Kulturelle Identität

Die Integration der Menschen, die in großen Migrations-und Fluchtbewegungen nach Deutschland kommen gilt für alle Seiten als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen seit der Wiedervereinigung. Entscheidende Erfolgsbedingungen dafür sind ein schneller und konstruktiver Sprach erwerb sowie ein positives Selbstkonzept, Motivation und der Aufbau einer neuen kulturellen Identität. Mit der Frage, welche Rolle dabei der Musikunterricht spielen kann, beschäftigen sich die Beiträge des vorliegenden Bandes. In dieses Thema führt das Vorwort ein.

Ich berufe mich auf die Ansätze des iranischen Indologen und komparativen Philosophen Daryush Shayegan (1935–2018), der sich in seinen früheren Schriften mit der kulturellen Ich-Spaltung unter dem Begriff »kultureller Schizophrenie« auseinandergesetzt hat und in seinen späteren Schriften anhand der Idee der »gezähmten Schizophrenie« versucht hat, eine interkulturelle Identität zu denken.

Ich werde eine spezifische sozialphilosophische Deutung kultureller Identität entwickeln, wonach die kollektive Aneignung und soziale Weitergabe der symbolischen Strukturen einer intersubjektiv geteilten Praxisformation die kulturelle Identität einer partikularen Praxisgemeinschaft ausmacht. „Kulturelle Identität" bezeichnet somit nicht einen bestimmten Teil, nämlich den kulturellen, in der personalen Identität eines Subjekts, sondern bestimmt die Einheit und das Wesen einer überindividuellen, sozial geteilten Lebensform. Konkret werde ich für folgende drei Thesen argumentieren:
1. Sozialontologische These: Die kulturelle Identität einer Praxisgemeinschaft konstituiert sich aus geteilten Überzeugungen und Deutungsschemata, praktischem Vollzugswissen sowie gemeinsamen Werten und Normen und manifestiert sich in gegenständlichen Artefakten, bedeutungstragenden Symbolen und habitualisiertem Verhalten.
2. Machttheoretische These: Die kulturellen Symbol- und Bedeutungssysteme­ einer Praxisgemeinschaft sind Gegenstand interpersonaler Konflikte und Aushandlungsprozesse, in denen die bestehende Ordnung herausgefordert und ihre sozialen Regeln infrage gestellt werden. Eine dauerhafte Aushandlung von Wert- und Interessenskonflikten und die Auseinandersetzung um eine andere Ordnung sind so zentraler Bestandteil kultureller Identität.
3. Ideologiekritische These: Die eigene kulturelle Identität kann für die Mitglieder einer Praxisgememschaft opak sein. Ein konvergierendes Wir-Bewusstsein darf nicht mit der tatsächlichen Identität einer kulturellen Lebensform verwechselt werden.

Eine Buchbesprechung des Essayromans „Europas längster Sommer“ von Maxi Obexer, die unternommen aus der Perspektive eines Oberschlesiers aufzuweisen versucht, dass Literatur anderer Grenzgebiete, durch ein Potenzial von analogen Erfahrungen der schwierigen Vergangenheit, zu einem besseren Verstehen des Eigenen und des Fremdsein-Gefühls außerhalb der eigenen Heimat in der Gegenwart beisteuern kann. Die dabei ausgelösten Reflexionen verdeutlichen die Bedeutung einzelner Bestandteile beim Sozialisierungsprozess (wie Bildung in der Muttersprache oder kulturelles Umfeld) von Grenzlandmenschen. Im Buch wird ebenso Kritik an der gegenwärtig sich verbreitenden rechtspopulistisch-nationalistischen Trends in Europa geübt. Darüber hinaus zeigt der Essayroman das länderübergreifende Verständigungspotenzial von Literatur als solcher auf, in dem Fall am Beispiel der Grenzlandliteratur.

Most studies of differentiated integration are limited to the European Union, to the relations between the existing Member-States, and to the various institutional arrangements. The relationship between the European Union and the Western Balkans offers the support for testing the concept of differentiated integration on the dynamics recorded between the EU and a group of foreign states. Different Balkan states signed different contractual agreements with the European Union, with the expressed wish to consolidate their European perspective. The EU has a large range of initiatives, already implemented or in the process of implementation, for the Western Balkans. One such key initiative is the regional approach, which pushes the Western Balkan states toward forms of regional cooperation that need to be achieved if progress is sought in their contractual relations with the EU. This approach of the EU is salutary in theory, but in practice, the region of the Western Balkans is not uniform, it does not have any constants in the regional characteristics, in terms of identity, culture, and political and economic development. The Western Balkans space is synonymous with the geopolitics of violence, where drawing and redrawing borders and frontiers hide scars rooted in ethnicity, confession, religion and/or nationality, which are often translated into nationalism and desire for independence. Our work will attempt to tap into likely determiners in the integration process of the Western Balkans and to see if it is possible to establish an integrationist model open to dialogue. One of the starting premises is that ethnicity has been a determiner in the integration process (or the disintegration process, for that matter!), both in the case of Yugoslavia, and in the case of post-Yugoslavia evolution, including the process of European integration. Ethnic barriers have been passed by some countries with great difficulty, and the prospect of European integration does not entail a solution to all disagreements. Moreover, some states/nations are at an early stage of identity construction process, often involving claims or amendments to/from other countries.

von Claudia Grünberg und Sabrina Saase (2017). In Kooperation mehrerer Berliner Museen führen geschulte Geflüchtete durch hiesige Sammlungen und solche ihrer Herkunftsländer. Durch Dialog und vielfältigen Austausch entstehen Brücken zwischen kulturellen und historischen Erfahrungen und damit zwischen Menschen. Damit trägt das Projekt „Multaka: Treffpunkt Museum“ zu einem zentralen Anliegen der UNESCO bei – durch Kultur und Bildung die Internationale Verständigung zu fördern.
Sabrina Saase und Claudia Grünberg kontextualisieren das Projekt und die Rolle Syriens für eine Kultur des Friedens. Denn Syrien war schon immer ein Land der Begegnung. Ein kulturelles Gedächtnis für den Wiederaufbau ist notwendig. Es müssen neue Strukturen für Verständigung und Akzeptanz in einer kulturell, ethnisch sowie religiös vielfältigen Gesellschaft entstehen. Viele im Museum für Islamische Kunst und im Vorderasiatischen Museum ausgestellten syrischen und irakischen Kulturgüter sind herausragende Zeugnisse der Menschheitsgeschichte.
Wir führten ein Interview mit Robert Winkler und Razan Nassreddine von Multaka und fragten nach dem Besonderen des Projekts, den tollen Guides und ihren Geschichten sowie ihrer Ausbildung zu Museum-Guides, nach Lieblingsausstellungsstücken, was das Wiedererleben und Vermitteln des eigenen kulturellen Erbes bewirken kann, nach angebotenen Workshops zu „Frauendarstellungen im Islam und Christentum“. Wir stellten auch kritische Fragen z.B. nach sozialer und kulturelle Teilhabe also dem Mitspracherecht der Geflüchteten im Projekt Multaka. Das Interview geht auch auf die Frage ein, wie das syrische Kulturerbe nach Deutschland gekommen ist und welche Rolle dabei Justiz und Moral spielt.
https://www.unesco.de/sites/default/files/2018-09/kultur_des_friedens.pdf

Dieser Artikel ist ein Versuch, den inspirationsreichen Lebensweg von Anna Myszyńska, der 2019 verstorbenen oberschlesischen Schriftstellerin, Dichterin, Journalistin und Fotografin, anhand einer Buchbesprechung ihrer 2017 veröffentlichten (Auto-)Biographie darzulegen. In der polyphonen und mehrperspektivischen Veröffentlichung kommt nicht nur die Autorin zu Wort, sondern ebenfalls Personen aus dem öffentlichen Leben und ihrem engsten Familien- und Freundeskreis. Das so kreierte Bild zeigt die Vielseitigkeit einer in der Dreisprachigkeit – Deutsch, Schlesisch, Polnisch – beheimateten Oberschlesierin aus der Umgebung von Zülz auf, die mit schöpferischer Kreativität die schwierigen Schicksalsschläge des 20. Jahrhunderts verarbeitete und sich so, im privaten wie im gesellschaftlichen Sinne, für den Brückenbau zwischen Schlesiern, Deutschen und zugezogenen (Ost)Polen einsetzte. Darüber hinaus wird im Artikel das Thema der in der Biographie leicht angedeuteten Diskriminierung der einheimischen Oberschlesier in der Nachkriegszeit genauer beleuchtet, wie auch ein Vergleich mit einer anderen Dichterin dieser Generation, der in Oberglogau geborenen Eva Maria Jakubek, aufgestellt.

sehr geehrte damen und herren, Zuerst möchte ich erwähnen, dass ich mich sehr darüber freue, die Gelegenheit zu haben, an einer solchen Organisation teilzunehmen und möchte mich hier bei den Verantwortliche besonders bei Frau Cortese ganz herzlich bedanken. Wegen meiner schwachen Sprachfähigkeit können einige Hinweise nicht verstanden werden. Ich würde eure Fragen bitte gerne am Ende der Praesentation beantworten.

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The article explores the relation between identity definition and trust in different information sources in Morocco, Jordan and Tunisia following the 2011 Uprisings. While prior to 2011 literature mostly highlighted the role of pan-Arab news channels in consolidating a transnational Arab public sphere, recent studies argued that there has been a reinforcement of national media and identities in the Middle East and North Africa, as a consequence of a partial liberalisation of national broadcasting. Our study is based on the Arab Transformations survey (2014), which unlike previous surveys included questions covering both media consumption and identity definition. We looked at how in the three countries the choice of Muslim, Arab or national identity definition was associated with the preference for distinct sources of political news. The results only partially confirmed the hypothesis of a renewed importance of national media and showed that in the three countries people tended to attribute very different values to the same news sources.

The study focusses on the harsh public debates after the fall of the Berlin Wall expelling GDR culture from the field of culture and forming what is considered a new German cultural national identity. The kitsch judgment is central in these debates. Therefore the study dedicates an entire chapter to update the aestetic theory of kitsch as a discoursive phenomenon.

Issues of ethnicity, culture, and national identity have been central in every political and social circle in Israel since the first days of the Zionist movement. The “new Jew,” a term created and lionized by the Zionist movement at the end of the 19th century, shadowed Israeli society and remained a critical part of the struggle for national identity and unity in the State of Israel after its independence in 1948. This Jew was to be a white, educated, westernized citizen, involved in both political and social processes, knowledgeable in the terms of the Western world. The concepts of the new Israeli-Jew completely ignored the fact that since the first days of the Zionism movement, the Middle Eastern Jew, born, raised and significantly involved in Arab countries, was a notable part of it and of the process of building the Jewish state of Israel. (author's abstract

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Das deutsch-türkische Anwerbeabkommen aus dem Jahr 1961 steht für eine Zäsur mit einem unumkehrbaren Einwanderungsprozess. Diese Studie beschäftigt sich mit der Kultur der sogenannten Gastarbeiter:innen als Einwanderungsgeneration sowie den Festakten zu den Jahrestagen des Anwerbeabkommens im Kontext kultur- und identitätspolitischer Fragen und Konzepte. Die Studie ist eine Auseinandersetzung mit erinnerungskulturellen Fragen und damit, welche Narrative und Institutionen für eine Erinnerungskultur an die sogenannten Gastarbeiter:innen aus der Türkei ab den 1960er Jahren bis zur Gegenwart zur Verfügung stehen. Für die Studie wurden neben Quellen- und Lektüreforschung Interviews mit Akteur:innen geführt, die zum Thema der sogenannten Gastarbeiter:innen aus der Türkei Sammlungen aufgebaut oder Projekte durchgeführt haben oder sich als Kinder und Enkel der sogenannten Gastarbeiter:innen bezeichnen.

15.12.2021; 14 Uhr: Öffentliches Online-Gespräch mit Peter Neumann
(im Rahmen des Philosophie-Seminars "Identität. Kollektivität. Kollektive Identität" von Anne Gräfe)
Gemeinsam mit Matthias Warkus (geboren 1981 in der Pfalz) hat Peter Neumann (geboren 1987 in Mecklenburg) zwischen dem 4. Dezember 2018 und dem 13. April 2019 ein Gespräch zum Thema 'critical westdeutschness' schriftlich geführt. Vorher hatten sie festgelegt: Es sollte ein Gespräch, kein Interview werden; und das Gespräch sollte ganz kathrinpassigmäßig asynchron und online verlaufen, damit sie aufkommende Themen, Links usw. beliebig recherchieren konnten. Im Rahmen des Seminars "Identität. Kollektivität. Kollektive Identität" sprechen wir mit Peter Neumann über die Identität des Subjekts, mit der sich oftmals eine je kohärente Erzählung verbindet, welche sich aus der Erinnerung an das bereits vergangene Leben speist. Eine Erzählung, die das Subjekt als einzigartig und besonders beschreibt, ausgestattet mit einem ganz eigenen Charakter. In dieser Lesart bedeutet Identität jedoch stets auch Abgrenzung: Diese Grenzen konturieren dann das Innere, das vermeintlich originär Eigene gegenüber dem Außen und Anderen. Im Kollektiv wiederum erscheinen diese individuellen Grenzen einerseits als verschwommen und in Auflösung begriffen, wenn vermeintlich das, was zuvor als individuell besonders nun in einem allgemeinen Muster homogenisiert wird. Andererseits zeigt dieses allgemein Verbindende sich im Kollektiv als Besonderes, als Muster, als kollektive Identität. Selbst- wie Fremdzuschreibungen, Mythen wie Statistiken versuchen so, die opake Pluralität der Gegenwart wahlweise in einer identitären Einheitsnarration oder einen latenten Konflikt zu ballen, je nach Intention der Autor*innenschaft. Darin enthalten ist dann jeweils auch das Unstabile, Fragile, Brüchige, sowie das Nichtbesondere, Durchschnittliche und Langweilige.

Peter Neumann ist Lyriker, Schriftsteller, Journalist und Philosoph. Er lebt in Berlin, arbeitet in Oldenburg und im Feuilleton der Zeit-Redaktion in Hamburg und hat, nach seinem Buch zu 'Jena 1800. Die Republik der freien Geister' im Siedler-Verlag, zuletzt 2019 im Alber-Verlag 'Zeit im Übergang zu Geschichte. Schellings Lehre von den Weltaltern und die Frage nach der Zeit bei Kant' veröffentlicht.

Der Artikel zeigt, wie es Navid Kermani in seinem Roman "Dein Name" mit Rekurs auf die Edition der Hölderlinschen Schriften und auf Jean Pauls Schreibstrategie leistet, sein Leben als exemplarischen Ausdruck eines Lebens im 21. Jahrhundert zu präsentieren. Kermani konstruiert in bewusster autofiktionaler Distanzierung von seiner Biographie die Lebensgeschichte eines fiktiven Navid Kermani, der in den Rollen, die er in seinem Leben spielen muss, zu verschwinden droht.