Aus: Initiative Sozialistisches Forum, Diktatur der Freundlichkeit. Über Bhagwan, die kommende Psychokratie und Lieferanteneingänge zum wohltätigen Wahnsinn, Freiburg: ça ira 1984, S. 144 -157. Das Glas ist nach Benjamin der Feind des Geheimnisses. Der Wunsch des Glasfetischisten verendet wie das Begehren der TherapieKonsumenten ohne Erinnerung, denn dem Objekt, das den Wunsch auslöst, haftet ein eigentümlicher Mangel an. Das gläserne Material trübt die reine Durchsichtigkeit und Unsichtbarkeit, deren Herstellung es doch dienen soll, zumindest leicht und ist daher nicht eben so unsichtbar wie der reine Raum, der die Form der reinen Anschauung re präsentiert. Diese Form enthält ein bestimmtes Prinzip, nach dem das Erkenntnisvermögen die äußeren Eindrücke ordnet. Für Kant stellt sich die Erfahrung der äußeren Gegenstände, ja des Raumes, aber nie selbst räumlich dar, so daß wir den leeren Raum nicht sichten. Wenn man durch das Glas aber hindurchsieht, sieht man es noch selbst. So füllt der Glasbau im Jetzt eine Leere aus, deren Wahrheit verborgen werden soll. Ähnlich ist der Wertgegenständlichkeit, der Fülle 'durch sichtiger Arbeitsgallerte' (Marx) eine diffuse Trübung eigen. Scheitert damit schon der Versuch ein Material bzw. einen Gegenstand zu finden, das der Darstellung reiner Transparenz genügt, weil man es nicht sieht? Laufen "Communication Control Inc.", ein USUnternehmen für die Durch leuchtung jeglicher Lebensregung, und Therapie, in der die Teilnehmer freiwillig herstellen, was früher Justiz und Polizei forderten -Transparenz -vergeblich um die Wette? Sobald der private Verfassungsschutz, Communication Control Inc. ist ein Überwachungsunternehmen mit rapide wachsenden Umsatzraten, mit der staatlichen Polizei in Konkurrenz tritt, weiß man, daß die Existenz von Communication Control Inc. sich auf die Furcht des Einzelnen gründet, der Ehemann oder die Ehefrau könnte nur kriminelles oder ungewünschtes im Sinn haben. Für einige Dollars läßt man den Partner Tag und Nacht überwachen und erhält so die erhoffte Information, die zwar keine Alpträume, aber doch ein dumpfes Unwohlsein auslöst: der andere probiert sich am Part nertausch. Weil die Ehe nun kriselt, besucht die Ehefrau den Therapeuten, zieht nach wenigen Wo chen in dessen Appartement ein, worauf sich der Ehemann aus Liebeskummer oder aber aus der Enttäuschung darüber, daß genau das eintrat, was er schon wußte, das Leben nimmt. Therapie und Communication Control Inc. intensivieren so jene gespenstlose Sicherheit, die das Halbbewußte im zwischen von Schlafen und Wachen trifft, und dieses in seinem somnambulen Zustand noch ahnen läßt, daß man vor dem Tod nichts mehr versäumt. Kann der aufmerksame Blick dem reinen, ungetrübten Verhältnis in der Dämmerung noch folgen und schließlich ihm entweichen? 1 Zitiert nach Castel, F., u.a., Psycihatrisierung des Alltags, Frankfurt 1982, S. 310.