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Der Wille und sein Endziel bei Thomas von Aquin

2018, Der Wille und sein Endziel bei Thomas von Aquin

Universität Wien Katholisch-Theologische Fakultät Theologie der Spiritualität Prof. Dr. Marianne Schlosser Forschungsseminar (2018S): Theologie im Mittelalter Seminarleiter: Univ.-Prof. Dr. Thomas Prügl Univ.-Prof. Dr. Marianne Schlosser Thema: Der Wille und sein Endziel bei Thomas von Aquin Vorgelegt von: Vidovic Mirko Vorgelegt am: 31.12.2018. Matrikel Nr. : 01463790 Adresse: Wolfrathplatz 2, 1130 Wien Tel. 02237/7668 Email: mirkovidovic13@gmail.com Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Was ist der Wille 2 1.1. Ist der Wille als Vermögen höher als der Verstand? 2 1.2. Bewegt der Wille den Verstand oder umgekehrt? 3 1.3. Der freie Wille 3 1.4. Was macht den Willen gut oder böse 3 2. Die Bewegung des Willens 4 2.1. Wie Gott den Willen bewegt 5 2.2. Bewegung durch Gott und Selbstbewegung 6 3. Der Wille und die Glückseligkeit als sein Endziel 6 3.1. Glückseligkeit 7 3.2. Zur Glückseligkeit erforderlichen Güter 8 3.3. Die Art und Weise, wie man zur Seligkeit gelangt 9 4. Der Wille in Adam 11 4.1. Über dem Abbild 11 4.2. Über dem Verstand und Erkenntnis 12 4.3. Über dem Urzustand 12 5. Der Wille in Christus 14 5.1. Zwei Willen in Christus 14 5.2. Der freie Wille in Christus und Übereinstimmung seines menschlichen Willens mit dem Göttlichen 15 6. Adam, Mensch, Christus – vom Naturzustand durch die Sünde zur Gnade 16 6.1. Adam 16 6.2. Der gefallene Mensch 16 6.3. Gnade durch Jesus Christus 18 7. Schlusswort 20 8. Literaturverzeichnis 21 Einleitung In dieser einfachen Seminararbeit handelt sich um eine kurze Einleitung in das Thema des Willens bei Thomas von Aquin; wie er sich den Willen vorstellt und wie er ihn darlegt. Da die Summa sein Hauptwerk, wo er sein Denken in lehrhafter Form in systematischer Weise darlegt ist, habe ich mich entschieden als Grundlage ausschließlich dieses Werk zu verwenden. Das Thema des Willens erstreckt sich durch das ganze Werk unter verschiedenen Aspekten und so muss ich mich auf einige beschränken. Ich werde versuchen die Aspekte des Willens als Phänomen, dessen Bewegung und das Endziel, nämlich die Glückseligkeit zu erklären. Danach wäre mein Anliegen am Ende kurz die Änderung des Willens in seinen verschiedenen Zuständen zu betrachten, nämlich bei Adam, bei dem gefallenen Menschen und dann bei dem Menschen unter der Gnade. Ich habe nicht vor, ein Aspekt des Willens tief zu erforschen, sondern eher allgemein vorlegen, wie Thomas den Willen versteht. Was ist der Wille Die Seele hat verschiedene Vermögen. Die fließen aus ihrem inneren Wesen aus Vgl. STh I, q. 77, a. 6. und unter ihnen gibt es eine Ordnung. Die höchste sind die geistigen Vermögen. Die stehen über und leiten die Sinnenkräften, welche dann wieder höher als die Kräfte der Nährseele sind. Vgl. STh I, q. 77, a. 4. Der Wille zusammen mit dem Verstand bildet zwei hauptvermögen der geistigen Seele. Rein geistige Wesen haben nur diese zwei Vermögen. (Vgl. I, 79, 1.) Einfach gesagt, der Verstand erkennt und der Wille will. Die zwei stehen in einem direkten Bezug zueinander. Ist der Wille als Vermögen höher als der Verstand? In Beziehung zwischen dem Willen und dem Verstand überlegt Thomas, ob der Wille ein höheres Vermögen als der Verstand wäre und ob der Wille den Verstand bewegt. Eine Antwort darauf, was höher ist, gibt er in zweifacher Hinsicht. Zuerst an sich betrachtend. In dieser Hinsicht wird der Verstand als Höheres empfunden, da der Gegenstand des Verstandes, nämlich das Wesen des erstrebbaren Gutes, einfacher und unbeschränkter ist, als der des Willens, nämlich das erstrebbare Gute selbst. Da nun die Eigenart des Vermögens durch die Hinordnung auf den Gegenstand bestimmt ist, so folgt, dass der Verstand höher und edler als der Wille ist. Anderseits aber, da sich der Gegenstand des Willens in einem höheren Dinge als Gegenstand der Vernunft befindet, ist der Wille höher als der Verstand zu sehen. So ist die Liebe zu Gott besser als die Erkenntnis Dagegen aber ist die Erkenntnis der körperlichen Dinge besser als die Liebe zu ihnen. (vgl. I, 82, 3.). Vgl. STh I, q. 82, a. 3. Bewegt der Wille den Verstand oder umgekehrt? Auf die Frage, wer den anderen bewegt, antwortet Thomas wieder in zweifacher Hinsicht. Und zwar: der Verstand bewegt den Willen, weil das vom Verstand erkannte Gut das Ziel des Willens ist und ihn zu ihm hin bewegt. Auf andere Weise bewegt etwas als Tätiges, wie Antreibende das, was angetrieben wird. Und in diesem Sinne bewegt der Wille den Verstand und alle Kräfte und Vermögen der Seele. Vgl. STh I, q. 82, a. 4. Der freie Wille Jeder Mensch hat eine freie Entscheidung, und zwar als ein Strebevermögen. Mit dem Urteil durch Erkenntniskraft, das aus einem Vergleich der Vernunft erfolgt, entscheidet der Mensch frei, ob etwas zu fliehen oder zu erstreben ist. Der Mensch hat eine freie Entscheidung eben deswegen, weil er vernünftig ist. Vgl. STh I, q. 83, a. 1. Dabei wird auch festgestellt, dass sich wie der Verstand und die Vernunft zueinander, so sich die freie Entscheidung und der Wille zueinander verhalten. Wählen ist etwas zu begehren, um etwas anderes zu erreichen; so geht es eigentlich auf das, was zum Ziel führt. So sind die freie Entscheidung und der Wille nicht zwei verschiedene Vermögen, sondern nur eines. Vgl. STh I, q. 83, a. 4. 1.4. Was macht den Willen gut oder böse Der Wille ist gut, wenn das, was er will, gut ist. Also das, was den Willen als gut oder böse definiert, ist ihr Objekt. Vgl. STh I-II, q.19, a. 1, 2. Das Objekt wird dem Willen von der Vernunft präsentiert und so spielt die Vernunft eine wichtige Rolle beim Ausrichten des Willens aufs Gute oder Böse. Vgl. STh I-II, q. 19, a. 3. Das unsere Vernunft Richtschnur des Willens ist, leitet sich vom Ewigen Gesetzt ab, das nichts anderes als die Vernunft Gottes ist. Daher wird die Bosheit oder Güte des Willens vielmehr vom Ewigen Gesetz bemessen, da unsere Vernunft sich irren kann. Obwohl das Ewige Gesetzt uns nicht ganz zugänglich ist: einen gewissen Zugang haben wir schon, teils durch die natürliche Vernunft, die sich von jenem wie sein Bild ableitet, und teils durch die Offenbarung. Vgl. STh I-II, q. 19, a. 4. In ähnlicher Weise, da die Güte des Willens von der auf den Zweck gerichteten Absicht abhängt Vgl. STh I-II, q. 19, a. 7., hängt sie auch von seiner Gleichförmigkeit mit dem göttlichen Willen ab, weil das höchste Gut Gott ist. Der menschliche Wille befindet sich im gewissen Sinne im gleichen Seinsbereich mit dem göttlichen Willen, der an maßgebender Stelle ist, und so die Richtschnur für alles, was sich in diesem Bereich des Seins findet. Damit der menschliche Wille gut sei, ist es erforderlich, dass er mit dem göttlichen Willen gleichförmig sei. Vgl. STh I-II, q. 19, a. 9. Umgekehrt, wessen Wille nicht mit dem göttlichen übereinstimmt, hat einen bösen Willen. Nun, was die besonderen Güter betrifft, Menschen können in einer gleichen Sachen Verschiedenes wollen und doch alle das Gute wollen von ihrem Gesichtspunkt aus. Das Maßgebendere aber ist das universellere Gut; und das universellste Gut ist Gott. Was er will, will er unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Besten. Also um gut zu sein, muss der menschliche Wille den göttlichen als Endziel haben (ihn formaliter wollen). Im Bezug zu den besonderen Gütern aber kann man verschiedenes (materialiter) wollen, wie es auch seiner Natur entspricht; aber insoweit der Mensch den göttlichen Willen als formales Endziel hat, bleiben besondere Güter materialiter gewollt als Mittel zum Zweck und das allgemeine Wollen bestimmt das Besondere. So, damit der Wille gut sei, muss er dem göttlichen formaler Art gleichförmig sein; im Besonderen aber, ist er es nicht gefordert zu sein, da der Mensch nicht immer wissen kann, was der Wille Gottes im Besonderen ist. Es gibt dann noch eine weitere Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes und das ist die Liebe; wird etwas mit der Liebe als dem Endzweck gemacht, hat sie Gott als Endzweck, da Gott die Liebe ist. Vgl. STh I-II, q. 19, a. 10. Die Bewegung des Willens Der Wille ist ein vernünftiges Begehren und jedes Begehren richtet sich auf etwas Gutes was einem ähnlich oder zukömmlich ist. Dieses Gut kann ein Wahres aber auch ein scheinbares Gut sein Vgl. STh I-II, q. 8, a. 1.; und es kann auch im Endzweck, aber auch im Mittel zum Zweck gefunden werden, wobei, wenn man vom Willen als einem tatsächlichen Wollen spricht, so geht er nur eigentlich auf den Zweck. Das Zweckdienliche ist gewollt insofern es zum Zwecke führt. Vgl. STh I-II, q. 8, a. 2. Der Wille ist von Natur her bewegt zum Guten, das das Objekt des Willens ist; aber nicht nur zu ihm, sondern zu allen Dingen, die zum Wollenden gehören in Zusammenhang mit seiner Natur. Also der Wille will nicht nur die Sachen, die zu ihm gehören, sondern das was zu alle Vermögen und zum ganzen Menschen gehört. Vgl. STh I-II, q. 10, a. 1. So sagt Thomas: „Mit Naturnotwendigkeit will der Mensch nicht nur den Gegenstand des Willens, sondern das allen anderen Vermögen Zukömmliche; wie die Kenntnis des Wahren, des Gegenstandes der Vernunft, und das Sein und das Leben u. dgl.; was den natürlichen Bestand des Menschen angeht. Alle diese Dinge sind inbegriffen um Gegenstande des Willens als gewisse besondere Güter.“ STh I-II, q. 10, a. 1. Das Thema des Endzwecks, bzw. Endzieles wird später bei dem Kapitel über Glückseligkeit näher beschrieben; jetzt aber wollen wir schauen wie der Wille bewegt wird. Der Wille wird in zweifacher Weise bewegt; seitens des Subjekts und seitens des Objekts. Der Wille steuert alle übrigen Vermögen und ihr Zweck und Vollendung ist einbegriffen im Gegenstand des Willens als einzelne besondere Güter. So setzt der Wille, der auf das Gute ausgerichtet ist, den Anstoß den besonderen Vermögen, die zum Erreichung jenes Gutes nötig sind. Das Objekt bewegt insoweit, als er den Akten die abgegrenzte Bestimmtheit gibt. Die Vernunft präsentiert den Willen das Objekt in aller Bestimmtheit und auf diese Weise bewegt den Willen. Vgl. STh I-II, q. 9, a. 1. Anders gesehen bewegt sich der Wille selbst Vgl. STh I-II, q. 9, a. 3., er lässt sich vom sinnlichen Begehren bewegen Vgl. STh I-II, q. 9, a. 2.; aber er lässt sich auch von einem äußerlichen Prinzip bewegen. Er will etwas, was er früher nicht gewollt hat, und zwar durch Rat. Wie z.B. wenn jemand gesund sein will, und nach Überlegung erkennt, dass er die ärztliche Behandlung braucht und sie dann will. So könnte man alle Willensbewegungen zurückverfolgen, aber nicht ins unendliche. Man nimmt an, es sei ein äußerliches Prinzip, das den ersten Willensbewegung Anstoß gegeben hat. Vgl. STh I-II, q. 9, a. 4. Äußerliche Prinzipien können den Willen aber nur mittelbar, durch Rat bewegen, nicht aber direkt die freiwillige Bewegung des Willens verursachen. Das kann nur der, der Urheber des Willens in Menschen ist, und das ist Gott. Vgl. STh I-II, q. 9, a. 5. Wie Gott den Willen bewegt Oben wurde gesagt, dass das Endziel des Willens das Gute ist. So kann der Wille von dem Gegenstand, der das Gute ist, bewegt werden indem es ihm die Kraft zu Wollen gibt. Unter dem Guten versteht man das wahre Gute (Gott und Mittel die zum Endziel führen) oder auch das scheinbare Gute. Der Wille kann von irgendeinem Gut bewegt werden, ausreichend und wirksam aber nur von Gott, der das Gute und Endziel alles Wollens schlechthin ist. Um etwas zu bewegen, muss die bewegende Kraft des Bewegers größer als die empfängnisfähige Kraft dessen, was bewegt wird, sein, oder es muss sie zumindest erreichen. Die empfängnisfähige Kraft des menschlichen Willens ist das Gut-insgesamt (bonus universalis), denn auch ist ihr Gegenstand das Gut-insgesamt. Nun ist jedes geschaffene Gut ein Teilgut, und Gott allein ist das Gut-insgesamt. So erfüllt er allein den Willen und bewegt ihm hinreichend als Gegenstand. Auf gleiche Weise ist Gott die Ursache der Kraft des Wollens. Denn das Wollen ist eine Hinneigung zum Gegenstand des Wollens, der das Gut-insgesamt, bzw. Gott ist. So bewegt Gott den menschlichen Willen auf zwei Weisen, zuerst durch Geschaffenes (ein Teilgut), und zweitens unmittelbar durch innerliche Hinneigung, dessen Urheber er selbst ist (Gut-insgesamt). Vgl. STh I, q. 105, a. 4. Bewegung durch Gott und Selbstbewegung Mit der Frage der Bewegung des Willens erheben sich einige Schwierigkeiten, vor allem die Freiheit des Willens und die Verdienste. Denn sollte Gott Ursache alles Wollenden sein, wie verhält es sich dann mit der Freiheit des Willens? Oder, wie könnte man belohnt oder bestraft werden, wenn es keine Verdienste oder Versäumnisse gibt, da alles Wirken von Gott selbst ausgeht? Thomas sagt, dass alles Bewegte nicht ausschließlich durch äußere Bewegung wirkt, sondern auch aus eigener Kraft, die jedem Ding von Gott verliehen wurde. Von einigen wurde angenommen, Gott bewirke alles in Allem, und nichts wirkt aus eigener Kraft. Das erklärt sich als unmöglich, weil dadurch zuerst die Ordnung zwischen Ursache und Verursachten in den geschaffenen Dingen aufgehoben wird (Gott wäre einfach Ursache von allem); und zweitens, weil sonst die Wirkkräfte, die den Dingen verliehen wurden, umsonst wären, wenn sie durch diese nichts wirken sollten. Weiter noch wäre alles Geschaffene seiner Tätigkeit beraubt, wäre alles sinnlos, weil jedes Geschaffene um seiner Tätigkeit willen da ist. Also ist das Wirken Gottes in den Dingen so zu verstehen: Er wirkt als Erstwirkendes, und die Tätigkeit des Zweitwirkenden ist nicht überflüssig; also trotz des Wirkens Gottes behalten die Dinge ihre eigene Tätigkeit, die durch die ihnen von Gott verliehene Kraft erfolgt. Vgl. STh I, q. 105, a. 6. Der Wille kann von einem Objekt nicht auf etwas gezwungen werden. Auf der anderen Seite präsentiert die Vernunft den Willen die Objekte und der Wille ist frei zu wählen das was ihm als besser erscheint. Das vollkommene Gut ohne Mangel ist die Seligkeit und der Wille will es mit Notwendigkeit. Vgl. STh I-II, q. 10, a. 2. Gott, als Urheber des Willens kann den Willen des Menschen bewegen, aber er tut es nicht mit Notwendigkeit, da er die Natur der Sachen nicht zerstört, sondern bewahrt. Da die Natur des Willens so ist, dass es nicht eine Sache mit Notwendigkeit will, sondern indifferente Beziehung zu vielen hat; Gott bewegt es so, dass er ihn, seiner Natur entsprechend, nicht zu eine Sache mit Notwendigkeit determiniert, sondern die Bewegung des Willens bleibt kontigent, außer in den Sachen zu denen er von Natur aus bewegt wird. Vgl. STh I-II, q. 10, a. 4. Der Wille und die Glückseligkeit als sein Endziel Thomas gesteht dabei, dass alle menschliche Handlungen mit Notwendigkeit um eines Zweckes willen geschehen. Er sagt: „Nun ist der Mensch Herr seines Handelns kraft der Vernunft und des Willens, wonach der freie Wille auch der Vernunft und dem Willen als Fähigkeit zueignet wird. Jene Handlungen allein also werden menschliche genannt, welche nach reiflicher Überlegung aus dem Willen hervorgehen (Alle andere können als `Handlungen des Menschen` bezeichnet werden). Da es nun offenbar ist, dass jegliche Tätigkeit, welche von einem Vermögen ausgeht, von letzterem verursacht wird, gemäß der Natur seines Gegenstandes, der Gegenstand des Willensvermögen aber der Zweck ist, so folgt mit Notwendigkeit, dass alle menschlichen Handlungen um eines Zweckes willen geschehen.“ STh I-II, q. 1, a. 1. Beide vernünftigen und vernunftlosen Dinge sind tätig um des Zweckes willen Vgl. STh I-II, q. 1, a. 2. und zwar haben sie einen einzelnen Endzweck in dem sie die Erfüllung aller Begehrenskraft in Vervollkommnung erlangen. Vgl. STh I-II, q. 1, a. 5. Der Mensch begehrt doch viele Sachen, die nicht direkt sein Endziel sind; außerdem denkt er nicht an sein letztes Endziel in allem was er tut und hat ihn nicht ständig vor Augen. Trotzdem, wenn Mensch ein Gut begehrt, welches nichts mit seinem Endziel zu tun zu haben scheint, steht dieses Gut doch in einer Beziehung mit seinem Endziel. „Denn der Anfang von etwas ist hingeordnet zur Vollendung desselben… und so hat der Beginn einer jeden Vollendung Beziehung zur Gesamtvollendung.“ STh I-II, q. 1, a. 6. Also alles was der Mensch begehrt, begehrt er notwendigerweise um des letzten Zweckes willen. Vgl. STh I-II, q. 1, a. 6.. Die letzten Zwecke der Menschen unterscheiden sich im Konkreten jedoch; einige streben nach Reichtümern, andere nach Vergnügen, andere wieder nach anderen Dingen. Aber jeder sucht das vollendetste Gut in dem, wonach er strebt. So sind alle Menschen darin überein, dass sie ihre Vollendung erstreben. „Das ist gerade der Grund und der Inhalt, die Natur des letzten Endzweckes. STh I-II, q. 1, a. 7. Die Erreichung des Endzweckes, das ist die Glückseligkeit. Glückseligkeit Thomas eröffnet die Frage der Glückseligkeit (STh I-II, q. 2, a. 1-7) mit einer Reihe der Gegenstände, in welchen Menschen klassischerweise die Erfüllung ihrer Glückseligkeit suchen könnten (Reichtum, Ehre, Ruhm, Macht, Vergnügen…) und am Ende stellt er fest: „unmöglich könne die Seligkeit des Menschen in einem geschaffenen Gute bestehen. Die Seligkeit nämlich ist das vollendete Gut, von dem man das Begehren ganz und gar befriedigt wird; sonst wäre sie nicht der letzte Endzweck, wenn etwas zu begehren übrig bliebe. Der Gegenstand des menschlichen Begehrens aber, also des Willens, ist das Gute im Allgemeinen, d. h. alles Gute… Nur in Gott ist alles Gute, die Kreatur nimmt nur teil am Guten. Also kann nur Gott den Willen des Menschen füllen… Nur in Gott besteht die Seligkeit des Menschen.“ STh I-II, q. 2, a. 8. So stellt sich die Frage, was die Erreichung des Endzieles, bzw. was diese Glückseligkeit eigentlich ist. Der letzte Zweck kann, sagt Thomas, in zweifacher Weise erstrebt werden, als Ding an sich (z. B. Besitz des Geldes, Reichtum); oder als Gebrauch dieses Dinges (Gebrauch des Geldes z.B.). Vgl. STh I-II, q. 1, a. 8. Im ersten Sinne wäre dieses Endziel (Glückseligkeit) Gott, also ein ungeschaffenes Gut. Im zweiten aber wäre es ein geschaffenes, etwas was in Menschen ist, nämlich der Besitz oder der Genuss des Endzieles. Vgl. STh I-II, q. 3, a. 1. Da diese Glückseligkeit etwas Geschaffenes, etwas im Menschen Bestehendes ist, folgt, dass sie eine Tätigkeit, bzw. Wirksamkeit ist. Glückseligkeit ist die letzte Vollendung des Menschen. Weiter, jedes Ding ist vollendet, insoweit es tatsächlich (in tatsächlichem Sein) ist. So muss die Glückseligkeit im Tatsächlichsein des Menschen bestehen. Etwas, was nur Potentialität (Form) hat, also etwas was nur vermögend ist, tätig zu sein, ist noch nicht vollkommen. Das Tätigsein, oder die Wirksamkeit ist die letzte Tatsächlichkeit des Handelnden (was von Aristoteles in 2. De Anima „actus secundus“ genannt wird). Weiter sagt Aristoteles, „Ein jegliches sei wegen seiner Tätigsein“ (2. De caelo, zitiert nach STh I-II, q. 3, a. 2.). So schließt Thomas, dass die Seligkeit des Menschen im Tätigsein bestehen muss. Vgl. STh I-II, q. 3, a. 2. Dieses Tätigsein bezieht sich aber primär nicht auf die Sinne, da die Seligkeit nicht in den Gütern des Körpers besteht, der Sitz der Sinne ist. Sie bezieht sich auf die Tätigkeit der Vernunft. Dem Wesen nach kann die Glückseligkeit nicht in einer Tätigkeit des Willens bestehen, da die Seligkeit Erreichung des Endzweckes ist und der Wille sich durch Verlangen nach diesem Endzweck richtet. Hat er ihn erreicht, ruht er darin; d. h. ist nicht tätig, da er sein Endziel erreicht hat. So ist der Wille das Verlangen oder die Bewegung zu diesem Endziel. Das Verlangen oder die Bewegung allein ist konsequent nicht das Erreichen des Endzieles. Also muss es eine andere Tätigkeit sein (da der Wille nicht mehr tätig ist, sondern mit Ergötzen in seinem Endziel ruht), durch die das Endziel seinem Wesen nach gegenwärtig wird; nämlich die Vernunft Vgl. STh I-II, q. 3, a. 4., und zwar die beschauliche Vernunft Vgl. STh I-II, q. 3, a. 5.. Die Ursache der Dinge erreicht man nicht ohne weiteres, sondern durch ihre Wirkung erkennt man nur die bloße Existenz der Ursache. Dringt man also zur Kenntnis der Existenz eines Schöpfers durch Wirkung des Geschaffenen, schaut man noch nicht sein Wesen und bleit so mit einem nach ihm natürlichen Verlangen, ohne vollkommene Seligkeit. Die vollkommene Seligkeit besteht darin, dass jemand die Wesenheit der ersten Ursachen schaut. Somit hat die Vernunft ihre Vollendung (und der Mensch seine Seligkeit) durch die Verbindung mit Gott als ihrem Gegenstande – die Gottesschau. Vgl. STh I-II, q. 3, a. 8. Zur Glückseligkeit erforderlichen Güter Die Seligkeit kann nicht bestehen, ohne dass sie von der Freude begleitet wird. Vgl. STh I-II, q. 4, a. 1. Die Freude, bzw. das Ergötzen besteht im Ausruhen des Willens. Der Wille aber sucht das Gute nicht um des Ausruhens willen, sondern der Wille sucht auszuruhen in einer Tätigkeit, weil diese Tätigkeit sein Gut ist. Der Wille kann ja in etwas ausruhen, allein aufgrund des Guten dieses Dinges, in dem er ausruht. Vgl. STh I-II, q. 4, a. 2. Es gibt nun Güter, die zum Erreichen des Endzieles erforderlich sind und sie sind, nach der Beziehung, die der Mensch zum Endziel hat, zu bemessen. Zum letzten Zweck hat der Mensch Beziehung teils aufgrund der Vernunft, teils aufgrund des Willens. Aufgrund der Vernunft, insoweit eine unvollkommene Kenntnis über das Endziel besteht. Aufgrund des Willens in zweifacher Weise: erstens, kraft der Liebe, die nichts anderes ist als die erste Bewegung des Willens zu etwas hin; und zweitens, kraft des tatsächlichen Verhältnisses des Liebenden zum geliebten Gut. Es wäre möglich dieses Gut zu erreichen, es ist aber über unsere Kraft erhaben, sodass man es nicht gleich (und allein) erlangen kann. Auf diese Weise „entsteht das Verhältnis des Hoffenden nach dem Gehofften; und dieses Verhältnis allein treibt an, nach dem Zwecke zu streben. Und diesen (oben genannten) drei Beziehungen entspricht je etwas in der Seligkeit selber…: nämlich das Schauen als die vollendete Kenntnis des Zweckes; das Begreifen oder Ergreifen als die Gegenwart des Zweckes; die Freude oder der Genuss als die Ruhe des Liebenden im geliebten Gegenstande. STh I-II, q. 4, a. 3. Für die Seligkeit ist weiter die Aufrichtigkeit, bzw. Geradheit des Willens erforderlich, und zwar sowohl als Vorbereitung, als auch als begleitende Folge. Als Vorbereitung, da die Aufrichtigkeit des Willens durch die Beziehung zum letzten Endzwecke hergestellt wird. Der Zweck steht in Verhältnis zum Zweckdienlichen wie Form zu Stoff. „Wie also der Stoff nicht zu seiner Form kommen kann, wenn er gebührendermaßen nicht vorbereitet ist, so erreicht nichts seinen Zweck, wenn es nicht gebührendermaßen dazu vorbereitet ist. Letzteres nun geschieht eben durch die Geradheit des Willens. Als begleitende Folge wird die Geradheit des Willens erfordert, weil das göttliche Wesen, der Gegenstand der Anschauung, das Wesen der Güte selber ist und somit der Wille dessen, der Gottes Wesen schaut, mit Notwendigkeit das liebt, was er mit Beziehung auf Gott liebt. Es tritt hier ganz derselbe Fall ein wie im gegenwärtigen Leben bei dem Verlangen nach dem Guten im Allgemeinen: Der Mensch liebt das mit Notwendigkeit, was auch immer und soweit er es als den Charakter des Guten tragend erkennt; und dieses selbst ist es, was den Willen zu einem geraden aufrichtigen macht. Also kann die Seligkeit gar nicht bestehen ohne die Aufrichtigkeit und Geradheit des Willens.“ STh I-II, q. 4, a. 4. Die Art und Weise, wie man zur Seligkeit gelangt Der Mensch ist fähig das Gute im Allgemeinen und somit das vollendete Gut zu erfassen; und sein Wille kann es begehren. Daraus erscheint, dass der Menschen die Seligkeit erreichen kann. Vgl. STh I-II, q. 5, a. 1. Obwohl alle Menschen die gleiche Seligkeit erreichen können, nämlich Gott, kann einer seliger als der andere werden. Das hängt vom Maße der Freude und des Genusses ab, das einer in demselben Gute hat. „Dass aber jemand in mehr vollendeter Weise Gottes genießt, kommt daher, weil er besser vorbereitet ist für diesen Genuss.“ STh I-II, q. 5, a. 2. Keinem Seligen also fehlt ein Gut, doch einer nimmt mehr teil an diesem Gut als der andere, bzw. ergötzt sich mehr daran. Auf die Frage ob man in gegenwärtigen Leben die Seligkeit erreichen kann, antwortet Thomas folgendermaßen: „Einen gewissen Anteil an der Seligkeit kann man in diesem Leben haben; die wahre und vollendete Seligkeit aber kann in diesem Leben nicht gefunden werden. Das erhellt sich aus zwei Erwägungen: 1. Da die Seligkeit das vollendete und allseitig hinreichende Gut ist, so muss sie alles Übel ausschließen und alles Verlangen nach Gutem befriedigen. In diesem Leben aber kann nicht alles Übel ausgeschlossen werden. Denn unvermeidlichen Übeln unterliegt das gegenwärtige Leben, sowohl nämlich der Unwissenheit von seiten der Vernunft als auch der ungeregelten Zuneigung von seiten des Begehrens und vielfachen Beschwerlichkeiten von seiten des Körpers… Ähnlich kann auch das Verlangen nach Gutem in diesem Leben nicht voll befriedigt werden. Denn kraft seiner Natur begehrt der Mensch die Dauer jenes Gutes, welches er besitzt. Die Güter dieses Lebens aber gehen vorüber, da ja auch das Leben selber vorübergeht, nach welchem wir kraft der Natur verlangen und welches wir beständig festhalten möchten, da die Natur des Menschen den Tod flieht. 2. Das Gut, worin im Besonderen die Seligkeit besteht, nämlich das Anschauen des göttlichen Wesens, kann dem Menschen in diesem Leben nicht zukommen… Also die vollendete Seligkeit kann niemand in diesem Leben besitzen.“ STh I-II, q. 5, a. 3. Unvollendete Seligkeit besteht aufgrund der Hoffnung aufs ewige Leben oder aufgrund der Teilnahme an der wahren Seligkeit gemäß einer gewissen Freude am Höchsten Gute. Vgl. STh I-II, q. 5, a. 3. Die aber, nach Thomas, kann in diesem Leben verloren gehen, im zukünftigen nicht. So wird z.B. die Seligkeit des reinen Beschauens durch Vergesslichkeit oder Beschäftigungen verloren. Und die Glückseligkeit des tätigen Lebens kann durch Abfall von Tugend (worin die irdische Glückseligkeit hauptsächlich besteht und die man erwerben kann Vgl. STh I-II, q. 5, a. 5.) verloren gehen; oder selbst wenn die Tugend bestehen bleibt, kann sie durch äußerliche Bedingungen gestört werden. Die wahre Glückseligkeit aber unterliegt keiner Änderung; dies kann nur göttliche Macht bewirken, die den Menschen zur Teilnahme an der Ewigkeit erhebt. Die wahre Seligkeit kann durch eigene Kraft des Menschen nicht erlangt werden Vgl. STh I-II, q. 5, a. 5., aber hat ihren Anfang bei ihm. Ihr Ende und Vollkommenheit ist bei Gott. Vgl. STh I-II, q. 5, a. 4. Nun was ist das was bei den Menschen liegt, bei Erlangung der Glückseligkeit? Es ist die Geradheit des Willens. Sie ist nichts Anderes als die gebührende Beziehung des Willens zum letzten Zwecke. Und dies geschieht durch die Bewegungen (Akte), vermittelst deren einer sich zum Endzweck richtet. Bei den Menschen sind es mehrere, bei den Engeln eine einzige und bei Gott keine, da er das vollendete Gut kraft seiner Natur besitzt. Beim Menschen heißen sie Verdienste. Vgl. STh I-II, q. 5, a. 7. Der Wille in Adam Adam wurde von Gott als erster Mensch erschaffen. Adam ist für die Verständnis des menschlichen Willens wichtig, weil er in einem Ursprungzustand erschaffen wurde wo sein Wille und andere Vermögen sich in einem „natürlichen“ Zustand befanden. Dies war geschädigt durch die Sünde. Nun wollen wir kurz sehen, wie dieser Zustand vor dem Sündenfall war. Über dem Abbild Die Seele des Ersten Menschen wird unmittelbar von Gott Vgl. STh I, q. 90, a. 3. aus dem Nichts Vgl. STh I, q. 90, a. 1. in einem Schöpfungsakt erschaffen Vgl. STh I, q. 90, a. 2., und zwar gleichzeitig mit dem Leib „Die Aussage, die Seele ist (Teil) göttlicher Substanz, enthält einen offenbaren Wiederspruch. Denn aus dem oben gesagtem ist dieses klar: die Seele ist zuweilen der Möglichkeit nach erkennend; sie gewinnt ferner ihr Wissen in gewissem Sinne von den Dingen und besitzt verschiedene Vermögen, was alles dem Wesen Gottes fremd ist, der die reine Wirklichkeit ist (aktus purus), der von einem anderen nichts empfängt und keine Verschiedengeit in sich trägt.“ (I, 90, 1). Vgl. STh I, q. 90, a. 4. Gott erschuf den Menschen nach seinem Abbild. Diese Ähnlichkeit ist aber keine vollkommene, da das Urbild das Abbild unendlich überragt. Vgl. STh I, q. 93, a. 1. Doch kann man von dieser Ebenbildlichkeit drei Arten unterscheiden. So erklärt es Thomas: „Die höchste Nachahmung Gottes besteht aber für die Geistesnatur in der Nachahmung Seiner Selbsterkenntnis und Selbstliebe. Darum kann man von einem Bilde Gottes im Menschen unter dreifachem Gesichtspunkt sprechen: Einmal, insofern der Mensch die natürliche Eignung zur Gotteserkenntnis und zur Gottesliebe besitzt; und diese Eignung besteht in der Geistnatur selbst, die allen Menschen gemeinsam ist. Zweitens, insofern der Mensch Gott im Aktvollzuge oder dem Gehaben nach, allerdings auf unvollkommene Weise, erkennt und liebt; dies ist das Bild der auf der Gnade beruhenden Gleichförmigkeit. Drittens insofern der Mensch im Aktvollzuge Gott auf vollkommene Weise erkennt und liebt; damit ist das Ebenbild der (ewigen) Herrlichkeit gemeint… Das erste Bild findet sich in allen Menschen vor, das zweite nur in den Gerechten, das dritte jedoch nur in den Seligen.“ STh I, q. 93, a. 4. Außerdem ist im Menschen ein Abbild Gottes sowohl in Bezug auf die göttliche Natur, als auch in Bezug auf die Dreiheit der Personen; denn auch in Gott selbst besteht eine Natur in drei Personen. Vgl. STh I, q. 93, a. 5. Weiter sagt Thomas auch: „Da nach dem oben gesagten (STh I, q. 28, a. 3) in der unerschaffenen Dreieinigkeit Unterschiede vorliegen, auf Grund des Hervorganges des Wortes von dem Sprechenden und des Ausgangs der Liebe von beiden, kann man bei dem vernunftbegabten Geschöpfen, in dem sich im Verstand ein Hervorgang des Wortes und im Willen ein Hervorgang der Liebe findet, von einem Bilde der ungeschaffenen Dreieinigkeit sprechen, auf Grund einer gewissen Darstellung der Art.“ STh I, q. 93, a. 6. Dieses Bild der Dreifaltigkeit im Geiste lässt sich hauptsächlich in der Tätigkeit sehen, dessen Quellgrunde Gehaben und Fähigkeiten sind. Vgl. STh I, q. 93, a. 7. So sagt Thomas: „Wir erwarten also ein Ebenbild Gottes im Menschen auf Grund des Wortes, das sich in ihm aus der Gotteserkenntnis bildet, und der Liebe, welche sich daraus herleitet. Und so begegnet uns das Gottesbild in der Seele, insofern sie auf Gott zugeht oder von Natur die Anlage besitzt, sich auf Gott zu richten.“ STh I, q. 93, a. 8. Über dem Verstand und Erkenntnis Nach Thomas hat Adam Gottes Wesenheit nicht geschaut, weil, wie er begründet, die Wesenheit Gottes die Glückseligkeit selbst ist. Es ist aber offenbar, dass sich kein Mensch mit seinem Willen von seiner Seligkeit abwenden kann, denn der Mensch strebt nach Seligkeit und flieht das Übel naturhaft. Also kann keiner, der Gott in seiner Wesenheit schaut, sich willentlich von ihm abwenden. Das hat aber Adam gemacht, indem er sündigte. Daher stellt Thomas fest, dass der Mensch in seinem Urstand Gottes Wesenheit nicht geschaut hat. Seine Erkenntnis lag zwischen der Erkenntnis des gegenwärtigen Zustandes und die der ewigen Seligkeit. Dabei ist wichtig zu beachten, dass je gottähnlicher ein Geschöpf ist, desto klarer es Gott erkennt. So ist klar, dass Gott viel vollkommener durch die geistigen Wirkungen erkannt wird, als durch die sinnenfälligen Dinge. Der Mensch im gegenwärtigen Zustand wird aber an der Betrachtung der geistigen Wirkungen durch die sinnenfälligen Dinge gehindert und abgelenkt. Bei Adam war es nicht so, da in ihm das Niedere dem Höherem unterworfen war, und er so mittels Gottes Wirkungen Gott klarer erkennen konnte als wir, doch nicht so klar wie z.B. Engel, oder einer, der im Zustand der vollkommenen Seligkeit ist. Obwohl Adam nicht die vollkommene Seligkeit besaß, hatte er doch eine bestimmte Seligkeit, insofern er eine gewisse natürliche Unversehrtheit und Vollkommenheit besaß. Vgl. STh I, q. 94, a. 1. Über dem Urzustand Der Erste Mensch sei in der Gnade erschaffen worden. Sonst wäre seine Rechtheit Für diesen Zustand des in den Klammer Beschriebenen benutzt Thomas manchmal das Wort „Rechtheit“ und öfter das Wort „natürliche Gerechtigkeit“, je nach Kontext. Grundsätzlich beschreiben sie das gleiche, wobei das Wort Rechtheit mehr in Bezug auf den Willen steht und oft im solchem Kontext gefunden wird: „Rechtheit des Willens“. „Natürliche Gerechtigkeit“ wäre als Begriff ein wenig breiter, obwohl sie sich schließlich im Großen und Ganzen auch auf den Willen bezieht. So sagt Thomas in STh I-II, q. 83, a. 3: „Die ursprüngliche Gerechtigkeit betrifft zunächst den Willen. Sie ist nämlich die „Rechtheit des Willens“. (die darin bestand, dass seine Vernunft Gott untertan war, seine niederen Kräfte der Vernunft und sein Leib der Seele) Teil seiner Natur. Das ist aber nicht der Fall, da er diese Rechtheit nach dem Sündenfall verloren hat. So wird klar, dass es der Frucht der Gnade war, in der er erschaffen wurde und die nicht Teil seiner Natur war. Vgl. STh I, q. 95, a. 1. Adam hatte im Urstand auch Leidenschaften, allerdings nur die, die auf das Gute gerichtet sind, wie Liebe und Freude, da es in Urstand kein Übel gab. So gab es in Adam keine aufs Übel gerichteten Leidenschaften, so wie Furcht oder Schmerz. Doch die Leidenschaften, die Adam hatte, waren nicht gleich wie bei uns. Denn bei uns ist das sinnliche Strebevermögen, in dem die Leidenschaften sind, der Vernunft nicht gänzlich unterworfen. Darum können bei uns die Leidenschaften die Urteile der Vernunft behindern. Im Unschuldsstande aber war das sinnliche Strebevermögen der Vernunft ganz unterworfen, und so gab es nur die Leidenschaften, die auf das Urteil der Vernunft folgten. Vgl. STh I, q. 95, a. 2. Nun, wie beschrieben, besaß Adam die Rechtheit, durch die die Vernunft Gott unterworfen war. Daraus ergibt sich, dass er auch alle Tugenden besaß, die nichts anderes als gewisse Vollkommenheiten sind, durch welche die Vernunft auf Gott hingeordnet wird und die niederen Kräfte dem Richtmaß der Vernunft gemäß ausgerichtet werden. So besaß Adam alle Tugenden. Da Adam die Endseligkeit nicht besaß, ist vorauszusetzen, dass er auch Glaube und Hoffnung sowohl dem Gehaben als auch dem Akte nach besaß. Was er nicht gehabt habe, wären z.B. Buße oder Mitleid, die unmittelbar mit der Sünde und Elend verbunden sind, die es aber im Urzustande nicht gab. Vgl. STh I, q. 95, a. 3. Also gründeten alle Tugenden Adams in der Rechtheit (die sein Zustand des Aus-Gnade-Erschaffenseins ist) durch die in Adam niederen den höheren Kräften, und die Vernunft Gott unterworfen waren; so aber verhielt es sich auch mit seinem Leib und seiner Seele. Solange die Seele Adams Gott unterworfen blieb, besaß er eine von Gott gegebene Kraft, mittels derer seine Seele seinen Leib von jeglichem Verfall bewahrte. So war Adam in seinem Urzustand unvergänglich und unsterblich. Vgl. STh I, q. 97, a. 1. Aus den gleichen Gründen seiner Unsterblichkeit, konnte er auch das Leiden von sich fernhalten und war leidensunfähig. Vgl. STh I, q. 97, a. 2. Diese Gnade, in der er erschaffen worden ist, fand in seiner Natur kein Hindernis und war ihm auf diese Weise in größerem Maße zuteil als uns jetzt. So war es Adam gestattet in einer gewissen Vollkommenheit und Seligkeit zu leben. Daher sind auch die Akte die Adam vollzog verdienstlicher als unsere jetzt. Die Verdienstbarkeit hängt von der Gnade und der Liebe ab und diese sind bei Adam in höherem Maße als bei uns vorhanden. Da die Verdienstbarkeit teilweise auch von der Größe des Werkes abhängt, kann man auch sagen, dass seine Akte größeren Verdienst hatten, weil seine Werke größer als die unseren sind. Nun aber, wenn man die verhältnismäßige Verdienstgröße in Betracht zieht, ergibt sich, dass die Verdienste des gefallenen Menschen, wegen seiner Schwächung, in gewisser Hinsicht größer als die des Adams sind, da ein geringeres Werk, das mit Schwierigkeit getan wird, mehr wert als ein großes Werk mit Leichtigkeit getan ist, so wie z.B. zwei Münzen der armen Witwe verhältnismäßig mehr ist als viel Geld der Reichen. Vgl. STh I, q. 95, a. 4. Der Wille in Christus Der zweite Adam, Christus, hatte einen besonderen und komplexen Willen, bzw. er hatte zwei: einen menschlichen und einen göttlichen. Es wird nun kurz beschrieben wie die zwei sich zueinander verhielten; was nicht nur zur bessere Verständnis der Person Christi nötig ist, sondern auch des durch Gnade Christi geheilten menschlichen Willens. Zwei Willen in Christus Im Lauf der Geschichte dachten einige (Apollinaris, Eutyches, Nestorius), es gebe nur eine Natur und daher einen Willen in Christus. Später doch erkannten andere (Makarius, Cyrus von Alexandrien, Sergius von Konstantinopel) es gebe zwei Naturen in Christus, aber dachten es gebe doch weiter nur einen Willen in Christus. Schließlich wurde am sechsten Konzil von Konstantinopel beschlossen, es gebe in Christus zwei Naturen und zwei Willen. Also es ist manifest, dass der Sohn Gottes eine vollständige menschliche Natur angenommen hat. Der Wille gehört zu Vollständigkeit einer Natur, dessen er natürliche Fähigkeit ist, so wie die Vernunft. Der Wille kann von keinem Äußeren innerlich bewegt werden, außer von Gott, wie oben gesagt wurde. Diese Art von Bewegung gab es bei dem Wollen der Heiligen, in denen Gott „das Wollen und das Vollbringen bewirkt“ (Phil 2, 13). Und beim Sohn Gottes, obgleich er eigene menschliche Willensbewegung hatte, kam alles was zu seine menschliche Natur gehört allein auf Geheiß Seines göttlichen Wesens in Bewegung. Er folgte mit seinem menschlichen Willen immer den göttlichen, als dessen Instrument. So sagt der Psalm „Deinen Willen, o mein Gott, will ich erfüllen!“ (Ps 40, 9) Vgl. STh III, q. 18, a. 1.. Der Sohn Gottes nahm alles was zur menschlichen Natur gehört an; dazu gehört auch das sinnliche Strebevermögen, oder die Sinnlichkeit. Insofern aber die Sinnlichkeit von Natur her der Vernunft gehorcht, kann es ‚vernunfthaft durch Teilnahme` genannt werden (Aristoteles). Und gleich so, da `der Wille in der Vernunft ist`, kann man mit der gleichen Begründung die Sinnlichkeit einen `Willen durch die Teilnahme` nennen. Vgl. STh III, q. 18, a. 2. Wie bei jedem Menschen, gab es bei Christus einen Willen im eigentlichen Sinne, den Vernunftwillen. Aber den Willen kann man beobachten im Sinne eines Vermögens oder im Sinne der Betätigung. Nimmt man den Willen im Sinne der Betätigung, muss man im Menschen Christus zwei Willen annehmen. Der Wille in Hinsicht der Betätigung kann sich schlechthin und unbedingt auf das Ziel, als auf etwas, das in sich gut ist, richten (Wille als solcher, Naturwille oder thelesis genannt); oder auf die Mittel, durch Vergleich, insofern sie ihr Gutsein aus Zielgerichtetsein haben (überlegender Wille, Vernunftwille oder bulesis genannt). Die beiden Willen haben keinen Unterschied im Vermögen, da beide auf das Gute abzielen. Redet man also vom Willen als Willensvermögen, dann gibt es im Christus nur einen menschlichen Willen (lässt man den Willen als Teilhabe nun außer Sicht); spricht man aber vom Willen als Betätigung, dann gibt es im Christus, wie bei jedem Menschen, zwei Willen, Naturwille (thelesis) und Vernunftwille (bulesis). Vgl. STh III, q. 18, a. 3. Dieses Verständnis gibt das Licht über verschiedene Aspekte des Willens in Christus, die vielleicht ohnedies schwer zu erklären wären, z.B. dass es im Christus einen freien Willen gab, oder dass sein Wille nicht immer mit dem des Vaters im Wollen übereinstimmte wie z.B. in Getsemani. Der freie Wille in Christus und Übereinstimmung seines menschlichen Willens mit dem Göttlichen Der Gegenstand des Willens ist das Ziel, der Gegenstand des Wählens aber sind die Mittel. Der schlichte Wille entspricht dem oben erklärten Naturwillen und das Wählen dem Vernunftwillen, in dem die eigentliche Betätigung des freien Willens durch Rat besteht. Nimmt man also den Vernunftwillen in Christus an, muss man auch das Wählen annehmen und daher den freien Willen, deren Betätigung das Wählen ist. Sein freier Wille war aber im Guten gefestigt und so war sein Wählen wie das der Seligen, das nicht auf dieses oder jenes Gute festgelegt war, sondern auf Gott allein; obwohl sein Wille ganz menschlich war, mit allen seinen Schwächen. Vgl. STh III, q. 18, a. 4. Seine menschliche Schwachheit erwies sich am stärksten in Getsemani, wo sich sein menschlicher Wille weigert, in den Willen des Vaters einzutreten indem er sagt „Vater, lass diesen Kelch mir vorübergehen.“. Gottes Sohn ließ in seinem Fleisch und allen Kräften der Seele das Leiden und Wirken in eigener Weise zu. Die gehören zu Sinnlichkeit und von der Sinnlichkeit ist klar, dass sie dem Leiden und Schmerzen zu entfliehen sucht. Auch aber der Naturwille (thelesis) entzieht sich den Dingen, die gegen die Natur oder in sich Übel sind, wie z.B. Tod und dergleichen. Auf der anderen Seite könnte der Vernunftwille eines von diesem Naturwidrigem wählen, wenn es später zum Ziel führt, so wie sich jeder Mensch mit Vernunftwillen für etwas entscheiden kann, was der Naturwille und die Sinnlichkeit scheuen, z.B. sich schneiden lassen oder etwas bitteres Trinken um der Gesundheit willen. Der Wille Gottes war, dass Christus leidet und stirbt; nicht um des Leidens und Sterbens willen, sondern wegen der Erlösung der Menschen als deren Ziel. Also konnte Christus mit der Sinnlichkeit und dem Naturwillen, die nicht auf den göttlichen Willen gerichtet sind, etwas anderes als Gott gewollt haben; aber mit dem Vernunftwillen wollte er immer was Gott wollte, wie er dann selber sagt: „…aber nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe.“ (Mt 26, 39). Vgl. STh III, q. 18, a. 5. Man kann daher nicht sagen, es gab in Christus einen Wiederstreit des Willens, weil, obwohl seine Sinnlichkeit und der Naturwille sich dem Willen Gottes und dem Vernunftwillen Christi weigerten, wiesen sie nicht den Grund der Passion, die der Wille Gottes und Vernunftwille Christi bejahten, zurück. Die Sinnlichkeit konnte einfach nicht so weit vordringen um das Heil der Menschen von sich zu wollen, aber sie ordnete sich dem Vernunftwillen unter. Zweitens, weil weder die Sinnlichkeit und Naturwille den Willen Gottes und Vernunftwillen in Christus gehindert haben, noch haben der Wille Gottes und der Vernunftwille die Regungen seines menschlichen Naturwillens und der Sittlichkeit gehemmt. Vgl. STh III, q. 18, a. 6. „Es gefiel nämlich Christus, Seinem göttlichen wie Seinem Vernunftwillen nach, Seinen Naturwillen wie auch den Willen der Sinnlichkeit sich nach ihrer natürlichen Ordnung betätigen zu lassen.“ STh III, q. 18, a. 6. Bei uns, Menschen, gibt es eine Gegensätzlichkeit des Fleisches gegen den Geist, da die Begierde des Fleisches das Begehren des Geistes verhindert. Diese gab es bei Christus auch nicht, da sie die Folge der Ursünde ist Vgl. STh I-II, q. 85, a. 5., die bei Christus nicht vorhanden war. Vgl. STh III, q. 18, a. 6. Adam, Mensch, Christus – vom Naturzustand durch die Sünde zur Gnade Der Wille des Menschen ist in der Geschichte nicht immer gleich gewesen. Als gotterschaffenes Vermögen des Menschen ist er in seiner Potentialität gleich, war aber im Akt und Qualität nicht immer gleich. In erstem Menschen erschaffen, war der Wille in seinem Urzustand. Der Wille wurde durch die Sünde verletzt und verlor seine wichtigsten Eigenschaften, die Geradheit und Rechtheit. Durch Christus wurde er wiederhergestellt; und zwar nicht zu seinen Urzustand der ursprünglichen Gerechtigkeit (wegen der verbliebenen verletzten Natur) sondern durch Gnade wurde er geheilt und dazu befähigt sich dem göttlichen Willen zu eignen und schlussendlich zu seinem Ziel zu gelangen, zum Höchsten Gut in dem er seine Erfüllung finden soll. Adam Ich wiederhole kurz wie es sich mit dem Willen in Adam verhielt. Adam wurde in der Gnade erschaffen, daher besaß er natürliche Gerechtigkeit (sein Leib war der Seele unterworfen, seine niedere Kräfte der Vernunft und sein Vernunft Gott) und Geradheit des Willens (aufrichtige Beziehung des Willens zum letzten Zwecke) von Anfang an und bedarf keiner besonderen Anstrengung, um diese aufrechtzuhalten. Aufgrund der ursprünglichen Gerechtigkeit fand Gnade in Adam kein Hindernis, er hatte alle Tugenden und seine Leidenschaften waren der Vernunft gänzlich unterworfen und nur auf das Gute ausgerichtet. So lebte Adam in einer gewissen Seligkeit, aber nicht in Gottesschau (ist deswegen klar, weil Adam gesündigt hat; und wie oben beschrieben, kann kein Wille sich vom höchstem Gut abwenden, wenn er in ihm einmal ruht.) Der gefallene Mensch Also sündigte Adam vom Teufel verführt und verlor die natürliche Gerechtigkeit. Und dies ging weiter an alle Menschen, die von Adam stammen durch die Zeugung, bzw. Teilnahme aller Menschen an der menschlichen Natur Adams. So wie die Seele der Beweger des Willens ist, und andere Glieder zum Akt der Sünde betätigt; so Adam als ein Leib vieler Glieder oder als der erste Beweger der menschlichen Natur erstreckt die Ursünde an alle seine Nachfahren die in ihm durch die Zeugung enthalten sind. Vgl. STh I-II, q. 81, a. 2, 3. So Thomas: „Und auf diese Weise war die ursprüngliche Gerechtigkeit ein gewisses Geschenk der Gnade, das der ganzen menschlichen Natur im Stammvater von Gott mitgeteilt wurde. Wie darum jene ursprüngliche Gerechtigkeit zugleich mit der Natur auf die Nachkommen übertragen worden wäre, so auch die gegenteilige Ausrichtung.“ STh I-II, q. 81, a. 2. Mit der Ursprungssünde (Ursünde, Erbsünde) verlor der Mensch die natürliche Gerechtigkeit ganz, die die fehlgeleiteten Taten verhindert hat. So hat nun der Mensch durch die Ursprungssünde die Neigung zu fehlgeleiteten Taten, sprich Sünden. „Sündigen nämlich ist nichts Anderes wie Abweichen von dem der Natur Entsprechenden, was der Mensch bei unversehrten Kräften vermeiden konnte.“ (STh I-II, q. 109, a. 8) Thomas definiert die Ursprungssünde als ein Gehaben (habitus): „Sie (Ursprungssünde) ist nämlich eine gewisse fehlgerichtete Verfassung, die aus der Auflösung jener Harmonie hervorgeht, in der das Wesen der ursprünglichen Gerechtigkeit bestand – so wie auch die leibliche Krankheit eine gewisse fehlgerichtete Verfassung des Leibes ist, derzufolge das Gleichmaß sich auflöst, worin das Wesen der Gesundheit besteht. Daher nennt man die Ursprungssünde auch „Entkräftung der Natur“. Wie die leibliche Krankheit etwas von einem Mangel hat… so umfasst auch die Ursprungssünde den Mangel der ursprünglichen Gerechtigkeit und damit verbunden die fehlgerichtete Verfassung der Seelenteile. Darum ist sie kein reiner Mangel, sondern ein gewisses verdorbenes Gehaben (habitus corruptus)… Vielmehr: sie ist ein durch den geschädigten Ursprung eingeborenes Gehaben.“ STh I-II, q. 82, a. 1. Was verursacht diese Ursprungssünde im Konkreten? Die Begierlichkeit (concupiscentia). Die Erbsünde ist ihrem Wesen nach der Wegfall der ursprüngliche Gerechtigkeit; im Konkreten, bzw. im Akt ist sie concupiscentia; und so wirkt sie sich auf den Willen ein: „Die Ursache der Ursprungssünde ist daher von der Ursache der ursprünglichen Gerechtigkeit aus anzugehen, die ihr entgegensteht. Die ganze Ausrichtung der ursprünglichen Gerechtigkeit aber beruht darauf, dass der Wille des Menschen Gott unterworfen war. Diese Unterwerfung aber erfolgte ersichtlich und hauptsächlich durch den Willen, dessen Sache es ist, alle anderen (Seelen-)Teile zu ihrem Ziel hin zu bewegen (STh I-II, q. 9, a. 1). Aus der Abkehr des Willens von Gott folgte daher die Fehlausrichtung in allen anderen Seelenkräften. So ist also die Ermangelung der ursprünglichen Gerechtigkeit, kraft deren der Wille Gott unterworfen war, das Wesensbestimmenden in der Ursprungssünde; alle weitere Fehlausrichtung der Seelenkräfte aber verhält sich in der Ursprungssünde wie eine gewisse Stoffgrundlage. Die Fehlausrichtung in den anderen Seelenkräften aber wird besonders in der Hinsicht bestimmt, dass sie auf fehlgeleitete Weise sich zum vergänglichen Gut hinkehren. Diese Fehlausrichtung aber kann man in einem allgemeinen Sinne „Begierlichkeit (concupiscentia)“ nennen. Und so besteht die Ursprungssünde ihrer Grundlage nach in der Begierlichkeit, ihrem Wesen nach aber im Wegfall der ursprünglichen Gerechtigkeit.“ STh I-II, q. 82, a. 3. Der erste Träger der Ursprungssünde (genauso wie der natürlichen Gerechtigkeit) ist die Seele ihrem Wesen nach, Vgl. STh I-II, q. 83, a. 2. und da das Wesen der Seele eine Hinneigung zu Betätigung hat schreitet dann die Ursprungssünde zu den Seelenvermögen fort, und dass betrifft den Willen am stärksten. Vgl. STh I-II, q. 83, a. 3. „Sie (die Ursprungssünde) muss also jenes (Seelenvermögen) erstlich betreffen, das die erstanfängliche Neigung zum Sündigen hat. Das aber ist der Wille (STh I-II, q. 74, a. 1,2). Daher betrifft die Ursprungsünde zunächst den Willen.“ STh I-II, q. 83, a. 3. So fasst der Thomas zusammen die dreifache Folge der Sünde auf den Menschen: „Nun hat der Mensch durch die Sünde einen dreifachen Nachteil erlitten: nämlich seine Seele hat einen Flecken erhalten; das seiner Natur entsprechende Gute ist verderbt worden; und Strafe hat er verdient. Der Flecken seiner Seele rührt daher, dass er infolge der Hässlichkeit der Sünde des Glanzes der Gnade ermangelt. Das Gute seiner Natur ist verderbt, weil die Fähigkeiten in Unordnung sind, infolgedessen dass sein Wille nicht Gott unterworfen ist, denn dadurch kam Unordnung in die ganze Natur. Und zudem verliert er durch die Todsünde die ewige Höllenstrafe.“ STh I-II, q. 109, a. 7. Ohne die Gnade hätte sich der Mensch allein von diesem Zustand nie retten können. Gnade durch Jesus Christus Es ist kurz erklärt worden, welche zerstörerische Folge die Sünde auf den Willen gehabt hat. Der wird nun zusammen mit der ganzen menschlichen Natur geheilt durch die Gnade die unser Herr Jesus Christus durch seine Menschwerdung Und alles was dazu gehört: Leben, Leiden, Stiften der Sakramente, Tod, Auferstehung, Sendung des Geistes, Sitzen zur rechten des Vaters, etc. erworben hat. Es wird kurz erklärt wie die Gnade den Willen unterstützt. Schon Adam brauchte die Gnade, aber nur die, die auf das übernatürliche Gute gerichtet war und sich auf die eingegossenen Tugenden bezog. Kraft der Natur die ihm von Gott gegeben ist hatte er alle erworbenen Tugenden, und seiner Natur entsprechendes Gute konnte er tun und wollen. Nun der gefallene Mensch braucht die Gnade für beides: um das übernatürliche Gute zu wollen und zu tun; und für Heilung seiner verletzten Natur. Vgl. STh I-II, q. 109, a. 2. Auch konnte Adam ohne besondere Gnade bzw. kraft seiner Natur die Gebote halten Vgl. STh I-II, q. 109, a. 4., alle Sünden vermeiden Vgl. STh I-II, q. 109, a. 8. und Gott mehr als sich selbst lieben und so ihn als letzten Zeck zu haben, wie es der Geradheit seines Willens entsprach. Vgl. STh I-II, q. 109, a. 3. Nun für all dies braucht der gefallene Mensch besondere Gnade; sonst ohne diese sucht er aufgrund seiner verletzten Natur immer nur sein eigenes Interesse und verfehlt so das Endziel. Der Wille spielt nämlich eine entscheidende Rolle bei der Erreichung des Endzieles - des ewigen Lebens, wie schon im Kapitel über Glückseligkeit erklärt wurde. Der Mensch kann mit seinem verletzten Willen etwas Gutes tun (arbeiten, Freundschaften machen usw.), aber nicht das, was des Ewigen Lebens verdienstlich ist. „Dazu ist eine höhere Kraft erforderlich, die da ist die Kraft der Gnade. Ohne Gnade also kann der Mensch nicht das ewige Leben verdienen… Mit seinem Willen macht der Mensch das, was das ewige Leben verdient Im Sinne, dass der Wille der ist, der entscheidende Rolle beim Erreichung des ewigen Lebens hat; was den Menschen anbelangt.; aber die Gnade muss den Willen vorbereiten. STh I-II, q. 109, a. 5. „Im Stande der gefallenen Natur aber bedarf der Mensch bereits des inneren Gnadenzustandes, damit dieser die Natur heile und der Mensch so von Sünden sich enthalte.“ STh I-II, q. 109, a. 7. Die Gnade wirkt auf den Willen in zweifacher Weise ein: „Nun besteht in uns eine doppelte Tätigkeit: 1. die innere Willenstätigkeit; und mit Rücksicht darauf ist der Wille ein nur in Tätigkeit oder Bewegung gesetzter und nicht selbst ein bewegender; hier ist Gott der in Tätigkeit setzende. Und zwar tritt dies zumal ein, wenn der Wille beginnt, etwas Gutes zu wollen, nachdem er vorher das Böse gewollt hatte; soweit also hier Gott den menschlichen Geist zu diesem besonderen einzelnen Willensakte hin bestimmt, heißt die Gnade eine „einwirkende“ (gratia operans). Dann ist 2. der äußere Akt, der vom Willen den anderen Vermögen vorgeschrieben wird; und mit Rücksicht auf diesen Akt wird das Tätigsein dem Willen ebenfalls zugeteilt. Weil aber Gott auch zu diesem Akte hilft, sowohl indem Er innen den Willen festigt, als auch indem Er die äußeren Fähigkeiten unterstützt; so ist hier von einer „mitwirkenden“ Gnade (gratia cooperans) die Rede. Also ist mit Rücksicht auf den Anstoß zur Tätigkeit die Einteilung richtig: „Dass wir wollen, wirkt Gott; dass wir vollenden, wenn wir wollen, dazu wirkt Gott mit,“ sagt Augustin“ STh I-II, q. 111, a. 2.. Die Heilung des Willens und der Natur wiederspiegelt sich in der inneren Ordnung die das Meiden der Sünde und Liebe zu Gott zur Folge hat Vgl. STh I-II, q. 113, a. 7. und schlussendlich im Himmel zu Vollendung gelangt: „Also das durch Christus gebrachte Geschenk ist größer wie die Sünde Adams. Trotzdem aber konnte im Stande der Unversehrtheit der Mensch leichter im Stande der Gnade verharren. Denn es bestand da keine Unbotmäßigkeit des Fleisches gegenüber dem Geiste; jetzt aber ist die Wiederherstellung durch die Gnade Christi wohl im vernünftigen Geiste begonnen, aber nicht bis zum Fleische hin vollendet. Dies Letztere wird in der Heimat da oben statthaben, wo der Mensch nicht nur wird beharren können, sondern auch nicht sündigen.“ STh I-II, q. 109, a. 10. Also der Adam befand sich im Paradies im Stande einer „gewissen Glückseligkeit“ die in seiner natürlichen Gerechtigkeit bestand, die ein vollkommener (und natürlicher) Zustand des menschlichen Willens ist. Nach dem Sündenfall verlor der Mensch die natürliche Gerechtigkeit und leidet bis zum Tode dessen Folge, die concupiscentia ist. Er hat auch den Himmel verloren und jede Möglichkeit das wahre Endziel zu erlangen bis der Erlöser kommt und uns alle rettet. Nach dem Kommen unseres Herrn Jesus Christus empfingen wir Gnade über Gnade. Unser verwundeter Wille wurde zwar nicht zu seinem Ursprungszustand wiederhergestellt, aber durch Gnade wurde er geheilt und wird aufrechtgehalten um die Werke des ewigen Lebens zu vollbringen um sein wahres Ziel zu erlangen – sein Ausruhen im Gott, die Gottesschau, die „wahre Glückseligkeit“. Schlusswort In dieser Arbeit habe ich versucht einige Aspekte des Willens bei Thomas verständlich und korrekt darzulegen, und dabei, soweit wie möglich, seine Klarheit zu behalten. Neben der beiden deutschen Übersetzungen die ich hauptsächlich verwendet habe, war die englische Übersetzung der Dominikaner oft hilfreich, da sie mir an manchen Stellen klarer und leichter zu lesen und zu verstehen war. Das Thema des Willens habe ich nicht vollständig dargelegt da es sich dann weiter auf viele andere Bereiche ausstrecken würde wie z. B. Tugenden, Laster, Sünden, Verdienste, andere Seelenvermögen usw. was nicht in Rahmen dieser Seminararbeit hineinpassen würde. Ich habe versucht jenes zu erklären, was mir am wichtigsten und grundlegendsten im Bezug zum Willen schien, und das war der Wille als einer der Hauptseelenvermögen; seine Bewegung und das Endziel. Im zweiten Teil der Arbeit war es mir wichtig zu zeigen, dass der Wille nicht immer gleich durch die Geschichte war, sondern er unterlag einer Änderung aufgrund der Sünde und der Gnade. In diesem Teil habe ich auch kurz beschrieben den Willen Adams, der in seiner natürlichen Ursprungsform war; und die zwei Willen in Christus: den menschlichen und den göttlichen. Durch die Sünde nämlich wurde der Wille verletzt, um dann von der Gnade, die uns durch unseren Herrn Jesus Christus gekommen ist geheilt zu werden. Mit der Gnade haben wir die Möglichkeit, dass unser Wille darauf gerichtet sei, mit dem göttlichen Willen gleichförmig zu sein und wir so dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet werden (vgl. Röm 8,29). Literaturverzeichnis THOMAS von Aquin, Summa Theolgica, die deutsche Thomas Ausgabe, Übersetzt und kommentiert von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs. Hauptschriftleiter P. Heinrich Maria Christmann OP: Band 6 : Wesen und Ausstattung des Menschen : I, 75 – 89, Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 1937. Band 7 : Erschaffung und Urzustand des Menschen : I, 90 – 102, Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 1941. Band 8 : Erhaltung und Regierung der Welt : I, 103 – 119, Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 1951. Band 12: Die Sünde : I - II, 71 – 89, Schriftl.: Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 2004. Band 14 : Der Neue Bund und die Gnade : I - II, 106 – 114, Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 1955. Band 25 : Die Menschwerdung Christi, Heinrich Maria Christmann, Salzburg [u.a.] : Pustet, 1934. THOMAS von Aquin, Summe der Theologie, deutsch wiedergegeben durch Ceslaus Maria Schneider, Verlagsanstalt von G. J. Manz, lateinische Text aus: Sancti Thomae de Aquino Summa Theologiae. Textum Leoninum Romae 1888 editum ac automato translatum a Roberto Busa SJ in taenias magneticas denuo recognovit Enrique Alarcón atque instruxit Regensburg 1886-1892., aus: http://www.unifr.ch/bkv/summa/inhalt1.htm, 28.12.2018. THOMAS Aquinas, Summa Theologica, Literally translated by Fathers of the English Dominican Province. Second and revised edition (London: Burns Oates and Washbourne, 1920-1936), aus: https://oll.libertyfund.org/titles/1978, 28.12.2018. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, Stuttgart 2016. „Der Wille und sein Endziel bei Thomas von Aquin“ Mirko Vidovic 20