Memoria (2021)
Film als lebendiges Bewusstsein, in dem Träume, Natur, Geschichte und Jenseitiges Teil derselben Realität werden. Weerasethakul variiert seinen Cemetery of Splendour, betont aber vielleicht noch stärker als dort die metaphysischen Aspekte seines Kinos, das in seinen langsamen Atemzügen Unaussprechliches erahnen lässt. Über seinen schwülen Naturbildern und zwielichtigen urbanen Schauplätzen scheint stets schon eine Geisterwelt zu schimmern - oder sind es doch nur Radiofrequenzen? Wieder und wieder insistiert er so lange auf seinen ahnungsvollen Einstellungen, bis sie mehr zu zeigen scheinen, als man sieht. Wer sich auf diesen gemächlichen Rhythmus, das beständige Vermischen des Profanen und des Fantastischen einlässt und bereit ist, seiner undurchdringlichen Logik zu folgen, bekommt vielleicht eine Ahnung von den beängstigenden wie anziehenden, allumfassenden Vernetzungen, die Weerasethakul weniger prätentiös behauptet, als dass er sie spürbar macht. In einem Meer aus Eindeutigkeit sind seine Filme befreiend enigmatische Inseln, die Zuschauer*innen aktivieren, ohne sie zu bedrängen.
Das Entscheidende Medium ist dabei, die Prämisse verrät es bereits, der Ton, als bloßes Geräusch ebenso wie als Musik. Unsichtbar, alles überdeckend einerseits, als Echo noch über Jahre vernehmbares, alles verbindendes Element andererseits. Aber eben auch ganz praktisch betrachtet: Wie er im Tonstudio entsteht, als Musik zum Ausdruck wird, uns verknüpft und berührt - oder uns anruft. Daher ist Memoria auch nicht einfach “nur” ein Film über das Schürfen nach tieferen Schichten der Erde, sondern auch über das Greifen nach dem nächsten Menschen, die Suche nach einer Berührung, in der wir beginnen, den Anderen zu verstehen. Und darüber, dass in dieser Berührung vielleicht der Schmerz der Geschichte, wie er sich in alles einschreibt, begriffen und geteilt werden kann.