch.indb 1 25.06.15 25.06.15 / 14:21 06298_buch.indb 2 25.06.15 25.06.15 / 14:21 JAN KEUPP/ROMEDIO SCHMITZ-ESSER (HG.) Neue alte Sachlichkeit Studienbuch Materialität des Mittelalters Jan Thorbecke Verlag 06298_buch.indb 3 25.06.15 25.06.15 / 14:21 Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft Für die Schwabenverlag AG ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Maßstab ihres Handelns. Wir achten daher auf den Einsatz umweltschonender Ressourcen und Materialien. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten © 2015 Jan Thorbecke Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern www.thorbecke.de Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller Gestaltung, Satz und Repro: Schwabenverlag AG, Ostfildern Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Hergestellt in Deutschland ISBN 978-3-7995-0629-8 06298_00_titelei.indd 4 29.07.15 29.07.15 / 14:39 Inhalt 7 Vorwort 9 Einführung in die „Neue alte Sachlichkeit“: Ein Plädoyer für eine Realienkunde des Mittalters in kulturhistorischer Perspektive JAN KEUPP UND ROMEDIO SCHMITZ-ESSER 47 Verselbständigter Sinn: Die Wiener Adlerstola JAN KEUPP 77 Kommunikation mit wem? Die Bleitafel des Bremer Bischofs Leuderich ROMEDIO SCHMITZ-ESSER 101 Pilgerzeichen Zwei Bleitäfelchen zwischen Erinnerungsstück und quantifizierter Glaubensleistung JOCHEN JOHRENDT 117 Kostbare Seide als Zeichen rechtmäßiger Gewalt: Das Kölner Stadtbanner MALTE PRIETZEL 141 Die Wiener Neustädter Wappenwand JÖRG SCHWARZ 163 Ein mittelalterlicher Zentralbau MATTHIAS UNTERMANN 191 Alle über einen Kamm geschert? Zwei Kämme im Vergleich zwischen Gebrauchs- und Prestigeobjekt THOMAS KÜHTREIBER UND ELISABETH VAVRA 5 ← 06298_buch.indb 5 25.06.15 25.06.15 / 14:21 221 Gebrauchsgegenstand und Symbol. Die Unterhose (Bruoch) aus der Gewölbezwickelfüllung von Schloss Lengberg, Osttirol BEATRIX NUTZ UND HARALD STADLER 251 Wenn der Geist aus der Flasche gelassen wird: Eine kleine tragbare Flasche und ihre vielen Deutungsmöglichkeiten CHRISTINA SCHMID 285 Text und Schrift als „Realien“: Intermedialität und Innovation in einem Göttweiger Kopialbuch ANDREAS ZAJIC 309 Die Realie im Text, oder: Wie man auch ohne Beine nach Rom kommt ACHIM THOMAS HACK 335 Die Konstruktion des Wissens: Eine römische Gemme aus einem mittelalterlichen Grab vom Petersberg bei Flintsbach/Inn, Oberbayern THOMAS MEIER 367 Eine Warnung zu guter Letzt: Der Ring von Paußnitz JAN KEUPP UND ROMEDIO SCHMITZ-ESSER → 6 06298_buch.indb 6 25.06.15 25.06.15 / 14:21 Vorwort Mit dem vorliegenden Band freuen wir uns, die Erträge einer dreijährigen inspirierenden Arbeit im Netzwerk ‚Neue alte Sachlichkeit. Realienkunde des Mittelalters in kulturhistorischer Perspektive‘ in gedruckter Form dingfest, greifbar und hoffentlich auch handhabbar machen zu können. Zugleich hoffen wir mit den Worten von Michel Foucault, dass „die materielle Einheit des Bandes“ tatsächlich eine „schwache, nebensächliche Einheit“ bleiben möge „im Hinblick auf die diskursive Einheit, der sie Unterstützung verleiht“. Denn dieses Studienbuch soll die mediävistische Sachkulturforschung gerade nicht in monumentaler Nachhaltigkeit zum Abschluss bringen, sondern eine andauernde Debatte stimulieren, an der sich die Netzwerkteilnehmerinnen und -teilnehmer auch in Zukunft gerne beteiligen. Neben den – hier ausnahmsweise einmal nicht berücksichtigten – materiellen Netzwerkentitäten haben zahlreiche Akteure und Institutionen in dankenswerter Weise am Entstehen dieses Studienbuchs mitgewirkt. Idee und Zuschnitt des Vorhabens nahmen während der gemeinsamen Tätigkeit der Herausgeber am Münchner Lehrstuhl von Prof. Dr. Knut Görich Gestalt an, wo eine stets anregende Atmosphäre unsere Arbeit ins Rollen brachte. Seine Realisierung im Format eines ‚Wissenschaftlichen Netzwerks‘ verdankt sich der großzügigen Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, nicht zuletzt aber den spontanen und enthusiastischen Zusagen aller hier versammelten Autorinnen und Autoren. Dankbar blicken wir auf die herzliche und zuvorkommende Aufnahme an unseren vier Tagungsorten zurück: Zum Auftakt fanden wir am vertrauten Münchner Institut für mittelalterliche Geschichte wohlwollende und kollegiale Unterstützung. Herrn Prof. Dr. Stefan Tebruck (Gießen), der uns mit einem Impulsreferat vor den Fährnissen zirkulärer Objektdeutung warnte, schulden wir an dieser Stelle besonderen Dank. Die Münze Hall in Tirol und die Stadtarchäologie Hall in Tirol gaben uns beim zweiten Arbeitstreffen in Hall in Tirol die Gelegenheit, in den historischen Mauern der Burg Hasegg zu tagen und hier die Arbeit mit Realien an der Kontaktstelle zwischen Geschichte und Archäologie direkt in situ kennenzulernen. Eine ideale Arbeitsatmosphäre gewährte uns das Internationale Wissenschaftsforum Heidelberg – den begehrten Blick aufs Schloss eingeschlossen, wo uns Frau Dr. Elisabeth Huwer im Deutschen Apothekenmuseum die enge Interdependenz von Menschen und Dingen einmal mehr vor Augen führte. Besonderer Dank gebührt schließlich dem Institut für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Salzburg für die umfangreiche Organisation des vierten Arbeitstreffens in Krems an der Donau mit einem Einblick in die Arbeit in und mit den Denkmälern vor Ort in Krems und Stein wie der Gozzoburg und dem Dominikanerkloster. Die großzügige und herzliche Unterstützung vor Ort hat uns bei allen vier Zusammenkünften ein Arbeitsklima ermöglicht, in dem intensiv, beizeiten auch 7 ← 06298_buch.indb 7 25.06.15 25.06.15 / 14:21 durchaus kontrovers, vor allem aber sehr offen und konstruktiv über die materielle Kultur des Mittelalters nachgedacht werden konnte. Die Übersetzung der Manuskriptfassungen in das Format eines Sammelbandes wäre nicht ohne die tatkräftige Mithilfe des Jan Thorbecke Verlags und insbesondere seines Leiters Jürgen Weis gelungen. Zahlreiche Institutionen haben uns durch die Bereitstellung von Bildrechten unterstützt. Bildrecherche und Vorlektorat lagen in den Händen von Frau Theresa Rudolph, deren Engagement und Exaktheit uns mehr als einmal bewunderndes Erstaunen abgenötigt hat. Die Abrechnung der Kosten erledigten schließlich Frau Barbara Kober (München) und Frau Manuela Brück (Münster) mit routinierter Gründlichkeit. Ihnen und allen Beteiligten sprechen wir unseren sehr herzlichen Dank aus! → 8 06298_buch.indb 8 25.06.15 25.06.15 / 14:21 Einführung in die „Neue alte Sachlichkeit“: Ein Plädoyer für eine Realienkunde des Mittalters in kulturhistorischer Perspektive JAN KEUPP UND ROMEDIO SCHMITZ-ESSER „Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden, im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.“1 Der hiermit für jeden TolkienFreund klar umrissene Ring entscheidet das Schicksal einer ganzen Welt; in diversen Ausfertigungen gibt es den ‚einen‘ Ring für Fantasy-Fans zu kaufen und die Verfilmung des „Herrn der Ringe“ durch Peter Jackson hat diesem Hype erst richtig Schwung gegeben. Solche magischen Ringe hat auch das Mittelalter hervorgebracht: Der Ring von Paußnitz, über den wir am Ende dieses Bandes noch nachdenken wollen, lässt sich ebenfalls als Replik an der Hand tragen.2 Doch mittelalterliche Objekte verfügen in der Regel nicht über eine beigegebene Prophetie wie diejenigen, die aus der literarischen Realie einen in seiner Sinngebung klar entschlüsselbaren Gegenstand machen. Dringend wird eine versachlichte Debatte über die materielle Kultur des Mittelalters in der Mediävistik benötigt und der vorliegende Band möchte dazu einen Beitrag leisten. Er soll Studentinnen und Studenten verschiedenster historischer Fachgebiete einen Leitfaden an die Hand geben, wie man kulturhistorische Studien mit und aus Objekten heraus schreiben kann. Dieser Band entstand als Ergebnis der Arbeiten des von den beiden Herausgebern geleiteten DFG-Netzwerks „Neue alte Sachlichkeit. Realienkunde des Mittelalters in kulturhistorischer Perspektive“. Die hierin behandelten Objektbeispiele spannen dabei einen großen Bogen zwischen sehr verschiedenen Objekttypen: Es handelt sich – vom Kirchenkomplex bis zum Schmuckstein – um sehr große und sehr kleine Realien, die unterschiedlichste Stofflichkeit besitzen und sehr unterschiedliche Fundkontexte, Objektgeschichten und Aufarbeitungsgrade in der Mediävistik aufweisen. Nur eines haben die Objekte gemeinsam: Ihre dingliche Existenz muss gewährleistet sein; ein rein literarischer Gegenstand wie der Ring aus Tolkiens Mittelerde findet sich hier nicht. Allerdings betrachtet Achim Hack in seinem Beitrag ein Artefakt, an dessen Existenz im 15. Jahrhundert zwar kaum ein Zweifel bestehen kann, das aber nur mehr textuell überliefert wird und somit nicht mehr direkt sensorisch erfahrbar ist. Damit zeigt sich zugleich die methodische Vielfalt der Zugriffe, für die wir Leserinnen und Lesern mit dieser Einleitung ein zusätzliches theoretisches Rüstzeug bereitstellen möchten. Gerade durch die Vielfalt von Ansätzen und Exempeln hoffen wir, einen möglichst breiten Einblick zu gewähren, der eine eingehende Beschäftigung mit der materiellen Hinterlassenschaft des Mittelalters ermöglicht. Ein kulturgeschichtlicher Ansatz kombiniert mit 9 ← 06298_buch.indb 9 25.06.15 25.06.15 / 14:21