A RW ED A R N U LF
Jenseits der Kennerschaft
Intentionen gelehrten
Grafiksammelns
Kennerschaftliches und gelehrtes
Grafiksammeln, Formen und Funktionen der Objektdokumentation
Im Zentrum grafikbezogener Sammlungsgeschichte steht jene seit Michel de Marolles etablierte,1 von Kunsthändlern wie Edmé-François
Gersaint durch die Entwicklung von MarketingInstrumenten, wie den Werkverzeichnissen,2
offensiv beworbene Art des Grafiksammelns.
Diese zielt auf repräsentative Vollständigkeit;
künstlerorientiert und rein ästhetisch ausgerichtet, diente sie vor allem der Repräsentation des
Sammlers als Kenner; die mit der Erfindung so
bezeichneter Kennerschaft einhergeht, und bis
heute in der Ausrichtung grafischer Kabinette
und diesbezüglicher Forschung fortwirkt.3 Daneben stehen im 17. und 18. Jahrhundert andere Intentionen des Erwerbs und Sammelns
grafischer Darstellungen. Dies betrifft natürlich
auch die Vielfalt der Thematik und Funktion des
Sammelgutes. So sind es mengenmäßig wohl die
Porträts, die meist als Kupferstich, das Angebot
des Grafikmarktes dominierten. Ob in Publikationen genealogischer Art, als Bildnisfolge ehemaliger oder aktueller Herrscher, als Sammlungen verstorbener oder noch lebender Gelehrter,
häufig auch postum, im protestantischen Bereich
gern der gedruckten Leichenpredigt illustrativ
beigegeben, man strebte nach Anfertigung und
Verbreitung von Bildnissen, handelte und sammelte diese in schwer nachvollziehbarem Umfang, wobei selten die künstlerische Qualität den
Erwerb begründete. Formal und künstlerisch ist
das Spektrum ebenso groß wie die Spannweite
des Anspruchs- und damit Preisniveaus. Zeugnis dieser Bildnisbesessenheit sind nicht nur die
enormen Mengen erhaltener grafischer Bildnisse
in Kabinetten und Bibliotheken oder der Umfang des Digitalen Porträt-Index,4 sondern auch
diesbezügliches Schrifttum; wichtigstes Beispiel
ist wohl Siegmund Jacob Apins Anweisung zum
Sammeln grafischer Bildnisse von 1726.5 Dieser
hatte nach Nürnberger Zeit in Braunschweig an
der Aegidien-Schule gelehrt.6 Apin war nicht
nur ein manischer Sammler von Gelehrten-Bildnissen mit systematisch-statistischen Neigungen – er schätzte und zählte alles, so etwa die zu
seiner Zeit in Nürnberg öffentlich ausgestellten
Bildnisse auf über 1.6007 – sondern stand auch
dem eigentlichen Kunstsammeln fern und gehörte in die Welt der Gelehrsamkeit. Andere
Texte aus seiner Feder beschäftigten sich mit
dem Sammeln akademischer Dissertationen und
Gelehrtenviten.8 In diesem Streben nach vollständiger Erfassung existierender Druckwerke,
Biographien und Bildnisse ist er ganz Vertreter
zeittypischer Paradigmen der Historia literaria,
der zu seiner Zeit aktuellen Mode gelehrter Beschäftigung.9
Kupferstiche dienten natürlich auch der Illustration und bildlichen Dokumentation in den
verschiedenen, sich differenzierenden Disziplinen, wobei hier von Medizin, Zoologie, Botanik
und Naturwissenschaften aller Art abgesehen,10
dafür aber, thematisch nahe, der Grafikgebrauch
im Feld historisch-antiquarischer Forschung in
den Blick genommen wird. Dabei sollen drei
Aspekte besondere Aufmerksamkeit erhalten:
erstens die Spannweite der Verwendung derartiger grafischer Abbildungen, zweitens deren
Nutzung und Sammelpraxis, also auch die Diversität des sammlerischen Umgangs mit grafischen Blättern im Bereich historischer Beschäf-
Jenseits der Kennerschaft
35
tigungen, und drittens, die zugrunde liegenden
bzw. daraus resultierenden theoretischen Äußerungen und Anleitungen der Zeitgenossen zum
Umgang mit dem Bildmedium, Zeugnisse also
zum Sammeln und Ordnen der Bilder, zu Nutzung und Auffinden derartiger Sammlungen.
Bevor ich nun diesen Bereich erkunde, zu
charakterisieren und zu umreissen versuche,
muss der Blick noch einmal auf das andere, zumindest scheinbar vertrautere kunstorientierte
Grafiksammeln, dahinter stehende Intentionen
und zugehörige Kommunikationsmittel gerichtet werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten schärfer hervortreten zu lassen. Nachdem
bekanntlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das nach Künstlern sortierende, auf
Vollständigkeit zielende Sammeln grafischer
Blätter etabliert, dies durch Marolles Abgabe
seiner Sammlung an Ludwig XIV. als königliche
Beschäftigung nobilitiert und durch Marolles
Kataloge publiziert worden war,11 breitete sich
der Zeitvertreib aus. Wesentliche Rollen spielten
dabei Kunsthändler und deren Publikationen,
die das Grafiksammeln propagierten und auch
erst ermöglichten: Marolles eigene Kataloge waren nicht mehr als Auflistungen der Klebebände
und der Anzahl enthaltener Blätter verschiedener Künstler. Ihr einziger Nutzen lag in der Repräsentation des Sammlungsumfangs, worin das
Ziel möglichst umfassenden und umfangreichen
Grafiksammelns zu Tage tritt, dessen Funktion
als Repräsentations- und soziales Distinktionsinstrument sich in aller Deutlichkeit zeigt.12
Wollte man diesem so angezeigten Vorbild folgen, bedurfte es zum einen der Händler, die das
Sammelgut anbieten konnten, zum anderen der
Hilfsmittel, die überhaupt erst die Kenntnisse
vermittelten, was zu sammeln und in welcher
Seltenheit zu bekommen war, Instrumente, die
vor allem auch Bewertungskriterien kommunizierten, und einen wertenden Vergleich der
Sammlungsgüte ermöglichten. Konkurrenz der
Sammlungen aufgrund vergleichender Bewertung aber war für die Nutzung als Repräsentationsinstrument unbedingt notwendig. Diesen
Zwecken dienten zuerst Auktionskataloge,13 die
bei Veräußerung einer vollständigen Sammlung
deren Art, Umfang und Gewichtung überhaupt
36
Arwed Arnulf
erst abbildeten und auf diese Weise Vorbild, Anreiz und Angebot vermittelten. Hinzu kamen die
aus Händlerperspektive noch weit effektiveren
Werbemittel, die Werkverzeichnisse: Deutlich
lässt sich das an dem ersten selbstständig publizierten Werk dieser Art, Gersaints RembrandtVerzeichnis von 1751,14 demonstrieren. Von
einem Kunsthändler verfasst, an dessen Kunden
gerichtet, das grafische Werk eines berühmten,
lange verstorbenen und krisenfest nachgefragten
Künstlers im Hochpreissegment erfassend, werden darin die Blätter thematisch sortiert, gezählt
und griffig betitelt, wobei Varianten und Druckzustände gelistet, vor allem aber Seltenheit und
Grad der Gesuchtheit Herausstellung erfahren.15
Die beigegebenen Beschreibungen belegen in
ihrer Anlage, Gewichtung und sprachlich-stilistischen Reduktionsform deutlich die Intentionen: Äußerst kurz, syntaktisch simpel, der
Umgangssprache nahe, das Dargestellte nicht
vollständig erfassend, sondern nur den jeweiligen Druck durch Nennung der Besonderheit
identifizierend, verzichtete Gersaint auf jegliche
Topik der Kunstbeschreibung, also auf jene Mittel der literarischen Tradition der Ekphrasis,16
die in der zeitgenössischen Kunstliteratur so
hoch geschätzt wurden. Bezweckt war eine Auflistung sämtlicher Rembrandt-Drucke in allen
Zuständen, um so den Sammlern und Kunden
vor Augen zu führen, was sie zu sammeln und zu
erstreben hatten, auch um sie darauf vorzubereiten, welche Blätter besonders selten, besonders
prestigeträchtig und natürlich auch besonders
teuer waren. Diese Eigenheiten gelten auch für
die anderen Grafikverzeichnisse, die im 18. Jahrhundert fast ausschließlich von Kunsthändlern
verfasst wurden. Der Verzicht auf Topik des
Kunstlobs und der Kunstbeschreibung einerseits grenzt diese Verzeichnisse deutlich von der
Kunstliteratur der Zeit ab; der Verzicht auf möglichst umfassende dokumentierende Beschreibung der erfassten Darstellungen unterscheidet
diese Grafikverzeichnisse andererseits von der
Tradition gelehrter Objektkataloge. Anders
als oft zu hören und zu lesen, haben die frühen
Grafikverzeichnisse nämlich mit Traditionen
gelehrt-wissenschaftlicher Objekterfassung so
gut wie gar nichts gemein, und dies auch dann
nicht, wenn ein Autor in beiden Welten daheim
war. Carl Heinrich von Heineken etwa, Leiter
des Dresdner Kabinetts bis 1763,17 verfasste mit
seiner Idee generale von 1771 bekanntlich die
Konzeptschrift zur Anlage einer idealen Grafiksammlung kunstorientierter Prägung,18 publizierte aber auch Grafikkataloge, so den der Reproduktionsgrafik nach Raffael,19 und, Zeugnis
auch landwirtschaflich-botanischer Interessen,
den mehrbändigen Katalog der in der Lausitz
kultivierbaren Kern- und Steinobstsorten.20
Während der Grafikkatalog am Gersaintschen
Prinzip der bloßen Druckidentifizierung orientiert ist, wird im Obstkatalog in akribischer Ausführlichkeit Form, Farbe, Konsistenz Geschmack
und Variantenspielraum einzelner Birnen-, Apfel-, Kirsch- oder Pflaumensorten beschrieben.
Eine derartig dokumentierend ausführlich beschreibende und erklärende Objektbehandlung
lässt sich in allen Bereichen gelehrter Objekterfassung seit dem 16. und besonders im 17. Jahrhundert nachweisen, egal ob es um Mirabellen,
Mineralien, Muscheln oder Münzen geht – nur
eben nicht bei der Erfassung von Druckgrafik,
jedenfalls nicht vor dem mittleren 19. Jahrhundert. Wie aber betrieb man nun auf anderen Feldern die erfassende Dokumentation historischer
Artefakte, wenn es nicht um künstlerorientiertes
Grafiksammeln ging, aber um Gegenstände, die
man als sammelnswert ansah, doch auch als historische Zeugnisse ernst nahm?21
Als Beispiel bieten sich Johann David Köhlers22 Publikationen zu historischen Münzen
und Medaillen an. Der in Wittenberg, Straßburg
und Altdorf ausgebildete Historiker erhielt 1737
den Ruf an die neugegründete Göttinger Universität. Er beschäftigte sich dort auch mit mittelalterlicher Geschichte, zog in besonderer Weise
Artefakte als Zeugnisse heran. Über die zeittypische Begeisterung für Diplomatik23 hinaus
stützte er sich etwa auf Grabmäler und Münzen.
Ausführliche beschreibende und erläuternde Behandlungen historischer Artefakte prägen seine
wissenschaftlichen lateinischen Publikationen24 und an ein größeres Publikum gerichteten
deutschsprachigen Schriften. Die Beschreibung
einer Schaumünze Herzog Wilhelms III. von
Bayern [Abb. 1], die zwischen 1407 und 1417
Abb. 1 Johann David
Köhler, Historische
Münzbelustigung 1750,
Nr. 1, Schaumünze
Herzog Wilhelms II. (VI.)
von Bayern. (Archiv des
Autors)
geprägt wurde, und ihre grafische Darstellung
in Köhlers „Historischer Münzbelustigung“ von
1750, die bereits 1729 erstmals erschien,25 eignet
sich besonders als Beispiel wissenschaftlicher
Objektdokumentation in katalogartigem Kontext – besonders da sich die Objektgruppe der
Münzen in mehrfacher Hinsicht zum Vergleich
mit Grafik anbietet, da Münzen bildkünstlerisch
gestaltet, Zeugnisse vergangener Zeit, meist
in zahlreichen Exemplaren überliefert und gesuchtes Sammelgut waren. Gegenüber den genannten Grafikverzeichnissen zeigt bereits die
Münzbeschreibung Detaildichte, sprachliche
Durchformung, stilistischen Anspruch, Vertrautheit mit dem Gegenstand und das Bemühen um möglichst exakte Erfassung des auch abgebildeten Objekts: Der beidseitigen grafischen
Reproduktion des Objekts folgt eine akribische
Beschreibung unter Interpretation und Erklärung ikonografisch-heraldischer Details, gefolgt
von ausführlicher historischer Kontextualisierung des Dargestellten und der Entstehungsumstände.26 Hier steht nicht, wie bei Gersaint,
die Reduktion auf Benennung identifizierender
Details, sondern die Erfassung und historisierende Erläuterung möglichst vieler Merkmale im
Zentrum. Nimmt man die sich anschließenden
Jenseits der Kennerschaft
37
Abb. 2. Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek
Göttingen, Codex
Juridicus 383, S. 345.
(Archiv des Autors)
38
sieben Seiten historischer Erklärung hinzu, so
werden die Unterschiede der Anspruchsniveaus
zwischen Gersaintscher Grafikerfassung und
Köhlerscher Münzvorstellung sowie intendierte
Funktionen deutlich. Doch beruhen die Unterschiede nicht nur auf der unterschiedlichen
Funktion der Texte, sondern auch auf sehr verschiedenen Informationserwartungen der anvisierten Leser: Offensichtlich sorgten ältere
Traditionen und historisch-wissenschaftlicher
Anspruch bei der Beschäftigung mit Münzen
und Medaillen für eine ungleich tiefere Erschließung und Dokumentation des Gegenstands.27
Gesammelt, gehandelt und erfasst wurden Münzen ebenso wie Druckgrafik, doch zeigt unser
Beispiel auch, dass Münzen nicht nur exakter
und umfassender sprachlich dokumentiert, sondern sogar grafisch reproduziert, also in Kupfer
gestochen wurden. Daraus ergeben sich Fragen:
Welche Objekte antiquarisch-historischen Interesses wurden im 17. und 18. Jahrhundert noch
Arwed Arnulf
zum Gegenstand grafischer Darstellung und Vervielfältigung, findet man solche auch außerhalb
der Buchillustration, wenn ja, wie wurden sie, zu
welchem Zweck mit welcher Intention gesammelt und verwendet? Wer zeichnete, wer stach,
wer bezahlte, wer kaufte, und, wer sammelte die
Stiche, wie und für welchen Zweck?
Collectaneen, Kupferstiche und frühe
mediävistische Forschung
Aus dem weiten Feld historisch-antiquarischer
Verwendung grafischer Medien ist allein der Bereich der Antiken-Rezeption wissenschaftlich
erschlossen und durchdacht worden, zuletzt
grundsätzlich im Rahmen einer Göttinger Ausstellung.28 Vergleichsweise vertraut sind die Serien und Einzelblätter, illustrierten Bücher und
Abbildungsbände zu antiker Architektur und
Skulptur, Numismatik und Epigrafik, die auch
durch die immer hohe Aufmerksamkeit, die ihnen Künstler entgegenbrachten, nie so aus dem
Blick der Kunstgeschichte gerieten wie andere
Formen wissenschaftlicher Kupferstichverwendung. Lenkt man den Blick auf die gelehrte Auseinandersetzung mit nachantiker Vergangenheit,
so sind es neben Münzen auch Siegel, Urkunden,
Grabmäler, Skulpturen, Buchmalereien oder
Kirchenräume und Ausstattungsteile, die mit dokumentierender Intention abgebildet und als
Kupferstich auch gezielt gesammelt wurden.29
Der Göttinger Codex Juridicus 383 stellt ein
Zeugnis solch mediävistisch ausgerichteten Gelehrtensammelns dar [Abb. 2].30 Carl Heinrich
Dreyer, seit 1744 Rechtsgeschichtler in Kiel, seit
1753 Ratssyndicus in Lübeck, behandelte besonders die deutsche Rechtsgeschichte.31 Der genannte Codex, eine Sammlung von 384 Blatt,
zusammengestellt um die Mitte des 18. Jahrhunderts und kleiner Teil des mehrheitlich in Lübeck verwahrten Nachlasses,32 ist laut Titel von
Dreyers Hand eine Collectio picturarum in usum
illustrationis juris germanici, eine Bildersammlung zur deutschen Rechtsgeschichte. Sie enthält
Zeichnungen nach unterschiedlichen Vorlagen
und bisher nicht gezählte, doch sehr zahlreiche
Kupferstiche äußerst disparater Herkunft, die
alle in unterschiedlicher Ausführlichkeit von
Dreyer handschriftlich kommentiert wurden.
Die Kupferstiche wurden häufig ausgeschnitten,
um sie mit anderen kombiniert auf einer Seite
aufzukleben. Als Beispiele können Kupferstiche
von mittelalterlichen Siegeln, Skulpturen, Buchmalereien und Kirchenbauten dienen [Abb. 3].
Neben kleinen ausgeschnittenen Stichen von
Siegeln stehen großformatig eingefaltete von
Buchseiten, wie die Darstellung des thronenden
Karl des Kahlen aus dem Codex Aureus von St.
Emmeram [Abb. 4]. Die Darstellungen sind systematisch geordnet in Kapiteln, etwa zu Rolandsfiguren [Abb. 5], Körperstrafen, Insignien,
Wappen oder Siegelbildern, meist recht ausführlich kommentiert, gelegentlich durch nachgewiesene Textexzerpte bereichert; mitunter wird
auf die Herkunft der Stiche hingewiesen. Im Fall
der besonders auffälligen Miniatur des thronenden Karl aus dem Codex aureus von St. Emmeram33 wird allerdings nicht mitgeteilt, dass sie für
Abb. 3 Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek
Göttingen, Codex
Juridicus 383, S. 326/7.
(Archiv des Autors)
Abb. 4 Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Codex Juridicus
383, S. 363 (Nicolaus
Seeländer, Kupferstich
des Widmungsbildes
des Codex aureus von
St. Emmeram. (Archiv
des Autors)
Jenseits der Kennerschaft
39
Abb. 5. Niedersächsische Staats- und
Universitätsbibliothek
Göttingen, Codex
Juridicus 383, S. 27.
40
eine der diplomatisch-archivalischen Publikationen im Rahmen der Forschungen Gottfried
Wilhelm Leibniz’ und seiner Mitarbeiter zur mittelalterlichen Geschichte des Welfenhauses angefertigt wurde.34 So stellt sich überhaupt die
Frage, woher die Kupferstiche stammen, ob
diese aus Büchern geschnitten oder als Einzelbilder bzw. in Reihen gehandelt worden waren?
Der enorme Umfang ist besonders bedenkenswert, wenn man in Betracht zieht, dass Dutzende
ähnlicher Sammelbände Dreyers in Lübeck ruhen. Unter mediengeschichtlicher Perspektive
stellt Dreyers Band ein typisches Gelehrteninstrument des 17. und 18. Jahrhunderts dar, bereits
zeitgenössisch als Collectaneum bezeichnet,35
meist Exzerptsammlung mit enzyklopädischer
Ausrichtung, um als Handbuch und Nachschlagewerk zu dienen, im Bereich antiquarisch-historischer Gelehrsamkeit häufig mit Zeichnungen
und Kupferstichen versehen, worauf unten noch
zurückzukommen ist. Natürlich stellen solche
thematisch sortierten Collectaneen zugleich
eine Sammlungsform dar, in der systematisiert
Druckgrafiken und Zeichnungen mit Texten verbunden wurden. Derartige Bände unterscheiden
Arwed Arnulf
sich durch ihre Verschränkung von Text und Bild
sowie ihre thematische Zusammenstellung
grundsätzlich von den kunsthistorisch bislang
allein in den Blick genommenen Klebebänden,
die bekanntlich nur grafische Blätter mit minimalen Beschriftungen enthalten.36 Neben diesem untersuchenswerten und wissenschaftlich
kaum wahrgenommenen Sammlungsmedium ist
es vor allem die Vielfalt von Kupferstichen nach
mittelalterlichen Artefakten in Dreyers Band, die
überraschen dürfte. Da weder kunsthistorische
noch historische oder historisch-hilfswissenschaftliche Literatur das Phänomen berühren,
die Existenz solcher Stiche nach mittelalterlichen Objekten in der Forschung ohnehin eher
unbemerkt scheint, seien hier einige Rechercheergebnisse zusammengefasst, die bei Untersuchungen zur Rezeption mittelalterlicher Kunst
im 17. und 18. Jahrhundert anfielen: Einhergehend mit dem Boom genealogischer Forschungen und Publikationen entsteht in den
Jahrzehnten um 1600 bei einigen zunächst
reichsfürstlichen Geschlechtern der Wunsch
nach möglichst geschlossenen Bildnisreihen
ihrer Ahnen bis hin zu den häufig erfundenen
frühmittelalterlichen Geschlechtsbegründern,
die je nach regionaler Herkunft mit Karl dem
Großen oder Sachsenherzog Widukind zu verbinden waren.37 Historiker wie Meibom, Peccenstein, Sagittarius, Spangenberg, Reineccius
und viele andere lieferten die echten und vermeintlichen Zeugnisse,38 Künstler mühten sich
um die Erfindung von Bildnisfiktionen. Friedrich der Weise und Maximilian I. hatten ähnliches um 1500 betrieben, man denke an wettinische Stammbücher,39 das Maximiliansgrab und
Vorarbeiten dazu,40 etwa die originalformatige
gemalte Kopie der Grabplatte Rudolfs I. vom
Hofmaler Kölderer,41 doch versuchte man um
1600 die genealogischen Bildnisserien zunehmend durch das umfassende Studium mittelalterlicher Grabmäler abzusichern. Besonders
eifrig waren die durch den Verlust der Kurwürde
genealogisch dünnhäutigen und herkunftsbewußten Ernestiner. Seit den 1620er Jahren und
verstärkt unter Ernst dem Frommen ab 1640 ließ
man gezielt Grabmäler von Vorfahren suchen,
abzeichnen und stechen. Beauftragt wurden ver-
schiedene Nürnberger und Augsburger Stecher.
Deren Stiche wurden über Jahrzehnte als Reihe
und einzeln vertrieben, wurden mehrfach in
Bänden zusammengefasst und erst 1692 veröffentlichte der aus Gotha stammende und in Kiel
lehrende Samuel Reyher seine Monumenta
Landgraviorum Thuringiae, eine Genealogie der
ernestinischen Wettiner seit Karl dem Großen
und Widukind, die durch die gesammelten Kupferstiche ernestinischer Grabmäler und Stifterbilder illustriert wurde,42 so das Widukind-Grabmal aus Enger [Abb. 6] oder Eckard und Uta aus
dem Naumburger Westchor. Aufscheinende Methoden und Modi der Stilnachahmung und Kürzelfindungen zum visuellen Ausdruck hoher Altertümlichkeit sind aufschlussreich, aber hier
nicht zu behandeln. Wie sich herausstellte, arbeitete man ab 1600 an vielen derartigen Unternehmen, und so unterschiedliche Auftraggeber wie
Habsburger, Hohenzollern, Welfen als Reichsfürsten, doch auch geringer mächtige Häuser
und Institutionen, wie die Grafen von Nassau
oder die Quedlinburger Äbtissinnen, ließen die
Grabmäler der Vorfahren bzw. Amtsvorgänger
zeichnen und stechen.43 Um 1700 kursierte so
eine beachtliche Anzahl derartiger Blätter, die als
Sammelgut genealogisch-historisch Interessierten zur Verfügung stand. Der kunsthistorischen
Aufmerksamkeit und Erfassung sind diese in vielerlei Hinsicht interessanten Stiche nach mittelalterlichen Grabmälern und Stifterbildern bislang fast vollständig entgangen, sicher auch weil
sie aus dem künstlerisch orientierten Kanon
sammelnswerter Grafik herausfielen und den
etablierten ästhetischen Setzungen nicht entsprachen. Dennoch waren derartige Blätter im
17. und 18. Jahrhundert in Gelehrtenkreisen gesucht, wie etwa der zuvor gezeigte Göttinger
Sammelband bezeugt. Doch nicht nur auf Grabmälern suchte man Bildnisse der Vorfahren,
sondern auch auf Siegeln und Münzen. Das Bemühen um Rückgewinnung historischer Physiognomien von Ahnen, die vor dem 15. Jahrhundert und damit vor Verbreitung der gemalten
Porträts individualisierten Anspruchs lebten,44
führte zu Abzeichnung, grafischer Vervielfältigung und gezieltem Sammeln solcher Bildträger.45 Das nach meinen Erkenntnissen erste
Beispiel konsequenter Nutzung in Kupfer gestochener Siegel als Bildnisquellen ist die Genealogia Comitum Flandriae des Olivarius Vredius
von 1643.46 Die von einem unbekannten Stecher
geschaffenen Kupferstiche mittelalterlicher Siegel dienen hier als Illustration der Stammbäume
und Viten. Drei Jahr zuvor hatte Vredius bereits
die gleichen Stiche verwendet für eine Publikation der Siegel und Urkunden der Grafen von
Flandern, worin die Siegel als Echtheitszeugnisse der edierten Urkunden dienen und die Abbildungen in den erklärenden Text eingefügt
sind.47 Auch diese Stiche begegnen als Einzelblätter und wurden vermutlich auch unabhängig
vom Buch gehandelt. Wie groß das Interesse an
mittelalterlichen Urkunden und Siegeln um
1640 war, zeigt eine Reihe von Veröffentlichungen dieser Jahre, die sich im Zuge juristischer
Auseinandersetzungen mit der Echtheit bestimmter Dokumente und der darin bezeugten
Rechtstitel beschäftigen, als Argument gerne
Textform und Siegelgestalt nutzen und letztere
Abb. 6 Grabplatte
Widukinds, Kupferstich von N. Schütz
(Inv.) und J. Göbel
(Sc.) (Foto aus: Samuel
Reyher, Monumenta
Landgraviorum
Thuringiae et Marchionum Misniae, Gotha
1692, S. 88.)
Jenseits der Kennerschaft
41
Abb. 7 Nicolaus Seeländer, Kupferstich
des Grabmals Heinrichs des Löwen (Foto
aus: Scheidt, Christian
Ludwig (Hg.): Origines
Guelficae, Band 3,
Hannover 1752, Tab.
XIV ad paginam 157.)
42
abbilden. Stellvertretend sei hier die knapp
400-seitige Streitschrift des Nikolaus Zyllesius
für die Rechte der Abtei St. Maxim bei Trier
gegen den Mainzer Erzbischof angeführt.48 Siegelabbildungen sollen hier den Leser von der
Echtheit zitierter Dokumente überzeugen. Derartig dokumentierende Siegelverwendung und
deren Abbildung in Kupferstichen nimmt während des 17. Jahrhunderts stark zu und führt
schließlich zu dem großen Handbuch der Siegelkunde des Johann Michael Heineccius von 1709,
das Siegel in großer Zahl abbildet, zu Vergleichen
von deren formalen Eigenschaften anleitet und
auf dieser Grundlage stilistisch begründetes Datieren empfiehlt.49
Anfangs des 18. Jahrhunderts dürften Kupferstiche nach Siegeln zu Hunderten verfügbar
gewesen sein, entsprechend häufig ist deren
Sammlung nachweisbar, so in Dreyers Sammelband oder als weiteres Beispiel aus dem Kreis
Braunschweig-Lüneburgischer Hofgelehrsamkeit, in der 31-bändigen handschriftlichen Urkundensammlung des Justizrates Gruber, die im
frühen 18. Jahrhundert in Hannover angelegt,
heute in Göttingen aufbewahrt wird.50 Als Exempel spezialisierten Gelehrtensammelns sind
Grubers Bände besonders aufschlussreich in
Hinsicht auf Methode und Mediengebrauch:
Der Jurist und Historiker sammelte mittelalterliche Urkunden des Welfenhauses in Abschriften
und fügte, wo vorhanden, Kupferstiche nach den
Siegeln der Urkundenaussteller hinzu. Dies zeigt
nicht nur, wie hoch die Verfügbarkeit von Kupferstichen nach Siegeln um 1700 war, sondern
auch, wie gezielt das grafische Medium im Kontext eines juristischen Instruments genutzt
wurde. Obendrein präsentiert sich eine hoch
spezialisierte Form des Grafiksammelns in ihrem
funktionalen Kontext. Im Umfeld der herzoglichen, später königlichen Bibliothek in Hannover
und des Braunschweig-Lüneburgischen Hofes
scheint die Sichtung mittelalterlicher Zeugnisse
und deren bildliche Dokumentation besonders
eifrig verfolgt worden zu sein. Leibniz, seit 1676
Bibliothekar in Hannover, seit 1691 auch in Wolfenbüttel, erforschte unter drei Herzögen die
mittelalterliche Geschichte des Welfenhauses.51
Archiv- und Bibliotheksreisen führten ihn durch
Arwed Arnulf
Europa und schließlich zu Quelleneditionen und
umfänglichen Vorarbeiten, die aber erst ab 1750
von Christian Ludwig Scheidt in den fünf Prachtbänden der Origines Guelficae herausgegeben
wurden.52 Von Anfang an sollten darin Siegel
und andere Zeugnisse der älteren Welfengeschichte als Kupferstiche abgebildet werden.
Leibniz bemühte sich um einen Spezialisten und
fand ihn in Nicolaus Seeländer, einem gelernten
Kupferstecher und Medailleur, der aber selbst in
der Gelehrsamkeit zu Hause war, lateinische und
französische Texte rezipierte, als Numismatiker
zu mittelalterlichen Münzen und Ikonographien
publizierte, katalogisierte, Münzen, Siegel und
Miniaturen stach, aber auch Medaillen anfertigte
und historische Münzen fälschte.53 Als erster Bibliothekskupferstecher seit 1715 in Hannover
fertigte Seeländer über 800 Kupferplatten, die
sich heute in der Landesbibliothek Hannover
befinden, numismatisch berücksichtigt, kunsthistorisch und medien- und sammlungsgeschichtlich bislang aber nicht beachtet wurden.54
Für Leibniz, dessen Mitarbeiter und Nachfolger
lieferte Seeländer faksimilierende Darstellungen
von Siegeln, Münzen, Schriften, Miniaturen und
Grabmälern [Abb. 7/8], die in verschiedenen
mediävistischen Publikationen dokumentierend
Verwendung fanden. Durch Leibniz sensibilisiert und Seeländers Kupferstiche mit bildlicher
Dokumentation vertraut, entwickelten sich die
jüngeren Leibniz-Mitarbeiter wie Johann Georg
von Eckardt55 und Daniel Eberhard Baring56 zu
quellenorientierten Mediävisten, die sich für Urkunden, Siegel und Paläographie begeisterten
und in ihren Werken abbildeten. Baring verfasste
etwa mit seiner Clavis diplomatica von 1737 ein
Handbuch zu mittelalterlichem Urkundenwesen
und Paläographie,57 Eckard publizierte zahlreiche Quellen,58 beide nutzten Kupferstiche und
Radierungen zur Wiedergabe von Schriftproben
und Siegeln in ihren Publikationen. Vor allem
lassen sich zahlreiche Zeugnisse einer mediävistisch-sammelnden Interessenkonzentration aufspüren. In der Gottfried Wilhelm Leibniz-Bibliothek in Hannover fand sich unter vielen
anderen Zeugnissen objektbezogener Mittelalterforschung der Zeit um 1700 eine Akte, die
mit dem 1675 herzoglich geäußerten Wunsch
nach einer Auflistung aller Bildnisse welfischer
Familienmitglieder bis in älteste Zeit einsetzt.59
In der Folge finden sich über Jahrzehnte hinweg
reichende Korrespondenzen über Bildnisse in
den verschiedenen Residenzen, über grafische
Bildnisse, besonders in Buchpublikationen, aber
auch über solche auf mittelalterlichen Ausstattungsstücken in Kirchen der welfischen Territorien.60 Dies geht einher mit genealogischen Tabellen, in denen nachweisbare und fehlende
Darstellungen erfasst, vor allem auch deren Abbildungen in Kupferstichen verzeichnet werden.
Leibniz konzipierte auf dieser Grundlage die
Ahnengalerie für den Rittersaal des Schlosses zu
Hannover,61 Kanzler von Praun ließ Kupferstiche der gelisteten Darstellungen sammeln.62 Das
Konvolut ist umfangreich und kleinteilig, bislang
nicht untersucht, doch besonders vielversprechend hinsichtlich der daraus zu erschließenden
Vorstellungen über Bildnisse mittelalterlicher
Ahnen.63 Krönender Abschluss des Vorgangs ist
ein schließlich im Jahr 1750 bei dem oben zitierten Göttinger Historiker Johann David Köhler
angefordertes Gutachten zu historischen Wel-
fenbildnissen, überschrieben „Gehorsamster
Vorschlag wie die Bildnisse der durchlauchtigsten Herzoge zu Braunschweig-Lüneburg etwa
können füglich in Kupfer gestochen werden“.64
Das tatsächlich ausgeführte und erhaltene Gutachten listet in chronologischer Reihe Bildnisse
auf Münzen, Siegeln, liturgischen Geräten, in
Handschriften und Wandmalereien auf, darunter
vieles heute Verlorene, und weist akribisch nach,
was davon als Kupferstich verfügbar war. Für die
Objekte, die noch nicht reproduziert waren,
empfiehlt der Gutachtende mit höchstem Nachdruck eilige Kupferstichreproduktion durch geeignete Künstler. Ein Nachvollzug der Köhlerschen Kupferstichnennungen ist mühsam, doch
möglich: Die von ihm hierfür zitierten Buchpublikationen befinden sich in genau jenen Exemplaren, die Köhler benutzte, in der Göttinger
Universitätsbibliothek, mitsamt seiner Randnotizen; die zahlreichen erwähnten Einzelkupfer-
Jenseits der Kennerschaft
Abb. 8 Nicolaus Seeländer, Kupferstich
des Widmungsbildes
der Vivianus-Bibel,
Niedersächsische
Staats- und Universitätsbibliothek
Göttingen, Codex
Juridicus 383, S. 341.
(Archiv des Autors)
43
stiche sind schwerer aufzuspüren, da sie später
vermutlich Teil einer sehr speziellen Sondersammlung wurden, die hier besonderes Interesse
verdient. Gemeint ist der sogenannte GattererApparat, ein Musterbeispiel gelehrter Sammlung
in höchst funktional bestimmter Gestalt.65 Deren Urheber, Johann Christoph Gatterer,66 war
Schüler des über Welfenbildnisse gutachtenden
Johann David Köhler und ab 1756 ebenfalls Professor der Geschichte in Göttingen, gilt als Begründer der modernen historischen Hilfswissenschaften, lehrte besonders Diplomatik und
Paläographie67 und entsprach damit der zeittypischen Nachfrage nach Erfassung und Systematisierung mittelalterlicher Quellen und
Rechtszeugnisse, die in juristischen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts eine erstaunlich große Rolle spielten. Sein für unsere Fragen
wichtigstes Werk sind die Elementa artis Diplomaticae, ein Lehrbuch der mittelalterlichen Paläographie und Urkundenlehre.68 Als wichtigstes
Lehrmittel diente in seiner akademischen Lehre
ein von ihm selbst aufgebauter diplomatischer
Apparat, eine Sammlung von schließlich ca.
6.000 Objekten, hauptsächlich mittelalterlichen
Urkunden seit dem 9. Jahrhundert, ferner Siegel,
Münzen und Handschriften.69 Für unseren Zusammenhang besonders wichtig: Die Sammlung
enthielt faksimilierende Nachbildungen von ca.
300 mittelalterlichen Urkunden in Kupferstich
und Radierung, eine nicht bekannte, doch sicher
weit größere Anzahl nach Siegeln und solche
nach Handschriften und Miniaturen. Wie wir
aus einer Vorlesungsankündigung wissen, war
jedes Blatt angeblich in sechs bis acht Exemplaren vorhanden, auf Pappe aufgezogen und mobil
verwendbar, um sie den Studenten in der Veranstaltung vorlegen zu können. Diese nun wirklich
ungewöhnliche Sammlung, die vermutlich die
allermeisten Kupferstichreproduktionen nach
mittelalterlichen Objekten enthielt, die bis zu
Gatterers Zeit entstanden waren, existiert noch,
ist allerdings nicht mehr in Göttingen, und
wurde in Hinblick auf ihre grafischen Teile noch
nie untersucht. Mit Gatterers Sohn gelangte der
diplomatische Apparat nach Heidelberg, später
nach Luzern und 1987 schließlich ins Landesarchiv Speyer.70 Nachfragen ergaben, dass Kup-
44
Arwed Arnulf
ferstiche und Radierungen zwar noch vorhanden
seien, aber weder gesichtet noch erfasst wurden,
eine Erfassung damit größeren Aufwand erfordern würde und allein die Originalurkunden der
Sammlung historische Aufmerksamkeit erhielten. Wenn nun derzeit noch nichts über Gestalt
und Aufbau dieser der mediävistischen Lehre
dienenden Grafiksammlung bekannt ist, so
bleibt doch das Phänomen der in Stich oder Radierung faksimilierten Urkunde oder Handschriftenseite zu betrachten, das ebenfalls noch
keinerlei wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf
sich zog. Als sedimentierte Einschätzung findet
sich in der historischen und kunsthistorischen
Literatur lediglich, dass seit Mabillons De re diplomatica von 168171 die Reproduktion mittelalterlicher Schriften und Buchmalereien vorkämen,72 was eine Fehleinschätzung ist, da bereits
in den 1660er Jahren der Wiener Hofbibliothekar Peter Lambeck in seinem Katalog der spätantiken und mittelalterlichen Manuskripte Textund Bildseiten mittelalterlicher Handschriften
abbilden ließ,73 und andere, frühere Beispiele
beizubringen sind, die, wie oben nachgewiesen,
in flämischen und oberdeutschen Beispielen
mindestens in die 1640er Jahre zurückreichen.74
Dessen ungeachtet bleibt zu verfolgen, wie sich
solcherlei Nachbildungen von Schrift und Bild in
der Folge entwickelten. Seit dem späteren
17. Jahrhundert gibt es immer wieder Schriftproben u. ä. in historischen Publikationen, etwa seit
den 1730er Jahren entstehen Handbücher mit
Vergleichsreihen. So publizierte Gotthilf von
Bessel im allein erschienenen „Prodromus“ seines geplanten Chronicon Gottwicense 1732 paleographische Vergleichsreihen und eine durchgehende Reihe von Königs- und Kaiserurkunden,
um Vergleichsmaterial für die Echtheitsbeurteilung von Urkunden zu liefern.75 Daniel Eberhard
Baring ließ in seiner Clavis diplomatica von 1736
Musteralphabete, Textproben und Abkürzungen
auf insgesamt 74 Tafeln veröffentlichen,76 Johann
Christoph Gatterer bildete in seiner Geschichte
der Nürnberger Familie Holzschuher von Epitaph und Stifterbild über Siegel und Wappen bis
hin zur Urkunde so ziemlich jedes Objektzeugnis ab,77 versah vor allem sein Hauptwerk, die
Elementa artis diplomaticae, mit zwölf Falttafeln
von Schriftproben, Siegeln und Abkürzungen.78
Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts werden Publikationen zur mittelalterlichen Geschichte beinahe grundsätzlich mit zumindest einer faksimilierenden Urkunden-Abbildung versehen, ein
Schwerpunkt scheint bei den Mediävisten der
neugegründeten Göttinger Universität zu liegen,
doch ist dies ein weites Feld ausstehender
Archivforschung, das noch zu leisten ist. Insbesondere ist den beteiligten Kupferstechern nachzuspüren, da hier mit Spezialisierungen, etwa bei
den Universitätskupferstechern, wie im erwähnten Fall Seeländers, zu rechnen ist.
Sammlungstypen, Anleitungen
für reisende Gelehrte, Erkenntnispotentiale
Was lässt sich nun hinsichtlich des historischgelehrten Grafiksammelns allgemein destillieren, folgern und zusammenfassen? Zunächst ist
festzuhalten, dass die Herstellung des Sammelguts, also Stiche und Radierungen nach Handschriften, Urkunden, Siegeln, Münzen, Wappen,
Grabmälern, Stifterbildern usw. seit dem späten 17. Jahrhundert explosionsartig zunimmt
und die Zeugnisse in Büchern, als Serie oder
Einzelblätter gehandelt werden. Es finden sich
zwei Typen des Sammelns: Zum einen der für
universitäre Lehre und Forschung bestimmte
diplomatische Apparat, also Sammlungen, die
neben Originalurkunden, Siegeln, Münzen und
ähnlichem durch grafische Reproduktionen auf
repräsentative Vollständigkeit zielen sowie solche Abbildungen mobil und mehrfach für den
Lehrbetrieb bereitstellen. Einige Sammlungen
dieses Typs scheinen bestanden zu haben, der
Gatterer-Apparat ist wohl die umfangreichste;
eine Erschließung wäre wünschenswert und vielversprechend.
Neben dieser großen Form der historischdiplomatischen Sammlung für die universitäre
Lehre existierten in großer Zahl private Gelehrtensammlungen, die grafische Darstellungen
in thematisch sortierten Bänden versammelten durch Texte und Exzerpte, aber auch durch
Zeichnungen ergänzten, so dass ein themati-
scher Medienmix entstand, der bestimmte Aspekte und Themenfelder illustrierte, seien es nun
mittelalterliche Rechtsaltertümer in Zeichnung,
Kupferstich und Kommentar, mittelalterliche
Urkundenabschriften, die durch Kupferstiche
der zugehörigen Siegel Komplettierung erfuhren, oder grafische Abbildungen älterer Ahnenbildnisse in genealogischen Kontexten. Gerade
die private Sammelpraxis der thematisch ausgerichteten Text-Bild-Verbindung, besonders
in Hinblick auf den so dokumentierten Willen
zur Illustration historischer Phänomene, aber
auch hinsichtlich der Wertschätzung materieller Relikte sollte kunsthistorisches und wissenschaftsgeschichtliches Interesse auf sich ziehen.
Collectaneen konnten neben Kupferstichen und
ergänzenden Abzeichnungen auch umfangreiche
zeichnerische Dokumentationen künstlerisch
gestalteter Artefakte enthalten. Deren Intention
und sammlerische Organisation lässt sich an
einem besonders umfangreichen Beispiel gelehrt-historischer Sammlung im Medienmix
aufzeigen. Der sammelnde, kompilierende und
zeichnende Ludwig Albrecht Gebhardi lehrte
nach seinem Studium in Göttingen ab 1765, wie
sein Vater vor ihm, Geschichte an der Ritterakademie zu St. Michael in Lüneburg.79 Vor allem sammelte er Zeugnisse zur Geschichte der Region
und seiner Institution. Das Benediktinerkloster
St. Michael hatte nach der Reformation als protestantisches Männerkloster weiter bestanden,
bis es 1655 in eine Ritterakademie, also eine akademische Lehrstätte für den regionalen Adel und
städtische Patrizier, umgewandelt wurde.80 Bibliothek, Archiv, Kirchen- und Klosterausstattung
blieben erhalten, darüber hinaus erhielten sich in
Lüneburg besonders viele mittelalterliche Archivalien. Gebhardi sammelte auf Grundlage seiner
Vorgänger; aus seiner Lüneburger Zeit erhielten
sich allein 15 Foliobände mit bis zu 600 Blatt,
in denen Exzerpte, Kupferstiche, Flugschriften,
Abschriften, Pläne, Aufrisse und unzählige Abzeichnungen von Gebhardis Hand erhalten sind
[Abb. 9/10].81 Neben kleineren Publikationen
zu Klöstern und Kirchen des Herzogtums Lüneburg plante er eine große Monographie zur
Geschichte, Gestalt und Ausstattung von St. Michael, von der nur eine Minimalform tatsächlich
Jenseits der Kennerschaft
45
Abb. 9 Kreuzfuß,
Zeichnung, (Foto
aus: Ludwig Albrecht
Gebhardi: Collectanea,
Band VI, 1772, Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Ms.
XXIII, 853, S. 511.)
Abb. 10 Deckel,
Ornamentdetail und
Schriftseite eines
Evangeliars, Zeichnung, (Foto aus: Ludwig Albrecht Gebhardi:
Collectanea, Band VI,
1772, Niedersächsische Landesbibliothek
Hannover, Ms. XXIII,
853, S. 489.)
postum erschien.82 Beabsichtigt war offensichtlich eine ausführliche Kirchenmonografie, wie
sie im protestantischen Bereich seit des Hosea
Schadeus Werk zum Straßburger Münster von
161783 häufiger entstanden. Als Beispiele sei auf
Johann Meissners Descriptio der Wittenberger
Stifts- und Schlosskirche,84 Elias Frickes Buch
zum Ulmer Münster85 und Conrad Matthias
Habers Gründliche Erklärung des Halberstädter
Doms86 hingewiesen,87 allesamt kunsthistorisch
unbeachtet, doch für Gebhardi Vorbilder, die er
durch einen wesentlich ausführlicheren Kupferstichgebrauch wohl zu übertreffen gedachte. Er
zeichnete Kirchenräume, Ausstattungstücke und
Epitaphien, zeichnete, schrieb und vermaß als
Lutheraner den Reliquienschatz der Goldenen
Tafel von St. Michael, rekonstruierte liturgische
Dispositionen und nachreformatorische Veränderungen, all dies mit höchstem dokumentarischen Anspruch. In der Literatur werden einige
wenige dieser Zeichnungen seit knapp 100 Jahren immer dann genannt und abgebildet, wenn
es um die Rekonstruktion der Goldenen Tafel,
eines Reliquienretabels der Zeit um 1400 geht.88
46
Arwed Arnulf
Der Wert der Sammlung Gebhardis als wissenschaftsgeschichtlich erstaunliche Mischung von
Zeichnungen, Stichen, Plänen, Rissen, Kommentierungen, Beschreibungen und Exzerpten
blieb vollkommen unbeachtet, ein Umstand
der gerade vor dem Hintergrund inflationärer
Selbstbespiegelung der Kunstgeschichte in wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive verwundert. Doch ist der Weg zu historischen Sammlungskontexten und den Formen sammelnder
Vergangenheitserforschung ohnehin schwierig.
Das scheint bereits im 17. und 18. Jahrhundert
ähnlich aufgefallen zu sein, da eine ganze Reihe
erschließender Hilfsmittel in Buchform erschien,
die heute vollkommen vergessen sind. Als der
Frankfurter Patrizier und Extrembüchersammler
Konrad Zacharias Uffenbach 1710/11 unter anderem auch durch Niedersachsen reiste, besuchte
er in jeder Stadt Buch- und Kunsthändler sowie
einen oder mehrere Gelehrte mit Kunst-, Naturalien-, Geräte- oder Siegel-, Münz- und Urkundensammlungen, wie sein postum veröffentlichter Reisebericht sorgfältig dokumentiert.89 Die
Vielfalt der besuchten Sammlungen überrascht
und wirft die Frage auf, wie Uffenbach Kenntnis
so vieler privater Sammlungen haben konnte.
Gelegentliche Nennungen und inhaltlich korrigierende Hinweise führen zu Uffenbachs Handbüchern der Reisevorbereitung. Er zitiert neben
Merians Topographie, Paul Jakob Marpergers
Vornehmste europäische Reisen von 1709 und
den Neu vermerhten curieusen Antiquarius des
Paul Ludoph Berckenmeyer von 1709, wovon
vor allem die beiden letztgenannten auf Sammlungen unterschiedlichster Art hinweisen.90 Ab
1740 vereinfachten sich derartige Reisevorbereitungen erheblich, da Johann Georg Keysslers
Neueste Reisen durch Deutschland erschienen,
1741 bereits die Fortsetzung der neuesten Reisen
in weiterem europäischen Ausgreifen.91 Neben
Verkehrswegen und geografischen und politischen Abrissen, werden darin Sehenswürdigkeiten vorgestellt, Sammlungen und Sammler,
Buch- und Kunsthändler ebenso wie gastronomische Angebote ausgebreitet. In der Folge
werden diese sehr erfolgreichen Reiseführer,
die aber eben auch als Findmittel des Buch- und
Kunsterwerbs sowie besuchenswerter Sammlungen dienten, zu systematischer Effizienz umgeformt: Der oben genannte Daniel Eberhard
Baring veröffentlichte 1744 eine Museographia
Brunsvico-Luneburgica, worin sämtliche Sammlungen und Kabinette des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg beschrieben werden, eine
regional konzentrierte Handreichung.92 Überregionalen Anspruch vertrat die 1762 erschienene
Anweisung für reisende Gelehrte, Bibliotheken,
Münz-Cabinette, Antiquitäten-Zimmer, BilderSäle, Naturalien- und Kunst-Kammern mit Nutzen zu besehen des bereits mehrfach erwähnten
Johann David Köhler.93 Nach Sammlungstyp
sortiert werden darin die Grundlagen der jeweiligen Gattung, im Anschluss berühmte und besuchenswerte Sammlungen vorgestellt. In der
Bearbeitung seines Sohnes und Amtsnachfolgers
Johann Tobias Köhler und dessen Schüler Kinderling wuchs das Werk von 284 Seiten auf zwei
Bände mit insgesamt knapp 1.000 Seiten an. Als
Anweisung zur Reiseklugheit für junge Gelehrte
von 1788 bietet das vermehrte Werk Einleitun-
gen in die verschiedenen Objekt- und Kunstgattungen, thematische Bibliographien sowie Kataloge besuchenswerter Sammlungen.94 Das Werk
liefert neben der Auflistung besuchenswerter
Sammlungen eine Art Modernisierung älterer
museografischer Werke, also vor allem des umfangreichsten Sammlungsüberblicks, der Museographia des Caspar Friedrich Neickelius von
1727.95 Friedrich Karl Gottlob Hirsching brachte
1786 –1789 sein dreibändiges alphabetisch sortiertes Nachschlagewerk zu Sammlungen und
Kabinetten heraus, das Reiseplanungen noch
weiter erleichterte.96
Welchen Nutzen könnte man hinsichtlich
der Sammlungsgeschichte nun aus diesen Werken ziehen? Zunächst ließen sich statistische
Aufschlüsse zur Häufigkeit bestimmter Sammlungstypen und ihrer regionalen Verbreitung erlangen; Sammler ließen sich identifizieren, deren
Nachlässe könnten gezielt gesucht werden, wobei, wie Stichproben zeigen, Sammlungsbände,
wie der Dreyers oder die 31 Bände Grubers, aus
ihren Bibliotheksgräbern zu erheben sind. Weiß
man um Sammlernamen, Interessen, Tätigkeitsbereich und Wirkungsort, lassen sich auch
archivalische Bestände gezielt durchsuchen. Ein
Verschieben des Blickes von Stempel, Benutzungsspur und Klebeband, auf die zeitgenössischen Äußerungen zum Sammeln und zu dem
jeweiligen Sammelgut, seien es Anleitungen
zur Kupferstichkunde für junge Gelehrte oder
Gutachten zu Bildnissen welfischer Herzöge im
Kupferstich, ermöglicht vor allem, weit mehr
über historische Interessenhorizonte und Intentionen, Sammlungstypen, deren Funktion und
Nutzung zu erfahren. Allein der Hinweis des
jüngeren Köhler an seine Leser, beim Besuch
Grafischer Sammlungen am besten gleich nach
Rembrandts Hundertguldenblatt zu fragen, da
so am besten Kennerschaft und Fachkenntnis
zu demonstrieren sei,97 zeigt das Erkenntnispotential der vorgestellten Texte und schlägt die
Brücke vom thematisierten gelehrten Sammeln
historisch-antiquarischer Ausrichtung hin zu
kennerschaftlich-kunstinteressiertem Grafiksammeln, das meist allein wahrgenommen wird.
Jenseits der Kennerschaft
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Anmerkungen
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Marolle 1666. Zu Marolle, seiner Sammlung, deren
Verkauf an Ludwig XIV. 1668 und Nachwirkung: Brakensiek 2003A, S. 17–39; Brakensiek 2006.
Gersaint 1751. Zu Gersaint, seinem Rembrandt-Verzeichnis und dessen Intentionen: Bader 2016; Arnulf
2016A; Arnulf 2016B.
Dazu die Beiträge in Ausst.kat. Göttingen 2016.
https://www.uni-marburg.de/de/fotomarburg/recherchieren/portraitindex [Zugriff 20.01.2019].
Apin 1728A.
Puchner 1953, S. 327.
Apin 1728A, S. 9, Fußnote (p).
Apin 1719; ders. 1721; ders.:1728B.
Werner 2011, Sp. 36 –365; Grunert/Vollhardt 2007.
Exemplarisch sei hier für den naturwissenschaftlichen
Bildgebrauch hingewiesen auf: Holländer 2000.
Brakensiek 2003A, S. 17–39.
Vgl. Anm. 1.
Lugt 1938 –1987; Pallach 1980; Loh 1995 –1999;
Stockhausen 2005.
Vgl. Anm. 2.
Gersaint 1751, S. 1 f.: „Le buste de un jeune homme
ressemblant à Rembrandt. Sa tête est vue de face, et
placée un peu sur la gauche d’ou vient le jour, ses cheveux sont crêpus, courts et élevés sur le sommet. On
voit au haut de son habit un petit collet blanc, ouvert
par le milieu. Le fond est clair, à la exception d’un ombre légere qui occupe le bas de la partie droite; oú on
lit en petit caractere Rt. sans année. Sa hauteur est 2.
pouces 1 lignes, il n’est pas commun, et jamais on ne le
trouve d’une belle épreuve.“
Zur Tradition der literarischen Kunstbeschreibung:
Arnulf 2004; Arnulf 2017A; Brassat/Squire 2017.
Dittrich 1969; Ketelsen/Schuster 2018.
Heineken 1771.
Heineken 1769, S. 315 –524.
Heineken 1773/74.
Untersuchungen zu Traditionen, Intentionen und
Modi objekterfassender Texte, also Inventare, Kataloge
und ähnliches, aus objektwissenschaftlicher Perspektive fehlen. Zwei Studien des Verfassers zur Geschichte
monografischer Texte, die Artefakte behandeln, und
zu den Typen inventarisierender Dokumentation von
Objektsammlungen sind für den frühneuzeitlichen
Zeitraum in Vorbereitung. Zu der seit den 1980er
Jahren in verschiedenen Disziplinen und perspektivischen Ausrichtungen explosionsartigen Vermehrung
der Literatur zur Geschichte des Sammelns, die meist
auf Kunstkammer, Naturaliensammlung, Museum und
Theoretisierung des Sammelns gerichtet scheint, verweise ich auf das sorgfältige und rezente Forschungsreferat bei: Häner 2017, S. 11–34.
Rotermund 1810, Sp. 623 – 624; Wegele 1882; Nicklas
1996; Arnulf 2019C.
Zur Geschichte der Diplomatik: Vogtherr 2017, S. 17–
23; Dorna 2019.
Arwed Arnulf
24 So z. B. in: Köhler 1726.
25 Köhler 1750, S. 1– 8.
26 Als Beispiel sei hier der Anfang der Beschreibung zi-
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tiert: „Die vordere Seite zeiget das unter einem mit
vielen Thürmgen nach Gothischer Bauart ausgezierten Thronhimmel vorwärts stehende ganze Bildnüs
dieses Fürstens, im blossen Haupte, ganz geharnischt,
mit Wappenrock, welcher von dem Bayerischen und
Pfälzischen Wappen geviertheilet, und mit einem
umhangenden Fürstenmantel, mit der rechten Hand
dem zu Füssen gestellten und gegen die rechte Seite
gekehrten gekrönten Turnierhelm oben beym Federstutz haltend, und mit der lincken das angegürtete
Schwerd anfassend, mit dem unter zu lesenden Titul
WILH.elmus DUX: BAVa.riae. Co.mes Han.oniae Hol.
landiae. Zel.landiae Z.(et) D:ominus. Fr.isius.“ Es folgt
die Behandlung der Rückseite mit thronender Maria,
anschließend die historische Erklärung mit Anführung
chronikalischer Quellen.
Berghaus 1995; Albert/Cunz 1995; Dekesel /Stäcker
2005.
Ausst.kat. Göttingen 2013.
Zum Phänomen: Arnulf 2009.
Kat. Göttingen 1893, S. 384 f.
Brandt 1959; Fürsen 2011.
Archiv der Hansestadt Lübeck, Museum Dreyerianum,
Signatur 08.01/0703 – 0751.
München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14000.
https://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=645077575&db=100&View=default [Zugriff
21.01.2020].Mit den zahlreichen und frühen Kupferstichen nach mittelalterlichen Miniaturen, die in
deutschsprachigen Territorien entstanden, beschäftigte sich leider nicht: Braesel 2009. Ebd., S. 62 –155
wird zwar die französische Seite des Phänomens behandelt, die deutsche aber bleibt unbedacht. Exempel
bei: Arnulf 2009.
Kupferstich von Nicolaus Seeländer, Kupferplatte
in der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover: http://echo.mpiwg- berlin.mpg.de/ECHOdocuView?url=/mpiwg/online/permanent/echo/
copperplates/Leibniz_cup5/pageimg&mode=imagepath&pn=3 [Zugriff 22.01.2010].
Meyer 1998, S. 1125 –1130; Cevolini 2006; Cevolini
2018, S. 149 –166.
Aus der inzwischen umfangreichen Literatur zum
Thema sei genannt: Brakensiek 2003B, S. 23 –26;
Schnitzer 2010, S. 50 – 61; Vogel 2011, S. 23 – 40.
Das Thema ist Gegenstand eines Forschungsprojektes
des Verfassers: „Historisierende Fiktion und genealogische Repräsentation in Bildnissen, Bildnisserien
und genealogisch-panegyrischen Allegorien. Fiktion,
Rekonstruktion, Authentisierung und Autorisierung
bildlicher Darstellungen nachantiker Personen und
Ereignisse in den Bildmedien der Frühen Neuzeit in
Deutschland.“ In der Forschung wurde das Phänomen
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vernachlässigt, Schürmeyer 1933, Sp. 221–228; Heck
2005, S. 271–273. Bauer 2013. Untersucht wurden
bisher nur drei Unternehmungen zur Schaffung historisierender Ahnenreihen: Comblen-Sonkes/Van den
Bergen-Pantens 1977; Ausst.-Kat. Dresden 2006.
So ließ Reiner Reineccius die figürliche Tumbenplatte,
die erst im 12. Jahrhundert für das Grab des im frühen 9. Jahrhundert verstorbenen Sachsenherrschers
Widukind gefertigt wurde, im Holzschnitt abbilden:
Reineccius 1581. Diese Idee perfektionierte Peccenstein 1597, wenige Jahre später, indem er gezielt die
Ernestiner ansprach und ausgehend von Reineccius’
Holzschnitt der Tumba „lebendige“ Porträts in Holz
schneiden ließ.
Sächsisches Stammbuch, 1546, illuminierte Handschrift, in: Sächsische Landesbibliothek – Staats- und
Universitätsbibliothek Dresden, Mscr. Dred. R 3; Digitalisat: http://digital.slub-dresden.de/id280736444
[Zugriff ##].
Scheicher 1999; Schauerte 2001, S. 36 – 42; Ausst.kat.
Wien 2003, S. 550 –561; Haidacher/Diemer 2004.
Ausst.kat. Magdeburg 2006, S. 543 f.; Arnulf 2009,
S. 210 f.
Reyher 1692; Bildnüssen 1624; auch: Arnulf 2009,
S. 198 –201.
Hocker 1731; Reineccius 1731; Genealogia 1632; Kettner 1712.
Ausst.kat. Basel 2006.
Arnulf 2014, S. 71–79.
Vredius 1643.
Vredius 1639.
Zyllesius 1638.
Heineccius 1709.
Kat. Göttingen 1893B, S. 1–5.
Reese 1995, S. 41– 47.
Scheidt 1750 –1780.
Seeländer in https://www.deutsche-biographie.de/
pnd123771331.html [Zugriff 15.01.2020]).; Bodemann 1890; Oxfort 1987, S. 35 – 46. 78 – 82; Thiel
1990; Klüßendorf 2006/07.
Oberschelp 2002; ders. 2005.
Brill 1959, S. 270 –271.
Meyer 1953, S. 589 f.
Baring 1737.
Z B. Eccard 1729.
Landesbibliothek Hannover, Handschriftenabteilung,
HS XXIII, 32, a–c. Bodemann 1867, S. 403.
Ebd., 32, a: J.H.Hoffmann’s Bericht von fürstlichen
Bildnissen, wo solche anzutreffen 1675. Ebd., 32, b:
„Nachricht, wo Gemälde hoher Personen aus dem
Hause Braunschweig-Lüneburg anzutreffen, nebst Vorschlägen von Leibniz, wie solche in dem Rittersaal zu
Hannover zu stellen sind.“
Ebd., 32, b (s. o.) und 33: „Leibniz, Imagines insigniores Serrenissimae et Potentissimae Familiae BrunsvicoLuneburgicae.“
Ebd., 35: „G.S.A.v. Praun, Sammlung derer Porträts
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von deren fürstlichen Personen aus dem Haus Braunschweig-Lüneburg … soviel davon in holtz- und kupfferstich auch schwarzer Kunst zu finden.“
Eine Untersuchung des Verfassers ist in Vorbereitung.
Landesbibliothek Hannover, Handschriftenabteilung,
HS XXIII, 32, c.
Goetting 1969, S. 1– 46; Mersiowsky 2000, S. 229 –
241; Petke 2002, S. 123 –148; Bölling/Röckelein
2013, S. 24 –25.
Dohna 1964, S. 89 – 91 https://www.deutsche-biographie.de/pnd115367918.html#ndbcontent [Zugriff
12.12.2019].
Gierl 2012.
Gatterer 1765.
Vgl o. Anm. 23.
Debus 1998; Mersiowsky 2010: „so wohl ihr Auge zu
üben, als ihr Urtheil durch sichere Kenntnisse zu schärfen“, S. 18 –29.
Mabillion 1681.
Bickendorf 1998, S. 123 –224.
Lambeck 1665 –79.
Vgl. o. S. ***. Zyllesius 1638; Vredius 1639.
Bessel 1732.
Baring 1737, z. B. S. 19 –21 und im Anhang „Alphabeta
varia et specimina medii aevi scriptuarum“ 27 Tafeln ab
S. 197.
Gatterer 1755, z. B. S. 103, 273, 453, 481, 483, 485,
487, 489, 491 u. ö.
Gatterer 1765.
Krause 1878, S. 483 – 484 https://www.deutsche-biographie.de/pnd116473797.html#adbcontent [Zugriff
24.01.2020].
Reinhardt 2012, 947–960; Rümelin 2018.
Gebhardi 1762 –1798, Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Ms. XXIII, 848 – 862.
Gebhardi 1857.
Schadeus 1617.
Meissner 1668.
Fricke 1718.
Haber 1728.
Zur Gattung protestantischer Kirchenmonografien:
Arnulf 2009; Arnulf 2017; Arnulf 2019A.
Zu Gebhardis Dokumentationen und der diesbezüglichen Forschungslage: Arnulf 2019B; ders., ebd.,
S. 148.
Jung 1895, S. 135 –137 https://www.deutsche-biographie.de/pnd118803107.html#adbcontent [Zugriff
31.01.2020]; Uffenbach 1753 –54.
Marberger 1703; Berckemeyer 1709.
Keyssler 1740/1741.
Baring 1744.
Köhler 1762.
Köhler 1788.
Neickelius 1727.
Hirsching 1786 –1789.
Köhler 1788, S. 697–724 (zu Kupferstichen), S. 718
(zum Hundertguldenblatt).
Jenseits der Kennerschaft
49
Bibliografie
ALBERT/CUNZ 1995 Rainer Albert/Reiner Cunz (Hg.):
Wissenschaftsgeschichte der Numismatik. Beiträge
zum 17. Deutschen Numismatikertag 3.-5. März 1995
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Gesellschaft Speyer e. V. 36), Speyer 1995.
APIN 1719 Siegmund Jacob Apin: Unvorgreifliche Gedanken wie man Dissertationes Academicas sammeln soll,
Nürnberg 1719.
APIN 1721 Sigmund Jacob Apin: Vitae et effigies procancellariorum Academiae Altorfinae, Nürnberg 1721.
APIN 1728A Siegmund Jacob Apin: Anleitung wie man
die Bildnüsse berühmter und gelehrter Männer mit
Nutzen sammlen und denen dagegen gemachten Einwendungen gründlich begegnen soll, Nürnberg 1728.
Permalink zum Digitalisat: http://mdz-nbn-resolving.
de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10646069-2 [Zugriff: ##]
APIN 1728B Sigmund Jacob Apin: Vitae professorum phil.
Academiae Altorfinae, Nürnberg 1728.
ARNULF 2004 Arwed Arnulf: Architektur- und Kunstbeschreibungen von der Antike bis zum 16. Jahrhundert,
München/Berlin 2004.
ARNULF 2009 Arwed Arnulf: Inszenierung, Inanspruchnahme und antiquarische Erklärung. Beispiele der
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