Raw (2016)
Irgendwo im blutigen Fahrwasser von Cronenberg und der New French Extremity treibt “Raw”, Julia Ducournaus stilsicheres Regiedebüt. Die Idee, sich mit den Mitteln des Horrorfilms symbolisch mit sexuellem Erwachen auseinanderzusetzen (und dass das hier geschieht, daraus macht der Film keinen Hehl), mag nicht gänzlich neu sein, dennoch wirkt “Raw” keineswegs vergammelt, sondern erzählt wunderbar frisch und unterhaltsam von Weiblichkeit, Adoleszenz und Promiskuität. Fernab von elterlicher Geborgenheit sieht sich die Protagonistin erstmals unmittelbar mit der eigenen Sexualität, aber auch und vor allem dem Urteil der anderen darüber konfrontiert. Body-Horror und Kannibalismus sind hier übersteigerte Ausdrucksformen von Empfindungen, die (zunächst) weder kontrollierbar, noch für einen selbst nachvollziehbar sind und erfordern, einen Ausgleich zwischen gesellschaftlicher Akzeptanz und körperlicher Befriedigung zu finden. Zwischen ekstatischen Party-Szenen, Spritzern grimmigen Humors, Blut und Gedärm gelingt es Ducournau zudem, eine tragische, überraschend feinfühlige Geschichte über das Band zweier Schwestern zu erzählen, das sich gerade aufgrund des geteilten Gefühls des Ausgestoßenseins entspinnt.