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Sounds perfect Wahhhh, I don’t wanna

The Endless (2017)

Überdeutlich beschwört “The Endless” kosmischen Horror à la H. P. Lovecraft, scheitert jedoch weitestgehend daran, diesen auch auf den Zuschauer zu übertragen. Das liegt vor allem daran, dass er so damit beschäftigt ist, die komplexe Funktionsweise seines grausamen Gottes zu erklären, dass sich das Gefühl des existenziellen Ausgeliefertseins des Menschen gegenüber dieser Macht nur in wenigen gelungenen Sequenzen einstellen will, in denen eben Unerklärbares oder noch nicht Erklärtes geschieht - konstituiert sich dieser Horror doch gerade da, wo menschliches Verständnis gesprengt wird. Einem solchen Effekt können zu ausschweifende Rationalisierungen nur abträglich sein. Heraus kommt so vielmehr ein filmisches Puzzle, das ständig dazu herausfordert, die Logik seines Universums zu rekonstruieren.

Interessanter wird der Film, wo er nahelegt, diese Logik als Metapher für diverse hierarchische Verhältnisse zu lesen: zwischen Gott/Mensch, Gruppe (Sekte)/Individuum und Bruder/Bruder. Dabei fasst er diese Unterordnungsverhältnisse nicht zwangsläufig als negativ auf, solange sie auf Reziprozität beruhen, die Unterordnung also gewissermaßen freiwillig bleibt. Indem er so Hierarchien auf familiärer, gemeinschaftlicher und kosmisch-religiöser Ebene in ihrer gegenseitigen Verflechtung sichtbar macht, lässt sich sein Ende auch als dreifacher Emanzipationsakt begreifen - auch wenn die plötzliche Sentimentalität dieser Auflösung einen faden Beigeschmack hinterlässt. Bei alledem bleibt jedoch eine höchste, unausweichliche Autorität, ein unsichtbarer, allgegenwärtiger Voyeur, auf den Benson und Moorhead in metafilmischen Einschüben immer wieder verweisen, die Kamera. Denn vor was auch immer die Protagonisten fliehen, eines werden sie nicht verhindern können: Dass der Film einfach von neuem beginnt.

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I, Tonya (2017)

Was ist wahr, was nicht, wer weiß das schon, hahaha. Das Spiel mit den impliziten Wahrhaftigkeitsansprüchen und Konventionen des Biopics verkommt in “I, Tonya” zur angestrengten Pose. Das zeigt sich schon an den vielen (zu vielen) coolen Songs, die permanent den lockeren Umgang mit der Wirklichkeit betonen müssen, als sei man clever, nur weil man weiß, dass man lügt. Nicht, dass der Hieb auf die Klischees nicht immer wieder unterhaltsam wäre und der Alternative größtenteils vorzuziehen ist, aber so dekonstruktiv, wie es gerne wäre, ist das nicht, zumal es da letztes Jahr mit “Jackie” einen wesentlich spannenderen Vertreter dieser Zunft gab. Und wenn im Abspann die obligatorischen “echten” Bilder die Ähnlichkeit zwischen Filmkonstruktion und Wirklichkeit(skonstruktion) verbürgen sollen, stolpert der Film endgültig über die eigenen Ansprüche, auch wenn er dabei, wie gesagt, durchaus kurzweilig ist.

Das ist vor allem deswegen irritierend, weil zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel darüber besteht, auf wessen Seite er steht, nämlich auf der seiner Titelheldin. Aufblühen tut er daher eigentlich, wenn er ohne ironische Hintertür von ihrem Aufstieg erzählt, der zugleich einer entgegen und mit der öffentlichen Meinung war, von ihrer Frustation an einem Sport/Leben, das eben nicht nur um die Leistung, sondern immer auch um die Selbstdarstellung kreist. Eine interessante, mitreißende Geschichte, die sich auch schön erzählen ließe, ohne sie zu entleeren, indem man unaufhörlich postmoderne Pirouetten dreht.

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Lady Bird (2017)

“Lady Bird”, der Film, ist ein wenig wie Lady Bird, die Person: sympathisch, niedlich, schlagfertig, emotional, aber auch naiv, arrogant und der Überzeugung, dass die vehement behauptete Eigensinnigkeit allein außergewöhnlich macht. Deswegen kann man beiden nie so wirklich böse sein, wenn sie verlangen, dass man sie lieben soll, weil sie ja so anders sind, auch wenn man unter der unangepassten Hülle den Kitsch durchschimmern sieht. Zwar umschifft Greta Gerwig das Coming-of-Age-Klischee, dem ersten Sex/der ersten Liebe einen übergroßen Platz in der Reise durch die Adoleszenz einzuräumen und stellt diese gleichwertig neben den Werdegang durch Freundeskreis, soziales Umfeld, Schule und Familie, kann diesen Aspekten zugleich aber wenig Neues abgewinnen, stellt sich zudem ganz hinter ihre Hauptfigur, die in ihrem Unwillen, auf die finanziellen Umstände ihrer Familie Rücksicht zu nehmen, eben auch ganz schön ignorant ist. Womöglich gehört das zum Konzept, problematisiert wird es dennoch kaum, dafür will Gerwig auch zu sehr rührselig sein.

Aber vielleicht, so habe ich mir nach dem Kinobesuch sagen lassen, bin ich ja als männlicher Zuschauer hier auch gar nicht das Zielpublikum, und man sollte diesen Mutter/Tochter-Film Müttern und Töchtern lassen. Gerne, aber wo hier groß aus bewährten Coming-of-Age-Mustern ausgebrochen wird, bleibt mir so oder so schleierhaft, abgesehen vom Ende vielleicht, dass die ganz große Auflösung dann doch verweigert und schön aufzeigt, dass das Leben eben manchmal nicht zielgerichtet ist. Und wie die Person Lady Bird, macht es der Film einem nun mal schwer, nicht mit ihm zu lachen und zu weinen, auch wenn er manchmal nervt.

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A Beautiful Day (2017)

Lynne Ramsays Variation eines Rachethrillers bedient so gar nicht jene Vorstellung von Männlichkeit, die häufig zum Genre gehört, denn wo sonst harte Kerle ihre eisernen Ehrenkodexe umsetzen, ist die Welt dieses Films von innerlich wie äußerlich verletzbaren Männern bevölkert, die vor ihrer Grausamkeit entweder kapitulieren oder zerbrechen. Gewalt ist zwar reichlich vorhanden, aber praktisch ausschließlich im Resultat zu sehen; jeder Konsumierbarkeit beraubt, bleibt sie somit nichts als die brutale sowie sinn-, weil ursachenlose Destruktion der Körper. Zu durchbrechen ist Gewalt als das zugrunde liegende Prinzip dieses Universums nur temporär, durch vergebliche Akte der Menschlichkeit, durch die Fähigkeit zum Beispiel, mit dem eigenen Mordopfer noch ein letztes Lied zu singen und zu trauern.

Ramsays Zugang zur Psyche ihrer Hauptfigur ist ein tastender und bruchstückhafter. Backstorys werden angedeutet, aber nicht lückenlos ausbuchstabiert, die Erzählung verläuft ähnlich sprunghaft und elliptisch. Die genretypische Story um den Teufelskreis der Rache wird von ihr in ein nahezu impressionistisches Mosaik der Zerstörung von Körper und Geist aufgelöst, das sich sich sowohl dem Trauma als auch den äußerlichen Narben seines Helden annähert, ohne diese begrifflich fixieren zu können oder zu wollen. Heraus kommt ein Kino der Andeutungen, das sich prinzipiell vorschnellen Versuchen der Einordnung und Deutung entzieht, sondern ausdrücklich erfahren werden will. Dem dienen dann auch sowohl der dröhnende Sound als auch die Reduktion der Story auf das Nötigste. “A Beautiful Day” ist eigentlich ein Anti-Rachethriller, der Joe und dem Zuschauer schließlich alles verweigert, was ersterer wünscht und letzterer erwartet, vor allem aber jedwede kathartische Funktion der Gewalt, bis nichts übrig bleibt als die Auflösung der Figuren, ein verlassener Dinertisch - die totale Leere.

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Thelma (2017)

Joachim Triers “Thelma” könnte einen in seiner Verbindung von weiblicher Coming-of-Age-Geschichte mit Horrorelementen zunächst an Julia Ducournaus “Raw” aus dem letzten Jahr denken lassen. Trotz ähnlich gelagerter Thematik ist der Unterschied in der Inszenierung jedoch offensichtlich: Während Ducournau adoleszente Ängste um Sexualität und Angepasstheit in viszerale und unbequeme Körperbilder fasste, bedient sich Trier einer glatten und kalten Ästhetik. Dies bedeutet einen weitgehenden Verzicht auf Schockeffekte, die durch ein durchgehendes Unbehagen ersetzt werden, welches jedoch erst im ominösen Ende zur vollen Ausprägung kommt. Triers Interesse gilt sichtlich mehr einer sensiblen, nachvollziehbaren Heranführung an seine Hauptfigur und ihr Umfeld als der Externalisierung ihres Empfindens. Trotz Subjektivierung der Erzählung bewahrt der Film mit seiner kühlen Atmosphäre so eine gewisse Distanz.

Dazu passt, dass der innere Konflikt Thelmas einer der Unterdrückung ist und zwischen ihrer Erziehung und ihren Trieben und Gefühlen ausgetragen wird. Subtil erzählt der Film von einer für teuflisch gehaltenen Weiblichkeit, die durch religiöse Gebote bezwungen werden soll. Raben und Schlangen begleiten Thelmas telekinetische Fähigkeiten und Visionen, was wohl nicht zufällig Assoziationen mit naturverbundenen Hexenkräften hervorruft. Diese erwachen gleichzeitig mit der als verboten empfundenen (Homo)Sexualität und lassen sich auch durch die Medizin nicht wegrationalisieren. Erst mit der Überwindung der patriarchal-religiösen Familie, die, in ironischer Umkehrung, quasi auf dem Scheiterhaufen stattfindet, was die symbolische Versöhnung mit und Befreiung der Mutter einschließt, kann Thelma sich selbstbewusst ihrer Kräfte bemächtigen und von Repression befreien.

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The Florida Project (2017)

Sollte Sean Baker seiner Linie treu bleiben, in bonbonbunten Bildern von amerikanischer Armut und Ausgrenzung zu erzählen, man könnte sich nicht beschweren. Wie schon “Tangerine” ist “The Florida Project” eine gelungene Milieustudie, die durch authentische Laiendarsteller besticht, aber durch ihren kindlich gefilterten Blick nie so tun muss, als würde sie dem Zuschauer pseudo-dokumentarisch unmittelbare Realität präsentieren. Im Gegensatz zum iPhone-Guerilla-Stil seines Vorgängers ist dieser Film aber bei aller Spontanität zum einen strenger in der Form und erreicht zum anderen durch größere Ruhe und den Verzicht auf die Stilisierung der Figuren zu (sympathischen) Karikaturen eine größere Lebensnähe. 

Bakers Stärke ist es, dass er am Schicksal jener teilhaben lässt, die das Kino zu häufig ausspart, dabei aber keine exploitativen Elendspornos dreht, sondern Empathie erzeugt, gerade indem er diesen Randexistenzen Humor und Esprit bewahrt. Dass er sich dabei auch nicht den Anforderungen einer handelsüblichen Dramaturgie beugt, sondern häufig einfach nur Alltags-Vignetten aneinander reiht, ist diesem Vorhaben durchaus zuträglich. Die Figuren im Universum von “The Florida Project” sind keine unfehlbaren Unschuldslämmer, weit davon entfernt, und doch vermittelt der Film durch den unvoreingenommenen Blick auf sie ein Gefühl davon, wie sehr ihre Situation natürlich auch durch das System und ihr Umfeld bedingt ist. Nicht umsonst thront über dem Geschehen schließlich mit Disneyland die für die Protagonisten des Films unerreichbare, kapitalistische Hochburg des American Dream. So gesehen ist das etwas kitschig geratene Ende vielleicht nicht ganz frei von einer bitteren Ironie.

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Call Me by Your Name (2017)

Ein Film, der den Begriff “Sinnlichkeit” wörtlich nimmt und nicht nur (aber definitiv auch) als Synonym für geschmackvolle Erotik auffasst, sondern als Anlass, mit den Farben, Gerüchen, Tönen, Geschmäckern, Körpern einer intensiv erlebten Zeit zu pulsieren. Ebenso verliebt wie in seine beiden Hauptdarsteller ist er daher in all jene sensorischen Details, den Saft eines Pfirsichs auf der Haut, den Geruch von Gras, frischem Regen und Schweiß, die Schatten, welche die italienische Mittagssonne in schwülen Dachbodenzimmern wirft und natürlich in diese vom Meeresgrund geborgenen antiken Statuen, die zeitlosen Formen und von der Zeit gezeichneten Oberflächen dieser Körper, Körper in ihrem Zusammenspiel überhaupt. Die Vielfalt dieser Eindrücke lässt der Film zum Porträt nicht nur einer besonderen ersten Liebe, sondern auch dieses einmaligen Sommers zusammenfließen, wie man an ihn zurückdenken würde, wenn man im nächsten Winter ins Kaminfeuer starrt. 

Und wie die großen, intensiven Gefühle, von denen dieser Film erzählt, (und wie schließlich auch das Kino selbst) ist diesen Impressionen ihre eigene Vergänglichkeit bereits wesenhaft eingeschrieben. Sie sind absolut gegenwärtig, so einmalig wie flüchtig, davor gibt es nur freudige Erwartung, danach melancholisches Erinnern. Und darum, davon erzählt weiterhin Elios Vater, sollte man es wagen, sich ihnen auszuliefern. Dieses vollwertige Empfinden der Gefühle und Eindrücke in ihrer Flüchtigkeit verkörpert der Film in seiner Sinnlichkeit und gewährt so etwas Teilhabe daran. Wer darüber zu schreiben versucht, kann sich bereits nur noch melancholisch erinnern. 

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Shape of Water - Das Flüstern des Wassers (2017)

Die Grundidee des Films, die Logik der Monsterfilme der 50er und 60er-Jahre umzudrehen, ist zwar überaus reizvoll und wird auch kompetent umgesetzt, bringt es jedoch mit sich, dass der Film mindestens so eindeutig ist wie seine Vorgänger, wenn nicht gar noch mehr. Diese Plakativität wird zum Stolperstein, wenn del Toro eben nicht nur ein Märchen, sondern auch eine große Toleranzparabel erzählen will. Denn damit stellt er sich den Problemen der Gegenwart, möchte aber eigentlich viel lieber von Zeiten erzählen, in denen das alles noch nicht so furchtbar kompliziert war. Solche Simplizität trägt jedoch zum Diskurs nichts mehr bei, denn von solch frauenverachtenden Widerlingen wie Michael Shannon mit seinem charmanten Sixties-Rassismus kann sich jeder Zuschauer bequem distanzieren. Die Missstände einer Zeit nahezu in bloß einer Figur zu konzentrieren, verschleiert zudem den Blick für systemische Diskriminierung. Das ist zwar, mag man berechtigterweise einwenden, kein Weltuntergang, denn del Toro hat das Herz gewiss am rechten Fleck, und so ein Märchen zeichnet sich ja vielleicht auch nicht gerade durch seine große Subtilität aus. Aber Rassismus und dergleichen sind nun mal auch keine Märchen und 2017 hat bewiesen, dass man davon sowohl unbequemer als auch differenzierter erzählen kann.

So wirkt der Film in seiner Nostalgieversessenheit nicht nur inhaltlich, sondern auch politisch romantisiert und taugt als Geschichte über Ausgestoßene hauptsächlich als Eskapismus. Einzig in der Sinnlichkeit, die er einer Liebesgeschichte über eine stumme Putzfrau und einen Fischmann einzuhauchen vermag, schimmert ein wenig wohltuendes subversives Potenzial durch die Leinwand. Zudem sollte all das nicht davon ablenken, dass del Toro nichtsdestotrotz ein handwerklich wunderbares und mitreißendes Märchen voller liebenswürdiger Figuren gelungen ist. Er will Träumerkino machen, deswegen muss neben dem ironischen Rückgriff auf die Monsterfilmgeschichte das Kino von seinen Charakteren auch noch ausgiebig zelebriert werden. Das ist zwar furchtbar gefällig und sollte, wie gesagt, vielleicht nicht einfach hingenommen werden, nur weil es ja so schön ist. Aber Eskapismus kann del Toro dafür ziemlich gut.

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Der seidene Faden (2017)

Die Liebe ist ein seltsames Spiel, und häufig eines, deren Regeln nur seine zwei Spieler kennen. Im Falle von Alma und Reynolds Woodcock geht es um Kontrolle und Ordnung, um Dominanz und die Lust des Dominiert-Werdens. Dabei erliegt Andersons Kamera nie der Versuchung, dem Paar bis ins Schlafzimmer zu folgen, sondern porträtiert ihre Beziehung wortwörtlich betont zugeknöpft, als eine, die sich hauptsächlich zwischen Garderobenwechseln abspielt und für Woodcock genauso maßgeschneidert sein muss wie seine Anzüge.

In dieser erdrückenden, rigiden Ordnung muss Alma herausfinden, wie sie sich aus der objektartigen Position der Muse befreien kann, um ihr eigenes Gleichgewicht reziproker Abhängigkeit zu etablieren. Der naheliegende Kniff ist da natürlich der Rückgriff auf das Kindheitstrauma des Liebsten, das bewusste Annehmen der Frau- und Mutterrolle zugleich. So sind am Ende beide Gewinner dieser seltsamen Emanzipationsgeschichte. Ob das vielleicht auch große Liebe ist: Das kann wahrscheinlich nicht mal der Doktor sagen, der sich das alles anhören muss.

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Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)

Der Akt einer Frau, die das Totschweigen der ihr widerfahrenen Ungerechtigkeit nicht länger erträgt, bringt das Gleichgewicht in Ebbing, Missouri aus den Fugen. Die Kleinstadt ist ein Mikrokosmos, in den McDonagh die großen sozialen Probleme Amerikas projiziert, ein Anspruch, den er bei aller Blödelei und Überzeichnung nie verhehlt. Die offene Geste des Protestes spült all die weiteren Missstände mit an die Oberfläche: Polizeigewalt und Rassimus, zuvor allgemein akzeptierte Bedingungen einer fragwürdigen Stabilität, sind nicht länger zu verstecken. In Mildreds Radikalität steckt aber ebenso die Sehnsucht nach der Rückkehr zur Gerechtigkeit des Wilden Westens, denn in die Behörden ist kein Vertrauen mehr. Die Spaltung Amerikas, sie läuft eben auch durch Ebbing, Missouri.

Doch so unbarmherzig der große Dramatiker McDonagh mit seinen Figuren auch ist, er ist letztlich doch auch Philanthrop. Seine Geschichte behält sich bei allem Pessimismus die Hoffnung vor, dass selbst in einer Welt (einem Land) ohne Sinn und Gerechtigkeit wenigstens die Möglichkeit besteht, dass auch ihre schlimmsten Bewohner sich noch zum Besseren wenden können.

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